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Melange No29

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FRÜHSCHÜTZ<br />

ABGRENZUNG UND GEMEINSCHAFT<br />

An einem eher ungemütlichen Novembertag habe ich Leo Frühschütz in der Gemeinschaft<br />

Sulzbrunn bei Kempten besucht, in der er und seine Frau Brigitte seit<br />

einigen Jahren leben. „Zuerst hatten wir es in der Region um Murnau mit einem gemeinschaftlichen<br />

Wohnprojekt versucht“, erzählt Leo, „aber es war einfach nichts zu finden.“ Doch in<br />

Sulzbrunn, in der Nähe von Kempten, gab es so ein Projekt auf einem weitläufigen<br />

ehemaligen Klinikgelände. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts war dies ein Kurbetrieb<br />

mit eigener Jodquelle, und etwas von dem Flair ist auch heute noch vorhanden.<br />

Man lebt hier großzügig und beengt gleichermaßen. Das Gemeinschaftsprojekt ist<br />

fast ein kleines Dorf. Zum Gelände gehören diverse Wohnhäuser, ein Seminarhaus<br />

mit Turnhalle und Speisesaal, ein Heizkraftwerk, das auch Strom produziert, Beete,<br />

Gewächshäuser und sogar ein Waldstück.<br />

Bei unserem Rundgang über das Gelände – es fing gerade zum ersten Mal in diesem<br />

Herbst an zu schneien – entdeckte Leo ein letztes Radieschen und ein paar Pilze.<br />

Über solche einfachen Dinge freuen sich Leo und Brigitte – und sie wissen auch<br />

gleich etwas damit anzufangen. Später, beim Gespräch, wurde es dann eher eng.<br />

Die Küche wurde von Mitbewohnern genutzt und Leo und Brigitte haben für sich<br />

selbst nur ein einziges Zimmer. „Man muss sich abgrenzen können“, sagt Leo, „sonst ist<br />

man in einer Gemeinschaft verloren.“ Wir können uns zum Glück abgrenzen, denn Leo,<br />

der im Vorstand des Projekts arbeitet, hat auch ein Büro.<br />

POLITIK, ENGAGEMENT UND IDEEN<br />

Was Leo Frühschütz auszeichnet, ist sein Engagement aber auch die Konsequenz,<br />

mit der er seine Ideen lebt. Bei seinem Beruf, den er auf der Journalistenschule<br />

in München gelernt hat, ist Leo geblieben. Alles andere – so scheint es – hat sich<br />

immer wieder geändert. Bereits in der Schulzeit, mit fünfzehn Jahren, begann sein<br />

politisches Engagement – bei der Jungen Union.<br />

„Ich war erblich vorbelastet, weil mein Vater ja schon ein begeisterter Kommunalpolitiker<br />

und in der CSU war. Deswegen hat meine politische Karriere tatsächlich erst einmal bei der<br />

Jungen Union angefangen.“<br />

Leos Vater, Werner Frühschütz, stammte aus Oberammergau, wo er als<br />

Kommunalbeamter tätig war. Später wurde er persönlicher Referent des<br />

Landtagsabgeordneten Max Streibl und ging mit seiner Frau und drei Kindern<br />

für einige Jahre nach München. Für Leo, den Jungen vom Land, war<br />

das nichts und er war heilfroh, als die Familie 1976 nach Murnau zog, wo<br />

Werner Frühschütz zwei Jahre später Bürgermeister wurde.<br />

Bei der Jungen Union ist Leo nicht lange geblieben. Stattdessen hat er kurz<br />

nach dem Abi mit Gleichgesinnten im Keller des elterlichen Hauses die<br />

Ortsgruppe der Grünen in Murnau gegründet. Ein „Supergau“ für Werner<br />

Frühschütz, der ja ein „Schwarzer“ war, was dafür sorgte, dass der Haussegen<br />

erst einmal schief hing. Aber Leo war es ernst und 1998, als Tessy Lödermann<br />

aus Garmisch-Partenkirchen in den Landtag gewählt wurde, ging er<br />

als Berater mit nach München.<br />

„Auch wenn wir oft nicht der gleichen Ansicht waren: Die Begeisterung meines Vaters für<br />

die Politik kann ich teilen. Sich politisch engagieren sowieso, und in der Kommunalpolitik,<br />

da bist du halt direkt dran und kannst wirklich direkt was gestalten.“<br />

Aber frisst die Politik nicht auch unendlich viel Zeit? Man muss ja diverse<br />

Termine wahrnehmen‚ zu Besprechungen und Sitzungen gehen.<br />

„Das stimmt. Ich hab’s aber ganz bewusst anders gemacht als mein Vater, von dem ich als<br />

Kind wenig gehabt habe. Anfangs war er wochenends unterwegs, um Geld zu verdienen,<br />

weil’s halt hinten und vorne nicht gereicht hat als kleiner Gemeindebeamter mit drei Kindern.<br />

Und als er dann später als persönlicher Referent für den Streibl unterwegs war, war<br />

der Lebensrhythmus ganz ein anderer. Da ist mein Vater nachts um eins heimgekommen,<br />

und wenn wir in der Früh in die Schule gegangen sind, dann hat er noch geschlafen und ist<br />

halt dann um neun wieder ins Büro. Das heißt, den haben wir oft die ganze Woche nicht<br />

gesehen. Da habe ich mir gesagt: Wenn ich eine Familie habe, mag ich das anders machen.“<br />

War das etwas, was du deinem Vater auch übelgenommen hast?<br />

„Nein, es war halt so. Für mich war das okay.“<br />

1998 war es für Leo bei den Grünen allerdings nicht mehr okay und er hat<br />

die Arbeit in der Landtagsfraktion beendet. Vier Jahre war er noch als Parteifreier<br />

Fraktionsvorsitzender der Grünen im Kreistag – dann war seine politische<br />

Phase abgeschlossen.<br />

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