10.02.2024 Aufrufe

Hundertwasser´s Revolte gegen die menschlichen Wohn-Käfige

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Hundertwasser und seine <strong>Revolte</strong> <strong>gegen</strong> <strong>die</strong><br />

<strong>menschlichen</strong> <strong>Wohn</strong>-<strong>Käfige</strong> der<br />

1950er-Jahre<br />

von Peter Zimmermann


Friedensreich Hundertwasser und seine <strong>Revolte</strong><br />

<strong>gegen</strong> <strong>die</strong> <strong>menschlichen</strong> <strong>Wohn</strong>-<strong>Käfige</strong> der 1950er-<br />

Jahre<br />

Seit den frühen 1950er-Jahren setzte sich Hundertwasser neben der<br />

Malerei auch mit der Architektur auseinander und verfolgte seither konsequent<br />

sein Anliegen für eine natur- und menschengerechtere Architektur.<br />

Hundertwasser sagte: Auch ohne Architekturdiplom soll jeder bauen<br />

können. Und: Mieter sollen <strong>die</strong> Fassade umgestalten dürfen, soweit ihr eigener<br />

Arm aus dem Fenster reicht. Friedensreich Hundertwasser<br />

(1928 bis 2000): über <strong>die</strong> Selbstgefälligkeit der Architektur und <strong>die</strong> Entfremdung<br />

der Handwerkskunst.<br />

Künstlerisch trat Hundertwasser<br />

zeitlebens als Gegner der „geraden<br />

Linie“ und jeglicher Standardisierung<br />

auf.<br />

Das zeigt sich insbesondere bei seinen<br />

Arbeiten im Bereich der Baugestaltung,<br />

<strong>die</strong> sich durch seine fantasievolle<br />

Lebendigkeit und Individualität,<br />

vor allem aber durch seine<br />

konsequente Einbeziehung der<br />

Natur in <strong>die</strong> Architektur auszeichnen.<br />

Jeder soll bauen können, auch ohne<br />

Architekturdiplom, und <strong>die</strong> Verantwortung<br />

für sein selbst gebautes Gebilde übernehmen.<br />

Mieter sollen <strong>die</strong> Freiheit haben, sich aus dem Fenster zu lehnen, und soweit<br />

ihr Arm reicht <strong>die</strong> Fassade umgestalten dürfen.<br />

Hundertwasser als ewiger Gegner der „geraden Linie“<br />

Hundertwasser mit seinem Werk „Beiordnung<br />

von 99 Köpfen“ bei der Eröffnung seiner<br />

1. Ausstellung in der Galerie Faccetti<br />

1954<br />

in Paris<br />

Seite 2 von 16


Hundertwasser macht bereits 1952 auf <strong>die</strong> menschenverachtende<br />

Käfigkonstruktionen in der Architektur in seinem Werk „Beiordnung<br />

von 99 Köpfe“ aufmerksam. Gemalt in Wien, Obere Donaustraße in der<br />

Zeit vom 12, Juni – August 1952 in Kooperation seiner Mutter und Maria<br />

Format: 800 x2750 mm.<br />

Zum Werk HW Verz. 134 sagte Hundertwasser 1952:<br />

„Zum Werk selbst sagte Hundertwasser: „Dies ist eine arithmetische<br />

Kopfreihe in Fenstern. Eine Art Fluchtperspektive, in der humanoide<br />

Wesen kleiner werden und verschwinden. Das Haus besteht aus<br />

Fenstern“.<br />

Eine Art Fluchtperspektive, wo sich menschenähnliche Wesen in Quantität<br />

verkleinern und auflösen. Aber auch hier ist das Anrecht auf <strong>die</strong> zweite<br />

und dritte Haut verwirklicht, das Anrecht auf individuelle Kleidung und auf<br />

das Fensterrecht.<br />

Die Fensterrahmen haben verschiedene Farben. Es gibt auch Menschen<br />

mit drei Augen. Die Körper sind nicht existent, <strong>die</strong> Wesen bestehen aus<br />

Köpfen. Die Mauern sind nicht existent. Das Haus besteht aus Fenstern.<br />

Das ist das erste Bild, auf dem ich intensiv Fenster zeige, in denen Menschen<br />

sind. Der koboldartige Charakter ist typisch für <strong>die</strong> Mechanisierung<br />

und Computerisierung der Menschenmassen in den Häusern. Die arithmetische<br />

Reihe nebeneinander bringt eine neue Perspektive in <strong>die</strong> Architektur,<br />

<strong>die</strong> nicht den üblichen perspektivischen Regeln entspricht.<br />

Sicher ein unbewusst gesellschaftskritisches, urban-problematisches, sozial<br />

inhaltsvolles Werk.<br />

Die Alien-artigen Köpfe habe ich von Brô.<br />

Es ist eine arithmetische Reihung von Köpfen 1, 2, 3, 4 etc. jeweils übereinander,<br />

bis <strong>die</strong> Köpfe im rechten Viertel 80 eng wurden - 17 übereinander,<br />

aber es sollten 21 übereinander sein! - und ich nicht mehr wollte und<br />

den übrigen Raum rot malte“.<br />

Sein französischer Malerfreund René Brö malte und verwendete als erster<br />

solche mandelförmigen großen Augen und Köpfe in seinen Werken.<br />

Das Recht <strong>die</strong> Köpfe, <strong>die</strong> wie Aliens aussehen sowie <strong>die</strong> mandelförmigen<br />

Augen, so zu malen hat Hundertwasser 1950 im Tausch von René<br />

Brö bekommen“.<br />

Ich hatte mit Brô einen Tausch gemacht: Ich durfte seine Brô-Köpfe malen,<br />

<strong>die</strong> er von den Mosaiken in Ravenna hatte, dafür durfte er <strong>die</strong> runden<br />

Seite 3 von 16


Seelenbäume malen, <strong>die</strong> ich von Kampmann hatte. So tauschten zwei<br />

Diebe gestohlenes Gut.<br />

Bild: Hundertwasser im Strohkoffer vor seinem Werk „Beiordnung von 99 Köpfe“ im<br />

Gespräch mit Maria Fialik 1952<br />

In den nachfolgenden Werken von Hundertwasser finden <strong>die</strong>se Art der<br />

Gesichter sowie <strong>die</strong>se mandelförmigen Augen von René Brô immer<br />

wieder eine neue Verwendung.<br />

Hundertwasser ruft bereits ab dem 4. Juli 1958 zur <strong>Revolte</strong> <strong>gegen</strong><br />

<strong>die</strong> <strong>Wohn</strong>- Käfigkonstruktionen, sowie <strong>gegen</strong> <strong>die</strong> Selbstgefälligkeit der<br />

Architekturmeisterwerke und <strong>gegen</strong> <strong>die</strong> Entfremdung der Handwerkskunst<br />

auf (Verschimmelungsmanifest).<br />

Sein Manifest ist vor allem auch ein Feldzug <strong>gegen</strong> <strong>die</strong> geometrisch gerade<br />

Linie: „Das Lineal ist das Symptom der neuen Krankheit des Zerfalls.<br />

Wir leben heute in einem Chaos der geraden Linien, in einem Dschungel<br />

der geraden Linien.“ Daraus wird sich viele Jahre später seine Rolle als<br />

Architekturdoktor bilden, wo er, viel kritisiert, wie ein archaischer Schamane<br />

versucht, <strong>die</strong> von ihm verhasste Architektur zu heilen.<br />

Das Manifest endet mit dem Satz: „Und erst nach der schöpferischen<br />

Verschimmelung, von der wir viel zu lernen haben, wird eine neue und<br />

wunderbare Architektur entstehen.“<br />

Auf dem Weg dahin setzt es zunächst 1967 bei der „Nacktrede für das<br />

Anrecht auf <strong>die</strong> dritte Haut“ weitere Prügel für Hundertwasser:<br />

„Wir leben in Gebäuden, <strong>die</strong> verbrecherisch sind, und <strong>die</strong> von Architekten<br />

gebaut sind, <strong>die</strong> wirklich Verbrecher sind.“<br />

Seite 4 von 16


Hundertwasser fordert eine Architektur, <strong>die</strong> auch nach dem Einzug der<br />

Menschen weiterwachsen kann.<br />

Ab 1972 nützt Hundertwasser eine Einladung zur populären Fernsehsendung<br />

„Wünsch Dir was“, um seinen Architekturzugang einer breiten Öffentlichkeit<br />

zu vermitteln. Am Modell einer grauen Mietskaserne demonstriert<br />

er seine Vision.<br />

Er nimmt in <strong>die</strong>ser Fernsehsendung bei einem Modell-Haus das Satteldach<br />

ab und stellt stattdessen eine Struktur mit Grasdach und Bäumen über<br />

das nunmehr abgedeckte Haus.<br />

Wortreich erklärt er, wie seine Philosophie praktisch funktionieren kann,<br />

und fügt dem Haus noch einen ebenfalls mit Gras überwachsenen Säulengang<br />

vor.<br />

Als Hundertwasser 1974 in Neuseeland eine Farm mit weitläufiger, von<br />

Abholzung gezeichneter Landschaft erwirbt, ergibt sich für ihn <strong>die</strong><br />

Möglichkeit, sein erstes Haus zu realisieren.<br />

Ein bestehender Kuhstall neben seinem Farmhaus bekommt ab 1979 von<br />

Hundertwasser ein Humusdach und Wände, in <strong>die</strong> gebrauchte Flaschen<br />

eingesetzt wurden.<br />

Das so 1979 errichtete „Bottle House“ aus dem von Hundertwasser<br />

umgeformten Kuhstall entsteht aus vorgefundenen alten, lokalen Materialien<br />

und er gab so der Natur den Platz des Bauwerks zurück.<br />

Seite 5 von 16


Seit 1976 forstete Hundertwasser seine kahlen Wiesen auf seinem 372<br />

Hektar großen Landbesitz auf eigene Kosten im Kaurinui Tal, Nord Insel<br />

von Neuseeland mit über 100.000 Bäumen wieder zu einem Neo- Mischwald<br />

auf, um das von Menschen kahlgeschlagene und ausgebeutete Land<br />

der Natur zurückzugeben.<br />

Hier: Hundertwasser auf seinem „Bottle House“-Dach:<br />

Hundertwasser und sein Bottle Fensters 1979<br />

es wurde mit leeren Abfall Flaschen gestaltet, <strong>die</strong> von seinen Nachbarn für seine<br />

<strong>Wohn</strong>umformung vom ehemaligen Kuhstall zum „Bottle House“ gesammelt<br />

und als farbiges Lichtfenster im „Bottle House“ eingebaut wurden.<br />

Seit 1975 beschäftigt sich Hundertwasser mit der Humustoilette und<br />

den Möglichkeiten der biologischen Wasserreinigung, insbesondere der<br />

Brauchwasseranlagenreinigung.<br />

Für den Urin und Abwasser aus dem Haushalt verwendete Hundertwasser<br />

ein kleines biologisches Wasserreinigungssystem, das von der Limnologin<br />

Dr. Käthe Seidel aus Krefeld entwickelt wurde.<br />

Als in den 1970er-Jahren <strong>die</strong> erfolgreiche Welttournee seiner künstlerischen<br />

Arbeiten beginnt, sind neben seiner bildnerischen Kunst auch seine<br />

zahlreiche Architekturmodelle vertreten.<br />

Hierzu hat Peter Manhardt einige Machbarkeitsstu<strong>die</strong>n für Hundertwasser-<br />

Architekturtypologien entwickelt, wie zum Beispiel das Augenschlitzhaus,<br />

das Spiralhaus, das Terrassenhaus <strong>die</strong> begrünte Tankstelle, aber<br />

auch ein Konzept der grünen, unsichtbaren und unhörbaren Autobahn.<br />

Seite 6 von 16


Gebaut wurden Hundertwassers Architektur-Modelle unter anderem von<br />

dem Filmarchitekten Peter Manhardt, der für den ORF, aber auch für den<br />

Architekten Karl Schwanzer arbeitete.<br />

In einem Brief vom 30. November 1977 an den Wiener Bürgermeister<br />

Leopold Gratz empfahl Bundeskanzler Bruno Kreisky, Hundertwasser<br />

<strong>die</strong> Möglichkeit zu geben, seine Anliegen im Bereich der Architektur beim<br />

Bau eines <strong>Wohn</strong>hauses in Wien umzusetzen.<br />

Leopold Gratz lud Hundertwasser daraufhin mit Schreiben vom 15. Dezember<br />

1977 ein, ein <strong>Wohn</strong>haus in Wien nach seinen Vorstellungen zu<br />

gestalten.<br />

In der Folge bekam Hundertwasser auf Grund<br />

seiner eingereichten Architektur-Vorschläge vom<br />

Bürgermeister Mag. Leopold Gratz 1979 erstmals<br />

<strong>die</strong> Chance, an einem neuartigen Architekturprojekt<br />

im Rahmen des sozialen <strong>Wohn</strong>ungsbaus,<br />

dem zukünftigen Hundertwasser-Krawina<br />

Haus mitzuwirken.<br />

Dieses hier abgebildete Hundertwasserhaus<br />

war das erste Architekturprojekt, bei dem Hundertwasser<br />

mitgestalten konnte.<br />

Das von Hundertwasser vom 16. August<br />

1983 bis 15. Oktober 1985 im Rahmen des sozialen<br />

<strong>Wohn</strong>ungsbaus der Stadt Wien gebaute<br />

„Hundertwasserhaus“ in Wien ist auch mehr als 39 Jahre nach seiner<br />

Errichtung ein Touristenziel erster Rangordnung und wird im selben Atemzug<br />

wie das Schloss Schönbrunn, das Belvedere oder der Prater genannt.<br />

Vor allem für Reisegruppen ist ein Besuch <strong>die</strong>ses „außergewöhnlichen, fast<br />

eigenwillig anmutenden Hauses“ Pflicht.<br />

Pflicht war es auch lange, dass <strong>die</strong> Architektur- und Kulturkritik gesteuerte<br />

Presse über Hundertwassers Bauten wenig wertschätzende Artikel<br />

publizierte:<br />

Hier Eine Auswahl an Zuschreibungen, <strong>die</strong> in der „Presse“ in der Folge<br />

zu seinen realisierten Bauten erschienen:<br />

„Ornamentale Zwangsbeglückung, Ökologiebarock, Beulenpest, Spielzeugburg,<br />

Anarchie und Verrücktheit, Austoben der kindlichen Phantasie,<br />

Kitsch, Amateurarchitektur eines Postbeamten oder Zöllners, Öko-Trend,<br />

bequeme Behübschung der Dächer und Fassaden“.<br />

Hundertwasser, der Hofnarr und Naturapostel.<br />

Seite 7 von 16


Die breite Resonanz seiner Bauten wurde als „auffällige Zustimmung von<br />

der Straße, <strong>die</strong> gerade in der bildenden Kunst noch nie was Gutes bedeutet<br />

hat“, abgetan.<br />

„Die Presse“ berichtete am 9. September 1985 von Besucherschlangen<br />

vor dem neu eröffneten „Hundertwasserhaus“ und 70.000 Neugierigen<br />

an einem Wochenende.<br />

Das ist wohl als eindrucksvolle Bestätigung des schlechten Architekturgeschmacks<br />

der Wiener zu lesen.<br />

Insgesamt hat Hundertwasser um <strong>die</strong> 50 Architekturprojekte und<br />

Fassadengestaltungen ausgearbeitet, davon sind weltweit deutlich<br />

mehr als <strong>die</strong> Hälfte realisiert worden.<br />

Keines der in Folge erstellten Gebäude konnte jedoch, was Besucherzahlen<br />

und Publikationen betrifft, einen derartigen Erfolg erzielen. Der Grund<br />

<strong>die</strong>ses einzigartigen Erfolges mag auf das fruchtbare Zusammenwirken<br />

zwischen den bekannten Architekten Krawina, Pelikan und dem emotionsund<br />

phantasiebetonten Maler Hundertwasser zurückzuführen sein.<br />

Hundertwasser konnte bei <strong>die</strong>sem seinem ersten Architekturprojekt<br />

sowie der späteren kontroversiellen Auseinandersetzung mit dem Architekten<br />

Krawina für seine späteren baulichen Arbeiten wertvolle Erfahrungen<br />

sammeln.<br />

Hundertwasser hatte sich anfangs auch überaus positiv und sogar euphorisch<br />

über <strong>die</strong> Leistungen Krawinas geäußert, womit spätere Bemerkungen,<br />

mit welchen er <strong>die</strong> Leistungen des Architekten herunter zu spielen<br />

versuchte, wenig übereinstimmen.<br />

So verglich Hundertwasser in seinem Tonbandbrief an den Architekten<br />

vom 10. März 1980 dessen bis dahin erbrachte Entwurfsleistungen mit<br />

denen der bekannten österreichischen Architekten Otto Wagner und Josef<br />

Hoffmann.<br />

Diese architektonische Leistung, so war sich Hundertwasser in seinem<br />

Tonbandbrief sicher, würde in <strong>die</strong> Architekturgeschichte eingehen - und<br />

nicht nur in <strong>die</strong> österreichische.<br />

Mit dem Hundertwasser-Krawina Haus in Wien wurde der Grundstein für<br />

<strong>die</strong> weiteren Hundertwasser Kunst Bauwerke in Österreich und weltweit<br />

gelegt!<br />

Hier ist sozusagen <strong>die</strong> "Geburtsstätte" und im INFO-SHOP des weltweit<br />

bekannten Hundertwasser-Krawina Hauses, können Sie sich über das<br />

Haus selbst, über den Maler Friedensreich Hundertwasser und über<br />

den Architekten Josef Krawina sowie Peter Pelikan, deren Planungsziele,<br />

Seite 8 von 16


sowie über alle wesentlichen Hundertwasser Kunst Bauwerke, anhand<br />

von ausgestellten Bildern und Schriften, umfassend informieren.<br />

Das Hundertwasser-Krawina Haus ist heute immer noch eines der<br />

meistbesuchten Gebäude in Österreich und zählt somit, in <strong>die</strong>sem Sinne,<br />

zu den wichtigsten Kulturgütern Österreichs.<br />

Es ist ein buntes, begrüntes Märchenschloss zwischen grauen, genormten<br />

Großstadthäusern, das den geheimen Wunsch der Menschen nach<br />

Harmonie, Individualität und Menschlichkeit erfüllt.<br />

Hier kann der Mieter frei sein, sich unterscheiden von seinen Nachbarn,<br />

den Kontakt zur Natur im Wechsel der Jahreszeiten – sogar mitten in der<br />

Stadt – wiederfinden und sich an der phantasievollen künstlerischen Gestaltung<br />

des Gebäudes erfreuen.<br />

Hundertwasser musste nicht nur einstecken, er konnte auch austeilen.<br />

Schon 1958 stellt er in einer Rede seinen programmatischen Text: „Verschimmelungsmanifest<br />

<strong>gegen</strong> den Rationalismus in der Architektur“<br />

vor.<br />

Zusammen mit dem am 20. Oktober 1928 in Radstadt geborenen Architekten<br />

Joseph Krawina plante Hundertwasser ab 1979 das Hundertwasser-Krawina<br />

Haus, nach kontroversen Rückzug des Architekten Joseph<br />

Krawina während der Planungsphase,- Hundertwasser hatte sich<br />

mit einem Schreiben an Rudolf Kolowrath, Leiter der Wiener Magistratsabteilung<br />

19 (Architektur), gewandt und ihn gebeten, den Architekten abzulösen,<br />

damit er seine eigenen Vorstellungen realisieren könne.<br />

Am 14.Oktober 1981, übernahm der Architekt Peter Pelikan, Angestellter<br />

der Wiener Magistratsabteilung 19 (Architektur), zusammen mit Hundertwasser<br />

<strong>die</strong> restliche Planungsarbeiten des Bau Projektes.<br />

Danach realisierte der neue Architekt Peter Pelikan auch <strong>die</strong> bauliche Ausführung<br />

zusammen mit Hundertwasser ab dem 16. August 1983 im<br />

Rahmen des sozialen <strong>Wohn</strong>ungsbaus der Stadt Wien.<br />

Die damaligen Baukosten betrugen ca. 6 Millionen Euro.<br />

Das Haus wurde am 15. Oktober 1985 bauseits fertiggestellt.<br />

Das nach Hundertwasser und Krawina als Miturheber, benannte Haus<br />

wurde am 1. März 1986 offiziell den zukünftigen neuen Mietern der<br />

Stadt Wien übergeben:<br />

Der Architekt Peter Pelikan wurde in der Folge für Hundertwasser zum<br />

langjährigen Partner für zahlreiche weitere Bauvorhaben.<br />

Seite 9 von 16


Nachfolgend <strong>die</strong> Daten des 1. Hundertwasser Bauwerks:<br />

Anzahl der <strong>Wohn</strong>ungen: 50 <strong>Wohn</strong>ungen, 4 Geschäftslokale, 1 Arztpraxis<br />

reine <strong>Wohn</strong>fläche: ca. 3 550 m² (ca. 24 m² pro Person)<br />

<strong>Wohn</strong>ungsgrößen: zwischen 30 m² und 150 m²<br />

<strong>Wohn</strong>ungsgrößen: zwischen 30 m² und 150 m²<br />

Hausbewohner: ca. 150 Personen<br />

Gemeinschaftsräume: 2 Kinderspielräume, 1 Wintergarten<br />

Anzahl der Dachterrassen: 16 privat, 3 gemeinschaftlich<br />

Gesamtfläche der Terrassen: ca. 920 m²<br />

nicht zugängliche Grünflächen: ca. 440 m²<br />

Erde auf den Terrassen: ca. 900 Tonnen<br />

Anzahl der Bäume und Sträucher: ca. 250 Stück<br />

Der Erfolg <strong>die</strong>ses Projekts war der Grundstein für viele weitere Planungen,<br />

mit denen Hundertwasser in der Folge beauftragt wurde.<br />

Hundertwasser konnte in der Folge international 34 beispielhafte Architekturprojekte<br />

realisieren, in denen es das Fensterrecht und <strong>die</strong> Baummieter<br />

gibt, den unebenen Boden, Wälder auf dem Dach und Spontanvegetation.<br />

In seinem architektonischen Werk setzte Hundertwasser Vielfalt anstelle<br />

von Monotonie, das Organische und reglementierter Unregelmäßigkeiten<br />

in Harmonie mit der Natur anstelle des Rastersystems.<br />

Hier eine Übersicht von allen 34 Bauwerken, <strong>die</strong> durch<br />

Hundertwasser in der Folge weltweit realisiert wurden:<br />

(01) Hundertwasser-Krawina Haus Wien 1979-1986<br />

(02) Rosenthal-Fabrik in Selb (D) 1980-1982<br />

(03) Rupertinum in Salzburg 1980-1987<br />

(04) Mierka Getreidesilo in Krems 1982-1983<br />

(05) St. Barbara Kirche in Bärnbach 1987-1988<br />

(06) Dorfmuseum in Roiten 1987-1988<br />

(07) Textilfabrik Rueff in Muntlix 1988<br />

(08) Kindertagesstätte in Heddernheim (D) 1988-1995<br />

(09) Fernwärme in Wien/Spittelau 1988-1997<br />

(10) Autobahnraststätte in Bad Fischau 1989-1990<br />

(11) KunstHausWien 1989-1991<br />

(12) Village beim Hundertwasser-Krawina Haus in Wien 1990-1991<br />

(13) "In den Wiesen" in Bad Soden (D) 1990-1993<br />

(14) "<strong>Wohn</strong>en unterm Regenturm" Plochingen am Neckar (D) 1991-1994<br />

(15) Countdown 21st Century Monument for TBS in Tokyo (J) 1992<br />

(16) Brunnenanlage in Zwettl 1992-1994<br />

(17) Pavillon beim DDSG Ponton in Wien 1992-1994<br />

(18) Quixote Winery in Napa Valley (USA) 1992-1999<br />

(19) Spiralfluss Hand Trinkbrunnen I Linz 1993-1994<br />

Seite 10 von 16


(20) Krankenstation (Onkologie) Graz 1993-1994<br />

(21) Thermendorf in Blumau 1993-1997<br />

(22) Spiralfluss Trinkbrunnen II in Tel Aviv (IL) 1994-1996<br />

(23) Kid´s Plaza in Osaka (J) 1996-1997<br />

(24) Martin Luther Gymnasium in Wittenberg (D) 1997-1999<br />

(25) Maishima Incineration Plant in Osaka (J) 1997-2000<br />

(26) Waldspirale in Darmstadt (D) 1998-2000<br />

(27) Markthalle in Altenrhein (CH) 1998-2001<br />

(28) Öffentliche Toilette in Kawakawa (NZ) 1999<br />

(29) Hundertwasser Umweltbahnhof in Uelzen (D) 1999-2001<br />

(30) Maishima Sludge Center in Osaka (J) 2000-2004<br />

(31) Grüne Zitadelle in Magdeburg (D) 2003-2005<br />

(32) Ronald McDonald <strong>Wohn</strong>heim Essen (D) 2004-2005<br />

(33) Regenbogenspirale in Valkenburg an der Greul (NL) 2006-2007<br />

(34) Kuchlbauer Turm in Abensberg (D) 2007-2010<br />

Hundertwasser und seine „Baum Mieter“<br />

Für den urbanen Kontext seiner von ihm gestalteten Häuser und <strong>Wohn</strong>ungen<br />

entwickelte Hundertwasser ab 1973 <strong>die</strong> schräg aus dem Haus<br />

ragenden „Baummieter“. Sie bezahlen ihre Miete mit Sauerstoff und sollten<br />

nach Möglichkeit den Humus von Hundertwassers Humustoilette<br />

nutzen, sofern <strong>die</strong>se aufgestellt wurden.<br />

(Ich habe bisher noch kein von Hundertwasser gestaltetes Haus mit<br />

Baum Mieter und Humus Toilette in Europa gesehen)<br />

Auch zur Humus Toilette gibt es von Hundertwasser ein Manifest,<br />

aus dem <strong>die</strong> bekannte Formulierung „Scheiße ist Gold“ stammt, sowie<br />

eine Gebrauchsanleitung zum Selbstbau und <strong>die</strong> Frage:<br />

„Warum urinieren wir und scheißen wir in einen einzigen Behälter,<br />

wo unser Verdauungssystem vorher beides sorgfältig trennt?<br />

Diese Trennung muss doch einen Sinn haben?“<br />

Für Reinigung des anfallenden Urins aus seiner Humus Toilette und aller<br />

anderen häuslichen Brauchwasser erdachte Hundertwasser gemeinsam<br />

mit seinem Freund, Bernd Lötsch, eine verbesserte Pflanzenkläranlage<br />

nach dem Konzept der Limnologin Käthe Seidel aus Krefeld, <strong>die</strong> er in seinem<br />

„Bottle House“ in Neuseeland einsetzte und verwendete.<br />

Dass <strong>die</strong>se Hundertwasser künstlerisch/wissenschaftliche Forschung zur<br />

biologischen Abwasser Kläranlagen keine Spinnerei war, zeigt sich heute,<br />

mehr als 40 Jahre später, zum Beispiel am Interesse von Paris, <strong>die</strong> Stadterweiterungsgebiete<br />

zukünftig mit Urinseparation zu konzipieren.<br />

Seite 11 von 16


Der Grund ist <strong>die</strong> Überdüngung der Meereseinmündung der Seine durch<br />

<strong>die</strong> hohen Stickstoffwerte im Abwasser.<br />

Europa hat ungefähr 60 solcher Todeszonen in Küstennähe.<br />

„Die Zeit der Humustoiletten wird auch noch kommen“.<br />

Leider reichte <strong>Hundertwasser´s</strong> damalige Forschung, in der er vom<br />

Umweltschützer und Direktor des Naturhistorischen Museums, Bernd<br />

Lötsch unterstützt wurde, zur öffentlichen Verwendungen der Humus Toilette<br />

und seiner biologischen Pflanzen-Kläranlagen nicht dafür aus, <strong>die</strong>se<br />

Humustoiletten sowie <strong>die</strong> biologischen Pflanzen Kläranlagen in den von<br />

Hundertwasser erstellten Bauten zu integrieren.<br />

Hundertwasser sah seine Arbeit als eine Vorleistung für Massenkreativität<br />

und Befreiung von der konsumorientierten und profitgierigen Industriegesellschaft.<br />

Hundertwasser träumte zeitlebens von einer abfallfreien Zukunft und<br />

demonstrierte lautstark für das „Recht und Schutz der Natur“.<br />

Was ist aus Friedensreich Hundertwassers <strong>Revolte</strong> <strong>gegen</strong> <strong>die</strong><br />

<strong>menschlichen</strong> <strong>Wohn</strong>-<strong>Käfige</strong> und dem „Recht der Natur“ geworden?<br />

Diese von Hundertwasser 1958 ausgehende „<strong>Revolte</strong> <strong>gegen</strong> <strong>die</strong><br />

<strong>menschlichen</strong> <strong>Wohn</strong>-<strong>Käfige</strong>“ Aktionen, seine Visionen sowie sine Konzepte<br />

der ökologischen Architektur zum Wohle aller Menschen verläuft mehr<br />

und mehr im Sande und gerät immer mehr in Vergessenheit oder wird<br />

von den Menschen verdrängt, da <strong>die</strong> Menschen nicht mitmachen und sie<br />

<strong>die</strong>ses Engagement nicht unterstützen können oder wollen und deshalb<br />

<strong>die</strong>se Ziele zum Wohle der Welt Gemeinschaft nicht permanent einfordern.<br />

Seite 12 von 16


Scheinbar lassen sich Hundertwasser’s Konzepte der ökologischen Architektur<br />

nicht für alle Menschen, flächendeckend, kostensparend, umsetzen<br />

oder einsetzen.<br />

Bild: Hundertwasser Waldspirale in Darmstadt<br />

Diverse individuelle Lösungen und umsetzbare Konzepte zur ökologischen<br />

Architektur können sich scheinbar nur vermögende Menschen erlauben,<br />

aber da ist Luxuskonsum pur angesagt.<br />

Weiterer Naturverlust und der Verlust von Individualität und Mechanisierung<br />

der Massen der Menschheit in <strong>Wohn</strong>gebäuden ist <strong>die</strong><br />

Folge.<br />

Auch hat unsere Welt Gemeinschaft den von Hundertwasser geforderten<br />

„Friedensvertrag mit der Natur“ bislang nicht unterschrieben!<br />

Dazu wird es auch nie kommen, <strong>die</strong> Gründe liegen auf der Hand, weil <strong>die</strong><br />

Mehrzahl der Menschen dazu nicht bereit ist, sie es nicht wollen oder können.<br />

Noch immer dominieren in unserer sogenannten Welt Gemeinschaft fast<br />

uneingeschränkt kurzfristige Profit-konsumorientierte, sowie wirtschaftliche<br />

Interessen über das Wohl der Natur und der Menschen auf unseren<br />

Planeten. Es wird nach wie vor kaum etwas da<strong>gegen</strong> getan.<br />

Das „Hier und Jetzt“ ist den meisten konsumorientierten Menschen<br />

scheinbar wichtiger als <strong>die</strong> Zukunft unseres Planeten, sowie der Gesundheit<br />

und Glück von unseren Nachkommen.<br />

Diejenigen <strong>die</strong> sich mit aktiven Protestaktionen da<strong>gegen</strong> (auch <strong>gegen</strong> <strong>die</strong><br />

bestehenden <strong>Wohn</strong>-Käfigkonstruktionen) auflehnen, werden nach wie<br />

vor weltweit bewusst kriminalisiert verfolgt und von den bestehenden Regierungen,<br />

oder durch bestehende gesetzliche Kneblungen der jeweiligen<br />

Machthabern rigoros bestraft und ausgegrenzt.<br />

Seite 13 von 16


Für <strong>die</strong> Natur zu kämpfen und für eine natur- und menschengerechte<br />

Gestaltung einzutreten ist daher nach wie vor Friedensreich<br />

Hundertwassers (auch an Design und Architektur) wichtigstes philosophisches<br />

Vermächtnis an <strong>die</strong> menschliche Welt-Gemeinschaft!<br />

Unser Planet Erde wird nach wie vor rigoros ökologisch durch uns Menschen<br />

im kollektiven Raubbau ausgebeutet und somit ökologisch zerstört.<br />

, Die Folge des <strong>menschlichen</strong> Raubbaues ist eine allgemeine weltweit<br />

steigende globale Erd-Erwärmung, verbunden mit steigenden<br />

Meeres- Wasserstände, durch das damit verbundene abschmelzen<br />

der Eispolkappen, u.s.w.<br />

Gegen <strong>die</strong>sen weltweiten ökologischen Natur-Raubbau gibt zwar diverse<br />

Lippenbekenntnisse sogenannter Staatsvertreter, <strong>die</strong> aber wiederum weltweit<br />

durch <strong>die</strong> konsumorientierten und gewinnsüchtigen Monopolisten unterlaufen<br />

werden.<br />

Der einzelne Bürger scheint (auch durch eigene steigende Konsum Abhängigkeiten)<br />

da<strong>gegen</strong> machtlos zu sein.<br />

Mittlerweile entsteht weltweit eine umfassende desinteressierte zerstrittene<br />

hassbetonte Welt Gemeinschaft ohne Natur- und menschengerechteres<br />

Leben in Frieden mit der Natur, aber mit absoluter globaler<br />

Ausbeutung, verbunden mit Armut, Unterdrückung, bis hin zum Kollaps<br />

des Planeten Erde, und somit zur Vernichtung aller Menschen.<br />

Das ist wahrscheinlich seit Generationen durch unsere selbstgefällige,<br />

selbstverschuldete verursachte kommende trostlose Zukunft.<br />

Viele Menschen haben sich mittlerweile mit <strong>die</strong>ser Tatsache abgefunden,<br />

da sie mit legalen gesetzlichen Mitteln <strong>gegen</strong> das Desinteresse, Verblendung,<br />

Intoleranz, Unfähigkeit sowie falsche Lippenbekenntnisse und Kompetenz-Verdrängungen<br />

unserer mehr oder weniger korrupten Politiker<br />

und dem eher konsumorientierten Mitmenschen nichts machen können<br />

und sich somit hilflos fühlen.<br />

Der schüchterne, demoralisierte Mensch sowie sein feiger Charakter ist<br />

leider typisch für den Verlust von Individualität und Mechanisierung<br />

der Massen der Menschheit in ihren <strong>Wohn</strong>gebäuden sowie unserer Natur!<br />

Seite 14 von 16


Liebe Leserin, lieber Leser,<br />

<strong>die</strong>ses hier vorliegende von mir erarbeitete Diskussionspapier oder Working<br />

Paper soll bei der Anwendung der interessierten Lesern der Überprüfung<br />

vorhandener Standards und der Weiterentwicklung von Fachwissen<br />

über Hundertwasser <strong>die</strong>nen. Hierzu habe ich bestehende Dokumentationen<br />

überprüft, <strong>die</strong> möglichen Änderungen in einem Diskussionspapier zusammengefasst<br />

oder erweitert und dann –elektronisch – anderen Leserinnen/<br />

Leser zur Abstimmung oder Abgleich kostenfrei zur Verfügung gestellt.<br />

Im Ergebnis soll eine Weiterentwicklung des Status quo stehen, <strong>die</strong> einen<br />

Mehrwert für alle Seiten bietet.<br />

Alle Menschen werden mit <strong>die</strong>sem Diskussionspapier aufgerufen, es zu<br />

kommentieren und so dem Autor weitere Anregungen zu geben, oder <strong>die</strong>sen<br />

auf Fehler oder Unstimmigkeiten in dem Diskussionspapier hinzuweisen<br />

sowie zu verbessern.<br />

Recht herzlichen Dank für ihr Interesse an meinen Tätigkeiten<br />

Peter Zimmermann<br />

Seite 15 von 16


Seite 16 von 16

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!