Die-Perchino-Jagd
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dIE PERCHINO-jagd<br />
Seiner Kaiserlichen Hoheit des Großfürsten<br />
NIkOlaI NIkOlaIjEwItsCH<br />
im Dorfe <strong>Perchino</strong><br />
Gouvernement Tula von 1887-1912<br />
von<br />
ExzEllENz dmItRI walzOff<br />
Ins Deutsche übersetzt von<br />
Elisabeth von Lichatcheff 1921<br />
Überarbeitung mit zusätzlichen Bildern von<br />
Dipl.-Ing. Karl-Heinz Schulz 2024<br />
1
2
Inhaltsverzeichnis<br />
Seite<br />
Vorwort der Übersetzerin 4<br />
Einleitung Dmitri Walzoff 5<br />
PERCHINO 8<br />
<strong>Perchino</strong> <strong>Jagd</strong>hof 12<br />
Welpenzucht 17<br />
Bestand der <strong>Perchino</strong>jagd 20<br />
Geschichte der <strong>Perchino</strong>jagd 23<br />
<strong>Jagd</strong>betrieb 33<br />
<strong>Perchino</strong> Wolfstreiben 42<br />
Ein <strong>Jagd</strong>tag in <strong>Perchino</strong> 50<br />
Schlusswort Dmitri Walzoff 58<br />
Kopf- und Standstudien von 1874-1879 62<br />
Seite 2: Airbrush von Annett Kitsche: Bojar von Chrima-Hyvadora (Z: M u. Chr. Langer)<br />
Rückseite: Zeichnung von Carolin, unserer Tochter: Ischyma Zarah Leander (Z: Evelyn Kirsch)<br />
Es war mir eine große Freude diese Veröffentlichung aus den Anfängen der geregelten russischen Barsoizucht<br />
digitalisieren zu können, denn die meisten Schriften beginnen erst ab dem 1. Weltkrieg, und dann<br />
bereits setzte die russische Oktoberrevolution 1917 der dortigen Barsoi-Zucht ein schreckliches Ende, das in<br />
vollständiger Zerstörung und Aufreibung der schnellen und schönen Rasse endete. Erst in den 1930er Jahren<br />
gründete die Regierung der Sowjetunion offizielle Zuchtstätten, um die nationale Rasse wiederherzustellen.<br />
Der 2. Weltkrieg tat dann ein Übriges. Bei meinen Treffen mit Tarik (aka Tariel Varlamovitsch Gabidsaschwili,<br />
russ. Tiertrainer, Bären-Trainer, Barsoi-Liebhaber und Filmschaffender), der für den russischen Film „Krieg<br />
und Frieden“ (Bondartschuk 1965 - 1967) den Auftrag hatte, Barsois in Russland zu rekrutieren, erzählte er<br />
mir, nur 18 vorzeigbare Barsois im ganzen Land gefunden zu haben. <strong>Die</strong> Rasse hatte sich bis dahin noch<br />
nicht wieder erholt. Umso mehr erfreut es dann zu sehen, dass durch die Re-Importe aus Westeuropa und<br />
den USA sich auch in Russland die Barsois bestens erholt haben und auf einem hohen Niveau befinden. Jedoch<br />
liegt der Fokus der russischen Züchter mehr auf den jagdlichen Qualitäten dieses pfeilschnellen Jägers,<br />
während in den westeuropäischen Ländern der alte Anspruch an die <strong>Perchino</strong>-Barsois favorisiert wird: „Adel<br />
und Eleganz, gepaart mit Kraft und Schnelligkeit bei vorbildlicher Ausgeglichenheit der Proportionen und<br />
imponierender Größe, glänzendem, seidigen Haarkleid, fein gemeißeltem, rassigen Kopf“. Aber auch hierbei<br />
gilt was Tarik immer sagte: „Ein Barsoi jagt oder er ruht“. Er liebt das Rennen und das Coursing genauso wie<br />
das heimische Sofa und ist ein angenehmer, sanftmütiger Begleiter, der Ruhe und Gelassenheit ausstrahlt.<br />
Wir lieben unseren wunderschönen, freundlichen und menschenbezogenen Barsoi.<br />
3
Vorwort der Übersetzerin<br />
In diesem Jahre 1921 wurde ich von Herrn<br />
Richard Kallmeyer, Vorsitzender des Deutschen<br />
Verbandes der Windhundfreunde, aufgefordert,<br />
das Werk von Exzellenz Walzoff „<strong>Die</strong> Barsoijagd in<br />
<strong>Perchino</strong>“ zu übersetzen. Acht Jahre sind verstrichen,<br />
seit dieses Buch in Petersburg erschien und<br />
damals bei vielen Barsoijägern und Freunden dieser<br />
Rasse Gefallen gefunden hat. Ich selbst habe es<br />
1912 auch mit viel Interesse gelesen, umso mehr,<br />
da ich die Hunde der <strong>Perchino</strong>jagd, wie auch die<br />
Hunde der meisten in ihm beschriebenen Personen<br />
von den Ausstellungen her kannte und selbst<br />
im Besitze mehrerer hoch prämierter Hunde war.<br />
Bevor ich das Buch übersetzte, habe ich es<br />
von neuem und jetzt mit viel Wehmut durchgelesen,<br />
weil ich weiß, dass die schöne <strong>Perchino</strong>jagd zerstört<br />
ist und auch niemals mehr auferstehen wird.<br />
Damals 1912 ahnten wohl die wenigsten Leute in<br />
Russland etwas von dem herannahenden Unglück. -<br />
dem Kriege - und der ihm folgenden Revolution. Wir<br />
Russen sind überhaupt leichtsinnig und glauben so<br />
ungern an das Unangenehme. <strong>Die</strong> Revolution hat<br />
viele von uns obdach- und brotlos gemacht, sie hat<br />
auch das schöne <strong>Perchino</strong> nicht verschont, sondern<br />
wie Tausende von anderen Gütern verheert und verwüstet.<br />
Was wohl mit den Hunden geschehen ist?<br />
Erschossen als dekadentes Wahrzeichen mit ihren<br />
Betreuern, ausgerottet und verhungert, wo Menschen<br />
so viel leiden, vergisst man die Tiere ganz,<br />
trotzdem nur sie allein keine Schuld an dem was<br />
vorgeht tragen. Ich habe selbst viel schweres Leid<br />
hinter mir, aber doch, es tut mir so weh, wenn ich an<br />
die herrlichen, zugrunde gegangenen Tiere denke.<br />
Herrn Kallmeyer bin ich doppelt dankbar, erstens<br />
dafür, dass er mir eine mir sympathische und<br />
liebe Arbeit gegeben hat, bei der ich an das denken<br />
konnte, was meinem Gedächtnis immer lieb und teuer<br />
bleiben wird, und zweitens bin ich ihm dankbar dafür,<br />
dass er mir seinen Zwinger „Vom Sachsenwald“<br />
zeigte. Hier sowohl wie an den mir vorgelegten Bildern<br />
der van den Berkhofschen Barsois konnte ich<br />
eine Anzahl prächtiger Exemplare entdecken, die<br />
ganz dem Typ der <strong>Perchino</strong>-Hunde ähneln. Es ist ein<br />
großer Trost für mich, dass diese schöne Rasse hier<br />
in Deutschland wie auch in Holland weiter gepflegt<br />
und gezüchtet und hoffentlich immer mehr neue<br />
Liebhaber und Freunde gewinnen wird. - In Russland<br />
da gehen nicht nur die Tiere zugrunde, da leiden<br />
auch die Menschen Not und wer weiß, wann dieses<br />
große, finstere Land genesen wird. - Darum wollen<br />
wir hoffen, dass diese wirklich einzig schöne Rasse,<br />
der russische Barsoi, eine neue Heimat und einen<br />
festen Boden in Deutschland gefunden hat und dass<br />
er hier für Russland erhalten bleibt.<br />
Zum Schluss will ich mir noch eine kurze Ergänzung<br />
zum Werke Exzellenz Walzoffs erlauben. In<br />
diesem Werke wird viel von der Bosheit des Barsois<br />
dem Wolfe und Wilde gegenüber geredet, und damit<br />
hat Exzellenz Walzoff wohl recht, - aber man darf<br />
getrost auch ebenso viel von der Gutmütigkeit des<br />
Barsois erzählen. Ich selbst besaß Hunde, die tadellos<br />
den Fuchs und Hasen jagten und dabei zu Hause<br />
auf einem Sacke mit Katzen zusammen schliefen. Es<br />
gibt wohl kaum eine vornehmere und schönere Rasse<br />
als den gut erzogenen Barsoi.<br />
Berlin, im März 1921.<br />
Elisabeth von Lichatscheff.<br />
“Sultan“, 1910.<br />
Typ des Kopfes,<br />
den der<br />
Großfürst<br />
zu sehen<br />
wünschte.<br />
4
<strong>Jagd</strong>gesellschaft mit Zar Nikolaus II (Mitte) und Großfürst Nikolai Nikolaijewitsch (links)<br />
Einleitung<br />
<strong>Die</strong> Barsoijagd - das beliebteste Vergnügen<br />
unserer Vorfahren, das auch heute noch die Herzen<br />
der russischen Jäger ergötzt, die den alten Gebräuchen<br />
treu geblieben und daher die Zucht des rassigen<br />
Barsois und Parforcehundes, Kunst, die zu einer<br />
richtigen Führung dieser schwersten aller <strong>Jagd</strong>en gehören,<br />
der schwersten, weil für dieselbe außer einer<br />
Menge Personen und deren harmonisches Zusammenarbeiten<br />
noch die hervorragenden Eigenschaften<br />
der Hauptbeteiligten, nämlich der Wind- und<br />
Parforcehunde, wie auch der Reitpferde unbedingt<br />
notwendig sind. Um ein richtiger Barsoijäger zu sein,<br />
muss man nicht nur alle Eigenschaften jedes anderen<br />
Jägers besitzen, sondern man muss auch ein tadelloser<br />
Reiter sein, muss volles Verständnis für die<br />
Erziehung des Hundes besitzen, um so ihre <strong>Jagd</strong>eigenschaften<br />
zur vollen Entfaltung zu bringen.<br />
Zur Zeit der Leibeigenschaften bis zum Jahre<br />
1861, wo der größte Teil der russischen Edelleute<br />
auf ihren Gütern lebte, fand man kaum ein Herrenhaus,<br />
wo es nicht Barsois gab. Reiche Jäger hielten<br />
komplette, d. h. volle <strong>Jagd</strong>en, bestehend aus einer<br />
Meute oder auch nur zwei Parforcehunden, die das<br />
Wild aus dem Walde und seinen Verstecken in das<br />
freie Feld trieben, und verschiedene nach Größe des<br />
<strong>Jagd</strong>terrains Mengen Windhundkoppeln, welche das<br />
von den Parforcehunden ins Feld getriebene Wild<br />
hetzten und fingen. Wie groß die Zahl der <strong>Jagd</strong>hunde<br />
bei einigen Gutsbesitzern werden konnte, sehen<br />
wir an dem Smolensker Gutsherrn Samsonoffs, dessen<br />
kompletter <strong>Jagd</strong>hof 1000 Hunde betrug und der<br />
seine Unterschrift stolz mit „erster Jäger Russlands“<br />
zeichnete. Jäger, die weniger begütert waren, hielten<br />
nur einige Koppeln Barsois, mit welchen sie auf Peitschenknall<br />
und auf Streifritten hetzten. Durch Knallen<br />
mit langen Hetzpeitschen wurde das Wild aus seinen<br />
Schlupfwinkeln ins offene Feld getrieben, wo es dann<br />
von den Barsois gehetzt und gefangen wurde. Auf<br />
Streifritten dagegen wurde das Wild, Hasen, Füchse,<br />
ja selbst Wölfe von den an der Koppel gehenden und<br />
vom Pferde aus geleiteten Hunden im Gebüsch oder<br />
in Graben ausgehoben und gestellt.<br />
Jäger, die nur Barsois hielten, wurden Kleinjäger<br />
oder Kleintreiber genannt, die sich oft mit ihren<br />
Barsoikoppeln an großen Hetzjagden mit Parforcehunden<br />
beteiligten, die von Besitzern großer <strong>Jagd</strong>en<br />
veranstaltet wurden. Eine solche Versammlungsjagd,<br />
allgemein so genannt, hat Driansky in seinem Werk<br />
„Aufzeichnungen eines Kleintreibers“ sehr packend<br />
geschildert. <strong>Die</strong>ses Buch sollte jeder Barsoijäger lesen,<br />
um es als Richtschnur zu benutzen wie man mit<br />
dem Barsoi jagen soll.<br />
5
Schalenwildstrecke einer Versammlungsjagd<br />
<strong>Die</strong> Versammlungsjagden gaben den Besitzern<br />
der verschiedenen Koppeln Gelegenheit, die<br />
<strong>Jagd</strong>eigenschaften ihrer Hunde zu vergleichen und<br />
ihre Zöglinge zu prüfen, um bei der weiteren Zucht<br />
die schnellsten und schärfsten Hunde zu verwenden.<br />
1861, als die Aufhebung der Leibeigenschaft die materielle<br />
Lage der Gutsbesitzer mit einem Schlage veränderte,<br />
kam die Barsoijagd in starken Verfall. Viele<br />
Gutsbesitzer besaßen keine Mittel mehr, anderen<br />
fehlte die Lust, unter den veränderten Verhältnissen<br />
mit gedungenen Leuten die Zucht weiter zu führen,<br />
wieder andere waren gezwungen, ihre Güter zu<br />
verlassen und ihre <strong>Jagd</strong>en zu vernichten. Nur sehr<br />
wenige leidenschaftliche Barsoijäger setzten den<br />
heimatlichen <strong>Jagd</strong>sport, wenn auch in verkleinertem<br />
Maßstab, fort. Durch die neue Lage wurde es nicht<br />
nur schwer überhaupt zu jagen, sondern vor allem<br />
die Zucht des Barsois und des Parforcehundes weiter<br />
so zu pflegen und zu fördern, wie dies früher der<br />
Fall war. <strong>Die</strong> weiten Entfernungen, die die Barsoijäger<br />
meistens voneinander trennten, zu einer Zeit, da<br />
es noch keinen Eisenbahnverkehr gab und kein die<br />
Jäger vereinigendes Zentrum existierte, machte vor<br />
allen Dingen die Heranschaffung guter Zuchtrüden<br />
zur Verbesserung der Rasse und zur Blutauffrischung<br />
sehr schwierig. Dadurch verloren viele <strong>Jagd</strong>en, die<br />
sich mit einem x-beliebigen Deckrüden bescheiden<br />
mussten, in ihren Hunden das Vollblut, andere, die<br />
ihre <strong>Jagd</strong> abgesperrt hielten, und nur mit eigenen<br />
Hunden züchteten, verdarben durch die Inzucht allmählich<br />
die <strong>Jagd</strong>eigenschaften ihrer Meuten.<br />
Wenn 1873 auf Veranlassung des Barsoijägers<br />
Wassili Alexeijewitsch Scheremetjews in Moskau<br />
nicht ,,<strong>Die</strong> Kaiserliche Gesellschaft zur Verbreitung<br />
der <strong>Jagd</strong>hunde sowie regelgerechter <strong>Jagd</strong>führung“<br />
gegründet worden wäre, hätte diese alte russische<br />
Hunderasse ganz aus unserem Vaterlande verschwinden<br />
können. So aber fanden sich alle Barsoijäger<br />
der um Moskau liegenden Gouvernements<br />
zusammen, wurden miteinander bekannt und tauschten<br />
ihre Erfahrungen der einstmals berühmten Barsoijagden<br />
aus. Dank der ,,Kaiserlichen Gesellschaft“<br />
und mit Hilfe des Journals ,,Natur und <strong>Jagd</strong>“ und der<br />
von der „Kaiserlichen Gesellschaft“ jedes Jahr veranstalteten<br />
Hundeausstellung gründete sich ein kleiner<br />
Verband von Barsoijägern, die das Aussterben des<br />
russischen Windhundes verhüteten und die Zucht<br />
neu belebten. Ausländische Jäger und Hundeliebhaber<br />
brachten dieser schönsten aller Hunderassen<br />
ebenfalls großes Interesse entgegen. War auch nicht<br />
in anderen Ländern die Möglichkeit vorhanden, den<br />
Barsoi als <strong>Jagd</strong>hund zu benutzen, so war er doch als<br />
Begleithund hochgeschätzt. Sogar amerikanische<br />
Jäger interessierten sich für unseren Hund und fanden<br />
dann später auch Gelegenheit, denselben in ihrer<br />
Heimat jagdlich zu verwenden.<br />
Das Interesse ausländischer Freunde der<br />
Barsoirasse war für die russischen Züchter nicht nur<br />
6
von besonderem moralischen Einfluss, sondern auch<br />
eine materielle Unterstützung, da überzählige Hunde<br />
ins Ausland verkauft werden konnten.<br />
Trotz all dieser günstigen Bedingungen wäre<br />
es dem russischen Jäger aber doch schwer geworden,<br />
die Zucht des typischen wellhaarigen Windhundes<br />
wieder voll in die Höhe zu bringen, wäre ihnen<br />
nicht ein Jäger zu Hilfe gekommen, dessen Name für<br />
immer in der Geschichte der russischen <strong>Jagd</strong> leben<br />
wird als der des berühmtesten Jägers und Neuerzeugers<br />
der alten, schönen, ruhmreichen russischen<br />
Windhundrasse.<br />
Seine Kaiserliche Hoheit Großfürst Nikolai Nikolaijewitsch,<br />
seit frühester Jugend ein leidenschaftlicher<br />
Jäger, interessierte sich 1886 für die Zucht<br />
des wellhaarigen Windhundes und legte 1887 durch<br />
Kauf des Gutes <strong>Perchino</strong> im Gouvernement Tula den<br />
Grundstock zu seiner Barsoi- und Parforcejagd, der<br />
in ihrer Größe in Russland einzig dastehenden <strong>Jagd</strong>,<br />
die durch die Reinheit des Blutes des rassigen Barsois<br />
und des typischen russischen Schweißhundes<br />
wie durch die regelgerechte Führung dieser kompletten<br />
<strong>Jagd</strong> nicht nur in ganz Russland, sondern weit<br />
über seine Grenzen hinaus in der ganzen <strong>Jagd</strong>welt<br />
bekannt ist.<br />
Mir ist das seltene <strong>Jagd</strong>glück zuteil geworden,<br />
während einer Zeit von über zwanzig Jahren bei fast<br />
allen <strong>Perchino</strong>jagden mitwirken zu dürfen.<br />
Jetzt will ich versuchen, mit Genehmigung seiner<br />
Kaiserlichen Hoheit, des Besitzers von <strong>Perchino</strong>,<br />
alles was mir aus diesen <strong>Jagd</strong>en bekannt ist, zu<br />
beschreiben. Ich bin überzeugt, nicht nur der <strong>Jagd</strong><br />
im allgemeinen, sondern auch den Barsoijägern und<br />
Liebhabern der schönen Windhundrasse damit dienlich<br />
zu sein. Jeder Barsoifreund, die Besitzer kleiner<br />
<strong>Jagd</strong>en wie auch die Kleintreiber werden viel Interessantes<br />
in der Beschreibung des Aufbaues und der<br />
Ordnung der <strong>Perchino</strong>jagd finden und vieles für <strong>Jagd</strong><br />
und Zucht, selbstverständlich in verändertem Maßstabe,<br />
verwerten können.<br />
Dmitri Walzoff<br />
Alte russische Maßeinheiten:<br />
1 Werschok 44,45 Millimeter<br />
1 Arschin 71,12 Zentimeter<br />
1 Saschen 2,1336 Meter<br />
1 Werst 1,0668 Kilometer<br />
1 Milja 7,4676 Kilometer<br />
1 Desjatine 1,0925 Hektar<br />
Barsois des Großfürsten Nikolai Nikolaijewitsch von P. Mahler 1888<br />
7
PERCHINO<br />
Dreißig Werst von der Stadt Tula im Westen<br />
und vier Werst von der großen, alten Kaluger Chaussee<br />
entfernt, auf dem erhöhten Ufer des Flusses Upa<br />
und auf beiden Niedergängen eines kleinen Flüsschens,<br />
das sich in die Upa ergießt, liegt <strong>Perchino</strong>.<br />
<strong>Die</strong>ses Gut war zur Zeit der Kaiserin Jekaterina<br />
II von dem bekannten Bankier Lasareff, welcher den<br />
drittgrößten Diamanten der Welt aus Indien mitbrachte,<br />
der seitdem die russische Kaiserkrone ziert, erbaut<br />
worden. Lasareff wurde von der Kaiserin reichlich belohnt<br />
und erhielt außer anderen wertvollen Geschenken<br />
noch viertausend Desjatinen (1 Desjatine = ca.<br />
4 Morgen) Land im Tulaschen Gouvernement. <strong>Die</strong><br />
Tochter Lasareffs, die einen Arapetoff heiratete, erhielt<br />
<strong>Perchino</strong> als Mitgift. Dann kam es in den Besitz<br />
des Grafen Deljanoff, der es nach 1861 für geringen<br />
Preis an den Tulaschen Kaufmann Batascheff verkaufte.<br />
Batascheff, der wie alle Kaufleute zu dieser<br />
Zeit herrschaftliche Güter nur wegen vorteilhafter<br />
Spekulation kaufte, behielt für sich nur das Herrenhaus<br />
und vierhundert Desjatinen Land. Das übrige<br />
Land und der weite Wald wurden an verschiedene<br />
Personen weiterverkauft. Als 1887 der Großfürst das<br />
Gut erwarb, trug es das typische Aussehen eines<br />
zerrütteten Herrennestes. Das große, zweistöckige<br />
Herrenhaus war in eine Art Scheune verwandelt, in<br />
den Zimmern lagen Korn und für den Winter aufgespeicherte<br />
Kartoffeln. <strong>Die</strong> Nebengebäude mit ihren<br />
ausgebrochenen Fenstern und zerlöcherten Dächern<br />
schrien nach Reparatur. Nach jahrelanger Arbeit war<br />
8<br />
es dem Großfürsten gelungen, das Gut fast wieder<br />
in seinen früheren Grenzen herzustellen, ein Teil des<br />
einst zu <strong>Perchino</strong> gehörenden Landes wurde zurückgekauft,<br />
die übrigen Gebäude ebenfalls wieder hergestellt<br />
und bald glänzte das Ganze in seiner früheren<br />
Schönheit, würdig seiner hohen Bestimmung, die<br />
<strong>Jagd</strong>residenz seines erlauchten Besitzers zu sein.<br />
Gleichzeitig mit dem Wiederaufbau des Gutes<br />
wurde auch der für die Barsoijagd bestimmte <strong>Jagd</strong>hof<br />
angelegt, und als der gewünschte Bestand der<br />
<strong>Jagd</strong> an <strong>Jagd</strong>gehilfen, Pferden und Hunden erreicht<br />
war, standen bereits alle für dieselben notwendigen<br />
nach vom Großfürsten selbst gezeichneten Plänen<br />
angefertigten Behausungen fertig da.<br />
In den nächsten Kapiteln werde ich die Einrichtung<br />
dieser Behausungen beschreiben, jetzt will ich<br />
nur noch einige Worte über das Gut und das Herrenhaus<br />
sagen, wo die nach <strong>Perchino</strong> kommenden Jäger<br />
doppelt genießen durften - als Gäste des liebenswürdigsten<br />
Wirtes - und als Jäger, denen der Anblick<br />
der herrlichen Hunde stets eine Augenweide, ein nie<br />
zu vergessender Eindruck wurde. Hier war der rassige<br />
Barsoi in seiner ganzen Schönheit zu sehen, ein<br />
Ansporn für jeden echten Barsoijäger, mit seinen Tieren<br />
das zu erreichen, das heraus zu züchten, was<br />
den <strong>Perchino</strong>hunden eigen ist.<br />
Das Schloss liegt im dunklen Fond des mit<br />
uralten Lindenalleen versehenen Parks. Vor dem<br />
Schloss dehnen sich auf einem breiten Platze bis zur<br />
Steinmauer Blumenanlagen aus, um die ein runder
Weg führt, auf welchen die Barsois immer zu dreien<br />
an einer Koppel den <strong>Jagd</strong>besuchern, die auf der<br />
unteren Schlossterrasse stehen, vorgeführt werden.<br />
Zwischen der Steinmauer und dem Flusse Upa, gerade<br />
gegen Osten, steht die weiße <strong>Perchino</strong>kirche.<br />
Vom Schloss und seinen Balkons bietet sich einem<br />
eine auf fünfzehn Werst reichende Aussicht auf das<br />
Tal mit seinen Wiesen, Teichen und Dörfern. Am Horizont<br />
ist das Ganze von einem dichten<br />
Wald eingeschlossen, die wahre, heimatliche,<br />
russische Natur. Das zweistöckige<br />
Schloss ist dasselbe geblieben,<br />
wie es von Lasareff erbaut wurde, nur<br />
die Innenausstattung wurde vollständig<br />
verändert. Schon wenn man das<br />
Schloss betritt, sieht man, dass man in<br />
die Behausung eines Jägers kommt.<br />
<strong>Die</strong> Wände der Empfangshalle<br />
zieren <strong>Jagd</strong>bilder und Photographien<br />
englischer und krimmscher Hunde<br />
aus der <strong>Jagd</strong> des erlauchten Vaters<br />
des Großfürsten. Auf den Treppenabsätzen<br />
stehen ausgestopfte Riesenexemplare<br />
von Wölfen, die der Großfürst<br />
selbst erlegt hat. Sämtliche Zimmer des<br />
Schlosses sind im <strong>Jagd</strong>stil gehalten.<br />
Besonders interessant ist der große<br />
Speisesaal, dessen Wände mit ausgestopften<br />
Köpfen von Auerochsen, Bären,<br />
Wölfen, Luchsen, Wildschweinen,<br />
Rentieren, Hirschen, Auerhähnen usw.<br />
bedeckt sind, die alle vom Großfürsten<br />
auf seinen verschiedenen <strong>Jagd</strong>en selbst<br />
erlegt wurden. Zwei in den Ecken des Speisesaales<br />
stehende, große, ausgestopfte Bären halten in ihren<br />
hochgehobenen Tatzen Lampen, ein mächtiger, von<br />
der eigenen Koppel des Großfürsten gefangener Wolf<br />
zeigt, an der Balkontür stehend, seine blendend weißen<br />
Zähne. Vielen interessanten Erzählungen und<br />
Gesprächen haben die Wände dieses Speisesaales<br />
gelauscht, wenn die Gäste des erlauchten Wirtes<br />
9
is spät in die Nacht an der gastfreien Tafel saßen.<br />
Noch lebhaftere Gespräche wurden unten im großen<br />
Mittelgemache geführt, welches „Klub“ genannt wurde.<br />
Hier wurden die Hunde der <strong>Perchino</strong>jagd einzeln<br />
vorgeführt. <strong>Die</strong> Wände dieses Zimmers schmücken<br />
die Bilder der besten Zuchthunde der <strong>Perchino</strong>jagd,<br />
die von dem Barsoijäger Georgi Konstantinowitsch<br />
von Meier gemalt wurden. <strong>Die</strong>se Bilder dienen außer<br />
ihrem historischen Interesse vor allem als Beweis<br />
für die konstante<br />
Durchzüchtung der<br />
<strong>Perchino</strong>jagd. Unter<br />
den zur Besichtigung<br />
vorgeführten<br />
Hunden befi nden<br />
sich sehr oft solche,<br />
die ganz das<br />
Ebenbild ihres von<br />
der Wand herunter<br />
schauenden Vorfahren<br />
sind und diesem<br />
in Typ, Form und<br />
Farbenzeichnung<br />
täuschend ähneln.<br />
Alle anderen<br />
Zimmer der Unteretage<br />
dienen als Gemächer<br />
den <strong>Jagd</strong>gästen,<br />
ebenfalls<br />
das große Steinnebengebäude,<br />
dessen<br />
Fassade sich<br />
10<br />
Großfürst Nikolai Nicolaijewitsch<br />
dem Blumengarten zuwendet. In diesem Gebäude<br />
befi ndet sich auch ein gemeinsames Sportzimmer,<br />
der „Kleine Klub“. Hier werden, wenn in jedem Frühjahr<br />
und Herbst unter dem Präsidium des Großfürsten<br />
die von der „Gesellschaft zur Aufmunterung der<br />
Feldeigenschaften der <strong>Jagd</strong>hunde“ ausgeschriebenen<br />
Probejagden auf Schnelläufen stattfinden, die<br />
von den eingeladenen Jägern mitgebrachten Barsois<br />
vorgeführt und gegenübergestellt. Das Interesse an<br />
diesen Vorführungen wie<br />
der Nutzen war für jeden<br />
Barsoijäger gleich groß,<br />
denn durch diesen Vergleich<br />
wie durch die vorangegangene<br />
Prüfung<br />
der Feldeigenschaften<br />
wurde die beste Zuchtrichtung<br />
festgestellt.<br />
Da fast alle Barsoijäger<br />
Gutsbesitzer<br />
oder Landwirte sind, so<br />
bietet ihnen <strong>Perchino</strong><br />
auch manches Sehenswertes<br />
am Zuchtbetrieb<br />
verschiedener anderer<br />
Vollblutrassen. Nach Ankauf<br />
von weiteren Landstrecken<br />
wurden auf dem<br />
Gute mehrere Vorwerke<br />
angelegt, um den Feldbau<br />
wie den <strong>Jagd</strong>betrieb<br />
bequemer zu gestalten.
Augenblicklich existieren auf den 2500 Desjatinen Land des <strong>Perchino</strong>gutes fünf solcher Vorwerke. Auf dem<br />
linken Ufer des Flusses Upa, fünf Werst vom Schloss <strong>Perchino</strong>, liegt das Vorwerk „Otradnoje“, wo englische<br />
und russische (wolotzker) Schafe und Arbeitspferde ardanischer Rasse gezüchtet werden. Unweit davon am<br />
Ufer eines kleinen Flusses<br />
mit reinstem Quellwasser<br />
ist der Krankenzwinger für<br />
die Hunde erbaut. Derselbe<br />
besteht aus zwei großen<br />
Räumen, die voneinander<br />
völlig isoliert sind.<br />
Daneben ist ein Zimmer<br />
für das Wärterpersonal<br />
nebst Küche und einer<br />
Küche zur Bereitung des<br />
Hundefutters. Bricht eine<br />
ansteckende Krankheit<br />
im <strong>Jagd</strong>hof aus, so werden<br />
erkrankte Tiere sofort<br />
in den Krankenzwinger<br />
überführt, nicht erkrankte,<br />
jedoch verdächtige sogleich<br />
abgesondert und<br />
in ein neben dem <strong>Jagd</strong>hof<br />
befindliches separates<br />
Gebäude geschafft. Gesundbleibende werden desinfiziert und kommen wieder in den <strong>Jagd</strong>hof, Kranke<br />
wandern in den Krankenzwinger. So befinden sich erkrankte Hunde wie auch das Pflegepersonal von dem<br />
<strong>Jagd</strong>hof in fünf Werst weiter Entfernung und kommen mit dem Haupt-Hundehof in keinerlei Berührung.<br />
Rinder- und Schafherden auf <strong>Perchino</strong><br />
11
<strong>Perchino</strong> <strong>Jagd</strong>hof<br />
Eine komplette Barsoijagd bestand in <strong>Perchino</strong><br />
noch vor Aufhebung der Leibeigenschaft. Arapetoffs<br />
waren Barsoijäger, und noch jetzt ist die Stelle bekannt,<br />
wo ihr Hundehof lag, den Graf Deljanoff, an<br />
welchen das Gut von Arapetoffs überging, abreißen<br />
ließ, da er kein Barsoijäger war. Arapetoffs besaßen<br />
prächtige Hunde.<br />
Zu jener Zeit war es schmachvoll, Hunde für<br />
Geld zu verkaufen, insbesondere wurde es als unpassende<br />
Handlung eines Edelmanns angesehen.<br />
<strong>Die</strong> Hunde wurden aber bei weitem höher bewertet<br />
als in unseren heutigen Tagen und nur gegen sehr<br />
wertvolle Gegenstände usw. eingetauscht. Es wird<br />
sogar von einem Fall erzählt, wo ein Vater nur darum<br />
in die Ehe seiner Tochter willigte, um den gewünschten<br />
Hund zu erhalten. In der Zeitschrift „Natur<br />
und <strong>Jagd</strong>“ ist diese historisch-wahre Geschichte<br />
beschrieben. Poltawzeff heiratete eine Paschkoff,<br />
nachdem er an deren Vater seinen berühmten Barsoirüden<br />
(Schnelläufer) abgegeben hatte, den zu<br />
verkaufen er um keinen Preis einwilligte und nur<br />
deswegen fort gab, um die Tochter des steinreichen<br />
Paschkoff freien zu dürfen.<br />
<strong>Die</strong> <strong>Perchino</strong>bewohner erzählten mir einen<br />
ebenfalls sehr originellen Tausch. Der Nachbar Arapetoffs<br />
war ein armer Gutsbesitzer mit Namen Penkoff.<br />
Sein Gütchen befand sich ebenfalls am Ufer<br />
der Upa, gegenüber dem Gute <strong>Perchino</strong>, zwei Werst<br />
höher zur Strömung hinauf gelegen. Hier waren 30<br />
Desjatinen Wiesenland, welches an die Wiesen Arapetoffs<br />
grenzte und welches dieser vergeblich von<br />
Penkoff zu kaufen versuchte. Trotz seiner Armut war<br />
Penkoff ein sehr anständiger Charakter und auch ein<br />
leidenschaftlicher Barsoijäger. Als Jäger und Nachbarn<br />
lebten Arapetoffs und Penkoff in guter Freundschaft<br />
und jagten jeden Herbst zusammen. Auf einer<br />
Barsoihetzjagd wurde Penkoff so von der Barsoikoppel<br />
Arapetoffs bezaubert, dass er den Freund bat, ihm<br />
die Hunde zu verkaufen. „Nimm, was du willst, aber<br />
gib mir die Hunde.“ „Gut“, sagte Arapetoffs, „nimm<br />
12
meine Barsoikoppel und<br />
gib mir die 30 Desjatinen<br />
Wiesenland.“ Penkoff<br />
willigte ohne Zaudern in<br />
diesen Tausch. Als ich<br />
auf Befehl des Großfürsten<br />
von der Witwe<br />
Penkoffs ihr Gütchen<br />
kaufte, bestätigte mir die<br />
alte Dame diesen Vorfall<br />
und setzte hinzu: „Mein<br />
Verstorbener kannte<br />
in »nichts« Grenzen.“<br />
Nachdem <strong>Perchino</strong> in<br />
den Besitz des Großfürsten<br />
übergegangen<br />
und seine <strong>Jagd</strong> hierher überführt war, richtete man<br />
eine alte Behausung als Hundezwinger ein, wo die<br />
Parforcehunde untergebracht wurden.<br />
Für die Windhunde wurde ein großer Zwinger<br />
mit geräumigen, von einem Bretterzaun umgebenen<br />
Hofe neu gebaut. Trotzdem zu dieser Zeit nicht mehr<br />
als 60 Barsois vorhanden waren, machte sich das<br />
Unpraktische einer solchen Einrichtung sofort fühlbar.<br />
Erstens stand das Haus zu niedrig, im Hofe war<br />
es feucht und die Hunde erkrankten oft an Rheumatismus.<br />
Dann aber auch wirkte das Zusammenhalten<br />
einer solch großen<br />
Zahl von Hunden<br />
auf diese selbst sehr<br />
schädlich, da ruhigere<br />
Hunde ihre mutwilligeren<br />
Kameraden<br />
fürchteten und sich<br />
kaum ins Freie trauten.<br />
<strong>Die</strong> Junghunde<br />
fürchteten die alten<br />
und jedes Spiel drohte<br />
tragisch zu enden<br />
infolge der Eigenschaft<br />
der Windhunde,<br />
sich alle zusammen<br />
auf einen zu<br />
stürzen. Trotz größter<br />
Sauberkeit im Hofe war die Luft darin doch schwer,<br />
da der Zuzug frischer Luft durch den Bretterzaun<br />
stark gehindert wurde. Deshalb beschloss der Großfürst,<br />
den ganzen Hundehof umzubauen.<br />
13
Für die Barsois wurde ein sehr großer Platz gewählt,<br />
fast fünf Desjatinen Land mit einem Flüsschen<br />
und Teiche in der Mitte. Auf dem hochgelegenen Teile<br />
dieses Platzes wurden neun Steinhäuser gebaut<br />
mit Zwingerabteilen für je zwölf Hunde. In diesen<br />
Häusern befanden sich auch die Zimmer und Küchen<br />
der Wärter. Um jedes Haus wurden drei durch verzinkte<br />
Drahtgitter abgeteilte Höfe angelegt. Einer für<br />
die Barsoirüden, der zweite für die Hündinnen mit ihren<br />
Welpen und der dritte für den Wärter. Zu keinem<br />
dieser Höfe war der Zuzug frischer Luft gehemmt, da<br />
sie alle nur von Drahtgittern umgeben waren. Das<br />
Vorhaus zu dem Rüdenzwinger und zum Zwinger<br />
der Hündinnen war so eingerichtet, dass zur Winterzeit<br />
bei Schneegestöber und Sturm die Kälte nicht in<br />
die Behausung eindringen konnte. In den Türen wurden<br />
kleine Falltüren eingelegt, welche nur bei sehr<br />
starkem Frost geöffnet waren, um nicht zuviel kalte<br />
Luft einzulassen, aber doch das Hinausschlüpfen der<br />
Hunde ermöglichten. <strong>Die</strong> eine Seite des Ofens, der<br />
das Zimmer wie die Küche des Barsoiwärters heizt,<br />
erwärmt auch den Zwinger der tragenden oder saugenden<br />
Hündinnen, so dass bei großer Kälte Mütter<br />
und Welpen nicht darunter leiden.<br />
Im Zwinger der anderen Hunde gibt es überhaupt<br />
keine Heizung, bei Frost wird nur etwas mehr<br />
Stroh untergelegt, denn die Hunde schützt vor Kälte<br />
ihr reiches, prächtiges Wellhaar, durch welches<br />
sich alle Barsois der <strong>Perchino</strong>jagd auszeichnen. <strong>Die</strong><br />
Bänke, auf welchen die Zwingerinsassen liegen,<br />
stehen an der Wand der Wohnung des Wärters.<br />
Damit sich die Tiere nicht an die Wand anlegen, ist<br />
an derselben eine hohe Holzlehne angebracht. Von<br />
den Fenstern stehen die Schlafbänke weit ab, auch<br />
sind dieselben gegen Zugluft durch breite Bretterverschläge<br />
geschützt. Dank dieser Einrichtung ist im<br />
14
Zwingerhause kein Zugwind, die Luft immer trocken<br />
und gleichmäßig, wenn sie auch im Winter sehr kalt<br />
werden kann. Um die Luft zu reinigen, hängt an der<br />
Decke eine mit Terpentin getränkte Fahne. Von den<br />
stets aufs sorgfältigste gepflegten Hunden spürt man<br />
nicht den geringsten Geruch, ihr Haar ist wellig und<br />
seidenweich. In jeder Zwingerabteilung leben zwölf<br />
erwachsene Hunde, die in Farbe zueinander passen.<br />
<strong>Die</strong>se Hunde gehen auch immer zu drei an einer<br />
Koppel zusammen auf die <strong>Jagd</strong>, wobei die Hunde für<br />
die Koppeln öfters gewechselt werden, so dass sie<br />
alle untereinander in Freundschaft leben. Beißereien<br />
bilden eine seltene Ausnahme, da zanksüchtigen<br />
Tieren ein fester Maulkorb angelegt wird, bis diese<br />
sich ihren Kameraden gegenüber brav betragen.<br />
Jeden Tag werden die Hunde, ein Zwinger<br />
nach dem andern, in den großen <strong>Jagd</strong>hof geführt,<br />
wo sie sich tüchtig auslaufen und austoben können.<br />
Hier können sie von einem Hof zum andern rennen,<br />
können die hinter dem Gitter befindlichen anderen<br />
Koppeln anfallen, aber alles endet nur mit Hin- und<br />
Herrennen die Gitter entlang, da zum Raufen keine<br />
Möglichkeit ist. Sind die Hunde dieses Spiels müde,<br />
fangen sie ruhig an, hinter ihrem Wärter herzugehen,<br />
der sie dann ohne Mühe in ihren Zwinger zurückführt.<br />
Mit Ausnahme der Feiertage oder bei sehr stürmischem<br />
Wetter zieht täglich die Hälfte eines jeden<br />
Zwingers zu Koppeln geordnet und von berittenen<br />
Leuten geleitet ins Feld, um dort eine vom Großfürsten<br />
bestimmte Anzahl Werst abzulaufen, die ganz<br />
nach der Jahreszeit und der Fertigkeit der Hunde zur<br />
<strong>Jagd</strong> bemessen sind.<br />
Zweimal täglich werden die Hunde gefüttert,<br />
morgens nur wenig, abends bis sie satt sind. In der<br />
Mitte eines jeden Hofes steht ein verzinkter Trog, in<br />
welchen das in Kübeln aus der Küche gebrachte Futter<br />
gegossen wird. Nach jeder Fütterung wird der Trog<br />
reingewaschen und umgestülpt. Als Trinkgefäß ist an<br />
15
der Mauer des Zwingerhauses ebenfalls ein kleiner<br />
Zinktrog angebracht, der stets mit frischem Wasser<br />
gefüllt ist. Nach dem Füttern werden die Schnauzen<br />
der Windhunde mit einem Tuch gereinigt, ihr Fell gekämmt<br />
und gebürstet und alle Unsauberkeiten sofort<br />
weggeschafft.<br />
Auf einer kleinen Anhöhe steht das Haus des<br />
<strong>Jagd</strong>verwalters, der von seinem Balkon den ganzen<br />
großen Hundehof mit seinen neun <strong>Jagd</strong>häusern und<br />
Höfen übersehen kann. Mit dem Hause des Verwalters<br />
sind zwei Wohnungen der Leibjäger Seiner Kaiserlichen<br />
Hoheit verbunden.<br />
An beiden Seiten dieses Anbaues befinden<br />
sich die Zwinger der ,,eigenen Meute“, auf einer Seite<br />
die Hündinnen, auf der anderen die Rüden. Zur<br />
,,eigenen Meute“ zählen acht bis zehn Hündinnen<br />
und sechzehn bis zwanzig Rüden, die ebenfalls täglich<br />
abteilungsweise in den großen <strong>Jagd</strong>hof oder von<br />
Reitern ins Feld geführt werden.<br />
Der Unterhalt der Hunde ,,eigener Meute“ unterscheidet<br />
sich in nichts von den übrigen; wenn also<br />
einem Hunde die Ehre zuteil wird, in die „eigene Meute“<br />
aufgenommen zu werden, so gewinnt oder verliert<br />
er nichts im Vergleich zu seinen bisherigen Kameraden.<br />
Wenn der Blick des Jägers mit besonderer<br />
Aufmerksamkeit und Bewunderung an den Hunden<br />
,,eigener Meute“ haftet, so geschieht dies nur, weil<br />
für dieselbe die schönsten und schnellsten Barsois<br />
der ganzen <strong>Jagd</strong> ausgewählt werden.<br />
So leben auf dem von mir beschriebenen <strong>Jagd</strong>hof<br />
150 bis 160 Barsois. Wenn man jedoch über<br />
den großen Hof geht mit seinen breiten Wegen, der<br />
prächtigen Wiese, den Blumenbeeten an den Mauern<br />
und um die Bänke, mit den vielen Bäumen am<br />
Flussufer und um den Teich, so glaubt man sich in<br />
einem wohlgepflegten Park zu befinden, nicht aber<br />
in einem großen russischen Hundehof, der in alter<br />
Zeit zur Aufspeicherung allen möglichen Unrats<br />
diente. Rechts, am Hause des <strong>Jagd</strong>verwalters<br />
16<br />
vorbeiführend, steigt eine breite Pappelallee zu einem<br />
Hügel, wo sich der Welpenzwinger befindet. Höher<br />
als der große <strong>Jagd</strong>hof liegt ein Häuschen, ganz<br />
abgesondert, für Hundeinvaliden oder durch Alter für<br />
die <strong>Jagd</strong> untauglich gewordene Tiere. Das Regime<br />
ist hier dasselbe wie bei den anderen Barsois, nur<br />
wird mit diesen nicht mehr ausgeritten, sondern sie<br />
können hier friedlich zu Ende leben.<br />
Um mehr als 250 erwachsene Hunde (Barsois,<br />
Greyhounds und Parforcehunde) zu füttern, ist eine<br />
besondere Küche vorhanden, in welcher der Koch,<br />
seine beiden Gehilfen, wie der das Futter austragende<br />
Wärter arbeiten. <strong>Die</strong> Küche selbst ist ganz einfach<br />
gebaut. In der Tiefe des Zimmers steht ein niedriger<br />
Ofen mit einem Riesenkessel, in welchem ein ganzer<br />
in Stücke zerteilter Pferdekadaver Platz findet.<br />
Neben dem Ofen, vor dem Fenster, steht ein großer<br />
Tisch zum Zerhacken des gekochten Fleisches. An<br />
der Wand stehen zwei große Fässer, in denen Nährmehl<br />
aufgebrüht wird. In 15 Kübeln wird dann das<br />
Futter den Hunden zugetragen. Alles Geschirr wird<br />
nach der Fütterung in heißem Wasser gewaschen<br />
und musterhaft sauber gehalten. <strong>Die</strong> übrig bleibenden<br />
Knochen werden zermahlen und als Dünger<br />
verwandt. Am untersten Ende des Herrenhofes, am<br />
Ufer der Upa, steht ein großes Steingebäude, das<br />
noch von früher herrührt und den Namen „Pferdehof“<br />
trägt. Dort sind Ställe für 80 <strong>Jagd</strong>pferde eingerichtet,<br />
ebenso Wohnungen für die Parforceführer und<br />
die Stallburschen. Obwohl zehn warme Abteilungen<br />
vorhanden, stehen doch alle Pferde in kalten Ställen,<br />
da die Winterjagden auf Wölfe an Kälte gewohnte<br />
Pferde fordern.<br />
Alle <strong>Jagd</strong>gebäude, wie überhaupt alle Häuser<br />
in <strong>Perchino</strong>, sind weiß gestrichene Steingebäude mit<br />
grünen Eisendächern, die dem ganzen Flecken einen<br />
peinlich sauberen Eindruck verleihen.
Welpenzucht<br />
Um in den Windhunden der <strong>Perchino</strong>jagd jene<br />
Formen und Feldeigenschaften beizubehalten, welche<br />
ihr Besitzer immer in ihnen zu sehen wünschte,<br />
musste eine besondere Aufmerksamkeit der Auswahl<br />
der Zuchthunde, dann der Auswahl der Welpen und<br />
ihrer Erziehung entgegengebracht werden. Zur Remonte<br />
des Vollbestandes der <strong>Jagd</strong> hatte es genügt,<br />
25-30 junge Hunde jährlich aufzuziehen, um die alt<br />
werdenden oder solche Hunde, die durch Zufall jagdunfähig<br />
geworden sind, zu ersetzen.<br />
Um aber bei diesen 30 Hunden den gewünschten<br />
Typ zu erhalten, mussten 60 Welpen großgezogen<br />
werden, und manchmal, bei einem für einen leidenschaftlichen<br />
Jäger wohl verständlichen Wunsche<br />
auch bis 80, und ich muss mit Bedauern sagen, auch<br />
noch mehr - - mit Bedauern, weil eine die Norm übertreffende<br />
Anzahl von Welpen die Pflege derselben<br />
erschwert, ihre Erziehung beeinflusst und schädlich<br />
auf ihre Entwicklung wirkt.<br />
Darauf müssen alle jungen Jäger besonders<br />
achten, denn es ist eine unumstößliche Tatsache,<br />
dass es besser ist drei gut gepflegte, wohlgenährte<br />
und erzogene Hunde zu haben, statt zwölf, die irgendwie<br />
groß geworden sind.<br />
Der größte Fehler unserer russischen Tierzucht<br />
in allen ihren Zweigen besteht darin, dass wir<br />
russischen Züchter uns leicht durch die Quantität<br />
hinreißen lassen, und dabei ganz vergessen, dass<br />
dieses stets ungünstig auf die Qualität wirkt. Sehr oft<br />
rechnen wir gar nicht mit der Umgebung und den Bedingungen,<br />
in welchen das Tier sich entwickeln und<br />
aufwachsen muss, und setzen unsere ganze Hoffnung<br />
in die Rasse, auf das Vollblut, und vergessen<br />
dabei, dass die Rasse und das Vollblut Produkte der<br />
Erziehung sind, einer Erziehung im Rahmen passender<br />
Umgebung und passender Bedingungen ganzer<br />
Generationen von Tieren, und dass man, ohne von<br />
der reinsten Blutwahl abzuweichen, alle Werte der<br />
Rasse einbüßen kann, wenn man die Tiere mehrere<br />
Generationen hindurch falsch aufzieht. lch bitte<br />
um Entschuldigung für diese kurze Abweichung, und<br />
gehe zur Beschreibung des Welpenzwingers über.<br />
Ganz oben, wenn man vom großen Hundehof<br />
nördlich an die Spitze des Hügels kommt, 30 Saschen<br />
hinter dem Zwinger der Parforcehunde, ist ein<br />
großer viereckiger eingezäunter, 6 Desjatinen Land<br />
umfassender Platz. In der Mitte dieses Quadrates<br />
befindet sich ein erhöhter Platz mit großem Steingebäude.<br />
<strong>Die</strong> ganze Mitte desselben ist für die <strong>Die</strong>nerschaft<br />
eingerichtet, welche die Welpen pflegt, an<br />
seinen beiden Seiten, der nördlichen und der südlichen,<br />
befinden sich je 2 Abteilungen für die Welpen.<br />
Aus den Zimmern der Wärter führen Türen in jeden<br />
Welpenzwinger, so dass derselbe in jede der vier Abteilungen<br />
eintreten kann, ohne vorher in den Hof zu<br />
gehen. <strong>Die</strong> Ausgänge von den Welpenzwingern ins<br />
Freie sind durch Vorhäuser geschützt, mit derselben<br />
Türeinrichtungen wie bei den erwachsenen Hunden.<br />
<strong>Die</strong> Schlaflatten (Bänke) sind sehr niedrig<br />
gebaut, ziehen sich an den Innenwänden entlang,<br />
17
ebenso mit Lehnen versehen, die es den jungen Hunden<br />
unmöglich machen, sich an die Steinwände anzulegen.<br />
Auf die Schlaflatten wird während der Kälte<br />
eine Menge Stroh gelegt, damit sich die Welpen in<br />
demselben eingraben können, da auch diese Zwinger<br />
nie geheizt werden. Von der Mitte jeder Außenwand<br />
des Hauses ziehen sich vier Drahtzäune hin,<br />
welche das ganze Quadrat in vier Höfe teilen. <strong>Die</strong>se<br />
Höfe werden, um den Boden zu säubern, jeden<br />
Herbst einmal gepflügt, und im Frühjahr mit Hafer besät,<br />
welcher im Sommer mehrmals grün abgemäht<br />
wird. Auf einem Platz in jedem Hofe wird ein großer<br />
Haufen Sand ausgeschüttet, damit die Welpen spielend<br />
in demselben graben können. Auch hier steht<br />
in jedem Hofe ein großer Zinktrog für Futter und ein<br />
kleiner für Wasser.<br />
Auf der Ostseite der Höfe, an dem Fahrwege,<br />
steht die Küche, in welcher für die Welpen gekocht<br />
wird. <strong>Die</strong> Küche ist ebenso gebaut, wie für die großen<br />
Hunde, ebenso wird das Futter in Kübel gegossen<br />
und in jeden Welpenhof getragen. Vier Abteilungen,<br />
die je 15 Welpen aufnehmen können, sind<br />
im Welpenzwinger deswegen eingerichtet, um die<br />
Welpen nach ihrem Alter zusammen zu legen. Ein<br />
Beisammensein von Welpen<br />
verschiedenen Alters<br />
ist äußerst schädlich für<br />
ihre Entwicklung, denn die<br />
großen Welpen belästigen<br />
die kleinen, lassen sie nicht<br />
spielen, und je weniger ein<br />
Welpe läuft, desto schlechter<br />
entwickelt er sich. Jedes<br />
Jahr im Herbst, während der<br />
Anwesenheit des Großfürsten<br />
in <strong>Perchino</strong>, wird von<br />
ihm selbst das Verzeichnis<br />
der Hunde und Hündinnen<br />
zusammengestellt, die im<br />
nächsten Frühjahr zu paaren<br />
sind. Zu Zuchtrüden werden<br />
vollkommen erwachsene,<br />
nicht jünger als zweijährige<br />
Hunde gewählt, d. h. solche,<br />
die schon im Felde gearbeitet<br />
haben. Manchmal, wenn es<br />
wünschenswert erscheint, bestimmtes<br />
Blut zu wiederholen,<br />
wird ein Wurf auch von alten<br />
Hunden genommen, welche<br />
schon nicht mehr ins Feld gehen,<br />
aber niemals werden 2<br />
alte Hunde zusammengestellt.<br />
<strong>Die</strong> Paarung geht unter<br />
der Aufsicht des <strong>Jagd</strong>verwalters<br />
vor. Jede Hündin wird zweimal,<br />
ein Tag nach dem andern,<br />
mit dem Rüden verbunden. <strong>Die</strong><br />
Hündinnen werfen im Hofe ihrer<br />
Wärter und bleiben dort solange sie nähren. Hat<br />
eine Hündin viele Welpen, so wird eine Amme meist<br />
aus der eigenen <strong>Jagd</strong> hinzugezogen, aber nur solche<br />
Hündin, welche nicht zur Zucht bestimmt ist. Sobald<br />
die Welpen von der Mutter abgenommen werden,<br />
kommen sie in den Welpenzwinger, wo sie einen so<br />
großen Raum haben, als würden sie in voller Freiheit<br />
wachsen. Am Morgen und am Abend wird jeder Welpe<br />
gekämmt und gebürstet.<br />
Bis zu drei Monaten werden die Welpen sechsmal<br />
täglich mit Weizengrütze und Milch gefüttert,<br />
von drei bis 6 Monaten erhalten sie viermal täglich<br />
ihr Futter, wobei zur Weizengrütze Hafermehl mit<br />
Bouillon und Fleisch hinzukommt. Vom sechsten Monat<br />
an fressen die Welpen dreimal täglich, wobei zu<br />
jeder Nahrung Milch hinzu gegossen wird. Welpen,<br />
die aus irgendwelchen Gründen im Wachstum zurückbleiben,<br />
erhalten Lebertran und Knochenmehl in<br />
vom Tierarzt verordneten Mengen, bis sie sich erholen<br />
und normal wachsen. Damit die Welpen ihr Gebiss<br />
entwickeln können, erhalten sie Fohlenhufe und<br />
weiche Knochen zum Nagen.<br />
Vom sechsten Monat an wird die Bewegung in<br />
18
den Höfen für die Welpen nicht für ausreichend befunden,<br />
und werden dieselben deshalb von zwei Reitern<br />
begleitet ins Feld geführt. <strong>Die</strong>se Spaziergänge<br />
stärken ihre Füße und gewöhnen sie an verschiedenen<br />
Boden, auch spielen und laufen die Welpen im<br />
Felde viel mehr als auf ihren Hofplätzen. Vom achten<br />
Monat an legt man den Welpen Halsbänder an<br />
und sie werden an die Koppel gewöhnt. Wenn der<br />
Welpe ein Jahr alt wird, bringt man ihn auf den großen<br />
Hundehof in einen Zwinger, wo für ihn eine Stelle<br />
freigemacht worden ist. Hier wird er von jetzt ab als<br />
erwachsener Hund behandelt, er geht mit den alten<br />
Hunden an der Koppel und wird von dem Barsoijäger<br />
an der Koppel ins Feld mitgenommen. <strong>Die</strong> Welpen-<br />
pflege versorgen vier Mann, für jeden Zwinger einer,<br />
außerdem führt ein älterer fünfter Wärter die Oberaufsicht.<br />
<strong>Die</strong> Pflege ist die aufmerksamste und die<br />
Sauberkeit wird hier noch strenger durchgeführt als<br />
auf dem übrigen Hundehof.<br />
Für die Parforcehundewelpen ist das Welpenhaus<br />
auf dem Vorwerke Rodniki“ aufgebaut. Im alten<br />
Penkoffschen Herrenhause wohnen drei Jäger<br />
und ein Stalljunge, welche die Welpen pflegen. Für<br />
die jungen Hunde ist der ganze frühere Penkoffsche<br />
Garten mit Drahtgitter eingezäunt worden. Der Garten<br />
ist sehr verwildert, und die Parforcewelpen leben<br />
dort wie in einem Walde mit kleinen Wiesenplätzen.<br />
Auf zwei solcher Wiesenplätze sind große tiefe<br />
19
Zelte aufgebaut mit Strohdächern, die bis zur Erde<br />
hinabgehen. <strong>Die</strong> kurze Vorderseite des Zeltes hat<br />
eine Holzwand mit einer großen Tür und in derselben<br />
angebrachten kleinen Tür. In der Tiefe des Zeltes,<br />
bis zu seiner Mitte, gerade auf der Erde sind niedrige<br />
Holzlatten (Bänke) aufgestellt, die im Winter hoch mit<br />
Stroh bedeckt werden. - In diesen Zelten leben die<br />
Welpen auch im Winter. Sie werden nie eingeschlossen<br />
und sind so oft sie wollen im Freien, indem sie<br />
durch die immer offenstehende kleine Tür ein- und<br />
ausgehen. <strong>Die</strong> Tiefe des Zeltes schützt die Welpen<br />
vollkommen vor Sturm und Kälte, und die Parforcewelpen,<br />
welche viel kräftiger und robuster als die<br />
Windhunde sind, wachsen und entwickeln sich vorzüglich<br />
unter diesen Bedingungen.<br />
Zur Fütterung wird ins Horn geblasen, erst<br />
nachdem werden sie zum Futter gelassen, so dass<br />
sich die Welpen von klein auf an das Horn gewöhnen<br />
und auf „Hornblasen“ sofort angelaufen kommen. Auf<br />
dem Hofe dieses Vorwerkes sind mehrere Abteilungen<br />
für tragende Hündinnen eingerichtet, wohin dieselben<br />
kurz vor dem Werfen gebracht werden. Hier<br />
bleiben sie solange sie die Welpen nähren, nachdem<br />
werden sie zur Meute zurückgebracht und die Welpen<br />
kommen in ihren Park, wo sie fast bis zu einem<br />
Jahre bleiben. Am Ende des Jahres kommen die<br />
Welpen zur Meute und Ende Mai gehen diese schon<br />
zu Probetreiben mit den alten Hunden ins Feld.<br />
Der Bestand der <strong>Perchino</strong>jagd<br />
<strong>Die</strong> komplette <strong>Jagd</strong> des Großfürsten besteht aus:<br />
1. zwei Meuten Parforcehunden zu 45 Hunden<br />
in jeder Meute und 10 Reservehunden. Davon<br />
ist eine Meute von rotgrauer Farbe und russischen<br />
Blutes, die andere Meute scheckig, weiß mit gelben<br />
Abzeichen und gemischten Blutes. Letztere vom<br />
Großfürsten selbst gezüchtet.<br />
2. 125 bis 150 russischen Windhunden (Barsois)<br />
und 15 englischen Windhunden (Greyhounds).<br />
<strong>Die</strong> Meuten gehen abwechselnd einen Tag um<br />
den andern ins Feld. Auf sehr große Flächen, oder<br />
wenn es auf die Wolfsjagd geht, werden beide Meuten<br />
zusammengelegt. <strong>Die</strong> Barsois gehen ebenfalls<br />
abwechselnd auf die <strong>Jagd</strong>. Meist gehen 20 Koppeln,<br />
d. h. die Hälfte der Hunde, nur während der Wolfsjagd<br />
35 Koppeln ins Feld, das sind 105 Barsois, sodass<br />
fast alle Hunde im Felde sind. <strong>Die</strong> Koppeln sind<br />
nach Farben zusammengestellt, in jeder Koppel zwei<br />
Rüden und eine Hündin, von letzterer Ordnung wird<br />
selten abgewichen. <strong>Die</strong> Hunde sind nach ihren Höfen<br />
und Farben verteilt. Hof 1 rot und braunschwarze,<br />
Hof 2 rote und rotgraue, Hof 3 grau schwarze,<br />
Hof 4 grauscheckige (weiß mit grauen Abzeichen},<br />
Hof 5 gelbscheckige und weiße, Hof 6 rotscheckige<br />
(weiß mit rotbraunen Abzeichen), Hof 7 dunkelgrauscheckige,<br />
Hof 8 schwarzscheckige, Hof 9 dunkelbraunscheckige<br />
(rostfarben), Hof 10 englische Windhunde<br />
(Greyhounds).<br />
In der ,,eigenen Meute“ sind Hunde fast aller<br />
dieser Farben vertreten, und zwar sind die Hunde so<br />
gewählt, dass zwei Hunde und eine Hündin derselben<br />
Farbe an einer Koppel gehen, oder ein Hund und<br />
eine Hündin von derselben Farbe, weil der Großfürst<br />
selbst zwei Hunde an der Koppel führt. Hinter dem<br />
Großfürsten reitet ein Stalljunge (Gehilfe des Leibjägers)<br />
mit einem Barsoi und einem englischen Windhunde,<br />
um den Lauf des russischen mit dem des<br />
englischen Windhundes vergleichen zu können.<br />
Für Wolfsjagden wird eine selbständige englische<br />
Koppel aus Greyhounds zusammengestellt.<br />
Wir hatten viele Fälle, wo die Engländer heißblütig<br />
zugriffen und den Wolf so festhielten, dass sie wie<br />
erstarrt auf ihm liegen blieben (mjortwaja chwatka),<br />
„der tote Griff“.<br />
20
<strong>Die</strong> Parforcehunde werden von einem<br />
Parforceleiter, 4 Jägerburschen und 2 Stalljungen<br />
geführt. Geht nur eine Meute ins Feld, so reiten außer<br />
dem Parforceanführer drei Jägerburschen mit,<br />
kommen beide Meuten ins Feld, so müssen alle vier<br />
Jägerburschen mit. Des Großfürsten Leibjäger, ein<br />
Spezialist im Nachahmen von Wolfsheulen und Tierschreien,<br />
reitet auch auf Wolfsjagden mit, wenn es<br />
gilt, eine Wolfsbrut zu umstellen.<br />
<strong>Die</strong> mit der Meute gehenden <strong>Jagd</strong>pferde sind<br />
grau. In den ersten <strong>Jagd</strong>jahren wurden asiatische<br />
Pferde gebraucht, Kirgisen·<br />
und Kabardiner.<br />
Beide Meuten sind aber<br />
so unersättlich im Treiben,<br />
dass man ihnen auf<br />
den kleinen asiatischen<br />
Pferden nicht nachfolgen<br />
kann, überhaupt wenn<br />
die Hunde dem Wild in<br />
das Feld nachjagen. Besonders<br />
auf sumpfigem<br />
Boden versagen diese<br />
Pferde völlig und nur<br />
englisches Halbblut oder<br />
Dreiviertelblut erfüllen<br />
ihre Pflicht. Dabei ist die<br />
Arbeit auch für diese so<br />
schwer, dass sie einmal<br />
abgelöst werden müssen.<br />
Der eine Teil der Pferde arbeitet am Vormittag,<br />
der andere am Nachmittag. Augenblicklich arbeiten<br />
20 Pferde mit den Parforcemeuten, alle englischen<br />
Blutes und hellgrauer Farbe.<br />
Der Parforceanführer und die Treiber sind in<br />
rote Halbkaftans (Halbröcke) gekleidet mit schwarzen<br />
Ledergürteln, an denen sie Dolche mit weißen<br />
Handgriffen in schwarzen Scheiden tragen. Des Parforceanführers<br />
Rock ist mit Goldtressen besetzt. <strong>Die</strong><br />
Mützen sind rot und mit weißem Schafsfell verbrämt.<br />
Alle tragen an schwarzen, über die Schulter geworfenen<br />
Riemen weiße Nickelhörner, die nach Tönen<br />
zum Akkord zusammengestellt sind.<br />
<strong>Die</strong> Barsoikoppeln führen 10 Barsoijäger, 2<br />
Leibjäger des Großfürsten und 12 Stalljungen, von<br />
denen abwechselnd 4 im <strong>Jagd</strong>hofe zurückbleiben,<br />
wenn nur die halbe <strong>Jagd</strong> ins Feld zieht. <strong>Die</strong> Bekleidung<br />
der Barsoiführer ist blaue Halbkaftans, bei den<br />
Leibjägern mit Goldtressen benäht, mit schwarzen<br />
Ledergürteln, an denen Dolche in schwarzen Lederscheiden<br />
stecken. <strong>Die</strong> Mützen sind blau mit schwarzem<br />
Karakul verbrämt. Über der einen Schulter hängt<br />
das <strong>Jagd</strong>horn am schwarzen Riemen, über der anderen<br />
die Koppel und eine schwarze, lederne, selbstgeflochtene<br />
Hetzpeitsche. <strong>Die</strong> Pferde der Barsoiführer<br />
21
sind Rotschecken, alles Kabardiner, wovon 40-50 mit<br />
ins Feld genommen werden. <strong>Die</strong> schlechteren davon<br />
benutzen die Auskundschaftsreiter, welche bestimmte<br />
Plätze zu bewachen haben. Solche Reiter werden<br />
4-8 auf gestellt, die während der <strong>Jagd</strong> die Fangnetze<br />
und das Treiben, nach Anordnung des Parforceanführers,<br />
welcher die Tagesordnung einer jeden <strong>Jagd</strong><br />
am Vorabend vom Großfürsten persönlich erhält, beobachten.<br />
Der Großfürst reitet auch auf Kabardinern; zurzeit<br />
ist nur eins seiner fünf <strong>Jagd</strong>pferde scheckig, das<br />
zweite ist dunkelbraun, das dritte rotbraun. Im Kaukasus<br />
ist man jetzt bemüht, die Pferdezucht durch<br />
englisches Vollblut zu verbessern und es wird daher<br />
immer schwerer, reine Kabardiner, ohne Beimischung<br />
englischen Blutes zu erhalten. Trotzdem die<br />
verbesserte Pferderasse mehr den Anforderungen<br />
der Remonte entspricht, ist für den Barsoijäger diese<br />
verbesserte Rasse weniger bequem, als der frühere<br />
echte Kabardiner, denn sie besitzt nicht dieselbe,<br />
leichte, bequeme Gangart, die so angenehm ist,<br />
wenn man ermüdet vom Felde heimkehrt.<br />
Außer den Reitpferden hat die <strong>Jagd</strong> auch Fahrpferde.<br />
4 Pferde für die Fahrten des <strong>Jagd</strong>verwalters<br />
und 10 Pferde zu verschiedenen Transporten. Um<br />
die Hunde nicht durch langes Herumlaufen zu ermüden,<br />
werden sie in besonderen Wagenkutschen<br />
mit Dreigespann zu den <strong>Jagd</strong>stellen hingefahren. In<br />
jeder Kutsche sind 2 Abteilungen mit je 8 Barsois,<br />
oder 12 Parforcehunden. In diese Wagen werden<br />
auch die den Hunden abgenommenen geknebelten<br />
Wölfe hineingesetzt. Solche Kutschen sind 12 vorhanden,<br />
die Pferde zu<br />
denselben werden gemietet,<br />
entweder auf<br />
dem eigenen Gute oder<br />
bei den Bauern. Auf<br />
Mietspferden wird auch<br />
alles Notwendige zum<br />
Frühstück ins Feld mitgenommen.<br />
Eine Feldküche,<br />
ähnlich wie die<br />
Kriegsfeldküche, 1 Zelt,<br />
1 Klapptisch und Stühle.<br />
Alles dieses wird an<br />
einem vorher bestimmten<br />
Ort geschafft und<br />
um 12 Uhr ist das Frühstück,<br />
bestehend aus 2<br />
heißen Gängen, fertig<br />
und der Tisch für die<br />
Gäste gedeckt.<br />
Um die <strong>Jagd</strong><br />
stets in vollem Bestande<br />
zu erhalten, werden jährlich 60 Barsoi- und 40<br />
Parforcewelpen großgezogen. <strong>Die</strong> ganze <strong>Jagd</strong> steht<br />
unter Aufsicht des <strong>Jagd</strong>verwalters, der darauf aufpasst,<br />
dass alle Angestellten ihre Pflichten erfüllen.<br />
Im Büro des <strong>Jagd</strong>verwalters werden von seinen zwei<br />
22
Kontoristen alle Abrechnungen, die Aufzeichnungen<br />
der <strong>Jagd</strong>resultate, wie die regelrechte<br />
Führung der Stammbaumbücher,<br />
in welche alle Barsois und Parforcehunde<br />
eingetragen werden, besorgt.<br />
Der Vollbestand der <strong>Perchino</strong>jagd ist<br />
folgender: Parforcehunde 100, Barsois für<br />
den <strong>Jagd</strong>gebrauch 130, Greyhounds 15,<br />
Barsois nicht mehr jagdfähig 20 und Welpen<br />
100, im Ganzen 365 Hunde. Pferde 3<br />
unter „eigenem Sattel“, 20 für die Parforcetreiber,<br />
50 für die Barsoikoppeln und für<br />
die Aufseher der Plätze, 14 Fahrpferde, im<br />
ganzen 87 Pferde.<br />
Angestellte:1 <strong>Jagd</strong>verwalter, 2 Kontoristen,<br />
1 Kutscher, 1 Anordner für die<br />
<strong>Jagd</strong>einteilung, 8 Stallburschen, 4 Arbeiter,<br />
1 Parforceanführer, 6 Bereiter (Parforcetreiber),<br />
12 OberBarsoijäger, 2 Leibjäger,<br />
14 Gehilfen der Barsoijäger, 9 Wärter für<br />
die Welpenpflege, 7 Küchenangestellte,<br />
8 Reiter-Aufseher, 1 Mann und 1 Knabe<br />
im Hunde-Lazarett, im Ganzen 78 Mann.<br />
<strong>Die</strong>ses ist die einzige, in einem so großen Maßstabe<br />
bestehende Barsoijagd in ganz Russland. Eine derartige<br />
<strong>Jagd</strong> mit so prächtigen Hunden und ihre Sache<br />
tadellos kennenden Jägern hat selbst niemand in alten<br />
Zeiten besessen.<br />
<strong>Die</strong> Geschichte der <strong>Perchino</strong>-<strong>Jagd</strong><br />
Seine Kaiserliche Hoheit, der Großfürst Nikolai<br />
Nikolajewitsch, war seit seiner frühesten Jugend<br />
ein leidenschaftlicher Jäger und hatte in Peterhof<br />
auf dem Gute seines Erlauchten Vaters eine eigene<br />
zur Flintenjagd abgerichtete Parforcemeute. Der<br />
erste Barsoi, welcher dem Großfürsten gehörte, war<br />
der schwarzscheckige ,,Udar“ aus der <strong>Jagd</strong> Wassili<br />
Petrowitsch Wojekoffs, eines bekannten Tambower<br />
Jägers, den H. Driansky in seinem Werke ,,Aufzeichnungen<br />
eines Kleintreibers“ beschrieben hat. In der<br />
Kretoschewitzer Kaserne, Gouvernement Nowgorod,<br />
rühmte man die Hunde des Gutsbesitzers Tumanowsky,<br />
welcher dem Großfürsten seinen rotscheckigen<br />
Rüden ,,Osornoi“ zuführte, der ausgezeichnet auf<br />
der Probejagd mit Udar zusammen an der Koppel arbeitete.<br />
In der <strong>Jagd</strong> W. P. Wojekoffs wurde besonders<br />
der grauscheckige Barsoi ,,Chitschny“ gelobt und<br />
1874 führte Wojekoff Seiner Kaiserlichen Hoheit diesen<br />
Barsoi mit dessen Sohne ,,Atlan“ zur Barsoijagd<br />
zu.<br />
Bei Petersburg aber erweckt die Barsoijagd<br />
kein großes Interesse, weil der Boden sumpfig ist<br />
und die Felder mit großen Steinen bedeckt sind,<br />
an denen sich die besten Hunde zugrunde richten.<br />
Das Steppenland Mittelrusslands mit seinen weiten<br />
Feldern, seinen an Wild reichen Wäldern, mit seinen<br />
durch ihre kompletten <strong>Jagd</strong>en berühmten Jäger<br />
und den ausgezeichneten Parforcereitern lockte das<br />
Jägerherz des Großfürsten. 1876 kaufte er bei dem<br />
Rjasanschen Jäger Oboljanikoff eine Meute Parforcehunde<br />
und nach der ersten Abreise des Großfürsten<br />
aus dem Gouvernement Woronesch wurden<br />
ihm von Baron Delwig zwei Koppeln seiner berühmten<br />
Parforcehunde (Harlekine, weiß mit schwarz und<br />
rot gesprenkelt) und der gelbscheckige Barsoirüde<br />
,,Sawladei“ (Wolfssolowürger) zugeführt. <strong>Die</strong> Parforcehunde<br />
des Baron Delwigs stammten von den in<br />
Tambow bekannten Marmorharlekinen des Gutsbesitzers<br />
Sapolsky, zeichneten sich durch feine Nase,<br />
meisterhaftes Treiben und rasende Bosheit aus, ein<br />
jeder einzelne Hund nahm den Wolf ,,solo“ im toten<br />
23
Griffe. Im Jahre 1887 erwarb der Großfürst von<br />
Durasoff eine Meute graugesprenkelter Parforcehunde,<br />
Nachkommen der berühmten Arapoffschen Hunde<br />
(Gouvernement Pensa). Im gleichen Jahre wurde<br />
auch das Gut ,,<strong>Perchino</strong>“ gekauft und im Herbst<br />
desselben Jahres siedelte die ganze <strong>Jagd</strong> aus dem<br />
Gute Teterenki nach <strong>Perchino</strong> über, wo sie sich zu<br />
ständigem Aufenthalte einrichtete.<br />
Da der Großfürst zwei Meuten Parforcehunde<br />
zu haben wünschte, kaufte er vom Baron Delwig<br />
noch einige Koppeln Harlekiner. Von diesen wurde<br />
durch Kreuzung mit englisch-russischen Hunden<br />
aus der <strong>Jagd</strong> Sokoloffs und dem gelbscheckigen<br />
,,Batyrs“, welcher von den alten Gleboffschen Hunden<br />
aus der <strong>Jagd</strong> Rachmaninoff stammte, die aus<br />
Frankreich und England importiert waren, die jetzige<br />
gelbscheckige <strong>Perchino</strong>meute gezüchtet, welche<br />
sich durch feine Nase, durch gute Stimme (Glockenbellen)<br />
und große Standhaftigkeit auszeichnet. Von<br />
den russischen Parforcehunden aus den <strong>Jagd</strong>en<br />
Stolypin und Bratkes züchtete der Großfürst seine<br />
russische graurote Meute, die dieselbe Standhaftigkeit<br />
der gelbscheckigen besitzt und nur feinere, dafür<br />
aber weitschallende Stimmen hat. <strong>Die</strong>se Meute wurde<br />
selten durch Beimischung neuen Blutes aufgefrischt,<br />
da es sehr schwerfällt, einen reinrussischen<br />
Parforcehund, ohne Beimischung polnischen Blutes,<br />
aufzutreiben. Nur einmal innerhalb 25 Jahren ist es<br />
mir gelungen, in der Stadt Kostroma bei Doktor Lebedjeff<br />
zwei russische Schweißhunde grauroter Farbe<br />
zu kaufen. <strong>Die</strong>se Hunde waren groß, trocken, mit<br />
24
feinen Nasen und vorzüglichen Stimmen. Besonders<br />
einer der Hunde besaß einen Donnerbaß, und wenn<br />
er im Walde zu treiben anfing, schien es, als würde<br />
ein Mensch im Wald mit wilder Stimme a, a, a - u - a,<br />
a, u - a schreien. Nach diesen beiden Rüden wurden<br />
noch Hunde von Bjelousoff und Moscharoff gezüchtet,<br />
aber alles was später zum Auffrischen des Blutes<br />
dieser Meute zur Zucht hinzugenommen wurde,<br />
stand unter dem Werte derselben und brachte daher<br />
keine Verbesserung.<br />
Im Jahre 1889 wurde in Petersburg unter dem<br />
Präsidium des Großfürsten die Gesellschaft zur Aufbesserung<br />
der Feldeigenschaften der <strong>Jagd</strong>hunde“<br />
gegründet. Das Ehrenmitglied derselben, Graf Sergei<br />
Alexandrowitsch Strogonoff, baute in Kolomjagi<br />
(Gut bei Petersburg) einen geschlossenen Treibhof<br />
für Probejagden nach dem Muster englischer gedeckter<br />
Treibhöfe. Hier wurden von der Gesellschaft<br />
Probejagden mit Preisverteilung für Schnelligkeit<br />
und Schärfe der Barsois, wie auch anderer Rassen,<br />
veranstaltet. Der Großfürst interessierte sich für die<br />
Tätigkeit dieser dank seiner Initiative entstandenen<br />
Gesellschaft sehr und nahm mit seinen Barsois an<br />
den Probejagden teil.<br />
Neben den Treibhof hatte der Großfürst seinen<br />
eigenen <strong>Jagd</strong>hof gebaut, wo seine aus <strong>Perchino</strong> hierher<br />
transportierten Hunde vor den Probejagden trainiert<br />
wurden. Es ist möglich, dass diese Probejagden,<br />
welche deutlich zeigten, wie weit sich der Barsoi im<br />
Schnellaufen entwickeln kann und die immer wachsende<br />
Zahl rassiger Barsois auf den Ausstellungen in<br />
Petersburg und Moskau die Anforderungen wie auch<br />
die Meinung des Großfürsten beeinflussten.<br />
In seiner früheren <strong>Jagd</strong> hatte der Großfürst<br />
seine ganze Aufmerksamkeit der Bosheit der Windhunde<br />
geschenkt. <strong>Die</strong> Zuchthunde wurden nach<br />
dem Stadium ihrer Bosheit gewählt, wodurch oft die<br />
Schönheit der Formen und ihre Regelmäßigkeit in<br />
den Hintergrund gestellt oder ganz vernachlässigt<br />
wurde, was schließlich auch auf die Schnelligkeit der<br />
Hunde einwirkte, ohne welche eine siegreiche <strong>Jagd</strong><br />
auf erwachsene Wölfe unmöglich ist.<br />
Jetzt wurde in der neuen <strong>Jagd</strong> des Großfürsten<br />
in erster Linie auf die Schnelligkeit, die Rassigkeit<br />
wie auf das Gebäude der Zuchthunde geachtet. Der<br />
Wunsch, eine komplette <strong>Jagd</strong> zu besitzen und dabei<br />
schöne, schnelle und boshafte Barsois zu züchten,<br />
veranlasste den Großfürsten, von seinem ersten Beschlusse,<br />
nur grauscheckige Barsois zu züchten, abzusehen,<br />
da hierdurch die Zucht einer eigenen Rasse<br />
sehr erschwert wurde. Er kaufte deshalb für seine<br />
<strong>Jagd</strong> Hunde, welche sich durch Schnelligkeit zur<br />
Zucht eigneten und in Rasse wie in Form sich dem<br />
Ideale des alten russischen Windhundes näherten.<br />
Der Standpunkt, Hunde nach ihrer Boshaftigkeit<br />
zur Zucht zu wählen, wurde vom Großfürsten<br />
ganz verworfen. Er ging vielmehr jetzt von dem Prinzip<br />
aus, dass, wenn in der <strong>Jagd</strong> rassige, gut gebaute,<br />
schnelle und dem Typ des Barsois entsprechende<br />
Hunde sein werden, diese auch alle die Eigenschaften<br />
besitzen werden, die den echten, rassigen<br />
Barsoi kennzeichnen, d.h. dass die erbliche Rasse-eigenschaft<br />
die Schärfe dem Wilde gegenüber<br />
nicht fehlen wird. Der erste nicht grauscheckige<br />
Hund, welchen der Großfürst 1890 von Nikolai Arkadjewitsch<br />
Boldyrjeff kaufte, war der gelbscheckige<br />
Rüde „Kidai Molodoi“, dessen Stammbaum ich unten<br />
zeichne, damit die Jäger, welche dieses Buch lesen,<br />
sehen können, mit welchem Blute die <strong>Perchino</strong>-<strong>Jagd</strong><br />
zu züchten anfing.<br />
25
<strong>Die</strong> ersten Welpen wurden von Kidai Molodoi<br />
und Lebjedka (Besitzer Fürst Boris Alexandrowitsch<br />
Wassiltschikoff) gezüchtet. Lebjedka war schneeweiß,<br />
stammte aus der <strong>Jagd</strong> des Gutsbesitzer Karejeffs<br />
von dessen Ataman und Slodjeika. Auf der<br />
Probejagd in Kolomjagi hatte diese Hündin eine<br />
außergewöhnliche Schnelligkeit gezeigt. Von Kidai<br />
Molodoi brachte sie nur zwei Welpen, die Hündinnen<br />
„Otmena", die in der <strong>Jagd</strong> des Fürsten<br />
Wassiltschikoffs blieb und „Slawna",<br />
die 1892 in die <strong>Perchino</strong>-<strong>Jagd</strong><br />
kam.<br />
Ein Jahr vorher, 1891, hatte der<br />
Großfürst von Pjeter Fjedorowitsch<br />
Durasoff den gelbscheckigen Rüden<br />
„Utjeschai" gekauft, der ebenfalls<br />
eine vorzügliche Schnelligkeit<br />
auf den Proberennen in Kolomjagi<br />
zeigte. Um diese außergewöhnliche<br />
Schnelligkeit für die Rasse zu<br />
sichern, wurde er mit ,,Slawna" gepaart.<br />
,, Utjeschny" war gut gebaut,<br />
reich an Muskulatur, hatte aber groben<br />
Kopf, hochgedrehte Rute und<br />
war schlecht im Haar. ,,Utjeschny"<br />
und ,,Slawna" wurden zweimal gepaart.<br />
Beide Würfe zeichneten sich<br />
durch Schnelligkeit aus, die Mutter<br />
hatte veredelnd auf die Fehler des<br />
Vaters gewirkt, aber eine gewisse<br />
Grobheit der Köpfe war bei allen<br />
Hunden aus diesen Würfen nachgeblieben,<br />
so dass sie trotz ihrer<br />
tadellosen <strong>Jagd</strong>formen nicht dem<br />
Ideale des alten russischen Windhundes<br />
entsprachen. Ein Sohn von<br />
Utjeschny und Slawna erhielt den Großfürstenpreis,<br />
sein Bruder aus demselben Wurfe erhielt den zweiten<br />
großen Moskauer Preis, den ersten Preis verlor<br />
er deswegen, weil er sich am Vortage auf gefrorenem<br />
Felde den Nagel von der Vorderpfote abgerissen<br />
hatte und daher das Rennen hinkend mitmachte.<br />
Im Felde rannten diese Hunde alle glänzend, ihre<br />
<strong>Jagd</strong>eigenschaften ließen nichts zu wünschen übrig<br />
26
und befriedigten die Anforderungen ihres Besitzers<br />
vollauf, es waren aber doch nicht jene Hunde, von<br />
welchen der leidenschaftliche Liebhaber der alten<br />
russischen Rasse träumte.<br />
Zu gleicher<br />
Zeit mit Utjeschny<br />
befand<br />
sich auf dem<br />
Kolomjagirennen<br />
Durasoffs<br />
rotbrauner<br />
Rüde ,,Laskoi",<br />
ein Hund<br />
von seltener<br />
Schönheit an<br />
Formen, aber<br />
ihn von Pjeter<br />
Fjedrowitsch<br />
Darasoff zu<br />
kaufen, war<br />
unmöglich, da<br />
Durasoff den<br />
Hund für keinen<br />
Preis abgab.<br />
Im Herbst<br />
1891, nach den<br />
Probejagden in<br />
Kolomjagi, auf<br />
welchen meine<br />
Hündin „Wjuga"<br />
(in Tula bei<br />
dem Jäger Iwan Sokoloff von seiner<br />
Raskide (Blut von meinen Hunden)<br />
und Kaisak [Matscheworianoffs<br />
Zucht] geworfen) vorzügliche Arbeit<br />
leistete und den „Strogonoffpreis<br />
für einjährige Barsoi Hündinnen gewann,<br />
wurde eine Hundeauktion in<br />
der Nikolaimanege in Petersburg<br />
veranstaltet.<br />
Auf dieser Auktion wurde der<br />
graugelbscheckige Rüde „Serdjetschny“<br />
aus der <strong>Jagd</strong> des Fürsten<br />
Wassiltschikoffs verkauft. .Serdjetschny“<br />
war ein Wurfbruder von<br />
„Laskai“ (Durasoffs prächtigem<br />
Hund). Der Großfürst, ohne zu ahnen,<br />
dass .Serdjetschny“ ein Bruder<br />
„Laskai“ ist, schätzte diesen Hund<br />
sofort seiner Formen wegen sehr<br />
hoch ein und kaufte ihn speziell zur<br />
Zucht. „Serdjetschny“ hatte wunderbares<br />
seidenes Fell, trotz der<br />
unschönen, graugelblichen Farbe<br />
desselben (diese Farbe ist aber äußerst<br />
typisch für den Barsoi). Das<br />
Haar war lang, wellig, mit prächtigen<br />
Kragen- und Fesselhaaren und<br />
reicher Behaarung der Rute. Der<br />
Hund selbst war trocken, sehr muskulös, sein Kopf<br />
war ebenfalls schmal und trocken, nur war die Nase<br />
etwas zu kurz, das Ohr klein und gut zurückgezogen,<br />
27
de leicht jeden Wolf ein und so mancher Wolf wurde<br />
vom Jäger geknebelt, während „Sokruschai“ ihn im<br />
toten Griffe hielt (d. h. ohne loszulassen).<br />
„Swirep“ und „Serdjetschny“ gewannen 1895<br />
das Prodiusrennen in Petersburg und im Herbst das<br />
Prodius in Moskau und 1896 das Prodiusrennen für<br />
dreijährige Rüden und Hündinnen, so dass diese<br />
Hunde zwei Jahre nacheinander alle ihre Gegner im<br />
Felde schlugen. „Swirep“ und „Serdjetschny“ erhielten<br />
mit ihrer Schwester „Sorwa“ in der Koppel auf der<br />
Jubiläumsausstellung in Moskau die goldene Medaille.<br />
Im Felde fassten diese beiden Rüden einen einjährigen<br />
Wolf, welchen sie, bis die Jäger hinzueilten,<br />
aber der Rücken war nicht gewölbt und die Vorderpfoten<br />
in ihrer Stellung nicht regelgerecht. Trotzdem<br />
lief Serdjetschny“ sehr schnell, passte gut im Typus<br />
zu „Wjuga“, welche gut gebaut war und einen langen<br />
schmalen Kopf hatte. „Wjuga“ hatte auch prächtiges,<br />
seidiges Wellhaar gelbweißer Farbe. Ich war<br />
sehr glücklich, „Wjuga“ zur Zucht der <strong>Perchino</strong>jagd<br />
zuführen zu dürfen. Mit dieser Hündin war ich, der ich<br />
schon im <strong>Die</strong>nste Seiner Kaiserlichen Hoheit stand,<br />
aufgefordert worden, an der Probejagd.in Kolomjagi<br />
teilzunehmen.<br />
Von „Serdjetschny“ und „Wjuga“ wurden zwei<br />
bewundernswerte Würfe aufgezogen: „Sokol“, „Swirep“,<br />
„Serdjetschny II“, „Sudarka“, ,,Sorwa“, „Strela“<br />
im ersten Wurfe und ,,Sokruschai“, „Streljai“, ,,Saigatsch“,<br />
„Sirotka“ im zweiten Wurfe. <strong>Die</strong>ses waren typische<br />
Barsois, reich im Haar, mit langen, seidenweichen<br />
Fesselhaaren, prächtigem Halskragen, trocken,<br />
muskulös, gut in Form und sehr scharf. „Sokol“ war<br />
der erste, der nach „Nagraschdai“ (Besitzer Tschebyschoff)<br />
die goldene Medaille für Schönheit in Moskau<br />
von der „Kaiserlichen Gesellschaft für geregelte<br />
<strong>Jagd</strong>“ erhielt. „Sokruschai“ holte auf trockenem Fel-<br />
schon erwürgt hatten. So zeigte es sich, dass des<br />
Großfürsten Ansicht, dass die Bosheit bei rassigen<br />
Hunden ganz von selbst auftreten musste, vollkommen<br />
richtig war.<br />
<strong>Die</strong> prächtigen Nachkommen „Serdjetschnys“<br />
machten den Großfürsten besonders auf die Hunde<br />
Durasoffs aufmerksam, welche von den berühmten<br />
Hunden „Stupischinsky“ und „Nasarjeff“ abstammten.<br />
<strong>Die</strong>se Hunde waren im Wolgagebiet allgemein<br />
bekannt. Das Blut der Hunde Nasarjeffs floss auch in<br />
28
den Adern von Matschewarianoffs Hunden, welches<br />
von zwei Seiten aus in das Blut „Wjugas“ und in das<br />
Blut des Rüden „Nagletz“, Besitzer Korotujeff, übergangen<br />
war („Nagletz“, der Vater von Serdjetschny“).<br />
So stammten die Hunde der <strong>Perchino</strong>jagd aus<br />
einer Wurzel, so dass ich persönlich der Ansicht bin,<br />
dass in den <strong>Perchino</strong>hunden der Typus des alten<br />
russischen Windhundes wieder neu erstanden ist,<br />
welcher nach den Gesetzen des Atavismus in den<br />
Nachkommen die berühmten Vorfahren wiederholt.<br />
Ich wurde vom Großfürsten in das Gouvernement<br />
Simbirsk auf das Gut Durasoffs geschickt und kaufte<br />
dort „Chochlik den Zweiten“, einen im Bau hervorragenden<br />
Rüden. Solche idealen Formen habe ich nur<br />
noch einmal vordem, 1876, in der <strong>Jagd</strong> Matschewarianoffs<br />
bei einem seiner besten Rüden, „Kaitar“, gesehen.<br />
„Chochlik“ war nicht groß (16¼ Werschock =<br />
ca.78-80 cm), braunschwarzscheckig oder richtiger<br />
schwarzbraun mit weißer Brust, weißem Halskragen<br />
und weißen Vorderpfoten. Der Hund war kolossal<br />
breit in der Schulter, wie auch in den Schenkeln, mit<br />
gut gewölbtem Rücken, wie zum Sprunge bereit und<br />
mit reichem Haarwuchs. Von „Chochlik“ und „Wjuga“<br />
wurden selten typische Welpen gezüchtet: „Wachlak“,<br />
„Warwar“, „Wedma“, „Wuja II“. <strong>Die</strong> Köpfe dieser<br />
Hunde mit ihren langen Stirnen, ihren schmalen, langen<br />
Schnauzen und der leichten Nasenwölbung, waren<br />
gerade diejenigen, von welchen alle Barsoijäger<br />
träumten, wenn sie hofften, den alten Barsoi wieder<br />
auferstehen zu sehen.<br />
Dank dieser Hunde erhielt die <strong>Perchino</strong>jagd<br />
ihre schmalen, feinen Köpfe, nach denen man sofort<br />
feststellen kann, dass die Hunde aus der <strong>Perchino</strong>jagd<br />
stammen. Der Sohn „Chochliks“, der dunkelgelbscheckige<br />
„Porchai“ aus „Proida“, der Tochter<br />
der Durasoffschen „Druschba“ und ,,Poschar“ aus<br />
der <strong>Jagd</strong> des Fürsten Dmitri Borisowitsch Golizin<br />
war ebenso ein prachtvoller Zuchthund, Schnelläufer<br />
und Solowolfswürger und von seltener Schönheit.<br />
Er gab der <strong>Perchino</strong>jagd eine glänzende Nachkommenschaft.<br />
Alle Kinder von „Serdjetschny“, wie auch<br />
die Kinder von „Chochlik“, waren meist dunkelfarbig:<br />
graugelb, schwarzbraun, grauschwarz oder mit<br />
großen Abzeichen dieser Farben. Der Großfürst<br />
wünschte nur Hunde desselben Typs, denselben<br />
Feldeigenschaften und derselben Schönheit zu besitzen,<br />
auch in hellen Farben.<br />
Zu derselben Zeit hatte der Fürst Wassiltschikoff<br />
von seiner Hündin „Lebjedka“ (der Mutter der<br />
<strong>Perchino</strong>-“Slawa“) sehr elegante Hunde gezüchtet,<br />
rotscheckige (weiße mit rötlichen Abzeichen), gelbscheckige<br />
(weiß mit gelb) und weiße. <strong>Die</strong>sen Hunden,<br />
die nur in dem eigenen <strong>Jagd</strong>bestande gezüchtet<br />
worden waren, fehlte es aber ganz an regelrechten<br />
Formen, sie liefen auch nicht besonders, trotzdem<br />
scheute sich der Großfürst nicht, dem echten Gefühle<br />
des Jägers folgend, vom Fürsten Wassiltschikoff<br />
für den soliden Preis von 2000 Rubel den weiß-rot<br />
29
gezeichneten Rüden „Tscharodjei“ zu kaufen. <strong>Die</strong>ser<br />
Hund lief nicht besonders, war aber sehr scharf, hatte<br />
kurzen, stark gebogenen Rücken, war groß, trocken,<br />
im Bau rassig und elegant. Sehr gut waren seine<br />
kleinen, feinen, festanliegenden Ohren, so dass<br />
der Großfürst scherzend sagte: „Ich habe 1000 Rubel<br />
für jedes Ohr bezahlt“, da er gerade diese Ohren<br />
am meisten am Hunde schätzte. „Tscharodjei“ wurde<br />
im März 1895 gekauft, wo nach und nach alle zu ihm<br />
passenden <strong>Perchino</strong>-Hündinnen von ihm gedeckt<br />
wurden.<br />
Aber nicht alles auf Erden geschieht<br />
nach einem vorher zusammengestellten<br />
Programm, manchmal bringt einem das<br />
Schicksal selbst Glück und Erfolg, wo man<br />
es am wenigsten erwartet. Bei mir befand<br />
sich zu Gast Oseroff mit seiner grauscheckigen<br />
Hündin „Golubka“ aus unserer Zucht,<br />
ich sage „unsere“ und spreche hiermit von<br />
einem kleinen Kreis von Jägern, welche zusammen<br />
züchteten und deren Zuchtideal<br />
auch der frühere russische Windhund bildete.<br />
In diesem Jägerkreise waren außer<br />
mir noch N. A. Boldyrjeff, J. P. Sokoloff und<br />
S. W. Oseroff und wir hatten bereits auf den<br />
Moskauer Ausstellungen die äußeren Werte<br />
unserer Hunde bewiesen, auch waren<br />
diese Hunde auf den Versammlungsjagden<br />
in den Gouvernements Rjasan und Tula<br />
schon durch ihre guten Feldeigenschaften<br />
bekannt.<br />
Um das Jahr nicht zu verlieren, äußerte<br />
der Großfürst den Wunsch, einen<br />
Wurf von „Golubka“ und .,Tscharodjei“ zu<br />
züchten. <strong>Die</strong>se Verbindung gab folgende<br />
Hunde: den rotscheckigen „Golub“, die<br />
gelbscheckigen „Gordetz“ und „Grubian“<br />
und die weißen „Grosny“ und „Grosa“.<br />
Alle diese Hunde waren tadellos gebaut,<br />
stark in den Knochen, reich im Haar und<br />
zeichneten sich durch Schnelligkeit auf<br />
den Barsoijagden in <strong>Perchino</strong> aus, bei<br />
denen sie alle ihre Gegner gleichen Alters<br />
schlugen (den zweiten Wurf vom<br />
Durasoffschen „Utjeschai“ und „Slawna“).<br />
<strong>Die</strong>ses bestätigte noch einmal die<br />
Richtigkeit der Ansicht des Großfürsten<br />
in Bezug der Zucht, d. h. wenn man<br />
schon eine Rekordschnelligkeit in seinen<br />
<strong>Jagd</strong>hunden besitzt, man nicht in Gefahr<br />
läuft, wenn man auch einen weniger guten<br />
Läufer als Zuchthund hinzunimmt,<br />
wenn der Hund nur rassig ist, scharf und<br />
nach seinen Formen wie im Typ zur Hündin<br />
passt.<br />
Im Jahre 1897 beschloss der<br />
Großfürst, die Kinder von „Tscharodjei“,<br />
Züchter Fürst Wassiltschikoff, mit den<br />
Hunden von .,Serdetschny“ und „Chochlik“<br />
beide aus der <strong>Jagd</strong> Durasoffs, zu paaren. Nach<br />
ihren Müttern „Wjuga“ und .,Golubka“ stammten sie<br />
aus demselben Blute, aber zu ihren Vätern standen<br />
sie in keiner Blutsverwandtschaft, trotzdem bei<br />
„Tscharodjei“ in einer Linie auch das Blut der ihnen<br />
allen verwandten Matschewarianoffschen Hunde<br />
floss. <strong>Die</strong>se vom Großfürsten gewählte Zuchtverbindung<br />
gab glänzende Resultate.<br />
Alle Hunde dieser Verbindung trugen einen<br />
ausgeprägten Typ, einige Exemplare waren<br />
30
fehlerlos, d. h. vollkommen, soweit überhaupt eine<br />
Vollkommenheit auf der Erde zu erreichen möglich<br />
ist. Von dem starken, muskulösen rotscheckigen<br />
Sohne „Tscharodjeis“ - „Golub“ und der feinen, trockenen,<br />
mit glattem Rücken schwarzbraunen Tochter<br />
„Serdetschnys“ - „Strela“ entsprossen aus erstem<br />
Wurfe die Hunde: „Almas“, „Amanat“, „Argos“, „Abreck“<br />
und „Almaska“. Aus dem zweiten und dritten<br />
Wurfe: „Armawir“, „Aigun“, „Asmodjei“, „Altai“, „Alupka“,<br />
„Aida“, „Andaluska“, ,,Aljaska“, „Amasonka“ und<br />
„Aragonka“; - alle diese Hunde waren von seltener<br />
Schönheit und den allererstklassigsten<br />
Feldeigenschaften,<br />
Schnelläufer und Solowürger.<br />
Für Starke und Unermüdlichkeit<br />
erhielt „Almas“ in Moskau<br />
die goldene Medaille und den<br />
ersten Preis der Ausstellung als<br />
schönster Barsoi. „Armawir“ und<br />
.Aragonka“ erhielten ebenfalls<br />
die ersten Preise auf den Ausstellungen<br />
in Moskau und Petersburg.<br />
Auf dem Stammbaume<br />
von ,,Almas“ findet man alle<br />
64 Vorfahren bis ins fünfte Glied<br />
verzeichnet und kann daraus sehen,<br />
welche Blutmischungen zu<br />
dem gewünschten Ziele führten,<br />
einen Barsoi zu züchten, welcher<br />
in sich alle Eigenschaften<br />
und Werte des alten russischen<br />
Barsois vereinigte. Von der<br />
weißen Tochter „Tscharodjei“ -<br />
„Grosa“ und dem rotscheckigen<br />
Sohne „Chochlicks“ - „Warwar“<br />
wurden der Rüde ,,Poroschai“<br />
und die Hündinnen „Prelest“,<br />
„Ptaschka“ und „Produschka“<br />
aus erstem Wurfe gezüchtet,<br />
alle selten an Schönheit.<br />
Als der verstorbene Sipjagin,<br />
damals Minister des Innern<br />
und daher zu sehr beschäftigt,<br />
um mit eigenen Hunden zu jagen,<br />
in <strong>Perchino</strong> die Hündin<br />
„Ptaschka“ sah, geriet er in<br />
wahrhafte Begeisterung und<br />
sagte: ,,Solch eine Hündin, wie<br />
„Ptascha“ kann man nur im<br />
Traume sehen“. Der Sohn von dieser „Ptaschka“ und<br />
,,Almas“, der grauscheckige „Bystry“ wurde an Herrn<br />
Thomas nach Amerika verkauft, dort hatte er keinen<br />
Rivalen und erhielt auf allen Ausstellungen die ersten<br />
Preise und wurde Champion. Alle hier angeführten<br />
Hunde befestigten den Ruhm der <strong>Perchino</strong>jagd und<br />
trugen ihren bestimmt ausgeprägten Typ. „Armawir“<br />
war nach meiner Meinung fehlerlos, er war so proportional<br />
gestaltet und so elegant in Formen und<br />
Behaarung, wie man es sich wirklich nur im Traume<br />
vorstellen kann.<br />
In demselben Jahre, d. h. 1907 wurde auch<br />
die schon altgewordene „Wjuga“ von Tscharodjei gedeckt<br />
und gab wiederum, wie vordem von Durasoffschen<br />
Rüden, auch jetzt ganz erstklassige Hunde:<br />
,,Sawladai“, „Slobian“, „Sawladka“ und „Sulima“. <strong>Die</strong>se<br />
Hunde besaßen außer ihrer äußeren Schönheit<br />
noch ganz seltene Feldeigenschaften. „Sawladai“<br />
und „Sawladka“ siegten auf der Moskauer Probejagd<br />
über die berühmten Konoplinschen Hunde „Moskwitschka“<br />
und „Nagletz“ (beide wurden Sieger auf<br />
allen Treibjagden) und nahmen den 1. und 2. großen<br />
Moskauer Preis. Mit „Sawladai“ nahm der Großfürst<br />
so manchen alten Wolf gefangen. Einmal zur<br />
Winterzeit hatten „Sawladai“, „Almas“ und „Amanat“<br />
in der Schlucht einen Wolf gestellt und als die Jäger<br />
im Schlitten den Hunden endlich zu Hilfe gekommen<br />
waren, hatten dieselben den Wolf schon erwürgt und<br />
er wurde tot in den Schlitten gelegt.<br />
31
Man könnte<br />
ein großes<br />
Werk schreiben,<br />
wenn man alle<br />
berühmten Hunde<br />
der <strong>Perchino</strong>jagd<br />
erwähnen<br />
wollte und alle<br />
<strong>Jagd</strong>en auf denen<br />
sie ihre glänzenden<br />
Leistungen<br />
zeigten. Ich<br />
will mich aber<br />
kurz fassen und<br />
nur noch einige<br />
Worte über die<br />
Kreuzungen der<br />
Barsois in der<br />
<strong>Perchino</strong>jagd<br />
sagen. <strong>Die</strong> Resultate<br />
der Verbindung<br />
der Jermoloffschen<br />
und<br />
der Durasoffschen<br />
Hunde mit<br />
den <strong>Perchino</strong>hunden,<br />
veranlassten<br />
den<br />
Großfürsten bei<br />
jeder Gelegenheit<br />
Hunde der<br />
genannten <strong>Jagd</strong>en<br />
zu kaufen.<br />
So wurde der rotscheckige<br />
„Sawladei“<br />
(Züchter<br />
Jermoloff) gekauft,<br />
welcher<br />
in Verbindung<br />
mit der Tochter<br />
„Serdetschnys“,<br />
„Sirotka“ die<br />
Hündin „Sorka“<br />
gab. <strong>Die</strong>se erhielt<br />
auf der Jubiläumsausstellung<br />
der „Kaiserlichen Moskauschen<br />
Gesellschaft“ die große goldene Medaille. Darauf<br />
wurde der graue „Kidai“, Jermoloffs Halbblut gekauft,<br />
sein Blut fließt in den Adern der besten Hunde<br />
der <strong>Perchino</strong>jagd. Zur Zucht wurden auch die<br />
Durasoffschen Rüden „Chochlick“ und „Krylat“ gekauft,<br />
welche ebenfalls bemerkenswerte Resultate<br />
in der <strong>Perchino</strong>jagd zurückließen.<br />
Somit ist die <strong>Perchino</strong>jagd die edelste Quelle<br />
reiner Vollbluthunde, welche viele der besten<br />
<strong>Jagd</strong>en Russlands erneuert und denselben frische<br />
Kräfte zugeführt hat. Es dürfte kaum möglich sein,<br />
in Russland oder im Auslande einen rassigen Barsoi<br />
zu treffen, in dessen Adern nicht <strong>Perchino</strong>blut<br />
fließt. Da die berühmten durch ihre Schönheit und<br />
ihre <strong>Jagd</strong>werte ausgezeichnete Barsois verschiedener<br />
Farbe waren, behielt der Großfürst Hunde aller<br />
Farbschattierungen, - angefangen von den schwarzen<br />
und rostfarbigen - bis zu den wie Schnee weißen.<br />
32
Der <strong>Jagd</strong>betrieb<br />
Jedes Jahr Anfang Mai oder Anfang<br />
Juni, wenn die Wälder schon ihren ganzen<br />
Blätterschmuck tragen und das Gras<br />
im Walde so hoch geworden ist, dass des<br />
Jägers Auge das Wild in demselben nicht<br />
mehr erspähen kann, ziehen beide Parforcemeuten<br />
nebst den Junghunden zum<br />
Wildtreiben in den Wald. Für diese Sommertreibjagden<br />
ist im Gouvernement Kaluga in<br />
der Nähe des Dorfes Chanin, 40 Werst von<br />
<strong>Perchino</strong> entfernt, ein großes Waldterrain<br />
gemietet worden. Hier sind auf einem Wiesenplatze<br />
am Waldrande ein Häuschen für<br />
die Jäger, ein Stall für die Pferde und zwei<br />
Zwinger für die Hunde aufgebaut.<br />
Täglich ziehen die Jäger mit einer der<br />
Meuten in den Wald, um den Hasen aufzutreiben;<br />
manchmal wird auch ein Fuchs<br />
aufgespürt, dem es nur dann gelingt, seine<br />
Haut zu retten, wenn er in seine Höhle<br />
flieht. Es kamen auch Fälle vor, wo ein<br />
Wolf aufgespürt wurde. Dann gibt es Arbeit<br />
für die Jäger, welche vorausreiten müssen,<br />
um die Meute zusammen zu treiben,<br />
da diese sonst den Wolf aus dem Walde<br />
hinaus über die Wiesen jagt. Ich möchte<br />
nicht verfehlen, hier von einem charakteristischen<br />
Falle aus der guten alten Zeit zu erzählen,<br />
den man jetzt bei den Leuten der neuen Generation<br />
wohl kaum mehr antreffen wird.<br />
Es geschah einmal Anfang August, dass die<br />
Parforcemeute einen Wolf aufspürte und denselben<br />
in das Feld jagte, wobei es über ein noch nicht<br />
gemähtes Kornfeld an einem kleinen Gutshofe<br />
33
vorüberging. Der der Meute nachreitende Jakoff<br />
Iwanowitsch Golowin sah auf dem Balkon des Gutshauses<br />
einen Herrn stehen, der lebhaft mit den Händen<br />
winkte und ihm etwas zuschrie. Der Verwalter<br />
überließ den Parforcejägern das Zusammentreiben<br />
der Meute und ritt dem Hause zu, um sich zu entschuldigen,<br />
dass die Meute in das Kornfeld geraten<br />
war, denn er war überzeugt, nicht wenig Vorwürfe<br />
dieses zeremonielosen Treibens wegen anhören zu<br />
müssen. Aber schon nach den ersten Worten wurde<br />
er zu seiner eigenen nicht geringen Verwunderung<br />
von dem Gutsbesitzer unterbrochen, welcher ihm<br />
sagte: ,,Ach, Väterchen, worüber reden Sie da noch,<br />
die Hunde sind dem Wolfe ja schon auf den Fersen,<br />
dabei reiten Ihre Jäger aber in falscher Richtung und<br />
stören die Meute in der Arbeit. Gott, mit dem Korn,<br />
aber warum helfen Sie Ihren Hunden nicht? Ich<br />
hielt früher selbst eine Parforcejagd und weiß was<br />
es heißt, einen Wolf fangen, und beim Himmel, Ihre<br />
Hunde fangen ihn.“<br />
Das war einer von der alten Sorte, der so<br />
sprach. Versuchen sie einmal jetzt, nicht über ein<br />
34
Kornfeld, sondern nur über die junge Herbstsaat zu<br />
treiben, was bekommen sie da nicht alles von dem<br />
empörten Besitzer zu hören.<br />
Am 6. August kehren die Parforcemeuten nach<br />
<strong>Perchino</strong> zurück und erholen sich hier bis zum 1.<br />
September. Während der Sommertreiben hat der<br />
Parforceleiter mehrere Wolfsbruten aufgespürt, und<br />
vom 1. September an beginnen die Wolfsjagden, bei<br />
denen beide Parforcemeuten zusammenarbeiten<br />
und so gemeinsame Praxis im Wolfstreiben haben.<br />
<strong>Die</strong> Barsois, welche vom 1. August an stark trainiert<br />
werden (es wird mit ihnen täglich eine Strecke von<br />
15 Werst Schritt und Trab abwechselnd abgeritten),<br />
kommen auf diese Wolfsjagden mit, wobei die Koppeln<br />
so zusammengelegt werden, dass zwei junge<br />
Hunde mit einem alten Wolfsfänger an einer Koppel<br />
gehen.<br />
Wölfe, welche zufällig in das umstellte <strong>Jagd</strong>revier<br />
gelangen, stoßen öfters selbst auf die Meute, wobei<br />
sie meist den Parforcehunden verfallen. Nach einiger<br />
solcher Probejagden auf den Wolf werden die Parforcemeuten<br />
bis zur Ankunft des Großfürsten nur auf<br />
Spaziergänge ausgeführt.<br />
Mit den Barsois wird auf weit von <strong>Perchino</strong><br />
abliegende Felder geritten, damit die Hunde in<br />
Schwung kommen und die Junghunde sich im Fangen<br />
üben. Meist kommt der erlauchte Besitzer und<br />
die von ihm eingeladenen Gäste erst am 15. September<br />
nach <strong>Perchino</strong>, und erst dann beginnt die regelrechte<br />
<strong>Jagd</strong>. <strong>Die</strong> Umgegend von <strong>Perchino</strong> hat 22-24<br />
<strong>Jagd</strong>reviere, so dass 22-24 große <strong>Jagd</strong>en veranstaltet<br />
werden können, wobei man morgens früh zu dem<br />
bestimmten <strong>Jagd</strong>revier im Wagen hinfährt und am<br />
Abend nach <strong>Perchino</strong> zurückkehrt. Da der Großfürst<br />
Alle Wölfe, die die Hunde fangen, werden geknebelt<br />
(d. h. es wird ihnen ein mit eisenbeschlagener<br />
Holzkeil zwischen den Zähnen befestigt und<br />
sie werden gebunden), darauf führt man die jungen<br />
Barsois an sie heran, um die Hunde mit dem Wilde<br />
bekannt zu machen. Einheimische Wölfe, d. h. solche,<br />
die am selben Ort aufgewachsen sind) werden<br />
selten auf diesen <strong>Jagd</strong>en erlegt, da das Treiben über<br />
die glatten Felder geht, über welche der erwachsene<br />
einheimische Wolf gleich einer Kugel hinweg fliegt.<br />
selten mehr als einen Monat der Barsoijagd widmen<br />
kann, so sind diese <strong>Jagd</strong>reviere vollkommen ausreichend<br />
bis zu seiner Abreise.<br />
Zuerst werden die weit von <strong>Perchino</strong> entlegenen<br />
<strong>Jagd</strong>reviere besucht, zuletzt die nächstliegenden.<br />
<strong>Die</strong> ganze <strong>Jagd</strong>führung ist mit der peinlichsten<br />
Genauigkeit geordnet und wird nach den strengsten<br />
Regeln geleitet, so dass der alte, von allen<br />
geachtete, jetzt schon verstorbene Barsoijäger Nikolai<br />
Arkadjewitsch Boldyrjeff das Gut mit Recht die<br />
35
„<strong>Jagd</strong>akademie“ nannte. Alles, was die Treibjagden<br />
anbetrifft, wird vom Großfürsten persönlich angeordnet,<br />
so dass jede eigenmächtige Handlung, welche<br />
Unordnung in den <strong>Jagd</strong>betrieb bringen könnte, ausgeschlossen<br />
ist.<br />
Sobald ein bestimmtes <strong>Jagd</strong>revier an die Reihe<br />
kommt, eine Insel oder ein Waldteil mit Wiesenanschluss,<br />
so werden diese Plätze von den Jägern<br />
mit den Hunden in weitem Kreise umstellt. Ist der<br />
bestimmte Kreis zu groß, um ihn durch Leute und<br />
Hunde umzingeln zu können, so werden außerdem<br />
Fangnetze gezogen und eine Reihe von Reiteraufsehern<br />
hingestellt, die einer Kette gleich das ganze<br />
<strong>Jagd</strong>revier umgeben, damit das Wild nicht auf Stellen,<br />
die für das Treiben unzugänglich sind, entwischen<br />
kann. <strong>Die</strong> Parforcemeute wird aus dem bestimmten<br />
Kreise nicht herausgelassen. Sofort erscheinen<br />
an den Grenzpunkten die Parforcereiter, sobald die<br />
Hunde es versuchen, in das Feld zu treiben und jagen<br />
dieselben auf das begrenzte <strong>Jagd</strong>revier zurück.<br />
Ein Barsoijäger, dessen Koppel das Wild entweichen<br />
lässt, ist verpflichtet, die Parforcemeute zusammenzutreiben,<br />
und wehe demjenigen, auf dessen Posten<br />
die Hunde durchbrechen - aber so etwas kann den<br />
<strong>Perchino</strong>jägern nicht passieren.<br />
Keinem Jäger ist es gestattet, seine Koppel<br />
während des Treibens eines anderen freizulassen,<br />
und nur Koppeln ein und desselben Besitzers dürfen<br />
zusammen treiben, wobei auch nicht mehr als zwei<br />
Koppeln zu gleicher Zeit arbeiten dürfen.<br />
Eine Ausnahme wird nur in Bezug des einheimischen<br />
Wolfes gemacht, hier muss jeder Jäger seine<br />
Hunde freilassen, falls letztere eine Chance besitzen,<br />
den Wolf einzuholen oder den andern Hunden<br />
behilflich zu sein.<br />
Am Tage vor der <strong>Jagd</strong> bestimmt der Großfürst<br />
die Stellen, auf welchen das Treiben stattfinden soll,<br />
ebenfalls die Stunde, wann die <strong>Jagd</strong> am Morgen abzufahren<br />
hat und wann die <strong>Jagd</strong>gesellschaft in den<br />
Equipagen nachfolgt. Zur bestimmten Stunde fährt<br />
die <strong>Jagd</strong> ab. <strong>Die</strong> Parforcehunde fahren in den Fuhrkutschen,<br />
ebenfalls die Hälfte der Windhunde, die<br />
andere Hälfte geht an der Koppel. <strong>Die</strong> herrschaftlichen<br />
Pferde werden von berittenen Stallknechten am<br />
Zügel geführt.<br />
36
Ist die <strong>Jagd</strong> an dem bestimmten Revier<br />
angekommen, so erwartet sie vor demselben die<br />
Ankunft des Großfürsten. Meist wird die Abfahrt der<br />
Equipagen auf acht Uhr morgens festgesetzt, und<br />
Punkt acht Uhr besteigt der Großfürst seinen Wagen,<br />
worauf sich alle Gäste ebenfalls in ihre Wagen begeben<br />
und in schnellem Tempo geht es dem <strong>Jagd</strong>platze<br />
zu. Nachdem der Großfürst die Jäger begrüßt hat,<br />
welche zum „Willkommen“ ins Horn blasen, vergehen<br />
noch einige Minuten, bis die Pferde bestiegen<br />
sind und jeder Jäger seine Koppel in Empfang genommen<br />
hat. Darauf besteigt der Großfürst seinen<br />
Uhr wird die Meute durch das Horn zusammengerufen.<br />
<strong>Die</strong> ganze <strong>Jagd</strong>gesellschaft begibt sich zu dem<br />
Posten des Großfürsten und von dort zum Frühstück.<br />
Als schönes Bild hebt sich eine so große Menge<br />
von Menschen, Pferden und Hunden, in malerischen<br />
Gruppen zusammengestellt, vom Hintergrunde<br />
der rötlich schimmernden Büsche, auf dem<br />
Teppiche des gelbgrünen Herbstgrases ab. Ein wenig<br />
abseits dampft die Feldküche, einen schmackhaften<br />
Geruch um sich verbreitend und den durch die<br />
frische Luft und die gesunde <strong>Jagd</strong>arbeit erwachten<br />
Appetit reizend. Unter einem großen, aufgespannten<br />
Kabardiner, stößt selbst ins Horn und die ganze <strong>Jagd</strong><br />
begibt sich auf die bestimmte Insel. <strong>Die</strong> Barsoiführer<br />
reiten zu ihren Posten und der Parforceleiter führt<br />
die Meute zum Waldesrande, wo er die zum Treiben<br />
festgesetzte Zeit abwartet, um seine Meute auf die<br />
Insel zu schicken.<br />
Nach jedem Treiben nimmt der Jäger sofort<br />
wieder seinen Posten ein, welchen, während er<br />
treibt, die andern Koppeln bewachen müssen; und<br />
bevor der Großfürst nicht ins Horn bläst - d. h. die<br />
Meute zum Treiben ruft - rührt sich niemand und keiner<br />
verlässt seinen Posten. Sobald aber das Horn<br />
des Großfürsten ertönt, wird das Signal über den<br />
ganzen Kreis weitergegeben, d. h. die Jäger blasen<br />
einer nach dem andern ins Horn, der Parforceleiter<br />
erscheint an der Waldkante und ruft die gehorsame<br />
Meute.<br />
Alle Barsoijäger reiten in den schon vorher bestimmten<br />
Richtungen zu ihren neuen Posten, meist<br />
auf eine zweite, mit der ersten zusammenhängenden<br />
Insel. Wenn die erste Insel sehr groß ist, werden die<br />
folgenden nach dem Frühstück umstellt. Um zwölf<br />
Dache oder in einem Zelte, ganz wie das Wetter es<br />
gestattet, werden auf einer mit einem schneeweißen<br />
Tischtuche bedeckten Tafel die besten Weine<br />
und ein guter Imbiss serviert. Das Frühstück. geht<br />
schnell von statten, denn bald erschallt wieder das<br />
Horn des Großfürsten, alle besteigen ihre Pferde und<br />
reiten hinter dem Großfürsten auf ihre Posten in der<br />
Hoffnung, alles das zu erjagen, was die unermüdliche<br />
Meute aus dem Walde und den Schluchten ins<br />
Feld treibt.<br />
Wenn die <strong>Jagd</strong> beendet ist und das <strong>Jagd</strong>horn<br />
zum letzten Male erschallt, um die Hunde zusammenzurufen,<br />
reiten alle wieder zu dem Posten des<br />
Großfürsten, die Equipagen stehen hier schon bereit,<br />
und nach einigen Minuten fährt die ganze Gesellschaft<br />
nach <strong>Perchino</strong> zurück. So kommt die <strong>Jagd</strong><br />
in derselben Ordnung, wie sie am Morgen abfährt,<br />
heim, um am nächsten Tage mit der zweiten Meute<br />
und der zweiten Gruppe der Barsoikoppeln wieder<br />
auf die <strong>Jagd</strong> zu ziehen.<br />
Erholungspausen finden nach fünf Tagen eine<br />
statt, oder manchmal, wenn das Wetter sehr schlecht<br />
37
ist und das Treiben unmöglich wird, kommt eine unerwartete<br />
Pause dazwischen. Sind die für das Treiben<br />
an einem Tage bestimmten Inseln sehr weit<br />
voneinander entfernt, so werden diese Entfernungen<br />
über das Feld zurückgelegt, wobei in den Grenzgräben<br />
Hasen aufgespürt und gehetzt werden. Der<br />
Großfürst reitet immer in der Mitte, und nach ihm ordnet<br />
sich die ganze Linie. <strong>Die</strong> besten Reiter werden<br />
auf die Flanken verteilt, die anderen Koppeln in bestimmter<br />
Reihenfolge geordnet.<br />
Da <strong>Perchino</strong> einen Überfluss von Hasen hat,<br />
bereiten diese Streifjagden allen ein großes Vergnügen.<br />
<strong>Die</strong> Jäger sehen einander zu und verfolgen<br />
mit dem lebhaftesten Interesse das Treiben fremder<br />
Koppeln, sie schätzen und richten die Chancen<br />
derselben nicht weniger streng als es ein englischer<br />
Schiedsrichter auf der Probejagd macht. Der Großfürst<br />
treibt gewöhnlich mit seinen bereits früher beschriebenen<br />
vier Hunden, manchmal arbeiten aber<br />
auch nur die beiden Hunde, die er persönlich leitet,<br />
z. B. in Fällen, wo das Wild von den Parforcehunden<br />
direkt dem Posten des Großfürsten zugetrieben wird.<br />
Das sind die Regeln und die Tagesordnung für<br />
die <strong>Jagd</strong>en auf Hasen und Füchse, wenn es aber auf<br />
die Wolfsjagd geht, wird die Ordnung noch strenger<br />
aufrecht erhalten, denn die Wolfsjagd bildet ein sehr<br />
kompliziertes Manöver. Am Tage vor der Wolfsjagd<br />
zeichnet der Großfürst selbst nach dem Gedächtnis<br />
den Plan der Insel, auf welcher sich Wölfe befinden.<br />
Hat die Insel viele Schlupfwinkel, Strauchwerk und<br />
Gruben, so werden auf dem Plane die Stellen, wo<br />
die Aufseher zu stehen haben und die Fangnetze gezogen<br />
werden müssen, angegeben. <strong>Die</strong> Posten der<br />
Barsoikoppeln sind ebenfalls auf dem Plane vermerkt<br />
und mit Nummern bezeichnet. <strong>Die</strong> Koppeln werden<br />
in mathematischer Ordnung aufgestellt, wobei die sichersten<br />
von ihnen die hintersten Plätze einnehmen,<br />
damit die im Vordergrunde stehenden Koppeln, wenn<br />
sie auf den Wolf losgelassen werden, welcher meist<br />
aus der ersten Umzingelung entweicht, ihn der zweiten,<br />
sicheren Koppel zutreiben. Der Wolf stutzt hier<br />
und versucht den Hunden zu entgehen, und dieser<br />
Augenblick. seines Zauderns genügt, dass ihn die<br />
schnellen Hunde erreichen und fassen.<br />
<strong>Die</strong> <strong>Jagd</strong> zieht auf die Wolfstreiben wie gewöhnlich<br />
am Morgen früh aus, aber sie erwartet die<br />
Equipagen in drei Werst Entfernung von der Stelle,<br />
wo sich die Wölfe befinden. Sobald der Großfürst angekommen<br />
ist, begibt er sich mit dem Aufspürer zusammen<br />
an den Ort des Treibens und kehrt von dort<br />
nach ungefähr einer halben Stunde zurück, um dann<br />
die Barsoikoppeln aufzustellen, eine hinter der anderen<br />
in zwei Kolonnen, in der Ordnung, wie sie während<br />
des Treibens auf ihrem Posten stehen müssen.<br />
Wenn alle Koppeln geordnet sind, tritt der Großfürst<br />
an die Spitze der einen Kolonne und stellt an die Spitze<br />
der zweiten einen erfahrenen Jäger, dann setzen<br />
sich beide Kolonnen in Bewegung und umschließen<br />
die Insel von beiden Seiten, die sich nun wie in einem<br />
Ringe befindet. Da die Wolfsbruten in der Umgegend<br />
38
wordener Fuchs herausstürzte und ängstlich nach<br />
den an der Koppel zerrenden Barsois schielend,<br />
glücklich sein prächtiges Fell hinter dem Rücken der<br />
Hunde in den Wald rettete.<br />
Alle gefangenen Wölfe, alte einheimische, einjährige<br />
oder solche, die sich zufällig in der Gegend<br />
befanden, werden geknebelt und in die Fuhrkutschen<br />
gelegt. Nachdem die Wölfe ins Feld getrieben sind,<br />
dauert die <strong>Jagd</strong> selten über eine Stunde, oft sogar<br />
wurde die ganze Brut in zwanzig Minuten festgenommen.<br />
Ist die Brut festgenommen, wird gefrühstückt<br />
und an diesem Tage nicht mehr gejagt. Nach dem<br />
Frühstück werden die Wölfe wieder in das Feld gesetzt,<br />
damit sich die jungen Barsois, die an dem Treiben<br />
unbeteiligt geblieben, an das Wild gewöhnen<br />
können. Darauf begibt sich die <strong>Jagd</strong> nach Hause.<br />
von <strong>Perchino</strong> sich meist in Gruben und Buschwerk<br />
aufhalten, müssen Fangnetze aufgestellt werden,<br />
damit die Wölfe, wenn sie die Bewegung bemerken,<br />
nicht auf von Koppeln freien Plätzen entweichen.<br />
Für die Barsoijäger vergeht nun eine lange<br />
Zeit ermüdenden Wartens, manchmal müssen sie<br />
über eine Stunde stehen und aufpassen, die ganze<br />
Wolfsbrut kann in einem Zuge aus dem Walde fliehen<br />
und auf einen Posten stoßen. Wenn der Kreis<br />
gut geschlossen ist, die Fangnetze aufgestellt sind<br />
und die Reiter-Aufseher jene Posten bewachen, auf<br />
denen es unmöglich ist zu treiben, reitet der Aufspürer<br />
nach der Parforcemeute und treibt die Hunde von<br />
der Windseite aus in den Wald. Früher nach alten<br />
Traditionen bemühte man sich, die Hunde direkt auf<br />
das Nest zu hetzen, aber die Erfahrung der <strong>Perchino</strong>jagden<br />
zeigte, dass bei einem Treiben, wo sechzig<br />
scharfe, standhafte und flinke Parforcehunde arbeiten,<br />
„fast alle jungen Wölfe der Parforcemeute verfielen.<br />
Wenn aber von dem Waldrande gegen den<br />
Wind die Wölfe das Geräusch hören und nach ihren<br />
Schlupfwinkeln flüchten, stoßen die Parforcehunde<br />
nicht zu gleicher Zeit auf die ganze Brut, da die Wölfe<br />
dann einzeln laufen, so dass der größte Teil derselben<br />
bis zu den <strong>Jagd</strong>grenzen gelangt und auf die<br />
Posten stößt, auf denen die Barsoikoppeln bereitgehalten<br />
werden.<br />
Außer dem Wolf darf während dieser <strong>Jagd</strong>en<br />
nichts gehetzt werden und oft presste sich das Herz<br />
eines echten Barsoijägers zusammen, wenn gerade<br />
auf seine Koppel ein durch das Treiben halbtoll ge-<br />
Manchmal gelingt es dem Großfürsten, zur<br />
Herbstzeit vor den <strong>Jagd</strong>en in <strong>Perchino</strong>, noch andere<br />
Treibjagden mitzumachen. In der Umgegend von<br />
<strong>Perchino</strong> sind überhaupt wenig Wölfe und es ist auch<br />
wenig interessant, die jungen Wölfe im Herbst zu fangen,<br />
solange sie noch klein und ungewandt sind, es<br />
ist besser damit bis zum Winter zu warten, wenn die<br />
junge Brut schon groß geworden ist und sich tapfer<br />
wehrt und gut laufen kann.<br />
Um im Winter jagen zu können, wird der<br />
Aufspürer im Sommer in die Gegenden geschickt, wo<br />
sich Wölfe befinden, die er durch Nachahmen von<br />
Wolfsheulen in die Nähe der Eisenbahnlinie heranlockt,<br />
damit, wenn nachher die Brut gefangen wird,<br />
man die Nacht über im Zuge verbringen kann. <strong>Die</strong>se<br />
39
von <strong>Perchino</strong> entlegenen <strong>Jagd</strong>reviere befinden sich<br />
in den südlichen Bezirken des Tulaschen Gouvernements,<br />
in den Gouvernements Kaluga, Rjasan, Orloff<br />
und Woronesch. Auf der Station Rjurikowo der Sisrano-Wjasemerbahn<br />
(der nächstliegenden von <strong>Perchino</strong>)<br />
wird ein <strong>Jagd</strong>zug aus vierzig Güter- und zwei<br />
Passagierwagen erster und zweiter Klasse zusammengestellt.<br />
In die Güterwagen wird die ganze <strong>Jagd</strong><br />
- Hunde, Pferde, Fuhren, Netze, Kuchen, Equipagen<br />
und ein Teil der <strong>Jagd</strong>dienerschaft verladen, mit einem<br />
Worte alles, was in <strong>Perchino</strong> zur <strong>Jagd</strong> auszieht.<br />
<strong>Die</strong> Gäste kommen in den Wagen erster Klasse, die<br />
Barsoi- und ParforceJäger in den Wagen zweiter<br />
Klasse. Der Großfürst kommt auf die bestimmte Station<br />
in einem Extrazuge oder sein Wagen wird an den<br />
<strong>Jagd</strong>zug angehängt und der ganze Zug fährt in der<br />
Nacht von einer Station zur anderen.<br />
Am Tage finden die Treibjagden statt, es werden<br />
wie vordem beschrieben, Wölfe gefangen. Am<br />
Abend werden die Hunde gefüttert und die ganze<br />
40
<strong>Jagd</strong> in den Zug wieder verladen und weiter geführt.<br />
Das dauert solange fort, bis alle im Sommer aufgespürten<br />
Wolfsbruten festgenommen sind. Dann erst<br />
kehrt der Zug zur Station Rjurikowo zurück, die <strong>Jagd</strong><br />
wird abgeladen und zieht von dort zu Pferden und in<br />
Equipagen nach <strong>Perchino</strong> heim.<br />
Während des Frostes wird mit den Parforcemeuten<br />
nicht getrieben, dagegen hetzen die Parforce-Jäger<br />
mit den Barsois, die im Schlitten zu der<br />
<strong>Jagd</strong>stelle hingefahren werden, den ganzen Winter<br />
<strong>Die</strong>se <strong>Jagd</strong>en gehen so vor sich: Am frühen<br />
Morgen fahren die Jäger hinaus zu den Lockfutterstellen,<br />
entdecken sie bei denselben die Spuren der<br />
Wölfe, so werden diese Stellen sofort umkreist, ein<br />
Bereiter wird nach <strong>Perchino</strong> zurückgeschickt, sofort<br />
wird alles zur Abfahrt der <strong>Jagd</strong> bereitet und sobald<br />
ein zweiter Jäger mit der Meldung, wo sich die Wölfe<br />
aufhalten eintrifft, erfolgt der Aufbruch. Ist der Großfürst<br />
anwesend, fahren 12-15 Schlitten aus, ohne ihn<br />
fährt man auf 7-8 Schlitten zum <strong>Jagd</strong>reviere. Dort<br />
den Wolf. Drei Werst von <strong>Perchino</strong> entfernt wird an<br />
2 bestimmten Stellen an beiden Ufern der Upa den<br />
ganzen Winter hindurch Futter für die Wölfe hingestellt,<br />
welches dieselben hier immer im Überflusse<br />
vorfinden. <strong>Die</strong>se Lockspeise wird schon vom Herbste<br />
an, sobald es zu frieren anfängt, für die Wölfe bereitgestellt.<br />
Früher hatte der Großfürst die Möglichkeit auf<br />
2-3 Wochen im Winter nach <strong>Perchino</strong> zu kommen<br />
und die Wölfe blieben bis zu seiner Ankunft verschont,<br />
dann aber fingen die Wolfsjagden an, zu denen<br />
wie gewöhnlich eine Menge Gäste eingeladen<br />
wurden. In den letzten Jahren konnte der Großfürst<br />
nicht nach <strong>Perchino</strong> zu den Winterjagden kommen,<br />
er gestattete aber, dieselben in seiner Abwesenheit<br />
zu veranstalten, um den Hunden die Möglichkeit zu<br />
geben, das schon vollkommen erwachsene Wild zu<br />
hetzen.<br />
werden dann bestimmte Posten besetzt, liegt der<br />
Schnee niedrig, werden die Posten direkt im Felde<br />
eingenommen, ist der Schnee sehr hoch, so bleibt<br />
man auf dem Feldwege, auf der Seite, von der die<br />
Wölfe erwartet werden. <strong>Die</strong> Schlitten stehen in bestimmter<br />
Entfernung voneinander und haben das Ansehen<br />
vorüberfahrender Frachtschlitten.<br />
<strong>Die</strong> Wölfe haben im Winter vor den Reitern einen<br />
heillosen Respekt, aber an Schlitten laufen sie<br />
ruhig vorüber. Es hängt also viel von dem Verständnisse<br />
des Jägers ab, der sich im Schlitten befindet,<br />
dass die <strong>Jagd</strong> glücklich verläuft. Man muss nämlich<br />
den Wolf so nahe, wie nur möglich an den Schlitten<br />
heranlassen und dann erst die Hunde freigeben.<br />
Als Treiber reiten: der Wolfaufspürer, der Parforceleiter,<br />
einige Aufseher und Barsoiführer, und<br />
wirklich - sie reiten bewunderungswürdig, denn es<br />
geht über verschneite Felder und über verschüttete<br />
41
Schluchten und Gräben. Dabei verstehen es diese<br />
Leute, das Wild zu stellen, sie verhindern dessen<br />
Zurückweichen oder auf die Seite fliehen. <strong>Die</strong><br />
kühnen Halbblutpferde tragen die Reiter durch jedes<br />
Schneegestöber und wenn es vorkommt, dass ein<br />
Pferd in einem Graben versinkt, so springt der Jäger<br />
ab und wartet bis sich das Pferd aus der Grube<br />
herausarbeitet, dann springt er sofort wieder in den<br />
Sattel und erreicht noch rechtzeitig seinen Platz. Es<br />
kommen Fälle vor, bei denen der Treiber, wenn das<br />
Wild zurückgetrieben wird, schneller den Wolf erreicht<br />
als der Barsoijäger im Schlitten. Man lässt dem<br />
<strong>Perchino</strong>jagdpersonal nur Gerechtigkeit widerfahren,<br />
wenn man behauptet, dass alle Angestellten leidenschaftliche<br />
Jäger und tadellose Reiter sind.<br />
<strong>Perchino</strong> Wolfstreiben<br />
Nachdem der Leser mit der Einrichtung der<br />
<strong>Jagd</strong>, dem Treiben und den Regeln der Reitkunst<br />
bekannt geworden ist, will ich hier noch von einigen<br />
Wolfsjagden erzählen, die sich für immer in mein Jägergedächtnis<br />
eingeprägt haben. Am 2. September<br />
1899 hatte die <strong>Perchino</strong>jagd im Zuge auf der Station<br />
„Dworiki“, 4 Werst von dem Bärenwalde des Grafen<br />
Bobrinsky entfernt, übernachtet und zog von dort um<br />
10 Uhr morgens, zu einer langen Kolonne geordnet,<br />
Koppel nach Koppel, hinter sich die Parforcemeute,<br />
über die Felder reitend, dem <strong>Jagd</strong>reviere zu.<br />
<strong>Die</strong> <strong>Jagd</strong> ging zu einer Kolonne geordnet, weil<br />
es verboten ist, vor der Insel, auf der sich Wölfe befinden,<br />
anderes Wild zu treiben, da dasselbe auf die lnsel<br />
flüchten kann, dabei Geräusch verursacht und die<br />
Wölfe verscheucht. <strong>Die</strong> Insel, auf welche wir uns begaben,<br />
bildete ein Rechteck mit kurzer östlicher und<br />
westlicher Seite, und längeren Nord- und Südseiten.<br />
Mit der Ostseite grenzte die Insel an eine tiefe Querschlucht,<br />
hinter welcher sich nach Westen hin eine<br />
schmale Strecke jung angepflanzten Fichten- und Eichenwaldes<br />
hinzog. Einige Saschen vor der Schlucht<br />
blieb die <strong>Jagd</strong> stehen, die Koppeln formten sich zu 2<br />
Kolonnen und besetzten die Nord- und Südseite der<br />
Insel, wobei die letzten Koppeln an jene, die westlich<br />
aufgestellt waren, anschlossen. Vor der waldlosen<br />
Schlucht, gegenüber dem östlichen Waldrande, wurde<br />
eine Reihe von Leuten aufgestellt, damit das Wild<br />
sich nicht in die Schlucht flüchten konnte. <strong>Die</strong> Parforcemeute<br />
blieb neben den Leuten an der Schlucht<br />
stehen, um abzuwarten, bis die Koppeln ihre Posten<br />
einnahmen.<br />
Der Großfürst, welcher seine beiden Leib-<br />
Jäger hinter sich stehen hatte, nahm den Posten<br />
gegenüber dem nordwestlichen Winkel der Insel ein,<br />
ich stellte mich auf eine Linie mit dem Großfürsten,<br />
gegenüber dem südwestlichen Winkel, zwischen uns<br />
stellte sich J. I. Golowin; auf der Nordseite stand<br />
die Hälfte der Barsoikoppeln der <strong>Perchino</strong>jagd, außer<br />
ihnen noch 2 Koppeln von D. D. Osipowsky und 2<br />
Koppeln der Fürsten W. A. und L. A. Schachowskoi,<br />
die schon an die Koppel des Großfürsten anschlossen.<br />
Auf der Südseite der Insel stand die andere Hälfte<br />
der <strong>Perchino</strong>koppeln, außer diesen 2 Koppeln von<br />
N. I. Sorochtin und 2 Koppeln von A. A. Strogonoff,<br />
welche an die meinige anschlossen. Es war ein stiller,<br />
grauer Herbsttag, auf einigen Feldern standen<br />
die noch nicht weggeführten Schober abgemähten<br />
42
Kornes, welche ein gutes Verdeck für die Hunde<br />
bildeten. Ich stand auf einer Anhöhe und konnte<br />
von meinem Posten aus fast alle Barsoikoppeln<br />
überblicken. <strong>Die</strong> Insel lag vor mir gleich einer senkrechten<br />
Niederung und im Norden derselben erhob<br />
sich das Feld auf steilem Hügel, hinter welchem in<br />
Kranzform, von den Kornschobern verdeckt, die Barsoikoppeln<br />
standen.<br />
Kaum hatte die Parforcemeute eine einheimische<br />
Wölfin aus ihrem Verstecke getrieben und hinter<br />
derselben eine Runde um die Insel gemacht, als<br />
auch schon ein alter Wolf auf dem Hügel erschien,<br />
gerade gegenüber dem Barsoiführer Michael Jeletzky.<br />
Jeletzky hatte 3 rotscheckige Hunde an der Koppel:<br />
,,Sirka“, die Tochter Sawladais, Zucht Jermoloff,<br />
abgesprungen, hinzu, als der Wolf plötzlich alle Hunde<br />
abschüttelte, aus ihrem Kreise entwich und dem<br />
Waldsaume zujagte. Beide Koppeln jagten ihm nach.<br />
Den einheimischen Wolf aber, welcher bergab<br />
läuft, zu fassen, dazu gehören nicht nur scharfe<br />
Hunde, sondern auch erstklassige Schnellläufer.<br />
Hier zeigte sich auch die <strong>Perchino</strong>-Koppel. Gleich einem<br />
Vogel flog vor allen Hunden „Sairka“ voran, sie<br />
warf sich in kühnem Sprunge auf den Wolf und blieb<br />
mit den Zähnen an seinem Felle hängen, ihn dadurch<br />
am Laufen hindernd, „Poraschai“ und .,Porchai“ eilten<br />
hinzu, packten ihn beim Kragen und brachten ihn<br />
wieder zu Fall, eine Sekunde darauf lag auch schon<br />
Jeletzky auf dem Wölfe, den er knebelte.<br />
Noch hingen meine Blicke an diesem Bilde, als<br />
,,Poraschai“, der Sohn Warwars, (<strong>Jagd</strong> <strong>Perchino</strong>)<br />
und ,,Porchai“, der Sohn Chochliks (<strong>Jagd</strong> Durasoff).<br />
Der erfahrene Jäger ließ den Wolf herankommen<br />
und gab die Hunde erst in dem Augenblicke frei, als<br />
der Wolf auf die Seite zu den Koppeln D. D. Osipowskys<br />
kehrt machte. <strong>Die</strong> schnelle Koppel Jeletzkys erreichte<br />
den Wolf in einigen Sekunden, packte ihn und<br />
überschlug sich mit ihm zusammen wie ein Kreisel,<br />
ohne ihn an die Erde festlegen zu können. Der Wolf<br />
sprang empor, aber die schon zur Hilfe hinzugeeilte<br />
Koppel Osipowskys mit 2 Nasimoffschen Wolfswürgern<br />
griff ihn von neuem an. Der Wolf warf einen<br />
der Rüden zu Boden, aber jetzt hatten ihn die Hunde<br />
Jeletzkys, welche sich erholt hatten, wieder erreicht<br />
und drückten ihn zur Erde nieder, wobei der Rüde von<br />
Osipowsky den Wolf an der Gurgel gepackt hatte. Sofort<br />
eilten die Jäger, welche bereits von den Pferden<br />
links auf die Koppel des Fürsten S. A. Schachowskoi<br />
eine große Wölfin zurannte, welche, als sie die ihr<br />
entgegentreibenden Hunde erblickte, in der Richtung<br />
zum Großfürsten mit solchen Sprüngen umkehrte,<br />
dass sie mehrere Sprungweiten vor den ihr nacheilenden<br />
Hunden voraus hatte. Aber schon stürzten die<br />
4 Hunde „eigener“ Meute auf sie los. Es war ein herrlicher<br />
Anblick, wie schnell „Almas“, „Sawladai“ und<br />
der dem Fürsten Schachowskoi geschenkte „Wicha“<br />
(ein Bruder Sawladais) sich der Wölfin näherten.<br />
<strong>Die</strong> Hunde trennte von derselben nur noch einige<br />
Sprünge, als plötzlich vor der Wölfin die gelbscheckige<br />
Koppel des Leib-Jägers des Großfürsten,<br />
„Sokol“, „Saigatsch“ und „Sokolka“ stand. <strong>Die</strong> Wölfin<br />
probierte ein oft bei ängstlichen Hunden glückendes<br />
Manöver, d. h. sie ging direkt auf die Hunde los,<br />
in der Hoffnung, so an ihnen vorüber zu kommen,<br />
43
aber „Sokolka“ warf sich mit einer solchen Wut auf<br />
die Wölfin und stieß mit ihrer Schulter so an deren<br />
Schulter, dass die Wölfin zu Boden stürzte, die<br />
Rüden packten zu und die Wölfin wurde geknebelt.<br />
Hinter dieser Wölfin jagte die ganze Parforcemeute,<br />
aber die Aufseher hielten dieselbe an und zwangen<br />
sie, zum Parforceleiter zurückzukehren, welcher<br />
schon lockend ins Horn blies: „hierher, hierher, hierher“.<br />
Nachdem die einheimischen Wölfe alle gefangen<br />
waren, ließen die zufällig auf der Insel umherstreifenden<br />
auch nicht lange auf sich warten. Des<br />
Großfürsten Koppel fing nacheinander drei Wölfe,<br />
Am 6. September morgens früh kam der Großfürst<br />
an, er besichtigte die <strong>Jagd</strong>plätze, zeichnete den<br />
Plan für die Koppelposten auf und um 11 Uhr kam<br />
die <strong>Jagd</strong> auf der Insel an. <strong>Die</strong> Koppeln besetzten<br />
die Insel von 3 Seiten. Vor· dem Abhange wurden<br />
die Aufseher mit der Parforcemeute aufgestellt,<br />
weil von dieser Seite aus die Insel mit einer zweiten<br />
durch eine ganze Kette von mit Strauchwerk und<br />
Büschen bedeckten Schluchten verbunden war, über<br />
welche ein Treiben gänzlich ausgeschlossen ist. Alle<br />
herrschaftlichen Koppeln nahmen links vom Abhange<br />
aus Stellung auf dem Felde, welches von der<br />
Schlucht an die Insel grenzte und steil bergauf ging.<br />
Golowin einen, Osipowsky einen und Saltykoff einen,<br />
der letzte Wolf wurde der Parforcemeute abgenommen<br />
und die ganze Insel war von der Wolfsbrut<br />
gesäubert. Alle Wölfe wurden lebend in die Fuhren<br />
gesetzt und zur Mittagszeit befand sich schon die<br />
ganze <strong>Jagd</strong> wieder auf der Station „Dworiki“.<br />
Am 5. September 1902 übernachtete dann die<br />
<strong>Perchino</strong>jagd auf einer Station der Orlower-Grjassewerbahn,<br />
wo sie den Großfürsten von den Kursker<br />
Manövern erwartete, da eine Wolfsjagd im Walde des<br />
Nowosilschen Gutsbesitzers Swerbejeff bevorstand.<br />
Es versprach eine interessante <strong>Jagd</strong> zu werden, da<br />
2 alte Wölfe mit 7 Jungen und 2 einjährige auf einer<br />
abgelegenen großen Insel aufgespürt worden waren.<br />
Von der Spitze des Hügels sah man den Saum einer<br />
zweiten mit Wald bedeckten Schlucht. Alle <strong>Perchino</strong>koppeln<br />
nahmen das Feld rechts von dem Abhange<br />
ein. Am Ende der Insel, im rechten Winkel, nahm<br />
der Großfürst Stellung, hinter ihm in Schachbrettordnung<br />
seine beiden Leibjäger. Im linken Winkel<br />
stand ich, so dass ich die ganze Seite, welche die<br />
herrschaftlichen Koppeln einnahmen, überblicken<br />
konnte und ebenfalls einen Teil des Feldes, auf<br />
dem sich die <strong>Perchino</strong>koppeln befanden. Zwischen<br />
dem Großfürsten und den <strong>Perchino</strong>koppeln stand<br />
der nowosilsche Gutsbesitzer Daragan, auf dessen<br />
Initiative der Großfürst zur <strong>Jagd</strong> in diese Gegend gekommen<br />
war.<br />
44
Beide <strong>Perchino</strong>meuten zusammen (frei, ohne<br />
Halsbänder) näherten sich dem Walde und stießen<br />
sofort am Anfang desselben auf Wölfe. Das Konzert<br />
von 80 Stimmen, deren Nachklang noch in den<br />
Tiefen der Schluchten hallte, wirkte so gewaltig und<br />
bestrickend, dass die Blicke sich unwillkürlich zu den<br />
Kronen der Bäume wandten, von welchen die Flut<br />
von Tönen zu kommen schien und es wurde schwer,<br />
seine Blicke von dieser unsichtbaren Flut von Tönen<br />
loszureißen, um aufzupassen und das Wild nicht zu<br />
versäumen. <strong>Die</strong> zufällig im Walde herumstreifenden<br />
Wölfe kamen nicht bis zu dem Felde auf der Insel,<br />
sondern wurden alle von den Parforcehunden vordem<br />
gefasst. Fortwährend bliesen die Hörner der Jäger,<br />
welche ankündigten, dass ein Wolf gefangen ist.<br />
Plötzlich erschien der erste einjährige Wolf, er<br />
flüchtete aus der Schlucht und lief über das Feld, gerade<br />
in der Richtung der 2 Koppeln von D. D. Osipowsky.<br />
Ich sah von meinem Posten aus, dass beide<br />
Jäger den Wolf zu nahe herankommen ließen, statt<br />
ihm den Weg zu kreuzen, um ihn ihrem Herrn zuzu-<br />
treiben, welcher auf seinem Pferde in vollem Galopp<br />
dem Wolf entgegenjagte. Und wirklich, als die Jäger<br />
sich endlich bemühten, die Koppeln freizugeben,<br />
war der Wolf schon auf einer Linie mit denselben<br />
und musste seitwärts gefangen werden. Erst ganz<br />
am Saume des Waldes gelang es einem Hunde, ihn<br />
zu fassen, der Hund konnte aber den Wolf nicht niederwerfen,<br />
sondern stürzte selbst und der Wolf verschwand<br />
in der Schlucht.<br />
Fast in derselben Minute erschien in der Ecke,<br />
gegenüber dem Großfürsten, ein einheimischer, alter<br />
Wolf. Als würde er fühlen, dass sich vor ihm die<br />
gefährlichste Koppel befindet, machte er kehrt und<br />
lief über das Feld auf die Koppeln I. K. Daragans<br />
zu, welcher denselben Fehler der Jäger Osipowskys<br />
wiederholte, ebenfalls die riesige Schnelligkeit,<br />
mit welcher das Tier lief, außer acht ließ und seine<br />
Hunde zu spät freigab, so dass dieselben weit hinter<br />
dem Wolfe zurückblieben, daher nicht die geringste<br />
Wirkung auf den Lauf des Tieres ausübten und<br />
ebenfalls den anderen im Schachbrett stehenden<br />
45
Koppeln nicht halfen.<br />
Trotz der Energie, mit welcher die <strong>Perchino</strong>-Jäger<br />
Akil und Michailo dem Wölfe nachjagten, konnte<br />
die grauscheckige Koppel Akils den Wolf erst bergab<br />
fassen, und wieder war es der Sohn „Golubs“ aus<br />
„Strella“--“Asmodjei“, welcher vor seinen Kameraden<br />
den Wolf einholte und ihn im wuchtigen Sprunge zu<br />
Boden warf, dabei sich selbst überschlagend, auch<br />
den Wolf wie einen Kreisel mit sich riss. Der Wolf<br />
besaß keine Zeit zum Aufspringen, schon hatten ihn<br />
von beiden Seiten die anderen Hunde ergriffen und<br />
beide Jäger saßen auf ihm.<br />
Noch war keine volle Ruhe nach diesem Treiben<br />
eingetreten, als auf derselben Fährte eine alte<br />
Wölfin blitzartig auftauchte, welche, die Hunde erblickend,<br />
sich nach rechts umdrehte und dem Posten<br />
J. L. Golowins zulief, Golowins rotbraune Koppel,<br />
in derselben der Solowolfswürger „Lichatoch“, der<br />
Sohn der vordem erwähnten „Sairka“, wurde von<br />
dem erfahrenen Jäger zur rechten Zeit freigelassen<br />
und holte die Wölfin in einigen Sekunden ein, ihr auf<br />
den Fersen hängend, bis „Lichatoch“ sie am Halskragen<br />
erreichte, zupackte und, ohne sie freizulassen,<br />
mit ihr zusammen über die Erde rollte. <strong>Die</strong> anderen<br />
Hunde halfen so schneidig mit, dass es für die Jäger<br />
eine Leichtigkeit war, die Wölfin zu knebeln.<br />
Einige Minuten darauf wurde noch ein großer<br />
Wolfsrüde von rechts aus, gerade auf die Koppel der<br />
<strong>Perchino</strong>-Jäger Pjeter Neweinoss und Kuleschoffs<br />
zugetrieben. Wieder gestatteten ihm die flinken Hunde<br />
nicht, lange zu laufen, sondern packten ihn und<br />
schleppten ihn, gleich einem Hasen, ein Stück mit<br />
46
sich. In 1½ Stunden waren 10 Wölfe gefangen, unter<br />
denselben 3 alte, einheimische und 4 einjährige, letztere<br />
laufen oft schneller als die alten und verteidigen<br />
sich energischer. <strong>Die</strong>se 10 Wölfe wurden von den<br />
Koppeln der <strong>Perchino</strong>jagd gefangen, ohne Mitwirkung<br />
der besonders guten Hunde aus „eigener Meute•,<br />
was die hohe Klasse aller Hunde der <strong>Perchino</strong>jagd<br />
beweist.<br />
Am 25. Februar 1904 fuhr ich und der Verwalter<br />
der <strong>Perchino</strong>jagd J. I. Golowin mit Erlaubnis des<br />
Großfürsten, welcher sich in Petersburg aufhielt, auf<br />
die Wolfsjagd im <strong>Jagd</strong>bestande von 7 Schlitten und<br />
5 Treibern zu Pferde. Wir beeilten uns, das Feld in<br />
der Mitte des negelewschen Waldes, 12 Werst von<br />
<strong>Perchino</strong> entfernt, einzunehmen. <strong>Die</strong> Wölfe, welche<br />
schon auf der Morgenfahrt umkreist worden waren,<br />
lagen auf einer Waldgrenze, welche mit ihrer Spitze<br />
auf das von unseren Schlitten besetzte Feld hinausging.<br />
Der Schnee lag flach und man konnte überall<br />
bequem durchfahren. 50 Saschen von dem Buschwerke<br />
des Zungensaumes entfernt, lag der Fahrweg,<br />
alle unsere Schlitten standen auf dem Felde hinter<br />
dem Wege, abseits vom Walde, so dass man uns<br />
vom Waldsaume aus nicht sehen konnte. Mein Schlitten<br />
stand im Zentrum und der Schlitten von Golowin<br />
auf der linken Flanke auf dem Fahrwege, so dass er<br />
auch die andere Front des Waldsaumes bewachte.<br />
Kaum ertönten die Hörner der Treiber, als auch<br />
schon die unserem Posten am nächsten liegenden<br />
Wölfe in das Feld jagten. Ich sah gerade vor mir auf<br />
dem Wege 4 Wölfe, einer derselben, ein mächtiges<br />
Exemplar, rannte von mir nach links, gerade auf den<br />
Weg, wo der Schlitten Golowins stand. 2 Wölfe liefen<br />
nach rechts zu den Schlitten Kuleschoffs und Pjeters<br />
und der vierte schien an meinem Schlitten vorüber<br />
zu wollen. lch sprang mit zwei alten Rüden „eigener“<br />
Meute, „Sokruschai“ und .Sawladai“ herunter und<br />
zeigte ihnen den gerade auf uns zueilenden Wolf.<br />
Wie groß war aber meine Verwunderung, als ich sah,<br />
dass „Sawladai“ auf zehn Schritte Entfernung am<br />
Wölfe vorüberjagte und nur „Sokruschai“ dem Wolfe,<br />
welcher die Richtung zum Schlitten Michaels eingeschlagen<br />
hatte, nachlief. Inzwischen jagte vor mir ein<br />
alter Wolf zum Walde zurück und hinter ihm die drei<br />
roten Barsoirüden Golowins. Auf diese Hetze hatte<br />
auch „Sawladai“ aufgepasst, als er, von mir freigelassen,<br />
an dem ersten Wolfe vorüberlief, um dem alten<br />
Wolfe nachzuspringen.<br />
<strong>Die</strong> Entfernung zwischen den Hunden Golowins<br />
und dem Wolfe war eine beträchtliche, mein<br />
,,Sawladai“ war noch weiter von ihm entfernt, so<br />
dass ich überzeugt von der Nutzlosigkeit dieses Treibens,<br />
mich wieder meinem Wolfe zuwandte, welchen<br />
„Sokruschai“ und die Koppel Michaels schon gefasst<br />
hatten und half jetzt Michael den Wolf knebeln.<br />
Rechts von uns knebelten Pjäter und Kuleschoff die<br />
anderen Wölfe. Als ich mit dem Knebeln des Wölfes<br />
fertig war, wandte ich mich wieder dem Waldessaume<br />
zu, und traf auf dem Wege dorthin den mir<br />
entgegenfahrenden Golowin, dessen triumphierende<br />
Miene mich verdutzt machte: „Warum freut er sich<br />
noch, nach-dem er solch einen Wolf freigelassen,<br />
dachte ich... Nun, was?“ rief ich ihm zu. ,,Hier sitzt er,<br />
unser Täuberich, - mit Fadin zusammen haben wir<br />
ihn geknebelt; - wie die Hunde ihn hielten, auch<br />
Ihr „Sawladai“ hat mitgeholfen, nachdem ihn meine<br />
47
unserer Mitte stand Golowin, rechts von ihm ich und<br />
links Koscheleff.<br />
Endlich zeigten sich an dem Rande hinter der<br />
Schlucht drei Wölfe, einer von denselben lief in der<br />
Richtung zu den Jägerschlitten, zwei Wölfe kehrten<br />
um und liefen zu der Schlucht herunter. Ich bemerkte<br />
mit Vergnügen, dass die gelbscheckige Koppel, mit<br />
welcher ich im Herbst gejagt hatte, aus dem Schlitten<br />
des Barsoijägers Trifon sich auf den Wolf stürzte und<br />
ihn sofort niederzwang. Der gelbscheckigen Koppel<br />
kam die Koppel des zweiten Jägers zu Hilfe und beide<br />
Jäger knebelten den am Boden liegenden Wolf. <strong>Die</strong><br />
andern beiden Wölfe hatten sich in die Schlucht geflüchtet,<br />
aber nach einigen Sekunden sah ich hinter<br />
Koppel eingeholt, - und fünfzig Schritte vor dem Walde<br />
haben sie ihn niedergeworfen und ihn auch nicht<br />
mehr aufstehen lassen - und als noch „Sawladei“<br />
hinzukam, da hielten sie ihn so fest, dass Fadin und<br />
ich ihn mühelos knebelten. Schauen Sie ihn nur an,<br />
was für ein Prachtkerl. Und wirklich im Schlitten lag<br />
ein riesiger Wolf, welcher die Ohren fest an den Kopf<br />
presste und mit seinen grünlich schillernden Augen<br />
boshaft nach den seine breite Stirn streichelnden<br />
Händen blickte. Der fest zwischen seinen Zähnen<br />
befestigte Knebel und seine gefesselten Pfoten gestatteten<br />
ihm nicht, seinen Hass anders auszudrücken.<br />
Am 17. Dezember 1907 befanden sich J. I. Golowin,<br />
N. I. Koscheleff und ich mit sieben Schlitten<br />
zwanzig Werst von <strong>Perchino</strong> entfernt auf den großen<br />
lnseln des Gutes Odojewsky (Besitzer A. I. Mosoloft)<br />
zur Wolfsjagd. Früh am Morgen wurde uns von den<br />
Treibern gemeldet, dass sich drei Wölfe auf den lnseln<br />
befanden. Wir besetzten mit drei Schlitten und<br />
den herrschaftlichen Koppeln den hohen Hügel vor<br />
der lnsel, auf welcher die Wölfe waren, hinter uns auf<br />
hundert Saschen Entfernung befand sich die Waldkante<br />
der anderen lnseln, wohin sich, wie wir vermuteten,<br />
das Wild flüchten würde. Vor uns lag eine<br />
tiefe Schlucht, und die Insel, auf der sich die Wölfe<br />
befanden, zog sich von dieser Schlucht aufwärts.<br />
Hinter der Schlucht war wieder ein Feld, wohin sich<br />
unsere vier Barsoijäger mit ihren Schlitten begeben<br />
hatten. Lange streiften die Treiber auf der großen<br />
lnsel umber, die klare Winterluft mit den gellenden<br />
Lauten ihrer Hörner erfüllend. Der Schnee lag hoch<br />
und die Schlitten kamen nur langsam vorwärts. In<br />
dem Hügel noch einen Wolf auf mich zukommen. <strong>Die</strong><br />
gelbliche Farbe seines Felles und der hoch getragene<br />
Kopf ließen mich sofort den alten einheimischen<br />
Wolf erkennen. Da ich hinter mir den Abhang hatte,<br />
fürchtete ich, den Wolf zu nahe heran zu lassen und<br />
eilte ihm mit den Hunden entgegen. lch führte drei<br />
Rüden aus der „eigenen Meute“, unter denselben<br />
den prächtigen „Armawir“.<br />
Als der Wolf die ihm entgegeneilenden Hunde<br />
bemerkte, kehrte er nadi links um, sodass ihn dieselben<br />
durch den tiefen Schnee auf eine hübsche<br />
Distanz einholen mussten. Alle drei Rüden stürzten<br />
sich gemeinschaftlich auf den Wolf und warfen<br />
ihn nieder, noch hatte ich nicht die Möglichkeit,<br />
heranzufahren, da hatte sich der Wolf losgerissen<br />
und stürzte dem Abhange zu, wo ihn die Hunde<br />
Golowins fassten, die meiner Koppel zu Hilfe gekommen<br />
waren. Sechs Hunde drückten den Wolf in den<br />
Schnee, ihn sternartig umgebend. Ich war nur noch<br />
48
te Treiben ab, aber ich schilderte absichtlich <strong>Jagd</strong>en<br />
aus verschiedenen Jahren mit verschiedenen Hunden,<br />
damit der Leser sich davon überzeugen kann,<br />
dass Schnelligkeit und Bosheit dem Wolfe gegenüber<br />
Eigenschaften der ganzen Barsoirasse sind und<br />
nicht als zufällige Erscheinung bei einigen Hunden<br />
auftreten.<br />
drei Schritte von ihm entfernt, als sich der Wolf auf<br />
eine mir unerklärliche Weise unter den Hunden loswand<br />
und ehe dieselben sich besinnen konnten, auf<br />
dreißig Schritte Vorsprung dem Abhange zujagte.<br />
Ich war Augenzeuge vieler <strong>Jagd</strong>en mit den<br />
boshaftesten Hunden aus der Nasimoffschen und<br />
Nowikoffschen Zucht und jedesmal war es dem Wolfe<br />
gelungen, in solchen Fällen zu entfliehen. Ich befürchtete,<br />
dass auch dieser entläuft. Aber die Schnelligkeit<br />
der <strong>Perchino</strong>hunde kam mir wieder zu Hilfe.<br />
<strong>Die</strong> rotbraune Hündin „Sirene“ aus der Koppel Golowins<br />
teilte sich von den anderen Hunden ab und erreichte<br />
in ein paar wuchtigen Sätzen den Wolf, dem<br />
sie sich an den Halskragen hing, die Rüden kamen<br />
dazu und hoben den Wolf vor den Füßen Golowins,<br />
der von seinem Schlitten abgesprungen war, in die<br />
Luft. Es erwies sich, dass dieses eine Wölfin von außergewöhnlicher<br />
Größe war. Der dritte Wolf, ein zufallig<br />
auf der Insel streifender, zeigte sich unweit des<br />
Schlittens von Koscheleff, doch jagte er sofort an den<br />
Treibem vorbei wieder in die Schlucht zurück.<br />
Es wurde zu weit führen, wenn ich alle <strong>Jagd</strong>en<br />
beschreiben wollte, auf denen alte Wölfe gefangen<br />
wurden. <strong>Die</strong> <strong>Perchino</strong>jagd hat 56 Stück erlegt und vor<br />
meinen Augen spielte sich so manches interessan-<br />
49
Ein <strong>Jagd</strong>tag<br />
in <strong>Perchino</strong><br />
Während der fünfundzwanzig<br />
Jahre in<br />
denen die <strong>Perchino</strong>jagd<br />
besteht, haben so viele<br />
interessante Treiben<br />
in <strong>Perchino</strong> stattgefunden,<br />
dass mir die Wahl<br />
schwer fällt, welches<br />
von ihnen ich hier beschreiben<br />
soll. lch will<br />
deshalb von einer der<br />
letzten <strong>Jagd</strong>en erzählen,<br />
die in diesem Jahre<br />
1912 stattgefunden<br />
hat, und die noch frisch<br />
in meinem Gedächtnisse<br />
lebt, so dass ich alle<br />
ihre kleinsten Details<br />
wiedergeben kann. Wie<br />
in den vergangenen Jahren<br />
bestand der Kreis<br />
von Jägern, welche der<br />
Großfürst zu sich eingeladen<br />
hatte, aus denselben<br />
Personen, welche<br />
schon viele Jahre hindurch<br />
den Erlauchten<br />
Großfürsten auf seinen<br />
<strong>Jagd</strong>en begleiteten. So<br />
der Fürst Dmitri Borisowitsch<br />
Golizin, welcher<br />
in diesem Jahre mit seinem<br />
Sohne, dem jungen<br />
Fürsten Boris Dmitrijewitsch, zur <strong>Jagd</strong> gekommen<br />
war und 3 Koppeln Barsois eigener Zucht mitgebracht<br />
hatte, eines Typs, den der Fürst seit dreißig<br />
Jahren sorgfältig pflegte. <strong>Die</strong> Hunde des Fürsten<br />
waren berühmt und hatten auf den Ausstellungen,<br />
Probe- und Treibjagden für Schönheit, Schnelligkeit<br />
und Bosheit erstklassige Preise davongetragen.<br />
General-Adjutant Arthur Alexandrowitsch Grünwald<br />
mit zwei Barsoikoppeln und zwei englischen Windhunden<br />
(Greyhounds). Alexander Alexandrowitsch<br />
Saltikoff, der Nachbar des Großfürstlichen Gutes<br />
<strong>Perchino</strong>, mit zwei Koppeln Barsois (<strong>Perchino</strong>zucht).<br />
- Noch ein Gutsnachbar des Großfürsten, der junge<br />
Fürst Wladimir Emanuelowitsch Golizin<br />
50<br />
mit 2 Koppeln Barsois (auch <strong>Perchino</strong>zucht). - Oberst<br />
lwan Petrowitsch Mjatleff auch mit zwei Koppeln Barsois<br />
(<strong>Perchino</strong>zucht). - Der Adjutant des Großfürsten<br />
Graf Dmitri Georgiwitsch Mengden mit zwei Koppeln<br />
Barsois und zwei englischen Windhunden. - Dmitri<br />
Dmitrijewitsch Osipowsky mit zwei Koppeln roter und<br />
schwarzbrauner Barsois (<strong>Perchino</strong>- und Durasoffscher<br />
Zucht). - Artemi Konstantinowitsch Boldarjeff<br />
mit zwei Koppeln gelbscheckiger und hellgelber Barsois<br />
und seine Gemahlin Maria Alexeijewna Boldarjeff<br />
mit 2 Koppeln Barsois Boldarjeffscher Zucht,<br />
eines Barsoityps, welchen Artemi Konstantinowitsch<br />
Boldarjeff schon seit vielen Jahren pflegte. Maria<br />
Alexeijewna wird als echter Jäger, da sie in keiner
Beziehung hinter ihren <strong>Jagd</strong>kameraden zurück.steht,<br />
in <strong>Perchino</strong> hoch geschätzt. Sie reitet vorzüglich,<br />
führt tadellos ihre Koppeln und überwindet mit Leichtigkeit<br />
alle Schwierigkeiten der Parforcejagd.<br />
Außer den hier genannten Personen reiten<br />
mit den <strong>Perchino</strong>-Koppeln: Ich mit einer<br />
gelbscheckigen Koppel, Jakow Iwanowitsch Golowin<br />
mit einer rotbraunen, der Oberst Alexander Alexandrowitsch<br />
Durnowo mit einer graubraunen. - Der<br />
Leibarzt des Großfürsten Boris Sacharowitsch Malama<br />
macht alle <strong>Jagd</strong>en mit, zu denen er sich, wie<br />
er sagt: ,,selbst abkommandiert. Meist reitet er mit<br />
mir zusammen, um sich an den Treiben zu ergötzen,<br />
denen gegenüber er absolut<br />
nicht die Kaltblütigkeit<br />
des Arztes bewahrt. Außer<br />
der Koppel des Großfürsten<br />
und den Koppeln seiner<br />
beiden Leibjäger, reiten<br />
noch sieben <strong>Perchino</strong>Jäger<br />
selbständig mit, und so<br />
ziehen mit den Gästen zusammen<br />
25-28 Koppeln ins<br />
Feld. Natürlich besetzen<br />
wir und die <strong>Perchino</strong>jäger<br />
die schlechtesten Posten,<br />
da der Großfürst die besseren<br />
stets den Gästen<br />
zuteilt, wobei er sich immer<br />
bemüht, die Chancen aller<br />
Gäste auszugleichen, indem<br />
er die besten Posten<br />
den Koppeln anweist, die<br />
im vorigen Felde nichts erjagt<br />
haben.<br />
In diesem Jahre begannen<br />
die Treiben am 15.<br />
September und wie gewöhnlich verging die Zeit in<br />
<strong>Perchino</strong> zu schnell. Wir hatten uns kaum umgesehen,<br />
so war auch schon das Fest „Maria Schutz und<br />
Fürbitte“ d. h. der erste Oktober herangenaht und die<br />
Hasenjagd um <strong>Perchino</strong> herum begann. <strong>Die</strong> <strong>Jagd</strong> ist<br />
hier besonders schwer, weil die Felder zwischen Hügeln<br />
und steilen Abhängen gelegen sehr kurz sind<br />
und der Hase besonders schnell darüber wegläuft.<br />
Der 3. Oktober war dazu vorgesehen, auf den Feldern<br />
bei Nataljinka und Brussy zu treiben, eine der<br />
schönsten Umgebungen von <strong>Perchino</strong>, wo alle Inseln<br />
klein mit festem Boden und kurzen Übergangen<br />
zueinander sind, auf denen sich eine Unmenge Wild<br />
51
aufhielt. Der Anfang der <strong>Jagd</strong> war um 9 Uhr festgesetzt,<br />
alle hatten sich zu dieser Stunde auf dem Tulasdien<br />
Wege zwischen den Inseln von Nataljinka zu<br />
versammeln, die Equipagen sollten deswegen auch<br />
rechtzeitig um 8½ Uhr in <strong>Perchino</strong> vorfahren. Um 8<br />
Uhr morgens versammelten sich alle Jäger in voller<br />
<strong>Jagd</strong>ausrüstung im großen Klubzimmer des <strong>Perchino</strong>schlosses<br />
und warteten auf den Großfürsten. Wie<br />
gewöhnlich wurde über das Wetter, das <strong>Jagd</strong>terrain,<br />
die Zusammenstellung der Koppeln, von den <strong>Jagd</strong>posten<br />
usw. geplaudert, bis der <strong>Die</strong>ner mit der Meldung<br />
erschien: „Der Großfürst ist hinuntergegangen<br />
und kleidet sich an“. Alle eilten in das Vorzimmer,<br />
wo der Großfürst bereits im <strong>Jagd</strong>kostüm eben seine<br />
<strong>Jagd</strong>ausrüstung, den Ledergürtel mit dem Dolche,<br />
die Koppel und das <strong>Jagd</strong>horn anlegt und dabei die<br />
Gäste begrüßte. Darauf warfen alle ihre <strong>Jagd</strong>mäntel<br />
um und gingen nach dem Großfürsten zu ihren Wagen.<br />
Schon auf dem Wege konnte man bemerken,<br />
dass das Treiben schwer werden würde. Der Tag war<br />
trübe, vom Himmel schneite es leicht, dabei hatte der<br />
Nachtfrost nachgelassen, auf einigen Feldern war es<br />
glatt, auf andern so schmutzig, dass die Pfoten der<br />
Hunde aussahen, als wären sie mit Pasteln (Bauernschuhwerk)<br />
bekleidet. Unwillkürlich kamen den<br />
Jägern Zweifel, bald sahen sie misstrauisch auf den<br />
52
Erdboden, bald zum Himmel hinauf, dessen schwere<br />
graue Wolken mit Regen drohten.<br />
Endlich war der große Weg zwischen 2 Inseln<br />
auf Nataljinka erreicht und die Gespanne hielten vor<br />
der schon in Erwartung stehenden Großfürstlichen<br />
<strong>Jagd</strong>. Hell bliesen die Hörner ,,Willkommen“ und die<br />
Barsois zerrten freudig an ihren Koppeln, da sie es<br />
wohl fühlten: jetzt fängt sofort das Treiben an. - <strong>Die</strong><br />
Parforcemeute auf eine Stelle zusammengetrieben,<br />
frei ohne Halsbänder wie immer, wedelten mit den<br />
Schwänzen und bitten um Arbeit. <strong>Die</strong> Hunde der<br />
Gäste stehen abwärts, alle eilen zu ihren Koppeln<br />
und setzen sich auf ihre Pferde. Der Großfürst nimmt<br />
zwei Hunde an seine Koppel und begibt sich auf seinen<br />
ständigen Posten. Alle Gäste, die ihre Posten<br />
ebenfalls kennen, reiten auf die linke Seite der Insel,<br />
um sie zu umkreisen, und wir anderen mit den <strong>Perchino</strong>koppeln<br />
reiten nach rechts. - An meiner Koppel<br />
führte ich zwei Rüden, den einjährigen „Urywai“<br />
ihn in das Feld zurück. Wie ein Viergespann jagten<br />
sie ihm nach, und als er versuchte, der Schlucht zuzuflüchten,<br />
ergriff ihn ,,Naljot“ der von dieser Seite<br />
aus lief. Unterdessen arbeitete die Parforcemeute<br />
schon auf der Insel und die prächtig klingenden<br />
Stimmen der gelbscheckigen Meute belebten mit<br />
einem Male den schläfrigen grauen Herbstmorgen<br />
und brachten Leben in die ganze schweigende Umgebung.<br />
Von meinem Posten aus, den ich eiligst<br />
eingenommen hatte, konnte icn nicht viel überblicken,<br />
aber nach den Stimmen der Parforcehunde<br />
erriet ich, wohin die Meute trieb und hörte aus der<br />
Entfernung die die Hunde aufmunternden Ausrufe<br />
der treibenden Jäger: ,,Packe ihn - u - ach!“<br />
Auf der ersten Insel Nataljinka, welche dicht<br />
neben dem Dorfe desselben Namens liegt, sind immer<br />
wenig Hasen und bald ertönte das Horn: ,,abtreten“.<br />
- Als ich mich eben anschickte, meinen Posten<br />
zu verlassen, erblickte ich vor mir ein Treiben. Drei<br />
und den zweijährigen „Naljot“, mein Jäger hinter<br />
mir, führte den dreijährigen ,,Diwni“ und den einjährigen<br />
„Melkai“. Alle diese Hunde treiben vorzüglich<br />
und verstärken den Ruhm ihrer Vorfahren, der<br />
Rüden „Kidni“, „Tscharodjei“ und ,,Serdjetschny I“.<br />
Eben war ich zu dem Winkel der Insel gelangt,<br />
den ich umreiten musste, um auf den engen Feldstreifen<br />
zu kommen, welcher die Insel von der parallel<br />
mit ihr gehenden Schlucht trennt, als sich vom Felde<br />
ein Hase, den die Parforcemeute aufgeschreckt<br />
hatte, erhob und vor meinen Hunden großen Vorsprung<br />
gewinnend, sich der Insel zuwandte. Meine<br />
Rüden schnitten ihm aber den Weg ab und trieben<br />
schwarzbraune Hunde, die Koppel von J. I. Golowin<br />
jagte einem Hasen nach, der den Hügel hinauf<br />
rannte. Das Treiben ging über das Saatfeld und die<br />
Hunde glitschten auf dem klebrigen Boden aus und<br />
konnten den Hasen nicht festnehmen, sondern jagten<br />
hinter ihm den Hügel hinauf. Da ich wusste, dass<br />
der Hase unbedingt auf die Insel kommen würde, so<br />
ritt ich vor und begegnete ihn, als er schon allein, die<br />
Hunde im Gesträuche zurücklassend, auf meinem<br />
Feldstreifen erschien: Wie eine Kugel flog ,,Urywai“<br />
und trieb den Hasen ,,Naljot“ zu, so dass ihn beide<br />
Rüden gleichzeitig fassten. Es war recht angenehm,<br />
einen so prächtigen Hasen, den zwei flinke Rüden<br />
53
meinem Posten zurücklassend, setzte ich eben mein<br />
Pferd in Bewegung, als ich weit vor mir auf dem Saatfelde<br />
einen Hasen erblickte, der den Hügel hinauf<br />
zum Walde zustrebte. Da ich wusste, wie schwer es<br />
ist auf dem Saatfelde bei dem aufgeweichten Boden<br />
zu treiben, so schonte ich meine Rüden und ließ den<br />
Hasen laufen. Darauf sah ich, dass links von mir zwei<br />
Koppeln jagten, die Koppel von Durnowo zum Walde<br />
hin, die Koppel Golowins ins Feld. Schön sah sich<br />
das Treiben der grauschwarzen Koppel Durnowos<br />
an, welche den Hasen noch vor der Insel einholte<br />
auf kurzem Felde gestellt, an seine <strong>Jagd</strong>tasche hängen<br />
zu können.<br />
Auf der zweiten Insel bei Nataljinka sind immer<br />
viele Hasen, und die Parforcemeute jagte wie<br />
unbändig über die Insel einen Hasen nach dem anderen<br />
aus allen Ecken aufscheuchend. Ich stand<br />
auf freiem Saatfelde, weit von der Waldkante ab und<br />
konnte recnts die Koppeln des Großfürsten und seiner<br />
beiden Leibjäger sehen und links die Koppeln von<br />
A. A. Durnowo und J. I. Golowin. Der erste Hase lief<br />
zum Großfürsten, aber als er die freigelassenen Hunde<br />
erblickte, drehte er um und jagte aus allen Kräften<br />
zum Walde zurück. Es war schwer den Hasen<br />
über das Saatfeld zu erreichen und einen Augenblick<br />
schien es mir, als würde der Hase der schnellsten<br />
gelbscheckigen Koppel des Großfürsten und seinem<br />
englischen Windhunde entweichen, aber hier überholte<br />
der Engländer die etwas schwer gewordenen<br />
Barsoirüden und nahm mit der leichten Barsoihündin<br />
,,Tscherkisa“ ganz unten am Abhange den Hasen,<br />
dem sie von zwei Seiten den Weg abgeschnitten hatten.<br />
Noch mehr nach rechts zeigten sich die drei<br />
Rüden von Frau M. A. Boldarjeff, die ebenfalls einen<br />
Hasen am Rande des Hügels einholten und sofort<br />
ergriffen. Ich beschloss, etwas näher zum Posten<br />
des Großfürsten zu rücken und meinen Jäger auf<br />
und fing. Gleich darauf sprang der Jäger Golowins<br />
vom Pferde ab, also auch die Koppel Golowins hatte<br />
einen Hasen erlegt.<br />
So wurde die Stimmung immer besser, es war<br />
also doch möglich, über das Saatfeld zu treiben,<br />
trotzdem es den Hunden schwer fiel. Meinem Posten<br />
liefen keine Hasen zu, sondern zeigten sich nur am<br />
Waldessaum. Ein Hase wollte an dem Posten des<br />
Großfürsten vorbei zur Brussowschen Schlucht hinunter,<br />
aber die grauscheckigen, der einjährige ,,Warwar“,<br />
und die zweijährige „Krasotka“ gestatteten ihm<br />
nicht allzuweit zu laufen, sondern ergriffen ihn noch<br />
vor der Schlucht. Endlich blies der Großfürst wieder<br />
ins Horn, und die Koppeln begaben sich auf die<br />
Bnissowsche Insel, um dort zu treiben. Ich musste<br />
mich beeilen, um auf die andere Seite, vis-a-vis dem<br />
54
Soboleffschen Walde herüberzukommen und kaum<br />
hatte ich meinen Posten besetzt, als sich bereits ein<br />
Hase auf demselben zeigte.<br />
Wieder ging das Treiben über das Saatfeld und<br />
lange mussten sich meine Hunde quälen, bevor sie<br />
ihn fingen, was ihnen erst gelang, nachdem sie ihn<br />
auf die Wiese getrieben hatten, wo sie ihn ungeachtet<br />
des steilen Hügels bergab vor der Schlucht ergriffen.<br />
Mein Jäger sprang eben hinzu, um den Hunden den<br />
Hasen abzunehmen, als sich schon wieder ein Hase<br />
zeigte, den meine Hunde erfassten, bevor er den Soboleffschen<br />
Wald erreichte. <strong>Die</strong> Parforcemeute jagte<br />
hintereinander zwei Hasen auf das Feld Nataljinka,<br />
wo alle herrschaftlichen Koppeln aufgestellt waren,<br />
und beide Hasen wurden ergriffen. A. A. Durnowos<br />
Koppel verfolgte einen Hasen über das Saatfeld, wel<br />
cher ebenfalls in die <strong>Jagd</strong>tasche kam.<br />
Bei der zweiten Brussowschen Schlucht befand<br />
sich mein Posten hinter einem Hügel, so dass<br />
ich den untersten Teil der Schlucht überblicken<br />
konnte und beurteilen, wie meisterhaft die Parforcemeute<br />
arbeitete. Man sah von meinem Posten, wie<br />
die Hasen aus ihren Schlupfwinkeln über die<br />
Seitengräben sprangen und jedesmal von der Meute<br />
richtig aufs freie Feld hinausgetrieben wurden. <strong>Die</strong><br />
Schlucht ist nicht breit und trotzdem das Feld hinter<br />
der Schlucht nicht zu sehen ist, ist doch jedes Treiben<br />
hörbar. Hier setzt mit heller Stimme Jakow der<br />
Leibjäger des Großfürsten und man hört sein freudiges<br />
„Oh - go - go - uh!“ - jetzt tönt der kräftige Bass<br />
des Generals Grunwald: „Achtung, links“ und weiter<br />
die energische Stimme des Grafen Mengden „Hallo“!<br />
<strong>Die</strong> Hasen rennen nach allen Richtungen und man<br />
hört das Buschwerk knacken, in welches die Barsois<br />
die Hasen verfolgen. Mitunter ertönt auch ein trauriges:<br />
„zurück, hierher“, das Zeichen, dass der Hase<br />
entwischt ist.<br />
Wieder erschallt das Horn und alle fahren jetzt<br />
auf das Brussowsche Vorwerk, wo das Frühstück bestellt<br />
ist. Schnell füllt sich der große Hof mit Pferden<br />
und Hunden. <strong>Die</strong> von den Pferden abgesprungenen<br />
Jäger nähern sich der Gemahlin des Erlauchten Wirtes,<br />
der Großfürstin Anastasie Nikolajewna, welche<br />
aus <strong>Perchino</strong> hierher gekommen ist, um von hier aus<br />
alle Koppeln und das Treiben zu sehen. Nachdem die<br />
Großfürstin alle begrüßt hatte, erkundigte sie sich bei<br />
Maria Alexeijewna Boldarjeff nach deren <strong>Jagd</strong>glücke<br />
und hörte darauf mit Interesse den lebhaften Erzählungen<br />
der glücklichen Jäger zu. Jeder hat einige<br />
Hasen in seiner <strong>Jagd</strong>tasche, und die paar missglückten<br />
Treiben verderben niemand die Stimmung,<br />
sondern verleihen im Gegenteil der Unterhaltung<br />
noch mehr Reiz. Gut gelungene Angriffe werden mit<br />
ebenso guten Rechtfertigungen pariert und es werden<br />
Beispiele von bewunderungswürdigen Treiben<br />
55
und Fängen einer jeden Koppel hervorgehoben. Alle<br />
waren zufrieden, das Wetter hatte sich aufgeklärt, ein<br />
leichter Wind den Boden getrocknet und vor uns lag<br />
die Hoffnung, noch so manches Wild zu erjagen und<br />
unsere <strong>Jagd</strong>leidenschaft zu befriedigen.<br />
Nach dem Frühstücke nahmen die Koppeln<br />
vom Hofe des Vorwerks ihren Posten ein, wobei sie<br />
den Brussowschen Sumpf umkreisten, welcher zwischen<br />
den Wiesen am Ufer der Upa liegt. <strong>Die</strong> Felder<br />
gehen vom Sumpfe an bergauf und daher sind von<br />
jedem Posten aus alle Koppeln zu sehen. Trotzdem<br />
ist es sehr schwer, den Barsois das Wild zu zeigen,<br />
denn die Felder steigen auf steilen Hügeln empor,<br />
oder ziehen sich am Abhange hinunter. Man muss<br />
hinter dem Kamme des Hügels stehen, damit die<br />
der Pforte des Vorwerkhofes bis hinunter zum Ufer<br />
der Upa auf. Der Großfürst besetzte seinen ständigen<br />
Posten auf dem Felde, welches sich längs<br />
dem Soboleffschen Walde hinzieht. Zwischen dem<br />
Vorwerke und den Koppeln des Großfürsten nahm<br />
ich Posten, rechts vom Großfürsten zogen sich die<br />
<strong>Perchino</strong>koppeln bis zum Flussufer hinunter und<br />
dort, wo sich die Wiesen durch eine kleine Anhöhe<br />
teilen, hinter den Strohschobern, hatte Frau M.A.<br />
Boldarjeff Aufstellung genommen. An diesen Strohschobern<br />
liebte das Wild vorüberzulaufen, um sich in<br />
das Feld zu begeben.<br />
<strong>Die</strong> Parforcereiter führten die Meute vom Flusse<br />
aus zum Sumpfe hinunter, welcher dicht mit Schilf<br />
und Steppengras bewachsen ist. Sofort ging einer<br />
Barsois das Feld nicht sehen können, auf welches<br />
das Wild hinausgetrieben wird, dabei muss man<br />
aber verstehen, der Koppel, die treiben soll, das Wild<br />
rechtzeitig zu zeigen, sonst kann dasselbe wieder<br />
zurück.laufen, oder sich in die Brussowsche Schlucht<br />
flüchten.<br />
Das Feld zum Soboleffschen Walde hin ist größer<br />
und ein wenig senkrecht, fast flach gelegen, aber<br />
der ganze Boden desselben ist mit tiefen Furchen,<br />
wie die Falten einer Ziehharmonika, bedeckt. Es kamen<br />
daher FäIle vor, dass ein heißblütiger Reiter, der<br />
seinen Hunden das Wild vom Pferde aus zeigte, weil<br />
er hier auf das offene Feld rechnet, sich stark irrte<br />
und den Hasen in den Erdfurchen verlor, wobei jedoch<br />
der erfahrene Jäger vom Nachbarposten hinzueilte,<br />
dessen Koppel dann auch das Wild vor der<br />
Nase des verblüfften Reiters festnahm.<br />
Alle herrschaftlichen Koppeln stellten sich von<br />
der Parforcehunde in den Sumpf, die andern gingen<br />
nach und unter dem Donner von 40 Stirnmen schien<br />
der ganze Sumpf sich zu bewegen, drehte und<br />
schaukelte sich und aus seinen Verstecken flohen<br />
die Hasen nach allen Seiten. Auf dem Felde hinter<br />
der Brussowschen Schlucht wurde es lebendig. Eine<br />
Koppel trieb zum Sumpfe, die andere zur Schlucht,<br />
eben stellte die Koppel des Grafen Mengden einen<br />
Hasen, so dass derselbe nicht vorwärts konnte, und<br />
der Sieger der Probejagden, der rotbraune Rüde<br />
,,Poraschai“ ihn ergriff. Weiterhin strebte ein verirrter<br />
Fuchs dem Vorwerke zu, gerade an der Equipage<br />
vorüber, aus welcher die Großfürstin der <strong>Jagd</strong> zusah,<br />
und schon hatte ihn die Koppel D. D. Osipowskys<br />
gefangen. Dort befestigten die Jägergehilfen<br />
von Mjatleff einen Hasen an ihre <strong>Jagd</strong>tasche, während<br />
die Koppeln schon wieder einem Fuchse nachjagten<br />
welcher sich eben an der Schlucht gezeigt<br />
56
hatte und den die Meute verfolgte. Auf offenem Felde<br />
treibt eine <strong>Perchino</strong>koppel einen Hasen dem Walde<br />
zu, und soeben erscheint Frau M. A. Boldarjeff vor<br />
den Strohschobern und hetzt ihre Hunde auf einen<br />
Hasen ins Feld. Hier rettet sich eine Füchsin vor der<br />
ihr nachtreibenden Meute, sie umkreist den Sumpf,<br />
läuft über die Wiese, auf einer Ecke bleibt sie eine<br />
Sekunde lang stehen, kehrt zurück, um an dem Posten<br />
des Großfürsten vorüber in den Soboleffschen<br />
Wald zu eilen. Wie ein rotes Band schimmert sie<br />
über die Wiesen und steigt immer höher und höher<br />
den Hügel hinauf, gleich einem Schwarme weißer<br />
Schwäne treiben die Parforcehunde ihr nach und jagen<br />
sie über das Feld, jetzt zeigen sich die Parforcejäger<br />
in ihren roten Röcken und versuchen, die Meute<br />
zu umkreisen und zurückzutreiben: ,,bleibt stehen,<br />
halt, zurück!“<br />
57
Jetzt reitet auch der Großfürst nach rechts, der<br />
Füchsin folgend und ihre Richtung kreuzend spornt<br />
er seinen Kabardiner zur Karriere an und zeigt den<br />
freigelassenen Hunden das Wild. Man sieht, wie<br />
heißblütig die Hunde sich losreißen und sie fliegen,<br />
endlich von der fesselnden Koppel befreit, hinter der<br />
verhassten Gevatterin her. Nur einmal gelingt es ihr,<br />
sich den Hunden zu entwinden, indem sie den bauschigen<br />
Schwanz wendet, aber schon haben sie die<br />
flinken Hunde erreicht. - <strong>Die</strong> Meute haben inzwischen<br />
die Reiter zum Stehen gebracht und noch einmal<br />
zum Sumpfe zurückgetrieben, aber in demselben<br />
war bereits alles leer, als würde er mit einem Besen<br />
ausgefegt sein. - Nach dem Sumpfe wurden noch<br />
zwei Felder vor dem Soboleffschen Walde umkreist<br />
und noch einige Hasen gefangen. Damit war dieser<br />
gelungene <strong>Jagd</strong>tag beendet, und nachdem man die<br />
Parforcehündin, welche als erste hinter dem Hasen<br />
auf das Feld gekommen war, so eifrig den Barsois<br />
im Treiben half, dass sie auf einer Wendung den<br />
Hasen selbst erwischte. An diesem einen <strong>Jagd</strong>tage<br />
wurden 2 Füchse, 29 braune und 7 weiße Hasen gefangen.<br />
Wahrend der ganzen <strong>Jagd</strong>periode vom 15.<br />
September bis 10. Oktober, wo der erste starke Frost<br />
anbrach und der Großfürst nach Petersburg zurückkehren<br />
musste, wurden 57 Füchse, 361 braune und<br />
165 weiße Hasen erlegt.<br />
Schlusswort<br />
Koppeln den Jägern übergeben hatte, ging es über<br />
die Wiesen in leichtem Trabe nach <strong>Perchino</strong> zurück,<br />
welches vor unseren Blicken hinter der silberschimmernden<br />
Upa prangte.<br />
Ein Beispiel von der Kraft und Standhaftigkeit<br />
der Parforcemeute will ich noch von dieser letzten<br />
<strong>Jagd</strong> erzählen. Nachdem das Treiben auf gefrorenem<br />
Boden einen ganzen Tag hindurch angedauert<br />
hatte, wobei die Meute ohne auszuruhen arbeitete,<br />
wurde zuletzt noch ein Hase aus der Schlucht aufgescheucht<br />
und von den Parforcehunden in das<br />
Feld getrieben, wo Frau M. A. Boldarjeff ihre Koppel<br />
auf den Hasen hetzte, wobei die gelbscheckige<br />
Ich weiß nicht, ob es mir mit diesem Werke<br />
gelungen ist, meine Aufgabe zu lösen, d. h. den<br />
Leser mit der Einrichtung und den Gebräuchen der<br />
<strong>Perchino</strong>jagd, ihren Hunderassen und Treibjagden<br />
bekannt zu machen. Ich habe mir redliche Mühe gegeben,<br />
mich kurz zu fassen und dabei doch ein wahrheitsgetreues<br />
Bild von alledem zu entwerfen, was in<br />
dieser <strong>Jagd</strong> den echten Barsoijäger und Liebhaber<br />
dieser Rasse interessieren kann.<br />
Meine zwanzigjährige ständige Mitwirkung<br />
in dieser <strong>Jagd</strong>, welche mir seit ihrem Einzugstag in<br />
<strong>Perchino</strong> bekannt ist (1887 wurde ich von Seiner<br />
Kaiserlichen Hoheit dem Großfürsten mit meinen 5<br />
58
Barsoikoppeln zur <strong>Jagd</strong> in das Gouvernement Tamboff<br />
eingeladen. Nachdem die Treiben in Tamboff<br />
beendet waren, zog die großfürstliche <strong>Jagd</strong> nach<br />
<strong>Perchino</strong>, wo sie die Herbsttreiben fortsetzte und nach<br />
Beendigung derselben ständig Wohnsitz in <strong>Perchino</strong><br />
nahm) und der Genuss, den mir die <strong>Perchino</strong>jagden<br />
jedesmal bereiteten, konnten vielleicht auf mich<br />
einwirken und daher meine Ansicht darüber parteiisch<br />
gestalten. <strong>Die</strong>ses Letztere befürchtend, habe ich<br />
mich bemüht, frei von allen persönlichen Empfindungen<br />
und ohne jegliche Verschönerung alles mit<br />
der Trockenheit<br />
eines Chronisten<br />
zu beschreiben.<br />
Wie weit mir dieses<br />
gelungen<br />
ist, überlasse ich<br />
dem Leser zu beurteilen.<br />
Aber damit<br />
dieses Urteil<br />
kein allzu strenges<br />
wird, will ich<br />
hier eine kurze<br />
Beschreibung der<br />
<strong>Perchino</strong>jagd des<br />
berühmten Barsoijägers<br />
Wladimir<br />
Dmitrijewitsch<br />
Sonzeff anführen,<br />
der durch nichts<br />
mit der <strong>Perchino</strong>jagd<br />
verbunden,<br />
dieselbe erst seit<br />
1910 zur Zeit der<br />
Frühjahrsprobejagden<br />
kennen<br />
lernte und sie<br />
darauf in einem<br />
sehr interessanten,<br />
von ihm<br />
selbst herausgegebenen<br />
Buche<br />
unter dem Titel<br />
„<strong>Perchino</strong>treiben<br />
1910“, beschrieben<br />
hat. Es heißt<br />
darin: „Mein Bericht<br />
würde lange<br />
kein ausführlicher<br />
sein, wenn ich mit meinen <strong>Jagd</strong>kameraden nicht den<br />
tiefen Eindruck teilen wollte, den auf mich die Hunde<br />
der <strong>Perchino</strong>jagd Seiner Kaiserlichen Hoheit des<br />
Großfürsten Nikolai Nikolaijewitsch gemacht haben.<br />
Dank der liebenswürdigen Gastfreundschaft des Erlauchten<br />
Wirtes hatten wir Barsoijäger die Möglichkeit,<br />
bis in die kleinsten Details mit dem Bestände<br />
und der Art der <strong>Perchino</strong>jagd bekannt zu werden. Alle<br />
Barsois wurden zuerst an der Koppel im großen Hundehofe<br />
vorgeführt, darauf wurden uns die Parforcemeuten<br />
in zwei kompletten <strong>Jagd</strong>en mit Reitern, Barsoiführern,<br />
Aufsehern usw. geordnet, gezeigt, und<br />
zuletzt am Abend konnten wir die Barsois einzeln im<br />
kleinen Klubsaal des <strong>Perchino</strong>schlosses besichtigen.<br />
Es scheint auf den ersten Blick, dass bei viermaliger<br />
Besichtigung der Hunde an einem Tage dieses vollkommen<br />
genügt, um sie im Detail kennen zu lernen,<br />
aber in Wirklichkeit, wenn man die Quantität berücksichtigt<br />
(über 120 Koppeln) und den überwältigenden<br />
Eindruck, den diese Menge unendlich rassiger Tiere<br />
auf einen macht,<br />
wird man zu dem<br />
Beschlusse kommen,<br />
dass, um<br />
diese einzig in der<br />
Welt dastehende<br />
<strong>Jagd</strong> zu beschreiben,<br />
man ihr eine<br />
geraume Zeit<br />
widmen müsste.<br />
<strong>Die</strong> Jäger,<br />
welche 1910 auf<br />
den Probejagden<br />
in <strong>Perchino</strong><br />
waren, hatten<br />
die Möglichkeit,<br />
die Hunde nicht<br />
nur während ihrer<br />
Vorführung,<br />
sondern auch<br />
auf dem Felde<br />
während ihrer<br />
Arbeit zu sehen,<br />
und der unvergessliche<br />
Eindruck,<br />
den ihre<br />
außergewöhnliche<br />
Schnelligkeit,<br />
wie ihre anderen<br />
<strong>Jagd</strong>leistungen<br />
machten, verstärkte<br />
noch die<br />
hohe Anerkennung,<br />
welche sie<br />
durch ihre Schönheit<br />
und ihr rassiges<br />
Exterieur gewonnen<br />
hatten.<br />
<strong>Die</strong> Probejagden in <strong>Perchino</strong> haben auf mich einen<br />
überwältigenden Eindruck gemacht, und ich bin überzeugt<br />
davon, daß derjenige, welcher den <strong>Perchino</strong>windhund<br />
in seinem prächtigen Wellhaar gesehen,<br />
wenn er mit Riesensprüngen an dem wie eine Kugel<br />
fliegenden Engländer vorüberjagt und ungeachtet<br />
seiner neunzehn Werschok Höhe mit Leichtigkeit den<br />
flinken Hasen fasst, dieses Bild für immer in seinem<br />
Gedächtnis behalten wird, und wenn er solch einen<br />
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Rüden in irgend einem Barsoizwinger antrifft, demselben<br />
ganz besondere Sympathie, Aufmerksamkeit<br />
und Achtung entgegenbringen wird.<br />
Ein prächtiges Bild bot die graurote Perforcemeute<br />
im vollen <strong>Jagd</strong>aufzuge. Zu beiden Seiten die<br />
Barsoiführer zu Pferde, mit den Hunden dunkler<br />
Farben an der Koppel, 17 Koppeln (51 Barsois),<br />
nach denselben konstruierte sich die gelbscheckige<br />
Meute, zu deren Seiten sich die Barsoiführer mit den<br />
Hunden heller Farbe aufstellten. Gleich einem Echo<br />
aus früherer, besserer Zeit erklang der Ruf der hellen<br />
<strong>Jagd</strong>hörner, wie gemeißelt standen Pferde und Menschen<br />
und neben ihnen in malerischen Posen die<br />
von Kennern zusammengestellten Barsoikoppeln.<br />
Das ganze Bild wurde von den Strahlen der untergehenden<br />
Sonne beleuchtet und hob sich eigenartig<br />
vom Fond der Dorflandschaft ab, eine solche Kraft<br />
ausatmend und einen solchen Reiz ausübend, die<br />
nur von dem Jäger voll verstanden wird. Wir standen<br />
und schwiegen und unsere Phantasie trug uns in die<br />
Herbstwälder und Felder, wo das Glockenhellen dieser<br />
Meute erschallte und die schnellen Barsois nach<br />
den flinken Hasen jagten.<br />
Uns näherte sich ein alter Barsoijäger und<br />
sagte leise: „So etwas, meine Herrschaften, sehen<br />
Sie jetzt nirgends mehr.“ „Und existierte überhaupt<br />
jemals etwas derartiges auf der Welt“, entgegnete einer<br />
von uns.“<br />
(<strong>Perchino</strong>-Probetreiben 1910.) W. D. Sonzeff.<br />
Nach dieser bildlichen Beschreibung des berühmten<br />
Barsoijägers erblassen meine Aufzeichnungen<br />
und keiner wird mir den Vorwurf machen können,<br />
dass ich mich bei Beschreibung der <strong>Perchino</strong>jagd<br />
durch eigene Gefühle habe hinreißen lassen.<br />
Zum Schlusse will ich nur noch sagen, dass,<br />
wenn eine solche <strong>Jagd</strong>, wie die <strong>Perchino</strong>jagd, im<br />
Auslande existieren würde, z. B. in England, so würde<br />
sie im ganzen Lande bekannt sein und einen nationalen<br />
Stolz bilden. Aber bei uns in Russland kennt<br />
diese große nationale <strong>Jagd</strong> nur ein kleiner Kreis von<br />
Jägern. Viele Barsoijäger haben sie nie gesehen,<br />
nicht einmal das Interesse dafür gezeigt, sie kennenzulernen,<br />
trotzdem der Erlauchte Besitzer schon<br />
längst die Erlaubnis erteilt hat, allen sich für dieselbe<br />
interessierenden Personen die Hunde, wie auch den<br />
ganzen <strong>Jagd</strong>bestand zu zeigen, freilich in Grenzen,<br />
die den regelmäßigen <strong>Jagd</strong>betrieb nicht schädigen<br />
können.<br />
Ausländer aus Deutschland, Belgien, Frankreich<br />
und Amerika besuchten diese <strong>Jagd</strong>. Amerikaner<br />
kauften sogar in derselben Hunde, wie ich bereits<br />
mitteilte, aber aus Russland besuchten die <strong>Jagd</strong><br />
nur die Gutsnachbarn von <strong>Perchino</strong> oder die persönlichen<br />
Bekannten des Großfürsten, und wieviele<br />
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Barsoijäger kenne ich selbst, die nie einen <strong>Perchino</strong>hund<br />
gesehen haben.<br />
<strong>Die</strong> Antwort, dass den meisten Jägern es nicht<br />
bekannt ist, dass es gestattet ist, die <strong>Perchino</strong>jagd zu<br />
besichtigen, ist keine Rechtfertigung.<br />
<strong>Die</strong> Deutschen, Belgier, Franzosen und Amerikaner<br />
haben es trotz der Entfernung, der Unkenntnis<br />
der Sprache und vieler anderer Schwierigkeiten<br />
verstanden, alles dieses zu überwinden, um die<br />
<strong>Perchino</strong>jagd kennen zu lernen, von deren Werte<br />
sie in ihren Sportblättern gelesen hatten und von der<br />
ihnen ihre Preisrichter, welche auf unsere Moskauer<br />
und Petersburger Hundeausstellungen eingeladen<br />
worden waren, erzählten.<br />
Wenn man bedenkt, wieviel Arbeit und Mittel<br />
angewandt worden sind, um die hier beschriebenen<br />
Resultate zu erzielen, so stimmt es einen unwillkürlich<br />
traurig, wie wenig unsere russischen Jäger davon<br />
Nutzen ziehen, und wieviel Nutzen könnten sie<br />
sich und der von ihnen geliebten <strong>Jagd</strong> bringen, wenn<br />
sie mit der kompletten <strong>Perchino</strong>jagd in nähere Berührung<br />
treten würden, einer <strong>Jagd</strong>, die alle Traditionen<br />
dieses alten, heimatlichen, russischen Sportes pflegt.<br />
<strong>Die</strong> <strong>Perchino</strong>jagd hat vom Jahre 1887 bis 1913<br />
10 080 Stück Wild erlegt, darunter: Wölfe 681 (davon<br />
56 alte einheimische), Füchse 743, Hasen braune<br />
4630, Hasen weiße 4026.<br />
St. Petersburg, den 20. Dezember 1912.<br />
Dmitri Walzoff.<br />
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Kopfstudien um 1900<br />
von Barsois aus den Zuchtstätten<br />
der jeweiligen Jäger<br />
info@khschulz.de<br />
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