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Die-Perchino-Jagd

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dIE PERCHINO-jagd<br />

Seiner Kaiserlichen Hoheit des Großfürsten<br />

NIkOlaI NIkOlaIjEwItsCH<br />

im Dorfe <strong>Perchino</strong><br />

Gouvernement Tula von 1887-1912<br />

von<br />

ExzEllENz dmItRI walzOff<br />

Ins Deutsche übersetzt von<br />

Elisabeth von Lichatcheff 1921<br />

Überarbeitung mit zusätzlichen Bildern von<br />

Dipl.-Ing. Karl-Heinz Schulz 2024<br />

1


2


Inhaltsverzeichnis<br />

Seite<br />

Vorwort der Übersetzerin 4<br />

Einleitung Dmitri Walzoff 5<br />

PERCHINO 8<br />

<strong>Perchino</strong> <strong>Jagd</strong>hof 12<br />

Welpenzucht 17<br />

Bestand der <strong>Perchino</strong>jagd 20<br />

Geschichte der <strong>Perchino</strong>jagd 23<br />

<strong>Jagd</strong>betrieb 33<br />

<strong>Perchino</strong> Wolfstreiben 42<br />

Ein <strong>Jagd</strong>tag in <strong>Perchino</strong> 50<br />

Schlusswort Dmitri Walzoff 58<br />

Kopf- und Standstudien von 1874-1879 62<br />

Seite 2: Airbrush von Annett Kitsche: Bojar von Chrima-Hyvadora (Z: M u. Chr. Langer)<br />

Rückseite: Zeichnung von Carolin, unserer Tochter: Ischyma Zarah Leander (Z: Evelyn Kirsch)<br />

Es war mir eine große Freude diese Veröffentlichung aus den Anfängen der geregelten russischen Barsoizucht<br />

digitalisieren zu können, denn die meisten Schriften beginnen erst ab dem 1. Weltkrieg, und dann<br />

bereits setzte die russische Oktoberrevolution 1917 der dortigen Barsoi-Zucht ein schreckliches Ende, das in<br />

vollständiger Zerstörung und Aufreibung der schnellen und schönen Rasse endete. Erst in den 1930er Jahren<br />

gründete die Regierung der Sowjetunion offizielle Zuchtstätten, um die nationale Rasse wiederherzustellen.<br />

Der 2. Weltkrieg tat dann ein Übriges. Bei meinen Treffen mit Tarik (aka Tariel Varlamovitsch Gabidsaschwili,<br />

russ. Tiertrainer, Bären-Trainer, Barsoi-Liebhaber und Filmschaffender), der für den russischen Film „Krieg<br />

und Frieden“ (Bondartschuk 1965 - 1967) den Auftrag hatte, Barsois in Russland zu rekrutieren, erzählte er<br />

mir, nur 18 vorzeigbare Barsois im ganzen Land gefunden zu haben. <strong>Die</strong> Rasse hatte sich bis dahin noch<br />

nicht wieder erholt. Umso mehr erfreut es dann zu sehen, dass durch die Re-Importe aus Westeuropa und<br />

den USA sich auch in Russland die Barsois bestens erholt haben und auf einem hohen Niveau befinden. Jedoch<br />

liegt der Fokus der russischen Züchter mehr auf den jagdlichen Qualitäten dieses pfeilschnellen Jägers,<br />

während in den westeuropäischen Ländern der alte Anspruch an die <strong>Perchino</strong>-Barsois favorisiert wird: „Adel<br />

und Eleganz, gepaart mit Kraft und Schnelligkeit bei vorbildlicher Ausgeglichenheit der Proportionen und<br />

imponierender Größe, glänzendem, seidigen Haarkleid, fein gemeißeltem, rassigen Kopf“. Aber auch hierbei<br />

gilt was Tarik immer sagte: „Ein Barsoi jagt oder er ruht“. Er liebt das Rennen und das Coursing genauso wie<br />

das heimische Sofa und ist ein angenehmer, sanftmütiger Begleiter, der Ruhe und Gelassenheit ausstrahlt.<br />

Wir lieben unseren wunderschönen, freundlichen und menschenbezogenen Barsoi.<br />

3


Vorwort der Übersetzerin<br />

In diesem Jahre 1921 wurde ich von Herrn<br />

Richard Kallmeyer, Vorsitzender des Deutschen<br />

Verbandes der Windhundfreunde, aufgefordert,<br />

das Werk von Exzellenz Walzoff „<strong>Die</strong> Barsoijagd in<br />

<strong>Perchino</strong>“ zu übersetzen. Acht Jahre sind verstrichen,<br />

seit dieses Buch in Petersburg erschien und<br />

damals bei vielen Barsoijägern und Freunden dieser<br />

Rasse Gefallen gefunden hat. Ich selbst habe es<br />

1912 auch mit viel Interesse gelesen, umso mehr,<br />

da ich die Hunde der <strong>Perchino</strong>jagd, wie auch die<br />

Hunde der meisten in ihm beschriebenen Personen<br />

von den Ausstellungen her kannte und selbst<br />

im Besitze mehrerer hoch prämierter Hunde war.<br />

Bevor ich das Buch übersetzte, habe ich es<br />

von neuem und jetzt mit viel Wehmut durchgelesen,<br />

weil ich weiß, dass die schöne <strong>Perchino</strong>jagd zerstört<br />

ist und auch niemals mehr auferstehen wird.<br />

Damals 1912 ahnten wohl die wenigsten Leute in<br />

Russland etwas von dem herannahenden Unglück. -<br />

dem Kriege - und der ihm folgenden Revolution. Wir<br />

Russen sind überhaupt leichtsinnig und glauben so<br />

ungern an das Unangenehme. <strong>Die</strong> Revolution hat<br />

viele von uns obdach- und brotlos gemacht, sie hat<br />

auch das schöne <strong>Perchino</strong> nicht verschont, sondern<br />

wie Tausende von anderen Gütern verheert und verwüstet.<br />

Was wohl mit den Hunden geschehen ist?<br />

Erschossen als dekadentes Wahrzeichen mit ihren<br />

Betreuern, ausgerottet und verhungert, wo Menschen<br />

so viel leiden, vergisst man die Tiere ganz,<br />

trotzdem nur sie allein keine Schuld an dem was<br />

vorgeht tragen. Ich habe selbst viel schweres Leid<br />

hinter mir, aber doch, es tut mir so weh, wenn ich an<br />

die herrlichen, zugrunde gegangenen Tiere denke.<br />

Herrn Kallmeyer bin ich doppelt dankbar, erstens<br />

dafür, dass er mir eine mir sympathische und<br />

liebe Arbeit gegeben hat, bei der ich an das denken<br />

konnte, was meinem Gedächtnis immer lieb und teuer<br />

bleiben wird, und zweitens bin ich ihm dankbar dafür,<br />

dass er mir seinen Zwinger „Vom Sachsenwald“<br />

zeigte. Hier sowohl wie an den mir vorgelegten Bildern<br />

der van den Berkhofschen Barsois konnte ich<br />

eine Anzahl prächtiger Exemplare entdecken, die<br />

ganz dem Typ der <strong>Perchino</strong>-Hunde ähneln. Es ist ein<br />

großer Trost für mich, dass diese schöne Rasse hier<br />

in Deutschland wie auch in Holland weiter gepflegt<br />

und gezüchtet und hoffentlich immer mehr neue<br />

Liebhaber und Freunde gewinnen wird. - In Russland<br />

da gehen nicht nur die Tiere zugrunde, da leiden<br />

auch die Menschen Not und wer weiß, wann dieses<br />

große, finstere Land genesen wird. - Darum wollen<br />

wir hoffen, dass diese wirklich einzig schöne Rasse,<br />

der russische Barsoi, eine neue Heimat und einen<br />

festen Boden in Deutschland gefunden hat und dass<br />

er hier für Russland erhalten bleibt.<br />

Zum Schluss will ich mir noch eine kurze Ergänzung<br />

zum Werke Exzellenz Walzoffs erlauben. In<br />

diesem Werke wird viel von der Bosheit des Barsois<br />

dem Wolfe und Wilde gegenüber geredet, und damit<br />

hat Exzellenz Walzoff wohl recht, - aber man darf<br />

getrost auch ebenso viel von der Gutmütigkeit des<br />

Barsois erzählen. Ich selbst besaß Hunde, die tadellos<br />

den Fuchs und Hasen jagten und dabei zu Hause<br />

auf einem Sacke mit Katzen zusammen schliefen. Es<br />

gibt wohl kaum eine vornehmere und schönere Rasse<br />

als den gut erzogenen Barsoi.<br />

Berlin, im März 1921.<br />

Elisabeth von Lichatscheff.<br />

“Sultan“, 1910.<br />

Typ des Kopfes,<br />

den der<br />

Großfürst<br />

zu sehen<br />

wünschte.<br />

4


<strong>Jagd</strong>gesellschaft mit Zar Nikolaus II (Mitte) und Großfürst Nikolai Nikolaijewitsch (links)<br />

Einleitung<br />

<strong>Die</strong> Barsoijagd - das beliebteste Vergnügen<br />

unserer Vorfahren, das auch heute noch die Herzen<br />

der russischen Jäger ergötzt, die den alten Gebräuchen<br />

treu geblieben und daher die Zucht des rassigen<br />

Barsois und Parforcehundes, Kunst, die zu einer<br />

richtigen Führung dieser schwersten aller <strong>Jagd</strong>en gehören,<br />

der schwersten, weil für dieselbe außer einer<br />

Menge Personen und deren harmonisches Zusammenarbeiten<br />

noch die hervorragenden Eigenschaften<br />

der Hauptbeteiligten, nämlich der Wind- und<br />

Parforcehunde, wie auch der Reitpferde unbedingt<br />

notwendig sind. Um ein richtiger Barsoijäger zu sein,<br />

muss man nicht nur alle Eigenschaften jedes anderen<br />

Jägers besitzen, sondern man muss auch ein tadelloser<br />

Reiter sein, muss volles Verständnis für die<br />

Erziehung des Hundes besitzen, um so ihre <strong>Jagd</strong>eigenschaften<br />

zur vollen Entfaltung zu bringen.<br />

Zur Zeit der Leibeigenschaften bis zum Jahre<br />

1861, wo der größte Teil der russischen Edelleute<br />

auf ihren Gütern lebte, fand man kaum ein Herrenhaus,<br />

wo es nicht Barsois gab. Reiche Jäger hielten<br />

komplette, d. h. volle <strong>Jagd</strong>en, bestehend aus einer<br />

Meute oder auch nur zwei Parforcehunden, die das<br />

Wild aus dem Walde und seinen Verstecken in das<br />

freie Feld trieben, und verschiedene nach Größe des<br />

<strong>Jagd</strong>terrains Mengen Windhundkoppeln, welche das<br />

von den Parforcehunden ins Feld getriebene Wild<br />

hetzten und fingen. Wie groß die Zahl der <strong>Jagd</strong>hunde<br />

bei einigen Gutsbesitzern werden konnte, sehen<br />

wir an dem Smolensker Gutsherrn Samsonoffs, dessen<br />

kompletter <strong>Jagd</strong>hof 1000 Hunde betrug und der<br />

seine Unterschrift stolz mit „erster Jäger Russlands“<br />

zeichnete. Jäger, die weniger begütert waren, hielten<br />

nur einige Koppeln Barsois, mit welchen sie auf Peitschenknall<br />

und auf Streifritten hetzten. Durch Knallen<br />

mit langen Hetzpeitschen wurde das Wild aus seinen<br />

Schlupfwinkeln ins offene Feld getrieben, wo es dann<br />

von den Barsois gehetzt und gefangen wurde. Auf<br />

Streifritten dagegen wurde das Wild, Hasen, Füchse,<br />

ja selbst Wölfe von den an der Koppel gehenden und<br />

vom Pferde aus geleiteten Hunden im Gebüsch oder<br />

in Graben ausgehoben und gestellt.<br />

Jäger, die nur Barsois hielten, wurden Kleinjäger<br />

oder Kleintreiber genannt, die sich oft mit ihren<br />

Barsoikoppeln an großen Hetzjagden mit Parforcehunden<br />

beteiligten, die von Besitzern großer <strong>Jagd</strong>en<br />

veranstaltet wurden. Eine solche Versammlungsjagd,<br />

allgemein so genannt, hat Driansky in seinem Werk<br />

„Aufzeichnungen eines Kleintreibers“ sehr packend<br />

geschildert. <strong>Die</strong>ses Buch sollte jeder Barsoijäger lesen,<br />

um es als Richtschnur zu benutzen wie man mit<br />

dem Barsoi jagen soll.<br />

5


Schalenwildstrecke einer Versammlungsjagd<br />

<strong>Die</strong> Versammlungsjagden gaben den Besitzern<br />

der verschiedenen Koppeln Gelegenheit, die<br />

<strong>Jagd</strong>eigenschaften ihrer Hunde zu vergleichen und<br />

ihre Zöglinge zu prüfen, um bei der weiteren Zucht<br />

die schnellsten und schärfsten Hunde zu verwenden.<br />

1861, als die Aufhebung der Leibeigenschaft die materielle<br />

Lage der Gutsbesitzer mit einem Schlage veränderte,<br />

kam die Barsoijagd in starken Verfall. Viele<br />

Gutsbesitzer besaßen keine Mittel mehr, anderen<br />

fehlte die Lust, unter den veränderten Verhältnissen<br />

mit gedungenen Leuten die Zucht weiter zu führen,<br />

wieder andere waren gezwungen, ihre Güter zu<br />

verlassen und ihre <strong>Jagd</strong>en zu vernichten. Nur sehr<br />

wenige leidenschaftliche Barsoijäger setzten den<br />

heimatlichen <strong>Jagd</strong>sport, wenn auch in verkleinertem<br />

Maßstab, fort. Durch die neue Lage wurde es nicht<br />

nur schwer überhaupt zu jagen, sondern vor allem<br />

die Zucht des Barsois und des Parforcehundes weiter<br />

so zu pflegen und zu fördern, wie dies früher der<br />

Fall war. <strong>Die</strong> weiten Entfernungen, die die Barsoijäger<br />

meistens voneinander trennten, zu einer Zeit, da<br />

es noch keinen Eisenbahnverkehr gab und kein die<br />

Jäger vereinigendes Zentrum existierte, machte vor<br />

allen Dingen die Heranschaffung guter Zuchtrüden<br />

zur Verbesserung der Rasse und zur Blutauffrischung<br />

sehr schwierig. Dadurch verloren viele <strong>Jagd</strong>en, die<br />

sich mit einem x-beliebigen Deckrüden bescheiden<br />

mussten, in ihren Hunden das Vollblut, andere, die<br />

ihre <strong>Jagd</strong> abgesperrt hielten, und nur mit eigenen<br />

Hunden züchteten, verdarben durch die Inzucht allmählich<br />

die <strong>Jagd</strong>eigenschaften ihrer Meuten.<br />

Wenn 1873 auf Veranlassung des Barsoijägers<br />

Wassili Alexeijewitsch Scheremetjews in Moskau<br />

nicht ,,<strong>Die</strong> Kaiserliche Gesellschaft zur Verbreitung<br />

der <strong>Jagd</strong>hunde sowie regelgerechter <strong>Jagd</strong>führung“<br />

gegründet worden wäre, hätte diese alte russische<br />

Hunderasse ganz aus unserem Vaterlande verschwinden<br />

können. So aber fanden sich alle Barsoijäger<br />

der um Moskau liegenden Gouvernements<br />

zusammen, wurden miteinander bekannt und tauschten<br />

ihre Erfahrungen der einstmals berühmten Barsoijagden<br />

aus. Dank der ,,Kaiserlichen Gesellschaft“<br />

und mit Hilfe des Journals ,,Natur und <strong>Jagd</strong>“ und der<br />

von der „Kaiserlichen Gesellschaft“ jedes Jahr veranstalteten<br />

Hundeausstellung gründete sich ein kleiner<br />

Verband von Barsoijägern, die das Aussterben des<br />

russischen Windhundes verhüteten und die Zucht<br />

neu belebten. Ausländische Jäger und Hundeliebhaber<br />

brachten dieser schönsten aller Hunderassen<br />

ebenfalls großes Interesse entgegen. War auch nicht<br />

in anderen Ländern die Möglichkeit vorhanden, den<br />

Barsoi als <strong>Jagd</strong>hund zu benutzen, so war er doch als<br />

Begleithund hochgeschätzt. Sogar amerikanische<br />

Jäger interessierten sich für unseren Hund und fanden<br />

dann später auch Gelegenheit, denselben in ihrer<br />

Heimat jagdlich zu verwenden.<br />

Das Interesse ausländischer Freunde der<br />

Barsoirasse war für die russischen Züchter nicht nur<br />

6


von besonderem moralischen Einfluss, sondern auch<br />

eine materielle Unterstützung, da überzählige Hunde<br />

ins Ausland verkauft werden konnten.<br />

Trotz all dieser günstigen Bedingungen wäre<br />

es dem russischen Jäger aber doch schwer geworden,<br />

die Zucht des typischen wellhaarigen Windhundes<br />

wieder voll in die Höhe zu bringen, wäre ihnen<br />

nicht ein Jäger zu Hilfe gekommen, dessen Name für<br />

immer in der Geschichte der russischen <strong>Jagd</strong> leben<br />

wird als der des berühmtesten Jägers und Neuerzeugers<br />

der alten, schönen, ruhmreichen russischen<br />

Windhundrasse.<br />

Seine Kaiserliche Hoheit Großfürst Nikolai Nikolaijewitsch,<br />

seit frühester Jugend ein leidenschaftlicher<br />

Jäger, interessierte sich 1886 für die Zucht<br />

des wellhaarigen Windhundes und legte 1887 durch<br />

Kauf des Gutes <strong>Perchino</strong> im Gouvernement Tula den<br />

Grundstock zu seiner Barsoi- und Parforcejagd, der<br />

in ihrer Größe in Russland einzig dastehenden <strong>Jagd</strong>,<br />

die durch die Reinheit des Blutes des rassigen Barsois<br />

und des typischen russischen Schweißhundes<br />

wie durch die regelgerechte Führung dieser kompletten<br />

<strong>Jagd</strong> nicht nur in ganz Russland, sondern weit<br />

über seine Grenzen hinaus in der ganzen <strong>Jagd</strong>welt<br />

bekannt ist.<br />

Mir ist das seltene <strong>Jagd</strong>glück zuteil geworden,<br />

während einer Zeit von über zwanzig Jahren bei fast<br />

allen <strong>Perchino</strong>jagden mitwirken zu dürfen.<br />

Jetzt will ich versuchen, mit Genehmigung seiner<br />

Kaiserlichen Hoheit, des Besitzers von <strong>Perchino</strong>,<br />

alles was mir aus diesen <strong>Jagd</strong>en bekannt ist, zu<br />

beschreiben. Ich bin überzeugt, nicht nur der <strong>Jagd</strong><br />

im allgemeinen, sondern auch den Barsoijägern und<br />

Liebhabern der schönen Windhundrasse damit dienlich<br />

zu sein. Jeder Barsoifreund, die Besitzer kleiner<br />

<strong>Jagd</strong>en wie auch die Kleintreiber werden viel Interessantes<br />

in der Beschreibung des Aufbaues und der<br />

Ordnung der <strong>Perchino</strong>jagd finden und vieles für <strong>Jagd</strong><br />

und Zucht, selbstverständlich in verändertem Maßstabe,<br />

verwerten können.<br />

Dmitri Walzoff<br />

Alte russische Maßeinheiten:<br />

1 Werschok 44,45 Millimeter<br />

1 Arschin 71,12 Zentimeter<br />

1 Saschen 2,1336 Meter<br />

1 Werst 1,0668 Kilometer<br />

1 Milja 7,4676 Kilometer<br />

1 Desjatine 1,0925 Hektar<br />

Barsois des Großfürsten Nikolai Nikolaijewitsch von P. Mahler 1888<br />

7


PERCHINO<br />

Dreißig Werst von der Stadt Tula im Westen<br />

und vier Werst von der großen, alten Kaluger Chaussee<br />

entfernt, auf dem erhöhten Ufer des Flusses Upa<br />

und auf beiden Niedergängen eines kleinen Flüsschens,<br />

das sich in die Upa ergießt, liegt <strong>Perchino</strong>.<br />

<strong>Die</strong>ses Gut war zur Zeit der Kaiserin Jekaterina<br />

II von dem bekannten Bankier Lasareff, welcher den<br />

drittgrößten Diamanten der Welt aus Indien mitbrachte,<br />

der seitdem die russische Kaiserkrone ziert, erbaut<br />

worden. Lasareff wurde von der Kaiserin reichlich belohnt<br />

und erhielt außer anderen wertvollen Geschenken<br />

noch viertausend Desjatinen (1 Desjatine = ca.<br />

4 Morgen) Land im Tulaschen Gouvernement. <strong>Die</strong><br />

Tochter Lasareffs, die einen Arapetoff heiratete, erhielt<br />

<strong>Perchino</strong> als Mitgift. Dann kam es in den Besitz<br />

des Grafen Deljanoff, der es nach 1861 für geringen<br />

Preis an den Tulaschen Kaufmann Batascheff verkaufte.<br />

Batascheff, der wie alle Kaufleute zu dieser<br />

Zeit herrschaftliche Güter nur wegen vorteilhafter<br />

Spekulation kaufte, behielt für sich nur das Herrenhaus<br />

und vierhundert Desjatinen Land. Das übrige<br />

Land und der weite Wald wurden an verschiedene<br />

Personen weiterverkauft. Als 1887 der Großfürst das<br />

Gut erwarb, trug es das typische Aussehen eines<br />

zerrütteten Herrennestes. Das große, zweistöckige<br />

Herrenhaus war in eine Art Scheune verwandelt, in<br />

den Zimmern lagen Korn und für den Winter aufgespeicherte<br />

Kartoffeln. <strong>Die</strong> Nebengebäude mit ihren<br />

ausgebrochenen Fenstern und zerlöcherten Dächern<br />

schrien nach Reparatur. Nach jahrelanger Arbeit war<br />

8<br />

es dem Großfürsten gelungen, das Gut fast wieder<br />

in seinen früheren Grenzen herzustellen, ein Teil des<br />

einst zu <strong>Perchino</strong> gehörenden Landes wurde zurückgekauft,<br />

die übrigen Gebäude ebenfalls wieder hergestellt<br />

und bald glänzte das Ganze in seiner früheren<br />

Schönheit, würdig seiner hohen Bestimmung, die<br />

<strong>Jagd</strong>residenz seines erlauchten Besitzers zu sein.<br />

Gleichzeitig mit dem Wiederaufbau des Gutes<br />

wurde auch der für die Barsoijagd bestimmte <strong>Jagd</strong>hof<br />

angelegt, und als der gewünschte Bestand der<br />

<strong>Jagd</strong> an <strong>Jagd</strong>gehilfen, Pferden und Hunden erreicht<br />

war, standen bereits alle für dieselben notwendigen<br />

nach vom Großfürsten selbst gezeichneten Plänen<br />

angefertigten Behausungen fertig da.<br />

In den nächsten Kapiteln werde ich die Einrichtung<br />

dieser Behausungen beschreiben, jetzt will ich<br />

nur noch einige Worte über das Gut und das Herrenhaus<br />

sagen, wo die nach <strong>Perchino</strong> kommenden Jäger<br />

doppelt genießen durften - als Gäste des liebenswürdigsten<br />

Wirtes - und als Jäger, denen der Anblick<br />

der herrlichen Hunde stets eine Augenweide, ein nie<br />

zu vergessender Eindruck wurde. Hier war der rassige<br />

Barsoi in seiner ganzen Schönheit zu sehen, ein<br />

Ansporn für jeden echten Barsoijäger, mit seinen Tieren<br />

das zu erreichen, das heraus zu züchten, was<br />

den <strong>Perchino</strong>hunden eigen ist.<br />

Das Schloss liegt im dunklen Fond des mit<br />

uralten Lindenalleen versehenen Parks. Vor dem<br />

Schloss dehnen sich auf einem breiten Platze bis zur<br />

Steinmauer Blumenanlagen aus, um die ein runder


Weg führt, auf welchen die Barsois immer zu dreien<br />

an einer Koppel den <strong>Jagd</strong>besuchern, die auf der<br />

unteren Schlossterrasse stehen, vorgeführt werden.<br />

Zwischen der Steinmauer und dem Flusse Upa, gerade<br />

gegen Osten, steht die weiße <strong>Perchino</strong>kirche.<br />

Vom Schloss und seinen Balkons bietet sich einem<br />

eine auf fünfzehn Werst reichende Aussicht auf das<br />

Tal mit seinen Wiesen, Teichen und Dörfern. Am Horizont<br />

ist das Ganze von einem dichten<br />

Wald eingeschlossen, die wahre, heimatliche,<br />

russische Natur. Das zweistöckige<br />

Schloss ist dasselbe geblieben,<br />

wie es von Lasareff erbaut wurde, nur<br />

die Innenausstattung wurde vollständig<br />

verändert. Schon wenn man das<br />

Schloss betritt, sieht man, dass man in<br />

die Behausung eines Jägers kommt.<br />

<strong>Die</strong> Wände der Empfangshalle<br />

zieren <strong>Jagd</strong>bilder und Photographien<br />

englischer und krimmscher Hunde<br />

aus der <strong>Jagd</strong> des erlauchten Vaters<br />

des Großfürsten. Auf den Treppenabsätzen<br />

stehen ausgestopfte Riesenexemplare<br />

von Wölfen, die der Großfürst<br />

selbst erlegt hat. Sämtliche Zimmer des<br />

Schlosses sind im <strong>Jagd</strong>stil gehalten.<br />

Besonders interessant ist der große<br />

Speisesaal, dessen Wände mit ausgestopften<br />

Köpfen von Auerochsen, Bären,<br />

Wölfen, Luchsen, Wildschweinen,<br />

Rentieren, Hirschen, Auerhähnen usw.<br />

bedeckt sind, die alle vom Großfürsten<br />

auf seinen verschiedenen <strong>Jagd</strong>en selbst<br />

erlegt wurden. Zwei in den Ecken des Speisesaales<br />

stehende, große, ausgestopfte Bären halten in ihren<br />

hochgehobenen Tatzen Lampen, ein mächtiger, von<br />

der eigenen Koppel des Großfürsten gefangener Wolf<br />

zeigt, an der Balkontür stehend, seine blendend weißen<br />

Zähne. Vielen interessanten Erzählungen und<br />

Gesprächen haben die Wände dieses Speisesaales<br />

gelauscht, wenn die Gäste des erlauchten Wirtes<br />

9


is spät in die Nacht an der gastfreien Tafel saßen.<br />

Noch lebhaftere Gespräche wurden unten im großen<br />

Mittelgemache geführt, welches „Klub“ genannt wurde.<br />

Hier wurden die Hunde der <strong>Perchino</strong>jagd einzeln<br />

vorgeführt. <strong>Die</strong> Wände dieses Zimmers schmücken<br />

die Bilder der besten Zuchthunde der <strong>Perchino</strong>jagd,<br />

die von dem Barsoijäger Georgi Konstantinowitsch<br />

von Meier gemalt wurden. <strong>Die</strong>se Bilder dienen außer<br />

ihrem historischen Interesse vor allem als Beweis<br />

für die konstante<br />

Durchzüchtung der<br />

<strong>Perchino</strong>jagd. Unter<br />

den zur Besichtigung<br />

vorgeführten<br />

Hunden befi nden<br />

sich sehr oft solche,<br />

die ganz das<br />

Ebenbild ihres von<br />

der Wand herunter<br />

schauenden Vorfahren<br />

sind und diesem<br />

in Typ, Form und<br />

Farbenzeichnung<br />

täuschend ähneln.<br />

Alle anderen<br />

Zimmer der Unteretage<br />

dienen als Gemächer<br />

den <strong>Jagd</strong>gästen,<br />

ebenfalls<br />

das große Steinnebengebäude,<br />

dessen<br />

Fassade sich<br />

10<br />

Großfürst Nikolai Nicolaijewitsch<br />

dem Blumengarten zuwendet. In diesem Gebäude<br />

befi ndet sich auch ein gemeinsames Sportzimmer,<br />

der „Kleine Klub“. Hier werden, wenn in jedem Frühjahr<br />

und Herbst unter dem Präsidium des Großfürsten<br />

die von der „Gesellschaft zur Aufmunterung der<br />

Feldeigenschaften der <strong>Jagd</strong>hunde“ ausgeschriebenen<br />

Probejagden auf Schnelläufen stattfinden, die<br />

von den eingeladenen Jägern mitgebrachten Barsois<br />

vorgeführt und gegenübergestellt. Das Interesse an<br />

diesen Vorführungen wie<br />

der Nutzen war für jeden<br />

Barsoijäger gleich groß,<br />

denn durch diesen Vergleich<br />

wie durch die vorangegangene<br />

Prüfung<br />

der Feldeigenschaften<br />

wurde die beste Zuchtrichtung<br />

festgestellt.<br />

Da fast alle Barsoijäger<br />

Gutsbesitzer<br />

oder Landwirte sind, so<br />

bietet ihnen <strong>Perchino</strong><br />

auch manches Sehenswertes<br />

am Zuchtbetrieb<br />

verschiedener anderer<br />

Vollblutrassen. Nach Ankauf<br />

von weiteren Landstrecken<br />

wurden auf dem<br />

Gute mehrere Vorwerke<br />

angelegt, um den Feldbau<br />

wie den <strong>Jagd</strong>betrieb<br />

bequemer zu gestalten.


Augenblicklich existieren auf den 2500 Desjatinen Land des <strong>Perchino</strong>gutes fünf solcher Vorwerke. Auf dem<br />

linken Ufer des Flusses Upa, fünf Werst vom Schloss <strong>Perchino</strong>, liegt das Vorwerk „Otradnoje“, wo englische<br />

und russische (wolotzker) Schafe und Arbeitspferde ardanischer Rasse gezüchtet werden. Unweit davon am<br />

Ufer eines kleinen Flusses<br />

mit reinstem Quellwasser<br />

ist der Krankenzwinger für<br />

die Hunde erbaut. Derselbe<br />

besteht aus zwei großen<br />

Räumen, die voneinander<br />

völlig isoliert sind.<br />

Daneben ist ein Zimmer<br />

für das Wärterpersonal<br />

nebst Küche und einer<br />

Küche zur Bereitung des<br />

Hundefutters. Bricht eine<br />

ansteckende Krankheit<br />

im <strong>Jagd</strong>hof aus, so werden<br />

erkrankte Tiere sofort<br />

in den Krankenzwinger<br />

überführt, nicht erkrankte,<br />

jedoch verdächtige sogleich<br />

abgesondert und<br />

in ein neben dem <strong>Jagd</strong>hof<br />

befindliches separates<br />

Gebäude geschafft. Gesundbleibende werden desinfiziert und kommen wieder in den <strong>Jagd</strong>hof, Kranke<br />

wandern in den Krankenzwinger. So befinden sich erkrankte Hunde wie auch das Pflegepersonal von dem<br />

<strong>Jagd</strong>hof in fünf Werst weiter Entfernung und kommen mit dem Haupt-Hundehof in keinerlei Berührung.<br />

Rinder- und Schafherden auf <strong>Perchino</strong><br />

11


<strong>Perchino</strong> <strong>Jagd</strong>hof<br />

Eine komplette Barsoijagd bestand in <strong>Perchino</strong><br />

noch vor Aufhebung der Leibeigenschaft. Arapetoffs<br />

waren Barsoijäger, und noch jetzt ist die Stelle bekannt,<br />

wo ihr Hundehof lag, den Graf Deljanoff, an<br />

welchen das Gut von Arapetoffs überging, abreißen<br />

ließ, da er kein Barsoijäger war. Arapetoffs besaßen<br />

prächtige Hunde.<br />

Zu jener Zeit war es schmachvoll, Hunde für<br />

Geld zu verkaufen, insbesondere wurde es als unpassende<br />

Handlung eines Edelmanns angesehen.<br />

<strong>Die</strong> Hunde wurden aber bei weitem höher bewertet<br />

als in unseren heutigen Tagen und nur gegen sehr<br />

wertvolle Gegenstände usw. eingetauscht. Es wird<br />

sogar von einem Fall erzählt, wo ein Vater nur darum<br />

in die Ehe seiner Tochter willigte, um den gewünschten<br />

Hund zu erhalten. In der Zeitschrift „Natur<br />

und <strong>Jagd</strong>“ ist diese historisch-wahre Geschichte<br />

beschrieben. Poltawzeff heiratete eine Paschkoff,<br />

nachdem er an deren Vater seinen berühmten Barsoirüden<br />

(Schnelläufer) abgegeben hatte, den zu<br />

verkaufen er um keinen Preis einwilligte und nur<br />

deswegen fort gab, um die Tochter des steinreichen<br />

Paschkoff freien zu dürfen.<br />

<strong>Die</strong> <strong>Perchino</strong>bewohner erzählten mir einen<br />

ebenfalls sehr originellen Tausch. Der Nachbar Arapetoffs<br />

war ein armer Gutsbesitzer mit Namen Penkoff.<br />

Sein Gütchen befand sich ebenfalls am Ufer<br />

der Upa, gegenüber dem Gute <strong>Perchino</strong>, zwei Werst<br />

höher zur Strömung hinauf gelegen. Hier waren 30<br />

Desjatinen Wiesenland, welches an die Wiesen Arapetoffs<br />

grenzte und welches dieser vergeblich von<br />

Penkoff zu kaufen versuchte. Trotz seiner Armut war<br />

Penkoff ein sehr anständiger Charakter und auch ein<br />

leidenschaftlicher Barsoijäger. Als Jäger und Nachbarn<br />

lebten Arapetoffs und Penkoff in guter Freundschaft<br />

und jagten jeden Herbst zusammen. Auf einer<br />

Barsoihetzjagd wurde Penkoff so von der Barsoikoppel<br />

Arapetoffs bezaubert, dass er den Freund bat, ihm<br />

die Hunde zu verkaufen. „Nimm, was du willst, aber<br />

gib mir die Hunde.“ „Gut“, sagte Arapetoffs, „nimm<br />

12


meine Barsoikoppel und<br />

gib mir die 30 Desjatinen<br />

Wiesenland.“ Penkoff<br />

willigte ohne Zaudern in<br />

diesen Tausch. Als ich<br />

auf Befehl des Großfürsten<br />

von der Witwe<br />

Penkoffs ihr Gütchen<br />

kaufte, bestätigte mir die<br />

alte Dame diesen Vorfall<br />

und setzte hinzu: „Mein<br />

Verstorbener kannte<br />

in »nichts« Grenzen.“<br />

Nachdem <strong>Perchino</strong> in<br />

den Besitz des Großfürsten<br />

übergegangen<br />

und seine <strong>Jagd</strong> hierher überführt war, richtete man<br />

eine alte Behausung als Hundezwinger ein, wo die<br />

Parforcehunde untergebracht wurden.<br />

Für die Windhunde wurde ein großer Zwinger<br />

mit geräumigen, von einem Bretterzaun umgebenen<br />

Hofe neu gebaut. Trotzdem zu dieser Zeit nicht mehr<br />

als 60 Barsois vorhanden waren, machte sich das<br />

Unpraktische einer solchen Einrichtung sofort fühlbar.<br />

Erstens stand das Haus zu niedrig, im Hofe war<br />

es feucht und die Hunde erkrankten oft an Rheumatismus.<br />

Dann aber auch wirkte das Zusammenhalten<br />

einer solch großen<br />

Zahl von Hunden<br />

auf diese selbst sehr<br />

schädlich, da ruhigere<br />

Hunde ihre mutwilligeren<br />

Kameraden<br />

fürchteten und sich<br />

kaum ins Freie trauten.<br />

<strong>Die</strong> Junghunde<br />

fürchteten die alten<br />

und jedes Spiel drohte<br />

tragisch zu enden<br />

infolge der Eigenschaft<br />

der Windhunde,<br />

sich alle zusammen<br />

auf einen zu<br />

stürzen. Trotz größter<br />

Sauberkeit im Hofe war die Luft darin doch schwer,<br />

da der Zuzug frischer Luft durch den Bretterzaun<br />

stark gehindert wurde. Deshalb beschloss der Großfürst,<br />

den ganzen Hundehof umzubauen.<br />

13


Für die Barsois wurde ein sehr großer Platz gewählt,<br />

fast fünf Desjatinen Land mit einem Flüsschen<br />

und Teiche in der Mitte. Auf dem hochgelegenen Teile<br />

dieses Platzes wurden neun Steinhäuser gebaut<br />

mit Zwingerabteilen für je zwölf Hunde. In diesen<br />

Häusern befanden sich auch die Zimmer und Küchen<br />

der Wärter. Um jedes Haus wurden drei durch verzinkte<br />

Drahtgitter abgeteilte Höfe angelegt. Einer für<br />

die Barsoirüden, der zweite für die Hündinnen mit ihren<br />

Welpen und der dritte für den Wärter. Zu keinem<br />

dieser Höfe war der Zuzug frischer Luft gehemmt, da<br />

sie alle nur von Drahtgittern umgeben waren. Das<br />

Vorhaus zu dem Rüdenzwinger und zum Zwinger<br />

der Hündinnen war so eingerichtet, dass zur Winterzeit<br />

bei Schneegestöber und Sturm die Kälte nicht in<br />

die Behausung eindringen konnte. In den Türen wurden<br />

kleine Falltüren eingelegt, welche nur bei sehr<br />

starkem Frost geöffnet waren, um nicht zuviel kalte<br />

Luft einzulassen, aber doch das Hinausschlüpfen der<br />

Hunde ermöglichten. <strong>Die</strong> eine Seite des Ofens, der<br />

das Zimmer wie die Küche des Barsoiwärters heizt,<br />

erwärmt auch den Zwinger der tragenden oder saugenden<br />

Hündinnen, so dass bei großer Kälte Mütter<br />

und Welpen nicht darunter leiden.<br />

Im Zwinger der anderen Hunde gibt es überhaupt<br />

keine Heizung, bei Frost wird nur etwas mehr<br />

Stroh untergelegt, denn die Hunde schützt vor Kälte<br />

ihr reiches, prächtiges Wellhaar, durch welches<br />

sich alle Barsois der <strong>Perchino</strong>jagd auszeichnen. <strong>Die</strong><br />

Bänke, auf welchen die Zwingerinsassen liegen,<br />

stehen an der Wand der Wohnung des Wärters.<br />

Damit sich die Tiere nicht an die Wand anlegen, ist<br />

an derselben eine hohe Holzlehne angebracht. Von<br />

den Fenstern stehen die Schlafbänke weit ab, auch<br />

sind dieselben gegen Zugluft durch breite Bretterverschläge<br />

geschützt. Dank dieser Einrichtung ist im<br />

14


Zwingerhause kein Zugwind, die Luft immer trocken<br />

und gleichmäßig, wenn sie auch im Winter sehr kalt<br />

werden kann. Um die Luft zu reinigen, hängt an der<br />

Decke eine mit Terpentin getränkte Fahne. Von den<br />

stets aufs sorgfältigste gepflegten Hunden spürt man<br />

nicht den geringsten Geruch, ihr Haar ist wellig und<br />

seidenweich. In jeder Zwingerabteilung leben zwölf<br />

erwachsene Hunde, die in Farbe zueinander passen.<br />

<strong>Die</strong>se Hunde gehen auch immer zu drei an einer<br />

Koppel zusammen auf die <strong>Jagd</strong>, wobei die Hunde für<br />

die Koppeln öfters gewechselt werden, so dass sie<br />

alle untereinander in Freundschaft leben. Beißereien<br />

bilden eine seltene Ausnahme, da zanksüchtigen<br />

Tieren ein fester Maulkorb angelegt wird, bis diese<br />

sich ihren Kameraden gegenüber brav betragen.<br />

Jeden Tag werden die Hunde, ein Zwinger<br />

nach dem andern, in den großen <strong>Jagd</strong>hof geführt,<br />

wo sie sich tüchtig auslaufen und austoben können.<br />

Hier können sie von einem Hof zum andern rennen,<br />

können die hinter dem Gitter befindlichen anderen<br />

Koppeln anfallen, aber alles endet nur mit Hin- und<br />

Herrennen die Gitter entlang, da zum Raufen keine<br />

Möglichkeit ist. Sind die Hunde dieses Spiels müde,<br />

fangen sie ruhig an, hinter ihrem Wärter herzugehen,<br />

der sie dann ohne Mühe in ihren Zwinger zurückführt.<br />

Mit Ausnahme der Feiertage oder bei sehr stürmischem<br />

Wetter zieht täglich die Hälfte eines jeden<br />

Zwingers zu Koppeln geordnet und von berittenen<br />

Leuten geleitet ins Feld, um dort eine vom Großfürsten<br />

bestimmte Anzahl Werst abzulaufen, die ganz<br />

nach der Jahreszeit und der Fertigkeit der Hunde zur<br />

<strong>Jagd</strong> bemessen sind.<br />

Zweimal täglich werden die Hunde gefüttert,<br />

morgens nur wenig, abends bis sie satt sind. In der<br />

Mitte eines jeden Hofes steht ein verzinkter Trog, in<br />

welchen das in Kübeln aus der Küche gebrachte Futter<br />

gegossen wird. Nach jeder Fütterung wird der Trog<br />

reingewaschen und umgestülpt. Als Trinkgefäß ist an<br />

15


der Mauer des Zwingerhauses ebenfalls ein kleiner<br />

Zinktrog angebracht, der stets mit frischem Wasser<br />

gefüllt ist. Nach dem Füttern werden die Schnauzen<br />

der Windhunde mit einem Tuch gereinigt, ihr Fell gekämmt<br />

und gebürstet und alle Unsauberkeiten sofort<br />

weggeschafft.<br />

Auf einer kleinen Anhöhe steht das Haus des<br />

<strong>Jagd</strong>verwalters, der von seinem Balkon den ganzen<br />

großen Hundehof mit seinen neun <strong>Jagd</strong>häusern und<br />

Höfen übersehen kann. Mit dem Hause des Verwalters<br />

sind zwei Wohnungen der Leibjäger Seiner Kaiserlichen<br />

Hoheit verbunden.<br />

An beiden Seiten dieses Anbaues befinden<br />

sich die Zwinger der ,,eigenen Meute“, auf einer Seite<br />

die Hündinnen, auf der anderen die Rüden. Zur<br />

,,eigenen Meute“ zählen acht bis zehn Hündinnen<br />

und sechzehn bis zwanzig Rüden, die ebenfalls täglich<br />

abteilungsweise in den großen <strong>Jagd</strong>hof oder von<br />

Reitern ins Feld geführt werden.<br />

Der Unterhalt der Hunde ,,eigener Meute“ unterscheidet<br />

sich in nichts von den übrigen; wenn also<br />

einem Hunde die Ehre zuteil wird, in die „eigene Meute“<br />

aufgenommen zu werden, so gewinnt oder verliert<br />

er nichts im Vergleich zu seinen bisherigen Kameraden.<br />

Wenn der Blick des Jägers mit besonderer<br />

Aufmerksamkeit und Bewunderung an den Hunden<br />

,,eigener Meute“ haftet, so geschieht dies nur, weil<br />

für dieselbe die schönsten und schnellsten Barsois<br />

der ganzen <strong>Jagd</strong> ausgewählt werden.<br />

So leben auf dem von mir beschriebenen <strong>Jagd</strong>hof<br />

150 bis 160 Barsois. Wenn man jedoch über<br />

den großen Hof geht mit seinen breiten Wegen, der<br />

prächtigen Wiese, den Blumenbeeten an den Mauern<br />

und um die Bänke, mit den vielen Bäumen am<br />

Flussufer und um den Teich, so glaubt man sich in<br />

einem wohlgepflegten Park zu befinden, nicht aber<br />

in einem großen russischen Hundehof, der in alter<br />

Zeit zur Aufspeicherung allen möglichen Unrats<br />

diente. Rechts, am Hause des <strong>Jagd</strong>verwalters<br />

16<br />

vorbeiführend, steigt eine breite Pappelallee zu einem<br />

Hügel, wo sich der Welpenzwinger befindet. Höher<br />

als der große <strong>Jagd</strong>hof liegt ein Häuschen, ganz<br />

abgesondert, für Hundeinvaliden oder durch Alter für<br />

die <strong>Jagd</strong> untauglich gewordene Tiere. Das Regime<br />

ist hier dasselbe wie bei den anderen Barsois, nur<br />

wird mit diesen nicht mehr ausgeritten, sondern sie<br />

können hier friedlich zu Ende leben.<br />

Um mehr als 250 erwachsene Hunde (Barsois,<br />

Greyhounds und Parforcehunde) zu füttern, ist eine<br />

besondere Küche vorhanden, in welcher der Koch,<br />

seine beiden Gehilfen, wie der das Futter austragende<br />

Wärter arbeiten. <strong>Die</strong> Küche selbst ist ganz einfach<br />

gebaut. In der Tiefe des Zimmers steht ein niedriger<br />

Ofen mit einem Riesenkessel, in welchem ein ganzer<br />

in Stücke zerteilter Pferdekadaver Platz findet.<br />

Neben dem Ofen, vor dem Fenster, steht ein großer<br />

Tisch zum Zerhacken des gekochten Fleisches. An<br />

der Wand stehen zwei große Fässer, in denen Nährmehl<br />

aufgebrüht wird. In 15 Kübeln wird dann das<br />

Futter den Hunden zugetragen. Alles Geschirr wird<br />

nach der Fütterung in heißem Wasser gewaschen<br />

und musterhaft sauber gehalten. <strong>Die</strong> übrig bleibenden<br />

Knochen werden zermahlen und als Dünger<br />

verwandt. Am untersten Ende des Herrenhofes, am<br />

Ufer der Upa, steht ein großes Steingebäude, das<br />

noch von früher herrührt und den Namen „Pferdehof“<br />

trägt. Dort sind Ställe für 80 <strong>Jagd</strong>pferde eingerichtet,<br />

ebenso Wohnungen für die Parforceführer und<br />

die Stallburschen. Obwohl zehn warme Abteilungen<br />

vorhanden, stehen doch alle Pferde in kalten Ställen,<br />

da die Winterjagden auf Wölfe an Kälte gewohnte<br />

Pferde fordern.<br />

Alle <strong>Jagd</strong>gebäude, wie überhaupt alle Häuser<br />

in <strong>Perchino</strong>, sind weiß gestrichene Steingebäude mit<br />

grünen Eisendächern, die dem ganzen Flecken einen<br />

peinlich sauberen Eindruck verleihen.


Welpenzucht<br />

Um in den Windhunden der <strong>Perchino</strong>jagd jene<br />

Formen und Feldeigenschaften beizubehalten, welche<br />

ihr Besitzer immer in ihnen zu sehen wünschte,<br />

musste eine besondere Aufmerksamkeit der Auswahl<br />

der Zuchthunde, dann der Auswahl der Welpen und<br />

ihrer Erziehung entgegengebracht werden. Zur Remonte<br />

des Vollbestandes der <strong>Jagd</strong> hatte es genügt,<br />

25-30 junge Hunde jährlich aufzuziehen, um die alt<br />

werdenden oder solche Hunde, die durch Zufall jagdunfähig<br />

geworden sind, zu ersetzen.<br />

Um aber bei diesen 30 Hunden den gewünschten<br />

Typ zu erhalten, mussten 60 Welpen großgezogen<br />

werden, und manchmal, bei einem für einen leidenschaftlichen<br />

Jäger wohl verständlichen Wunsche<br />

auch bis 80, und ich muss mit Bedauern sagen, auch<br />

noch mehr - - mit Bedauern, weil eine die Norm übertreffende<br />

Anzahl von Welpen die Pflege derselben<br />

erschwert, ihre Erziehung beeinflusst und schädlich<br />

auf ihre Entwicklung wirkt.<br />

Darauf müssen alle jungen Jäger besonders<br />

achten, denn es ist eine unumstößliche Tatsache,<br />

dass es besser ist drei gut gepflegte, wohlgenährte<br />

und erzogene Hunde zu haben, statt zwölf, die irgendwie<br />

groß geworden sind.<br />

Der größte Fehler unserer russischen Tierzucht<br />

in allen ihren Zweigen besteht darin, dass wir<br />

russischen Züchter uns leicht durch die Quantität<br />

hinreißen lassen, und dabei ganz vergessen, dass<br />

dieses stets ungünstig auf die Qualität wirkt. Sehr oft<br />

rechnen wir gar nicht mit der Umgebung und den Bedingungen,<br />

in welchen das Tier sich entwickeln und<br />

aufwachsen muss, und setzen unsere ganze Hoffnung<br />

in die Rasse, auf das Vollblut, und vergessen<br />

dabei, dass die Rasse und das Vollblut Produkte der<br />

Erziehung sind, einer Erziehung im Rahmen passender<br />

Umgebung und passender Bedingungen ganzer<br />

Generationen von Tieren, und dass man, ohne von<br />

der reinsten Blutwahl abzuweichen, alle Werte der<br />

Rasse einbüßen kann, wenn man die Tiere mehrere<br />

Generationen hindurch falsch aufzieht. lch bitte<br />

um Entschuldigung für diese kurze Abweichung, und<br />

gehe zur Beschreibung des Welpenzwingers über.<br />

Ganz oben, wenn man vom großen Hundehof<br />

nördlich an die Spitze des Hügels kommt, 30 Saschen<br />

hinter dem Zwinger der Parforcehunde, ist ein<br />

großer viereckiger eingezäunter, 6 Desjatinen Land<br />

umfassender Platz. In der Mitte dieses Quadrates<br />

befindet sich ein erhöhter Platz mit großem Steingebäude.<br />

<strong>Die</strong> ganze Mitte desselben ist für die <strong>Die</strong>nerschaft<br />

eingerichtet, welche die Welpen pflegt, an<br />

seinen beiden Seiten, der nördlichen und der südlichen,<br />

befinden sich je 2 Abteilungen für die Welpen.<br />

Aus den Zimmern der Wärter führen Türen in jeden<br />

Welpenzwinger, so dass derselbe in jede der vier Abteilungen<br />

eintreten kann, ohne vorher in den Hof zu<br />

gehen. <strong>Die</strong> Ausgänge von den Welpenzwingern ins<br />

Freie sind durch Vorhäuser geschützt, mit derselben<br />

Türeinrichtungen wie bei den erwachsenen Hunden.<br />

<strong>Die</strong> Schlaflatten (Bänke) sind sehr niedrig<br />

gebaut, ziehen sich an den Innenwänden entlang,<br />

17


ebenso mit Lehnen versehen, die es den jungen Hunden<br />

unmöglich machen, sich an die Steinwände anzulegen.<br />

Auf die Schlaflatten wird während der Kälte<br />

eine Menge Stroh gelegt, damit sich die Welpen in<br />

demselben eingraben können, da auch diese Zwinger<br />

nie geheizt werden. Von der Mitte jeder Außenwand<br />

des Hauses ziehen sich vier Drahtzäune hin,<br />

welche das ganze Quadrat in vier Höfe teilen. <strong>Die</strong>se<br />

Höfe werden, um den Boden zu säubern, jeden<br />

Herbst einmal gepflügt, und im Frühjahr mit Hafer besät,<br />

welcher im Sommer mehrmals grün abgemäht<br />

wird. Auf einem Platz in jedem Hofe wird ein großer<br />

Haufen Sand ausgeschüttet, damit die Welpen spielend<br />

in demselben graben können. Auch hier steht<br />

in jedem Hofe ein großer Zinktrog für Futter und ein<br />

kleiner für Wasser.<br />

Auf der Ostseite der Höfe, an dem Fahrwege,<br />

steht die Küche, in welcher für die Welpen gekocht<br />

wird. <strong>Die</strong> Küche ist ebenso gebaut, wie für die großen<br />

Hunde, ebenso wird das Futter in Kübel gegossen<br />

und in jeden Welpenhof getragen. Vier Abteilungen,<br />

die je 15 Welpen aufnehmen können, sind<br />

im Welpenzwinger deswegen eingerichtet, um die<br />

Welpen nach ihrem Alter zusammen zu legen. Ein<br />

Beisammensein von Welpen<br />

verschiedenen Alters<br />

ist äußerst schädlich für<br />

ihre Entwicklung, denn die<br />

großen Welpen belästigen<br />

die kleinen, lassen sie nicht<br />

spielen, und je weniger ein<br />

Welpe läuft, desto schlechter<br />

entwickelt er sich. Jedes<br />

Jahr im Herbst, während der<br />

Anwesenheit des Großfürsten<br />

in <strong>Perchino</strong>, wird von<br />

ihm selbst das Verzeichnis<br />

der Hunde und Hündinnen<br />

zusammengestellt, die im<br />

nächsten Frühjahr zu paaren<br />

sind. Zu Zuchtrüden werden<br />

vollkommen erwachsene,<br />

nicht jünger als zweijährige<br />

Hunde gewählt, d. h. solche,<br />

die schon im Felde gearbeitet<br />

haben. Manchmal, wenn es<br />

wünschenswert erscheint, bestimmtes<br />

Blut zu wiederholen,<br />

wird ein Wurf auch von alten<br />

Hunden genommen, welche<br />

schon nicht mehr ins Feld gehen,<br />

aber niemals werden 2<br />

alte Hunde zusammengestellt.<br />

<strong>Die</strong> Paarung geht unter<br />

der Aufsicht des <strong>Jagd</strong>verwalters<br />

vor. Jede Hündin wird zweimal,<br />

ein Tag nach dem andern,<br />

mit dem Rüden verbunden. <strong>Die</strong><br />

Hündinnen werfen im Hofe ihrer<br />

Wärter und bleiben dort solange sie nähren. Hat<br />

eine Hündin viele Welpen, so wird eine Amme meist<br />

aus der eigenen <strong>Jagd</strong> hinzugezogen, aber nur solche<br />

Hündin, welche nicht zur Zucht bestimmt ist. Sobald<br />

die Welpen von der Mutter abgenommen werden,<br />

kommen sie in den Welpenzwinger, wo sie einen so<br />

großen Raum haben, als würden sie in voller Freiheit<br />

wachsen. Am Morgen und am Abend wird jeder Welpe<br />

gekämmt und gebürstet.<br />

Bis zu drei Monaten werden die Welpen sechsmal<br />

täglich mit Weizengrütze und Milch gefüttert,<br />

von drei bis 6 Monaten erhalten sie viermal täglich<br />

ihr Futter, wobei zur Weizengrütze Hafermehl mit<br />

Bouillon und Fleisch hinzukommt. Vom sechsten Monat<br />

an fressen die Welpen dreimal täglich, wobei zu<br />

jeder Nahrung Milch hinzu gegossen wird. Welpen,<br />

die aus irgendwelchen Gründen im Wachstum zurückbleiben,<br />

erhalten Lebertran und Knochenmehl in<br />

vom Tierarzt verordneten Mengen, bis sie sich erholen<br />

und normal wachsen. Damit die Welpen ihr Gebiss<br />

entwickeln können, erhalten sie Fohlenhufe und<br />

weiche Knochen zum Nagen.<br />

Vom sechsten Monat an wird die Bewegung in<br />

18


den Höfen für die Welpen nicht für ausreichend befunden,<br />

und werden dieselben deshalb von zwei Reitern<br />

begleitet ins Feld geführt. <strong>Die</strong>se Spaziergänge<br />

stärken ihre Füße und gewöhnen sie an verschiedenen<br />

Boden, auch spielen und laufen die Welpen im<br />

Felde viel mehr als auf ihren Hofplätzen. Vom achten<br />

Monat an legt man den Welpen Halsbänder an<br />

und sie werden an die Koppel gewöhnt. Wenn der<br />

Welpe ein Jahr alt wird, bringt man ihn auf den großen<br />

Hundehof in einen Zwinger, wo für ihn eine Stelle<br />

freigemacht worden ist. Hier wird er von jetzt ab als<br />

erwachsener Hund behandelt, er geht mit den alten<br />

Hunden an der Koppel und wird von dem Barsoijäger<br />

an der Koppel ins Feld mitgenommen. <strong>Die</strong> Welpen-<br />

pflege versorgen vier Mann, für jeden Zwinger einer,<br />

außerdem führt ein älterer fünfter Wärter die Oberaufsicht.<br />

<strong>Die</strong> Pflege ist die aufmerksamste und die<br />

Sauberkeit wird hier noch strenger durchgeführt als<br />

auf dem übrigen Hundehof.<br />

Für die Parforcehundewelpen ist das Welpenhaus<br />

auf dem Vorwerke Rodniki“ aufgebaut. Im alten<br />

Penkoffschen Herrenhause wohnen drei Jäger<br />

und ein Stalljunge, welche die Welpen pflegen. Für<br />

die jungen Hunde ist der ganze frühere Penkoffsche<br />

Garten mit Drahtgitter eingezäunt worden. Der Garten<br />

ist sehr verwildert, und die Parforcewelpen leben<br />

dort wie in einem Walde mit kleinen Wiesenplätzen.<br />

Auf zwei solcher Wiesenplätze sind große tiefe<br />

19


Zelte aufgebaut mit Strohdächern, die bis zur Erde<br />

hinabgehen. <strong>Die</strong> kurze Vorderseite des Zeltes hat<br />

eine Holzwand mit einer großen Tür und in derselben<br />

angebrachten kleinen Tür. In der Tiefe des Zeltes,<br />

bis zu seiner Mitte, gerade auf der Erde sind niedrige<br />

Holzlatten (Bänke) aufgestellt, die im Winter hoch mit<br />

Stroh bedeckt werden. - In diesen Zelten leben die<br />

Welpen auch im Winter. Sie werden nie eingeschlossen<br />

und sind so oft sie wollen im Freien, indem sie<br />

durch die immer offenstehende kleine Tür ein- und<br />

ausgehen. <strong>Die</strong> Tiefe des Zeltes schützt die Welpen<br />

vollkommen vor Sturm und Kälte, und die Parforcewelpen,<br />

welche viel kräftiger und robuster als die<br />

Windhunde sind, wachsen und entwickeln sich vorzüglich<br />

unter diesen Bedingungen.<br />

Zur Fütterung wird ins Horn geblasen, erst<br />

nachdem werden sie zum Futter gelassen, so dass<br />

sich die Welpen von klein auf an das Horn gewöhnen<br />

und auf „Hornblasen“ sofort angelaufen kommen. Auf<br />

dem Hofe dieses Vorwerkes sind mehrere Abteilungen<br />

für tragende Hündinnen eingerichtet, wohin dieselben<br />

kurz vor dem Werfen gebracht werden. Hier<br />

bleiben sie solange sie die Welpen nähren, nachdem<br />

werden sie zur Meute zurückgebracht und die Welpen<br />

kommen in ihren Park, wo sie fast bis zu einem<br />

Jahre bleiben. Am Ende des Jahres kommen die<br />

Welpen zur Meute und Ende Mai gehen diese schon<br />

zu Probetreiben mit den alten Hunden ins Feld.<br />

Der Bestand der <strong>Perchino</strong>jagd<br />

<strong>Die</strong> komplette <strong>Jagd</strong> des Großfürsten besteht aus:<br />

1. zwei Meuten Parforcehunden zu 45 Hunden<br />

in jeder Meute und 10 Reservehunden. Davon<br />

ist eine Meute von rotgrauer Farbe und russischen<br />

Blutes, die andere Meute scheckig, weiß mit gelben<br />

Abzeichen und gemischten Blutes. Letztere vom<br />

Großfürsten selbst gezüchtet.<br />

2. 125 bis 150 russischen Windhunden (Barsois)<br />

und 15 englischen Windhunden (Greyhounds).<br />

<strong>Die</strong> Meuten gehen abwechselnd einen Tag um<br />

den andern ins Feld. Auf sehr große Flächen, oder<br />

wenn es auf die Wolfsjagd geht, werden beide Meuten<br />

zusammengelegt. <strong>Die</strong> Barsois gehen ebenfalls<br />

abwechselnd auf die <strong>Jagd</strong>. Meist gehen 20 Koppeln,<br />

d. h. die Hälfte der Hunde, nur während der Wolfsjagd<br />

35 Koppeln ins Feld, das sind 105 Barsois, sodass<br />

fast alle Hunde im Felde sind. <strong>Die</strong> Koppeln sind<br />

nach Farben zusammengestellt, in jeder Koppel zwei<br />

Rüden und eine Hündin, von letzterer Ordnung wird<br />

selten abgewichen. <strong>Die</strong> Hunde sind nach ihren Höfen<br />

und Farben verteilt. Hof 1 rot und braunschwarze,<br />

Hof 2 rote und rotgraue, Hof 3 grau schwarze,<br />

Hof 4 grauscheckige (weiß mit grauen Abzeichen},<br />

Hof 5 gelbscheckige und weiße, Hof 6 rotscheckige<br />

(weiß mit rotbraunen Abzeichen), Hof 7 dunkelgrauscheckige,<br />

Hof 8 schwarzscheckige, Hof 9 dunkelbraunscheckige<br />

(rostfarben), Hof 10 englische Windhunde<br />

(Greyhounds).<br />

In der ,,eigenen Meute“ sind Hunde fast aller<br />

dieser Farben vertreten, und zwar sind die Hunde so<br />

gewählt, dass zwei Hunde und eine Hündin derselben<br />

Farbe an einer Koppel gehen, oder ein Hund und<br />

eine Hündin von derselben Farbe, weil der Großfürst<br />

selbst zwei Hunde an der Koppel führt. Hinter dem<br />

Großfürsten reitet ein Stalljunge (Gehilfe des Leibjägers)<br />

mit einem Barsoi und einem englischen Windhunde,<br />

um den Lauf des russischen mit dem des<br />

englischen Windhundes vergleichen zu können.<br />

Für Wolfsjagden wird eine selbständige englische<br />

Koppel aus Greyhounds zusammengestellt.<br />

Wir hatten viele Fälle, wo die Engländer heißblütig<br />

zugriffen und den Wolf so festhielten, dass sie wie<br />

erstarrt auf ihm liegen blieben (mjortwaja chwatka),<br />

„der tote Griff“.<br />

20


<strong>Die</strong> Parforcehunde werden von einem<br />

Parforceleiter, 4 Jägerburschen und 2 Stalljungen<br />

geführt. Geht nur eine Meute ins Feld, so reiten außer<br />

dem Parforceanführer drei Jägerburschen mit,<br />

kommen beide Meuten ins Feld, so müssen alle vier<br />

Jägerburschen mit. Des Großfürsten Leibjäger, ein<br />

Spezialist im Nachahmen von Wolfsheulen und Tierschreien,<br />

reitet auch auf Wolfsjagden mit, wenn es<br />

gilt, eine Wolfsbrut zu umstellen.<br />

<strong>Die</strong> mit der Meute gehenden <strong>Jagd</strong>pferde sind<br />

grau. In den ersten <strong>Jagd</strong>jahren wurden asiatische<br />

Pferde gebraucht, Kirgisen·<br />

und Kabardiner.<br />

Beide Meuten sind aber<br />

so unersättlich im Treiben,<br />

dass man ihnen auf<br />

den kleinen asiatischen<br />

Pferden nicht nachfolgen<br />

kann, überhaupt wenn<br />

die Hunde dem Wild in<br />

das Feld nachjagen. Besonders<br />

auf sumpfigem<br />

Boden versagen diese<br />

Pferde völlig und nur<br />

englisches Halbblut oder<br />

Dreiviertelblut erfüllen<br />

ihre Pflicht. Dabei ist die<br />

Arbeit auch für diese so<br />

schwer, dass sie einmal<br />

abgelöst werden müssen.<br />

Der eine Teil der Pferde arbeitet am Vormittag,<br />

der andere am Nachmittag. Augenblicklich arbeiten<br />

20 Pferde mit den Parforcemeuten, alle englischen<br />

Blutes und hellgrauer Farbe.<br />

Der Parforceanführer und die Treiber sind in<br />

rote Halbkaftans (Halbröcke) gekleidet mit schwarzen<br />

Ledergürteln, an denen sie Dolche mit weißen<br />

Handgriffen in schwarzen Scheiden tragen. Des Parforceanführers<br />

Rock ist mit Goldtressen besetzt. <strong>Die</strong><br />

Mützen sind rot und mit weißem Schafsfell verbrämt.<br />

Alle tragen an schwarzen, über die Schulter geworfenen<br />

Riemen weiße Nickelhörner, die nach Tönen<br />

zum Akkord zusammengestellt sind.<br />

<strong>Die</strong> Barsoikoppeln führen 10 Barsoijäger, 2<br />

Leibjäger des Großfürsten und 12 Stalljungen, von<br />

denen abwechselnd 4 im <strong>Jagd</strong>hofe zurückbleiben,<br />

wenn nur die halbe <strong>Jagd</strong> ins Feld zieht. <strong>Die</strong> Bekleidung<br />

der Barsoiführer ist blaue Halbkaftans, bei den<br />

Leibjägern mit Goldtressen benäht, mit schwarzen<br />

Ledergürteln, an denen Dolche in schwarzen Lederscheiden<br />

stecken. <strong>Die</strong> Mützen sind blau mit schwarzem<br />

Karakul verbrämt. Über der einen Schulter hängt<br />

das <strong>Jagd</strong>horn am schwarzen Riemen, über der anderen<br />

die Koppel und eine schwarze, lederne, selbstgeflochtene<br />

Hetzpeitsche. <strong>Die</strong> Pferde der Barsoiführer<br />

21


sind Rotschecken, alles Kabardiner, wovon 40-50 mit<br />

ins Feld genommen werden. <strong>Die</strong> schlechteren davon<br />

benutzen die Auskundschaftsreiter, welche bestimmte<br />

Plätze zu bewachen haben. Solche Reiter werden<br />

4-8 auf gestellt, die während der <strong>Jagd</strong> die Fangnetze<br />

und das Treiben, nach Anordnung des Parforceanführers,<br />

welcher die Tagesordnung einer jeden <strong>Jagd</strong><br />

am Vorabend vom Großfürsten persönlich erhält, beobachten.<br />

Der Großfürst reitet auch auf Kabardinern; zurzeit<br />

ist nur eins seiner fünf <strong>Jagd</strong>pferde scheckig, das<br />

zweite ist dunkelbraun, das dritte rotbraun. Im Kaukasus<br />

ist man jetzt bemüht, die Pferdezucht durch<br />

englisches Vollblut zu verbessern und es wird daher<br />

immer schwerer, reine Kabardiner, ohne Beimischung<br />

englischen Blutes zu erhalten. Trotzdem die<br />

verbesserte Pferderasse mehr den Anforderungen<br />

der Remonte entspricht, ist für den Barsoijäger diese<br />

verbesserte Rasse weniger bequem, als der frühere<br />

echte Kabardiner, denn sie besitzt nicht dieselbe,<br />

leichte, bequeme Gangart, die so angenehm ist,<br />

wenn man ermüdet vom Felde heimkehrt.<br />

Außer den Reitpferden hat die <strong>Jagd</strong> auch Fahrpferde.<br />

4 Pferde für die Fahrten des <strong>Jagd</strong>verwalters<br />

und 10 Pferde zu verschiedenen Transporten. Um<br />

die Hunde nicht durch langes Herumlaufen zu ermüden,<br />

werden sie in besonderen Wagenkutschen<br />

mit Dreigespann zu den <strong>Jagd</strong>stellen hingefahren. In<br />

jeder Kutsche sind 2 Abteilungen mit je 8 Barsois,<br />

oder 12 Parforcehunden. In diese Wagen werden<br />

auch die den Hunden abgenommenen geknebelten<br />

Wölfe hineingesetzt. Solche Kutschen sind 12 vorhanden,<br />

die Pferde zu<br />

denselben werden gemietet,<br />

entweder auf<br />

dem eigenen Gute oder<br />

bei den Bauern. Auf<br />

Mietspferden wird auch<br />

alles Notwendige zum<br />

Frühstück ins Feld mitgenommen.<br />

Eine Feldküche,<br />

ähnlich wie die<br />

Kriegsfeldküche, 1 Zelt,<br />

1 Klapptisch und Stühle.<br />

Alles dieses wird an<br />

einem vorher bestimmten<br />

Ort geschafft und<br />

um 12 Uhr ist das Frühstück,<br />

bestehend aus 2<br />

heißen Gängen, fertig<br />

und der Tisch für die<br />

Gäste gedeckt.<br />

Um die <strong>Jagd</strong><br />

stets in vollem Bestande<br />

zu erhalten, werden jährlich 60 Barsoi- und 40<br />

Parforcewelpen großgezogen. <strong>Die</strong> ganze <strong>Jagd</strong> steht<br />

unter Aufsicht des <strong>Jagd</strong>verwalters, der darauf aufpasst,<br />

dass alle Angestellten ihre Pflichten erfüllen.<br />

Im Büro des <strong>Jagd</strong>verwalters werden von seinen zwei<br />

22


Kontoristen alle Abrechnungen, die Aufzeichnungen<br />

der <strong>Jagd</strong>resultate, wie die regelrechte<br />

Führung der Stammbaumbücher,<br />

in welche alle Barsois und Parforcehunde<br />

eingetragen werden, besorgt.<br />

Der Vollbestand der <strong>Perchino</strong>jagd ist<br />

folgender: Parforcehunde 100, Barsois für<br />

den <strong>Jagd</strong>gebrauch 130, Greyhounds 15,<br />

Barsois nicht mehr jagdfähig 20 und Welpen<br />

100, im Ganzen 365 Hunde. Pferde 3<br />

unter „eigenem Sattel“, 20 für die Parforcetreiber,<br />

50 für die Barsoikoppeln und für<br />

die Aufseher der Plätze, 14 Fahrpferde, im<br />

ganzen 87 Pferde.<br />

Angestellte:1 <strong>Jagd</strong>verwalter, 2 Kontoristen,<br />

1 Kutscher, 1 Anordner für die<br />

<strong>Jagd</strong>einteilung, 8 Stallburschen, 4 Arbeiter,<br />

1 Parforceanführer, 6 Bereiter (Parforcetreiber),<br />

12 OberBarsoijäger, 2 Leibjäger,<br />

14 Gehilfen der Barsoijäger, 9 Wärter für<br />

die Welpenpflege, 7 Küchenangestellte,<br />

8 Reiter-Aufseher, 1 Mann und 1 Knabe<br />

im Hunde-Lazarett, im Ganzen 78 Mann.<br />

<strong>Die</strong>ses ist die einzige, in einem so großen Maßstabe<br />

bestehende Barsoijagd in ganz Russland. Eine derartige<br />

<strong>Jagd</strong> mit so prächtigen Hunden und ihre Sache<br />

tadellos kennenden Jägern hat selbst niemand in alten<br />

Zeiten besessen.<br />

<strong>Die</strong> Geschichte der <strong>Perchino</strong>-<strong>Jagd</strong><br />

Seine Kaiserliche Hoheit, der Großfürst Nikolai<br />

Nikolajewitsch, war seit seiner frühesten Jugend<br />

ein leidenschaftlicher Jäger und hatte in Peterhof<br />

auf dem Gute seines Erlauchten Vaters eine eigene<br />

zur Flintenjagd abgerichtete Parforcemeute. Der<br />

erste Barsoi, welcher dem Großfürsten gehörte, war<br />

der schwarzscheckige ,,Udar“ aus der <strong>Jagd</strong> Wassili<br />

Petrowitsch Wojekoffs, eines bekannten Tambower<br />

Jägers, den H. Driansky in seinem Werke ,,Aufzeichnungen<br />

eines Kleintreibers“ beschrieben hat. In der<br />

Kretoschewitzer Kaserne, Gouvernement Nowgorod,<br />

rühmte man die Hunde des Gutsbesitzers Tumanowsky,<br />

welcher dem Großfürsten seinen rotscheckigen<br />

Rüden ,,Osornoi“ zuführte, der ausgezeichnet auf<br />

der Probejagd mit Udar zusammen an der Koppel arbeitete.<br />

In der <strong>Jagd</strong> W. P. Wojekoffs wurde besonders<br />

der grauscheckige Barsoi ,,Chitschny“ gelobt und<br />

1874 führte Wojekoff Seiner Kaiserlichen Hoheit diesen<br />

Barsoi mit dessen Sohne ,,Atlan“ zur Barsoijagd<br />

zu.<br />

Bei Petersburg aber erweckt die Barsoijagd<br />

kein großes Interesse, weil der Boden sumpfig ist<br />

und die Felder mit großen Steinen bedeckt sind,<br />

an denen sich die besten Hunde zugrunde richten.<br />

Das Steppenland Mittelrusslands mit seinen weiten<br />

Feldern, seinen an Wild reichen Wäldern, mit seinen<br />

durch ihre kompletten <strong>Jagd</strong>en berühmten Jäger<br />

und den ausgezeichneten Parforcereitern lockte das<br />

Jägerherz des Großfürsten. 1876 kaufte er bei dem<br />

Rjasanschen Jäger Oboljanikoff eine Meute Parforcehunde<br />

und nach der ersten Abreise des Großfürsten<br />

aus dem Gouvernement Woronesch wurden<br />

ihm von Baron Delwig zwei Koppeln seiner berühmten<br />

Parforcehunde (Harlekine, weiß mit schwarz und<br />

rot gesprenkelt) und der gelbscheckige Barsoirüde<br />

,,Sawladei“ (Wolfssolowürger) zugeführt. <strong>Die</strong> Parforcehunde<br />

des Baron Delwigs stammten von den in<br />

Tambow bekannten Marmorharlekinen des Gutsbesitzers<br />

Sapolsky, zeichneten sich durch feine Nase,<br />

meisterhaftes Treiben und rasende Bosheit aus, ein<br />

jeder einzelne Hund nahm den Wolf ,,solo“ im toten<br />

23


Griffe. Im Jahre 1887 erwarb der Großfürst von<br />

Durasoff eine Meute graugesprenkelter Parforcehunde,<br />

Nachkommen der berühmten Arapoffschen Hunde<br />

(Gouvernement Pensa). Im gleichen Jahre wurde<br />

auch das Gut ,,<strong>Perchino</strong>“ gekauft und im Herbst<br />

desselben Jahres siedelte die ganze <strong>Jagd</strong> aus dem<br />

Gute Teterenki nach <strong>Perchino</strong> über, wo sie sich zu<br />

ständigem Aufenthalte einrichtete.<br />

Da der Großfürst zwei Meuten Parforcehunde<br />

zu haben wünschte, kaufte er vom Baron Delwig<br />

noch einige Koppeln Harlekiner. Von diesen wurde<br />

durch Kreuzung mit englisch-russischen Hunden<br />

aus der <strong>Jagd</strong> Sokoloffs und dem gelbscheckigen<br />

,,Batyrs“, welcher von den alten Gleboffschen Hunden<br />

aus der <strong>Jagd</strong> Rachmaninoff stammte, die aus<br />

Frankreich und England importiert waren, die jetzige<br />

gelbscheckige <strong>Perchino</strong>meute gezüchtet, welche<br />

sich durch feine Nase, durch gute Stimme (Glockenbellen)<br />

und große Standhaftigkeit auszeichnet. Von<br />

den russischen Parforcehunden aus den <strong>Jagd</strong>en<br />

Stolypin und Bratkes züchtete der Großfürst seine<br />

russische graurote Meute, die dieselbe Standhaftigkeit<br />

der gelbscheckigen besitzt und nur feinere, dafür<br />

aber weitschallende Stimmen hat. <strong>Die</strong>se Meute wurde<br />

selten durch Beimischung neuen Blutes aufgefrischt,<br />

da es sehr schwerfällt, einen reinrussischen<br />

Parforcehund, ohne Beimischung polnischen Blutes,<br />

aufzutreiben. Nur einmal innerhalb 25 Jahren ist es<br />

mir gelungen, in der Stadt Kostroma bei Doktor Lebedjeff<br />

zwei russische Schweißhunde grauroter Farbe<br />

zu kaufen. <strong>Die</strong>se Hunde waren groß, trocken, mit<br />

24


feinen Nasen und vorzüglichen Stimmen. Besonders<br />

einer der Hunde besaß einen Donnerbaß, und wenn<br />

er im Walde zu treiben anfing, schien es, als würde<br />

ein Mensch im Wald mit wilder Stimme a, a, a - u - a,<br />

a, u - a schreien. Nach diesen beiden Rüden wurden<br />

noch Hunde von Bjelousoff und Moscharoff gezüchtet,<br />

aber alles was später zum Auffrischen des Blutes<br />

dieser Meute zur Zucht hinzugenommen wurde,<br />

stand unter dem Werte derselben und brachte daher<br />

keine Verbesserung.<br />

Im Jahre 1889 wurde in Petersburg unter dem<br />

Präsidium des Großfürsten die Gesellschaft zur Aufbesserung<br />

der Feldeigenschaften der <strong>Jagd</strong>hunde“<br />

gegründet. Das Ehrenmitglied derselben, Graf Sergei<br />

Alexandrowitsch Strogonoff, baute in Kolomjagi<br />

(Gut bei Petersburg) einen geschlossenen Treibhof<br />

für Probejagden nach dem Muster englischer gedeckter<br />

Treibhöfe. Hier wurden von der Gesellschaft<br />

Probejagden mit Preisverteilung für Schnelligkeit<br />

und Schärfe der Barsois, wie auch anderer Rassen,<br />

veranstaltet. Der Großfürst interessierte sich für die<br />

Tätigkeit dieser dank seiner Initiative entstandenen<br />

Gesellschaft sehr und nahm mit seinen Barsois an<br />

den Probejagden teil.<br />

Neben den Treibhof hatte der Großfürst seinen<br />

eigenen <strong>Jagd</strong>hof gebaut, wo seine aus <strong>Perchino</strong> hierher<br />

transportierten Hunde vor den Probejagden trainiert<br />

wurden. Es ist möglich, dass diese Probejagden,<br />

welche deutlich zeigten, wie weit sich der Barsoi im<br />

Schnellaufen entwickeln kann und die immer wachsende<br />

Zahl rassiger Barsois auf den Ausstellungen in<br />

Petersburg und Moskau die Anforderungen wie auch<br />

die Meinung des Großfürsten beeinflussten.<br />

In seiner früheren <strong>Jagd</strong> hatte der Großfürst<br />

seine ganze Aufmerksamkeit der Bosheit der Windhunde<br />

geschenkt. <strong>Die</strong> Zuchthunde wurden nach<br />

dem Stadium ihrer Bosheit gewählt, wodurch oft die<br />

Schönheit der Formen und ihre Regelmäßigkeit in<br />

den Hintergrund gestellt oder ganz vernachlässigt<br />

wurde, was schließlich auch auf die Schnelligkeit der<br />

Hunde einwirkte, ohne welche eine siegreiche <strong>Jagd</strong><br />

auf erwachsene Wölfe unmöglich ist.<br />

Jetzt wurde in der neuen <strong>Jagd</strong> des Großfürsten<br />

in erster Linie auf die Schnelligkeit, die Rassigkeit<br />

wie auf das Gebäude der Zuchthunde geachtet. Der<br />

Wunsch, eine komplette <strong>Jagd</strong> zu besitzen und dabei<br />

schöne, schnelle und boshafte Barsois zu züchten,<br />

veranlasste den Großfürsten, von seinem ersten Beschlusse,<br />

nur grauscheckige Barsois zu züchten, abzusehen,<br />

da hierdurch die Zucht einer eigenen Rasse<br />

sehr erschwert wurde. Er kaufte deshalb für seine<br />

<strong>Jagd</strong> Hunde, welche sich durch Schnelligkeit zur<br />

Zucht eigneten und in Rasse wie in Form sich dem<br />

Ideale des alten russischen Windhundes näherten.<br />

Der Standpunkt, Hunde nach ihrer Boshaftigkeit<br />

zur Zucht zu wählen, wurde vom Großfürsten<br />

ganz verworfen. Er ging vielmehr jetzt von dem Prinzip<br />

aus, dass, wenn in der <strong>Jagd</strong> rassige, gut gebaute,<br />

schnelle und dem Typ des Barsois entsprechende<br />

Hunde sein werden, diese auch alle die Eigenschaften<br />

besitzen werden, die den echten, rassigen<br />

Barsoi kennzeichnen, d.h. dass die erbliche Rasse-eigenschaft<br />

die Schärfe dem Wilde gegenüber<br />

nicht fehlen wird. Der erste nicht grauscheckige<br />

Hund, welchen der Großfürst 1890 von Nikolai Arkadjewitsch<br />

Boldyrjeff kaufte, war der gelbscheckige<br />

Rüde „Kidai Molodoi“, dessen Stammbaum ich unten<br />

zeichne, damit die Jäger, welche dieses Buch lesen,<br />

sehen können, mit welchem Blute die <strong>Perchino</strong>-<strong>Jagd</strong><br />

zu züchten anfing.<br />

25


<strong>Die</strong> ersten Welpen wurden von Kidai Molodoi<br />

und Lebjedka (Besitzer Fürst Boris Alexandrowitsch<br />

Wassiltschikoff) gezüchtet. Lebjedka war schneeweiß,<br />

stammte aus der <strong>Jagd</strong> des Gutsbesitzer Karejeffs<br />

von dessen Ataman und Slodjeika. Auf der<br />

Probejagd in Kolomjagi hatte diese Hündin eine<br />

außergewöhnliche Schnelligkeit gezeigt. Von Kidai<br />

Molodoi brachte sie nur zwei Welpen, die Hündinnen<br />

„Otmena", die in der <strong>Jagd</strong> des Fürsten<br />

Wassiltschikoffs blieb und „Slawna",<br />

die 1892 in die <strong>Perchino</strong>-<strong>Jagd</strong><br />

kam.<br />

Ein Jahr vorher, 1891, hatte der<br />

Großfürst von Pjeter Fjedorowitsch<br />

Durasoff den gelbscheckigen Rüden<br />

„Utjeschai" gekauft, der ebenfalls<br />

eine vorzügliche Schnelligkeit<br />

auf den Proberennen in Kolomjagi<br />

zeigte. Um diese außergewöhnliche<br />

Schnelligkeit für die Rasse zu<br />

sichern, wurde er mit ,,Slawna" gepaart.<br />

,, Utjeschny" war gut gebaut,<br />

reich an Muskulatur, hatte aber groben<br />

Kopf, hochgedrehte Rute und<br />

war schlecht im Haar. ,,Utjeschny"<br />

und ,,Slawna" wurden zweimal gepaart.<br />

Beide Würfe zeichneten sich<br />

durch Schnelligkeit aus, die Mutter<br />

hatte veredelnd auf die Fehler des<br />

Vaters gewirkt, aber eine gewisse<br />

Grobheit der Köpfe war bei allen<br />

Hunden aus diesen Würfen nachgeblieben,<br />

so dass sie trotz ihrer<br />

tadellosen <strong>Jagd</strong>formen nicht dem<br />

Ideale des alten russischen Windhundes<br />

entsprachen. Ein Sohn von<br />

Utjeschny und Slawna erhielt den Großfürstenpreis,<br />

sein Bruder aus demselben Wurfe erhielt den zweiten<br />

großen Moskauer Preis, den ersten Preis verlor<br />

er deswegen, weil er sich am Vortage auf gefrorenem<br />

Felde den Nagel von der Vorderpfote abgerissen<br />

hatte und daher das Rennen hinkend mitmachte.<br />

Im Felde rannten diese Hunde alle glänzend, ihre<br />

<strong>Jagd</strong>eigenschaften ließen nichts zu wünschen übrig<br />

26


und befriedigten die Anforderungen ihres Besitzers<br />

vollauf, es waren aber doch nicht jene Hunde, von<br />

welchen der leidenschaftliche Liebhaber der alten<br />

russischen Rasse träumte.<br />

Zu gleicher<br />

Zeit mit Utjeschny<br />

befand<br />

sich auf dem<br />

Kolomjagirennen<br />

Durasoffs<br />

rotbrauner<br />

Rüde ,,Laskoi",<br />

ein Hund<br />

von seltener<br />

Schönheit an<br />

Formen, aber<br />

ihn von Pjeter<br />

Fjedrowitsch<br />

Darasoff zu<br />

kaufen, war<br />

unmöglich, da<br />

Durasoff den<br />

Hund für keinen<br />

Preis abgab.<br />

Im Herbst<br />

1891, nach den<br />

Probejagden in<br />

Kolomjagi, auf<br />

welchen meine<br />

Hündin „Wjuga"<br />

(in Tula bei<br />

dem Jäger Iwan Sokoloff von seiner<br />

Raskide (Blut von meinen Hunden)<br />

und Kaisak [Matscheworianoffs<br />

Zucht] geworfen) vorzügliche Arbeit<br />

leistete und den „Strogonoffpreis<br />

für einjährige Barsoi Hündinnen gewann,<br />

wurde eine Hundeauktion in<br />

der Nikolaimanege in Petersburg<br />

veranstaltet.<br />

Auf dieser Auktion wurde der<br />

graugelbscheckige Rüde „Serdjetschny“<br />

aus der <strong>Jagd</strong> des Fürsten<br />

Wassiltschikoffs verkauft. .Serdjetschny“<br />

war ein Wurfbruder von<br />

„Laskai“ (Durasoffs prächtigem<br />

Hund). Der Großfürst, ohne zu ahnen,<br />

dass .Serdjetschny“ ein Bruder<br />

„Laskai“ ist, schätzte diesen Hund<br />

sofort seiner Formen wegen sehr<br />

hoch ein und kaufte ihn speziell zur<br />

Zucht. „Serdjetschny“ hatte wunderbares<br />

seidenes Fell, trotz der<br />

unschönen, graugelblichen Farbe<br />

desselben (diese Farbe ist aber äußerst<br />

typisch für den Barsoi). Das<br />

Haar war lang, wellig, mit prächtigen<br />

Kragen- und Fesselhaaren und<br />

reicher Behaarung der Rute. Der<br />

Hund selbst war trocken, sehr muskulös, sein Kopf<br />

war ebenfalls schmal und trocken, nur war die Nase<br />

etwas zu kurz, das Ohr klein und gut zurückgezogen,<br />

27


de leicht jeden Wolf ein und so mancher Wolf wurde<br />

vom Jäger geknebelt, während „Sokruschai“ ihn im<br />

toten Griffe hielt (d. h. ohne loszulassen).<br />

„Swirep“ und „Serdjetschny“ gewannen 1895<br />

das Prodiusrennen in Petersburg und im Herbst das<br />

Prodius in Moskau und 1896 das Prodiusrennen für<br />

dreijährige Rüden und Hündinnen, so dass diese<br />

Hunde zwei Jahre nacheinander alle ihre Gegner im<br />

Felde schlugen. „Swirep“ und „Serdjetschny“ erhielten<br />

mit ihrer Schwester „Sorwa“ in der Koppel auf der<br />

Jubiläumsausstellung in Moskau die goldene Medaille.<br />

Im Felde fassten diese beiden Rüden einen einjährigen<br />

Wolf, welchen sie, bis die Jäger hinzueilten,<br />

aber der Rücken war nicht gewölbt und die Vorderpfoten<br />

in ihrer Stellung nicht regelgerecht. Trotzdem<br />

lief Serdjetschny“ sehr schnell, passte gut im Typus<br />

zu „Wjuga“, welche gut gebaut war und einen langen<br />

schmalen Kopf hatte. „Wjuga“ hatte auch prächtiges,<br />

seidiges Wellhaar gelbweißer Farbe. Ich war<br />

sehr glücklich, „Wjuga“ zur Zucht der <strong>Perchino</strong>jagd<br />

zuführen zu dürfen. Mit dieser Hündin war ich, der ich<br />

schon im <strong>Die</strong>nste Seiner Kaiserlichen Hoheit stand,<br />

aufgefordert worden, an der Probejagd.in Kolomjagi<br />

teilzunehmen.<br />

Von „Serdjetschny“ und „Wjuga“ wurden zwei<br />

bewundernswerte Würfe aufgezogen: „Sokol“, „Swirep“,<br />

„Serdjetschny II“, „Sudarka“, ,,Sorwa“, „Strela“<br />

im ersten Wurfe und ,,Sokruschai“, „Streljai“, ,,Saigatsch“,<br />

„Sirotka“ im zweiten Wurfe. <strong>Die</strong>ses waren typische<br />

Barsois, reich im Haar, mit langen, seidenweichen<br />

Fesselhaaren, prächtigem Halskragen, trocken,<br />

muskulös, gut in Form und sehr scharf. „Sokol“ war<br />

der erste, der nach „Nagraschdai“ (Besitzer Tschebyschoff)<br />

die goldene Medaille für Schönheit in Moskau<br />

von der „Kaiserlichen Gesellschaft für geregelte<br />

<strong>Jagd</strong>“ erhielt. „Sokruschai“ holte auf trockenem Fel-<br />

schon erwürgt hatten. So zeigte es sich, dass des<br />

Großfürsten Ansicht, dass die Bosheit bei rassigen<br />

Hunden ganz von selbst auftreten musste, vollkommen<br />

richtig war.<br />

<strong>Die</strong> prächtigen Nachkommen „Serdjetschnys“<br />

machten den Großfürsten besonders auf die Hunde<br />

Durasoffs aufmerksam, welche von den berühmten<br />

Hunden „Stupischinsky“ und „Nasarjeff“ abstammten.<br />

<strong>Die</strong>se Hunde waren im Wolgagebiet allgemein<br />

bekannt. Das Blut der Hunde Nasarjeffs floss auch in<br />

28


den Adern von Matschewarianoffs Hunden, welches<br />

von zwei Seiten aus in das Blut „Wjugas“ und in das<br />

Blut des Rüden „Nagletz“, Besitzer Korotujeff, übergangen<br />

war („Nagletz“, der Vater von Serdjetschny“).<br />

So stammten die Hunde der <strong>Perchino</strong>jagd aus<br />

einer Wurzel, so dass ich persönlich der Ansicht bin,<br />

dass in den <strong>Perchino</strong>hunden der Typus des alten<br />

russischen Windhundes wieder neu erstanden ist,<br />

welcher nach den Gesetzen des Atavismus in den<br />

Nachkommen die berühmten Vorfahren wiederholt.<br />

Ich wurde vom Großfürsten in das Gouvernement<br />

Simbirsk auf das Gut Durasoffs geschickt und kaufte<br />

dort „Chochlik den Zweiten“, einen im Bau hervorragenden<br />

Rüden. Solche idealen Formen habe ich nur<br />

noch einmal vordem, 1876, in der <strong>Jagd</strong> Matschewarianoffs<br />

bei einem seiner besten Rüden, „Kaitar“, gesehen.<br />

„Chochlik“ war nicht groß (16¼ Werschock =<br />

ca.78-80 cm), braunschwarzscheckig oder richtiger<br />

schwarzbraun mit weißer Brust, weißem Halskragen<br />

und weißen Vorderpfoten. Der Hund war kolossal<br />

breit in der Schulter, wie auch in den Schenkeln, mit<br />

gut gewölbtem Rücken, wie zum Sprunge bereit und<br />

mit reichem Haarwuchs. Von „Chochlik“ und „Wjuga“<br />

wurden selten typische Welpen gezüchtet: „Wachlak“,<br />

„Warwar“, „Wedma“, „Wuja II“. <strong>Die</strong> Köpfe dieser<br />

Hunde mit ihren langen Stirnen, ihren schmalen, langen<br />

Schnauzen und der leichten Nasenwölbung, waren<br />

gerade diejenigen, von welchen alle Barsoijäger<br />

träumten, wenn sie hofften, den alten Barsoi wieder<br />

auferstehen zu sehen.<br />

Dank dieser Hunde erhielt die <strong>Perchino</strong>jagd<br />

ihre schmalen, feinen Köpfe, nach denen man sofort<br />

feststellen kann, dass die Hunde aus der <strong>Perchino</strong>jagd<br />

stammen. Der Sohn „Chochliks“, der dunkelgelbscheckige<br />

„Porchai“ aus „Proida“, der Tochter<br />

der Durasoffschen „Druschba“ und ,,Poschar“ aus<br />

der <strong>Jagd</strong> des Fürsten Dmitri Borisowitsch Golizin<br />

war ebenso ein prachtvoller Zuchthund, Schnelläufer<br />

und Solowolfswürger und von seltener Schönheit.<br />

Er gab der <strong>Perchino</strong>jagd eine glänzende Nachkommenschaft.<br />

Alle Kinder von „Serdjetschny“, wie auch<br />

die Kinder von „Chochlik“, waren meist dunkelfarbig:<br />

graugelb, schwarzbraun, grauschwarz oder mit<br />

großen Abzeichen dieser Farben. Der Großfürst<br />

wünschte nur Hunde desselben Typs, denselben<br />

Feldeigenschaften und derselben Schönheit zu besitzen,<br />

auch in hellen Farben.<br />

Zu derselben Zeit hatte der Fürst Wassiltschikoff<br />

von seiner Hündin „Lebjedka“ (der Mutter der<br />

<strong>Perchino</strong>-“Slawa“) sehr elegante Hunde gezüchtet,<br />

rotscheckige (weiße mit rötlichen Abzeichen), gelbscheckige<br />

(weiß mit gelb) und weiße. <strong>Die</strong>sen Hunden,<br />

die nur in dem eigenen <strong>Jagd</strong>bestande gezüchtet<br />

worden waren, fehlte es aber ganz an regelrechten<br />

Formen, sie liefen auch nicht besonders, trotzdem<br />

scheute sich der Großfürst nicht, dem echten Gefühle<br />

des Jägers folgend, vom Fürsten Wassiltschikoff<br />

für den soliden Preis von 2000 Rubel den weiß-rot<br />

29


gezeichneten Rüden „Tscharodjei“ zu kaufen. <strong>Die</strong>ser<br />

Hund lief nicht besonders, war aber sehr scharf, hatte<br />

kurzen, stark gebogenen Rücken, war groß, trocken,<br />

im Bau rassig und elegant. Sehr gut waren seine<br />

kleinen, feinen, festanliegenden Ohren, so dass<br />

der Großfürst scherzend sagte: „Ich habe 1000 Rubel<br />

für jedes Ohr bezahlt“, da er gerade diese Ohren<br />

am meisten am Hunde schätzte. „Tscharodjei“ wurde<br />

im März 1895 gekauft, wo nach und nach alle zu ihm<br />

passenden <strong>Perchino</strong>-Hündinnen von ihm gedeckt<br />

wurden.<br />

Aber nicht alles auf Erden geschieht<br />

nach einem vorher zusammengestellten<br />

Programm, manchmal bringt einem das<br />

Schicksal selbst Glück und Erfolg, wo man<br />

es am wenigsten erwartet. Bei mir befand<br />

sich zu Gast Oseroff mit seiner grauscheckigen<br />

Hündin „Golubka“ aus unserer Zucht,<br />

ich sage „unsere“ und spreche hiermit von<br />

einem kleinen Kreis von Jägern, welche zusammen<br />

züchteten und deren Zuchtideal<br />

auch der frühere russische Windhund bildete.<br />

In diesem Jägerkreise waren außer<br />

mir noch N. A. Boldyrjeff, J. P. Sokoloff und<br />

S. W. Oseroff und wir hatten bereits auf den<br />

Moskauer Ausstellungen die äußeren Werte<br />

unserer Hunde bewiesen, auch waren<br />

diese Hunde auf den Versammlungsjagden<br />

in den Gouvernements Rjasan und Tula<br />

schon durch ihre guten Feldeigenschaften<br />

bekannt.<br />

Um das Jahr nicht zu verlieren, äußerte<br />

der Großfürst den Wunsch, einen<br />

Wurf von „Golubka“ und .,Tscharodjei“ zu<br />

züchten. <strong>Die</strong>se Verbindung gab folgende<br />

Hunde: den rotscheckigen „Golub“, die<br />

gelbscheckigen „Gordetz“ und „Grubian“<br />

und die weißen „Grosny“ und „Grosa“.<br />

Alle diese Hunde waren tadellos gebaut,<br />

stark in den Knochen, reich im Haar und<br />

zeichneten sich durch Schnelligkeit auf<br />

den Barsoijagden in <strong>Perchino</strong> aus, bei<br />

denen sie alle ihre Gegner gleichen Alters<br />

schlugen (den zweiten Wurf vom<br />

Durasoffschen „Utjeschai“ und „Slawna“).<br />

<strong>Die</strong>ses bestätigte noch einmal die<br />

Richtigkeit der Ansicht des Großfürsten<br />

in Bezug der Zucht, d. h. wenn man<br />

schon eine Rekordschnelligkeit in seinen<br />

<strong>Jagd</strong>hunden besitzt, man nicht in Gefahr<br />

läuft, wenn man auch einen weniger guten<br />

Läufer als Zuchthund hinzunimmt,<br />

wenn der Hund nur rassig ist, scharf und<br />

nach seinen Formen wie im Typ zur Hündin<br />

passt.<br />

Im Jahre 1897 beschloss der<br />

Großfürst, die Kinder von „Tscharodjei“,<br />

Züchter Fürst Wassiltschikoff, mit den<br />

Hunden von .,Serdetschny“ und „Chochlik“<br />

beide aus der <strong>Jagd</strong> Durasoffs, zu paaren. Nach<br />

ihren Müttern „Wjuga“ und .,Golubka“ stammten sie<br />

aus demselben Blute, aber zu ihren Vätern standen<br />

sie in keiner Blutsverwandtschaft, trotzdem bei<br />

„Tscharodjei“ in einer Linie auch das Blut der ihnen<br />

allen verwandten Matschewarianoffschen Hunde<br />

floss. <strong>Die</strong>se vom Großfürsten gewählte Zuchtverbindung<br />

gab glänzende Resultate.<br />

Alle Hunde dieser Verbindung trugen einen<br />

ausgeprägten Typ, einige Exemplare waren<br />

30


fehlerlos, d. h. vollkommen, soweit überhaupt eine<br />

Vollkommenheit auf der Erde zu erreichen möglich<br />

ist. Von dem starken, muskulösen rotscheckigen<br />

Sohne „Tscharodjeis“ - „Golub“ und der feinen, trockenen,<br />

mit glattem Rücken schwarzbraunen Tochter<br />

„Serdetschnys“ - „Strela“ entsprossen aus erstem<br />

Wurfe die Hunde: „Almas“, „Amanat“, „Argos“, „Abreck“<br />

und „Almaska“. Aus dem zweiten und dritten<br />

Wurfe: „Armawir“, „Aigun“, „Asmodjei“, „Altai“, „Alupka“,<br />

„Aida“, „Andaluska“, ,,Aljaska“, „Amasonka“ und<br />

„Aragonka“; - alle diese Hunde waren von seltener<br />

Schönheit und den allererstklassigsten<br />

Feldeigenschaften,<br />

Schnelläufer und Solowürger.<br />

Für Starke und Unermüdlichkeit<br />

erhielt „Almas“ in Moskau<br />

die goldene Medaille und den<br />

ersten Preis der Ausstellung als<br />

schönster Barsoi. „Armawir“ und<br />

.Aragonka“ erhielten ebenfalls<br />

die ersten Preise auf den Ausstellungen<br />

in Moskau und Petersburg.<br />

Auf dem Stammbaume<br />

von ,,Almas“ findet man alle<br />

64 Vorfahren bis ins fünfte Glied<br />

verzeichnet und kann daraus sehen,<br />

welche Blutmischungen zu<br />

dem gewünschten Ziele führten,<br />

einen Barsoi zu züchten, welcher<br />

in sich alle Eigenschaften<br />

und Werte des alten russischen<br />

Barsois vereinigte. Von der<br />

weißen Tochter „Tscharodjei“ -<br />

„Grosa“ und dem rotscheckigen<br />

Sohne „Chochlicks“ - „Warwar“<br />

wurden der Rüde ,,Poroschai“<br />

und die Hündinnen „Prelest“,<br />

„Ptaschka“ und „Produschka“<br />

aus erstem Wurfe gezüchtet,<br />

alle selten an Schönheit.<br />

Als der verstorbene Sipjagin,<br />

damals Minister des Innern<br />

und daher zu sehr beschäftigt,<br />

um mit eigenen Hunden zu jagen,<br />

in <strong>Perchino</strong> die Hündin<br />

„Ptaschka“ sah, geriet er in<br />

wahrhafte Begeisterung und<br />

sagte: ,,Solch eine Hündin, wie<br />

„Ptascha“ kann man nur im<br />

Traume sehen“. Der Sohn von dieser „Ptaschka“ und<br />

,,Almas“, der grauscheckige „Bystry“ wurde an Herrn<br />

Thomas nach Amerika verkauft, dort hatte er keinen<br />

Rivalen und erhielt auf allen Ausstellungen die ersten<br />

Preise und wurde Champion. Alle hier angeführten<br />

Hunde befestigten den Ruhm der <strong>Perchino</strong>jagd und<br />

trugen ihren bestimmt ausgeprägten Typ. „Armawir“<br />

war nach meiner Meinung fehlerlos, er war so proportional<br />

gestaltet und so elegant in Formen und<br />

Behaarung, wie man es sich wirklich nur im Traume<br />

vorstellen kann.<br />

In demselben Jahre, d. h. 1907 wurde auch<br />

die schon altgewordene „Wjuga“ von Tscharodjei gedeckt<br />

und gab wiederum, wie vordem von Durasoffschen<br />

Rüden, auch jetzt ganz erstklassige Hunde:<br />

,,Sawladai“, „Slobian“, „Sawladka“ und „Sulima“. <strong>Die</strong>se<br />

Hunde besaßen außer ihrer äußeren Schönheit<br />

noch ganz seltene Feldeigenschaften. „Sawladai“<br />

und „Sawladka“ siegten auf der Moskauer Probejagd<br />

über die berühmten Konoplinschen Hunde „Moskwitschka“<br />

und „Nagletz“ (beide wurden Sieger auf<br />

allen Treibjagden) und nahmen den 1. und 2. großen<br />

Moskauer Preis. Mit „Sawladai“ nahm der Großfürst<br />

so manchen alten Wolf gefangen. Einmal zur<br />

Winterzeit hatten „Sawladai“, „Almas“ und „Amanat“<br />

in der Schlucht einen Wolf gestellt und als die Jäger<br />

im Schlitten den Hunden endlich zu Hilfe gekommen<br />

waren, hatten dieselben den Wolf schon erwürgt und<br />

er wurde tot in den Schlitten gelegt.<br />

31


Man könnte<br />

ein großes<br />

Werk schreiben,<br />

wenn man alle<br />

berühmten Hunde<br />

der <strong>Perchino</strong>jagd<br />

erwähnen<br />

wollte und alle<br />

<strong>Jagd</strong>en auf denen<br />

sie ihre glänzenden<br />

Leistungen<br />

zeigten. Ich<br />

will mich aber<br />

kurz fassen und<br />

nur noch einige<br />

Worte über die<br />

Kreuzungen der<br />

Barsois in der<br />

<strong>Perchino</strong>jagd<br />

sagen. <strong>Die</strong> Resultate<br />

der Verbindung<br />

der Jermoloffschen<br />

und<br />

der Durasoffschen<br />

Hunde mit<br />

den <strong>Perchino</strong>hunden,<br />

veranlassten<br />

den<br />

Großfürsten bei<br />

jeder Gelegenheit<br />

Hunde der<br />

genannten <strong>Jagd</strong>en<br />

zu kaufen.<br />

So wurde der rotscheckige<br />

„Sawladei“<br />

(Züchter<br />

Jermoloff) gekauft,<br />

welcher<br />

in Verbindung<br />

mit der Tochter<br />

„Serdetschnys“,<br />

„Sirotka“ die<br />

Hündin „Sorka“<br />

gab. <strong>Die</strong>se erhielt<br />

auf der Jubiläumsausstellung<br />

der „Kaiserlichen Moskauschen<br />

Gesellschaft“ die große goldene Medaille. Darauf<br />

wurde der graue „Kidai“, Jermoloffs Halbblut gekauft,<br />

sein Blut fließt in den Adern der besten Hunde<br />

der <strong>Perchino</strong>jagd. Zur Zucht wurden auch die<br />

Durasoffschen Rüden „Chochlick“ und „Krylat“ gekauft,<br />

welche ebenfalls bemerkenswerte Resultate<br />

in der <strong>Perchino</strong>jagd zurückließen.<br />

Somit ist die <strong>Perchino</strong>jagd die edelste Quelle<br />

reiner Vollbluthunde, welche viele der besten<br />

<strong>Jagd</strong>en Russlands erneuert und denselben frische<br />

Kräfte zugeführt hat. Es dürfte kaum möglich sein,<br />

in Russland oder im Auslande einen rassigen Barsoi<br />

zu treffen, in dessen Adern nicht <strong>Perchino</strong>blut<br />

fließt. Da die berühmten durch ihre Schönheit und<br />

ihre <strong>Jagd</strong>werte ausgezeichnete Barsois verschiedener<br />

Farbe waren, behielt der Großfürst Hunde aller<br />

Farbschattierungen, - angefangen von den schwarzen<br />

und rostfarbigen - bis zu den wie Schnee weißen.<br />

32


Der <strong>Jagd</strong>betrieb<br />

Jedes Jahr Anfang Mai oder Anfang<br />

Juni, wenn die Wälder schon ihren ganzen<br />

Blätterschmuck tragen und das Gras<br />

im Walde so hoch geworden ist, dass des<br />

Jägers Auge das Wild in demselben nicht<br />

mehr erspähen kann, ziehen beide Parforcemeuten<br />

nebst den Junghunden zum<br />

Wildtreiben in den Wald. Für diese Sommertreibjagden<br />

ist im Gouvernement Kaluga in<br />

der Nähe des Dorfes Chanin, 40 Werst von<br />

<strong>Perchino</strong> entfernt, ein großes Waldterrain<br />

gemietet worden. Hier sind auf einem Wiesenplatze<br />

am Waldrande ein Häuschen für<br />

die Jäger, ein Stall für die Pferde und zwei<br />

Zwinger für die Hunde aufgebaut.<br />

Täglich ziehen die Jäger mit einer der<br />

Meuten in den Wald, um den Hasen aufzutreiben;<br />

manchmal wird auch ein Fuchs<br />

aufgespürt, dem es nur dann gelingt, seine<br />

Haut zu retten, wenn er in seine Höhle<br />

flieht. Es kamen auch Fälle vor, wo ein<br />

Wolf aufgespürt wurde. Dann gibt es Arbeit<br />

für die Jäger, welche vorausreiten müssen,<br />

um die Meute zusammen zu treiben,<br />

da diese sonst den Wolf aus dem Walde<br />

hinaus über die Wiesen jagt. Ich möchte<br />

nicht verfehlen, hier von einem charakteristischen<br />

Falle aus der guten alten Zeit zu erzählen,<br />

den man jetzt bei den Leuten der neuen Generation<br />

wohl kaum mehr antreffen wird.<br />

Es geschah einmal Anfang August, dass die<br />

Parforcemeute einen Wolf aufspürte und denselben<br />

in das Feld jagte, wobei es über ein noch nicht<br />

gemähtes Kornfeld an einem kleinen Gutshofe<br />

33


vorüberging. Der der Meute nachreitende Jakoff<br />

Iwanowitsch Golowin sah auf dem Balkon des Gutshauses<br />

einen Herrn stehen, der lebhaft mit den Händen<br />

winkte und ihm etwas zuschrie. Der Verwalter<br />

überließ den Parforcejägern das Zusammentreiben<br />

der Meute und ritt dem Hause zu, um sich zu entschuldigen,<br />

dass die Meute in das Kornfeld geraten<br />

war, denn er war überzeugt, nicht wenig Vorwürfe<br />

dieses zeremonielosen Treibens wegen anhören zu<br />

müssen. Aber schon nach den ersten Worten wurde<br />

er zu seiner eigenen nicht geringen Verwunderung<br />

von dem Gutsbesitzer unterbrochen, welcher ihm<br />

sagte: ,,Ach, Väterchen, worüber reden Sie da noch,<br />

die Hunde sind dem Wolfe ja schon auf den Fersen,<br />

dabei reiten Ihre Jäger aber in falscher Richtung und<br />

stören die Meute in der Arbeit. Gott, mit dem Korn,<br />

aber warum helfen Sie Ihren Hunden nicht? Ich<br />

hielt früher selbst eine Parforcejagd und weiß was<br />

es heißt, einen Wolf fangen, und beim Himmel, Ihre<br />

Hunde fangen ihn.“<br />

Das war einer von der alten Sorte, der so<br />

sprach. Versuchen sie einmal jetzt, nicht über ein<br />

34


Kornfeld, sondern nur über die junge Herbstsaat zu<br />

treiben, was bekommen sie da nicht alles von dem<br />

empörten Besitzer zu hören.<br />

Am 6. August kehren die Parforcemeuten nach<br />

<strong>Perchino</strong> zurück und erholen sich hier bis zum 1.<br />

September. Während der Sommertreiben hat der<br />

Parforceleiter mehrere Wolfsbruten aufgespürt, und<br />

vom 1. September an beginnen die Wolfsjagden, bei<br />

denen beide Parforcemeuten zusammenarbeiten<br />

und so gemeinsame Praxis im Wolfstreiben haben.<br />

<strong>Die</strong> Barsois, welche vom 1. August an stark trainiert<br />

werden (es wird mit ihnen täglich eine Strecke von<br />

15 Werst Schritt und Trab abwechselnd abgeritten),<br />

kommen auf diese Wolfsjagden mit, wobei die Koppeln<br />

so zusammengelegt werden, dass zwei junge<br />

Hunde mit einem alten Wolfsfänger an einer Koppel<br />

gehen.<br />

Wölfe, welche zufällig in das umstellte <strong>Jagd</strong>revier<br />

gelangen, stoßen öfters selbst auf die Meute, wobei<br />

sie meist den Parforcehunden verfallen. Nach einiger<br />

solcher Probejagden auf den Wolf werden die Parforcemeuten<br />

bis zur Ankunft des Großfürsten nur auf<br />

Spaziergänge ausgeführt.<br />

Mit den Barsois wird auf weit von <strong>Perchino</strong><br />

abliegende Felder geritten, damit die Hunde in<br />

Schwung kommen und die Junghunde sich im Fangen<br />

üben. Meist kommt der erlauchte Besitzer und<br />

die von ihm eingeladenen Gäste erst am 15. September<br />

nach <strong>Perchino</strong>, und erst dann beginnt die regelrechte<br />

<strong>Jagd</strong>. <strong>Die</strong> Umgegend von <strong>Perchino</strong> hat 22-24<br />

<strong>Jagd</strong>reviere, so dass 22-24 große <strong>Jagd</strong>en veranstaltet<br />

werden können, wobei man morgens früh zu dem<br />

bestimmten <strong>Jagd</strong>revier im Wagen hinfährt und am<br />

Abend nach <strong>Perchino</strong> zurückkehrt. Da der Großfürst<br />

Alle Wölfe, die die Hunde fangen, werden geknebelt<br />

(d. h. es wird ihnen ein mit eisenbeschlagener<br />

Holzkeil zwischen den Zähnen befestigt und<br />

sie werden gebunden), darauf führt man die jungen<br />

Barsois an sie heran, um die Hunde mit dem Wilde<br />

bekannt zu machen. Einheimische Wölfe, d. h. solche,<br />

die am selben Ort aufgewachsen sind) werden<br />

selten auf diesen <strong>Jagd</strong>en erlegt, da das Treiben über<br />

die glatten Felder geht, über welche der erwachsene<br />

einheimische Wolf gleich einer Kugel hinweg fliegt.<br />

selten mehr als einen Monat der Barsoijagd widmen<br />

kann, so sind diese <strong>Jagd</strong>reviere vollkommen ausreichend<br />

bis zu seiner Abreise.<br />

Zuerst werden die weit von <strong>Perchino</strong> entlegenen<br />

<strong>Jagd</strong>reviere besucht, zuletzt die nächstliegenden.<br />

<strong>Die</strong> ganze <strong>Jagd</strong>führung ist mit der peinlichsten<br />

Genauigkeit geordnet und wird nach den strengsten<br />

Regeln geleitet, so dass der alte, von allen<br />

geachtete, jetzt schon verstorbene Barsoijäger Nikolai<br />

Arkadjewitsch Boldyrjeff das Gut mit Recht die<br />

35


„<strong>Jagd</strong>akademie“ nannte. Alles, was die Treibjagden<br />

anbetrifft, wird vom Großfürsten persönlich angeordnet,<br />

so dass jede eigenmächtige Handlung, welche<br />

Unordnung in den <strong>Jagd</strong>betrieb bringen könnte, ausgeschlossen<br />

ist.<br />

Sobald ein bestimmtes <strong>Jagd</strong>revier an die Reihe<br />

kommt, eine Insel oder ein Waldteil mit Wiesenanschluss,<br />

so werden diese Plätze von den Jägern<br />

mit den Hunden in weitem Kreise umstellt. Ist der<br />

bestimmte Kreis zu groß, um ihn durch Leute und<br />

Hunde umzingeln zu können, so werden außerdem<br />

Fangnetze gezogen und eine Reihe von Reiteraufsehern<br />

hingestellt, die einer Kette gleich das ganze<br />

<strong>Jagd</strong>revier umgeben, damit das Wild nicht auf Stellen,<br />

die für das Treiben unzugänglich sind, entwischen<br />

kann. <strong>Die</strong> Parforcemeute wird aus dem bestimmten<br />

Kreise nicht herausgelassen. Sofort erscheinen<br />

an den Grenzpunkten die Parforcereiter, sobald die<br />

Hunde es versuchen, in das Feld zu treiben und jagen<br />

dieselben auf das begrenzte <strong>Jagd</strong>revier zurück.<br />

Ein Barsoijäger, dessen Koppel das Wild entweichen<br />

lässt, ist verpflichtet, die Parforcemeute zusammenzutreiben,<br />

und wehe demjenigen, auf dessen Posten<br />

die Hunde durchbrechen - aber so etwas kann den<br />

<strong>Perchino</strong>jägern nicht passieren.<br />

Keinem Jäger ist es gestattet, seine Koppel<br />

während des Treibens eines anderen freizulassen,<br />

und nur Koppeln ein und desselben Besitzers dürfen<br />

zusammen treiben, wobei auch nicht mehr als zwei<br />

Koppeln zu gleicher Zeit arbeiten dürfen.<br />

Eine Ausnahme wird nur in Bezug des einheimischen<br />

Wolfes gemacht, hier muss jeder Jäger seine<br />

Hunde freilassen, falls letztere eine Chance besitzen,<br />

den Wolf einzuholen oder den andern Hunden<br />

behilflich zu sein.<br />

Am Tage vor der <strong>Jagd</strong> bestimmt der Großfürst<br />

die Stellen, auf welchen das Treiben stattfinden soll,<br />

ebenfalls die Stunde, wann die <strong>Jagd</strong> am Morgen abzufahren<br />

hat und wann die <strong>Jagd</strong>gesellschaft in den<br />

Equipagen nachfolgt. Zur bestimmten Stunde fährt<br />

die <strong>Jagd</strong> ab. <strong>Die</strong> Parforcehunde fahren in den Fuhrkutschen,<br />

ebenfalls die Hälfte der Windhunde, die<br />

andere Hälfte geht an der Koppel. <strong>Die</strong> herrschaftlichen<br />

Pferde werden von berittenen Stallknechten am<br />

Zügel geführt.<br />

36


Ist die <strong>Jagd</strong> an dem bestimmten Revier<br />

angekommen, so erwartet sie vor demselben die<br />

Ankunft des Großfürsten. Meist wird die Abfahrt der<br />

Equipagen auf acht Uhr morgens festgesetzt, und<br />

Punkt acht Uhr besteigt der Großfürst seinen Wagen,<br />

worauf sich alle Gäste ebenfalls in ihre Wagen begeben<br />

und in schnellem Tempo geht es dem <strong>Jagd</strong>platze<br />

zu. Nachdem der Großfürst die Jäger begrüßt hat,<br />

welche zum „Willkommen“ ins Horn blasen, vergehen<br />

noch einige Minuten, bis die Pferde bestiegen<br />

sind und jeder Jäger seine Koppel in Empfang genommen<br />

hat. Darauf besteigt der Großfürst seinen<br />

Uhr wird die Meute durch das Horn zusammengerufen.<br />

<strong>Die</strong> ganze <strong>Jagd</strong>gesellschaft begibt sich zu dem<br />

Posten des Großfürsten und von dort zum Frühstück.<br />

Als schönes Bild hebt sich eine so große Menge<br />

von Menschen, Pferden und Hunden, in malerischen<br />

Gruppen zusammengestellt, vom Hintergrunde<br />

der rötlich schimmernden Büsche, auf dem<br />

Teppiche des gelbgrünen Herbstgrases ab. Ein wenig<br />

abseits dampft die Feldküche, einen schmackhaften<br />

Geruch um sich verbreitend und den durch die<br />

frische Luft und die gesunde <strong>Jagd</strong>arbeit erwachten<br />

Appetit reizend. Unter einem großen, aufgespannten<br />

Kabardiner, stößt selbst ins Horn und die ganze <strong>Jagd</strong><br />

begibt sich auf die bestimmte Insel. <strong>Die</strong> Barsoiführer<br />

reiten zu ihren Posten und der Parforceleiter führt<br />

die Meute zum Waldesrande, wo er die zum Treiben<br />

festgesetzte Zeit abwartet, um seine Meute auf die<br />

Insel zu schicken.<br />

Nach jedem Treiben nimmt der Jäger sofort<br />

wieder seinen Posten ein, welchen, während er<br />

treibt, die andern Koppeln bewachen müssen; und<br />

bevor der Großfürst nicht ins Horn bläst - d. h. die<br />

Meute zum Treiben ruft - rührt sich niemand und keiner<br />

verlässt seinen Posten. Sobald aber das Horn<br />

des Großfürsten ertönt, wird das Signal über den<br />

ganzen Kreis weitergegeben, d. h. die Jäger blasen<br />

einer nach dem andern ins Horn, der Parforceleiter<br />

erscheint an der Waldkante und ruft die gehorsame<br />

Meute.<br />

Alle Barsoijäger reiten in den schon vorher bestimmten<br />

Richtungen zu ihren neuen Posten, meist<br />

auf eine zweite, mit der ersten zusammenhängenden<br />

Insel. Wenn die erste Insel sehr groß ist, werden die<br />

folgenden nach dem Frühstück umstellt. Um zwölf<br />

Dache oder in einem Zelte, ganz wie das Wetter es<br />

gestattet, werden auf einer mit einem schneeweißen<br />

Tischtuche bedeckten Tafel die besten Weine<br />

und ein guter Imbiss serviert. Das Frühstück. geht<br />

schnell von statten, denn bald erschallt wieder das<br />

Horn des Großfürsten, alle besteigen ihre Pferde und<br />

reiten hinter dem Großfürsten auf ihre Posten in der<br />

Hoffnung, alles das zu erjagen, was die unermüdliche<br />

Meute aus dem Walde und den Schluchten ins<br />

Feld treibt.<br />

Wenn die <strong>Jagd</strong> beendet ist und das <strong>Jagd</strong>horn<br />

zum letzten Male erschallt, um die Hunde zusammenzurufen,<br />

reiten alle wieder zu dem Posten des<br />

Großfürsten, die Equipagen stehen hier schon bereit,<br />

und nach einigen Minuten fährt die ganze Gesellschaft<br />

nach <strong>Perchino</strong> zurück. So kommt die <strong>Jagd</strong><br />

in derselben Ordnung, wie sie am Morgen abfährt,<br />

heim, um am nächsten Tage mit der zweiten Meute<br />

und der zweiten Gruppe der Barsoikoppeln wieder<br />

auf die <strong>Jagd</strong> zu ziehen.<br />

Erholungspausen finden nach fünf Tagen eine<br />

statt, oder manchmal, wenn das Wetter sehr schlecht<br />

37


ist und das Treiben unmöglich wird, kommt eine unerwartete<br />

Pause dazwischen. Sind die für das Treiben<br />

an einem Tage bestimmten Inseln sehr weit<br />

voneinander entfernt, so werden diese Entfernungen<br />

über das Feld zurückgelegt, wobei in den Grenzgräben<br />

Hasen aufgespürt und gehetzt werden. Der<br />

Großfürst reitet immer in der Mitte, und nach ihm ordnet<br />

sich die ganze Linie. <strong>Die</strong> besten Reiter werden<br />

auf die Flanken verteilt, die anderen Koppeln in bestimmter<br />

Reihenfolge geordnet.<br />

Da <strong>Perchino</strong> einen Überfluss von Hasen hat,<br />

bereiten diese Streifjagden allen ein großes Vergnügen.<br />

<strong>Die</strong> Jäger sehen einander zu und verfolgen<br />

mit dem lebhaftesten Interesse das Treiben fremder<br />

Koppeln, sie schätzen und richten die Chancen<br />

derselben nicht weniger streng als es ein englischer<br />

Schiedsrichter auf der Probejagd macht. Der Großfürst<br />

treibt gewöhnlich mit seinen bereits früher beschriebenen<br />

vier Hunden, manchmal arbeiten aber<br />

auch nur die beiden Hunde, die er persönlich leitet,<br />

z. B. in Fällen, wo das Wild von den Parforcehunden<br />

direkt dem Posten des Großfürsten zugetrieben wird.<br />

Das sind die Regeln und die Tagesordnung für<br />

die <strong>Jagd</strong>en auf Hasen und Füchse, wenn es aber auf<br />

die Wolfsjagd geht, wird die Ordnung noch strenger<br />

aufrecht erhalten, denn die Wolfsjagd bildet ein sehr<br />

kompliziertes Manöver. Am Tage vor der Wolfsjagd<br />

zeichnet der Großfürst selbst nach dem Gedächtnis<br />

den Plan der Insel, auf welcher sich Wölfe befinden.<br />

Hat die Insel viele Schlupfwinkel, Strauchwerk und<br />

Gruben, so werden auf dem Plane die Stellen, wo<br />

die Aufseher zu stehen haben und die Fangnetze gezogen<br />

werden müssen, angegeben. <strong>Die</strong> Posten der<br />

Barsoikoppeln sind ebenfalls auf dem Plane vermerkt<br />

und mit Nummern bezeichnet. <strong>Die</strong> Koppeln werden<br />

in mathematischer Ordnung aufgestellt, wobei die sichersten<br />

von ihnen die hintersten Plätze einnehmen,<br />

damit die im Vordergrunde stehenden Koppeln, wenn<br />

sie auf den Wolf losgelassen werden, welcher meist<br />

aus der ersten Umzingelung entweicht, ihn der zweiten,<br />

sicheren Koppel zutreiben. Der Wolf stutzt hier<br />

und versucht den Hunden zu entgehen, und dieser<br />

Augenblick. seines Zauderns genügt, dass ihn die<br />

schnellen Hunde erreichen und fassen.<br />

<strong>Die</strong> <strong>Jagd</strong> zieht auf die Wolfstreiben wie gewöhnlich<br />

am Morgen früh aus, aber sie erwartet die<br />

Equipagen in drei Werst Entfernung von der Stelle,<br />

wo sich die Wölfe befinden. Sobald der Großfürst angekommen<br />

ist, begibt er sich mit dem Aufspürer zusammen<br />

an den Ort des Treibens und kehrt von dort<br />

nach ungefähr einer halben Stunde zurück, um dann<br />

die Barsoikoppeln aufzustellen, eine hinter der anderen<br />

in zwei Kolonnen, in der Ordnung, wie sie während<br />

des Treibens auf ihrem Posten stehen müssen.<br />

Wenn alle Koppeln geordnet sind, tritt der Großfürst<br />

an die Spitze der einen Kolonne und stellt an die Spitze<br />

der zweiten einen erfahrenen Jäger, dann setzen<br />

sich beide Kolonnen in Bewegung und umschließen<br />

die Insel von beiden Seiten, die sich nun wie in einem<br />

Ringe befindet. Da die Wolfsbruten in der Umgegend<br />

38


wordener Fuchs herausstürzte und ängstlich nach<br />

den an der Koppel zerrenden Barsois schielend,<br />

glücklich sein prächtiges Fell hinter dem Rücken der<br />

Hunde in den Wald rettete.<br />

Alle gefangenen Wölfe, alte einheimische, einjährige<br />

oder solche, die sich zufällig in der Gegend<br />

befanden, werden geknebelt und in die Fuhrkutschen<br />

gelegt. Nachdem die Wölfe ins Feld getrieben sind,<br />

dauert die <strong>Jagd</strong> selten über eine Stunde, oft sogar<br />

wurde die ganze Brut in zwanzig Minuten festgenommen.<br />

Ist die Brut festgenommen, wird gefrühstückt<br />

und an diesem Tage nicht mehr gejagt. Nach dem<br />

Frühstück werden die Wölfe wieder in das Feld gesetzt,<br />

damit sich die jungen Barsois, die an dem Treiben<br />

unbeteiligt geblieben, an das Wild gewöhnen<br />

können. Darauf begibt sich die <strong>Jagd</strong> nach Hause.<br />

von <strong>Perchino</strong> sich meist in Gruben und Buschwerk<br />

aufhalten, müssen Fangnetze aufgestellt werden,<br />

damit die Wölfe, wenn sie die Bewegung bemerken,<br />

nicht auf von Koppeln freien Plätzen entweichen.<br />

Für die Barsoijäger vergeht nun eine lange<br />

Zeit ermüdenden Wartens, manchmal müssen sie<br />

über eine Stunde stehen und aufpassen, die ganze<br />

Wolfsbrut kann in einem Zuge aus dem Walde fliehen<br />

und auf einen Posten stoßen. Wenn der Kreis<br />

gut geschlossen ist, die Fangnetze aufgestellt sind<br />

und die Reiter-Aufseher jene Posten bewachen, auf<br />

denen es unmöglich ist zu treiben, reitet der Aufspürer<br />

nach der Parforcemeute und treibt die Hunde von<br />

der Windseite aus in den Wald. Früher nach alten<br />

Traditionen bemühte man sich, die Hunde direkt auf<br />

das Nest zu hetzen, aber die Erfahrung der <strong>Perchino</strong>jagden<br />

zeigte, dass bei einem Treiben, wo sechzig<br />

scharfe, standhafte und flinke Parforcehunde arbeiten,<br />

„fast alle jungen Wölfe der Parforcemeute verfielen.<br />

Wenn aber von dem Waldrande gegen den<br />

Wind die Wölfe das Geräusch hören und nach ihren<br />

Schlupfwinkeln flüchten, stoßen die Parforcehunde<br />

nicht zu gleicher Zeit auf die ganze Brut, da die Wölfe<br />

dann einzeln laufen, so dass der größte Teil derselben<br />

bis zu den <strong>Jagd</strong>grenzen gelangt und auf die<br />

Posten stößt, auf denen die Barsoikoppeln bereitgehalten<br />

werden.<br />

Außer dem Wolf darf während dieser <strong>Jagd</strong>en<br />

nichts gehetzt werden und oft presste sich das Herz<br />

eines echten Barsoijägers zusammen, wenn gerade<br />

auf seine Koppel ein durch das Treiben halbtoll ge-<br />

Manchmal gelingt es dem Großfürsten, zur<br />

Herbstzeit vor den <strong>Jagd</strong>en in <strong>Perchino</strong>, noch andere<br />

Treibjagden mitzumachen. In der Umgegend von<br />

<strong>Perchino</strong> sind überhaupt wenig Wölfe und es ist auch<br />

wenig interessant, die jungen Wölfe im Herbst zu fangen,<br />

solange sie noch klein und ungewandt sind, es<br />

ist besser damit bis zum Winter zu warten, wenn die<br />

junge Brut schon groß geworden ist und sich tapfer<br />

wehrt und gut laufen kann.<br />

Um im Winter jagen zu können, wird der<br />

Aufspürer im Sommer in die Gegenden geschickt, wo<br />

sich Wölfe befinden, die er durch Nachahmen von<br />

Wolfsheulen in die Nähe der Eisenbahnlinie heranlockt,<br />

damit, wenn nachher die Brut gefangen wird,<br />

man die Nacht über im Zuge verbringen kann. <strong>Die</strong>se<br />

39


von <strong>Perchino</strong> entlegenen <strong>Jagd</strong>reviere befinden sich<br />

in den südlichen Bezirken des Tulaschen Gouvernements,<br />

in den Gouvernements Kaluga, Rjasan, Orloff<br />

und Woronesch. Auf der Station Rjurikowo der Sisrano-Wjasemerbahn<br />

(der nächstliegenden von <strong>Perchino</strong>)<br />

wird ein <strong>Jagd</strong>zug aus vierzig Güter- und zwei<br />

Passagierwagen erster und zweiter Klasse zusammengestellt.<br />

In die Güterwagen wird die ganze <strong>Jagd</strong><br />

- Hunde, Pferde, Fuhren, Netze, Kuchen, Equipagen<br />

und ein Teil der <strong>Jagd</strong>dienerschaft verladen, mit einem<br />

Worte alles, was in <strong>Perchino</strong> zur <strong>Jagd</strong> auszieht.<br />

<strong>Die</strong> Gäste kommen in den Wagen erster Klasse, die<br />

Barsoi- und ParforceJäger in den Wagen zweiter<br />

Klasse. Der Großfürst kommt auf die bestimmte Station<br />

in einem Extrazuge oder sein Wagen wird an den<br />

<strong>Jagd</strong>zug angehängt und der ganze Zug fährt in der<br />

Nacht von einer Station zur anderen.<br />

Am Tage finden die Treibjagden statt, es werden<br />

wie vordem beschrieben, Wölfe gefangen. Am<br />

Abend werden die Hunde gefüttert und die ganze<br />

40


<strong>Jagd</strong> in den Zug wieder verladen und weiter geführt.<br />

Das dauert solange fort, bis alle im Sommer aufgespürten<br />

Wolfsbruten festgenommen sind. Dann erst<br />

kehrt der Zug zur Station Rjurikowo zurück, die <strong>Jagd</strong><br />

wird abgeladen und zieht von dort zu Pferden und in<br />

Equipagen nach <strong>Perchino</strong> heim.<br />

Während des Frostes wird mit den Parforcemeuten<br />

nicht getrieben, dagegen hetzen die Parforce-Jäger<br />

mit den Barsois, die im Schlitten zu der<br />

<strong>Jagd</strong>stelle hingefahren werden, den ganzen Winter<br />

<strong>Die</strong>se <strong>Jagd</strong>en gehen so vor sich: Am frühen<br />

Morgen fahren die Jäger hinaus zu den Lockfutterstellen,<br />

entdecken sie bei denselben die Spuren der<br />

Wölfe, so werden diese Stellen sofort umkreist, ein<br />

Bereiter wird nach <strong>Perchino</strong> zurückgeschickt, sofort<br />

wird alles zur Abfahrt der <strong>Jagd</strong> bereitet und sobald<br />

ein zweiter Jäger mit der Meldung, wo sich die Wölfe<br />

aufhalten eintrifft, erfolgt der Aufbruch. Ist der Großfürst<br />

anwesend, fahren 12-15 Schlitten aus, ohne ihn<br />

fährt man auf 7-8 Schlitten zum <strong>Jagd</strong>reviere. Dort<br />

den Wolf. Drei Werst von <strong>Perchino</strong> entfernt wird an<br />

2 bestimmten Stellen an beiden Ufern der Upa den<br />

ganzen Winter hindurch Futter für die Wölfe hingestellt,<br />

welches dieselben hier immer im Überflusse<br />

vorfinden. <strong>Die</strong>se Lockspeise wird schon vom Herbste<br />

an, sobald es zu frieren anfängt, für die Wölfe bereitgestellt.<br />

Früher hatte der Großfürst die Möglichkeit auf<br />

2-3 Wochen im Winter nach <strong>Perchino</strong> zu kommen<br />

und die Wölfe blieben bis zu seiner Ankunft verschont,<br />

dann aber fingen die Wolfsjagden an, zu denen<br />

wie gewöhnlich eine Menge Gäste eingeladen<br />

wurden. In den letzten Jahren konnte der Großfürst<br />

nicht nach <strong>Perchino</strong> zu den Winterjagden kommen,<br />

er gestattete aber, dieselben in seiner Abwesenheit<br />

zu veranstalten, um den Hunden die Möglichkeit zu<br />

geben, das schon vollkommen erwachsene Wild zu<br />

hetzen.<br />

werden dann bestimmte Posten besetzt, liegt der<br />

Schnee niedrig, werden die Posten direkt im Felde<br />

eingenommen, ist der Schnee sehr hoch, so bleibt<br />

man auf dem Feldwege, auf der Seite, von der die<br />

Wölfe erwartet werden. <strong>Die</strong> Schlitten stehen in bestimmter<br />

Entfernung voneinander und haben das Ansehen<br />

vorüberfahrender Frachtschlitten.<br />

<strong>Die</strong> Wölfe haben im Winter vor den Reitern einen<br />

heillosen Respekt, aber an Schlitten laufen sie<br />

ruhig vorüber. Es hängt also viel von dem Verständnisse<br />

des Jägers ab, der sich im Schlitten befindet,<br />

dass die <strong>Jagd</strong> glücklich verläuft. Man muss nämlich<br />

den Wolf so nahe, wie nur möglich an den Schlitten<br />

heranlassen und dann erst die Hunde freigeben.<br />

Als Treiber reiten: der Wolfaufspürer, der Parforceleiter,<br />

einige Aufseher und Barsoiführer, und<br />

wirklich - sie reiten bewunderungswürdig, denn es<br />

geht über verschneite Felder und über verschüttete<br />

41


Schluchten und Gräben. Dabei verstehen es diese<br />

Leute, das Wild zu stellen, sie verhindern dessen<br />

Zurückweichen oder auf die Seite fliehen. <strong>Die</strong><br />

kühnen Halbblutpferde tragen die Reiter durch jedes<br />

Schneegestöber und wenn es vorkommt, dass ein<br />

Pferd in einem Graben versinkt, so springt der Jäger<br />

ab und wartet bis sich das Pferd aus der Grube<br />

herausarbeitet, dann springt er sofort wieder in den<br />

Sattel und erreicht noch rechtzeitig seinen Platz. Es<br />

kommen Fälle vor, bei denen der Treiber, wenn das<br />

Wild zurückgetrieben wird, schneller den Wolf erreicht<br />

als der Barsoijäger im Schlitten. Man lässt dem<br />

<strong>Perchino</strong>jagdpersonal nur Gerechtigkeit widerfahren,<br />

wenn man behauptet, dass alle Angestellten leidenschaftliche<br />

Jäger und tadellose Reiter sind.<br />

<strong>Perchino</strong> Wolfstreiben<br />

Nachdem der Leser mit der Einrichtung der<br />

<strong>Jagd</strong>, dem Treiben und den Regeln der Reitkunst<br />

bekannt geworden ist, will ich hier noch von einigen<br />

Wolfsjagden erzählen, die sich für immer in mein Jägergedächtnis<br />

eingeprägt haben. Am 2. September<br />

1899 hatte die <strong>Perchino</strong>jagd im Zuge auf der Station<br />

„Dworiki“, 4 Werst von dem Bärenwalde des Grafen<br />

Bobrinsky entfernt, übernachtet und zog von dort um<br />

10 Uhr morgens, zu einer langen Kolonne geordnet,<br />

Koppel nach Koppel, hinter sich die Parforcemeute,<br />

über die Felder reitend, dem <strong>Jagd</strong>reviere zu.<br />

<strong>Die</strong> <strong>Jagd</strong> ging zu einer Kolonne geordnet, weil<br />

es verboten ist, vor der Insel, auf der sich Wölfe befinden,<br />

anderes Wild zu treiben, da dasselbe auf die lnsel<br />

flüchten kann, dabei Geräusch verursacht und die<br />

Wölfe verscheucht. <strong>Die</strong> Insel, auf welche wir uns begaben,<br />

bildete ein Rechteck mit kurzer östlicher und<br />

westlicher Seite, und längeren Nord- und Südseiten.<br />

Mit der Ostseite grenzte die Insel an eine tiefe Querschlucht,<br />

hinter welcher sich nach Westen hin eine<br />

schmale Strecke jung angepflanzten Fichten- und Eichenwaldes<br />

hinzog. Einige Saschen vor der Schlucht<br />

blieb die <strong>Jagd</strong> stehen, die Koppeln formten sich zu 2<br />

Kolonnen und besetzten die Nord- und Südseite der<br />

Insel, wobei die letzten Koppeln an jene, die westlich<br />

aufgestellt waren, anschlossen. Vor der waldlosen<br />

Schlucht, gegenüber dem östlichen Waldrande, wurde<br />

eine Reihe von Leuten aufgestellt, damit das Wild<br />

sich nicht in die Schlucht flüchten konnte. <strong>Die</strong> Parforcemeute<br />

blieb neben den Leuten an der Schlucht<br />

stehen, um abzuwarten, bis die Koppeln ihre Posten<br />

einnahmen.<br />

Der Großfürst, welcher seine beiden Leib-<br />

Jäger hinter sich stehen hatte, nahm den Posten<br />

gegenüber dem nordwestlichen Winkel der Insel ein,<br />

ich stellte mich auf eine Linie mit dem Großfürsten,<br />

gegenüber dem südwestlichen Winkel, zwischen uns<br />

stellte sich J. I. Golowin; auf der Nordseite stand<br />

die Hälfte der Barsoikoppeln der <strong>Perchino</strong>jagd, außer<br />

ihnen noch 2 Koppeln von D. D. Osipowsky und 2<br />

Koppeln der Fürsten W. A. und L. A. Schachowskoi,<br />

die schon an die Koppel des Großfürsten anschlossen.<br />

Auf der Südseite der Insel stand die andere Hälfte<br />

der <strong>Perchino</strong>koppeln, außer diesen 2 Koppeln von<br />

N. I. Sorochtin und 2 Koppeln von A. A. Strogonoff,<br />

welche an die meinige anschlossen. Es war ein stiller,<br />

grauer Herbsttag, auf einigen Feldern standen<br />

die noch nicht weggeführten Schober abgemähten<br />

42


Kornes, welche ein gutes Verdeck für die Hunde<br />

bildeten. Ich stand auf einer Anhöhe und konnte<br />

von meinem Posten aus fast alle Barsoikoppeln<br />

überblicken. <strong>Die</strong> Insel lag vor mir gleich einer senkrechten<br />

Niederung und im Norden derselben erhob<br />

sich das Feld auf steilem Hügel, hinter welchem in<br />

Kranzform, von den Kornschobern verdeckt, die Barsoikoppeln<br />

standen.<br />

Kaum hatte die Parforcemeute eine einheimische<br />

Wölfin aus ihrem Verstecke getrieben und hinter<br />

derselben eine Runde um die Insel gemacht, als<br />

auch schon ein alter Wolf auf dem Hügel erschien,<br />

gerade gegenüber dem Barsoiführer Michael Jeletzky.<br />

Jeletzky hatte 3 rotscheckige Hunde an der Koppel:<br />

,,Sirka“, die Tochter Sawladais, Zucht Jermoloff,<br />

abgesprungen, hinzu, als der Wolf plötzlich alle Hunde<br />

abschüttelte, aus ihrem Kreise entwich und dem<br />

Waldsaume zujagte. Beide Koppeln jagten ihm nach.<br />

Den einheimischen Wolf aber, welcher bergab<br />

läuft, zu fassen, dazu gehören nicht nur scharfe<br />

Hunde, sondern auch erstklassige Schnellläufer.<br />

Hier zeigte sich auch die <strong>Perchino</strong>-Koppel. Gleich einem<br />

Vogel flog vor allen Hunden „Sairka“ voran, sie<br />

warf sich in kühnem Sprunge auf den Wolf und blieb<br />

mit den Zähnen an seinem Felle hängen, ihn dadurch<br />

am Laufen hindernd, „Poraschai“ und .,Porchai“ eilten<br />

hinzu, packten ihn beim Kragen und brachten ihn<br />

wieder zu Fall, eine Sekunde darauf lag auch schon<br />

Jeletzky auf dem Wölfe, den er knebelte.<br />

Noch hingen meine Blicke an diesem Bilde, als<br />

,,Poraschai“, der Sohn Warwars, (<strong>Jagd</strong> <strong>Perchino</strong>)<br />

und ,,Porchai“, der Sohn Chochliks (<strong>Jagd</strong> Durasoff).<br />

Der erfahrene Jäger ließ den Wolf herankommen<br />

und gab die Hunde erst in dem Augenblicke frei, als<br />

der Wolf auf die Seite zu den Koppeln D. D. Osipowskys<br />

kehrt machte. <strong>Die</strong> schnelle Koppel Jeletzkys erreichte<br />

den Wolf in einigen Sekunden, packte ihn und<br />

überschlug sich mit ihm zusammen wie ein Kreisel,<br />

ohne ihn an die Erde festlegen zu können. Der Wolf<br />

sprang empor, aber die schon zur Hilfe hinzugeeilte<br />

Koppel Osipowskys mit 2 Nasimoffschen Wolfswürgern<br />

griff ihn von neuem an. Der Wolf warf einen<br />

der Rüden zu Boden, aber jetzt hatten ihn die Hunde<br />

Jeletzkys, welche sich erholt hatten, wieder erreicht<br />

und drückten ihn zur Erde nieder, wobei der Rüde von<br />

Osipowsky den Wolf an der Gurgel gepackt hatte. Sofort<br />

eilten die Jäger, welche bereits von den Pferden<br />

links auf die Koppel des Fürsten S. A. Schachowskoi<br />

eine große Wölfin zurannte, welche, als sie die ihr<br />

entgegentreibenden Hunde erblickte, in der Richtung<br />

zum Großfürsten mit solchen Sprüngen umkehrte,<br />

dass sie mehrere Sprungweiten vor den ihr nacheilenden<br />

Hunden voraus hatte. Aber schon stürzten die<br />

4 Hunde „eigener“ Meute auf sie los. Es war ein herrlicher<br />

Anblick, wie schnell „Almas“, „Sawladai“ und<br />

der dem Fürsten Schachowskoi geschenkte „Wicha“<br />

(ein Bruder Sawladais) sich der Wölfin näherten.<br />

<strong>Die</strong> Hunde trennte von derselben nur noch einige<br />

Sprünge, als plötzlich vor der Wölfin die gelbscheckige<br />

Koppel des Leib-Jägers des Großfürsten,<br />

„Sokol“, „Saigatsch“ und „Sokolka“ stand. <strong>Die</strong> Wölfin<br />

probierte ein oft bei ängstlichen Hunden glückendes<br />

Manöver, d. h. sie ging direkt auf die Hunde los,<br />

in der Hoffnung, so an ihnen vorüber zu kommen,<br />

43


aber „Sokolka“ warf sich mit einer solchen Wut auf<br />

die Wölfin und stieß mit ihrer Schulter so an deren<br />

Schulter, dass die Wölfin zu Boden stürzte, die<br />

Rüden packten zu und die Wölfin wurde geknebelt.<br />

Hinter dieser Wölfin jagte die ganze Parforcemeute,<br />

aber die Aufseher hielten dieselbe an und zwangen<br />

sie, zum Parforceleiter zurückzukehren, welcher<br />

schon lockend ins Horn blies: „hierher, hierher, hierher“.<br />

Nachdem die einheimischen Wölfe alle gefangen<br />

waren, ließen die zufällig auf der Insel umherstreifenden<br />

auch nicht lange auf sich warten. Des<br />

Großfürsten Koppel fing nacheinander drei Wölfe,<br />

Am 6. September morgens früh kam der Großfürst<br />

an, er besichtigte die <strong>Jagd</strong>plätze, zeichnete den<br />

Plan für die Koppelposten auf und um 11 Uhr kam<br />

die <strong>Jagd</strong> auf der Insel an. <strong>Die</strong> Koppeln besetzten<br />

die Insel von 3 Seiten. Vor· dem Abhange wurden<br />

die Aufseher mit der Parforcemeute aufgestellt,<br />

weil von dieser Seite aus die Insel mit einer zweiten<br />

durch eine ganze Kette von mit Strauchwerk und<br />

Büschen bedeckten Schluchten verbunden war, über<br />

welche ein Treiben gänzlich ausgeschlossen ist. Alle<br />

herrschaftlichen Koppeln nahmen links vom Abhange<br />

aus Stellung auf dem Felde, welches von der<br />

Schlucht an die Insel grenzte und steil bergauf ging.<br />

Golowin einen, Osipowsky einen und Saltykoff einen,<br />

der letzte Wolf wurde der Parforcemeute abgenommen<br />

und die ganze Insel war von der Wolfsbrut<br />

gesäubert. Alle Wölfe wurden lebend in die Fuhren<br />

gesetzt und zur Mittagszeit befand sich schon die<br />

ganze <strong>Jagd</strong> wieder auf der Station „Dworiki“.<br />

Am 5. September 1902 übernachtete dann die<br />

<strong>Perchino</strong>jagd auf einer Station der Orlower-Grjassewerbahn,<br />

wo sie den Großfürsten von den Kursker<br />

Manövern erwartete, da eine Wolfsjagd im Walde des<br />

Nowosilschen Gutsbesitzers Swerbejeff bevorstand.<br />

Es versprach eine interessante <strong>Jagd</strong> zu werden, da<br />

2 alte Wölfe mit 7 Jungen und 2 einjährige auf einer<br />

abgelegenen großen Insel aufgespürt worden waren.<br />

Von der Spitze des Hügels sah man den Saum einer<br />

zweiten mit Wald bedeckten Schlucht. Alle <strong>Perchino</strong>koppeln<br />

nahmen das Feld rechts von dem Abhange<br />

ein. Am Ende der Insel, im rechten Winkel, nahm<br />

der Großfürst Stellung, hinter ihm in Schachbrettordnung<br />

seine beiden Leibjäger. Im linken Winkel<br />

stand ich, so dass ich die ganze Seite, welche die<br />

herrschaftlichen Koppeln einnahmen, überblicken<br />

konnte und ebenfalls einen Teil des Feldes, auf<br />

dem sich die <strong>Perchino</strong>koppeln befanden. Zwischen<br />

dem Großfürsten und den <strong>Perchino</strong>koppeln stand<br />

der nowosilsche Gutsbesitzer Daragan, auf dessen<br />

Initiative der Großfürst zur <strong>Jagd</strong> in diese Gegend gekommen<br />

war.<br />

44


Beide <strong>Perchino</strong>meuten zusammen (frei, ohne<br />

Halsbänder) näherten sich dem Walde und stießen<br />

sofort am Anfang desselben auf Wölfe. Das Konzert<br />

von 80 Stimmen, deren Nachklang noch in den<br />

Tiefen der Schluchten hallte, wirkte so gewaltig und<br />

bestrickend, dass die Blicke sich unwillkürlich zu den<br />

Kronen der Bäume wandten, von welchen die Flut<br />

von Tönen zu kommen schien und es wurde schwer,<br />

seine Blicke von dieser unsichtbaren Flut von Tönen<br />

loszureißen, um aufzupassen und das Wild nicht zu<br />

versäumen. <strong>Die</strong> zufällig im Walde herumstreifenden<br />

Wölfe kamen nicht bis zu dem Felde auf der Insel,<br />

sondern wurden alle von den Parforcehunden vordem<br />

gefasst. Fortwährend bliesen die Hörner der Jäger,<br />

welche ankündigten, dass ein Wolf gefangen ist.<br />

Plötzlich erschien der erste einjährige Wolf, er<br />

flüchtete aus der Schlucht und lief über das Feld, gerade<br />

in der Richtung der 2 Koppeln von D. D. Osipowsky.<br />

Ich sah von meinem Posten aus, dass beide<br />

Jäger den Wolf zu nahe herankommen ließen, statt<br />

ihm den Weg zu kreuzen, um ihn ihrem Herrn zuzu-<br />

treiben, welcher auf seinem Pferde in vollem Galopp<br />

dem Wolf entgegenjagte. Und wirklich, als die Jäger<br />

sich endlich bemühten, die Koppeln freizugeben,<br />

war der Wolf schon auf einer Linie mit denselben<br />

und musste seitwärts gefangen werden. Erst ganz<br />

am Saume des Waldes gelang es einem Hunde, ihn<br />

zu fassen, der Hund konnte aber den Wolf nicht niederwerfen,<br />

sondern stürzte selbst und der Wolf verschwand<br />

in der Schlucht.<br />

Fast in derselben Minute erschien in der Ecke,<br />

gegenüber dem Großfürsten, ein einheimischer, alter<br />

Wolf. Als würde er fühlen, dass sich vor ihm die<br />

gefährlichste Koppel befindet, machte er kehrt und<br />

lief über das Feld auf die Koppeln I. K. Daragans<br />

zu, welcher denselben Fehler der Jäger Osipowskys<br />

wiederholte, ebenfalls die riesige Schnelligkeit,<br />

mit welcher das Tier lief, außer acht ließ und seine<br />

Hunde zu spät freigab, so dass dieselben weit hinter<br />

dem Wolfe zurückblieben, daher nicht die geringste<br />

Wirkung auf den Lauf des Tieres ausübten und<br />

ebenfalls den anderen im Schachbrett stehenden<br />

45


Koppeln nicht halfen.<br />

Trotz der Energie, mit welcher die <strong>Perchino</strong>-Jäger<br />

Akil und Michailo dem Wölfe nachjagten, konnte<br />

die grauscheckige Koppel Akils den Wolf erst bergab<br />

fassen, und wieder war es der Sohn „Golubs“ aus<br />

„Strella“--“Asmodjei“, welcher vor seinen Kameraden<br />

den Wolf einholte und ihn im wuchtigen Sprunge zu<br />

Boden warf, dabei sich selbst überschlagend, auch<br />

den Wolf wie einen Kreisel mit sich riss. Der Wolf<br />

besaß keine Zeit zum Aufspringen, schon hatten ihn<br />

von beiden Seiten die anderen Hunde ergriffen und<br />

beide Jäger saßen auf ihm.<br />

Noch war keine volle Ruhe nach diesem Treiben<br />

eingetreten, als auf derselben Fährte eine alte<br />

Wölfin blitzartig auftauchte, welche, die Hunde erblickend,<br />

sich nach rechts umdrehte und dem Posten<br />

J. L. Golowins zulief, Golowins rotbraune Koppel,<br />

in derselben der Solowolfswürger „Lichatoch“, der<br />

Sohn der vordem erwähnten „Sairka“, wurde von<br />

dem erfahrenen Jäger zur rechten Zeit freigelassen<br />

und holte die Wölfin in einigen Sekunden ein, ihr auf<br />

den Fersen hängend, bis „Lichatoch“ sie am Halskragen<br />

erreichte, zupackte und, ohne sie freizulassen,<br />

mit ihr zusammen über die Erde rollte. <strong>Die</strong> anderen<br />

Hunde halfen so schneidig mit, dass es für die Jäger<br />

eine Leichtigkeit war, die Wölfin zu knebeln.<br />

Einige Minuten darauf wurde noch ein großer<br />

Wolfsrüde von rechts aus, gerade auf die Koppel der<br />

<strong>Perchino</strong>-Jäger Pjeter Neweinoss und Kuleschoffs<br />

zugetrieben. Wieder gestatteten ihm die flinken Hunde<br />

nicht, lange zu laufen, sondern packten ihn und<br />

schleppten ihn, gleich einem Hasen, ein Stück mit<br />

46


sich. In 1½ Stunden waren 10 Wölfe gefangen, unter<br />

denselben 3 alte, einheimische und 4 einjährige, letztere<br />

laufen oft schneller als die alten und verteidigen<br />

sich energischer. <strong>Die</strong>se 10 Wölfe wurden von den<br />

Koppeln der <strong>Perchino</strong>jagd gefangen, ohne Mitwirkung<br />

der besonders guten Hunde aus „eigener Meute•,<br />

was die hohe Klasse aller Hunde der <strong>Perchino</strong>jagd<br />

beweist.<br />

Am 25. Februar 1904 fuhr ich und der Verwalter<br />

der <strong>Perchino</strong>jagd J. I. Golowin mit Erlaubnis des<br />

Großfürsten, welcher sich in Petersburg aufhielt, auf<br />

die Wolfsjagd im <strong>Jagd</strong>bestande von 7 Schlitten und<br />

5 Treibern zu Pferde. Wir beeilten uns, das Feld in<br />

der Mitte des negelewschen Waldes, 12 Werst von<br />

<strong>Perchino</strong> entfernt, einzunehmen. <strong>Die</strong> Wölfe, welche<br />

schon auf der Morgenfahrt umkreist worden waren,<br />

lagen auf einer Waldgrenze, welche mit ihrer Spitze<br />

auf das von unseren Schlitten besetzte Feld hinausging.<br />

Der Schnee lag flach und man konnte überall<br />

bequem durchfahren. 50 Saschen von dem Buschwerke<br />

des Zungensaumes entfernt, lag der Fahrweg,<br />

alle unsere Schlitten standen auf dem Felde hinter<br />

dem Wege, abseits vom Walde, so dass man uns<br />

vom Waldsaume aus nicht sehen konnte. Mein Schlitten<br />

stand im Zentrum und der Schlitten von Golowin<br />

auf der linken Flanke auf dem Fahrwege, so dass er<br />

auch die andere Front des Waldsaumes bewachte.<br />

Kaum ertönten die Hörner der Treiber, als auch<br />

schon die unserem Posten am nächsten liegenden<br />

Wölfe in das Feld jagten. Ich sah gerade vor mir auf<br />

dem Wege 4 Wölfe, einer derselben, ein mächtiges<br />

Exemplar, rannte von mir nach links, gerade auf den<br />

Weg, wo der Schlitten Golowins stand. 2 Wölfe liefen<br />

nach rechts zu den Schlitten Kuleschoffs und Pjeters<br />

und der vierte schien an meinem Schlitten vorüber<br />

zu wollen. lch sprang mit zwei alten Rüden „eigener“<br />

Meute, „Sokruschai“ und .Sawladai“ herunter und<br />

zeigte ihnen den gerade auf uns zueilenden Wolf.<br />

Wie groß war aber meine Verwunderung, als ich sah,<br />

dass „Sawladai“ auf zehn Schritte Entfernung am<br />

Wölfe vorüberjagte und nur „Sokruschai“ dem Wolfe,<br />

welcher die Richtung zum Schlitten Michaels eingeschlagen<br />

hatte, nachlief. Inzwischen jagte vor mir ein<br />

alter Wolf zum Walde zurück und hinter ihm die drei<br />

roten Barsoirüden Golowins. Auf diese Hetze hatte<br />

auch „Sawladai“ aufgepasst, als er, von mir freigelassen,<br />

an dem ersten Wolfe vorüberlief, um dem alten<br />

Wolfe nachzuspringen.<br />

<strong>Die</strong> Entfernung zwischen den Hunden Golowins<br />

und dem Wolfe war eine beträchtliche, mein<br />

,,Sawladai“ war noch weiter von ihm entfernt, so<br />

dass ich überzeugt von der Nutzlosigkeit dieses Treibens,<br />

mich wieder meinem Wolfe zuwandte, welchen<br />

„Sokruschai“ und die Koppel Michaels schon gefasst<br />

hatten und half jetzt Michael den Wolf knebeln.<br />

Rechts von uns knebelten Pjäter und Kuleschoff die<br />

anderen Wölfe. Als ich mit dem Knebeln des Wölfes<br />

fertig war, wandte ich mich wieder dem Waldessaume<br />

zu, und traf auf dem Wege dorthin den mir<br />

entgegenfahrenden Golowin, dessen triumphierende<br />

Miene mich verdutzt machte: „Warum freut er sich<br />

noch, nach-dem er solch einen Wolf freigelassen,<br />

dachte ich... Nun, was?“ rief ich ihm zu. ,,Hier sitzt er,<br />

unser Täuberich, - mit Fadin zusammen haben wir<br />

ihn geknebelt; - wie die Hunde ihn hielten, auch<br />

Ihr „Sawladai“ hat mitgeholfen, nachdem ihn meine<br />

47


unserer Mitte stand Golowin, rechts von ihm ich und<br />

links Koscheleff.<br />

Endlich zeigten sich an dem Rande hinter der<br />

Schlucht drei Wölfe, einer von denselben lief in der<br />

Richtung zu den Jägerschlitten, zwei Wölfe kehrten<br />

um und liefen zu der Schlucht herunter. Ich bemerkte<br />

mit Vergnügen, dass die gelbscheckige Koppel, mit<br />

welcher ich im Herbst gejagt hatte, aus dem Schlitten<br />

des Barsoijägers Trifon sich auf den Wolf stürzte und<br />

ihn sofort niederzwang. Der gelbscheckigen Koppel<br />

kam die Koppel des zweiten Jägers zu Hilfe und beide<br />

Jäger knebelten den am Boden liegenden Wolf. <strong>Die</strong><br />

andern beiden Wölfe hatten sich in die Schlucht geflüchtet,<br />

aber nach einigen Sekunden sah ich hinter<br />

Koppel eingeholt, - und fünfzig Schritte vor dem Walde<br />

haben sie ihn niedergeworfen und ihn auch nicht<br />

mehr aufstehen lassen - und als noch „Sawladei“<br />

hinzukam, da hielten sie ihn so fest, dass Fadin und<br />

ich ihn mühelos knebelten. Schauen Sie ihn nur an,<br />

was für ein Prachtkerl. Und wirklich im Schlitten lag<br />

ein riesiger Wolf, welcher die Ohren fest an den Kopf<br />

presste und mit seinen grünlich schillernden Augen<br />

boshaft nach den seine breite Stirn streichelnden<br />

Händen blickte. Der fest zwischen seinen Zähnen<br />

befestigte Knebel und seine gefesselten Pfoten gestatteten<br />

ihm nicht, seinen Hass anders auszudrücken.<br />

Am 17. Dezember 1907 befanden sich J. I. Golowin,<br />

N. I. Koscheleff und ich mit sieben Schlitten<br />

zwanzig Werst von <strong>Perchino</strong> entfernt auf den großen<br />

lnseln des Gutes Odojewsky (Besitzer A. I. Mosoloft)<br />

zur Wolfsjagd. Früh am Morgen wurde uns von den<br />

Treibern gemeldet, dass sich drei Wölfe auf den lnseln<br />

befanden. Wir besetzten mit drei Schlitten und<br />

den herrschaftlichen Koppeln den hohen Hügel vor<br />

der lnsel, auf welcher die Wölfe waren, hinter uns auf<br />

hundert Saschen Entfernung befand sich die Waldkante<br />

der anderen lnseln, wohin sich, wie wir vermuteten,<br />

das Wild flüchten würde. Vor uns lag eine<br />

tiefe Schlucht, und die Insel, auf der sich die Wölfe<br />

befanden, zog sich von dieser Schlucht aufwärts.<br />

Hinter der Schlucht war wieder ein Feld, wohin sich<br />

unsere vier Barsoijäger mit ihren Schlitten begeben<br />

hatten. Lange streiften die Treiber auf der großen<br />

lnsel umber, die klare Winterluft mit den gellenden<br />

Lauten ihrer Hörner erfüllend. Der Schnee lag hoch<br />

und die Schlitten kamen nur langsam vorwärts. In<br />

dem Hügel noch einen Wolf auf mich zukommen. <strong>Die</strong><br />

gelbliche Farbe seines Felles und der hoch getragene<br />

Kopf ließen mich sofort den alten einheimischen<br />

Wolf erkennen. Da ich hinter mir den Abhang hatte,<br />

fürchtete ich, den Wolf zu nahe heran zu lassen und<br />

eilte ihm mit den Hunden entgegen. lch führte drei<br />

Rüden aus der „eigenen Meute“, unter denselben<br />

den prächtigen „Armawir“.<br />

Als der Wolf die ihm entgegeneilenden Hunde<br />

bemerkte, kehrte er nadi links um, sodass ihn dieselben<br />

durch den tiefen Schnee auf eine hübsche<br />

Distanz einholen mussten. Alle drei Rüden stürzten<br />

sich gemeinschaftlich auf den Wolf und warfen<br />

ihn nieder, noch hatte ich nicht die Möglichkeit,<br />

heranzufahren, da hatte sich der Wolf losgerissen<br />

und stürzte dem Abhange zu, wo ihn die Hunde<br />

Golowins fassten, die meiner Koppel zu Hilfe gekommen<br />

waren. Sechs Hunde drückten den Wolf in den<br />

Schnee, ihn sternartig umgebend. Ich war nur noch<br />

48


te Treiben ab, aber ich schilderte absichtlich <strong>Jagd</strong>en<br />

aus verschiedenen Jahren mit verschiedenen Hunden,<br />

damit der Leser sich davon überzeugen kann,<br />

dass Schnelligkeit und Bosheit dem Wolfe gegenüber<br />

Eigenschaften der ganzen Barsoirasse sind und<br />

nicht als zufällige Erscheinung bei einigen Hunden<br />

auftreten.<br />

drei Schritte von ihm entfernt, als sich der Wolf auf<br />

eine mir unerklärliche Weise unter den Hunden loswand<br />

und ehe dieselben sich besinnen konnten, auf<br />

dreißig Schritte Vorsprung dem Abhange zujagte.<br />

Ich war Augenzeuge vieler <strong>Jagd</strong>en mit den<br />

boshaftesten Hunden aus der Nasimoffschen und<br />

Nowikoffschen Zucht und jedesmal war es dem Wolfe<br />

gelungen, in solchen Fällen zu entfliehen. Ich befürchtete,<br />

dass auch dieser entläuft. Aber die Schnelligkeit<br />

der <strong>Perchino</strong>hunde kam mir wieder zu Hilfe.<br />

<strong>Die</strong> rotbraune Hündin „Sirene“ aus der Koppel Golowins<br />

teilte sich von den anderen Hunden ab und erreichte<br />

in ein paar wuchtigen Sätzen den Wolf, dem<br />

sie sich an den Halskragen hing, die Rüden kamen<br />

dazu und hoben den Wolf vor den Füßen Golowins,<br />

der von seinem Schlitten abgesprungen war, in die<br />

Luft. Es erwies sich, dass dieses eine Wölfin von außergewöhnlicher<br />

Größe war. Der dritte Wolf, ein zufallig<br />

auf der Insel streifender, zeigte sich unweit des<br />

Schlittens von Koscheleff, doch jagte er sofort an den<br />

Treibem vorbei wieder in die Schlucht zurück.<br />

Es wurde zu weit führen, wenn ich alle <strong>Jagd</strong>en<br />

beschreiben wollte, auf denen alte Wölfe gefangen<br />

wurden. <strong>Die</strong> <strong>Perchino</strong>jagd hat 56 Stück erlegt und vor<br />

meinen Augen spielte sich so manches interessan-<br />

49


Ein <strong>Jagd</strong>tag<br />

in <strong>Perchino</strong><br />

Während der fünfundzwanzig<br />

Jahre in<br />

denen die <strong>Perchino</strong>jagd<br />

besteht, haben so viele<br />

interessante Treiben<br />

in <strong>Perchino</strong> stattgefunden,<br />

dass mir die Wahl<br />

schwer fällt, welches<br />

von ihnen ich hier beschreiben<br />

soll. lch will<br />

deshalb von einer der<br />

letzten <strong>Jagd</strong>en erzählen,<br />

die in diesem Jahre<br />

1912 stattgefunden<br />

hat, und die noch frisch<br />

in meinem Gedächtnisse<br />

lebt, so dass ich alle<br />

ihre kleinsten Details<br />

wiedergeben kann. Wie<br />

in den vergangenen Jahren<br />

bestand der Kreis<br />

von Jägern, welche der<br />

Großfürst zu sich eingeladen<br />

hatte, aus denselben<br />

Personen, welche<br />

schon viele Jahre hindurch<br />

den Erlauchten<br />

Großfürsten auf seinen<br />

<strong>Jagd</strong>en begleiteten. So<br />

der Fürst Dmitri Borisowitsch<br />

Golizin, welcher<br />

in diesem Jahre mit seinem<br />

Sohne, dem jungen<br />

Fürsten Boris Dmitrijewitsch, zur <strong>Jagd</strong> gekommen<br />

war und 3 Koppeln Barsois eigener Zucht mitgebracht<br />

hatte, eines Typs, den der Fürst seit dreißig<br />

Jahren sorgfältig pflegte. <strong>Die</strong> Hunde des Fürsten<br />

waren berühmt und hatten auf den Ausstellungen,<br />

Probe- und Treibjagden für Schönheit, Schnelligkeit<br />

und Bosheit erstklassige Preise davongetragen.<br />

General-Adjutant Arthur Alexandrowitsch Grünwald<br />

mit zwei Barsoikoppeln und zwei englischen Windhunden<br />

(Greyhounds). Alexander Alexandrowitsch<br />

Saltikoff, der Nachbar des Großfürstlichen Gutes<br />

<strong>Perchino</strong>, mit zwei Koppeln Barsois (<strong>Perchino</strong>zucht).<br />

- Noch ein Gutsnachbar des Großfürsten, der junge<br />

Fürst Wladimir Emanuelowitsch Golizin<br />

50<br />

mit 2 Koppeln Barsois (auch <strong>Perchino</strong>zucht). - Oberst<br />

lwan Petrowitsch Mjatleff auch mit zwei Koppeln Barsois<br />

(<strong>Perchino</strong>zucht). - Der Adjutant des Großfürsten<br />

Graf Dmitri Georgiwitsch Mengden mit zwei Koppeln<br />

Barsois und zwei englischen Windhunden. - Dmitri<br />

Dmitrijewitsch Osipowsky mit zwei Koppeln roter und<br />

schwarzbrauner Barsois (<strong>Perchino</strong>- und Durasoffscher<br />

Zucht). - Artemi Konstantinowitsch Boldarjeff<br />

mit zwei Koppeln gelbscheckiger und hellgelber Barsois<br />

und seine Gemahlin Maria Alexeijewna Boldarjeff<br />

mit 2 Koppeln Barsois Boldarjeffscher Zucht,<br />

eines Barsoityps, welchen Artemi Konstantinowitsch<br />

Boldarjeff schon seit vielen Jahren pflegte. Maria<br />

Alexeijewna wird als echter Jäger, da sie in keiner


Beziehung hinter ihren <strong>Jagd</strong>kameraden zurück.steht,<br />

in <strong>Perchino</strong> hoch geschätzt. Sie reitet vorzüglich,<br />

führt tadellos ihre Koppeln und überwindet mit Leichtigkeit<br />

alle Schwierigkeiten der Parforcejagd.<br />

Außer den hier genannten Personen reiten<br />

mit den <strong>Perchino</strong>-Koppeln: Ich mit einer<br />

gelbscheckigen Koppel, Jakow Iwanowitsch Golowin<br />

mit einer rotbraunen, der Oberst Alexander Alexandrowitsch<br />

Durnowo mit einer graubraunen. - Der<br />

Leibarzt des Großfürsten Boris Sacharowitsch Malama<br />

macht alle <strong>Jagd</strong>en mit, zu denen er sich, wie<br />

er sagt: ,,selbst abkommandiert. Meist reitet er mit<br />

mir zusammen, um sich an den Treiben zu ergötzen,<br />

denen gegenüber er absolut<br />

nicht die Kaltblütigkeit<br />

des Arztes bewahrt. Außer<br />

der Koppel des Großfürsten<br />

und den Koppeln seiner<br />

beiden Leibjäger, reiten<br />

noch sieben <strong>Perchino</strong>Jäger<br />

selbständig mit, und so<br />

ziehen mit den Gästen zusammen<br />

25-28 Koppeln ins<br />

Feld. Natürlich besetzen<br />

wir und die <strong>Perchino</strong>jäger<br />

die schlechtesten Posten,<br />

da der Großfürst die besseren<br />

stets den Gästen<br />

zuteilt, wobei er sich immer<br />

bemüht, die Chancen aller<br />

Gäste auszugleichen, indem<br />

er die besten Posten<br />

den Koppeln anweist, die<br />

im vorigen Felde nichts erjagt<br />

haben.<br />

In diesem Jahre begannen<br />

die Treiben am 15.<br />

September und wie gewöhnlich verging die Zeit in<br />

<strong>Perchino</strong> zu schnell. Wir hatten uns kaum umgesehen,<br />

so war auch schon das Fest „Maria Schutz und<br />

Fürbitte“ d. h. der erste Oktober herangenaht und die<br />

Hasenjagd um <strong>Perchino</strong> herum begann. <strong>Die</strong> <strong>Jagd</strong> ist<br />

hier besonders schwer, weil die Felder zwischen Hügeln<br />

und steilen Abhängen gelegen sehr kurz sind<br />

und der Hase besonders schnell darüber wegläuft.<br />

Der 3. Oktober war dazu vorgesehen, auf den Feldern<br />

bei Nataljinka und Brussy zu treiben, eine der<br />

schönsten Umgebungen von <strong>Perchino</strong>, wo alle Inseln<br />

klein mit festem Boden und kurzen Übergangen<br />

zueinander sind, auf denen sich eine Unmenge Wild<br />

51


aufhielt. Der Anfang der <strong>Jagd</strong> war um 9 Uhr festgesetzt,<br />

alle hatten sich zu dieser Stunde auf dem Tulasdien<br />

Wege zwischen den Inseln von Nataljinka zu<br />

versammeln, die Equipagen sollten deswegen auch<br />

rechtzeitig um 8½ Uhr in <strong>Perchino</strong> vorfahren. Um 8<br />

Uhr morgens versammelten sich alle Jäger in voller<br />

<strong>Jagd</strong>ausrüstung im großen Klubzimmer des <strong>Perchino</strong>schlosses<br />

und warteten auf den Großfürsten. Wie<br />

gewöhnlich wurde über das Wetter, das <strong>Jagd</strong>terrain,<br />

die Zusammenstellung der Koppeln, von den <strong>Jagd</strong>posten<br />

usw. geplaudert, bis der <strong>Die</strong>ner mit der Meldung<br />

erschien: „Der Großfürst ist hinuntergegangen<br />

und kleidet sich an“. Alle eilten in das Vorzimmer,<br />

wo der Großfürst bereits im <strong>Jagd</strong>kostüm eben seine<br />

<strong>Jagd</strong>ausrüstung, den Ledergürtel mit dem Dolche,<br />

die Koppel und das <strong>Jagd</strong>horn anlegt und dabei die<br />

Gäste begrüßte. Darauf warfen alle ihre <strong>Jagd</strong>mäntel<br />

um und gingen nach dem Großfürsten zu ihren Wagen.<br />

Schon auf dem Wege konnte man bemerken,<br />

dass das Treiben schwer werden würde. Der Tag war<br />

trübe, vom Himmel schneite es leicht, dabei hatte der<br />

Nachtfrost nachgelassen, auf einigen Feldern war es<br />

glatt, auf andern so schmutzig, dass die Pfoten der<br />

Hunde aussahen, als wären sie mit Pasteln (Bauernschuhwerk)<br />

bekleidet. Unwillkürlich kamen den<br />

Jägern Zweifel, bald sahen sie misstrauisch auf den<br />

52


Erdboden, bald zum Himmel hinauf, dessen schwere<br />

graue Wolken mit Regen drohten.<br />

Endlich war der große Weg zwischen 2 Inseln<br />

auf Nataljinka erreicht und die Gespanne hielten vor<br />

der schon in Erwartung stehenden Großfürstlichen<br />

<strong>Jagd</strong>. Hell bliesen die Hörner ,,Willkommen“ und die<br />

Barsois zerrten freudig an ihren Koppeln, da sie es<br />

wohl fühlten: jetzt fängt sofort das Treiben an. - <strong>Die</strong><br />

Parforcemeute auf eine Stelle zusammengetrieben,<br />

frei ohne Halsbänder wie immer, wedelten mit den<br />

Schwänzen und bitten um Arbeit. <strong>Die</strong> Hunde der<br />

Gäste stehen abwärts, alle eilen zu ihren Koppeln<br />

und setzen sich auf ihre Pferde. Der Großfürst nimmt<br />

zwei Hunde an seine Koppel und begibt sich auf seinen<br />

ständigen Posten. Alle Gäste, die ihre Posten<br />

ebenfalls kennen, reiten auf die linke Seite der Insel,<br />

um sie zu umkreisen, und wir anderen mit den <strong>Perchino</strong>koppeln<br />

reiten nach rechts. - An meiner Koppel<br />

führte ich zwei Rüden, den einjährigen „Urywai“<br />

ihn in das Feld zurück. Wie ein Viergespann jagten<br />

sie ihm nach, und als er versuchte, der Schlucht zuzuflüchten,<br />

ergriff ihn ,,Naljot“ der von dieser Seite<br />

aus lief. Unterdessen arbeitete die Parforcemeute<br />

schon auf der Insel und die prächtig klingenden<br />

Stimmen der gelbscheckigen Meute belebten mit<br />

einem Male den schläfrigen grauen Herbstmorgen<br />

und brachten Leben in die ganze schweigende Umgebung.<br />

Von meinem Posten aus, den ich eiligst<br />

eingenommen hatte, konnte icn nicht viel überblicken,<br />

aber nach den Stimmen der Parforcehunde<br />

erriet ich, wohin die Meute trieb und hörte aus der<br />

Entfernung die die Hunde aufmunternden Ausrufe<br />

der treibenden Jäger: ,,Packe ihn - u - ach!“<br />

Auf der ersten Insel Nataljinka, welche dicht<br />

neben dem Dorfe desselben Namens liegt, sind immer<br />

wenig Hasen und bald ertönte das Horn: ,,abtreten“.<br />

- Als ich mich eben anschickte, meinen Posten<br />

zu verlassen, erblickte ich vor mir ein Treiben. Drei<br />

und den zweijährigen „Naljot“, mein Jäger hinter<br />

mir, führte den dreijährigen ,,Diwni“ und den einjährigen<br />

„Melkai“. Alle diese Hunde treiben vorzüglich<br />

und verstärken den Ruhm ihrer Vorfahren, der<br />

Rüden „Kidni“, „Tscharodjei“ und ,,Serdjetschny I“.<br />

Eben war ich zu dem Winkel der Insel gelangt,<br />

den ich umreiten musste, um auf den engen Feldstreifen<br />

zu kommen, welcher die Insel von der parallel<br />

mit ihr gehenden Schlucht trennt, als sich vom Felde<br />

ein Hase, den die Parforcemeute aufgeschreckt<br />

hatte, erhob und vor meinen Hunden großen Vorsprung<br />

gewinnend, sich der Insel zuwandte. Meine<br />

Rüden schnitten ihm aber den Weg ab und trieben<br />

schwarzbraune Hunde, die Koppel von J. I. Golowin<br />

jagte einem Hasen nach, der den Hügel hinauf<br />

rannte. Das Treiben ging über das Saatfeld und die<br />

Hunde glitschten auf dem klebrigen Boden aus und<br />

konnten den Hasen nicht festnehmen, sondern jagten<br />

hinter ihm den Hügel hinauf. Da ich wusste, dass<br />

der Hase unbedingt auf die Insel kommen würde, so<br />

ritt ich vor und begegnete ihn, als er schon allein, die<br />

Hunde im Gesträuche zurücklassend, auf meinem<br />

Feldstreifen erschien: Wie eine Kugel flog ,,Urywai“<br />

und trieb den Hasen ,,Naljot“ zu, so dass ihn beide<br />

Rüden gleichzeitig fassten. Es war recht angenehm,<br />

einen so prächtigen Hasen, den zwei flinke Rüden<br />

53


meinem Posten zurücklassend, setzte ich eben mein<br />

Pferd in Bewegung, als ich weit vor mir auf dem Saatfelde<br />

einen Hasen erblickte, der den Hügel hinauf<br />

zum Walde zustrebte. Da ich wusste, wie schwer es<br />

ist auf dem Saatfelde bei dem aufgeweichten Boden<br />

zu treiben, so schonte ich meine Rüden und ließ den<br />

Hasen laufen. Darauf sah ich, dass links von mir zwei<br />

Koppeln jagten, die Koppel von Durnowo zum Walde<br />

hin, die Koppel Golowins ins Feld. Schön sah sich<br />

das Treiben der grauschwarzen Koppel Durnowos<br />

an, welche den Hasen noch vor der Insel einholte<br />

auf kurzem Felde gestellt, an seine <strong>Jagd</strong>tasche hängen<br />

zu können.<br />

Auf der zweiten Insel bei Nataljinka sind immer<br />

viele Hasen, und die Parforcemeute jagte wie<br />

unbändig über die Insel einen Hasen nach dem anderen<br />

aus allen Ecken aufscheuchend. Ich stand<br />

auf freiem Saatfelde, weit von der Waldkante ab und<br />

konnte recnts die Koppeln des Großfürsten und seiner<br />

beiden Leibjäger sehen und links die Koppeln von<br />

A. A. Durnowo und J. I. Golowin. Der erste Hase lief<br />

zum Großfürsten, aber als er die freigelassenen Hunde<br />

erblickte, drehte er um und jagte aus allen Kräften<br />

zum Walde zurück. Es war schwer den Hasen<br />

über das Saatfeld zu erreichen und einen Augenblick<br />

schien es mir, als würde der Hase der schnellsten<br />

gelbscheckigen Koppel des Großfürsten und seinem<br />

englischen Windhunde entweichen, aber hier überholte<br />

der Engländer die etwas schwer gewordenen<br />

Barsoirüden und nahm mit der leichten Barsoihündin<br />

,,Tscherkisa“ ganz unten am Abhange den Hasen,<br />

dem sie von zwei Seiten den Weg abgeschnitten hatten.<br />

Noch mehr nach rechts zeigten sich die drei<br />

Rüden von Frau M. A. Boldarjeff, die ebenfalls einen<br />

Hasen am Rande des Hügels einholten und sofort<br />

ergriffen. Ich beschloss, etwas näher zum Posten<br />

des Großfürsten zu rücken und meinen Jäger auf<br />

und fing. Gleich darauf sprang der Jäger Golowins<br />

vom Pferde ab, also auch die Koppel Golowins hatte<br />

einen Hasen erlegt.<br />

So wurde die Stimmung immer besser, es war<br />

also doch möglich, über das Saatfeld zu treiben,<br />

trotzdem es den Hunden schwer fiel. Meinem Posten<br />

liefen keine Hasen zu, sondern zeigten sich nur am<br />

Waldessaum. Ein Hase wollte an dem Posten des<br />

Großfürsten vorbei zur Brussowschen Schlucht hinunter,<br />

aber die grauscheckigen, der einjährige ,,Warwar“,<br />

und die zweijährige „Krasotka“ gestatteten ihm<br />

nicht allzuweit zu laufen, sondern ergriffen ihn noch<br />

vor der Schlucht. Endlich blies der Großfürst wieder<br />

ins Horn, und die Koppeln begaben sich auf die<br />

Bnissowsche Insel, um dort zu treiben. Ich musste<br />

mich beeilen, um auf die andere Seite, vis-a-vis dem<br />

54


Soboleffschen Walde herüberzukommen und kaum<br />

hatte ich meinen Posten besetzt, als sich bereits ein<br />

Hase auf demselben zeigte.<br />

Wieder ging das Treiben über das Saatfeld und<br />

lange mussten sich meine Hunde quälen, bevor sie<br />

ihn fingen, was ihnen erst gelang, nachdem sie ihn<br />

auf die Wiese getrieben hatten, wo sie ihn ungeachtet<br />

des steilen Hügels bergab vor der Schlucht ergriffen.<br />

Mein Jäger sprang eben hinzu, um den Hunden den<br />

Hasen abzunehmen, als sich schon wieder ein Hase<br />

zeigte, den meine Hunde erfassten, bevor er den Soboleffschen<br />

Wald erreichte. <strong>Die</strong> Parforcemeute jagte<br />

hintereinander zwei Hasen auf das Feld Nataljinka,<br />

wo alle herrschaftlichen Koppeln aufgestellt waren,<br />

und beide Hasen wurden ergriffen. A. A. Durnowos<br />

Koppel verfolgte einen Hasen über das Saatfeld, wel<br />

cher ebenfalls in die <strong>Jagd</strong>tasche kam.<br />

Bei der zweiten Brussowschen Schlucht befand<br />

sich mein Posten hinter einem Hügel, so dass<br />

ich den untersten Teil der Schlucht überblicken<br />

konnte und beurteilen, wie meisterhaft die Parforcemeute<br />

arbeitete. Man sah von meinem Posten, wie<br />

die Hasen aus ihren Schlupfwinkeln über die<br />

Seitengräben sprangen und jedesmal von der Meute<br />

richtig aufs freie Feld hinausgetrieben wurden. <strong>Die</strong><br />

Schlucht ist nicht breit und trotzdem das Feld hinter<br />

der Schlucht nicht zu sehen ist, ist doch jedes Treiben<br />

hörbar. Hier setzt mit heller Stimme Jakow der<br />

Leibjäger des Großfürsten und man hört sein freudiges<br />

„Oh - go - go - uh!“ - jetzt tönt der kräftige Bass<br />

des Generals Grunwald: „Achtung, links“ und weiter<br />

die energische Stimme des Grafen Mengden „Hallo“!<br />

<strong>Die</strong> Hasen rennen nach allen Richtungen und man<br />

hört das Buschwerk knacken, in welches die Barsois<br />

die Hasen verfolgen. Mitunter ertönt auch ein trauriges:<br />

„zurück, hierher“, das Zeichen, dass der Hase<br />

entwischt ist.<br />

Wieder erschallt das Horn und alle fahren jetzt<br />

auf das Brussowsche Vorwerk, wo das Frühstück bestellt<br />

ist. Schnell füllt sich der große Hof mit Pferden<br />

und Hunden. <strong>Die</strong> von den Pferden abgesprungenen<br />

Jäger nähern sich der Gemahlin des Erlauchten Wirtes,<br />

der Großfürstin Anastasie Nikolajewna, welche<br />

aus <strong>Perchino</strong> hierher gekommen ist, um von hier aus<br />

alle Koppeln und das Treiben zu sehen. Nachdem die<br />

Großfürstin alle begrüßt hatte, erkundigte sie sich bei<br />

Maria Alexeijewna Boldarjeff nach deren <strong>Jagd</strong>glücke<br />

und hörte darauf mit Interesse den lebhaften Erzählungen<br />

der glücklichen Jäger zu. Jeder hat einige<br />

Hasen in seiner <strong>Jagd</strong>tasche, und die paar missglückten<br />

Treiben verderben niemand die Stimmung,<br />

sondern verleihen im Gegenteil der Unterhaltung<br />

noch mehr Reiz. Gut gelungene Angriffe werden mit<br />

ebenso guten Rechtfertigungen pariert und es werden<br />

Beispiele von bewunderungswürdigen Treiben<br />

55


und Fängen einer jeden Koppel hervorgehoben. Alle<br />

waren zufrieden, das Wetter hatte sich aufgeklärt, ein<br />

leichter Wind den Boden getrocknet und vor uns lag<br />

die Hoffnung, noch so manches Wild zu erjagen und<br />

unsere <strong>Jagd</strong>leidenschaft zu befriedigen.<br />

Nach dem Frühstücke nahmen die Koppeln<br />

vom Hofe des Vorwerks ihren Posten ein, wobei sie<br />

den Brussowschen Sumpf umkreisten, welcher zwischen<br />

den Wiesen am Ufer der Upa liegt. <strong>Die</strong> Felder<br />

gehen vom Sumpfe an bergauf und daher sind von<br />

jedem Posten aus alle Koppeln zu sehen. Trotzdem<br />

ist es sehr schwer, den Barsois das Wild zu zeigen,<br />

denn die Felder steigen auf steilen Hügeln empor,<br />

oder ziehen sich am Abhange hinunter. Man muss<br />

hinter dem Kamme des Hügels stehen, damit die<br />

der Pforte des Vorwerkhofes bis hinunter zum Ufer<br />

der Upa auf. Der Großfürst besetzte seinen ständigen<br />

Posten auf dem Felde, welches sich längs<br />

dem Soboleffschen Walde hinzieht. Zwischen dem<br />

Vorwerke und den Koppeln des Großfürsten nahm<br />

ich Posten, rechts vom Großfürsten zogen sich die<br />

<strong>Perchino</strong>koppeln bis zum Flussufer hinunter und<br />

dort, wo sich die Wiesen durch eine kleine Anhöhe<br />

teilen, hinter den Strohschobern, hatte Frau M.A.<br />

Boldarjeff Aufstellung genommen. An diesen Strohschobern<br />

liebte das Wild vorüberzulaufen, um sich in<br />

das Feld zu begeben.<br />

<strong>Die</strong> Parforcereiter führten die Meute vom Flusse<br />

aus zum Sumpfe hinunter, welcher dicht mit Schilf<br />

und Steppengras bewachsen ist. Sofort ging einer<br />

Barsois das Feld nicht sehen können, auf welches<br />

das Wild hinausgetrieben wird, dabei muss man<br />

aber verstehen, der Koppel, die treiben soll, das Wild<br />

rechtzeitig zu zeigen, sonst kann dasselbe wieder<br />

zurück.laufen, oder sich in die Brussowsche Schlucht<br />

flüchten.<br />

Das Feld zum Soboleffschen Walde hin ist größer<br />

und ein wenig senkrecht, fast flach gelegen, aber<br />

der ganze Boden desselben ist mit tiefen Furchen,<br />

wie die Falten einer Ziehharmonika, bedeckt. Es kamen<br />

daher FäIle vor, dass ein heißblütiger Reiter, der<br />

seinen Hunden das Wild vom Pferde aus zeigte, weil<br />

er hier auf das offene Feld rechnet, sich stark irrte<br />

und den Hasen in den Erdfurchen verlor, wobei jedoch<br />

der erfahrene Jäger vom Nachbarposten hinzueilte,<br />

dessen Koppel dann auch das Wild vor der<br />

Nase des verblüfften Reiters festnahm.<br />

Alle herrschaftlichen Koppeln stellten sich von<br />

der Parforcehunde in den Sumpf, die andern gingen<br />

nach und unter dem Donner von 40 Stirnmen schien<br />

der ganze Sumpf sich zu bewegen, drehte und<br />

schaukelte sich und aus seinen Verstecken flohen<br />

die Hasen nach allen Seiten. Auf dem Felde hinter<br />

der Brussowschen Schlucht wurde es lebendig. Eine<br />

Koppel trieb zum Sumpfe, die andere zur Schlucht,<br />

eben stellte die Koppel des Grafen Mengden einen<br />

Hasen, so dass derselbe nicht vorwärts konnte, und<br />

der Sieger der Probejagden, der rotbraune Rüde<br />

,,Poraschai“ ihn ergriff. Weiterhin strebte ein verirrter<br />

Fuchs dem Vorwerke zu, gerade an der Equipage<br />

vorüber, aus welcher die Großfürstin der <strong>Jagd</strong> zusah,<br />

und schon hatte ihn die Koppel D. D. Osipowskys<br />

gefangen. Dort befestigten die Jägergehilfen<br />

von Mjatleff einen Hasen an ihre <strong>Jagd</strong>tasche, während<br />

die Koppeln schon wieder einem Fuchse nachjagten<br />

welcher sich eben an der Schlucht gezeigt<br />

56


hatte und den die Meute verfolgte. Auf offenem Felde<br />

treibt eine <strong>Perchino</strong>koppel einen Hasen dem Walde<br />

zu, und soeben erscheint Frau M. A. Boldarjeff vor<br />

den Strohschobern und hetzt ihre Hunde auf einen<br />

Hasen ins Feld. Hier rettet sich eine Füchsin vor der<br />

ihr nachtreibenden Meute, sie umkreist den Sumpf,<br />

läuft über die Wiese, auf einer Ecke bleibt sie eine<br />

Sekunde lang stehen, kehrt zurück, um an dem Posten<br />

des Großfürsten vorüber in den Soboleffschen<br />

Wald zu eilen. Wie ein rotes Band schimmert sie<br />

über die Wiesen und steigt immer höher und höher<br />

den Hügel hinauf, gleich einem Schwarme weißer<br />

Schwäne treiben die Parforcehunde ihr nach und jagen<br />

sie über das Feld, jetzt zeigen sich die Parforcejäger<br />

in ihren roten Röcken und versuchen, die Meute<br />

zu umkreisen und zurückzutreiben: ,,bleibt stehen,<br />

halt, zurück!“<br />

57


Jetzt reitet auch der Großfürst nach rechts, der<br />

Füchsin folgend und ihre Richtung kreuzend spornt<br />

er seinen Kabardiner zur Karriere an und zeigt den<br />

freigelassenen Hunden das Wild. Man sieht, wie<br />

heißblütig die Hunde sich losreißen und sie fliegen,<br />

endlich von der fesselnden Koppel befreit, hinter der<br />

verhassten Gevatterin her. Nur einmal gelingt es ihr,<br />

sich den Hunden zu entwinden, indem sie den bauschigen<br />

Schwanz wendet, aber schon haben sie die<br />

flinken Hunde erreicht. - <strong>Die</strong> Meute haben inzwischen<br />

die Reiter zum Stehen gebracht und noch einmal<br />

zum Sumpfe zurückgetrieben, aber in demselben<br />

war bereits alles leer, als würde er mit einem Besen<br />

ausgefegt sein. - Nach dem Sumpfe wurden noch<br />

zwei Felder vor dem Soboleffschen Walde umkreist<br />

und noch einige Hasen gefangen. Damit war dieser<br />

gelungene <strong>Jagd</strong>tag beendet, und nachdem man die<br />

Parforcehündin, welche als erste hinter dem Hasen<br />

auf das Feld gekommen war, so eifrig den Barsois<br />

im Treiben half, dass sie auf einer Wendung den<br />

Hasen selbst erwischte. An diesem einen <strong>Jagd</strong>tage<br />

wurden 2 Füchse, 29 braune und 7 weiße Hasen gefangen.<br />

Wahrend der ganzen <strong>Jagd</strong>periode vom 15.<br />

September bis 10. Oktober, wo der erste starke Frost<br />

anbrach und der Großfürst nach Petersburg zurückkehren<br />

musste, wurden 57 Füchse, 361 braune und<br />

165 weiße Hasen erlegt.<br />

Schlusswort<br />

Koppeln den Jägern übergeben hatte, ging es über<br />

die Wiesen in leichtem Trabe nach <strong>Perchino</strong> zurück,<br />

welches vor unseren Blicken hinter der silberschimmernden<br />

Upa prangte.<br />

Ein Beispiel von der Kraft und Standhaftigkeit<br />

der Parforcemeute will ich noch von dieser letzten<br />

<strong>Jagd</strong> erzählen. Nachdem das Treiben auf gefrorenem<br />

Boden einen ganzen Tag hindurch angedauert<br />

hatte, wobei die Meute ohne auszuruhen arbeitete,<br />

wurde zuletzt noch ein Hase aus der Schlucht aufgescheucht<br />

und von den Parforcehunden in das<br />

Feld getrieben, wo Frau M. A. Boldarjeff ihre Koppel<br />

auf den Hasen hetzte, wobei die gelbscheckige<br />

Ich weiß nicht, ob es mir mit diesem Werke<br />

gelungen ist, meine Aufgabe zu lösen, d. h. den<br />

Leser mit der Einrichtung und den Gebräuchen der<br />

<strong>Perchino</strong>jagd, ihren Hunderassen und Treibjagden<br />

bekannt zu machen. Ich habe mir redliche Mühe gegeben,<br />

mich kurz zu fassen und dabei doch ein wahrheitsgetreues<br />

Bild von alledem zu entwerfen, was in<br />

dieser <strong>Jagd</strong> den echten Barsoijäger und Liebhaber<br />

dieser Rasse interessieren kann.<br />

Meine zwanzigjährige ständige Mitwirkung<br />

in dieser <strong>Jagd</strong>, welche mir seit ihrem Einzugstag in<br />

<strong>Perchino</strong> bekannt ist (1887 wurde ich von Seiner<br />

Kaiserlichen Hoheit dem Großfürsten mit meinen 5<br />

58


Barsoikoppeln zur <strong>Jagd</strong> in das Gouvernement Tamboff<br />

eingeladen. Nachdem die Treiben in Tamboff<br />

beendet waren, zog die großfürstliche <strong>Jagd</strong> nach<br />

<strong>Perchino</strong>, wo sie die Herbsttreiben fortsetzte und nach<br />

Beendigung derselben ständig Wohnsitz in <strong>Perchino</strong><br />

nahm) und der Genuss, den mir die <strong>Perchino</strong>jagden<br />

jedesmal bereiteten, konnten vielleicht auf mich<br />

einwirken und daher meine Ansicht darüber parteiisch<br />

gestalten. <strong>Die</strong>ses Letztere befürchtend, habe ich<br />

mich bemüht, frei von allen persönlichen Empfindungen<br />

und ohne jegliche Verschönerung alles mit<br />

der Trockenheit<br />

eines Chronisten<br />

zu beschreiben.<br />

Wie weit mir dieses<br />

gelungen<br />

ist, überlasse ich<br />

dem Leser zu beurteilen.<br />

Aber damit<br />

dieses Urteil<br />

kein allzu strenges<br />

wird, will ich<br />

hier eine kurze<br />

Beschreibung der<br />

<strong>Perchino</strong>jagd des<br />

berühmten Barsoijägers<br />

Wladimir<br />

Dmitrijewitsch<br />

Sonzeff anführen,<br />

der durch nichts<br />

mit der <strong>Perchino</strong>jagd<br />

verbunden,<br />

dieselbe erst seit<br />

1910 zur Zeit der<br />

Frühjahrsprobejagden<br />

kennen<br />

lernte und sie<br />

darauf in einem<br />

sehr interessanten,<br />

von ihm<br />

selbst herausgegebenen<br />

Buche<br />

unter dem Titel<br />

„<strong>Perchino</strong>treiben<br />

1910“, beschrieben<br />

hat. Es heißt<br />

darin: „Mein Bericht<br />

würde lange<br />

kein ausführlicher<br />

sein, wenn ich mit meinen <strong>Jagd</strong>kameraden nicht den<br />

tiefen Eindruck teilen wollte, den auf mich die Hunde<br />

der <strong>Perchino</strong>jagd Seiner Kaiserlichen Hoheit des<br />

Großfürsten Nikolai Nikolaijewitsch gemacht haben.<br />

Dank der liebenswürdigen Gastfreundschaft des Erlauchten<br />

Wirtes hatten wir Barsoijäger die Möglichkeit,<br />

bis in die kleinsten Details mit dem Bestände<br />

und der Art der <strong>Perchino</strong>jagd bekannt zu werden. Alle<br />

Barsois wurden zuerst an der Koppel im großen Hundehofe<br />

vorgeführt, darauf wurden uns die Parforcemeuten<br />

in zwei kompletten <strong>Jagd</strong>en mit Reitern, Barsoiführern,<br />

Aufsehern usw. geordnet, gezeigt, und<br />

zuletzt am Abend konnten wir die Barsois einzeln im<br />

kleinen Klubsaal des <strong>Perchino</strong>schlosses besichtigen.<br />

Es scheint auf den ersten Blick, dass bei viermaliger<br />

Besichtigung der Hunde an einem Tage dieses vollkommen<br />

genügt, um sie im Detail kennen zu lernen,<br />

aber in Wirklichkeit, wenn man die Quantität berücksichtigt<br />

(über 120 Koppeln) und den überwältigenden<br />

Eindruck, den diese Menge unendlich rassiger Tiere<br />

auf einen macht,<br />

wird man zu dem<br />

Beschlusse kommen,<br />

dass, um<br />

diese einzig in der<br />

Welt dastehende<br />

<strong>Jagd</strong> zu beschreiben,<br />

man ihr eine<br />

geraume Zeit<br />

widmen müsste.<br />

<strong>Die</strong> Jäger,<br />

welche 1910 auf<br />

den Probejagden<br />

in <strong>Perchino</strong><br />

waren, hatten<br />

die Möglichkeit,<br />

die Hunde nicht<br />

nur während ihrer<br />

Vorführung,<br />

sondern auch<br />

auf dem Felde<br />

während ihrer<br />

Arbeit zu sehen,<br />

und der unvergessliche<br />

Eindruck,<br />

den ihre<br />

außergewöhnliche<br />

Schnelligkeit,<br />

wie ihre anderen<br />

<strong>Jagd</strong>leistungen<br />

machten, verstärkte<br />

noch die<br />

hohe Anerkennung,<br />

welche sie<br />

durch ihre Schönheit<br />

und ihr rassiges<br />

Exterieur gewonnen<br />

hatten.<br />

<strong>Die</strong> Probejagden in <strong>Perchino</strong> haben auf mich einen<br />

überwältigenden Eindruck gemacht, und ich bin überzeugt<br />

davon, daß derjenige, welcher den <strong>Perchino</strong>windhund<br />

in seinem prächtigen Wellhaar gesehen,<br />

wenn er mit Riesensprüngen an dem wie eine Kugel<br />

fliegenden Engländer vorüberjagt und ungeachtet<br />

seiner neunzehn Werschok Höhe mit Leichtigkeit den<br />

flinken Hasen fasst, dieses Bild für immer in seinem<br />

Gedächtnis behalten wird, und wenn er solch einen<br />

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Rüden in irgend einem Barsoizwinger antrifft, demselben<br />

ganz besondere Sympathie, Aufmerksamkeit<br />

und Achtung entgegenbringen wird.<br />

Ein prächtiges Bild bot die graurote Perforcemeute<br />

im vollen <strong>Jagd</strong>aufzuge. Zu beiden Seiten die<br />

Barsoiführer zu Pferde, mit den Hunden dunkler<br />

Farben an der Koppel, 17 Koppeln (51 Barsois),<br />

nach denselben konstruierte sich die gelbscheckige<br />

Meute, zu deren Seiten sich die Barsoiführer mit den<br />

Hunden heller Farbe aufstellten. Gleich einem Echo<br />

aus früherer, besserer Zeit erklang der Ruf der hellen<br />

<strong>Jagd</strong>hörner, wie gemeißelt standen Pferde und Menschen<br />

und neben ihnen in malerischen Posen die<br />

von Kennern zusammengestellten Barsoikoppeln.<br />

Das ganze Bild wurde von den Strahlen der untergehenden<br />

Sonne beleuchtet und hob sich eigenartig<br />

vom Fond der Dorflandschaft ab, eine solche Kraft<br />

ausatmend und einen solchen Reiz ausübend, die<br />

nur von dem Jäger voll verstanden wird. Wir standen<br />

und schwiegen und unsere Phantasie trug uns in die<br />

Herbstwälder und Felder, wo das Glockenhellen dieser<br />

Meute erschallte und die schnellen Barsois nach<br />

den flinken Hasen jagten.<br />

Uns näherte sich ein alter Barsoijäger und<br />

sagte leise: „So etwas, meine Herrschaften, sehen<br />

Sie jetzt nirgends mehr.“ „Und existierte überhaupt<br />

jemals etwas derartiges auf der Welt“, entgegnete einer<br />

von uns.“<br />

(<strong>Perchino</strong>-Probetreiben 1910.) W. D. Sonzeff.<br />

Nach dieser bildlichen Beschreibung des berühmten<br />

Barsoijägers erblassen meine Aufzeichnungen<br />

und keiner wird mir den Vorwurf machen können,<br />

dass ich mich bei Beschreibung der <strong>Perchino</strong>jagd<br />

durch eigene Gefühle habe hinreißen lassen.<br />

Zum Schlusse will ich nur noch sagen, dass,<br />

wenn eine solche <strong>Jagd</strong>, wie die <strong>Perchino</strong>jagd, im<br />

Auslande existieren würde, z. B. in England, so würde<br />

sie im ganzen Lande bekannt sein und einen nationalen<br />

Stolz bilden. Aber bei uns in Russland kennt<br />

diese große nationale <strong>Jagd</strong> nur ein kleiner Kreis von<br />

Jägern. Viele Barsoijäger haben sie nie gesehen,<br />

nicht einmal das Interesse dafür gezeigt, sie kennenzulernen,<br />

trotzdem der Erlauchte Besitzer schon<br />

längst die Erlaubnis erteilt hat, allen sich für dieselbe<br />

interessierenden Personen die Hunde, wie auch den<br />

ganzen <strong>Jagd</strong>bestand zu zeigen, freilich in Grenzen,<br />

die den regelmäßigen <strong>Jagd</strong>betrieb nicht schädigen<br />

können.<br />

Ausländer aus Deutschland, Belgien, Frankreich<br />

und Amerika besuchten diese <strong>Jagd</strong>. Amerikaner<br />

kauften sogar in derselben Hunde, wie ich bereits<br />

mitteilte, aber aus Russland besuchten die <strong>Jagd</strong><br />

nur die Gutsnachbarn von <strong>Perchino</strong> oder die persönlichen<br />

Bekannten des Großfürsten, und wieviele<br />

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Barsoijäger kenne ich selbst, die nie einen <strong>Perchino</strong>hund<br />

gesehen haben.<br />

<strong>Die</strong> Antwort, dass den meisten Jägern es nicht<br />

bekannt ist, dass es gestattet ist, die <strong>Perchino</strong>jagd zu<br />

besichtigen, ist keine Rechtfertigung.<br />

<strong>Die</strong> Deutschen, Belgier, Franzosen und Amerikaner<br />

haben es trotz der Entfernung, der Unkenntnis<br />

der Sprache und vieler anderer Schwierigkeiten<br />

verstanden, alles dieses zu überwinden, um die<br />

<strong>Perchino</strong>jagd kennen zu lernen, von deren Werte<br />

sie in ihren Sportblättern gelesen hatten und von der<br />

ihnen ihre Preisrichter, welche auf unsere Moskauer<br />

und Petersburger Hundeausstellungen eingeladen<br />

worden waren, erzählten.<br />

Wenn man bedenkt, wieviel Arbeit und Mittel<br />

angewandt worden sind, um die hier beschriebenen<br />

Resultate zu erzielen, so stimmt es einen unwillkürlich<br />

traurig, wie wenig unsere russischen Jäger davon<br />

Nutzen ziehen, und wieviel Nutzen könnten sie<br />

sich und der von ihnen geliebten <strong>Jagd</strong> bringen, wenn<br />

sie mit der kompletten <strong>Perchino</strong>jagd in nähere Berührung<br />

treten würden, einer <strong>Jagd</strong>, die alle Traditionen<br />

dieses alten, heimatlichen, russischen Sportes pflegt.<br />

<strong>Die</strong> <strong>Perchino</strong>jagd hat vom Jahre 1887 bis 1913<br />

10 080 Stück Wild erlegt, darunter: Wölfe 681 (davon<br />

56 alte einheimische), Füchse 743, Hasen braune<br />

4630, Hasen weiße 4026.<br />

St. Petersburg, den 20. Dezember 1912.<br />

Dmitri Walzoff.<br />

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Kopfstudien um 1900<br />

von Barsois aus den Zuchtstätten<br />

der jeweiligen Jäger<br />

info@khschulz.de<br />

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