LEO LEO GINGE ES HIER WIE SO OFT UM DEN BERUF ODER AUCH DIE BERUFUNG, SO KÄME MAN BEIM JOURNALISTEN LEO FRÜHSCHÜTZ DOCH NICHT WEIT DAMIT. SEIT VIELEN JAHREN SCHREIBT ER ÜBER THEMEN AUS DEN BEREICHEN BIOLANDBAU, ÖKOLOGIE UND NACHHALTIGKEIT FÜR DIVERSE PUBLIKATIONEN. ABER DAS IST ES NOCH NICHT, WAS IHN AUSMACHT. 72
FRÜHSCHÜTZ ABGRENZUNG UND GEMEINSCHAFT An einem eher ungemütlichen Novembertag habe ich Leo Frühschütz in der Gemeinschaft Sulzbrunn bei Kempten besucht, in der er und seine Frau Brigitte seit einigen Jahren leben. „Zuerst hatten wir es in der Region um Murnau mit einem gemeinschaftlichen Wohnprojekt versucht“, erzählt Leo, „aber es war einfach nichts zu finden.“ Doch in Sulzbrunn, in der Nähe von Kempten, gab es so ein Projekt auf einem weitläufigen ehemaligen Klinikgelände. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts war dies ein Kurbetrieb mit eigener Jodquelle, und etwas von dem Flair ist auch heute noch vorhanden. Man lebt hier großzügig und beengt gleichermaßen. Das Gemeinschaftsprojekt ist fast ein kleines Dorf. Zum Gelände gehören diverse Wohnhäuser, ein Seminarhaus mit Turnhalle und Speisesaal, ein Heizkraftwerk, das auch Strom produziert, Beete, Gewächshäuser und sogar ein Waldstück. Bei unserem Rundgang über das Gelände – es fing gerade zum ersten Mal in diesem Herbst an zu schneien – entdeckte Leo ein letztes Radieschen und ein paar Pilze. Über solche einfachen Dinge freuen sich Leo und Brigitte – und sie wissen auch gleich etwas damit anzufangen. Später, beim Gespräch, wurde es dann eher eng. Die Küche wurde von Mitbewohnern genutzt und Leo und Brigitte haben für sich selbst nur ein einziges Zimmer. „Man muss sich abgrenzen können“, sagt Leo, „sonst ist man in einer Gemeinschaft verloren.“ Wir können uns zum Glück abgrenzen, denn Leo, der im Vorstand des Projekts arbeitet, hat auch ein Büro. POLITIK, ENGAGEMENT UND IDEEN Was Leo Frühschütz auszeichnet, ist sein Engagement aber auch die Konsequenz, mit der er seine Ideen lebt. Bei seinem Beruf, den er auf der Journalistenschule in München gelernt hat, ist Leo geblieben. Alles andere – so scheint es – hat sich immer wieder geändert. Bereits in der Schulzeit, mit fünfzehn Jahren, begann sein politisches Engagement – bei der Jungen Union. „Ich war erblich vorbelastet, weil mein Vater ja schon ein begeisterter Kommunalpolitiker und in der CSU war. Deswegen hat meine politische Karriere tatsächlich erst einmal bei der Jungen Union angefangen.“ Leos Vater, Werner Frühschütz, stammte aus Oberammergau, wo er als Kommunalbeamter tätig war. Später wurde er persönlicher Referent des Landtagsabgeordneten Max Streibl und ging mit seiner Frau und drei Kindern für einige Jahre nach München. Für Leo, den Jungen vom Land, war das nichts und er war heilfroh, als die Familie 1976 nach Murnau zog, wo Werner Frühschütz zwei Jahre später Bürgermeister wurde. Bei der Jungen Union ist Leo nicht lange geblieben. Stattdessen hat er kurz nach dem Abi mit Gleichgesinnten im Keller des elterlichen Hauses die Ortsgruppe der Grünen in Murnau gegründet. Ein „Supergau“ für Werner Frühschütz, der ja ein „Schwarzer“ war, was dafür sorgte, dass der Haussegen erst einmal schief hing. Aber Leo war es ernst und 1998, als Tessy Lödermann aus Garmisch-Partenkirchen in den Landtag gewählt wurde, ging er als Berater mit nach München. „Auch wenn wir oft nicht der gleichen Ansicht waren: Die Begeisterung meines Vaters für die Politik kann ich teilen. Sich politisch engagieren sowieso, und in der Kommunalpolitik, da bist du halt direkt dran und kannst wirklich direkt was gestalten.“ Aber frisst die Politik nicht auch unendlich viel Zeit? Man muss ja diverse Termine wahrnehmen‚ zu Besprechungen und Sitzungen gehen. „Das stimmt. Ich hab’s aber ganz bewusst anders gemacht als mein Vater, von dem ich als Kind wenig gehabt habe. Anfangs war er wochenends unterwegs, um Geld zu verdienen, weil’s halt hinten und vorne nicht gereicht hat als kleiner Gemeindebeamter mit drei Kindern. Und als er dann später als persönlicher Referent für den Streibl unterwegs war, war der Lebensrhythmus ganz ein anderer. Da ist mein Vater nachts um eins heimgekommen, und wenn wir in der Früh in die Schule gegangen sind, dann hat er noch geschlafen und ist halt dann um neun wieder ins Büro. Das heißt, den haben wir oft die ganze Woche nicht gesehen. Da habe ich mir gesagt: Wenn ich eine Familie habe, mag ich das anders machen.“ War das etwas, was du deinem Vater auch übelgenommen hast? „Nein, es war halt so. Für mich war das okay.“ 1998 war es für Leo bei den Grünen allerdings nicht mehr okay und er hat die Arbeit in der Landtagsfraktion beendet. Vier Jahre war er noch als Parteifreier Fraktionsvorsitzender der Grünen im Kreistag – dann war seine politische Phase abgeschlossen. 73