Hundertwasser´s Revolte gegen die menschlichen Wohn-Käfige
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Hundertwasser und seine <strong>Revolte</strong> <strong>gegen</strong> <strong>die</strong><br />
<strong>menschlichen</strong> <strong>Wohn</strong>-<strong>Käfige</strong> der<br />
1950er-Jahre<br />
von Peter Zimmermann
Friedensreich Hundertwasser und seine <strong>Revolte</strong><br />
<strong>gegen</strong> <strong>die</strong> <strong>menschlichen</strong> <strong>Wohn</strong>-<strong>Käfige</strong> der 1950er-<br />
Jahre<br />
Seit den frühen 1950er-Jahren setzte sich Hundertwasser neben der<br />
Malerei auch mit der Architektur auseinander und verfolgte seither konsequent<br />
sein Anliegen für eine natur- und menschengerechtere Architektur.<br />
Hundertwasser sagte: Auch ohne Architekturdiplom soll jeder bauen<br />
können. Und: Mieter sollen <strong>die</strong> Fassade umgestalten dürfen, soweit ihr eigener<br />
Arm aus dem Fenster reicht. Friedensreich Hundertwasser<br />
(1928 bis 2000): über <strong>die</strong> Selbstgefälligkeit der Architektur und <strong>die</strong> Entfremdung<br />
der Handwerkskunst.<br />
Künstlerisch trat Hundertwasser<br />
zeitlebens als Gegner der „geraden<br />
Linie“ und jeglicher Standardisierung<br />
auf.<br />
Das zeigt sich insbesondere bei seinen<br />
Arbeiten im Bereich der Baugestaltung,<br />
<strong>die</strong> sich durch seine fantasievolle<br />
Lebendigkeit und Individualität,<br />
vor allem aber durch seine<br />
konsequente Einbeziehung der<br />
Natur in <strong>die</strong> Architektur auszeichnen.<br />
Jeder soll bauen können, auch ohne<br />
Architekturdiplom, und <strong>die</strong> Verantwortung<br />
für sein selbst gebautes Gebilde übernehmen.<br />
Mieter sollen <strong>die</strong> Freiheit haben, sich aus dem Fenster zu lehnen, und soweit<br />
ihr Arm reicht <strong>die</strong> Fassade umgestalten dürfen.<br />
Hundertwasser als ewiger Gegner der „geraden Linie“<br />
Hundertwasser mit seinem Werk „Beiordnung<br />
von 99 Köpfen“ bei der Eröffnung seiner<br />
1. Ausstellung in der Galerie Faccetti<br />
1954<br />
in Paris<br />
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Hundertwasser macht bereits 1952 auf <strong>die</strong> menschenverachtende<br />
Käfigkonstruktionen in der Architektur in seinem Werk „Beiordnung<br />
von 99 Köpfe“ aufmerksam. Gemalt in Wien, Obere Donaustraße in der<br />
Zeit vom 12, Juni – August 1952 in Kooperation seiner Mutter und Maria<br />
Format: 800 x2750 mm.<br />
Zum Werk HW Verz. 134 sagte Hundertwasser 1952:<br />
„Zum Werk selbst sagte Hundertwasser: „Dies ist eine arithmetische<br />
Kopfreihe in Fenstern. Eine Art Fluchtperspektive, in der humanoide<br />
Wesen kleiner werden und verschwinden. Das Haus besteht aus<br />
Fenstern“.<br />
Eine Art Fluchtperspektive, wo sich menschenähnliche Wesen in Quantität<br />
verkleinern und auflösen. Aber auch hier ist das Anrecht auf <strong>die</strong> zweite<br />
und dritte Haut verwirklicht, das Anrecht auf individuelle Kleidung und auf<br />
das Fensterrecht.<br />
Die Fensterrahmen haben verschiedene Farben. Es gibt auch Menschen<br />
mit drei Augen. Die Körper sind nicht existent, <strong>die</strong> Wesen bestehen aus<br />
Köpfen. Die Mauern sind nicht existent. Das Haus besteht aus Fenstern.<br />
Das ist das erste Bild, auf dem ich intensiv Fenster zeige, in denen Menschen<br />
sind. Der koboldartige Charakter ist typisch für <strong>die</strong> Mechanisierung<br />
und Computerisierung der Menschenmassen in den Häusern. Die arithmetische<br />
Reihe nebeneinander bringt eine neue Perspektive in <strong>die</strong> Architektur,<br />
<strong>die</strong> nicht den üblichen perspektivischen Regeln entspricht.<br />
Sicher ein unbewusst gesellschaftskritisches, urban-problematisches, sozial<br />
inhaltsvolles Werk.<br />
Die Alien-artigen Köpfe habe ich von Brô.<br />
Es ist eine arithmetische Reihung von Köpfen 1, 2, 3, 4 etc. jeweils übereinander,<br />
bis <strong>die</strong> Köpfe im rechten Viertel 80 eng wurden - 17 übereinander,<br />
aber es sollten 21 übereinander sein! - und ich nicht mehr wollte und<br />
den übrigen Raum rot malte“.<br />
Sein französischer Malerfreund René Brö malte und verwendete als erster<br />
solche mandelförmigen großen Augen und Köpfe in seinen Werken.<br />
Das Recht <strong>die</strong> Köpfe, <strong>die</strong> wie Aliens aussehen sowie <strong>die</strong> mandelförmigen<br />
Augen, so zu malen hat Hundertwasser 1950 im Tausch von René<br />
Brö bekommen“.<br />
Ich hatte mit Brô einen Tausch gemacht: Ich durfte seine Brô-Köpfe malen,<br />
<strong>die</strong> er von den Mosaiken in Ravenna hatte, dafür durfte er <strong>die</strong> runden<br />
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Seelenbäume malen, <strong>die</strong> ich von Kampmann hatte. So tauschten zwei<br />
Diebe gestohlenes Gut.<br />
Bild: Hundertwasser im Strohkoffer vor seinem Werk „Beiordnung von 99 Köpfe“ im<br />
Gespräch mit Maria Fialik 1952<br />
In den nachfolgenden Werken von Hundertwasser finden <strong>die</strong>se Art der<br />
Gesichter sowie <strong>die</strong>se mandelförmigen Augen von René Brô immer<br />
wieder eine neue Verwendung.<br />
Hundertwasser ruft bereits ab dem 4. Juli 1958 zur <strong>Revolte</strong> <strong>gegen</strong><br />
<strong>die</strong> <strong>Wohn</strong>- Käfigkonstruktionen, sowie <strong>gegen</strong> <strong>die</strong> Selbstgefälligkeit der<br />
Architekturmeisterwerke und <strong>gegen</strong> <strong>die</strong> Entfremdung der Handwerkskunst<br />
auf (Verschimmelungsmanifest).<br />
Sein Manifest ist vor allem auch ein Feldzug <strong>gegen</strong> <strong>die</strong> geometrisch gerade<br />
Linie: „Das Lineal ist das Symptom der neuen Krankheit des Zerfalls.<br />
Wir leben heute in einem Chaos der geraden Linien, in einem Dschungel<br />
der geraden Linien.“ Daraus wird sich viele Jahre später seine Rolle als<br />
Architekturdoktor bilden, wo er, viel kritisiert, wie ein archaischer Schamane<br />
versucht, <strong>die</strong> von ihm verhasste Architektur zu heilen.<br />
Das Manifest endet mit dem Satz: „Und erst nach der schöpferischen<br />
Verschimmelung, von der wir viel zu lernen haben, wird eine neue und<br />
wunderbare Architektur entstehen.“<br />
Auf dem Weg dahin setzt es zunächst 1967 bei der „Nacktrede für das<br />
Anrecht auf <strong>die</strong> dritte Haut“ weitere Prügel für Hundertwasser:<br />
„Wir leben in Gebäuden, <strong>die</strong> verbrecherisch sind, und <strong>die</strong> von Architekten<br />
gebaut sind, <strong>die</strong> wirklich Verbrecher sind.“<br />
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Hundertwasser fordert eine Architektur, <strong>die</strong> auch nach dem Einzug der<br />
Menschen weiterwachsen kann.<br />
Ab 1972 nützt Hundertwasser eine Einladung zur populären Fernsehsendung<br />
„Wünsch Dir was“, um seinen Architekturzugang einer breiten Öffentlichkeit<br />
zu vermitteln. Am Modell einer grauen Mietskaserne demonstriert<br />
er seine Vision.<br />
Er nimmt in <strong>die</strong>ser Fernsehsendung bei einem Modell-Haus das Satteldach<br />
ab und stellt stattdessen eine Struktur mit Grasdach und Bäumen über<br />
das nunmehr abgedeckte Haus.<br />
Wortreich erklärt er, wie seine Philosophie praktisch funktionieren kann,<br />
und fügt dem Haus noch einen ebenfalls mit Gras überwachsenen Säulengang<br />
vor.<br />
Als Hundertwasser 1974 in Neuseeland eine Farm mit weitläufiger, von<br />
Abholzung gezeichneter Landschaft erwirbt, ergibt sich für ihn <strong>die</strong><br />
Möglichkeit, sein erstes Haus zu realisieren.<br />
Ein bestehender Kuhstall neben seinem Farmhaus bekommt ab 1979 von<br />
Hundertwasser ein Humusdach und Wände, in <strong>die</strong> gebrauchte Flaschen<br />
eingesetzt wurden.<br />
Das so 1979 errichtete „Bottle House“ aus dem von Hundertwasser<br />
umgeformten Kuhstall entsteht aus vorgefundenen alten, lokalen Materialien<br />
und er gab so der Natur den Platz des Bauwerks zurück.<br />
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Seit 1976 forstete Hundertwasser seine kahlen Wiesen auf seinem 372<br />
Hektar großen Landbesitz auf eigene Kosten im Kaurinui Tal, Nord Insel<br />
von Neuseeland mit über 100.000 Bäumen wieder zu einem Neo- Mischwald<br />
auf, um das von Menschen kahlgeschlagene und ausgebeutete Land<br />
der Natur zurückzugeben.<br />
Hier: Hundertwasser auf seinem „Bottle House“-Dach:<br />
Hundertwasser und sein Bottle Fensters 1979<br />
es wurde mit leeren Abfall Flaschen gestaltet, <strong>die</strong> von seinen Nachbarn für seine<br />
<strong>Wohn</strong>umformung vom ehemaligen Kuhstall zum „Bottle House“ gesammelt<br />
und als farbiges Lichtfenster im „Bottle House“ eingebaut wurden.<br />
Seit 1975 beschäftigt sich Hundertwasser mit der Humustoilette und<br />
den Möglichkeiten der biologischen Wasserreinigung, insbesondere der<br />
Brauchwasseranlagenreinigung.<br />
Für den Urin und Abwasser aus dem Haushalt verwendete Hundertwasser<br />
ein kleines biologisches Wasserreinigungssystem, das von der Limnologin<br />
Dr. Käthe Seidel aus Krefeld entwickelt wurde.<br />
Als in den 1970er-Jahren <strong>die</strong> erfolgreiche Welttournee seiner künstlerischen<br />
Arbeiten beginnt, sind neben seiner bildnerischen Kunst auch seine<br />
zahlreiche Architekturmodelle vertreten.<br />
Hierzu hat Peter Manhardt einige Machbarkeitsstu<strong>die</strong>n für Hundertwasser-<br />
Architekturtypologien entwickelt, wie zum Beispiel das Augenschlitzhaus,<br />
das Spiralhaus, das Terrassenhaus <strong>die</strong> begrünte Tankstelle, aber<br />
auch ein Konzept der grünen, unsichtbaren und unhörbaren Autobahn.<br />
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Gebaut wurden Hundertwassers Architektur-Modelle unter anderem von<br />
dem Filmarchitekten Peter Manhardt, der für den ORF, aber auch für den<br />
Architekten Karl Schwanzer arbeitete.<br />
In einem Brief vom 30. November 1977 an den Wiener Bürgermeister<br />
Leopold Gratz empfahl Bundeskanzler Bruno Kreisky, Hundertwasser<br />
<strong>die</strong> Möglichkeit zu geben, seine Anliegen im Bereich der Architektur beim<br />
Bau eines <strong>Wohn</strong>hauses in Wien umzusetzen.<br />
Leopold Gratz lud Hundertwasser daraufhin mit Schreiben vom 15. Dezember<br />
1977 ein, ein <strong>Wohn</strong>haus in Wien nach seinen Vorstellungen zu<br />
gestalten.<br />
In der Folge bekam Hundertwasser auf Grund<br />
seiner eingereichten Architektur-Vorschläge vom<br />
Bürgermeister Mag. Leopold Gratz 1979 erstmals<br />
<strong>die</strong> Chance, an einem neuartigen Architekturprojekt<br />
im Rahmen des sozialen <strong>Wohn</strong>ungsbaus,<br />
dem zukünftigen Hundertwasser-Krawina<br />
Haus mitzuwirken.<br />
Dieses hier abgebildete Hundertwasserhaus<br />
war das erste Architekturprojekt, bei dem Hundertwasser<br />
mitgestalten konnte.<br />
Das von Hundertwasser vom 16. August<br />
1983 bis 15. Oktober 1985 im Rahmen des sozialen<br />
<strong>Wohn</strong>ungsbaus der Stadt Wien gebaute<br />
„Hundertwasserhaus“ in Wien ist auch mehr als 39 Jahre nach seiner<br />
Errichtung ein Touristenziel erster Rangordnung und wird im selben Atemzug<br />
wie das Schloss Schönbrunn, das Belvedere oder der Prater genannt.<br />
Vor allem für Reisegruppen ist ein Besuch <strong>die</strong>ses „außergewöhnlichen, fast<br />
eigenwillig anmutenden Hauses“ Pflicht.<br />
Pflicht war es auch lange, dass <strong>die</strong> Architektur- und Kulturkritik gesteuerte<br />
Presse über Hundertwassers Bauten wenig wertschätzende Artikel<br />
publizierte:<br />
Hier Eine Auswahl an Zuschreibungen, <strong>die</strong> in der „Presse“ in der Folge<br />
zu seinen realisierten Bauten erschienen:<br />
„Ornamentale Zwangsbeglückung, Ökologiebarock, Beulenpest, Spielzeugburg,<br />
Anarchie und Verrücktheit, Austoben der kindlichen Phantasie,<br />
Kitsch, Amateurarchitektur eines Postbeamten oder Zöllners, Öko-Trend,<br />
bequeme Behübschung der Dächer und Fassaden“.<br />
Hundertwasser, der Hofnarr und Naturapostel.<br />
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Die breite Resonanz seiner Bauten wurde als „auffällige Zustimmung von<br />
der Straße, <strong>die</strong> gerade in der bildenden Kunst noch nie was Gutes bedeutet<br />
hat“, abgetan.<br />
„Die Presse“ berichtete am 9. September 1985 von Besucherschlangen<br />
vor dem neu eröffneten „Hundertwasserhaus“ und 70.000 Neugierigen<br />
an einem Wochenende.<br />
Das ist wohl als eindrucksvolle Bestätigung des schlechten Architekturgeschmacks<br />
der Wiener zu lesen.<br />
Insgesamt hat Hundertwasser um <strong>die</strong> 50 Architekturprojekte und<br />
Fassadengestaltungen ausgearbeitet, davon sind weltweit deutlich<br />
mehr als <strong>die</strong> Hälfte realisiert worden.<br />
Keines der in Folge erstellten Gebäude konnte jedoch, was Besucherzahlen<br />
und Publikationen betrifft, einen derartigen Erfolg erzielen. Der Grund<br />
<strong>die</strong>ses einzigartigen Erfolges mag auf das fruchtbare Zusammenwirken<br />
zwischen den bekannten Architekten Krawina, Pelikan und dem emotionsund<br />
phantasiebetonten Maler Hundertwasser zurückzuführen sein.<br />
Hundertwasser konnte bei <strong>die</strong>sem seinem ersten Architekturprojekt<br />
sowie der späteren kontroversiellen Auseinandersetzung mit dem Architekten<br />
Krawina für seine späteren baulichen Arbeiten wertvolle Erfahrungen<br />
sammeln.<br />
Hundertwasser hatte sich anfangs auch überaus positiv und sogar euphorisch<br />
über <strong>die</strong> Leistungen Krawinas geäußert, womit spätere Bemerkungen,<br />
mit welchen er <strong>die</strong> Leistungen des Architekten herunter zu spielen<br />
versuchte, wenig übereinstimmen.<br />
So verglich Hundertwasser in seinem Tonbandbrief an den Architekten<br />
vom 10. März 1980 dessen bis dahin erbrachte Entwurfsleistungen mit<br />
denen der bekannten österreichischen Architekten Otto Wagner und Josef<br />
Hoffmann.<br />
Diese architektonische Leistung, so war sich Hundertwasser in seinem<br />
Tonbandbrief sicher, würde in <strong>die</strong> Architekturgeschichte eingehen - und<br />
nicht nur in <strong>die</strong> österreichische.<br />
Mit dem Hundertwasser-Krawina Haus in Wien wurde der Grundstein für<br />
<strong>die</strong> weiteren Hundertwasser Kunst Bauwerke in Österreich und weltweit<br />
gelegt!<br />
Hier ist sozusagen <strong>die</strong> "Geburtsstätte" und im INFO-SHOP des weltweit<br />
bekannten Hundertwasser-Krawina Hauses, können Sie sich über das<br />
Haus selbst, über den Maler Friedensreich Hundertwasser und über<br />
den Architekten Josef Krawina sowie Peter Pelikan, deren Planungsziele,<br />
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sowie über alle wesentlichen Hundertwasser Kunst Bauwerke, anhand<br />
von ausgestellten Bildern und Schriften, umfassend informieren.<br />
Das Hundertwasser-Krawina Haus ist heute immer noch eines der<br />
meistbesuchten Gebäude in Österreich und zählt somit, in <strong>die</strong>sem Sinne,<br />
zu den wichtigsten Kulturgütern Österreichs.<br />
Es ist ein buntes, begrüntes Märchenschloss zwischen grauen, genormten<br />
Großstadthäusern, das den geheimen Wunsch der Menschen nach<br />
Harmonie, Individualität und Menschlichkeit erfüllt.<br />
Hier kann der Mieter frei sein, sich unterscheiden von seinen Nachbarn,<br />
den Kontakt zur Natur im Wechsel der Jahreszeiten – sogar mitten in der<br />
Stadt – wiederfinden und sich an der phantasievollen künstlerischen Gestaltung<br />
des Gebäudes erfreuen.<br />
Hundertwasser musste nicht nur einstecken, er konnte auch austeilen.<br />
Schon 1958 stellt er in einer Rede seinen programmatischen Text: „Verschimmelungsmanifest<br />
<strong>gegen</strong> den Rationalismus in der Architektur“<br />
vor.<br />
Zusammen mit dem am 20. Oktober 1928 in Radstadt geborenen Architekten<br />
Joseph Krawina plante Hundertwasser ab 1979 das Hundertwasser-Krawina<br />
Haus, nach kontroversen Rückzug des Architekten Joseph<br />
Krawina während der Planungsphase,- Hundertwasser hatte sich<br />
mit einem Schreiben an Rudolf Kolowrath, Leiter der Wiener Magistratsabteilung<br />
19 (Architektur), gewandt und ihn gebeten, den Architekten abzulösen,<br />
damit er seine eigenen Vorstellungen realisieren könne.<br />
Am 14.Oktober 1981, übernahm der Architekt Peter Pelikan, Angestellter<br />
der Wiener Magistratsabteilung 19 (Architektur), zusammen mit Hundertwasser<br />
<strong>die</strong> restliche Planungsarbeiten des Bau Projektes.<br />
Danach realisierte der neue Architekt Peter Pelikan auch <strong>die</strong> bauliche Ausführung<br />
zusammen mit Hundertwasser ab dem 16. August 1983 im<br />
Rahmen des sozialen <strong>Wohn</strong>ungsbaus der Stadt Wien.<br />
Die damaligen Baukosten betrugen ca. 6 Millionen Euro.<br />
Das Haus wurde am 15. Oktober 1985 bauseits fertiggestellt.<br />
Das nach Hundertwasser und Krawina als Miturheber, benannte Haus<br />
wurde am 1. März 1986 offiziell den zukünftigen neuen Mietern der<br />
Stadt Wien übergeben:<br />
Der Architekt Peter Pelikan wurde in der Folge für Hundertwasser zum<br />
langjährigen Partner für zahlreiche weitere Bauvorhaben.<br />
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Nachfolgend <strong>die</strong> Daten des 1. Hundertwasser Bauwerks:<br />
Anzahl der <strong>Wohn</strong>ungen: 50 <strong>Wohn</strong>ungen, 4 Geschäftslokale, 1 Arztpraxis<br />
reine <strong>Wohn</strong>fläche: ca. 3 550 m² (ca. 24 m² pro Person)<br />
<strong>Wohn</strong>ungsgrößen: zwischen 30 m² und 150 m²<br />
<strong>Wohn</strong>ungsgrößen: zwischen 30 m² und 150 m²<br />
Hausbewohner: ca. 150 Personen<br />
Gemeinschaftsräume: 2 Kinderspielräume, 1 Wintergarten<br />
Anzahl der Dachterrassen: 16 privat, 3 gemeinschaftlich<br />
Gesamtfläche der Terrassen: ca. 920 m²<br />
nicht zugängliche Grünflächen: ca. 440 m²<br />
Erde auf den Terrassen: ca. 900 Tonnen<br />
Anzahl der Bäume und Sträucher: ca. 250 Stück<br />
Der Erfolg <strong>die</strong>ses Projekts war der Grundstein für viele weitere Planungen,<br />
mit denen Hundertwasser in der Folge beauftragt wurde.<br />
Hundertwasser konnte in der Folge international 34 beispielhafte Architekturprojekte<br />
realisieren, in denen es das Fensterrecht und <strong>die</strong> Baummieter<br />
gibt, den unebenen Boden, Wälder auf dem Dach und Spontanvegetation.<br />
In seinem architektonischen Werk setzte Hundertwasser Vielfalt anstelle<br />
von Monotonie, das Organische und reglementierter Unregelmäßigkeiten<br />
in Harmonie mit der Natur anstelle des Rastersystems.<br />
Hier eine Übersicht von allen 34 Bauwerken, <strong>die</strong> durch<br />
Hundertwasser in der Folge weltweit realisiert wurden:<br />
(01) Hundertwasser-Krawina Haus Wien 1979-1986<br />
(02) Rosenthal-Fabrik in Selb (D) 1980-1982<br />
(03) Rupertinum in Salzburg 1980-1987<br />
(04) Mierka Getreidesilo in Krems 1982-1983<br />
(05) St. Barbara Kirche in Bärnbach 1987-1988<br />
(06) Dorfmuseum in Roiten 1987-1988<br />
(07) Textilfabrik Rueff in Muntlix 1988<br />
(08) Kindertagesstätte in Heddernheim (D) 1988-1995<br />
(09) Fernwärme in Wien/Spittelau 1988-1997<br />
(10) Autobahnraststätte in Bad Fischau 1989-1990<br />
(11) KunstHausWien 1989-1991<br />
(12) Village beim Hundertwasser-Krawina Haus in Wien 1990-1991<br />
(13) "In den Wiesen" in Bad Soden (D) 1990-1993<br />
(14) "<strong>Wohn</strong>en unterm Regenturm" Plochingen am Neckar (D) 1991-1994<br />
(15) Countdown 21st Century Monument for TBS in Tokyo (J) 1992<br />
(16) Brunnenanlage in Zwettl 1992-1994<br />
(17) Pavillon beim DDSG Ponton in Wien 1992-1994<br />
(18) Quixote Winery in Napa Valley (USA) 1992-1999<br />
(19) Spiralfluss Hand Trinkbrunnen I Linz 1993-1994<br />
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(20) Krankenstation (Onkologie) Graz 1993-1994<br />
(21) Thermendorf in Blumau 1993-1997<br />
(22) Spiralfluss Trinkbrunnen II in Tel Aviv (IL) 1994-1996<br />
(23) Kid´s Plaza in Osaka (J) 1996-1997<br />
(24) Martin Luther Gymnasium in Wittenberg (D) 1997-1999<br />
(25) Maishima Incineration Plant in Osaka (J) 1997-2000<br />
(26) Waldspirale in Darmstadt (D) 1998-2000<br />
(27) Markthalle in Altenrhein (CH) 1998-2001<br />
(28) Öffentliche Toilette in Kawakawa (NZ) 1999<br />
(29) Hundertwasser Umweltbahnhof in Uelzen (D) 1999-2001<br />
(30) Maishima Sludge Center in Osaka (J) 2000-2004<br />
(31) Grüne Zitadelle in Magdeburg (D) 2003-2005<br />
(32) Ronald McDonald <strong>Wohn</strong>heim Essen (D) 2004-2005<br />
(33) Regenbogenspirale in Valkenburg an der Greul (NL) 2006-2007<br />
(34) Kuchlbauer Turm in Abensberg (D) 2007-2010<br />
Hundertwasser und seine „Baum Mieter“<br />
Für den urbanen Kontext seiner von ihm gestalteten Häuser und <strong>Wohn</strong>ungen<br />
entwickelte Hundertwasser ab 1973 <strong>die</strong> schräg aus dem Haus<br />
ragenden „Baummieter“. Sie bezahlen ihre Miete mit Sauerstoff und sollten<br />
nach Möglichkeit den Humus von Hundertwassers Humustoilette<br />
nutzen, sofern <strong>die</strong>se aufgestellt wurden.<br />
(Ich habe bisher noch kein von Hundertwasser gestaltetes Haus mit<br />
Baum Mieter und Humus Toilette in Europa gesehen)<br />
Auch zur Humus Toilette gibt es von Hundertwasser ein Manifest,<br />
aus dem <strong>die</strong> bekannte Formulierung „Scheiße ist Gold“ stammt, sowie<br />
eine Gebrauchsanleitung zum Selbstbau und <strong>die</strong> Frage:<br />
„Warum urinieren wir und scheißen wir in einen einzigen Behälter,<br />
wo unser Verdauungssystem vorher beides sorgfältig trennt?<br />
Diese Trennung muss doch einen Sinn haben?“<br />
Für Reinigung des anfallenden Urins aus seiner Humus Toilette und aller<br />
anderen häuslichen Brauchwasser erdachte Hundertwasser gemeinsam<br />
mit seinem Freund, Bernd Lötsch, eine verbesserte Pflanzenkläranlage<br />
nach dem Konzept der Limnologin Käthe Seidel aus Krefeld, <strong>die</strong> er in seinem<br />
„Bottle House“ in Neuseeland einsetzte und verwendete.<br />
Dass <strong>die</strong>se Hundertwasser künstlerisch/wissenschaftliche Forschung zur<br />
biologischen Abwasser Kläranlagen keine Spinnerei war, zeigt sich heute,<br />
mehr als 40 Jahre später, zum Beispiel am Interesse von Paris, <strong>die</strong> Stadterweiterungsgebiete<br />
zukünftig mit Urinseparation zu konzipieren.<br />
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Der Grund ist <strong>die</strong> Überdüngung der Meereseinmündung der Seine durch<br />
<strong>die</strong> hohen Stickstoffwerte im Abwasser.<br />
Europa hat ungefähr 60 solcher Todeszonen in Küstennähe.<br />
„Die Zeit der Humustoiletten wird auch noch kommen“.<br />
Leider reichte <strong>Hundertwasser´s</strong> damalige Forschung, in der er vom<br />
Umweltschützer und Direktor des Naturhistorischen Museums, Bernd<br />
Lötsch unterstützt wurde, zur öffentlichen Verwendungen der Humus Toilette<br />
und seiner biologischen Pflanzen-Kläranlagen nicht dafür aus, <strong>die</strong>se<br />
Humustoiletten sowie <strong>die</strong> biologischen Pflanzen Kläranlagen in den von<br />
Hundertwasser erstellten Bauten zu integrieren.<br />
Hundertwasser sah seine Arbeit als eine Vorleistung für Massenkreativität<br />
und Befreiung von der konsumorientierten und profitgierigen Industriegesellschaft.<br />
Hundertwasser träumte zeitlebens von einer abfallfreien Zukunft und<br />
demonstrierte lautstark für das „Recht und Schutz der Natur“.<br />
Was ist aus Friedensreich Hundertwassers <strong>Revolte</strong> <strong>gegen</strong> <strong>die</strong><br />
<strong>menschlichen</strong> <strong>Wohn</strong>-<strong>Käfige</strong> und dem „Recht der Natur“ geworden?<br />
Diese von Hundertwasser 1958 ausgehende „<strong>Revolte</strong> <strong>gegen</strong> <strong>die</strong><br />
<strong>menschlichen</strong> <strong>Wohn</strong>-<strong>Käfige</strong>“ Aktionen, seine Visionen sowie sine Konzepte<br />
der ökologischen Architektur zum Wohle aller Menschen verläuft mehr<br />
und mehr im Sande und gerät immer mehr in Vergessenheit oder wird<br />
von den Menschen verdrängt, da <strong>die</strong> Menschen nicht mitmachen und sie<br />
<strong>die</strong>ses Engagement nicht unterstützen können oder wollen und deshalb<br />
<strong>die</strong>se Ziele zum Wohle der Welt Gemeinschaft nicht permanent einfordern.<br />
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Scheinbar lassen sich Hundertwasser’s Konzepte der ökologischen Architektur<br />
nicht für alle Menschen, flächendeckend, kostensparend, umsetzen<br />
oder einsetzen.<br />
Bild: Hundertwasser Waldspirale in Darmstadt<br />
Diverse individuelle Lösungen und umsetzbare Konzepte zur ökologischen<br />
Architektur können sich scheinbar nur vermögende Menschen erlauben,<br />
aber da ist Luxuskonsum pur angesagt.<br />
Weiterer Naturverlust und der Verlust von Individualität und Mechanisierung<br />
der Massen der Menschheit in <strong>Wohn</strong>gebäuden ist <strong>die</strong><br />
Folge.<br />
Auch hat unsere Welt Gemeinschaft den von Hundertwasser geforderten<br />
„Friedensvertrag mit der Natur“ bislang nicht unterschrieben!<br />
Dazu wird es auch nie kommen, <strong>die</strong> Gründe liegen auf der Hand, weil <strong>die</strong><br />
Mehrzahl der Menschen dazu nicht bereit ist, sie es nicht wollen oder können.<br />
Noch immer dominieren in unserer sogenannten Welt Gemeinschaft fast<br />
uneingeschränkt kurzfristige Profit-konsumorientierte, sowie wirtschaftliche<br />
Interessen über das Wohl der Natur und der Menschen auf unseren<br />
Planeten. Es wird nach wie vor kaum etwas da<strong>gegen</strong> getan.<br />
Das „Hier und Jetzt“ ist den meisten konsumorientierten Menschen<br />
scheinbar wichtiger als <strong>die</strong> Zukunft unseres Planeten, sowie der Gesundheit<br />
und Glück von unseren Nachkommen.<br />
Diejenigen <strong>die</strong> sich mit aktiven Protestaktionen da<strong>gegen</strong> (auch <strong>gegen</strong> <strong>die</strong><br />
bestehenden <strong>Wohn</strong>-Käfigkonstruktionen) auflehnen, werden nach wie<br />
vor weltweit bewusst kriminalisiert verfolgt und von den bestehenden Regierungen,<br />
oder durch bestehende gesetzliche Kneblungen der jeweiligen<br />
Machthabern rigoros bestraft und ausgegrenzt.<br />
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Für <strong>die</strong> Natur zu kämpfen und für eine natur- und menschengerechte<br />
Gestaltung einzutreten ist daher nach wie vor Friedensreich<br />
Hundertwassers (auch an Design und Architektur) wichtigstes philosophisches<br />
Vermächtnis an <strong>die</strong> menschliche Welt-Gemeinschaft!<br />
Unser Planet Erde wird nach wie vor rigoros ökologisch durch uns Menschen<br />
im kollektiven Raubbau ausgebeutet und somit ökologisch zerstört.<br />
, Die Folge des <strong>menschlichen</strong> Raubbaues ist eine allgemeine weltweit<br />
steigende globale Erd-Erwärmung, verbunden mit steigenden<br />
Meeres- Wasserstände, durch das damit verbundene abschmelzen<br />
der Eispolkappen, u.s.w.<br />
Gegen <strong>die</strong>sen weltweiten ökologischen Natur-Raubbau gibt zwar diverse<br />
Lippenbekenntnisse sogenannter Staatsvertreter, <strong>die</strong> aber wiederum weltweit<br />
durch <strong>die</strong> konsumorientierten und gewinnsüchtigen Monopolisten unterlaufen<br />
werden.<br />
Der einzelne Bürger scheint (auch durch eigene steigende Konsum Abhängigkeiten)<br />
da<strong>gegen</strong> machtlos zu sein.<br />
Mittlerweile entsteht weltweit eine umfassende desinteressierte zerstrittene<br />
hassbetonte Welt Gemeinschaft ohne Natur- und menschengerechteres<br />
Leben in Frieden mit der Natur, aber mit absoluter globaler<br />
Ausbeutung, verbunden mit Armut, Unterdrückung, bis hin zum Kollaps<br />
des Planeten Erde, und somit zur Vernichtung aller Menschen.<br />
Das ist wahrscheinlich seit Generationen durch unsere selbstgefällige,<br />
selbstverschuldete verursachte kommende trostlose Zukunft.<br />
Viele Menschen haben sich mittlerweile mit <strong>die</strong>ser Tatsache abgefunden,<br />
da sie mit legalen gesetzlichen Mitteln <strong>gegen</strong> das Desinteresse, Verblendung,<br />
Intoleranz, Unfähigkeit sowie falsche Lippenbekenntnisse und Kompetenz-Verdrängungen<br />
unserer mehr oder weniger korrupten Politiker<br />
und dem eher konsumorientierten Mitmenschen nichts machen können<br />
und sich somit hilflos fühlen.<br />
Der schüchterne, demoralisierte Mensch sowie sein feiger Charakter ist<br />
leider typisch für den Verlust von Individualität und Mechanisierung<br />
der Massen der Menschheit in ihren <strong>Wohn</strong>gebäuden sowie unserer Natur!<br />
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Liebe Leserin, lieber Leser,<br />
<strong>die</strong>ses hier vorliegende von mir erarbeitete Diskussionspapier oder Working<br />
Paper soll bei der Anwendung der interessierten Lesern der Überprüfung<br />
vorhandener Standards und der Weiterentwicklung von Fachwissen<br />
über Hundertwasser <strong>die</strong>nen. Hierzu habe ich bestehende Dokumentationen<br />
überprüft, <strong>die</strong> möglichen Änderungen in einem Diskussionspapier zusammengefasst<br />
oder erweitert und dann –elektronisch – anderen Leserinnen/<br />
Leser zur Abstimmung oder Abgleich kostenfrei zur Verfügung gestellt.<br />
Im Ergebnis soll eine Weiterentwicklung des Status quo stehen, <strong>die</strong> einen<br />
Mehrwert für alle Seiten bietet.<br />
Alle Menschen werden mit <strong>die</strong>sem Diskussionspapier aufgerufen, es zu<br />
kommentieren und so dem Autor weitere Anregungen zu geben, oder <strong>die</strong>sen<br />
auf Fehler oder Unstimmigkeiten in dem Diskussionspapier hinzuweisen<br />
sowie zu verbessern.<br />
Recht herzlichen Dank für ihr Interesse an meinen Tätigkeiten<br />
Peter Zimmermann<br />
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