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Esperanto - Ido - Interlingua - Realisanto

Dies ist das erste und bisher einzige Lehrbuch, in dem die drei bekannten Plansprachen Esperanto, Ido und Interlingua systematisch miteinander verglichen werden. Dazu kommt auch noch das von mir selbst entwickelte Realisanto, das ziemlich genau in der Mitte zwischen Esperanto und Interlingua steht.

Dies ist das erste und bisher einzige Lehrbuch, in dem die drei bekannten Plansprachen Esperanto, Ido und Interlingua systematisch miteinander verglichen werden. Dazu kommt auch noch das von mir selbst entwickelte Realisanto, das ziemlich genau in der Mitte zwischen Esperanto und Interlingua steht.

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<strong>Esperanto</strong> - <strong>Ido</strong> - <strong>Interlingua</strong> -<br />

<strong>Realisanto</strong><br />

Inhaltsverzeichnis<br />

Der Autor 1<br />

Vorwort 2<br />

Die Buchstaben 10<br />

Die Betonung 17<br />

Die Substantive (Hauptwörter) 20<br />

Der Plural (Die Mehrzahl) 27<br />

Der bestimmte und unbestimmte Artikel 30<br />

Ino - ido - ito - injo - vir - fem 34<br />

Die Deklination der Substantive 38<br />

Die Eigennamen 40<br />

Die Adjektive (Eigenschaftswörter) 42<br />

Die zusammengesetzten Substantive 45<br />

Die Steigerung der Adjektive 48<br />

Das Adverb (Umstandswort) 53<br />

Dieses und jenes 56<br />

Die Relativpronomina 59<br />

Die Personalpronomina (Die persönlichen Fürwörter) 64<br />

Die Possessivpronomina (Die besitzanzeigenden Fürwörter) 73<br />

Sein und Haben in allen Zeiten 77<br />

Die übrigen Verben 84<br />

Die Reflexivpronomina 89<br />

Die Verneinung 94<br />

Der Imperativ (Die Befehlsformen) 96<br />

Fragen und Antworten 98<br />

Die Modalverben 102<br />

Das Gerundium 104<br />

Das Passiv 112<br />

Die Zahlen 118<br />

Nachwort 121<br />

Quellenangaben 128


Der Autor<br />

Ich wurde 1953 in Zürich geboren. Mein Vater war ein Schweizer<br />

und meine Mutter eine Finnin - mein Vorname, der genau Hans<br />

bedeutet, weist darauf hin -, aber ich bin nach ihrer frühen<br />

Scheidung an verschiedenen Orten der Kantone Zürich und<br />

Appenzell aufgewachsen. Den Familiennamen Stump habe ich<br />

von einem nordbadischen Urgrossvater, der irgendwann<br />

zwischen 1870 und 1885 in die Schweiz eingewandert und in<br />

Zürich hängen geblieben ist.<br />

Meine besondere Begabung für Sprachen hat sich in den<br />

Schuljahren noch nicht gezeigt, sondern erst viel später, aber<br />

dann umso stärker. So spreche ich heute zehn romanische und<br />

sieben germanische Sprachen ziemlich gut, und zudem habe ich<br />

auch sehr gute Grundkenntnisse der slawischen, baltischen,<br />

keltischen und finno-ugrischen Sprachen. Dazu kommen noch<br />

solche im Latein, Alt- und Neugriechischen und Albanischen.<br />

1


Vorwort<br />

<strong>Esperanto</strong> - <strong>Ido</strong> - <strong>Interlingua</strong> - <strong>Realisanto</strong>. Warum dieser Titel?<br />

Während die drei ersterwähnten so bekannt sind, das sie nicht<br />

weiter vorgestellt werden müssen, ist das von mir geschaffene<br />

<strong>Realisanto</strong> zwar auch schon vor mehreren Jahren entstanden<br />

und veröffentlicht worden, aber im Vergleich zu den anderen<br />

immer noch ziemlich unbekannt.<br />

Was hat diese Sprache also hier verloren - inmitten dieser drei<br />

etablierten Plansprachen, die neben dem Volapük, das ich am<br />

Rand ebenfalls kenne, in der ganzen Welt immer noch die drei<br />

bekanntesten sind? Weil ich eben die Meinung vertrete, dass das<br />

<strong>Realisanto</strong>, das ziemlich genau in der Mitte zwischen dem<br />

<strong>Esperanto</strong> und dem <strong>Interlingua</strong> steht, durchaus seine<br />

Berechtigung hat, zu diesem erlauchten Kreis zu gehören.<br />

Bevor ich damit beginne, diese vier Sprachen systematisch<br />

miteinander zu vergleichen, was bis heute noch nie<br />

vorgekommen ist - auch nicht direkte Vergleiche mit den drei<br />

anderen zusammen -, muss ich anmerken, dass ich im Mai 2018,<br />

als mir bei einem Spaziergang plötzlich die Idee aufkam, eine<br />

eigene Plansprache zu entwerfen, nur das <strong>Esperanto</strong> kannte,<br />

aber nicht das <strong>Ido</strong> und das <strong>Interlingua</strong>. Es kann also niemand<br />

behaupten, ich habe mich von den beiden letzteren, mit denen<br />

ich mich erst nach dem Fertigstellen des Buches «<strong>Realisanto</strong> -<br />

das <strong>Esperanto</strong> des 21. Jahrhunderts» näher befasste,<br />

beeinflussen lassen.<br />

Warum ich nur das <strong>Esperanto</strong> kannte, ist logisch: Schliesslich<br />

habe ich diese Sprache systematisch gelernt - schon im Jahr<br />

1979 -, und noch im gleichen Jahr bekam ich inmitten von vielen<br />

Leuten bei einem Volksfest die erste Gelegenheit, sie auch aktiv<br />

zu sprechen. Da es bei den Esperantisten damals genauso wie<br />

heute die Gewohnheit ist, sich mit einem grünen Stern zu zeigen,<br />

erkannte ich ihn sofort als einen Esperantisten - oder als einen<br />

2


«Espi», wie sie sich untereinander fast liebevoll nennen -, und<br />

sprach ihn direkt an. Ich verstand von seinem schnellen<br />

Redeschwall zwar fast alles, eber eben nicht alles. Am meisten<br />

Mühe hatte ich mit den beiden kurzen Wörtern «iu», das für<br />

Personen, und mit «io», das für Sachen verwendet wird und als<br />

nähere Erklärung ziemlich häufig vorkommt:<br />

iu bona - jemand Guter<br />

io bona - etwas Gutes<br />

Schon bei diesem Gespräch fragte ich mich, ob es für solche<br />

Ausdrücke nicht auch noch andere Wörter geben könnte, die<br />

besser zu verstehen sind, aber ich war damals noch viel zu jung<br />

und auch zu unerfahren, um allzu viel darüber nachzudenken.<br />

Immerhin munterte es mich etwas auf, als jemand uns fragte,<br />

welche Sprache wir redeten, und als wir antworteten, es sei<br />

<strong>Esperanto</strong>, sagte er: «Das finde ich lässig, jetzt kann ich das zum<br />

ersten Mal richtig hören.» Damals gab es ja noch kein Internet<br />

und kein YouTube, und nur wenige wussten, dass das Radio<br />

Vartikan schon seit vielen Jahrzehnten Sendungen auf<br />

<strong>Esperanto</strong> ausstrahlte und das heute immer noch tut.<br />

Ich durfte die Worte dieses Mannes als ein Kompliment auch für<br />

mich selbst betrachten, obwohl der Espi mit dem grünen Stern<br />

viel besser und flüssiger als ich sprach. Schliesslich gab er selbst<br />

auch <strong>Esperanto</strong>-Kurse, wie er mir sagte, und noch heute ist er<br />

sehr aktiv unterwegs. Wie ich es in meinem <strong>Realisanto</strong>-Buch<br />

erwähnt habe, bin ich vor allem aus politischen Gründen von der<br />

<strong>Esperanto</strong>-Bewegung ausgestiegen, noch bevor ich richtig dabei<br />

war. Wäre es mit der jungen Frau, für die ich mich einmal<br />

interessierte und die mich als Erste auf diese Sprache<br />

aufmerksam machte, etwas Festes geworden, hätte ich vielleicht<br />

über diese politischen Probleme hinwegsehen können, aber so<br />

identifizierte ich mich schon bald nicht mehr mit der <strong>Esperanto</strong>-<br />

Bewegung, die sich immer auch als eine Friedensbewegung<br />

gesehen hat. Wie ich es dem oben erwähnten Espi, den ich ein<br />

3


paar Jahre später durch einen weiteren Zufall auf der Strasse<br />

wieder traf - und fast am gleichen Ort, wobei er den grünen Stern<br />

immer noch trug -, deutlich sagte, konnte ich nicht hinter einer<br />

Bewegung stehen, die einseitig nur den bösen westlichen<br />

Imperialismus und die böse NATO verurteilte, während der<br />

sozialistische Imperialismus nie verurteilt, ja, nicht einmal<br />

erwähnt wurde. Natürlich musste auch berücksichtigt werden,<br />

dass damals immer noch der Eiserne Vorhang stand und es<br />

somit nicht ratsam war, die Politik des Ostblocks, wo auffallend<br />

viele Esperantisten wohnten, allzu laut zu kritisieren.<br />

Trotzdem hat diese Eingleisigkeit mich immer gestört und<br />

entscheidend dazu beigetragen, dass ich mich vom <strong>Esperanto</strong><br />

wieder abwandte und mich darauf konzentrierte, andere<br />

Sprachen zu lernen - bis zum Mai 2018, als ich die oben<br />

erwähnte Inspiration bekam und meine alten <strong>Esperanto</strong>-<br />

Kenntnisse wieder ausgraben musste, um meine eigene<br />

Sprache <strong>Realisanto</strong> mit dieser systematisch vergleichen zu<br />

können.<br />

Ich habe nie einen Hehl daraus gemacht, dass diese Sprache<br />

vom <strong>Esperanto</strong> abstammt und ich sie ursprünglich nur als eine<br />

Modernisierung gesehen habe, also ähnlich wie die Idisten, die<br />

ihre Sprache nach jahrelangen Diskussionen im Jahr 1907<br />

veröffentlichten, also genau zwanzig Jahre nach dem <strong>Esperanto</strong>.<br />

Die daraus entstandenen Spannungen halten noch bis heute an,<br />

obwohl die <strong>Ido</strong>-Bewegung schon ab der zweiten Hälfte der<br />

Zwanzigerjahre an Bedeutung wieder abnahm und heute im<br />

Vergleich zum <strong>Esperanto</strong> nur noch eine verschwindend kleine<br />

Minderheit stellt. Welche Spaltung noch bis heute vorherrscht,<br />

habe ich vor kurzem gesehen, als ich in einem Internet-Forum,<br />

in dem die Anhänger des <strong>Esperanto</strong>s, des <strong>Ido</strong>s, des <strong>Interlingua</strong><br />

und auch des Volapüks miteinander Gedanken austauschen, die<br />

bemerkenswerten Worte eines Esperantisten las, dass sie die<br />

Volapükisten als ihre Brüder sehen, aber die Idisten und auch<br />

Interlinguisten mit keinem einzigen Wort erwähnte.<br />

4


Tatsächlich gibt es zwischen den Anhängern der beiden ältesten<br />

Plansprachen freundschaftliche Verbindungen, aber nach<br />

meinem Wissen nur beschränkte zwischen den Esperantisten<br />

und Interlinguisten und überhaupt keine zwischen den<br />

Esperantisten und Idisten. Die Distanz auch zu den<br />

Interlinguisten ist damit zu erklären, dass die Sprache der<br />

letzteren, die einer von ihnen sogar als eine Perfektsprache<br />

bezeichnet hat, nach der Meinung vieler Spezialisten die<br />

härteste Konkurrentin des <strong>Esperanto</strong>s werden könnte, doch bis<br />

heute hat dieses seine Stellung als bekannteste und<br />

meistgelernte Plansprache halten können, obwohl es das<br />

<strong>Interlingua</strong> nach einer Vorbereitungszeit von zehn und einer<br />

Schaffenszeit von siebzehn Jahren, also nach nicht weniger als<br />

27 (!) Jahren, auch schon seit dem Jahr 1951 gibt - und es sieht<br />

nicht danach aus, dass sich daran in absehbarer Zeit etwas<br />

ändern wird. Das können die Esperantisten durchaus als einen<br />

kleinen Erfolg verbuchen, obwohl auch ihnen noch kein<br />

Durchbruch in dem Sinn gelungen ist, dass ihre Sprache als eine<br />

Amtssprache anerkannt worden ist.<br />

Die vielen internen Kongresse, die immer wieder voller Stolz<br />

erwähnt werden, und auch die Radiosendungen aus dem<br />

Vatikan sowie die erstaunliche Tatsache, dass zumindest in<br />

Ungarn und China Doktortitel auch auf <strong>Esperanto</strong> erlangt werden<br />

können, haben nichts daran geändert, dass eine Sprache erst<br />

dann wirklich ernst genommen wird, wenn sie als eine vollwertige<br />

und offizielle Amts- und Landesprache gilt. Bisher gab es nur drei<br />

Abstimmungen, bei denen das <strong>Esperanto</strong> durchfiel, aber richtig<br />

knapp war es nur im Jahr 1920, als im Völkerbund darüber<br />

abgestimmt wurde, ob neben dem Englischen, das bei der<br />

Ausarbeitung des Versailler Vertrags von 1919 auch offiziell in<br />

den Kreis der Weltsprachen aufgenommen wurde, und dem<br />

Französischen, das bis dahin die unbestrittene Nummer eins<br />

gewesen war - aber nur unter den sogenannten Gebildeten -, und<br />

dem Spanischen auch das <strong>Esperanto</strong>, das sich damals auf<br />

seinem Höhepunkt befand, als eine vollwertige Amtssprache<br />

5


anerkannt werden sollte. Da das entsprechende Gremium aus<br />

elf Mitgliedern bestand und diese einstimmig beschliessen<br />

mussten, scheiterte das Vorhaben nur daran, dass der Franzose<br />

sich dagegen aussprach. Das hatte auch eine gewisse Logik,<br />

weil gerade in Frankreich unter den sogenannten Gebildeten die<br />

Gegnerschaft zum <strong>Esperanto</strong>, das sie als eine Proletensprache<br />

bezeichneten, besonders stark war - wohl aber auch deshalb,<br />

weil sich das eigentliche Zentrum der <strong>Esperanto</strong>-Bewegung<br />

schon damals genauso wie heute ausgerechnet in Paris befand,<br />

und für das <strong>Ido</strong>, das noch heute von vielen als eine französisierte<br />

Variante des <strong>Esperanto</strong>s angesehen wird, galt das Gleiche.<br />

Die zweite Abstimmung, bei der es eigentlich von vornherein klar<br />

war, dass das <strong>Esperanto</strong> scheitern würde, geschah in den<br />

Sechzigerjahren in der UNO - auch deshalb, weil die<br />

Volksrepublik China, wo es heute wieder erstaunlich viele<br />

Esperantisten hat, noch kein Mitglied war, und weil die Sowjets<br />

um die Stellung des Russischen fürchteten, das neben dem<br />

Chinesischen und Arabischen ebenfalls als eine Amtssprache<br />

anerkannt worden war.<br />

Was die dritte Abstimmung betrifft, war diese im Jahr 2004 im<br />

sogenannten Europarat, aber auch dort fiel die Sprache durch,<br />

und das musste auch so geschehen, weil die Europäische Union<br />

in der Zwischenzeit viele neue Mitglieder aufgenommen hatte,<br />

bei denen die Minderheitensprachen noch bis heute nicht voll<br />

anerkannt worden sind. Würde das <strong>Esperanto</strong>, das neben vielen<br />

Anhängern eben immer auch viele Gegner hatte, voll anerkannt,<br />

müssten gerechterweise auch all diese Sprachen den gleichen<br />

Status bekommen. Heute gibt es dort nicht weniger als 24<br />

Amtssprachen, wobei im Europaparlament fast nur Englisch,<br />

Französisch und Deutsch gesprochen werden. Immerhin gibt es<br />

heute noch mehrere sogenannte Arbeitssprachen, in die<br />

Übersetzungen vorgenommen werden dürfen. Zu diesen<br />

gehören Katalanisch, Galicisch, Baskisch, Walisisch und<br />

Schottisch-Gälisch - und seit wenigen Jahren endlich auch das<br />

6


<strong>Esperanto</strong>. Wenigstens hat diese Sprache also das erreicht, was<br />

dem <strong>Ido</strong> und dem <strong>Interlingua</strong> noch bis heute verwehrt geblieben<br />

ist, obwohl ins letztere auch schon Dokumente übersetzt worden<br />

sind.<br />

Der Zweck dieses Buch besteht nicht darin, eine Plansprache<br />

gegen eine andere auszuspielen, wie das anderswo geschieht.<br />

Schliesslich ist keine einzige perfekt und zudem haben die<br />

Anhänger all dieser Sprachen, die locker ausgedrückt auch<br />

«Plansprachler» genannt werden, in der Welt schon immer als<br />

Spinner gegolten. Vor dem Ersten Weltkrieg lautete das Motto:<br />

Wozu eine künstliche Sprache lernen, wenn es das schön<br />

klingende und weltweit geachtete Französische gibt? Und heute<br />

gilt das Motto: Wozu <strong>Esperanto</strong> oder <strong>Interlingua</strong>, wenn es das<br />

Englische gibt, mit dem man durch die ganze Welt kommt, weil<br />

es überall irgendeinen gibt, der mindestens ein paar Brocken<br />

versteht und sogar spricht? Das stimmt zwar, doch diese<br />

Vormachtstellung, die von vielen Esperantisten immer wieder als<br />

Sprachimperialismus bezeichnet wird, befriedigt auch nicht<br />

immer und nicht überall. Deshalb lautet mein persönliches Motto:<br />

Nicht gegeneinander, sondern miteinander. Das gilt besonders<br />

für die Plansprachen, von denen ich die drei bekanntesten -<br />

neben dem Volapük - hier etwas näher vorstelle und<br />

systematisch miteinander vergleiche.<br />

Dieses «Miteinander statt gegeneinander» drückt sich bei mir<br />

auch dadurch aus, dass ich immer noch davon träume, dass<br />

verschiedene Texte und Dokumente eines fernen Tages<br />

zusammen in diesen Plansprachen erscheinen. Dabei zähle ich<br />

das «Latino sine flexione», das ursprünglich vor dem heutigen<br />

<strong>Interlingua</strong> so genannt wurde, das schon im Jahr 1902<br />

veröffentlicht erschien und für solche Werke ebenfalls geeignet<br />

ist und auch schon verwendet wurde, ebenfalls zu diesem Kreis.<br />

Es sind also sechs Sprachen, die ich in der Reihenfolge ihres<br />

Erscheinens aufzähle: Volapük, <strong>Esperanto</strong>, Latino sine flexione,<br />

<strong>Ido</strong>, <strong>Interlingua</strong> und <strong>Realisanto</strong>.<br />

7


Was die zahlreichen anderen Plansprachen betrifft, die bis heute<br />

erschaffen worden sind - nach verschiedenen Angaben sollen es<br />

mehrere Hundert, ja, sogar mehr als Tausend sein -, kann ich<br />

nicht näher auf sie eingehen, weil sie mir schlicht unbekannt sind.<br />

Wenigstens kenne ich das Occidental ein wenig, das 1922 von<br />

einem gewissen Edgar von Wahl zum ersten Mal veröffentlicht<br />

wurde - im gleichen Jahr, in dem die Idisten in Dessau, das im<br />

heutigen Bundesland Sachsen-Anhalt liegt, ihren ersten und<br />

zugleich grössten Weltkongress durchführten und sich dabei auf<br />

einer Aufnahme zeigten, die bis heute die einzige offizielle<br />

geblieben ist.<br />

Das Gleiche betrifft das Novial, das 1928, also nur wenige Jahre<br />

später, erschien und vom dänischen Sprachwissenschafter Otto<br />

Jespersen geschrieben wurde, der von allen bekannten<br />

Erschaffern von Plansprachen der einzige offizielle<br />

Sprachwissenschaftler war. Zudem war er der Einzige, der von<br />

sich sagen konnte, er sei sowohl ein Esperantist und Idist als<br />

auch der Schöpfer einer eigenen Sprache gewesen. Tatsächlich<br />

zählt Jepsersen neben Louis Couturat, der noch heute als der<br />

eigentliche Kopf der Idisten in ihren ersten Jahren gilt, sowie dem<br />

deutschen Chemiker Wilhelm Ostwald, der im Jahr 1909 den<br />

Nobelpreis erhielt, und dem stets umstrittenen Louis de<br />

Beaufront, der sich lange als Haupterschaffer aufspielte und<br />

dabei noch einen erfundenen Barontitel vorschob, wie es heute<br />

bekannt ist, zum Quartett, von dem es heisst, dass die<br />

Erschaffung des <strong>Ido</strong>s hauptsächlich ihnen zu verdanken sei.<br />

Wer sich mit den Plansprachen und vor allem mit denen, die<br />

ziemlich bekannt sind, näher befasst, erkennt bald ein<br />

erstaunliches Phänomen: Fast alle Schöpfer waren<br />

Mathematiker oder in anderen naturwissenschaftlichen Berufen<br />

tätig. Zu den wenigen Ausnahmen zählten neben dem oben<br />

erwähnten Otto Jespersen der badische Priester Johann Martin<br />

Schleyer, der Erfinder des Volapüks, und der polnische<br />

Augenarzt Ludwik Lejzer Zamenhof, der Erfinder des<br />

8


<strong>Esperanto</strong>s. Schon diese bekannten Namen widerlegen die<br />

Behauptung, es brauche für das Erschaffen von Plansprachen<br />

eine besonders mathematische Begabung, die den Männern<br />

eigen sei, und diese Behauptung wird auch damit belegt, dass<br />

noch bis heute nur eines von zehn Sprachlehrbüchern und<br />

zudem kein einziges sprachwissenschaftliches Werk von einer<br />

Frau verfasst worden sei. Das trifft zwar zu, aber schon Schleyer,<br />

Zamenhof und Jespersen haben bewiesen, dass es auch<br />

Ausnahmen gibt, und was mich selbst betrifft, gehöre ich sogar<br />

noch weiter unten eingereiht, ja, gerade mit den<br />

naturwissenschaftlichen Fächern konnte ich mich nie richtig<br />

befreunden, und sogar bei den Sprachen war ich im Vergleich zu<br />

vielen anderen kein Leuchtturm.<br />

Eines muss aber auch festgehalten werden: Auch im heutigen<br />

Gender-Zeitalter ticken die Frauen insgesamt immer noch ganz<br />

anders als die Männer. Sie schreiben zwar fast keine<br />

Sprachlehrbücher und erst recht keine sprachwissenschaftlichen<br />

Werke, aber sie haben eindeutig eine schnellere<br />

Auffassungsgabe und können sie besser einsetzen. Das ist<br />

sicher der Hauptgrund dafür, dass es schon seit Jahrzehnten viel<br />

mehr Frauen als Männer gibt, die bei internationalen<br />

Konferenzen simultan übersetzen. Einen weiteren Aspekt sehe<br />

ich auch in Zürich selber, wo ich schon seit Jahrzehnten wohne<br />

und das schon ebenso lange ein Schmelztiegel für Leute aus fast<br />

allen Ländern ist. Es ist mir schon vor vielen Jahren aufgefallen,<br />

dass es zahlreichen ausländischen Burschen nicht gelingt, so<br />

wie die Einheimischen ein akzentfreies Zürichdeutsch zu<br />

sprechen. Sie können sich zwar im einheimischen Dialekt<br />

ausdrücken, aber es ist bei vielen deutich herauszuhören, dass<br />

ihre Eltern von anderswo sind. Der krasseste von ihnen war<br />

keiner aus dem Balkan und keiner aus der Türkei - gerade diese<br />

haben den Ruf, dass sie auch mit ihrer Sprache zeigen, dass sie<br />

ursprünglich nicht von hier sind -, sondern ein Italiener. Er sprach<br />

zwar im Gegensatz zu vielen anderen akzentfreien Dialekt, aber<br />

eben so schnell und in dem Ton, wie eben die Italiener sprechen,<br />

9


und deshalb war es schwierig, ihn richtig zu verstehen. Ganz<br />

anders steht es mit den Mädchen: Ich habe noch bis heute kein<br />

einziges getroffen, dem deutlich anzuhören war, dass es von<br />

einer ausländischen Familie stammte. Auch diese Unterschiede<br />

sind für mich ein Beweis dafür, dass es zwischen den beiden<br />

Geschlechtern halt immer noch grosse Unterschiede gibt.<br />

Die Buchstaben<br />

Die Vokale (Selbstlaute)<br />

Hier gibt es für die eine Hälfte eine gute Nachricht: Alle fünf<br />

Hauptvokale (a, e, i, o, u) sind in diesen vier Sprachen mit dem<br />

Deutschen identisch. Zudem gibt es auch die im Deutschen<br />

häufig vorkommenden Nebenvokale (ä, ö, ü) nicht, gerade hier<br />

zeigt sich die romanische Prägung besonders stark. Ausser im<br />

Engadinischen und in vielen italienischen Dialekten, wo<br />

allerdings das «ä» ebenfalls fehlt, werden sie nirgendwo so<br />

geschrieben und ausgesprochen. Im Spanischen und<br />

Katalanischen kommt es manchmal vor, dass aus lautlichen<br />

Gründen ein «ü» geschrieben wird: aushalten = agüentar<br />

(«aguentar»).<br />

Ohne dieses «ü» würde es «agentar» heissen.<br />

Allerdings macht das <strong>Realisanto</strong> hier insofern eine Ausnahme,<br />

als der Vokal «ü» bei den Wörtern, die in der ganzen Welt<br />

bekannt sind, sehr wohl geschrieben wird:<br />

Fondue = fondü Menue = menü Volapük = volapük<br />

Auch darin unterscheidet es sich deutlich von seiner<br />

«Muttersprache» <strong>Esperanto</strong>, wo diese drei Wörter etwas<br />

umständlich so lauten:<br />

10


fonduo, menuo, volapuko<br />

Im Friaulischen wird über allen fünf Hauptvokalen ein «Dächlein»<br />

verwendet, um damit zu betonen, dass sie lang ausgesprochen<br />

werden müssen:<br />

â, ê, î, ô, û<br />

Manchmal sind sie zur Unterscheidung notwendig:<br />

lat = Milch no = nein pes = Fisch<br />

lât = gegangen nô = wir pês = Gewicht<br />

Auch im Rumänischen kommt dieses Dächlein vor:<br />

cânta = singen (dabei liegt die Betonung auf «a», also<br />

auf dem zweiten ohne Dächlein)<br />

Allerdings funktioniert dieses «â» anders als im Friaulischen: Es<br />

zeigt nur die Aussprache an, in diesem Fall ein «e», das wie das<br />

zweite «e» bei «Leben» ausgesprochen wird, während das<br />

zweite «a» in diesem Beispielwort scharf und lang<br />

ausgesprochen werden muss.<br />

Zudem gibt es im Rumänischen den Vokal «î», der wie ein «a»<br />

zwischen «â» und dem scharfen «a» ausgesprochen wird:<br />

în România = in Rumänien<br />

Von den anderen romanischen Sprachen, die ich gut kenne, hat<br />

nur noch die Kleinsprache Surmeirisch, die im Zentrum des<br />

Kantons Graubünden noch von knapp 2'000 Personen<br />

gesprochen wird - wobei jedes einzelne Dorf genauso wie im<br />

ganzen Kanton einen eigenen Unterdialekt hat -, diesen Laut in<br />

der gleichen Funktion:<br />

an Svizra = in der Schweiz<br />

Im Vergleich dazu im Engadinischen und Surselvischen, der<br />

meistgesprochenen rätoromanischen Variante:<br />

in Svizra, en Svizra<br />

11


Es gibt allerdings ein paar kleine Unterschiede:<br />

Das «j» wird im <strong>Ido</strong> und im <strong>Interlingua</strong> wie «zh» ausgesprochen,<br />

also als sogenannter stimmhafter Laut, während das «y» wie «j»<br />

ausgesprochen wird:<br />

Jahr = jaro (<strong>Esperanto</strong> + <strong>Realisanto</strong>),<br />

yaro (<strong>Ido</strong>), anno (<strong>Interlingua</strong>)<br />

Das Wort «anno» kann auch im <strong>Realisanto</strong> verwendet werden.<br />

Gerade dies ist das eigentliche Markenzeichen, dass es für viele<br />

Wörter nicht nur ein einzelnes Wort wie in den drei anderen<br />

Sprachen gibt, sondern mehr als eines, wie wir unten noch<br />

genauer sehen werden. Das macht den Wortschatz zwar viel<br />

grösser, aber es ermöglicht viel mehr Nuancen, und zudem sind<br />

auch die anderen Varianten weitestgehend bereits bekannt.<br />

Gerade deshalb, weil das «j» in vielen Sprachen und auch im <strong>Ido</strong><br />

und im <strong>Interlingua</strong> wie «zh» ausgesprochen wird, zählt es mehr<br />

zu den Konsonanten als zu den Vokalen.<br />

Das «y» kommt im <strong>Esperanto</strong> und <strong>Realisanto</strong> nicht vor.<br />

Die Diphthonge (Doppellaute)<br />

Bei den Doppellauten, die auch Doppelvokale genannt werden,<br />

unterscheidet sich die Aussprache dort, wo sie vorkommen, nicht<br />

voneinander. Allerdings unterscheidet sich die Schreibweise im<br />

<strong>Esperanto</strong> dadurch, dass der Doppellaut «au» über dem «u»<br />

eine «Welle» hat, die von den bekannten Sprachen nur noch im<br />

Rumänischen, Türkischen und Mandarin-Chinesischen in der<br />

lateinischen Umschrift vorkommt.<br />

Ein paar Beispiele:<br />

au oder hauto = Haut<br />

ankau auch ankorau = noch<br />

12


In diesem Buch kommt diese «Welle» nicht vor; die Wörter<br />

werden gleich wie im <strong>Realisanto</strong> geschrieben, wo die obigen<br />

Beispiele so lauten:<br />

oder: au<br />

Haut: skino, hauto<br />

auch: anke, també noch: ankora, todavia<br />

Eines der Kennzeichen des <strong>Esperanto</strong>s und des <strong>Realisanto</strong>s<br />

sind die Mehrzahlendungen «-oj» und «-aj». Während das<br />

erstere im <strong>Esperanto</strong> nur bei den Substantiven und das letztere<br />

nur bei den Adjektiven verwendet wird, kommen sie im<br />

<strong>Realisanto</strong> in beiden Bereichen vor, weil hier im Gegensatz zu<br />

den drei anderen Sprachen nicht nur sinngemäss, sondern auch<br />

formal wieder zwischen einem männlichen und einem weiblichen<br />

Geschlecht unterschieden wird, wie wir weiter unten noch<br />

genauer sehen werden. Warum diese Wiedereinführung<br />

notwendig geworden ist, wird dann ebenfalls deutlich erklärt.<br />

Die Konsonanten (Mitlaute)<br />

Ganz anders sieht es bei den Konsonanten bzw. Mitlauten aus:<br />

Hier sind die Kluften zwischen den vier Sprachen besonders tief,<br />

vor allem wegen den fünf Konsonanten, über denen im<br />

<strong>Esperanto</strong> ein umgekehrtes «Dächlein» stehen muss:<br />

c, g, h, j, s<br />

Hier hat sich Zamenhof, der Schöpfer dieser Sprache,<br />

offensichtlich von den slawischen Sprachen beeinflussen lassen,<br />

aber in dem Sinn, dass diese umgekehrten Dächlein, die in den<br />

west- und südslawischen Sprachen aufrecht, also «normal»<br />

stehen, sich durch die Umkehrung von diesen abheben. Das war<br />

schon immer das Hauptproblem für diese Sprache, weil es die<br />

umgekehrten Dächlein, die in der Fachsprache diakritische<br />

Zeichen genannt werden, noch heute auf fast keiner<br />

13


Schreibmaschine gibt und es einen langen Umweg braucht,<br />

damit sie auf einem Computer geschrieben werden können.<br />

Gerade weil auch die Esperantisten wissen, wie hinderlich dieses<br />

Dächlein sogar für sie selber ist, hat es sich vor allem seit dem<br />

Aufkommen der Handys schon vor vielen Jahren eingebürgert,<br />

dass das «x» das Dächlein ersetzt. Das sieht so aus:<br />

Cx, cx - Gx, gx - Hx, hx - Jx, jx - Sx, sx<br />

Ausgesprochen werden sie so: cx = tsch<br />

gx = schwaches «dsch»<br />

hx = schwaches «ch»<br />

jx = schwaches «sch»<br />

sx = starkes «sch»<br />

In diesem Buch verwende ich diese weltweit übliche<br />

Umschreibung ebenfalls.<br />

Im <strong>Realisanto</strong> werden diese Kombinationen so geschrieben:<br />

cx = ch, gx = dzh, hx = kh, jx = zh, sx = sh<br />

Der Zischlaut «tsch» wird im <strong>Realisanto</strong> wie im <strong>Ido</strong> «ch» und<br />

«sch» wie «sh» geschrieben. Das erstere ist von diesen vier die<br />

einzige Sprache, wo der schwache bzw. stimmhafte Zischlaut<br />

«zh» auch so geschrieben wird.<br />

Während das «c» im <strong>Esperanto</strong>, <strong>Ido</strong> und <strong>Realisanto</strong> immer wie<br />

«ts» ausgesprochen wird, unterscheidet man im <strong>Interlingua</strong><br />

genauso wie in den romanischen Sprachen, ob nachher<br />

einerseits ein «e» oder «i» oder andererseits ein «a», ein «o»<br />

oder ein «u» folgen:<br />

celebrar (ts) = feiern<br />

cantar (k) = singen<br />

14


Das Gleiche gilt auch für «g»:<br />

gente (zh) = Leute gamba (g) = Bein<br />

Die drei Konsonanten, die im Deutschen und vor allem im<br />

nördlichen Raum immer behaucht ausgesprochen werden (k, p,<br />

t) bleiben in allen vier Sprachen unbehaucht, also gleich wie in<br />

den romanischen Sprachen.<br />

Das «q» kommt im <strong>Esperanto</strong> und <strong>Realisanto</strong> nicht vor, während<br />

es im <strong>Ido</strong> und im <strong>Interlingua</strong> gleich wie zum Beispiel im<br />

Italienischen funktioniert:<br />

qua = hier<br />

questo = dieser<br />

Für das «q» wird im <strong>Esperanto</strong> «kv» verwendet, während im<br />

<strong>Realisanto</strong> «ku» zum Zug kommt:<br />

vier = kvar (E), kuar (R) - fünf = kvin (E), kuin (R)<br />

Das «s» wird im <strong>Realisanto</strong> schwächer ausgesprochen als in den<br />

drei anderen Sprachen. Wenn es stärker ist, wird es immer auch<br />

so geschrieben:<br />

Russland = Rusio (E), Rússia (R)<br />

Das «w» kommt im <strong>Esperanto</strong> und <strong>Realisanto</strong> ebenfalls nicht vor,<br />

während es im <strong>Ido</strong> und im <strong>Interlingua</strong> wie im Englischen bei<br />

«water» ausgesprochen wird.<br />

Bei «z» haben das <strong>Esperanto</strong>, das <strong>Ido</strong> und das <strong>Interlingua</strong> die<br />

gleiche stimmhafte Aussprache, während dieses im <strong>Realisanto</strong><br />

nicht vorkommt, weil dort nicht zwischen stimmhaft und stimmlos<br />

unterschieden wird. Dieser Konsonant wird nur in Kombination<br />

mit einem «h» verwendet, was zur Aussprache «zh» führt:<br />

15


zhurnalo = Zeitung<br />

Die buchstabenreichste Sprache ist das <strong>Interlingua</strong>, wo mit<br />

Ausnahme von «ä», «ö» und «ü» alles zu finden ist, was auch im<br />

Deutschen vorkommt, während im <strong>Realisanto</strong> gleich vier fehlen,<br />

weil sie von anderen Buchstaben «verschluckt» werden:<br />

q = ku, w = v, x = ks, y = i, z - zh<br />

Die Alphabete der drei anderen Sprachen sehen somit so aus:<br />

<strong>Esperanto</strong>: a, b, c, cx, d, e, f, g, gx, h, hx, i, j, jx, k, l, m, n, o,<br />

p, q, r, s, sx, t, u, v, z<br />

<strong>Ido</strong>: a, b, c, ch, d, e, f, g, h, i, j, k, l, m, n, o, p, q, r,<br />

s, sh, t, u, v, w, x, y, z<br />

<strong>Realisanto</strong>: a, b, c, ch, d, e, f, g, h, i, j, k, l, m, n, o, p, r, s,<br />

sh, t, u, v, zh<br />

Das <strong>Realisanto</strong> weist also nur 21 Einzelbuchstaben und nur drei<br />

Zischlaute (ch, sh, zh) auf.<br />

Dass diese Sprache viel variantenreicher ist als die drei anderen<br />

und für nicht wenige Wörter verschiedenartige Varianten zulässt,<br />

zeigt sich am deutlichsten beim Konsonanten «c», der wie im<br />

<strong>Esperanto</strong> und im <strong>Ido</strong> als «ts» ausgesprochen wird. Solche<br />

Wörter, die mit «ts» international viel bekannter sind, werden<br />

auch so geschrieben:<br />

atsubi Azubi tsaro Zar<br />

atsubina Azubine tsarina Zarin<br />

atsurro himmelblau tsarevich Zarewitsch<br />

Allerdings können die drei rechts ausgeführten Wörter auch mit<br />

einem «c» geschrieben werden, weil sie so in Osteuropa viel<br />

bekannter sind:<br />

caro, carina, carevich<br />

16


Die Betonung<br />

Wie verschieden diese vier Sprachen sind, zeigt sich gerade<br />

auch hier. Während im <strong>Esperanto</strong> jedes einzelne Wort, das<br />

mindestens zwei Silben enthält, immer auf der zweitletzten Silbe<br />

betont wird, trifft das zwar auch auf das <strong>Ido</strong> zu, aber nicht bei<br />

allen Substantiven und vor allem nicht im Bereich der Verben.<br />

Dort werden nicht nur die Infinitive bzw. Grundformen, sondern<br />

auch die Befehlsformen immer auf der letzten Silbe betont.<br />

Ein paar Beispiele zeigen diese Unterschiede deutlich:<br />

D: Familie Sohn Geschichte Statue<br />

E: familío filío historío statúo<br />

ID: famílio fílio histório státuo<br />

D: lieben singen sehen schreiben<br />

E: ámi kánti vídi skríbi<br />

ID: amár kantár vidár skribár<br />

Den Akut habe ich hier nur deshalb geschrieben, damit die<br />

Unterschiede deutlich sichtbar werden; in Wirklichkeit wird er in<br />

beiden Sprachen zumindest auf diese Weise nicht verwendet.<br />

Hier bilden das Interlinga und das <strong>Realisanto</strong> eine eigene<br />

Gruppe: Jedes einzelne Wort wird so betont, wie es im<br />

internationalen Verkehr auch bei den anderen bekannten<br />

Sprachen üblich ist, allerdings mit dem Unterschied, dass das<br />

<strong>Interlingua</strong> keine Betonungszeichen verwendet, während im<br />

<strong>Realisanto</strong> über jedem einzelnen Wort, das nicht auf der<br />

zweitletzten Silbe betont wird, ein Akut steht. Das ist vor allem<br />

deshalb wichtig, weil diese Sprache eigentlich zweiteilig ist und<br />

in einer germanischen und romanischen Variante auftritt, so dass<br />

bei der ersteren vor allem bei den zusammengesetzten Wörtern<br />

ein Akut unumgänglich ist.<br />

17


Als kleines Beispiel führe ich die beiden möglichen<br />

Übersetzungen für «Ameisenhügel», «Chormitglied» und<br />

«Fussballfeld» auf:<br />

formíkakollina - kollina de formika<br />

khórmembro - membro de khoro<br />

fútbalkampo - kampo de fútbalo<br />

Die linke Variante, bei der wie bei den meisten anderen<br />

zusammengesetzten Wörtern der letzte Vokal weggelassen<br />

werden kann, ist die germanische und die rechte die romanische.<br />

In meinem Buch «<strong>Realisanto</strong> - das <strong>Esperanto</strong> des 21.<br />

Jahrhunderts» verwende ich diese Abkürzungen:<br />

(RG) - germanische Variante<br />

(RL) - romanische bzw. lateinische Variante<br />

Der Wortschatz und die Nuancierungen in der Grammatik sind<br />

im <strong>Realisanto</strong> gerade dadurch, dass es doppelt auftritt, zwar viel<br />

umfangreicher als in den drei anderen Sprachen, aber sie sind<br />

viel leichter anzueignen, als es auf den ersten Blick scheinen<br />

mag, weil auch diese Sprache ähnlich wie das <strong>Interlingua</strong> in die<br />

bekanntesten Weltsprachen eingebettet worden ist. Gerade das<br />

überwiegend romanische Baugerüst in den drei anderen<br />

Sprachen hat mit dazu beigetragen, dass diese ausserhalb des<br />

romanischen Sprachraums viel weniger Anhänger gewonnen<br />

haben als innerhalb.<br />

Ein paar Beispiele zeigen die Unterschiede in der Betonung<br />

deutlich. So sehen die acht Wörter «Geschichte», «Grammatik»,<br />

«Politik», «Republik», «Liebe», «lieben», «kommen» und<br />

«sehen» so aus:<br />

E: IDO: INT: R:<br />

historio historio historia história<br />

18


gramatiko gramatiko gramatica gramátika<br />

politiko politiko politica polítika<br />

respubliko republiko republica repúblika<br />

amo amoro amor amoro<br />

ami amar amar ami<br />

veni venar venir veni<br />

vidi vidar vider vidi<br />

Es ist offensichtlich, dass Zamenhof vom Weissrussischen, das<br />

in seiner Heimatstadt Bialystok die meistgesprochene Sprache<br />

war, und dazu vom Russischen und nahen Litauischen<br />

beeinflusst wurde, als er sich das Wort «respubliko» ausdachte.<br />

Im Polnischen selber, wo es «repúblika» heisst, das im<br />

Gegensatz zu den meisten anderen polnischen Wörtern nicht auf<br />

der zweitletzten, sondern auf der drittletzten Silbe betont wird,<br />

gibt es noch das Spezialwort «rzeczpospólita», das ebenfalls auf<br />

der drittletzten Silbe betont und nur verwendet wird, wenn von<br />

Polen selber die Rede ist. Auffallend ist, dass beide Wortteile<br />

(szecz und pospolita) in nicht weniger als sechs Kasus bzw.<br />

Fällen voll durchdekliniert werden. Auch hier schreibe ich den<br />

Akut nur zur Unterscheidung der Aussprache, zumindest auf<br />

diese Weise wird er im Polnischen nicht verwendet.<br />

Im <strong>Ido</strong> werden die Infinitive wie oben erwähnt auf der letzten<br />

Silbe betont - zudem auch im <strong>Interlingua</strong> -, während die<br />

Betonung im <strong>Esperanto</strong> und <strong>Realisanto</strong> immer auf die zweitletzte<br />

Silbe fällt. Während in den romanischen Sprachen und auch im<br />

<strong>Interlingua</strong> die Endungen «-er» und «-ir» vorkommen, die als<br />

solche der zweiten, dritten und vierten Konjugation gelten - wobei<br />

nur das Rumänische und Friaulische sowie die rätoromanischen<br />

Dialekte formal vier Infinitive haben -, enden die Infinitive im <strong>Ido</strong><br />

immer auf «-a». Allerdings gibt es sehr wohl auch die Endungen<br />

«-ir» und sogar «-or», welche die Vergangenheit und Zukunft<br />

anzeigen, aber sie kamen auch in der Blütezeit dieser Sprache -<br />

von 1907 bis 1933 - fast nur dann vor, wenn in einer dieser<br />

19


eiden oben erwähnten Zeiten konjugiert wurde. So lauten zum<br />

Beispiel die Infinitive von «vidar» (sehen) in der Vergangenheit<br />

«vidir» und in der Zukunft «vidor», und die drei unveränderlichen<br />

Konjugationen, die für alle Personen gleich sind - genau gleich<br />

wie im <strong>Esperanto</strong>, <strong>Interlingua</strong> und <strong>Realisanto</strong> - ersetzen das «r»<br />

einfach durch ein «s», wobei die Betonung dann genauso wie in<br />

den drei anderen Sprachen auf die zweitletzte Silbe fällt:<br />

vidas, vidis, vidos<br />

Die Substantive (Hauptwörter)<br />

Auch hier scheiden sich die Geister deutlich, aber wenigstens<br />

sind das <strong>Esperanto</strong> und das <strong>Ido</strong>, deren Anhänger schon seit<br />

mehr als hundert Jahren darüber streiten, welche Sprache die<br />

bessere ist, in diesem einen Bereich noch bis heute<br />

Zwillingsschwestern geblieben: Jedes einzelne Substantiv endet<br />

immer auf einem «-o» unabhängig davon, ob ein Wort als<br />

männlich, weiblich oder sächlich empfunden wird.<br />

Im Gegensatz dazu ist das <strong>Interlingua</strong> viel freier, weil dort<br />

genauso wie in den romanischen Sprachen sowohl das<br />

männliche «-o» als auch das weibliche «-a» verwendet wird, und<br />

zudem kommen Wörter wie «amor» (Liebe) und «uxor»<br />

(Ehefrau) vor, die direkt vom Latein abstammen. Allerdings wird<br />

auch in dieser Sprache formal nicht zwischen männlich, weiblich<br />

und sächlich unterschieden, weil alle Wörter die gleichen Artikel<br />

verwenden.<br />

Im <strong>Realisanto</strong> kommen das männliche und weibliche Geschlecht<br />

mit allen vier Artikeln wieder voll vor, weil nur auf diese Weise<br />

eine klare und saubere Ausdrucksweise ermöglicht wird. Da<br />

zudem in der heutigen Zeit das Spanische, das dem <strong>Realisanto</strong><br />

sowohl im Wortschatz als auch in der Grammatik besonders<br />

nahesteht, vor allem in der westlichen Hemisphäre das<br />

20


Französische als die meistgelernte romanische Sprache<br />

abgelöst hat, sind diese Unterschiede nicht allzu schwer<br />

einzuprägen.<br />

Als Standardwörter dienen hier familiäre, die besonders viel<br />

vorkommen:<br />

D: E: IDO: INT: R:<br />

Mann viro virulo * homine viro<br />

Frau virino virino femina fémina<br />

Ehemann edzo spozulo * marito marito<br />

Ehefrau edzino spozino marita, sposa<br />

uxor<br />

Vater patro patrulo * patre patro<br />

Mutter patrino patrino, matre matro<br />

matro<br />

Sohn filo filiulo * filio fílio<br />

Tochter filino filiiino ** filia fília<br />

Bruder frato fratulo * fratre frato,<br />

brato<br />

Schwester fratino fratino soror sestra,<br />

sora<br />

Knabe knabo puerulo * puero puero<br />

Mädchen knabino puerino puera puera,<br />

puella<br />

Kultur kulturo kulturo cultura kultura<br />

Natur naturo naturo natura natura<br />

* Im <strong>Ido</strong> gibt es nicht die gleichen Stammwörter wie im <strong>Esperanto</strong><br />

(viro, patro, filo, frato), aber wenn das «o» am Ende weggelassen<br />

wird, werden sowohl die männlichen als auch die weiblichen<br />

Wörter neu gebildet:<br />

virulo - virino<br />

filiulo - filiino<br />

patrulo - patrino<br />

fratulo - fratino<br />

21


Dagegen sind die beiden anderen Paare (spozulo -spozino,<br />

puerulo - puerino) eigene <strong>Ido</strong>-Schöpfungen.<br />

** Die beiden «ii» werden im <strong>Ido</strong> bei «filiino» nicht wie ein langes<br />

«i», sondern wie zwei verschiedene «i» ausgesprochen, aber<br />

ohne Knacklaut dazwischen wie etwa bei «beenden».<br />

Warum Zamenhof sich für die Eheleute und erst recht für einen<br />

Knaben und ein Mädchen (edzo - edzino, knabo - knabino)<br />

solche Wörter ausgedacht hat, ist mir immer ein Rätsel<br />

geblieben.<br />

Es erstaunt mich, dass von den Frauen unter den Esperantisten<br />

und Idisten noch bis heute kein Aufstand organisiert worden ist,<br />

weil die weiblichen Ableitungen «-ino», die von den männlichen<br />

Susbtantiven so abgeleitet werden, in der heutigen Zeit<br />

eigentlich als sexistisch gelten müssten, und zudem wirken sie<br />

völlig unnatürlich.<br />

Dass bei solchen Wortbildungen manchmal die Grenzen des<br />

gesunden Menschenverstands gestreift und sogar überschritten<br />

werden, zeigt sich auch bei Wörtern, die zwar nicht die<br />

feminisierte bzw. verweiblichte Endung «-ino» haben, aber<br />

trotzdem auf unnatürliche Weise daherkommen, zum Beispiel<br />

bei den zwei Wörtern für «Kuh» und «Ziege», die eindeutig<br />

weibliche Wesen sind, aber nur im <strong>Interlingua</strong> und im <strong>Realisanto</strong><br />

natürlich wirken:<br />

Kuh<br />

Ziege<br />

vako (E. und <strong>Ido</strong>), vacca (Int.), vaka (R)<br />

kapro (E. und <strong>Ido</strong>), capra (Int.), kapra (R)<br />

In diesem Bereich bilden das <strong>Interlingua</strong> und das <strong>Realisanto</strong>, die<br />

keine solchen Verballhornungen kennen, eine eigene Gruppe,<br />

die direkt modern wirkt. Wie auf der obigen Liste gesehen<br />

werden kann, kommt aber auch das <strong>Interlingua</strong> genauso wie die<br />

22


drei anderen Sprachen nicht ohne Wörter aus dem Latein aus,<br />

obwohl seine Anhänger immer wieder betonen, dass diese<br />

Sprache überwiegend aus dem Wortschatz der sechs<br />

«klassischen» Sprachen Deutsch, Englisch, Französisch,<br />

Italienisch, Spanisch und Russisch zusammengesetzt sei - als<br />

wäre Portugiesisch ohne Bedeutung. Erstens wimmelt es im<br />

<strong>Interlingua</strong> von lateinischen Wörtern und zweitens habe<br />

zumindest ich kein einziges russisches Wort gefunden.<br />

Im Latein oder genauer im klassischen Schriftlatein sehen diese<br />

Wörter so aus:<br />

vir, femina, uxor, pater, mater, filius, filia, frater, soror, puer,<br />

puella<br />

Dazu kamen im Vulgärlatein noch «maritus» und «marita», die<br />

das <strong>Interlingua</strong> übernommen hat, und «puera» vor.<br />

Dass das <strong>Interlingua</strong> einen eindeutig lateinischen Charakter hat,<br />

zeigt sich auch an den Wörtern, die im Latein einen Ablativ<br />

ausdrücken, aber hier den Nomnativ bilden. Es sind solche, die<br />

im Latein auf «-as» enden, und das <strong>Realisanto</strong> hat diese Wörter<br />

ebenfalls übernommen:<br />

Deutsch Aktivität Wahrheit<br />

Latein activitas veritas<br />

<strong>Interlingua</strong> activitate veritate<br />

<strong>Realisanto</strong> aktivitate veritate<br />

Nur im Latein und im <strong>Realisanto</strong> gelten diese Wörter als weiblich,<br />

weil das <strong>Interlingua</strong> genauso wie <strong>Esperanto</strong> und <strong>Ido</strong> formal ja<br />

keinen Unterschied zwischen den Geschlechtern kennt.<br />

In den beiden anderen Sprachen sind diese Wörter fast<br />

identisch:<br />

23


aktiveco, vereco (E) - aktiveso, vereso (<strong>Ido</strong>)<br />

---------------------------------------------------------------------------------<br />

Noch in einem anderen Bereich bilden das <strong>Interlingua</strong> und das<br />

<strong>Realisanto</strong> eine eigene Gruppe: Es betrifft die betonte Endung<br />

«-ion», die in zahlreichen internationalen Wörtern vorkommt,<br />

zum Beispiel bei «Nation». Von West nach Ost sehen sie so aus:<br />

Portugiesisch nação<br />

Spanisch nación<br />

Französisch nation<br />

Katalanisch nació<br />

Italienisch nazione<br />

Sardisch natsioni (Süden),<br />

nazzione (Norden)<br />

Surselvisch naziun<br />

Surmeirisch naziung (!)<br />

Engadinisch naziun (Ober- und Unterengadinisch)<br />

Friaulisch nazion<br />

Rumänisch natsiune<br />

Das entsprechende Wort lautet im <strong>Esperanto</strong> zwar «nacio», ist<br />

also fast gleich, wird aber auf dem «i» betont, während das <strong>Ido</strong><br />

mit dem Wort «naciono» auch hier abweicht. Im <strong>Interlingua</strong> heisst<br />

es «nation»; es wird wie im Französischen geschrieben, aber so<br />

wie im Friaulischen ausgesprochen, während es im <strong>Realisanto</strong><br />

«nácio» lautet, also mit dem Katalanischen fast identisch ist.<br />

Hier sind alle Sprachen fast identisch, aber bei zahlreichen<br />

anderen Wörtern trifft das nicht zu, weil das <strong>Esperanto</strong> und das<br />

<strong>Ido</strong> deutlich abweichen. Dagegen gehören die Endungen «-tion»<br />

und «-cio» zu den Markenzeichen der beiden anderen Sprachen.<br />

Zu diesem kleinen Abschnitt passt die Geschichte, die sich<br />

24


während des Ersten Weltkriegs zugetragen haben soll.<br />

Ausserhalb von Portugal ist es nie so richtig bekannt geworden,<br />

dass auch dieses Land in diesem Krieg auf der Seite der<br />

sogenannten Entente stand und sogar eigene Truppen nach<br />

Frankreich schickte. Als im Verlauf der Grabenkämpfe gerade<br />

eine kleine Pause war und es sich begab, dass eine<br />

portugiesische Einheit direkt neben einer französischen<br />

stationiert war, begab es sich, dass ein Portugiese mit einem<br />

Franzosen für hundert Francs darum wettete, dass er ihm<br />

innerhalb von weniger als einer Minute mehr als 1'000<br />

portugiesische Wörter beibringen könne. Als der Franzose offen<br />

daran zweifelte, entgegnete dieser: «Pass auf! Jedes einzelne<br />

Wort, das in deiner Sprache auf ‘-ion’ lautet, endet in meiner<br />

Sprache auf ‘-ção’. Es gibt mehr als 1'000 von diesen Wörtern -<br />

also gib mir bitte hundert Francs!»<br />

------------------------------------------------------------------------------<br />

Das <strong>Realisanto</strong> ist die einzige der vier Sprachen, die hier auch<br />

slawische Wörter übernommen hat, ja, das vorn stehende Wort<br />

«sestra» gilt sogar als «echter», obwohl «sora» auch im<br />

Rumänischen und Rätoromanischen vorkommt. Insgesamt sind<br />

es neben «brato» und «sestra» acht weitere slawische Wörter,<br />

die ich ins <strong>Realisanto</strong> aufgenommen habe, aber nur solche, die<br />

auch im Westen weitgehend bekannt sind:<br />

ármia (Armee, Heer), bábushka (Grossmutter), granica<br />

(Grenze), mámushka (Mamma, Muttchen, Mutti), matka (wie<br />

mámushka), pártia (Partei), pravda (Wahrheit), vojna (Krieg).<br />

Dazu kommt noch «kielbaso» (Wurst), das ich so wie viele<br />

andere männliche Wörter unverändert vom <strong>Esperanto</strong><br />

übernommen habe, weil dieses Wort in allen bekannten<br />

Weltsprachen ganz anders ist, so dass diese Kompromisslösung<br />

auch für mich die bestmögliche war.<br />

25


Im <strong>Esperanto</strong> und im <strong>Ido</strong> ist es möglich, durch das Einschieben<br />

der Infixe «-eg-« und «et-« ein Substantiv zu vergrössern oder<br />

zu verkleinern; beide haben den Sinn von «sehr»:<br />

<strong>Esperanto</strong> <strong>Ido</strong><br />

ein sehr grosser Mann virego virulego<br />

eine sehr grosse Frau viregino viregino<br />

ein sehr kleiner Mann vireto viruleto<br />

eine sehr kleine Frau viretino viretino<br />

Hier sind die beiden weiblichen Varianten also identisch.<br />

Wie unnatürlich und oft auch abwegig die Wörter vor allem im<br />

<strong>Esperanto</strong> daherkommen, zeigt sich bei den Kontinenten und<br />

Ländernamen:<br />

E: IDO: INT: R:<br />

Europo Europa Europa Europa<br />

Azio Azia Azia Asia<br />

Afriko Afrika Africa Afrika<br />

Ameriko Amerika America Amérika<br />

Australio Australia Australia Austrália<br />

Oceanio Oceania Oceania Oceánia<br />

Germanio Germania Germania Germánia<br />

Austrio Austria Austria Austria<br />

Svislando Suisia (!) Suiza Suissa<br />

Hier haben die Idisten beim Erschaffen ihrer Sprache also nicht<br />

den gleichen Weg wie die Esperantisten eingeschlagen und die<br />

üblichen internationalen Namen beibehalten. Dazu gehörte<br />

auch, dass sogar hier die Betonung auf der zweitletzten Silbe<br />

erlaubt war.<br />

26


Über den <strong>Esperanto</strong>-Namen für Europa, Australien und<br />

Österreich steht wieder die oben erwähnte «Welle». In den<br />

Urzeiten war es üblich, dass anstelle der etwas modernisierten<br />

Endung «-io», die aber schon damals bekannt war, mehr «-ujo»<br />

verwendet wurde:<br />

Europujo, Azujo, Afrikujo, Amerikujo, Australujo, Oceanujo,<br />

Germanujo, Austrujo, Svisujo<br />

Sogar die starrköpfigsten Mitglieder der «Akademio», die sich<br />

ansonsten gegen alle Reformen stemmen und sich immer noch<br />

an ihre «Bibel» vom Jahr 1905 halten, haben unterdessen<br />

eingesehen, dass diese alten Formen für die heutige Zeit<br />

ungeeignet sind, aber auch die neuen Varianten wirken im<br />

Vergleich zu den natürlichen im <strong>Interlingua</strong> und im <strong>Realisanto</strong><br />

immer noch gestelzt; zudem sind die alten weiter erlaubt, doch<br />

sie kommen heute fast nie mehr vor.<br />

Diese Lockerung ist neben der Erlaubnis, für den heutigen<br />

Internetverkehr anstelle des umgekehrten Dächleins über den<br />

fünf oben erwähnten fünf Konsonanten ein «x» zu verwenden,<br />

die einzige wirkliche Modernisierung im <strong>Esperanto</strong>.<br />

Der Plural (Die Mehrzahl)<br />

Die Mehrzahlformen lauten bei den oben vorgestellten<br />

Substantiven so:<br />

D: E: IDO: INT: R:<br />

Männer viroj viri homines viroj<br />

Frauen virinoj virini feminas féminaj<br />

Ehemänner edzoj spozuli maritos maritoj<br />

Ehefrauen edzinoj spozini maritas, sposaj<br />

uxores<br />

27


Väter patroj patruli patres patroj<br />

Mütter patrinoj patrini, matres matroj<br />

matri<br />

Söhne filoj filiuli filios fílioj<br />

Töchter filinoj filiini filias fíliaj<br />

Brüder fratoj fratuli fratres fratoj,<br />

bratoj<br />

Schwestern fratinoj fratini sorores sestraj,<br />

soraj<br />

Knaben knaboj pueruli pueros pueroj<br />

Mädchen knabinoj puerini pueras pueraj,<br />

puellaj<br />

Kühe vakoj vaki vaccas vakaj<br />

Ziegen kaproj kapri capras kapraj<br />

Aktivitäten aktivecoj aktivesi aktivitates aktivitataj<br />

Wahrheiten verecoj veresi veritates veritataj<br />

Kulturen kulturoj kulturi kulturas kulturaj<br />

Nationen nacioj nacioni nationes nacionoj<br />

Die Natur fällt hier natürlich weg.<br />

Hier sind die Grenzen viel klarer gesteckt: Während im<br />

<strong>Esperanto</strong> und im <strong>Realisanto</strong> alle Substantive auf «-oj» und<br />

zudem im letzteren alle weiblichen Substantive auf einem «-aj»<br />

enden, tun es die im <strong>Ido</strong> auf «-i» und die im <strong>Interlingua</strong> auf «-as»<br />

(bei denen, die in der Einzahl auf einem «-a» enden), oder «-es»<br />

(bei denen, die auf «-e» oder auf einem Konsonanten enden).<br />

Das <strong>Interlingua</strong> ist also die einzige Sprache, in der die Mehrzahl<br />

auf «s» endet; der Einfluss vor allem durch das Latein und das<br />

Spanische ist offensichtlich, aber auch die Endungen auf «-i« im<br />

<strong>Ido</strong> könnten italienisch beeinflusst sein, obwohl es von seiten der<br />

Esperantisten immer geheissen hat, diese Sprache sei ein<br />

verballhorntes Französisch.<br />

28


Neben dem Italienischen weist nur noch das Rumänische diese<br />

Mehrzahlendungen auf «-i» auf, aber auch die weiblichen<br />

Mehrzahlendungen auf «-e» haben sie gemeinsam. Dazu kommt<br />

noch, dass das Rumänische trotz des unverkennbaren starken<br />

Einflusses durch die benachbarten slawischen Sprachen mehr<br />

als die Hälfte seines Wortschatzes immer noch mit dem<br />

Italienischen gemeinsam hat. Das ist auch eine Erklärung dafür,<br />

dass ich seinerzeit, als ich diese Sprache auf einer Schallplatte<br />

zum ersten Mal hörte, auf Anhieb gleich zwei Drittel verstanden<br />

habe.<br />

Auch hier ist es im <strong>Esperanto</strong> und im <strong>Ido</strong> möglich, mit den Infixen<br />

eine Vergrösserung oder Verkleinerung auszudrücken:<br />

<strong>Esperanto</strong> <strong>Ido</strong><br />

sehr grosse Männer viregoj vireguli<br />

sehr grosse Frauen vireginoj viregini<br />

sehr kleine Männer viretoj viretuli<br />

sehr kleine Frauen viretinoj viretini<br />

Die oben vorgestellten Wörter, die im <strong>Interlingua</strong> und im<br />

<strong>Realisanto</strong> in der Einzahl auf «-tate» enden, unterscheiden sich<br />

in der Mehrzahl deutlich:<br />

Deutsch Aktivität(en) Wahrheit(en)<br />

Latein activitas - activitates veritas - veritates<br />

<strong>Interlingua</strong> activitate - activitates veritate - veritates<br />

<strong>Realisanto</strong> aktivitate - aktivitataj veritate - veritataj<br />

Auch hier ist deutlich zu erkennen, dass das <strong>Realisanto</strong> bei der<br />

Bildung der Mehrzahlformen dem <strong>Esperanto</strong> viel näher steht als<br />

dem <strong>Interlingua</strong>, mit dem es vor allem im Bereich der Verben<br />

einiges teilt, wie wir weiter unten noch sehen werden.<br />

29


Zuletzt noch dies: Obwohl die Interlinguisten immer wieder<br />

betonen, wie modern ihre Sprache sei - dabei ist auch diese jetzt<br />

schon mehr als 70-jährig -, ist auch in dieser Sprache eine<br />

Entwicklung zumindest von mehreren Wörtern festzustellen.<br />

Früher wurde «uxor» anstelle von «marita» viel häufiger<br />

verwendet, womit eine gewisse Parallele zur Entwicklung des<br />

Vulgärlateins nicht zu übersehen ist, während die beiden alten<br />

Wörter für ein Lied (lied, lieder) heute praktisch nicht mehr<br />

vorkommen und schon vor vielen Jahren durch «canto» und<br />

«cantos» ersetzt worden sind. Dagegen heisst die Mehrzahl für<br />

«test» immer noch «tests», während jene für das etwas veraltet<br />

wirkende «corrigendum» immer noch «corrigenda» lautet.<br />

Der bestimmte und unbestimmte Artikel<br />

Wie nahe sich das <strong>Esperanto</strong> und das <strong>Ido</strong> stehen, die ja beide<br />

noch vor dem Ersten Weltkrieg erschaffen worden sind, zeigt<br />

sich auch hier: Im Gegensatz zum <strong>Interlingua</strong> und zum<br />

<strong>Realisanto</strong> haben sie nur einen bestimmten, aber keinen<br />

unbestimmten Artikel, solange keine Betonung verwendet wird,<br />

während das <strong>Interlingua</strong> das eine und einzige Wort «un»<br />

verwendet. Noch weiter geht das <strong>Realisanto</strong>, in dem genau wie<br />

in den romanischen Sprachen sowohl beim bestimmten als auch<br />

beim unbestimmten Artikel zwischen männlich und weiblich<br />

unterschieden wird; nur in der Mehrzahl wird der gleiche<br />

bestimmte Artikel wie im <strong>Esperanto</strong> verwendet.<br />

Das Ganze sieht so aus:<br />

D: ein Mann der Mann eine Frau die Frau<br />

E: viro la viro virino la virino<br />

ID: virulo la virulo virino la virino<br />

IN: un homine le homine un femina le femina<br />

R: un viro lo viro una fémina la fémina<br />

30


D: Männer die Männer Frauen die Frauen<br />

E: viroj la viroj virinoj la virinoj<br />

ID: viruloj la viruloj virinoj la virinoj<br />

IN: homines le homines feminas le feminas<br />

R: viroj la viroj féminaj la féminaj<br />

Wenn eine Betonung erfolgt, können im <strong>Esperanto</strong> auch «unu»<br />

und im <strong>Ido</strong> das gleiche Wort wie im <strong>Interlingua</strong> verwendet werden<br />

- also «un» -, wobei es im Gegensatz zum <strong>Realisanto</strong> in allen<br />

drei Sprachen keine eigene weibliche Variante gibt:<br />

D: ein Mann und eine Frau<br />

E: unu viro kaj unu virino<br />

ID: un virulo et un virino<br />

IN: un homine et un femina<br />

R: uno viro et una fémina<br />

Wenn im <strong>Realisanto</strong>, das als einzige Sprache formal ein<br />

weibliches Geschlecht kennt, ein Substantiv auf einem «a»<br />

endet, kann ein Apostroph verwendet werden:<br />

eine Seele<br />

eine Hand<br />

un’ánima<br />

una mano<br />

Dagegen kommt dieser bei den anderen Vokalen nur in<br />

dichterischer Form zum Zug, weil «una» für eine deutlichere<br />

Unterscheidung steht:<br />

eine Orange<br />

una oranzha, un’oranzha<br />

Das Gleiche gilt, wenn nach dem bestimmten männlichen Artikel<br />

ein Wort mit einem «o» beginnt:<br />

das Gold<br />

l’oro<br />

31


Auch hier wird bei den anderen Vokalen der volle bestimmte<br />

Artikel verwendet, solange nicht die Dichtersprache zum Zug<br />

kommt:<br />

der Athlet<br />

lo atleto, l’atleto<br />

Auch im <strong>Esperanto</strong> wird in der Dichtersprache viel mit dem<br />

Apostroph gearbeitet, so auch in der sogenannten <strong>Esperanto</strong>-<br />

Hymne:<br />

Sub la sankta signo de l’espero …<br />

Unter dem heiligen Zeichen der Hoffnung …<br />

… la bela sondzho de l’homaro …<br />

… der schöne Traum der Menschheit …<br />

Eigentlich wird das «h» immer ausgesprochen, aber ich habe<br />

auch schon Versionen gehört, in denen es direkt nach dem «l»<br />

einfach verschluckt wird:<br />

del homaro - del omaro<br />

Auch im <strong>Ido</strong> sind solche Abkürzungen möglich, so etwa im<br />

Vaterunser:<br />

… l’omnadiala pano …<br />

… das tägliche Brot …<br />

Eines haben diese vier Sprachen gemeinsam: In keiner von<br />

ihnen gibt es eine formale unbestimmte Mehrzahlform wie in den<br />

bekanntesten romanischen Sprachen:<br />

D: Männer Frauen<br />

F: des hommes des femmes<br />

IT: degli uomini delle donne<br />

32


CT: uns homes<br />

ES: unos hombres<br />

PO: uns homens<br />

RU: nishte omi<br />

unes dones<br />

unas mujeres<br />

umas mulheres<br />

nishte doamne<br />

Im Rumänischen wird «nishte» sogar dekliniert, so heisst es im<br />

Genitiv und Dativ «unor»:<br />

unor omi, unor doamne<br />

Dabei wird das «i» bei «omi» genauso wie in allen anderen<br />

rumänischen Wörtern, die in der Mehrzahl stehen und nicht mit<br />

einem bestimmten Artikel verbunden werden, nicht<br />

ausgesprochen, sondern bleibt stumm:<br />

nishte om = nishte om<br />

Mit dem bestimmten Artikel, der hinten angehängt wird, weil das<br />

schon vor 2'000 Jahren im dakischen Vulgärlateindialekt so war,<br />

lauten die vier Wörter mit dem bestimmten Artikel so:<br />

omul, omii - doamna, doamnele<br />

Bei «omii» wird das «i» im Gegensatz zu «omi» also<br />

ausgesprochen.<br />

33


Ino - ido - ito - injo - vir - fem<br />

Was wie ein Zaubersprüchlein klingt, ist in Wirklichkeit ein Teil<br />

der entscheidenden Unterschiede zwischen dem <strong>Realisanto</strong> und<br />

dem <strong>Esperanto</strong>, auf das ich in diesem Kapitel allein eingehe.<br />

Oben wird bereits angedeutet, dass die Endung «-ino» im<br />

<strong>Esperanto</strong> ein weibliches Wort bedeutet, das von einem belebten<br />

Substantiv gebildet wird:<br />

Mann viro Frau virino<br />

Vater patro Mutter patrino<br />

Sohn filo Tochter filino<br />

Onkel onklo Tante onklino<br />

Hund hundo Hündin hundino<br />

Im <strong>Realisanto</strong> verhält es sich ganz anders, weil die gleiche<br />

Endung «-ino» hier eine Verkleinerung bedeutet, und zwar die<br />

männliche Variante, während die weibliche «-ina» lautet:<br />

Hund kano, hundo Hündin kana, hunda<br />

Hündchen, männlich<br />

Hündchen, weiblich<br />

kanino, hundino<br />

kanina, hundina<br />

Das ist aber noch nicht alles: Es ist möglich, die im Spanischen<br />

und Portugiesischen vorkommenden Endungen (-ito, -ita; -injo, -<br />

inja) ebenfalls zu verwenden, aber ich habe diese in meinem<br />

eigenen Wörterbuch Deutsch -<strong>Realisanto</strong> nicht aufgeführt.<br />

Die Verkleinerung wird im <strong>Esperanto</strong> mit «-ido» gebildet, und<br />

wenn ein weibliches Wesen dazukommt, steht vorn noch das<br />

Einzelwort «ina», das von der Endung «-ino» stammt und hier<br />

die Funktion eines Adjektivs übernimmt:<br />

34


Mann viro Frau virino<br />

Männchen virido Frauchen virinido<br />

Hund hundo Hündin hundino<br />

Hündchen, hundido Hündchen, ina hundido<br />

männlich<br />

weiblich<br />

Dieses «ina» wird auch bei den Berufsbezeichnungen<br />

verwendet, wenn es nicht von vornherein klar ist, ob es sich um<br />

einen Mann oder um eine Frau handelt:<br />

Arzt doktoro Ärztin ina doktoro<br />

Professor professoro Professorin ina professoro<br />

Wenn es aber aufgrund der Aussage in einem Satz klar ist, dass<br />

es sich um eine Frau handelt, wird dieses «ina» fast immer<br />

weggelassen.<br />

Sie ist eine Professorin = shi estas (ina) professoro.<br />

Im <strong>Realisanto</strong> wird abgesehen von ein paar wenigen Ausnahmen<br />

(mano = Hand) für jedes weibliche Wort die Endung «-a»<br />

verwendet:<br />

viro - fémina kano - kana<br />

doktoro - doktora hundo - hunda<br />

Der obige Satz lautet somit so:<br />

Shi estas una professora.<br />

Diese Bildung mit «-a» kommt auch bei den Tieren häufig vor:<br />

Pferd (m.) kavalo Pferd (f.) kavala<br />

Die Vorsilben «vír» und «fém» ermöglichen eine noch feinere<br />

35


Unterscheidung; dabei ist beim letzteren die Endung «-a» nicht<br />

nötig, weil das weibliche Geschlecht in «fém-» bereits enthalten<br />

ist:<br />

Hengst vírkavalo Stute kavala,<br />

fémkavalo<br />

«Vir» kommt auch im <strong>Esperanto</strong> vor, wird dort aber nie betont,<br />

weil es nicht die zweitletzte Silbe ist:<br />

Hengst virchevalo (E) Stute ina chevalo<br />

Bei den Fohlen gehen die Unterschiede noch weiter:<br />

männliches Fohlen<br />

weibliches Fohlen<br />

virchevalido (E), kavalino (R),<br />

vírkavalino (R)<br />

ina chevalido (E), kavalina (R),<br />

fémkavalino (R)<br />

Dazu gibt es noch diese Alternativen:<br />

kavalito, kavalinjo, vírkavalito, vírkavalinjo -<br />

kavalita, kavalinja, fémkavalito, fémkavalinjo<br />

Diese Vorsilben «vír-« und «fém-« sind vor allem dann sinnvoll,<br />

wenn bei einem Zweifel eine schnelle Antwort ohne langes<br />

Überlegen gegeben wird:<br />

Ist das Pferd männlich oder weiblich?<br />

Estas lo kavalo maskulino aut feminino? *<br />

Es ist männlich - nein, weiblich.<br />

Estas un vírkavalo - no, un fémkavalo.<br />

Auch bei den Menschen ist das möglich, aber weniger zu<br />

empfehlen, weil «vír-« und «fém-« eigentlich mehr für die Tiere<br />

gedacht sind:<br />

36


Ist der Professor männlich oder weiblich?<br />

Estas lo professoro maskulino aut feminino?<br />

Er ist männlich - nein, weiblich.<br />

Estas un vírprofessoro - no, un fémprofessoro.<br />

* Das erste Wort für «oder» ist eigentlich «o», aber wenn dieses<br />

direkt nach einem «o» folgt oder selber vor einem «o» steht, kann<br />

es durch das vom Latein stammende alternative Wort «aut»<br />

ersetzt werden.<br />

Bei den Tiernamen, die im Deutschen auf einem «a» enden,<br />

sorgen die Varianten mit «vír-« und «fém-» allerdings eindeutig<br />

für klarere Verhältnisse als im <strong>Esperanto</strong>:<br />

Deutsch <strong>Esperanto</strong> <strong>Realisanto</strong><br />

Puma (allgemein) pumo puma (un puma)<br />

Pumamännchen virpumo vírpuma<br />

Pumaweibchen pumino fémpuma<br />

Pumajunges (m.) pumido juno vírpuma<br />

Pumajunges (f.) ina pumido juna fémpuma<br />

Zebra (allgemein) cebro cebra (un cebra)<br />

Zebrahengst vircebro vírcebra<br />

Zebrastute cebrino fémcebra<br />

Zebrafohlen (m.) cebrido juno vírcebra<br />

Zebrafohlen (f.) ina cebrido juna fémcebra<br />

Hier ist die Mitverwendung der Adjektive «juno» und «juna»<br />

(jung) unvermeidlich, und im Gegensatz zu den<br />

Zusammensetzungen mit «fém-« bei anderen Substantiven<br />

(fémkano, fémhundo, fémkavalo usw.) ist die weibliche Variante<br />

«juna» hier besser als «juno».<br />

37


Wer hier noch tiefer eindringen will, kann in meinem Buch<br />

«<strong>Realisanto</strong> - das <strong>Esperanto</strong> des 21. Jahrhunderts»<br />

nachschauen, wo in einem eigenen Kapitel alle möglichen<br />

Tiernamen (Schwein, Sau, Eber, Keiler, Ferkel, Frischling usw.)<br />

in Einzelheiten aufgeführt werden.<br />

Die Deklination der Substantive<br />

Auch hier unterscheiden sich die vier Sprachen deutlich<br />

voneinander, aber die Unterschiede sind wenigstens nicht so<br />

gross wie anderswo.<br />

Da alle Substantive gleich dekliniert werden, beschränke ich<br />

mich auch hier auf die Wörter für einen Mann und eine Frau.<br />

E: IDO: INT: R:<br />

N: viro virulo un homine un viro<br />

G: de viro di virulo de un homine de un viro<br />

D: al viro a virulo ad un homine ad un viro<br />

A: viron virulo un homine un viro<br />

N: viroj viruli homines viroj<br />

G: de viroj di viruli de homines de viroj<br />

D: al viroj a viruli a homines a viroj<br />

A: virojn viruli homines viroj<br />

N: la viro la virulo le homine lo viro<br />

G: de la viro dil virulo * del homine del viro<br />

D: al la viro al virulo al homine al viro<br />

A: la viron la virulo le homine lo viro<br />

N: la viroj la viruli le homines la viroj<br />

G: de la viroj di la viruli des homines de la viroj<br />

D: al la viroj a la viruli a les homines a la viroj<br />

A: la virojn la viruli le homines la viroj<br />

38


N: virino virino un femina una fémina<br />

G: de virino di virino de un femina de una f.<br />

D: al virino a virino ad un femina ad una f.<br />

A: virinon virino un femina una fémina<br />

N: virinoj virini feminas féminaj<br />

G: de virinoj di virini de feminas de féminaj<br />

D: al virinoj a virini a feminas a féminaj<br />

A: virinojn virini feminas féminaj<br />

N: la virino la virino le femina la fémina<br />

G: de la virino dil virino * de le femina de la f.<br />

D: al la virino a la virino a la femina a la fémina<br />

A: la virinon la virino le femina la fémina<br />

N: la virinoj la virini le feminas la féminaj<br />

G: de la virinoj di la virini des feminas de la f.<br />

D: al la virinoj a la virini a le feminas a la f.<br />

A: la virinojn la virini le feminas la féminaj<br />

* Anstelle von «di la» kann im <strong>Ido</strong> in der Einzahl des Genitivs<br />

auch «dil» geschrieben und gesagt werden, also auch bei denen,<br />

die wie «virino» für unser Empfinden eigentlich weiblich sind.<br />

Es fällt deutlich auf, dass der Nominativ und der Akkusativ im <strong>Ido</strong>,<br />

<strong>Interlingua</strong> und <strong>Realisanto</strong> identisch sind.<br />

Am starrsten ist das <strong>Esperanto</strong>, dessen unveränderliche Dativ-<br />

Partikel «al» auch vor Konsonanten und dessen Akkusativ-<br />

Endung «-n» zu den Markenzeichen dieser Sprache gehört.<br />

Warum im <strong>Ido</strong> beim Genitiv «di» anstelle des panromanischen<br />

«de» gewählt wurde, gehört zu den Geheimnissen der Schöpfer.<br />

Sie haben sich wohl auch deshalb dafür entschieden, um sich<br />

besonders sichtbar vom «de» des <strong>Esperanto</strong>s abzugrenzen.<br />

Wenigstens sind aber wie im <strong>Interlingua</strong> und im <strong>Realisanto</strong> die<br />

Abkürzungen «del» und «al» möglich.<br />

39


Die Eigennamen<br />

Bei den Eigennamen ist das <strong>Esperanto</strong> die einzige Sprache, die<br />

auch hier stur auf einem «-o» endet, obwohl sie auf diese Weise<br />

noch unnatürlicher als die gewöhnlichen Substantive wirken:<br />

Jesus = Jesuo<br />

Johannes = Johano<br />

Josua = Josuo<br />

Lukas = Luko<br />

Konsequenterweise müsste mein eigener Vorname, der auf den<br />

ersten Blick weiblich wirkt - tatsächlich meinen viele Leute schon<br />

seit Jahrzehnten, ich sei eine Frau, solange sie nicht direkt mit<br />

mir zu tun haben -, Juho anstelle von Juha lauten. Der eigentliche<br />

Witz ist jedoch, dass dieser im Finnischen ebenfalls ein eigener<br />

männlicher Vorname ist.<br />

Es gehört zu den Besonderheiten des Finnischen, dass viele<br />

Eigennamen, die auf «-a» enden, männlich sind, während<br />

andere, die auf «-o» enden, weiblich sind:<br />

Pekka (ein Pfarrer, den ich einst kannte) -<br />

Aino (die Ehefrau des Komponisten Jean Sibelius)<br />

Pirkko (eine meiner finnischen Kusinen)<br />

Auch Zamenhofs eigene Vornamen müssen dran glauben:<br />

Lazaro Ludoviko Zamenhof<br />

Sogar die Variante «Zamenhofo» habe ich einmal schon<br />

gesehen.<br />

Immerhin sind die vier oben erwähnten Namen zumindest unter<br />

den bekanntesten aus der Bibel die Einzigen, die auf diese<br />

Weise verformt worden sind; die anderen hat Zamenhof stehen<br />

gelassen, sogar die männlichen Namen, die auf einem «-a»<br />

enden, zum Beispiel «Ezra» für Esra.<br />

40


Nicht nur bei den Ländernamen, sonderen auch bei den<br />

Städtenamen kommen im <strong>Esperanto</strong> die gleichen<br />

Verballhornungen auf «-o» vor:<br />

Basel = Bazelo Bern = Berno Seoul = Seulo<br />

Warschau = Varsovio Kiew = Kievo<br />

Minsk = Minsko Moskau = Moskvo<br />

Immerhin ist Zürich am Namen Zuriko noch zu erkennen.<br />

Dagegen haben das <strong>Interlingua</strong> und das <strong>Realisanto</strong> die natürlich<br />

entwickelten Namen übernommen.<br />

Bei der Deklination der Eigennamen verhält es sich gleich wie<br />

bei den Substantiven - und auch hier ändert sich im <strong>Esperanto</strong><br />

am «al» im Dativ und am Endungs-n im Akkusativ nichts, wie es<br />

die Beispiele für Jesus und Basel zeigen:<br />

Jesuo, de Jesuo, al Jesuo, Jesuon (!)<br />

Bazelo, de Bazelo, al Bazelo, Bazelon (!)<br />

Dagegen bleiben die Eigennamen in den drei anderen Sprachen<br />

immer unverändert.<br />

In der Umgangssprache und erst recht in der Dichtersprache<br />

können die Genitiv-Partikel «de» und «di» auch mit einem<br />

Apostroph verkürzt werden, wenn das direkt folgende Wort mit<br />

einem «e» beginnt:<br />

von Elena = d’Elena (überall)<br />

von Erika = d’Erika (E, <strong>Ido</strong>, R), d’Erica (INT)<br />

Beginnt das direkt folgende Wort mit einem anderen Vokal, sind<br />

beide Varianten möglich:<br />

von Ursula = d’Ursula (überall), de Ursula (E, INT, R), di U. (<strong>Ido</strong>)<br />

41


Die Adjektive (Eigenschaftswörter)<br />

Auch hier zeigen sich zwischen den vier Sprachen Unterschiede,<br />

aber nicht so deutliche wie bei den Substantiven. Gemeinsam ist<br />

ihnen, dass sie sowohl vor- als auch nachgestellt werden<br />

können, wobei die letztere genauso wie in den romanischen<br />

Sprachen überwiegt. Das gilt jedoch nicht für das <strong>Realisanto</strong>, in<br />

dem wie oben gezeigt sowohl eine germanische als auch eine<br />

romanische Variante möglich sind, so dass beide oft vorkommen<br />

können.<br />

Auch hier gibt es eine zweifache Gruppenbildung, aber anders<br />

herum: Während im <strong>Ido</strong> alle Adjektive sowohl in der Einzahl als<br />

auch in der Mehrzahl auf «-a» enden und nicht dekliniert werden<br />

- zum Beispiel «bona» für «gut» -, enden im <strong>Interlingua</strong> die<br />

meisten auf «-e» oder auf «-n» und bleiben ebenfalls<br />

unverändert, aber ein paar wenige haben ihre eigenen<br />

Endungen:<br />

Wörter wie «national» oder «historic» verändern sich nicht, das<br />

Gleiche gilt auch für «bon» (gut) und «mal» (schlecht).<br />

Im <strong>Esperanto</strong> enden alle Adjektive ebenfalls auf «-a», aber im<br />

Gegensatz zum <strong>Ido</strong> und zum <strong>Interlingua</strong> unterscheidet sich die<br />

Mehrzahl von der Einzahl durch die Endung «-aj».<br />

Noch weiter geht das <strong>Realisanto</strong>, in dem genau gleich wie in den<br />

romanischen Sprachen zwischen männlich und weiblich sowie<br />

zwischen Einzahl und Mehrzahl unterschieden wird; also stehen<br />

wieder vier Varianten zur Auswahl. Das Ganze sieht so aus:<br />

D: ein guter Mann eine gute Frau<br />

E: bona viro bona virino<br />

ID: bona virulo<br />

bona virino<br />

IN: un bon homine un bon femina<br />

R: un bono viro una bona fémina<br />

42


D: der gute Mann die gute Frau<br />

E: la bona viro la bona virino<br />

ID: la bona virulo la bona virino<br />

IN: le bon homine le bon femina<br />

R: lo bono viro la bona fémina<br />

D: gute Männer gute Frauen<br />

E: bonaj viroj bonaj virinoj<br />

ID: bona viruli<br />

bona virini<br />

IN: bon homines bon feminas<br />

R: bonoj viroj bonaj féminaj<br />

D: die guten Männer die guten Frauen<br />

E: la bonaj viroj la bonaj virinoj<br />

ID: la bona viruli la bona virini<br />

IN: le bon homines le bon feminas<br />

R: la bonoj virjoj la bonaj féminaj<br />

Bei der Deklination verhält es sich gleich wie oben:<br />

E: (la) bona viro, de (la) bona viro (del bona viro - dichterisch),<br />

al (la) bona viro, (la) bonan viron -<br />

(la) bona virino, de (la) bona virino, al (la) bona virino,<br />

(la) bonan virinon -<br />

(la) bonaj viroj, de (la) bonaj viroj, al (la) bonaj viroj,<br />

(la) bonajn virojn -<br />

(la) bonaj virinoj, de (la) bonaj virinoj, al (la) bonaj<br />

virinoj, (la) bonajn virinojn<br />

ID: (la) bona virulo, di/dil bona virulo, a/al bona virulo,<br />

(la) bona virulo -<br />

(la) bona virino, di/dil bona virino, a/a la bona<br />

virino, (la) bona virino -<br />

(la) bona viruli, di/di la bona viruli, a/a la bona viruli,<br />

(la) la bona viruli -<br />

(la) bona virini, di/di la bona virini, a/a la bona virini,<br />

(la) bona virini<br />

43


IN: un/le bon homine, de un/del bon homine,<br />

ad un/al bon homine, un/le bon homine -<br />

un/le bon femina, de un/del bon femina,<br />

ad un/al bon femina, un/le bon femina -<br />

le bon homines, des bon homines, als bon homines,<br />

le bon homines -<br />

le bon feminas, des bon feminas, als bon feminas,<br />

le bon feminas<br />

R: un/lo bono viro, de un/del bono viro, ad un/al bono viro,<br />

un/lo bono viro -<br />

una/la bona fémina, de una/de la bona fémina,<br />

ad una/a la bona fémina, una/la bona fémina -<br />

(la) bonoj viroj, de (la) bonoj viroj, a (la) bonoj viroj,<br />

(la) bonoj viroj -<br />

(la) bonaj féminaj, de (la) bonaj féminaj,<br />

a (la) bonaj féminaj, (la) bonaj féminaj<br />

Wie bei den Substantiven besteht im <strong>Esperanto</strong> und im <strong>Ido</strong> auch<br />

hier die Möglichkeit, ein Adjektiv mit den Infixen «-eg-« und «-et-<br />

« zu vergrössern oder zu verkleinern:<br />

eine besonders grosse Frau<br />

ein besonders kleiner Mann<br />

grandega virino (E + <strong>Ido</strong>)<br />

malgrandeta viro (E),<br />

mikreta virulo (<strong>Ido</strong>)<br />

44


Die zusammengesetzten Substantive<br />

Ich bringe dieses Kapitel erst jetzt, weil bei zwei Substantiven,<br />

die miteinander verbunden werden, das erste sich sowohl im<br />

<strong>Esperanto</strong> als auch im <strong>Ido</strong> in ein Wort mit Adjektiv-Charakter<br />

verwandelt. Da die Substantive in diesen beiden Sprachen wie<br />

oben gesehen immer auf einem «-o» enden, verändern sich<br />

diese nur ganz hinten in ein «-a», und schon werden die beiden<br />

Wörter zusammengesetzt, aber nie zusammengeschrieben. Hier<br />

hat sich Zamenhof vom Polnischen und Russischen, wo das<br />

erste Substantiv bei diesen Zusammensetzungen ebenfalls in<br />

ein Adjektiv verwandelt wird, offensichtlich beeinflussen lassen.<br />

Im Russischen, das ich von allen slawischen Sprachen eindeutig<br />

am besten kenne und sogar zu mehr als der Hälfte gut verstehe,<br />

sehen die beiden Wörter «Haushund» und «Kriegsjahr» so aus:<br />

damózhnaya sabátshka (Haus = dom,<br />

Hund = sabátshka)<br />

vayénni god<br />

(Krieg = vojná,<br />

Jahr = god)<br />

Dekliniert werden beide Teile, im Genitiv sehen sie so aus:<br />

damózhnoj sabátshki, vayénnava góda<br />

Im Gegensatz dazu wird im <strong>Interlingua</strong> die von den romanischen<br />

Sprachen her bekannte Variante mit einem «di» dazwischen<br />

verwendet, während im <strong>Realisanto</strong> als einziger Sprache in der<br />

germanischen Variante beide Wörter zusammengeschrieben<br />

werden und in der romanischen Variante das Genitivwort «de»<br />

dazwischen steht.<br />

Ein Haushund wird demnach so ausgedrückt:<br />

E: Haus = domo, Hund = hundo, Haushund = doma hundo<br />

das Haus = la domo, der Hund = la hundo,<br />

ein Haushund = doma hundo<br />

der Haushund = la doma hundo<br />

45


ID: domo - hundulo - doma hundulo<br />

ein Haushund = doma hundulo<br />

der Haushund = la doma hundulo<br />

IN: casa - can - can di casa<br />

ein Haushund = un can di casa<br />

der Haushund = le can di casa<br />

Auch hier gibt es im <strong>Realisanto</strong> mehrere Varianten, weil ein Haus<br />

sowohl «kasa» als auch «domo» und ein Hund sowohl «kano»<br />

als auch «hundo» bedeuten und zudem die beiden<br />

unbestimmten Artikel vorkommen:<br />

RG: un kásakano, un kásahundo, un dómokano,<br />

un dómohundo -<br />

lo kásakano, lo kásahundo, lo dómokano, lo dómohundo<br />

RL: un kano de kasa, un hundo de kasa,<br />

un kano de domo, un hundo de domo -<br />

lo kano de kasa, lo hundo de kasa,<br />

lo kano de domo, lo hundo de domo<br />

In der germanischen Variante steht wie oben erklärt über der<br />

betonten Silbe immer ein Akut, wenn es nicht die zweitletzte ist.<br />

Mit den weiblichen Varianten gibt es im <strong>Realisanto</strong> sogar noch<br />

viel mehr Möglichkeiten, gleich deren acht. Bei einer Haushündin<br />

sieht das Ganze so aus:<br />

E: doma hundino - la doma hundino<br />

ID: gleich wie im <strong>Esperanto</strong><br />

R: kásakana, fémkasakano - kásahunda, fémkasahundo<br />

dómokana, fémdomokano - dómohunda, fémdomohundo<br />

Gerade hier zeigt es sich, wie vorteilhaft eine grosse Auswahl<br />

sein kann, wenn jemandem gerade nicht sofort das richtige Wort<br />

einfällt, aber ein anderes, das ebenso gültig ist, im Gedächtnis<br />

plötzlich auftaucht.<br />

46


Das andere oben vorgestellte Beispielwort «Kriegsjahr» sieht so<br />

aus:<br />

E: Krieg = milito, Jahr = jaro, Kriegsjahr = milita jaro<br />

ID: Krieg = milito, Jahr = yaro, Kriegsjahr = milita yaro<br />

IN: Krieg = guerra, Jahr = anno, Kriegsjahr = anno di guerra<br />

(das letzte ist mit dem Italienischen identisch)<br />

Auch hier bietet das Resalisanto mit nicht weniger als zwölf<br />

Varianten die viel grössere Auswahl:<br />

Krieg = gerra, guerra, vojna<br />

Jahr = anno, jaro<br />

Kriegsjahr = gérra-anno, gérrajaro, guérra-anno,<br />

guérrajaro, vójna-anno, vójnajaro (RG) -<br />

anno de gerra, anno de guerra,<br />

anno de vojna, jaro de gerra,<br />

jaro de guerra, jaro de vojna (RL)<br />

D: 1944 war ein komplettes Kriegsjahr.<br />

E: 1944 estis kompleta milita jaro.<br />

ID: 1944 esis kompleta milita yaro.<br />

IN: 1944 esseva un complete anno di guerra.<br />

R: 1944 estis un kompleto anno de gerra/de guerra/de vojna.<br />

1944 estis un kompleto jaro de gerra/de guerra/de vojna.<br />

Wie wir weiter unten noch sehen werden, gibt es in allen vier<br />

Sprachen auch bei Aussagen, die sich auf ein nur einmal<br />

vorkommendes Ereignis beziehen, nur eine<br />

Vergangenheitsform, die dem in vielen Sprachen<br />

vorkommenden Imperfekt entspricht.<br />

47


Die Steigerung der Adjektive<br />

Hier unterscheiden sich die vier Sprachen für einmal nur in<br />

Kleinigkeiten voneinander.<br />

Komparativ<br />

Superlativ<br />

Deutsch gross grösser der/die grösste<br />

<strong>Esperanto</strong> granda pli granda la plej granda<br />

<strong>Ido</strong> granda plu granda la plu granda<br />

<strong>Interlingua</strong> grande plus grande le plus grande<br />

<strong>Realisanto</strong> magno/ pli magno/ lo plej magno/<br />

magna, pli magna lo plej grando,<br />

grando/ pli magno/ la plej magna/<br />

granda pli magna la plej granda<br />

Deutsch klein kleiner der/die kleinste<br />

<strong>Esperanto</strong> malgranda pli malgranda la plej malgranda<br />

<strong>Ido</strong> mikra plu mikra la plu mikra<br />

<strong>Interlingua</strong> parve plus parve le plus parve<br />

<strong>Realisanto</strong> parvo/ pli parvo/ lo plej parvo/<br />

parva pli parva la plej parva<br />

In der Mehrzahl lauten diese Adjektive so:<br />

E: grandaj, malgrandaj<br />

ID: grandi, mikri<br />

IN: grande, parve (gleich wie Einzahl)<br />

R: magnoj, magnaj; grandoj, grandaj; parvoj, parvaj<br />

Anstelle des lateinischen Wortes «parvo» können im<br />

<strong>Realisanto</strong> auch die vom Spanischen und Italienischen<br />

stammenden Adjektive «pekeno» und «píkolo» verwendet<br />

werden.<br />

Im <strong>Interlingua</strong> und <strong>Realisanto</strong> ist es im Superlativ im Sinn von<br />

«sehr» möglich, auch die vom Latein stammenden Endungen auf<br />

48


«-íssimo» usw. zu verwenden, wobei der Akut nur im <strong>Realisanto</strong><br />

geschrieben wird:<br />

IN: grandissime - parvissime<br />

R: magníssimo, magníssima; grandíssimo, grandíssima -<br />

parvíssimo, parvíssima; pekeníssimo, pekeníssima;<br />

pikolíssimo, pikolíssima<br />

In der Fachsprache wird dieser Superlativ als absolut bezeichnet,<br />

weil er nicht weiter gesteigert werden kann, was bei «pli» usw.<br />

eben möglich ist. Während es in der klassischen lateinischen<br />

Schriftsprache nur diesen und auch im Komparativ nur eine<br />

Variante aus einem Wort gab, kamen in den vielen Dialekten des<br />

Vulgärlateins sehr wohl auch die Varianten mit «magis» und<br />

«plus» vor:<br />

K: schön pulcher (m.), pulchra (f.), pulchrum (s.)<br />

V: bellus, bella, bellum<br />

K: schöner pulchrior (m.+f.), pulchrium (s.)<br />

V: magis/plus bellus, magis/plus bella,<br />

magis/plus bellum<br />

K: der/die/das pulcherrimus, pulcherrima, pulcherrimum<br />

schönste<br />

V: lo magis/plus bellus, la magis/plus bella,<br />

lo magis/plus bellum<br />

Für «gross» und «klein» gibt es im klassischen Schriftlatein<br />

eigene Wörter, während diese auch im Vulgärlatein so wie bei<br />

«pulcher» gesteigert wurden:<br />

K: magnus, magna, magnum - maior - maximus,<br />

maxima,<br />

maximum<br />

49


V: magis/plus magnus/magna/magnum -<br />

lo magis/plus magnus/magnum,<br />

la magis/plus magna<br />

K: parvus, parva, parvum - minor - minimus, minima, minimum<br />

V: magis/plus parvus/parva/parvum -<br />

lo magis/plus parvus/parvum,<br />

la magis/plus parva<br />

Die beiden Komparativ-Varianten «magis» und «plus» sind im<br />

Verlauf der jahrhundertelangen Entwicklung von den heutigen<br />

romanischen Sprachen übernommen worden, wobei eine klare<br />

West-Ost-Spaltung zu erkennen ist:<br />

Französisch mais Italienisch più<br />

Katalanisch més Sardisch prus<br />

Spanisch más Friaulisch plui<br />

Portugiesisch mais Vallader plü<br />

Rumänisch mai Puter pü<br />

Surmeirisch pi<br />

Surselvisch pli<br />

Die einzige Ausnahme ist das Rumänische, das aber auch in<br />

vielen anderen Bereichen von den panromanischen Normen<br />

abweicht. So wird anstelle des bestimmten Artikels, der sonst<br />

immer hinter den Substantiven steht (Mann, der Mann - om,<br />

omul), ein vorangestellter Artikel verwendet, der gleich vierfach<br />

auftritt:<br />

cel, cea, cei, cele<br />

der beste Mann - cel mai bun om,<br />

die beste Frau - cea mai buna doamna,<br />

die besten Männer - cei mai buni oameni,<br />

die besten Frauen - cele mai bune doamne<br />

Dabei wird das «i» in der männlichen Form der Mehrzahl nur<br />

50


geschrieben, aber nicht ausgesprochen:<br />

bun(i) oamen(i)<br />

Vallader und Puter werden im Engadin, Surmeirisch in<br />

Mittelbünden und Surselvisch im Bündner Oberland westlich von<br />

Ilanz bis hinauf zum Gotthardmassiv gesprochen.<br />

Wer hier noch tiefer einsteigen will, kann in meinem Buch<br />

«Lehrbuch des Vulgärlateins» nachschauen.<br />

Im <strong>Esperanto</strong> und im <strong>Ido</strong> gibt es zwar auch einen absoluten<br />

Superlativ, doch dieser wird mit dem oben schon vorgestellten<br />

Infix «-eg-« ausgedrückt und wirkt damit weniger absolut:<br />

bona - bonega (E + <strong>Ido</strong>)<br />

malbona - malbonega (E)<br />

mikra - mikrega (<strong>Ido</strong>)<br />

Das Wort «weniger», das genau gleich wie «pli» usw. verwendet<br />

werden kann, lautet so:<br />

E: malpli <strong>Ido</strong>: min INT: minus R: meno<br />

Verglichen wird mit diesen Wörtern:<br />

ol, kam, que, ke (als) - same kiel, tam kam,<br />

assi como, así komo (wie)<br />

D: Ursula ist grösser als Elena, aber Elena ist stärker.<br />

E: Ursula estas pli granda ol Elena, sed Elena estas pli forta.<br />

ID: Ursula esas plu granda kam Elena, ma Elena esas plus forta.<br />

IN: Ursula es plus grande que Elena, ma Elena es plus forte.<br />

R: Ursula estas pli magna ke Elena, mas Elena estas pli forta. *<br />

* Anstelle von «mas » kann im <strong>Realisanto</strong> auch «ma», wenn<br />

51


direkt danach kein «a» folgt, oder das vom Latein stammende<br />

<strong>Esperanto</strong>-Wort «sed» verwendet werden.<br />

D: Hans ist weniger gross als Ursula und Elena, aber die zwei<br />

lieben ihn.<br />

E: Hans estas malpli granda ol Ursula kaj Elena, sed la du amas<br />

lin.<br />

ID: Hans estas min granda kam Ursula et Elena, ma la du amas<br />

lu.<br />

IN: Hans es minus grande que Ursula et Elena, ma le duo lo<br />

amas.<br />

R: Hans estas meno magno ke Ursula et Elena, mas la du lo<br />

amas. *<br />

Zu beachten ist im <strong>Esperanto</strong> die Akkusativ-Endung «-n» bei<br />

«lin.»<br />

Anstelle von «la du» und «le duo» können im <strong>Esperanto</strong> und im<br />

<strong>Interlingua</strong> auch «ambau» und «ambe» (beide) verwendet<br />

werden; dabei wird das «u» bei «ambau» wieder mit einer<br />

«Welle» darüber geschrieben.<br />

* Für «et» kann im <strong>Realisanto</strong> auch das vom Altgriechischen<br />

stammende <strong>Esperanto</strong>-Wort «kaj» stehen, wenn «et» direkt nach<br />

einem «e» folgt oder «et» direkt vor einem «d» oder «t» steht.<br />

Zudem kann anstelle von «du» auch «ambaj», also die weibliche<br />

Variante von «amboj» (beide), verwendet werden.<br />

D: Hans liebt Ursula so wie Elena.<br />

E: Hans amas Ursulan same kiel Elenan.<br />

ID: Hans amas Ursula tam kam Elena.<br />

IN: Hans ama Ursula assi como Elena.<br />

R: Hans amas Ursula así komo Elena.<br />

Zu beachten sind im <strong>Esperanto</strong> auch hier die Akkusativ-<br />

Endungen «-n» (Ursulan, Elenan).<br />

52


Das Adverb (Umstandswort)<br />

Das Adverb drückt die Art und Weise aus, wie etwas getan wird.<br />

Während das Deutsche keinen formalen Unterschied zwischen<br />

dem Adjektiv und dem Adverb kennt, gibt es das letztere sehr<br />

wohl in diesen Sprachen, die alle ein romanisches Gerüst haben,<br />

und dort kommt es fast überall vor.<br />

Auch hier sind das <strong>Esperanto</strong> und das <strong>Ido</strong> identisch, weil bei<br />

ihnen anstelle des «-a» im Adjektiv die Endung «-e» verwendet<br />

wird, während im <strong>Interlingua</strong> fast immer die vom Vulgärlatein<br />

stammende und von den romanischen Sprachen her bekannte<br />

Endung «-mente» vorkommt. Im <strong>Realisanto</strong> sind sogar beide<br />

Varianten möglich, vor allem bei der Verwendung von zwei<br />

Adverbien kann das zweite mit der Endung «-mente» eine<br />

feinere Nuancierung ausdrücken.<br />

Beispiele:<br />

D: Der Mann ist gut. Der Mann singt gut.<br />

E: La viro estas bona. La viro kantas bone.<br />

ID: La virulo esas bona. La virulo kantas bone.<br />

IN: Le homine es bon. Le homine canta ben.<br />

R: Lo viro estas bono. Lo viro kantas bone/bene/<br />

bonamente.<br />

Im <strong>Realisanto</strong> kann «bene», das im Latein und Italienischen<br />

identisch ist, als zweite Variante ebenfalls verwendet werden,<br />

und je nach Satzgefüge ist auch «bonamente» möglich, das<br />

mehreren romanischen Sprachen tatsächlich ebenfalls<br />

vorkommt, zum Beispiel im Surmeirischen.<br />

D: Der Mann ist schlecht. Der Mann singt schlecht.<br />

E: La viro estas malbona. La viro kantas malbone.<br />

ID: La virulo esas mala. La virulo kantas male.<br />

IN: Le homine es mal. Le homine canta mal. *<br />

R: Lo viro estas malo. Lo viro kantas male/malamente.<br />

53


* Im <strong>Interlingua</strong> sind das Adjektiv und Adverb bei «mal» identisch.<br />

Ausser bei «ben» und «mal» wird im <strong>Interlingua</strong> fast immer die<br />

Endung auf «-mente» verwendet.<br />

Wenn zwei Adverbien, die nicht «gut» oder «schlecht» bedeuten,<br />

im gleichen Satz vorkommen, sind im <strong>Realisanto</strong> aus stilistischen<br />

und dichterischen Gründen mehrere Varianten möglich, wobei<br />

dann das Wort «kaj», das direkt nach einem «e» folgt, für «und»<br />

besser ist als «e» (vor einem Konsonanten) oder «et» (vor einem<br />

Vokal):<br />

D: Der Mann geht entschlossen und schnell.<br />

R : Lo viro iras decidite kaj rápide.<br />

Lo viro iras deciditamente kaj rápidamente.<br />

Lo viro iras decidite kaj rápidamente.<br />

Die dritte und unterste Variante halte ich selber für die beste.<br />

Wenn «-mente» verwendet wird, muss das Adjektiv genauso wie<br />

im Vulgärlatein und in den romanischen Sprachen in der<br />

weiblichen Variante stehen:<br />

decidite - diciditamente<br />

rápide - rápidamente<br />

Gesteigert wir genau gleich wie bei den Adjektiven:<br />

D: Die Frau singt besser als der Mann.<br />

E: La virino kantas pli bone ol la viro.<br />

ID: La virino kantas plu bone kam la virulo.<br />

IN: La femine cantas plus ben que le homine.<br />

R: La fémina kantas pli bone ke lo viro. *<br />

* Im <strong>Realisanto</strong> ist es möglich, neben «ke» für «als» auch «de»<br />

zu verwenden, wie das in mehreren romanischen Sprachen<br />

vorkommt. Im Vergleich zu «ke» wirkt dieses ein wenig<br />

eleganter, wie es auch im Niederländischen zwei verschiedene<br />

Varianten gibt:<br />

54


Die Frau singt schöner als dieser Mann.<br />

De vrouw zingt mooier dan deze man.<br />

De vrouw zingt mooier als deze man.<br />

Hier wird «dan» mehr in der Schriftsprache verwendet, aber auch<br />

«als» gilt nicht als falsch, und umgekehrt kommt im mündlichen<br />

Gebrauch auch «dan» vor; jedenfalls habe ich selber schon alle<br />

vier Varianten so gelesen und gehört.<br />

D: Die Frau singt am besten und schönsten.<br />

E: La virino kantas la plej bone kaj la plej bele.<br />

ID: La virino kantas la plu bone e la plu bele.<br />

IN: Le femine cantas le plus ben et le plus belamente.<br />

R: La fémina kantas la plej bone kaj la plej bele.<br />

La fémina kantas la plej bonamente kaj la plej<br />

belamente.<br />

Wenn ein Superlativ im Sinn von «sehr gut» oder auch «sehr<br />

schlecht» ausgedrückt werden soll, kann im <strong>Esperanto</strong> und im<br />

<strong>Ido</strong> wieder das Infix «-eg-« eingeschoben werden, während im<br />

<strong>Interlingua</strong> und im <strong>Realisanto</strong> der absolute Superlativ zum Zug<br />

kommt; dabei enden diese Adverbien im ersteren immer auf<br />

einem «-o»:<br />

D: Die Frau singt sehr gut und sehr schön.<br />

E: La virino kantas bonege kaj belege.<br />

ID: La virino kantas bonege e belege.<br />

IN: La femine cantas benissimo e belissimo.<br />

R: La fémina kantas benissime kaj bellissime.<br />

Hier ist das <strong>Interlingua</strong> die einzige Sprache mit der Endung «-o»,<br />

wenn nicht «-mente» verwendet wird.<br />

55


Dieses und jenes<br />

Auch hier ist deutlich zu erkennen, wie sehr sich diese vier<br />

Sprachen voneinander unterscheiden. Für «dieses» usw. und<br />

«jenes» usw. gibt es folgende Varianten:<br />

dieser, diese, dieses jener, jene, jenes<br />

E: cxi tiu - cxi tiuj (Pl.) tiu - tiuj (Pl.)<br />

ID: ica, ico - ici (Pl.)<br />

ita, ito - iti (Pl.)<br />

(ca, ta, ci - ti, co, to)<br />

IN: iste (m.), ista (f.), isto (s.) - ille, illa, illo -<br />

istes, istas, istos (Pl.) illes, illas, illos (Pl.)<br />

R: kesto, kesta - kello, kella -<br />

kestoj, kestaj (Pl.)<br />

kelloj, kellaj (Pl.)<br />

Am einfachsten ist es hier im <strong>Esperanto</strong> mit nur vier Formen,<br />

während das <strong>Realisanto</strong> mit auch nur acht, die eine genauere<br />

Nuancierung als im <strong>Esperanto</strong> ermöglichen, auch noch leicht zu<br />

handhaben ist.<br />

Warum die Demonstrativpronomina, wie die Fürworter «dieser»<br />

usw. und «jener» usw. in der Fachsprache genannt werden, im<br />

<strong>Interlingua</strong> in alle drei Geschlechter eingeteilt worden sind,<br />

obwohl in dieser Sprache zwischen den Geschlechtern nicht<br />

unterschieden wird, wie es immer wieder heisst, ist mir<br />

schleierhaft. Es soll zwar nach dem biologischen Geschlecht<br />

unterschieden werden - aber wie kann ich zum Beispiel bei<br />

einem Hund auf den ersten Blick wissen, ob er männlich oder<br />

weiblich ist? Der Ausdruck «das moderne Latein» für das<br />

<strong>Interlingua</strong>, obwohl das Latine sine flexione hier viel genauer ist,<br />

hat hier wenigstens seine Berechtigung gefunden: Mindestens<br />

die Formen für «jener» usw. sind mit denen im Latein fast überall<br />

identisch.<br />

Am kompliziertesten ist es hier eindeutig im <strong>Ido</strong>, deshalb gehe<br />

56


ich erst jetzt näher darauf ein. Voll verwendet werden nur «ica»<br />

und «ita», weil «ico» und «ito» in sächlichem Sinn nur für<br />

allgemeine Aussagen verwendet werden und «ici» und «iti» nur<br />

alleinstehend zum Zug kommen. Die sechs Varianten in<br />

Klammern (ca, ta, ci - ti, co, to) werden nur dann verwendet,<br />

wenn der Satzrhythmus und der Satzklang das ermöglichen.<br />

Das ist aber noch nicht alles: Wenn ein Geschlecht, das es im<br />

<strong>Ido</strong> eigentlich auch nicht gibt, wie es immer heisst, besonders<br />

hervorgehoben werden soll, gibt es noch neun weitere Varianten:<br />

ilca, elca, olca - ilta, elta, olta - ilqua, elqua, olqua<br />

Hier sind die Personalpronomina enthalten, auf die ich weiter<br />

unten in einem eigenen Kapitel noch näher eingehen werde.<br />

Für einfache <strong>Ido</strong>-Gespräche genügen «ica» und «ita», weil sie<br />

auch für die Mehrzahl verwendet werden können.<br />

Auf einer Tabelle sieht das Ganze so aus:<br />

D: dieser Mann diese Frau jener Mann jene Frau<br />

E: cxi tiu viro cxi tiu virino tiu viro tiu virino<br />

ID: ica virulo ica virino ita virulo ita virino<br />

IN: iste homine ista femine ille homine illa femine<br />

R: kesto viro kesta fémina kello viro kella fémina<br />

D: diese Männer diese Frauen jene Männer jene Frauen<br />

E: cxi tiuj viroj cxi tiuj virinoj tiuj viroj tiuj virinoj<br />

ID: ica viruli ica virini ita viruli ita virini<br />

IN: istes homines istas feminas illes homines illas feminas<br />

R: kestoj viroj kestaj féminaj kelloj viroj kellaj féminaj<br />

Bei den Deklinationen verhält es sich gleich, nur sind im<br />

<strong>Esperanto</strong> wieder die strengen Regeln mit dem stets<br />

57


unveränderlichen «al» im Dativ und dem ebenso<br />

unveränderlichen Endungs-n im Akkusativ zu beachten:<br />

E: de cxi tiu viro, de cxi tiu virino, de tiu viro, de tiu virino;<br />

de cxi tiuj viroj, de cxi tiuj virinoj, de tiuj viroj, de tiuj virinoj -<br />

al cxi tiu viro, al cxi tiu virino, al tiu viro, al tiu virino;<br />

al cxi tiuj viroj, al cxi tiuj virinoj, al tiuj viroj, al tiuj virinoj -<br />

cxi tiun viron, cxi tiun virinon, tiun viron, tiun virinon;<br />

cxi tiujn virojn, cxi tiujn virinojn, tiujn virojn, tiujn virinojn<br />

ID: d’ica virulo, d’ica virino, d’ita virulo, d’ita virino;<br />

d’ica viruli, d’ica virini, d’ita viruli, d’ita virini -<br />

ad ica virulo, ad ica virino, ad ita virulo, ad ita virino;<br />

ad ica viruli, ad ica virini, ad ita viruli, ad ita virini<br />

IN: d’iste homine, d’ista femina, d’ille homine, d’illa femina;<br />

d’istes homines, d’istas feminas, d’illes homines,<br />

d’illas feminas -<br />

ad iste homine, ad ista femina, ad ille homine,<br />

ad illa femina;<br />

ad istes homines, ad istas feminas, ad illes homines,<br />

ad illas feminas<br />

R: de kesto viro, de kesta fémina, de kello viro, de kella<br />

fémina;<br />

de kestoj viroj, de kestaj féminaj, de kelloj viroj,<br />

de kellaj féminaj -<br />

a kesto viro, a kesta fémina, a kello viro, a kella fémina;<br />

a kestoj viroj, a kestaj féminaj, a kelloj viroj, a kellaj féminaj<br />

Da der Akkusativ im <strong>Ido</strong>, <strong>Interlingua</strong> und <strong>Realisanto</strong> mit dem<br />

Nominativ wie oben gesehen identisch ist, führe ich ihn hier nicht<br />

auf.<br />

Im <strong>Ido</strong> und im <strong>Interlingua</strong>, wo die Genitiv-Partikel alleinstehend<br />

«di» lautet, verschmelzt diese mit den beiden<br />

Demonstrativpronomina:<br />

58


d’ica, d’ita - d’iste, d’ista …<br />

Sowohl im <strong>Ido</strong> als auch im <strong>Interlingua</strong> kann im Dativ «ad»<br />

verwendet werden, wenn das nächste Wort mit einem Vokal<br />

beginnt:<br />

ad ica virulo, ad iste homine …<br />

Hier ist deutlich zu erkennen, dass das <strong>Ido</strong> und das <strong>Realisanto</strong><br />

am leichtesten sind, während die beiden anderen dafür, dass sie<br />

Plansprachen sein sollen, erstaunliche Schwierigkeiten bieten -<br />

sogar das <strong>Interlingua</strong>, dessen Anghängerschaft immer wieder<br />

betont, wie leicht ihre Sprache zu lernen ist.<br />

Die Relativpronomina<br />

Hier ist es im Vergleich zum obigen Kapitel in allen vier Sprachen<br />

erfrischend einfach, wie die untere Tabelle zeigt:<br />

D: derjenige, der … diejenigen, die …<br />

diejenige, die …<br />

(m.+f.+s.)<br />

dasjenige, das …<br />

E: tiu kiu … tiuj kiuj …<br />

ID: ta qua …<br />

ti qui …<br />

IN: … qui, … cuje<br />

… qui, … cuje<br />

le cual …<br />

le cual …<br />

que (Akkusativ)<br />

que (Akkusativ)<br />

E: lo ki (m.) … la ki (f.) … los ki (m.) … las ki (f.) …<br />

lo kualo (m.),<br />

la kualoj (m.),<br />

la kuala (f.)<br />

la kualaj (f.)<br />

kin (Akkusativ)<br />

kin (Akkusativ)<br />

Im <strong>Esperanto</strong> und im <strong>Ido</strong> gibt es in der Einzahl noch die<br />

Ausdrücke «tio kio …» und «to quo …», die als sächlich gelten<br />

59


und für allgemeine Feststellungen verwendet werden:<br />

das, was gut ist<br />

Esp: tio kio estas bona<br />

<strong>Ido</strong>: to quo esas bona<br />

Im <strong>Realisanto</strong> wird als einziger Sprache sowohl in der Einzahl als<br />

auch in der Mehrzahl zwischen dem männlichen und weiblichen<br />

Geschlecht unterschieden:<br />

lo ki, la ki, los ki, las ki …<br />

Im Akkusativ wird «kin » verwendet, um Verwechslungen mit<br />

dem «ki» im Nominativ zu vermeiden. Im Genitiv und Dativ heisst<br />

es aber wieder «de ki» und «a ki».<br />

Auch hier wird gleich wie oben dekliniert, wobei auch hier im<br />

<strong>Esperanto</strong> das stets unveränderliche «al» im Dativ und das<br />

ebenso unveränderliche Endungs-n beachtet werden müssen:<br />

D: Der Mann, der diese Frau liebt.<br />

E: La viro kiu amas cxi tiun virinon.<br />

ID: La virulo quo amas ica virino.<br />

IN: Le homine qui amas ista femina.<br />

R: Lo viro ki amas kesta fémina.<br />

D: Die Frau, die diesen Mann liebt.<br />

E: La virino kiu amas cxi tiun viron.<br />

ID: La virino quo amas ica virulo.<br />

IN: La femina qui ama iste homine.<br />

R: La fémina ki amas kesto viro.<br />

D: Die Männer und Frauen, die diese Kinder lieben.<br />

E: La viroj kaj virinoj ki amas cxi tiujn infanojn.<br />

ID: La viruli e virini quo amas ica infanti. *<br />

IN: Le homines e feminas qui ama istes infantes.<br />

R: La viroj e féminaj ki amas kestoj infanoj.<br />

60


D: Der Mann, den ich liebe. Die Frau, die ich liebe.<br />

E: La viro tiun kiun mi amas. La virino tiun kiun mi amas.<br />

ID: La virulo qua me amas. La virino qua me amas.<br />

IN: Le homine que io ama. Le femina que io ama.<br />

R: Lo viro kin mi amas. La fémina kin mi amas.<br />

* Im <strong>Ido</strong> kann anstelle von «e» auch «ed» verwendet werden,<br />

wenn direkt danach ein Vokal folgt, und das Gleiche gilt mit «et»<br />

(neben «kaj») für das <strong>Realisanto</strong>, dagegen nicht für das<br />

<strong>Interlingua</strong>. Am wenigsten flexibel ist auch hier das <strong>Esperanto</strong> mit<br />

der einzig zugelassenen Variante «kaj».<br />

Im <strong>Interlingua</strong> und im <strong>Realisanto</strong> ist es möglich, ähnlich wie in<br />

den meisten romanischen Sprachen (lequel, il quale, el cual, o<br />

qual usw.) die Varianten «le cual» und «lo kualo» usw. zu<br />

verwenden, wobei sie mehr in der Schriftsprache vorkommen,<br />

und im Genitiv ist im ersteren auch «cuje» erlaubt. Dagegen<br />

kennen das <strong>Esperanto</strong> und das <strong>Ido</strong> diese Varianten nicht, sie<br />

müssen genauso wie der Dativ mit den oben aufgeführten<br />

Relativpronomina umschrieben werden.<br />

D: Das ist der Mann, dessen Schwester ich liebe.<br />

E: Cxi tiu estas la viro de kiu mi amas la fratinon.<br />

ID: Ica esas la virulo di qua me amas la fratino.<br />

IN: Iste es le homine del cual io ama le soror.<br />

Iste es le homine cuje io ama le soror.<br />

R: Kesto estas lo viro de ki mi amas la sestra/la sora.<br />

Kesto estas lo viro del kualo mi amas la sestra/la sora.<br />

D: Das ist die Frau, deren Bruder ich liebe.<br />

E: Cxi tiu estas la virino ke kiu mi amas la fraton.<br />

ID: Ica esas la virino di qua me amas la fratulo.<br />

IN: Iste/ista es la femina del cual io ama le frate. *<br />

Iste/ista es la femina cuje io ama le frate.<br />

R: Kesto/kesta estas la fémina de ki mi amas lo frato/<br />

lo brato. *<br />

61


Kesto/kesta estas la fémina de la kuala mi amas lo frato/<br />

lo brato.<br />

D: Das ist das Kind, dem ich das Buch gebe.<br />

E: Cxi tiu estas la infano al kiu mi donas la libron.<br />

ID: Ica esas la infanto a qua me donas la libro.<br />

IN: Iste es le infante a le cual io dona le libro.<br />

Iste es le imfante al cual io dona le libro.<br />

R: Kesto estas lo infano a ki mi donas lo libro.<br />

D: Das sind die Kinder, denen ich die Bücher gebe.<br />

E: Cxi tiuj estas la infanoj al kiuj mi donas la librojn.<br />

ID: Ici esas la infanti a qui me donas la libri. **<br />

IN: Iste/istes es le infantes a le cual io dona le libros. *<br />

R: Kesto/kestoj estas la infanoj a ki mi donas la libroj. *<br />

Kesto/kestoj estas la infanoj a la kualoj mi donas la<br />

libroj.<br />

Im <strong>Esperanto</strong> kann in solchen Sätzen das ganz vorn stehende<br />

Wort «cxi» auch weggelassen werden, weil «tiu» und «tiuj» - und<br />

zudem «tio» - hier den Sinn von «dieser» usw. bereits enthalten.<br />

* Je nachdem, wie die betreffenden Personen gerade gesehen<br />

werden, können im <strong>Interlingua</strong> und im <strong>Realisanto</strong> beide<br />

Varianten verwendet werden.<br />

** Hier ist im <strong>Ido</strong> «ici» möglich, weil es nicht direkt mit einem<br />

anderen Wort verbunden wird.<br />

D: Ursula und Elena sind die Frauen, die diesen Mann<br />

lieben.<br />

E: Ursula kaj Elena estas la virinoj kiuj amas cxi tiun viron.<br />

ID: Ursula ed Elena esas la virini qui amas ica viro.<br />

IN: Ursula e Elena es le feminas qui ama iste homine.<br />

R: Ursula et Elena estas la féminaj ki amas kesto viro.<br />

62


D: Ursula und Elena sind die Frauen, die Hans liebt.<br />

E: Ursula kaj Elena estas la virinoj kiujn Hans amas.<br />

ID: Ursula ed Elena esas la virini qui Hans amas.<br />

IN: Ursula e Elena es la feminas que Hans ama.<br />

R: Ursula et Elena estas la féminaj kin Hans amas.<br />

D: Ursula und Elena sind die Frauen, denen Hans das Herz<br />

gibt.<br />

E: Ursula kaj Elena estas la virinoj al kiuj Hans donas la koron.<br />

ID: Ursula ed Elena esas la virini a qui Hans donas la kordio<br />

(«kórdio» ausgesprochen).<br />

IN: Ursula e Elena es le feminas a qui Hans donas le cor.<br />

R: Ursula et Elena estas la féminaj a ki Hans donas lo koro.<br />

Wenn ein Relativpronomen mit einer Präposition bzw. mit einem<br />

Verhältniswort verbunden wird, ist es für das Auge besser, ein<br />

Komma mitzuverwenden, doch ausser beim <strong>Realisanto</strong> ist diese<br />

Variante umstritten, obwohl sie nicht direkt als falsch gilt:<br />

D: Das ist die Frau, mit der ich leben will.<br />

E: Cxi tiu estas la virino, kun kiu mi volas vivi.<br />

ID: Ica esas la virino, kun qua me volas vivar.<br />

IN: Iste/ista es la femina, kun qui io vole viver.<br />

R: Kesto/kesta estas la fémina, kun ki mi volas vivi.<br />

Kesto/kesta estas la fémina, kun la kuala mi volas vivi.<br />

In solchen Sätzen ist es im <strong>Ido</strong> möglich, auch die Infinive des<br />

Imperfekts und des Futurs zu verwenden:<br />

D: Das war die Frau, mit der ich leben wollte.<br />

E: Cxi tiu estis la virino, kun kiu mi volis vivi.<br />

ID: Ica esis la virino, kun qua me volis vivir. (nicht «vivar»)<br />

IN: Iste/ista esseva la femina, kun qui io voleva viver.<br />

R: Kesto/kesta estis la fémina, kun ki mi volis vivi.<br />

Kesto/kesta estis la fémina, kun la kuala mi volis vivi.<br />

63


Ob diese Imperfekt-Variante «vivir» von den Idisten in den<br />

Alltagsgesprächen allerdings wirklich zum Zug kam, wage ich zu<br />

bezweifeln - und es ist nicht mehr möglich, noch lebende<br />

Zeitzeugen aus der goldenen Zeit dieser Sprache (bis zum Jahr<br />

1933) zu fragen, wie es wirklich war. Nach meinem Eindruck<br />

wurden diese beiden sicher überflüssigen Infinitve geschaffen,<br />

um sich auch in diesem Bereich vom <strong>Esperanto</strong> abzugrenzen,<br />

doch die einheitliche Infinitiv-Endung auf «-i», wie sie das<br />

<strong>Esperanto</strong> und das <strong>Realisanto</strong> aufweisen, sind viel einfacher und<br />

übertreffen darin auch die drei Infinitivformen im <strong>Interlingua</strong>.<br />

Die Personalpronomina<br />

(Die persönlichen Fürwörter)<br />

Auch hier unterscheiden sich die vier Sprachen deutlich<br />

voneinander, sogar noch mehr als in vielen anderen Bereichen:<br />

E: <strong>Ido</strong>: Int.: R:<br />

ich mi me io mi<br />

du vi tu tu ti<br />

er li il, ilu, lu ille li<br />

sie sxi el, elu, lu illa shi<br />

es gxi ol, olu, lu illo dzhi<br />

man oni on on si<br />

Sie (Sg.) vi vu vos Vi, Li, Shi<br />

wir ni ni nos ni<br />

ihr vi vu vos vi<br />

sie ili li, ili (m.) illes (m.) ili<br />

li, eli (f.) illas (f.)<br />

li, oli (s.) illos (s.)<br />

Sie (Pl.) vi vi vos Vi, Ili<br />

Die drei vordersten <strong>Ido</strong>-Wörter in der Einzahl (il, el, ol) und dazu<br />

auch «li» in der Mehrzahl sind die meistverwendeten und stehen<br />

64


meistens am Satzanfang. Die sechs längeren <strong>Ido</strong>-Wörter (ilu, elu,<br />

olu - ili, eli, oli) werden nur bei einer Betonung verwendet. Die<br />

Wörter «lu» und zudem «li» kommen dann vor, wenn es in der<br />

Einzahl nicht klar ist, um welches Geschlecht es sich handelt,<br />

und wenn es in der Mehrzahl nicht darauf ankommt.<br />

Das sind nur die Personalpronomina im Nominativ. Der<br />

Akkusativ lautet im <strong>Ido</strong> in der Einzahl «te», und im <strong>Esperanto</strong> und<br />

<strong>Realisanto</strong> wird in diesem Kasus (Fall) hinten bei den<br />

Substantiven, Eigennamen und Adjektiven ein «n» angehängt -<br />

im <strong>Esperanto</strong> immer, aber in den beiden anderen nur dann, wenn<br />

es vor allem bei einem Satzbeginn unumgänglich ist -, während<br />

im Genitiv die oben schon aufgeführten (de, d’) «de» stehen, und<br />

im Dativ kommen im <strong>Esperanto</strong> wie oben «al» und im <strong>Ido</strong> und<br />

<strong>Realisanto</strong> «a» (vor einem Konsonanten) und «ad» (vor einem<br />

Vokal) zum Zug. Ansonsten bleiben alle unveränderlich,<br />

dagegen hat das <strong>Interlingua</strong> für den Dativ und den Akkusativ<br />

noch weitere Wörter:<br />

mir, mich: me<br />

ihm, ihn: le<br />

ihr, sie: la<br />

ihm, es: lo<br />

ihnen, sie (m.): les<br />

ihnen, sie (f.) : las<br />

ihnen, sie (s.) : los<br />

Nur die erste und zweite Person Mehrzahl (nos, vos) bleiben<br />

unverändert. Von einer wirklichen Vereinfachung ist also auch<br />

hier nach einer 27-jährigen Vorbereitungszeit nichts zu sehen.<br />

Das «vi» im <strong>Esperanto</strong> für «du» war zwar gut gemeint, weil im<br />

Jahr 1887 die Klassen- und Kastenunterschiede auch in Europa<br />

immer noch so krass waren, dass ein Wegfallen der Sie-Form<br />

sich geradezu aufdrängte, aber es ermöglicht nicht die gleiche<br />

seelische Intimität wie «tu», das in den meisten romanischen<br />

Sprachen vorkommt, oder wie «ti», das für die meisten<br />

slawischen Sprachen steht und das ich für das <strong>Realisanto</strong><br />

65


übernommen habe. Diese fehlende Intimität haben schon die<br />

Idisten erkannt; dementsprechend ersetzten sie es in der Einzahl<br />

durch «tu», während die Höflichkeitsformen in der Einzahl «vu»<br />

und in der Mehrzahl «vi» lauten. Das letztere ist damit nicht nur<br />

mit «ihr» identisch, sondern entspricht auch dem <strong>Esperanto</strong>-<br />

Wort.<br />

Die mit einem grossen Buchstaben beginnenden<br />

Höflichkeitswörter im <strong>Realisanto</strong> für «Sie» wirken sich nur auf die<br />

Schriftsprache aus und sorgen beim Lesen für eine deutlichere<br />

Unterscheidung. Die beiden dritten Personen und vor allem die<br />

in der Einzahl mögen für die heutige Zeit überholt scheinen, aber<br />

nur im Deutschen. Die noch bis vor 200 Jahren in den<br />

gehobenen Kreisen üblichen Redewendungen (kommt Er? geht<br />

Sie? usw.) werden noch heute in vielen modernen europäischen<br />

Sprachen verwendet. So sind im Schwedischen, das ich von<br />

allen nordeuropäischen Sprachen am besten kenne - was<br />

eigentlich für einen halben Finnen logisch ist -, noch heute<br />

anstelle der offiziellen Sie-Form «ni» solche Sätze zu hören:<br />

Kommen Sie?<br />

Kommer ni?<br />

Kommer herrn?<br />

Kommer damen?<br />

Kommer herrarna?<br />

Kommer damerna?<br />

Wörtlich: Kommt der Herr? Kommt die Dame?<br />

Kommen die Herren? Kommen die Damen?<br />

Ist das Ihr Hund? Är det herrns hund?<br />

Är det damens hund?<br />

Der weit verbreitete Glaube, dass heute in Nordeuropa alle sich<br />

duzen, stimmt nicht zu hundert Prozent, weil sogenannte<br />

Respektspersonen wie Ministerpräsidenten und erst recht<br />

solche, die den Königsfamilien angehören, nach wie vor gesiezt<br />

werden. Von einem Bekannten habe ich sogar gehört, dass in<br />

66


Norwegen viele Pfarrer sich auf dem Land noch heute auch<br />

während der Woche «uniformiert» zeigen und dementsprechend<br />

mit «Sie» angesprochen werden.<br />

Im Niederländischen und in seinem Sog auch im Afrikaans nimmt<br />

das Wort «U», das in beiden Sprachen auch mit einem kleinen<br />

Buchstaben beginnen kann, mehr eine Zwischenstellung<br />

zwischen «du» und «Sie» ein, während das eigentliche<br />

Respektswort im Niederländischen «Gij» und im Afrikaans «Gy»<br />

lautet und dementsprechend auch in der Bibel häufig vorkommt.<br />

Allerdings sind die Grenzen auch hier fliessend, so hat dieses<br />

Wort in Belgien im Gegensatz zum klassischen<br />

Niederländischen den ursprünglichen «Respekt» fast<br />

eingebüsst.<br />

In fast allen romanischen Sprachen und zudem im Polnischen,<br />

das eindeutig die konservativste und zudem am schwierigsten zu<br />

erlernende slawische Sprache ist, gilt dagegen die dritte Person<br />

sowohl in der Einzahl als auch in der Mehrzahl als die elegantere<br />

Variante, um eine Höflichkeit auszudrücken, als die zweite<br />

Person Mehrzahl.<br />

Die Höflichkeitswörter lauten in allen Sprachen mit der dritten<br />

Person so, wobei die rechts ausgeführten Wörter der zweiten<br />

Person Mehrzahl ebenfalls möglich sind:<br />

Italienisch: Lei (Sg.), Loro (Pl.) Voi<br />

Friaulisch: Lui (Sg.m.), Lei (Sg.f.); Lôr (Pl.) Vô<br />

Engadinisch: El, Ella (Sg.); Els, Ellas (Pl.) Vus,<br />

Vo (alt)<br />

Rumänisch: dumneavoastra Voi<br />

Nordsardisch: Bostè (Sg.), Bois (Pl.) * Bois *<br />

Südsardisch: Fustei (Sg.), Fusteti (Pl.) * Bosatrus (m.),<br />

Bosatras (f.) *<br />

Katalanisch: Vostè (Sg.), Vostès (Pl.) Vosaltres<br />

Spanisch: Usted (Sg.). Ustedes (Pl.) Vosotros (m.),<br />

Vosotras (f.)<br />

67


Portugiesisch: o senhor, a senhora (Sg.), Vós<br />

os senhores, as senhoras (Pl.)<br />

Polnisch: Pan (m.), Pani (f.); Wy<br />

Panna (Fräulein), Panowie (Pl.)<br />

* Zu Sardinien ist noch zu ergänzen, dass es in Wirklichkeit je<br />

nach Dorf und je nach Person immer noch fast zwanzig mögliche<br />

Sie-Varianten gibt. Wer wissen will, wie diese aussehen, kann in<br />

meinem Buch «Lehrbuch des Sardischen» nachschauen.<br />

Im Französischen gibt es bekanntlich nur «vous», während das<br />

Surselvische, das westlich von Ilanz in allen Seitentälern in<br />

verschiedenen Varianten bis hinauf zum Gotthardmassiv<br />

gesprochen wird, nur «vus» kennt. Im Surmeirischen, das in<br />

Mittelbünden südlich von Chur nur noch von knapp 2'000<br />

Personen gesprochen wird, gibt es neben «vous», das<br />

tatsächlich wie «wo-us» gesprochen wird - also nicht so wie im<br />

Französischen -, noch das uralte Wort «Els», das heute aber nur<br />

noch in der Mehrzahl vorkommt und allein für die wenigen noch<br />

vorhandenen Geistlichen verwendet wird.<br />

Die meisten Varianten stellen nach dem Sardischen also das<br />

Engadinische, wo heute im mündlichen Gebrauch aber fast nur<br />

noch «Vus» zu hören ist, und das Portugiesische. Die vier<br />

portugiesischen Wörter sind noch heute sowohl in Portugal und<br />

Brasilien als auch in den ehemaligen portugiesischen die<br />

meistverwendeten - und zwar derart, dass nicht nur die Kinder<br />

ihre Eltern und Pateneltern auch dann duzen, wenn sie schon<br />

längst erwachsen sind, sondern auch die Pateneltern<br />

untereinander, was ich in Brasilien selbst erlebt habe.<br />

Im lateinamerikanischen Spanischen, das sich nach den Worten<br />

eines Schweizer Bekannten, der in Peru aufgewachsen ist, nicht<br />

so stark vom europäischen Kastilianischen unterscheidet wie<br />

das Brasilianische vom europäischen Portugiesischen, so dass<br />

68


alle von Mexiko bis Feuerland sich untereinander ohne Probleme<br />

verstehen können, werden «Usted» und «Ustedes» für «du» und<br />

«ihr» verwendet, wobei sie dann mit einem kleinen Buchstaben<br />

beginnen. Zugleich steht «vos» anstelle von «vosotros» und<br />

«vosotras» - so wie auch «nos» anstelle von «nosotros» und<br />

«nosotras» -, und es kann sowohl in der Einzahl als auch in der<br />

Mehrzahl mit der gleichen Verform verwendet werden. Das gilt<br />

jedoch überwiegend nur für den mündlichen Gebrauch, weil auch<br />

in Lateinamerika immer noch das klassische Spanische und<br />

klassische Portugiesische unterrichtet werden, von denen vor<br />

allem das letztere noch mittelalterliche Züge aufweist. Wer das<br />

bezweifelt, soll einmal versuchen, in der Bibel etwas zu lesen,<br />

aber auch das Nationalepos «Os Lusíadas» von Luís Vaz de<br />

Camões, das die Epoche der Eroberungen in aller Welt<br />

verherrlicht und noch heute als das grösste Werk in dieser<br />

Sprache gilt, ist nicht überall leicht zu verstehen.<br />

Die interessanteste Wandlung im Bereich der Höflichkeitswörter<br />

hat sicher das Englische erfahren, das sich seit der erfolgreichen<br />

Invasion der Normannen im Jahr 1066 bekanntlich zu einer<br />

angelsächsisch-romanischen Mischsprache entwickelt hat. Das<br />

Wort «you» wurde ursprünglich als Höflichkeitswort verwendet,<br />

während das einfache «thou», das noch heute im Isländischen<br />

und Färöischen fast identisch ist, im Verlauf der vielen<br />

Jahrhunderte derart umgestaltet worden ist, dass es heute als<br />

etwas veraltetes Höflichkeitswört empfunden wird und<br />

dementsprechend auch in der Bibel steht. Das Gleiche gilt für die<br />

von ihm abgeleiteten Wörter «Thee» (dich), «Thy» (dein) und<br />

«Thyne» (der/die/das Deinige).<br />

Es gibt also gute Gründe dafür, dass die Höflichkeitswörter der<br />

beiden dritten Personen im <strong>Realisanto</strong> wieder eingeführt worden<br />

sind. Allerdings genügt es, auch hier das mit dem <strong>Esperanto</strong> und<br />

<strong>Ido</strong> identische «vi» zu verwenden, weil im mündlichen Gebrauch<br />

ja nicht herauszuhören ist, ob es mit einem grossen oder einem<br />

kleinen «v» geschrieben wird.<br />

69


Weiter oben habe ich geschrieben, dass im <strong>Esperanto</strong> das<br />

Akkusativ-n immer angehängt werden muss, während es im <strong>Ido</strong><br />

und <strong>Realisanto</strong> nur am Beginn eines Satzes obligatorisch ist,<br />

damit Missverständnisse vermieden werden, aber auch das<br />

unveränderliche «al» ist im Dativ immer vorgeschrieben:<br />

D: Dich liebe ich und nur dich.<br />

E: Vin mi amas kaj nur vin.<br />

ID: Ten me amas e nur ten.<br />

IN: Te io ama e solo te.<br />

R: Tin mi amas e sole tin.<br />

Tin amas mi e sole tin. *<br />

D: Sie liebe ich und nur sie.<br />

E: Sxin mi amas kaj nur sxin.<br />

ID: Elun me amas e nur elun. **<br />

IN: Illa io ama e solo illa.<br />

R: Shin mi amas e sole shin.<br />

Shin amas mi e sole shin. *<br />

D: Dir gebe ich das Buch und nur dir.<br />

E: Al vi mi donas la libron kaj nur al vi.<br />

ID: A te me donas la libro e nur a te.<br />

IN: A te io dona le libro e solo a te.<br />

R: A ti mi donas lo libro e sole a ti.<br />

A ti donas mi lo libro e sole a ti. *<br />

D: Ihr gebe ich das Buch und nur ihr.<br />

E: Al sxi mi donas la libron kaj nur al sxi.<br />

ID: Ad elu me donas la libro e nur ad elu. **<br />

IN: Ad illa io dona le libro e solo ad illa.<br />

R: A shi mi donas lo libro et sole a shi.<br />

A shi donas mi lo libro et sole a shi. *<br />

* In der lockeren Umgangssprache kann im <strong>Realisanto</strong> auch «tin<br />

amas mi» und «a ti donas mi» usw. gesagt werden, also die<br />

germanische Variante.<br />

70


** Hier können die betonten weiblichen Varianten «elun» und «ad<br />

elu» im <strong>Ido</strong> gut gesehen werden.<br />

Die Sätze «mich liebt er und nur mich» sowie «mich liebt sie und<br />

nur mich» lauten dagegen so:<br />

Men il amas e nur men. - Men el amas e nur men.<br />

Das weibliche Wort «el» darf nicht mit dem bestimmten<br />

männlichen Artikel im Spanischen und Katalanischen<br />

verwechselt werden.<br />

Um wie viel formenreicher und damit auch freier als die drei<br />

anderen Sprachen das <strong>Realisanto</strong> ist, zeigt sich besonders in<br />

den Fragesätzen:<br />

D: Kommst du? Kommen Sie?<br />

E: Cxu vi venas? Cxu vi venas?<br />

ID: Ka tu venas? Ka vu venas? (Sg.) *<br />

Ka vi venas? (Pl.)<br />

IN: (Esque) tu veni? (Esque) vos veni?<br />

Veni tu?<br />

Veni vos?<br />

R: (Chu) ti venas? (Chu) Vi/Li/Shi/Ili venas?<br />

Venas ti?<br />

Venas Vi/Li/Shi/Ili?<br />

* Im <strong>Ido</strong> wird vor einem Konsonanten «ka» und vor einem Vokal<br />

«kad» verwendet:<br />

Kommt er? = Kad il venas?<br />

Kommt sie? = Kad el venas?<br />

Allerdings habe ich auch schon Sätze gesehen, in denen «kad»<br />

auch vor einem Konsonanten stand.<br />

71


Diese vielen Nuancen, die im <strong>Realisanto</strong> im Gegensatz zu den<br />

drei anderen Sprachen möglich sind, machen diese Sprache<br />

nicht schwerer, weil ja auch hier alle Verbformen in der gleichen<br />

Zeit identisch sind.<br />

Die Inversion in den vier oberen kurzen Beispielsätzen und in<br />

den Fragesätzen, auf die ich weiter unten in einem Spezialkapitel<br />

noch näher eingehen werde, entspricht dem lockeren Geist im<br />

<strong>Realisanto</strong>, das wie oben gesehen neben einer romanischen<br />

auch eine germanische Variante aufweist. Das vom <strong>Esperanto</strong><br />

stammende Wort «chu» kann aber vor allem in längeren Sätzen<br />

ebenfalls verwendet werden, wenn es ansonsten zu kompliziert<br />

werden könnte.<br />

Dass diese Inversion, die in allen germanischen Sprachen üblich<br />

ist und sogar im Englischen in der lockeren Umgangssprache<br />

immer noch vorkommt, auch in mehreren romanischen Sprachen<br />

zu Hause ist, zeigen neben dem Friaulischen auch die<br />

rätoromanischen Dialekte (siehe in meinen Lehrbüchern für<br />

Friaulisch, Engadinisch, Surmeirisch und Surselvisch). Auch im<br />

Altfranzösischen, das bekanntlich vom Althochdeutschen noch<br />

stark beeinflusst wurde, und sogar noch im Mittelfranzösischen<br />

gehörte die Inversion zum normalen Alltag, und gerade dies ist<br />

eine Erklärung dafür, warum auch das Friaulische sie kennt, das<br />

im Gegensatz zum Rätoromanischen nicht so stark vom<br />

Deutschen, sondern jahrhundertelang vom Italienischen stark<br />

beeinflusst wurde, das keine Inversion hat.<br />

Ein kleines Beispiel: sono (IT) = ich bin, sie sind<br />

sono (FL) = sind sie<br />

(a son = sie sind)<br />

Zuletzt in diesem Kapitel noch dies: Gerade der etwas trockene<br />

Satz «mi amas vin», der auch «ich liebe euch» bedeutet, hat<br />

mich seinerzeit dazu inspiriert, das Wort «ti» in die Sprache<br />

72


einzuführen - und zu diesem Zeitpunkt kannte ich das <strong>Ido</strong> und<br />

das <strong>Interlingua</strong> noch nicht. Dieses «ti» und auch das «tu» in den<br />

beiden anderen Sprachen wirken nun einmal viel intimer und<br />

zärtlicher als «vi», wenn es darum geht, den meistverwendeten<br />

und beliebtesten Satz der ganzen Weltgeschichte zu sprechen<br />

und zu schreiben.<br />

Die Possessivpronomina<br />

(Die besitzanzeigenden Fürwörter)<br />

Hier gehen die vier Sprachen genauso wie bei den<br />

Personalpronomina auf völlig verschiedenen Wegen:<br />

R: <strong>Ido</strong>: Int.: R:<br />

mein(e) mia mea le mie mio, mia<br />

dein(e) via tea le tue tio, tia<br />

sein(e) lia lua, ilua le sue lio, lia<br />

ihr(e) sxia lua, elua shio, shia<br />

sein(e) gxia lua, olua dzhio, dzhia<br />

sein(e) * sia sua * le sue sio, sia *<br />

ihr(e)<br />

sein(e)<br />

Ihr(e) via vua Vio, Via<br />

Lio, Lia,<br />

Shio, Shia<br />

unser(e) nia nia le nostre nio, nia<br />

euer, eure via via le vostre vio, via<br />

ihr(e) ilia lia, ilia le lore ilio, ilia<br />

lia, elia<br />

lia, olia<br />

Ihr(e) via via le vostre Vio, Via<br />

Ilio, Ilia<br />

73


In der Mehrzahl sieht es so aus:<br />

meine miaj mei wie oben mioj, miaj<br />

deine viaj tui in der tioj, tiaj<br />

seine liaj lui, ilui Einzahl lioj, liaj<br />

ihre sxiaj lui, elui shioj, shiaj<br />

seine gxiaj lui, olui dzhioj, dziaj<br />

seine * siaj sui * sioj, siaj *<br />

ihre<br />

seine<br />

Ihr(e) viaj vui Vioj, Viaj<br />

Lioj, Liaj<br />

Shioj, Shiaj<br />

unsere niaj nia nioj, niaj<br />

eure viaj via vioj, viaj<br />

ihre iliaj lia, ilia ilioj, iliaj<br />

lia, elia<br />

lia, olia<br />

Ihre viaj via Vioj, Viaj<br />

Lioj, Liaj<br />

Das <strong>Realisanto</strong> ist die einzige Sprache, die hier sowohl in der<br />

Einzahl als auch in der Mehrzahl deutlich zwischen männlich und<br />

weiblich unterscheidet, was mögliche Missverständnisse von<br />

vornherein ausschliesst.<br />

Im <strong>Ido</strong> werden die sechs hinteren Varianten (ilua, elua, olua - ilia,<br />

elia, olia - ilui, elui, olui) nur bei einer Betonung verwendet, was<br />

aber schwierig ist, weil es in dieser Sprache offiziell ja keine<br />

verschiedenen Geschlechter gibt. Zudem dürfen die Varianten in<br />

der Mehrzahl, wo nur «nia» und «via» mit denen in der Einzahl<br />

identisch sind, nur allein stehen, also nicht mit einem Substantiv<br />

oder Adjektiv verbunden werden. Auch hier ist das <strong>Ido</strong>, das<br />

eigentlich eine Vereinfachung des <strong>Esperanto</strong>s sein sollte,<br />

komplizierter als die drei anderen Sprachen.<br />

74


Verwirrend ist die einseitige weibliche Variante vor allem dann,<br />

wenn diese Possessivpronomina in der Einzahl mit einem<br />

eindeutig männlichen Wort verbunden werden.<br />

Der Satz «du bist die meine» ist noch deutlich, wenn es sich um<br />

ein eindeutig weibliches Wort handelt:<br />

E: Vi estas la mia.<br />

ID: Tu esas la mea.<br />

IN: Tu es le mie.<br />

R: Ti estas la mia.<br />

Nur das <strong>Interlingua</strong> schert hier aus, weil es mit dem italienischen<br />

«le mie», wo aber die Mehrzahl gemeint ist, identisch ist.<br />

Die Verbindung zwischen dem bestimmten Artikel und dem<br />

Possessivpronomen kommt auch in diesen romanischen<br />

Sprachen vor:<br />

Italienisch, Friaulisch, Surmeirisch, Katalanisch und<br />

Portugiesisch.<br />

In der Mehrzahl ist die Verwendung des bestimmten Artikels<br />

immer obligatorisch - aber nicht in Brasilien -, während er in der<br />

Einzahl bei familiären Wörterm wegfallen kann, aber nur dann:<br />

Italienisch (il) mio padre i miei padri<br />

(la) mia mamma le mie mamme<br />

Portugiesisch (o) meu pai<br />

os meus pai<br />

(a) minha mãe (as) minhas mães<br />

Brasilianisch minha mãe minhas mães<br />

Wenn ein männliches Wort kommt - zum Beispiel im Satz «du<br />

bist der meine» und erst recht mit einem Eigennamen -, werden<br />

offensichtlich die Grenzen des gesunden Menschenverstandes<br />

gestreift, wenn nicht gar überschritten:<br />

75


E: Vi estas la mia. Hans estas la mia.<br />

ID: Tu esas la mea. Hans esas la mea.<br />

IN: Tu es le mie. Hans es le mie.<br />

R: Ti estas lo mio. Hans estas lo mio.<br />

Wer oder was um Himmels willen ist bei der vorderen Variante<br />

genau gemeint? Ein Mann, eine Frau oder sogar mehr als eine<br />

Frau, wie es die Variante im <strong>Interlingua</strong> vermuten lässt? Hier<br />

bietet das <strong>Realisanto</strong> also eindeutig die beste Variante, wie sie<br />

auch den romanischen Sprachen entspricht:<br />

Französisch<br />

Italienisch<br />

Katalanisch<br />

Balearisch<br />

Spanisch<br />

Portugiesisch<br />

Brasilianisch<br />

tu es le mien<br />

tu sei il mio<br />

tu ets el meu<br />

tu ets es meu<br />

tú eres el mio<br />

tu és o meu<br />

você é o meu<br />

Wie in den nordischen Sprachen unterscheiden auch das<br />

<strong>Esperanto</strong>, <strong>Ido</strong> und <strong>Realisanto</strong> - dagegen nicht das <strong>Interlingua</strong>,<br />

das hier am formenärmsten ist - zwischen zwei verschiedenen<br />

Arten von «sein» und «ihr». Die Varianten, die mit einem «s»<br />

beginnen, werden nur dann verwendet, wenn es sich um etwas<br />

Eigenes handelt, während die anderen sich auf andere Personen<br />

beziehen.<br />

Auch hier kann ich ein paar kleine Beispiele auf Schwedisch<br />

geben:<br />

Er liebt seinen Sohn (seinen eigenen).<br />

Han älskar sin son.<br />

Er liebt seinen Sohn (den eines anderen Mannes)<br />

Han älskar hans son.<br />

76


Sie liebt ihre Tochter (ihre eigene).<br />

Hon älskar sin dotter.<br />

Sie liebt ihre Tochter (die einer anderen Frau).<br />

Hon älskar hennes dotter.<br />

Genau gleich geht es im <strong>Esperanto</strong>, <strong>Ido</strong> und <strong>Realisanto</strong>:<br />

E: Li amas sian filon (seinen eigenen).<br />

Li amas lian filon (den eines anderen Mannes).<br />

ID: Lu amas sua filulo.<br />

Lu amas lua filulo.<br />

R: Li amas sio fílio.<br />

Li amas lio fílio.<br />

E: Sxi amas sian filinon (ihre eigene).<br />

Sxi amas lian filinon (die einer anderen Frau).<br />

ID: El amas sua filiino.<br />

El amas lua filiino.<br />

R: Shi amas sia fília.<br />

Shi amas lia fília.<br />

Sein und Haben in allen Zeiten<br />

Auf den ersten Blick gehört dieses Kapitel zu den einfachsten,<br />

weil die Personalpronomina in allen vier Sprachen wie oben<br />

angedeutet die gleichen Konjugationsformen aufweisen.<br />

Die Infinitive (Grundformen) der Verben «sein» und «haben»<br />

lauten so:<br />

E: esti havi<br />

ID: esar havar<br />

IN: esser haber<br />

R: esti havi<br />

77


Die stets identischen Infinitive werden im <strong>Esperanto</strong> und im<br />

<strong>Realisanto</strong> auf der zweitletzten Silbe betont, während die<br />

Betonung im <strong>Ido</strong> und im <strong>Interlingua</strong> auf die letzte Silbe fällt. Wie<br />

wir im nächsten Kapitel noch sehen werden, weist auch das<br />

<strong>Interlingua</strong> genauso wie das <strong>Ido</strong> drei verschiedene Infinitive auf,<br />

die aber keine Imperfekt- und Futurfunktion kennen.<br />

Da die Konjugationsformen in allen Personen identisch sind,<br />

beschränke ich mich von jetzt an auf die erste Person Einzahl:<br />

Präsens (Einfache Gegenwart)<br />

D: ich bin ich habe<br />

E: mi estas mi havas<br />

ID: me esas me havas<br />

IN: io es<br />

io ha<br />

R: mi estas mi havas<br />

Auch hier sind das <strong>Esperanto</strong> und <strong>Realisanto</strong> identisch, was für<br />

alle anderen Zeiten ebenfalls gilt.<br />

Die beiden Kurzformen «es» und «ha» im <strong>Interlingua</strong> scheinen<br />

auf den ersten Blick praktisch zu sein, aber es kann in einem<br />

schnellen Gespräch vorkommen, dass sie vor lauter Kürze<br />

buchstäblich verschluckt werden.<br />

Imperfekt (Einfache Vergangenheit)<br />

D: ich war ich hatte<br />

E: mi estis mi havis<br />

ID: me esis<br />

me havis<br />

IN: io esseva io habeva<br />

R: mi estis mi havis<br />

Das Imperfekt unterscheidet sich im <strong>Esperanto</strong>, <strong>Ido</strong> und<br />

78


<strong>Realisanto</strong> also nur durch die Endung «-is» von der Präsens-<br />

Endung «-as», während im <strong>Interlingua</strong> vor allem das vom Latein<br />

stammende «habeva» nicht zu übersehen ist.<br />

Futur I (Einfache Zukunft)<br />

D: ich werde sein ich werde haben<br />

E: mi estos mi havos<br />

ID: me esos<br />

me havos<br />

IN: io essera<br />

io habera<br />

R: mi estos mi havos<br />

Das Kennzeichen des einfachen Futurs ist im <strong>Esperanto</strong>, <strong>Ido</strong> und<br />

<strong>Realisanto</strong> die Verb-Endung «-os», während im <strong>Interlingua</strong> in<br />

dieer Zeit genauso wie in fast allen romanischen Sprachen die<br />

letzte Silbe betont wird. Zu den wenigen Ausnahmen gehören die<br />

erste und zweite Person Mehrzahl im Italienischen, die immer auf<br />

der zweitletzten Silbe betont werden, und das Sardische und<br />

Rumänische weise sogar Futur-Konjugationen auf, die von den<br />

anderen romanischen Sprachen völlig abweichen - siehe in<br />

meinen Büchern «Lehrbuch des Sardischen» und «Lehrbuch<br />

des Vulgärlateins», wo näher darauf eingegangen wird.<br />

Konditional I bzw. Konditional Präsens<br />

D: ich wäre, ich würde sein ich hätte, ich würde haben<br />

E: mi estus mi havus<br />

ID: me esus<br />

me havus<br />

IN: io esserea<br />

io haberea<br />

R: mi estus mi havus<br />

Das Kennzeichen des Konditionals Präsens, die auch als<br />

Möglichkeitsform des Präsens bezeichnet wird, ist im <strong>Esperanto</strong>,<br />

<strong>Ido</strong> und <strong>Realisanto</strong> die Verb-Endung «-us», während diese Zeit<br />

79


sich im <strong>Interlingua</strong> nur durch den eingeschobenen Vokal «e»<br />

vom Futur I unterscheidet, wobei die Betonung dann wie im<br />

Imperfekt auf die zweitletzte Silbe fällt:<br />

essera - esserea<br />

habera - haberea<br />

Mit diesen Verbformen werden auch die im Konjunktiv gebildet,<br />

wie wir weiter unten noch sehen werden. Es gibt im <strong>Interlingua</strong>,<br />

aber auch in den drei anderen Sprachen also keine eigenen<br />

Konjunktiv-Konjugationen.<br />

Bis jetzt war es noch leicht, aber von jetzt an geht es ans<br />

Eingemachte. Die zusammengesetzten Zeiten (Perfekt,<br />

Plusquamperfekt, Futur II, Konditional II bzw. Konditional<br />

Perfekt) sind nicht nur in fast allen anderen Sprachen schwieriger<br />

zu bilden, sondern auch in diesen vier Plansprachen, vor allem<br />

im <strong>Esperanto</strong> und <strong>Ido</strong>, wo sie allerdings nur selten vorkommen.<br />

Das liegt auch darin, dass in diesen beiden Sprachen streng<br />

genommen eigentlich keine zusammengesetzte Zeit der<br />

Vergangenheit verwendet wird, weil in ihrer Denkart das<br />

Imperfekt allein das ganze Spektrum abdeckt, wenn es darum<br />

geht, ein vergangenes Ereignis auszudrücken. Hier hat sich<br />

Zamenhof offensichtlich vom Polnischen und Russischen<br />

beeinflussen lassen, die genauso wie alle anderen ost- und<br />

westslawischen Sprachen formal kein Perfekt oder<br />

Plusquamperfekt kennen, und auch die Idisten haben sich von<br />

dieser Denkweise nicht ganz lösen können. Auch die nordischen<br />

und baltischen Sprachen, die diese zusammengesetzten Zeiten<br />

zwar aufweisen, verwenden fast nur das Imperfekt. Dabei wird<br />

im Litauischen noch zwischen einem Präteritum für einmalige<br />

Handlungen und einem Imperfektv für immer wieder<br />

vorkommende Handlungen unterschieden, und genauso wie im<br />

Lettischen werden die zusammengesetzten Zeiten nicht mit<br />

«haben», sondern mit «sein» gebildet.<br />

80


Was die südslawischen Sprachen betrifft, verwenden diese<br />

tatsächlich mehr die Zeit, die bei uns als Perfekt bekannt ist,<br />

während das Imperfekt, das Plusquamperfekt und der Aorist fast<br />

nur in der Schriftsprache vorkommen. Der Aorist ist eine<br />

besondere Zeit, die auch noch im Albanischen und<br />

Neugriechischen vorkommt, aber auch im ersteren fast nur<br />

schriftlich, weil auch dort die meistverwendete Zeit neben dem<br />

Präsens das Perfekt ist. Ganz anders verhält es sich im<br />

Griechischen; dort ist der Aorist genauso wie im Altertum neben<br />

dem Präsens die meistverwendete Zeit. Der Aorist kann locker<br />

ausgedrückt mit dem in den romanischen Sprachen<br />

vorkommenden historischen Perfekt verglichen werden, das im<br />

Französischen Passé simple, im Italienischen Passato remoto<br />

und im Spanischen Pasado definido lautet.<br />

Wenigstens kommt der Aorist bzw. das historische Perfekt in<br />

keiner dieser vier Plansprachen vor. In diesem Bereich bilden<br />

das <strong>Esperanto</strong> und <strong>Ido</strong> sowie das Interligua und <strong>Realisanto</strong><br />

jeweils eine eigene Gruppe, weil die ersteren «essi» und «esar»<br />

verwenden, während in den lertzteren «haber» und «havi» zum<br />

Zug kommen. Zudem weist das <strong>Ido</strong> noch eine zweite Variante in<br />

Form des Infixes «-ab-« auf, das zwischen dem Verbstamm und<br />

der Endung eingeschoben wird.<br />

Perfekt (Vorgegenwart)<br />

D: ich bin gewesen ich habe gehabt<br />

E: mi estas essinta mi estas havinta<br />

ID: me esas essinta, me esas havinta,<br />

me esabas<br />

me havabas<br />

IN: io ha essite<br />

io ha habite<br />

R: mi havas estato mi havas havito<br />

Genauso wie in den iberischen Sprachen Katalanisch, Spanisch<br />

81


und Portugiesisch wird im <strong>Interlingua</strong> und im <strong>Realisanto</strong> in den<br />

zusammengesetzten Zeiten wie oben erwähnt nur das Verb<br />

«haben» verwendet, was zugleich bedeutet, dass die Partizipien<br />

immer unveränderlich sind. Es muss also nicht so wie im<br />

Französischen oder Italienischen genau darauf geschaut<br />

werden, ob mit «sein» oder «haben» konjugiert wird und ob es<br />

sich um einen Mann, um eine Frau oder um eine gemischte<br />

Gruppe handelt, was nicht weniger als vier verschiedene<br />

Varianten ermöglicht. Das gilt im <strong>Realisanto</strong> aber nicht für die<br />

Passivformen, auf die ich weiter unten noch näher eingehen<br />

werde.<br />

Das <strong>Realisanto</strong>-Wort «estato» ist eine ideale Kombination des<br />

spanischen «estado» und des italienischen «stato»; das Gleiche<br />

gilt für das spanische «habido» («avído» ausgesprochen) und<br />

das italienische «avuto».<br />

Die beiden Wörter «ha» und «havas» kommen besonders viel<br />

vor, weil das Perfekt in den Alltagsgesprächen der romanischen<br />

Sprachen viel mehr verwendet wird als das Imperfekt. Dass das<br />

<strong>Interlingua</strong> und das <strong>Realisanto</strong> ein romanisches Gerüst haben,<br />

ist ja nie bestritten worden.<br />

Um das <strong>Ido</strong>-Infix «-ab-« zu erkennen, muss also ganz genau<br />

gelesen und hingehört werden. Gerade weil das so schwierig ist,<br />

kam es auch in der Blütezeit dieser Sprache von 1907 bis 1933<br />

sowohl im schriftlichen als auch im mündlichen Gebrauch nur<br />

selten vor.<br />

Dieses «essinta» im <strong>Esperanto</strong> und im <strong>Ido</strong> ist keineswegs die<br />

einzige Sonderform, die auf den ersten Blick gar nicht als ein<br />

Partizip erkannt werden kann. Es wird noch durch «essanta» und<br />

«essonta» bzw. durch «havanta» und «havonta» ergänzt, die im<br />

Englischen einerseits locker mit «I am being» und «I am having»<br />

sowie mit «I am going to be« und «I am going to have»<br />

wiedergegeben können. Die gleichen Feinheiten kommen im<br />

82


Imperfekt und Futur I vor, weiter unten werde ich in einem<br />

eigenen Kapitel ebenfalls noch näher darauf eingehen.<br />

Allerdings ist schon jetzt zu erwähnen, dass das <strong>Interlingua</strong> und<br />

das <strong>Realisanto</strong> zwar solche Verbformen kennen, die als<br />

Gerundien und Partizipien bezeichnet werden, aber keine<br />

solchen.<br />

Plusquamperfekt (Vorvergangenheit)<br />

D: ich war gewesen ich hatte gehabt<br />

E: mi estis essinta mi estis havinta<br />

ID: me esis essinta, me esis havinta,<br />

me esabis<br />

me havabis<br />

IN: io habeva essite io habeva habite<br />

R: mi havis estato mi havis havito<br />

Futur II (Vorzukunft bzw. abgeschlossene Zukunft)<br />

D: ich werde gewesen sein ich werde gehabt haben<br />

E: mi estos essinta mi estos havinta<br />

ID: me esos essinta,<br />

me esos havinta,<br />

me esabos<br />

me havabos<br />

IN: io habera essite<br />

io habera habite<br />

R: mi havos estato mi havos havito<br />

Konditional I bzw. Konditonal Perfekt<br />

D: ich wäre gewesen ich hätte gehabt<br />

E: mi estus essinta mi estus havinta<br />

ID: me esus essinta, me esus havinta,<br />

me esabus<br />

me havabus<br />

IN: io haberea essite io haberea habite<br />

R: mi havus estato mi havus havito<br />

83


Die beiden Konjunktivzeiten sind deshalb leicht zu bilden, weil<br />

sie mit denen im Konditional wie oben erwähnt identisch sind:<br />

D: wenn ich wäre wenn ich hätte<br />

E: se mi estus se mi havus<br />

ID: se me esus<br />

se me havus<br />

IN: se io esserea<br />

se io haberea<br />

R: se mi estus se mi havus<br />

D: wenn ich gewesen wäre wenn ich gehabt hätte<br />

E: se mi estus essinta se mi estus havinta<br />

ID: se me esus essinta, se me esus havinta,<br />

se me esabus<br />

se me havabus<br />

IN: se io haberea essite se io haberea habite<br />

R: se mi havus estato se mi havus havito<br />

Die übrigen Verben<br />

Mit allen anderen Verben läuft es gleich wie mit «sein» und<br />

«haben» - allerdings mit der Einschränkung, dass es im<br />

<strong>Interlingua</strong> je nach Infinitivendung drei verschiedene<br />

«Konjugationen» gibt und dass im <strong>Realisanto</strong> ein «r»<br />

eingeschoben wird, wenn zwei «i» direkt aufeinandertreffen<br />

würden.<br />

Die drei Infinitivendungen sind im <strong>Interlingua</strong> diese:<br />

-ar: amar (lieben)<br />

-er: vider (sehen)<br />

-ir: finir (beenden)<br />

Konjugiert werden sie, indem das «r» hinten einfach wegfällt:<br />

ich liebe io ama ich liebte io amava<br />

ich sehe io vide ich sah io videva<br />

ich beende io fini ich beendete io finiva<br />

84


ich werde lieben<br />

ich werde sehen<br />

ich werde beenden<br />

ich würde lieben<br />

ich würde sehen<br />

ich würde beenden<br />

io amara<br />

io videra<br />

io finira<br />

io amarea<br />

io viderea<br />

io finirea<br />

Die Partizipen lauten so: amate, vidite, finite (IN).<br />

amato, vidito, finito (R).<br />

Dementsprechend sehen die zusammengesetzten Zeiten in<br />

diesen beiden Sprachen so aus:<br />

ich habe geliebt/gesehen/beendet<br />

io ha amate/vidite/finite - mi havas amato/vidito/finito<br />

ich hatte geliebt/gesehen/beendet<br />

io habeva amate/vidite/finite - mi havis amato/vidito/finito<br />

ich werde geliebt/gesehen/beendet haben<br />

io habera amate/vidite/finite - mi havos amato/vidito/finito<br />

ich hätte geliebt/gesehen/beendet<br />

io haberea amate/vidite/finite - mi havus amato/vidito/finito<br />

wenn ich lieben/sehen/beenden würde<br />

se io amarea/viderea/finirea - se mi amus/vidus/finirus *<br />

wenn ich geliebt/gesehen/beendet hätte<br />

se io haberea amate/vidite/finite - se mi havus amato/vidito/<br />

finito<br />

* Die <strong>Realisanto</strong>-Konjugationen sehen in den einfachen Zeiten<br />

so aus:<br />

finiras, finiris, finiros, finirus - finiri (Infinitiv)<br />

85


Im <strong>Realisanto</strong> wird wie oben erwähnt dort, wo zwei «i» direkt<br />

aufeinandertreffen würden, ein «r» eingeschoben, zum Beispiel<br />

beim Verb «wissen». Da die Infinitive hier im <strong>Ido</strong> «savar» und im<br />

<strong>Interlingua</strong> «saper» lauten, ergibt es bei der Aussprache keine<br />

Probleme, aber sehr wohl beim <strong>Esperanto</strong>-Wort «scii», dessen<br />

Pendant «skiri» im <strong>Realisanto</strong> viel leichter auszusprechen ist.<br />

Die «Konjugationen» gehen in den vier Grundzeiten in allen vier<br />

Sprachen so:<br />

E: mi scias, mi sciis, mi scios, mi scius<br />

ID: me savas, me savis, me savos, me savus<br />

IN: io sape, io sapeva, io sapera, io saperea<br />

R: mi skias/skiras, mi skiris, mi skios/skiros, mi skius/skirus<br />

Das Schlüsselwort ist hier also «skiris», wo dieses «r»<br />

eingeschoben wird, während es in den drei anderen Zeiten nicht<br />

notwendig ist. Allerdings können «skiras» sowie «skiros» und<br />

«skirus» als zweite Varianten ebenfalls verwendet werden.<br />

Die Partizipien lauten im <strong>Interlingua</strong> und <strong>Realisanto</strong> «sapite» und<br />

«skirito», also auch hier mit einem «r».<br />

Wenn die Verben mit Personalpronomina im Dativ und Akkusativ<br />

verwendet werden, zeigen sich ebenfalls grosse Unterschiede -<br />

und auch hier bilden das <strong>Esperanto</strong> und das <strong>Ido</strong> einerseits sowie<br />

das <strong>Interlingua</strong> und das <strong>Realisanto</strong> andererseits zwei eigene<br />

Gruppen.<br />

Als Paradewörter verwende ich hier «lieben» für den Akkusativ<br />

und «geben» für den Dativ.<br />

D: ich liebe dich ich liebte dich ich werde dich lieben<br />

E: mi amas vin mi amis vin mi amos vin<br />

ID: me amas tu me amis tu me amos tu<br />

IN: io te ama, io te amava, io te amara,<br />

io ama te io amava te io amara te<br />

86


R: mi amas tin, mi amis tin, mi amos tin,<br />

mi tin amas, mi tin amis, mi tin amos,<br />

mi ti amas mi ti amis mi ti amos<br />

Während das Akkusativpronomen im <strong>Esperanto</strong> und im <strong>Ido</strong><br />

immer hinter dem Verb steht, bieten das <strong>Interlingua</strong> zwei und das<br />

<strong>Realisanto</strong> sogar drei Varianten an.<br />

D: ich habe dich geliebt ich hatte dich geliebt<br />

E: mi estas aminta vin mi estis aminta vin<br />

ID: me esas aminta tu,<br />

me esis aminta tu,<br />

me amabas tu<br />

me amabis tu<br />

IN: io te ha amate,<br />

io te habeva amate,<br />

io ha amate te<br />

io habeva amate te<br />

R: mi havas amato tin, mi havis amato tin,<br />

mi ti havas amato<br />

mi ti havis amato<br />

Da hier im <strong>Realisanto</strong> nach «ti» mit dem «h» ein Konsonant folgt,<br />

kann «tin» wegfallen.<br />

Wie im Spanischen bleiben die Partizipien im <strong>Interlingua</strong> und im<br />

<strong>Realisanto</strong> immer unverändert, auch wenn es sich um eine<br />

weibliche Person handelt wie etwa im Italienischen:<br />

ich habe dich geliebt<br />

ich habe euch geliebt<br />

ti ho amato (m.), to ho amata (f.)<br />

vi ho amati (m.), vi ho amate (f.)<br />

Die beiden zweiten Varianten im <strong>Ido</strong> (me amabas tu, me amabis<br />

tu), sind mit dem Imperfekt und Futur I im Latein identisch, wenn<br />

die beiden Personalpronomina vertauscht werden:<br />

tu amabas me - du liebtest mich<br />

tu amabis me - du wirst mich lieben<br />

D: ich gebe es dir ich gab es dir<br />

E: mi donas tion al vi mi donis tion al vi<br />

ID: me donas lu a te mi donis lu a te<br />

87


IN: io lo dona te,<br />

io lo donava te,<br />

io te dona lo<br />

io te dona lo<br />

R: mi lo donas a ti, mi lo donis a ti,<br />

mi ti lo donas<br />

mi ti lo donis<br />

Auch hier ist das <strong>Realisanto</strong> am variantenreichsten, weil es<br />

genauso wie im Französischen, Italienischen und Spanischen<br />

sowie in ein paar anderen Sprachen möglich ist, sowohl das<br />

Dativ- als auch das Akkusativpronomen vor das Verb zu stellen,<br />

während das im <strong>Interlingua</strong> nicht erlaubt ist:<br />

FR: je te le donne - je te le donnais<br />

IT : te lo do - te lo davo<br />

ES: te lo doy - te lo daba («dawa» ausgesprochen)<br />

Das Gleiche gilt auch für die zusammengesetzten Zeiten:<br />

D: ich habe es dir gegeben ich hatte es dir gegeben<br />

E: mi estas doninta tion al vi mi estis doninta tion al vi<br />

ID: me esas doninta lu a te, me esis doninta lu a te,<br />

me donabas lu a te me donabis lu a te<br />

IN: io lo ha donate te<br />

io lo habeva donate te,<br />

io te ha donate lo<br />

io te habeva donate lo<br />

R: mi lo havas donato a ti, mi lo havis donato a ti,<br />

mi ti lo havas donato mi ti lo havis donato<br />

In den drei romanischen Sprachen, mit denen das <strong>Realisanto</strong><br />

einiges gemeinsam hat, sehen diese Sätze so aus:<br />

FR: je te l’ai donné - je te l’avais donné<br />

IT : te l’do dato - te l’avevo dato<br />

ES: te lo he dado - te lo habeba dado<br />

(«awewa» ausgesprochen)<br />

88


Von den Verben, die häufig vorkommen, lauten jene für<br />

«kommen» und «gehen» im <strong>Interlingua</strong> so:<br />

kommen venir gehen vader<br />

ich komme io veni ich gehe io va<br />

ich kam io veniva ich ging io vadeva<br />

ich werde io venira ich werde io vadera<br />

kommen<br />

gehen<br />

ich würde io venirea ich würde io vaderea<br />

kommen<br />

gehen<br />

ich bin io ha venite ich bin io ha vadite<br />

gekommen<br />

gegangen<br />

komm! kommt! veni! geh! geht! vade!<br />

Auch hier gelten die gleichen Betonungsregeln wie oben.<br />

Auf die Befehlsformen werde ich weiter unten in einem eigenen<br />

Kapitel noch näher eingehen.<br />

Die Reflexivpronomina<br />

Auch hier unterscheiden sich die vier Sprachen deutlich<br />

voneinander, aber am meisten das <strong>Esperanto</strong> von den drei<br />

anderen. Im Gegensatz zu diesen wird im <strong>Esperanto</strong> zwischen<br />

dem Verbstamm und der Verb-Endung das Infix «-igx-«<br />

eingeschoben, wie es bei «lavi» (waschen) deutlich zu sehen ist:<br />

ich wasche = mi lavas ich wasche mich = mi lavigxas<br />

ich wusch = mi lavis ich wusch mich = mi lavigxis<br />

ich werde = mi lavos ich werde mich = mi lavigxos<br />

waschen<br />

waschen<br />

ich würde = mi lavus ich würde mich = mi lavigxus<br />

waschen<br />

waschen<br />

89


In den zusammengesetzten Zeiten ist diese Konstruktion nicht<br />

möglich, weil sie zusammen mit «essi» und «lavinta» viel zu<br />

kompliziert wäre, und zudem kommen sie wie oben erwähnt<br />

sowieso nur selten vor.<br />

Daneben gibt es noch zwei einfachere Varianten, die auch in den<br />

zusammengesetzten Zeiten verwendet werden können:<br />

mi lavigxas = mi lavas min - mi lavas mi mem (selbst)<br />

mi lavigxis = mi lavis min - mi lavis mi mem<br />

mi lavigxos = mi lavos min - mi lavos mi mem<br />

ich habe = mi estas lavinta ich hatte = mi estis lavinta<br />

gewaschen<br />

gewaschen<br />

ich habe = mi estas lavinta ich hatte = mi estis lavinta<br />

mich (selbst) min,<br />

mich (selbst) min,<br />

gewaschen mi estas lavinta gewaschen mi estis lavinta<br />

mi mem<br />

mi mem<br />

In Verbindung mit «mem» (selbst) fällt das «n» bei «min» also<br />

weg.<br />

Das Gleiche gilt auch für die übrigen Personen:<br />

vin - vi mem, sin - si mem, nin - ni mem<br />

du wäschst dich - vi lavas vin, vi lavas vi mem<br />

er wäscht sich - li lavas sin, li lavas si mem<br />

sie wäscht sich - sxi lavas sin, sxi lavas si mem<br />

es wäscht sich - gxi lavas sin, gxi lavas si mem<br />

wir waschen uns - ni lavas nin, ni lavas ni mem<br />

ihr wascht euch - vi lavas vin, vi lavas vi mem<br />

sie waschen sich - ili lavas sin, ili lavas si mem<br />

In den beiden dritten Personen hat also nur «si» eine reflexive<br />

Bedeutung:<br />

90


sxi lavas sin = sie wäscht sich (selbst)<br />

sxi lavas lin = sie wäscht ihn (ihren kleinen Sohn)<br />

sxi lavas sxin = sie wäscht sie (ihre kleine Tochter)<br />

sxi lavas ilin = sie wäscht sie (ihre Kinder)<br />

Im Präsens und Perfekt sehen diese Konjugationen in den drei<br />

anderen Sprachen so aus:<br />

<strong>Ido</strong>: me lavas me IN: io lava me, R: mi lavas min,<br />

Io me lava mi si lavas<br />

tu lavas tu tu lava te, ti lavas tin,<br />

tu te lava<br />

ti si lavas<br />

il lavas su ille lava se, li lavas sin,<br />

ille se lava li si lavas<br />

el lavas su illa lava se, shi lavas sin,<br />

illa se lava shi si lavas<br />

ol lavas su illo lava se, dzhi lavas sin,<br />

illo se lava dzhi si lavas<br />

ni lavas ni nos lava nos, ni lavas nin,<br />

nos nos lava ni si lavas<br />

vi lavas vi vos lava vos, vi lavas vin,<br />

vos vos lava vi si lavas<br />

ilus lavas su illes lava se, ili lavas sin,<br />

illes se lava ili si lavas<br />

elus lavas su illas lava se,<br />

illas se lava<br />

olus lavas su illos lava se,<br />

illos se lava<br />

<strong>Ido</strong>: me esas lavinta me, io ha lavate me, mi havas lavato min,<br />

me lavabas me io me ha lavate mi si havas lavato<br />

tu esas lavinta te, tu ha lavate te, ti havas lavato tin,<br />

tu lavabas te tu te ha lavate ti si havas lavato<br />

91


il esas lavinta se, ille ha lavate se, li havas lavato sin,<br />

il lavabas se ille se ha lavate li si ha lavato<br />

el esas lavinta se, illa ha lavate se, shi havas lavato sin,<br />

el lavabas se illa se ha lavate shi si havas lavato<br />

ol esas lavinta se, illo ha lavate se, dzhi havas lavato sin,<br />

ol lavabas se illo se ha lavate dzhi si havas lavato<br />

ni esas lavinta ne,<br />

ni lavabas ne<br />

nos ha lavate nos, ni havas lavato nin,<br />

nos nos ha lavate ni si havas lavato<br />

vi esas lavinta ve, vos ha lavate vos, vi havas lavato vin,<br />

vi lavabas ve vos vos ha lavate vi si havas lavato<br />

ilus esas lavinta se, illes ha lavate se, ili havas lavato sin,<br />

ilus lavabas se illes se ha lavate ili si havas lavato<br />

elus esas lavinta se, illas ha lavate se,<br />

elus lavabas se illas se ha lavate<br />

olus esas lavinta se, illos ha lavate se,<br />

olus lavabas se illos se ha lavate<br />

Das <strong>Ido</strong>-Wort «lavabas» erinnert ebenfalls ans Latein, wo es «du<br />

wuschest» bedeutet; zudem ist «lavas» mit der lateinischen<br />

Präsensform «du wäschst» identisch.<br />

Während das <strong>Ido</strong> im Präsens nur eine Variante kennt, bieten alle<br />

drei Sprachen im Perfekt gleich deren zwei an, und das Gleiche<br />

gilt für die anderen einfachen und zusammengesetzten Zeiten.<br />

Damit nicht zwei gleiche Personalpronomina direkt<br />

aufeinanderfolgen, wird im <strong>Realisanto</strong> immer «si» verwendet,<br />

wenn die untere Variante zum Zug kommt:<br />

92


ich wasche mich<br />

ich habe mich<br />

gewaschen<br />

mi si lavas<br />

mi si havas lavato<br />

Auch hier bleiben die Partizipien im <strong>Interlingua</strong> und im <strong>Realisanto</strong><br />

genauso wie im Spanischen immer unverändert:<br />

ich habe mich gewaschen = me he lavado<br />

wir haben uns gewaschen = nos hemos lavado<br />

Dagegen wird im Französischen und Italienischen wieder genau<br />

zwischen dem männlichen und weiblichen Geschlecht sowie<br />

zwischen der Einzahl und Mehrzahl unterschieden:<br />

FR: nous nous sommes lavés (m.),<br />

nous nous sommes lavées (f.)<br />

IT : ci siamo lavati (m.), ci siamo lavate (f.)<br />

Die beiden französischen Partizipien werden zwar verschieden<br />

geschrieben, aber gleich ausgesprochen. Das trifft auf fast alle<br />

anderen Verben ebenfalls zu, aber es gibt auch Ausnahmen:<br />

ich habe es genommen = je l’ai pris<br />

ich habe sie genommen = je l’ai prise<br />

(Sg. f.)<br />

Da die reflexiven Konstruktionen in den übrigen Zeiten genau<br />

gleich laufen wie das Präsens und das Perfekt, kann ich hier auf<br />

weitere Tabellen und Beispielsätze verzichten.<br />

Anzumerken ist noch, dass es im <strong>Esperanto</strong> und im <strong>Ido</strong> nicht<br />

wenige Wörter gibt, die formal keine reflexiven Verben sind, aber<br />

sehr wohl im Deutschen. Dagegen ist das <strong>Realisanto</strong> auch in<br />

diesem Bereich viel freier:<br />

<strong>Esperanto</strong>: <strong>Ido</strong>: <strong>Realisanto</strong>:<br />

sich ängstigen esti maltrankvila angorar havi medo/timoro<br />

93


sich ärgern kolerigxi despitar si koleri, si veksi<br />

sich aufregen cxagrenigxi emocar si emocioni<br />

sich befinden trovigxi, trovi sin standar si trovi<br />

sich benehmen konduti kondutar si komporti<br />

sich erinnern memori memorar si memori<br />

sich freuen rigxoji jojar si alegri<br />

sich fürchten timi timar havi medo/timoro<br />

sich grämen malgxoji chagrenar si veksi<br />

sich irren erari, erorar erri<br />

esti malprava<br />

Die entsprechenden Partizipien lauten im <strong>Realisanto</strong> so:<br />

mi havas havito medo/timoro, mi si havas kolerito, mi si havas<br />

veksito, mi si havas emocionato, mi si havas trovato, mi si havas<br />

komportato, mi si havas memorato, mi si havas alegrato, mi<br />

havas errato<br />

Die Verneinung<br />

Hier ist es in allen vier Sprachen wieder erfrischend einfach:<br />

Während sowohl «nein» als auch «nicht» im <strong>Esperanto</strong> und im<br />

<strong>Ido</strong> «ne» lauten, gibt es im <strong>Interlingua</strong> eine Trennung zwischen<br />

«no» (nein) und «non» (nicht). Dagegen sind im <strong>Realisanto</strong> beide<br />

«no», nur direkt vor einem «o» und manchmal auch vor den<br />

anderen Vokalen kann aus lautlichen Gründen «non» verwendet<br />

werden:<br />

Non ódio, mas sole amoro ni ajudos.<br />

Nicht Hass, sondern nur Liebe wird uns helfen.<br />

In den drei anderen Sprachen lautet dieser Satz so:<br />

E : Ne odo, sed nur amo ajudos al ni.<br />

ID: Ne odio, mas nur amoro ajudos a ni.<br />

IN: Non odio, ma solo amor nos ajudara.<br />

94


Im <strong>Ido</strong> und im <strong>Interlingua</strong> wird «odio» wie im <strong>Realisanto</strong> «ódio»<br />

ausgesprochen.<br />

Warum Zamenhof anstelle des panromanischen «no», das im<br />

Westen besser bekannt war, das Wort «ne» gewählt hat, das<br />

zwar in fast allen slawischen Sprachen vorkommt, aber<br />

ausgerechnet im Polnischen und Russischen, mit denen er direkt<br />

zu tun hatte, «nie» und «njet» heisst, ist sein Geheimnis<br />

geblieben. Noch geheimnisvoller finde ich jedoch, dass auch die<br />

Idisten dieses «ne» übernommen haben, als sie ihre Sprache<br />

zusammenstellten.<br />

Es ist gut möglich, dass Zamenhof sich auch hier vom<br />

Französischen beeinflussen liess, von dem er ebenfalls mehrere<br />

Wörter übernommen hat. Dort wird die Verneinung bekanntlich<br />

mit «ne … pas ausgedrückt», also mit einem Verb dazwischen.<br />

Diese Konstruktion wird in der Fachsprache Mantel-Verrneinung<br />

genannt, neben dem Französischen kommt diese nur noch im<br />

Surselvischen und Surmeirischen vor:<br />

SV: na … buca (vor Konsonant) -<br />

na …buc (vor Vokal und am Satzende)<br />

SM: na … betg («betsch» ausgesprochen)<br />

Im mündlichen Gebrauch wird allerdings das «na» genauso wie<br />

das französische «ne» fast immer weggelassen.<br />

Die Verneinung wird gleich wie in den romanischen Sprachen<br />

verwendet:<br />

D: Ich liebe dich. Ich liebe dich nicht.<br />

E: Mi amas vin. Mi ne amas vin.<br />

ID: Me amas tu. Me ne amas tu.<br />

IN: Io ama ti.<br />

Io non ama ti.<br />

Io ti ama.<br />

Io non ti ama.<br />

R: Mi amas tin. Mi no amas tin.<br />

Mi tin amas.<br />

Mi ti amas.<br />

Mi no tin amas.<br />

Mi no ti amas.<br />

95


In Verbindung mit Wörtern wie «nie» usw. werden «ne», «non»<br />

und «no» genauso wie in den romanischen, aber auch<br />

slawischen und baltischen Sprachen immer mitverwendet:<br />

D: Ich habe dich an keinem Tag geliebt.<br />

E: Mi ne amis vin en neniu tago.<br />

Mi ne estas aminta vin en neniu tago.<br />

ID: Me ne amis tu en nula jorno.<br />

Me ne amabas tu en nula jorno.<br />

IN: Io non ha amate ti en nulle die.<br />

Io non ti ha amate en nulle die.<br />

R: Mi no havas amato tin en ninguno tago.<br />

Mi no ti havas amato en ninguno tago.<br />

Im mündlichen Gebrauch kann im <strong>Realisanto</strong> das «no» allerdings<br />

genauso wie im Französischen, Surselvischen und<br />

Surmeirischen weggelassen werden.<br />

Im <strong>Realisanto</strong> ist neben dem spanischen «ninguno» auch das<br />

vom Italienischen stammende Wort «nessuno» möglich.<br />

Der Imperativ (Die Befehlsformen)<br />

Hier ist es noch einfacher als in den gewöhnlichen<br />

Verneinungssätzen: Während in einem bejahten Befehl im<br />

<strong>Esperanto</strong>, <strong>Ido</strong> und <strong>Realisanto</strong> bei allen Personen die Endung «-<br />

u» an den Verstamm gehängt wird, werden im <strong>Interlingua</strong> die<br />

Präsensformen sogar unverändert übernommen:<br />

D: Komm! Kommt! Komm nicht! Kommt nicht!<br />

E: Venu! Ne venu!<br />

ID: Venu!<br />

Ne venu!<br />

IN: Veni!<br />

Non veni!<br />

R: Venu! No venu!<br />

96


D: Geh! Geht! Geh nicht! Geht nicht!<br />

E: Iru! Ne iru!<br />

ID: Iru!<br />

Ne iru!<br />

IN: Vade!<br />

Non vade!<br />

R: Andu! Iru! No andu! Non andu!<br />

No iru! Non iru!<br />

Beim Verb «gehen» ist das <strong>Realisanto</strong> also erneut am<br />

variantenreichsten.<br />

D: Sing! Singt! Sing nicht! Singt nicht!<br />

E: Kantu! Ne kantu!<br />

ID: Kantu!<br />

Ne kantu!<br />

IN: Canta!<br />

Non canta!<br />

R: Kantu! No kantu!<br />

In der ersten Person Mehrzahl und in den beiden dritten<br />

Personen ist es genauso wie in den romanischen Sprachen<br />

notwendig, die entsprechenden Personalpronomina<br />

mitzuverwenden:<br />

D: Gehen wir (nicht)! Er soll (nicht) kommen!<br />

E: Ni (ne) iru! Li (ne) venu!<br />

ID: Ni (ne) iru!<br />

Lu (ne) venu!<br />

IN: Nos (non) vade! Ille (non) veni!<br />

R: Ni (no/non) iru! Li (no) venu!<br />

Ni (no/non) andu!<br />

D: Singen wir (nicht)! Er soll (nicht) singen!<br />

E: Ni (ne) kantu! Li (ne) kantu!<br />

ID: Ni (ne) kantu!<br />

Lu (ne) kantu!<br />

IN: Nos (non) canta! Ille (non) canta!<br />

R: Ni (no) kantu! Li (no) kantu!<br />

97


Fragen und Antworten<br />

Auch hier bilden das <strong>Esperanto</strong> und das <strong>Ido</strong> sowie das<br />

<strong>Interlingua</strong> und das <strong>Realisanto</strong> zwei eigene Gruppen. Während<br />

in den beiden erstgenannten immer die beiden Fragepartikel<br />

«cxu» und «ka» bzw. «kad» am Satzbeginn stehen, kennen das<br />

<strong>Interlingua</strong> und das <strong>Realisanto</strong> formal zwar ebenfalls ein<br />

Fragewort, das aber auch ausgelassen und durch eine Inversion<br />

ersetzt werden kann. Es verhält sich also gleich wie in den<br />

germanischen Sprachen mit Ausnahme des Englischen und wie<br />

oben erwähnt sogar in mehreren romanischen Sprachen, so<br />

neben dem Friaulischen und in den verschiedenen<br />

rätoromanischen Dialekten auch noch im Alt- und<br />

Mittelfranzösischen.<br />

D: Kommst du? Kommst du nicht?<br />

E: Cxu vi venas? Cxu vi ne venas?<br />

ID: Ka tu venas? Ka tu ne venas?<br />

IN: (Esque) tu veni? (Esque) tu non veni?<br />

Veni tu?<br />

Non veni tu?<br />

R: (Chu) ti venas? (Chu) ti no venas?<br />

Venas ti?<br />

No venas ti?<br />

Das «esque» im <strong>Interlingua</strong> ist mit dem französischen «est-ce<br />

que» lautlich fast identisch. Im <strong>Ido</strong> kommt «kad» anstelle von<br />

«kad» zum Zug, wenn darauf ein Vokal folgt:<br />

D: Kommt er? Kommt er nicht?<br />

E: Cxu li venas? Cxu li ne venas?<br />

ID: Kad il venas? Kad il ne venas?<br />

IN: (Esque) ille veni? (Esque) ille non veni?<br />

Veni ille?<br />

Non veni ille?<br />

R: (Chu) li venas? (Chu) li no venas?<br />

Venas li?<br />

No venas li?<br />

98


Bei einer Unsicherheit ist es im <strong>Interlingua</strong> und im <strong>Realisanto</strong> vor<br />

allem in negativen Sätzen besser, die Fragewörter «esque» und<br />

«chu» zu verwenden; das letztere ist mit dem <strong>Esperanto</strong>-Wort<br />

«cxu» lautlich identisch.<br />

Bei der Wahl dieses Fragewortes hat sich Zamenhof<br />

offensichtlich vom polnischen «czy» inspirieren lassen, aber<br />

auch in anderen europäischen Sprachen werden solche<br />

Fragepartikel verwendet:<br />

Deutsch: Du kommst. Kommst du (nicht)?<br />

Polnisch: Ty przydziesh. Czy ty (nie) przydziesh?<br />

Estnisch: Sina tuled. Kas sina (ei) tuled?<br />

Sa tuled.<br />

Kas sa (ei) tuled?<br />

Tuled sa? *<br />

Lettisch: Tu nâc. Vai tu nâc (nenâc)?<br />

Litauisch: Tu ateiti. Ar tu ateiti (neateiti)?<br />

Slowenisch: Ti pridesh. Ati ti (ne) pridesh?<br />

A ti (ne) pridesh?<br />

* Diese Variante kommt nur im lockeren mündlichen Gebrauch<br />

und zudem nur dann vor, wenn der Fragesatz kein «ei» enthält.<br />

Die beiden oberen Varianten im Estnischen und Slowenischen<br />

werden schriftlich verwendet, während die beiden unteren vor<br />

allem in der Umgangssprache vorkommen.<br />

Dieses lockere slowenische «a» hat den benachbarten Kärtner<br />

Dialekt im Verlauf der letzten Jahrhunderte so stark beeinflusst,<br />

dass es dort ebenfalls verwendet wird:<br />

Kommst du auch?<br />

A kimmst aa?<br />

Weisst du das auch noch?<br />

A woasst des aa no?<br />

Dieses «a» kommt auch im Albanischen vor, wo es allerdings<br />

99


nicht obligatorisch ist. Es genügt dort, die Stimme genauso wie<br />

im Neugriechischen - und auch im Altgriechischen, das in diesem<br />

Bereich viel leichter als Latein ist - gegen den Satz einfach etwas<br />

anzuheben.<br />

In den übrigen slawischen Sprachen wird in den beiden<br />

sorbischen Varianten Ober- und Niedersorbisch wie im<br />

Deutschen die Inversion verwendet, während die Fragesätze im<br />

Tschechischen und Slowakischen genauso wie im<br />

Neugriechischen unverändert bleiben und nur der Ton gegen<br />

das Satzende etwas angehoben wird.<br />

In den ost- und südslawischen Sprachen - mit Ausahme des<br />

Slowenischen - wird die Fragepartikel «li» meistens an zweiter<br />

oder dritter Stelle eingeschoben:<br />

Deutsch: Er kommt. Kommt er? Kommt er nicht?<br />

Russisch: On pridjót. On li pridjót? On nje li pridjót?<br />

On li nje pridjót?<br />

Deutsch: Er kam und ging.<br />

On prischól i paschól.<br />

Kam und ging er (nicht)?<br />

On (nje) li prischól i paschól?<br />

On li (nje) prischól i paschól?<br />

Am schwierigsten ist es im Finnischen und Samischen bzw.<br />

Lappischen, wo es sogar eigene verneinte Konjugationen gibt.<br />

Im Finnischen sieht diese Konjugation so aus:<br />

en, et, ei, emme, ette, eivät<br />

Kommst du?<br />

Tuletko?<br />

Kommt er?<br />

Tuleeko?<br />

Kommst du nicht?<br />

Etkö tule?<br />

Kommt er nicht?<br />

Eikö tule?<br />

100


Im Finnischen werden in den bejahten Fragesätzen, die nicht mit<br />

einem speziellen Fragewort eingeleitet werden (wer? warum?<br />

usw.) gemäss den Gesetzen der Vokalharmonie entweder «-ko»<br />

oder «-kö» angehängt, und das Gleiche gilt, wenn sie mit den<br />

entsprechenden Verneinungspartikeln verbunden werden:<br />

tulenko, tuletko, tuleeko, tulemmeko, tuletteko, tulevatko?<br />

enkö, etkö, eikö, emmekö, ettekö, eivätkö - tule?<br />

Zugleich fallen in der Verneinung die persönlichen<br />

Verbendungen weg, also lautet es hier «tule».<br />

Im Imperfekt bzw. in der einfachen Vergangenheit gelten wieder<br />

andere Regeln:<br />

tulinko, tulitko, tuliko, tuilimmeko, tulitteko, tulivatko?<br />

enkö tullut, etkö tullut, eikö tullut, emmekö tulleet, ettekö tulleet,<br />

eivätkö tulleet?<br />

Der Vokal «i», der das «e» im Präsens ersetzt, ist das<br />

Markenzeichen des Imperfekts. Zu beachten ist der Unterschied<br />

zwischen «tullut» und «tulleet» in der Einzahl und Mehrzahl.<br />

Eine eigene Futur-Konjugation gibt es im Finnischen genauso<br />

wie im Estnischen und Samischen nicht, aber es ist möglich, den<br />

Satz «ich werde gehen» mit den Verben «tulla» (kommen) und<br />

«mennä» (gehen) zu umschreiben:<br />

menen/menet/menee/menemme/menette/menevät tullaan<br />

Dieses «tullaan» erinnert an ein Gerundium, diese Konstruktion<br />

kann am besten mit dem dem englischen «I am going to go»<br />

verglichen werden.<br />

Wer mehr darüber wissen will, kann all dies in meinen<br />

entsprechenden Lehrbüchern für Estnisch, Finnisch, Lettisch,<br />

Litauisch, Albanisch und Neugriechisch genauer anschauen.<br />

101


Die Wörter «ja» und «nein» lauten in diesen vier Sprachen so:<br />

E: jes ne<br />

ID: yes, ya ne<br />

IN: si<br />

no<br />

R: jes, ja no<br />

Während das «ya» im <strong>Ido</strong> eher ein Ja im Sinn von «ja,<br />

wahrhaftig» bedeutet, kann das «ja» im <strong>Realisanto</strong> so locker wie<br />

im amerikanischen Englischen verwendet werden. Zudem<br />

kommt es unter den romanischen Sprachen noch im<br />

Südsardischen bzw. im Campidanesischen vor. Eigentlich heisst<br />

das offizielle Wort «eyá», aber im mündlichen Gebrauch wird das<br />

«e» meistens verschluckt, so dass es wie «ya» klingt - siehe in<br />

meinem Buch «Lehrbuch des Sardischen».<br />

Die Modalverben<br />

Mit diesen Verben wird eine Absicht, eine Hoffnung oder ein<br />

Wunsch ausgedrückt. Sie werden genau gleich wie in vielen<br />

anderen Sprachen verwendet.<br />

Im <strong>Esperanto</strong>, <strong>Ido</strong>, <strong>Interlingua</strong> und <strong>Realisanto</strong> sehen sie so aus:<br />

D: dürfen, können, wollen ich darf, ich kann, ich will<br />

E: povi, scii, voli mi povas, mi scias, mi volas<br />

ID: povar, skiar, volar me povas, me skias, me volas<br />

IN: poter, saper, voler io pote, io sape, io vole<br />

R: povi, skiri, voli mi povas, mi skias, mi volas<br />

Wie in den romanischen Sprachen fallen die Konjugationen von<br />

«dürfen» und «können» zusammen - und auch in diesen vier<br />

Sprachen wird bei «können» zwischen einer Möglichkeit und<br />

einer Fähigkeit unterschieden:<br />

102


D: Ich kann es jetzt schreiben. Ich kann es gut schreiben.<br />

E: Mi povas skribi tion nun. Mi scias skribi tion bone.<br />

ID: Me povas skribar lu nun. Me skias skribar lu bone.<br />

IN: Io pote scriber lo nunc. Io sape scriber lo ben.<br />

Io pote lo scriber nunc. Io sape lo scriber ben.<br />

R: Mi povas skribi lo nun. Mi skias skribi lo bone.<br />

Mi povas lo skribi nun. Mi skias lo skribi bone.<br />

Auch hier ist im <strong>Interlingua</strong> und im <strong>Realisanto</strong> mehr als nur eine<br />

Variante möglich.<br />

Da ich die Endungen der anderen Zeiten bereits ausführlich<br />

aufgezeigt habe, führe ich hier nur noch die Partizipien im<br />

<strong>Interlingua</strong> und im <strong>Realisanto</strong> auf:<br />

IN: podite, sapite, volite<br />

R: podito, skirito, volito<br />

Zu beachten ist im <strong>Realisanto</strong> das aus lautlichen Gründen<br />

eingeschobene «r», wenn zwei «i» direkt aufeinandertreffen<br />

würden:<br />

skiri, skirito, mi skiris (ich wusste)<br />

Das lässt sich nun einmal leichter aussprechen als die<br />

<strong>Esperanto</strong>-Wörter «scii» und «sciis».<br />

Diese Partizipien werden genauso wie die meisten in den<br />

romanischen Sprachen auf der zweitletzten Silbe betont.<br />

Beispiele:<br />

D: Ich habe es gewusst. Ich habe es gewollt.<br />

IN: Io lo ha sapite.<br />

Io lo ha volite.<br />

R: Mi lo havas skirito. Mi lo havas volito.<br />

103


Die Partizipien «podite» und «podito» werden wie in den<br />

romanischen Sprachen nur zusammen mit einem anderen Verb<br />

verwendet:<br />

D: Ich habe es schreiben können.<br />

IN: Io ha podite scriber lo.<br />

Io ha podite lo scriber.<br />

R: Mi havas podito skribi lo.<br />

Mi havas podito lo skribi.<br />

Die beiden unteren Varianten entsprechen der Konstruktion im<br />

Französischen.<br />

Im <strong>Esperanto</strong> und Im <strong>Ido</strong> lauten die Partizipien eigentlich<br />

«skribita», aber sie funktionieren ganz anders als in den beiden<br />

modernenen Sprachen, wie wir gleich sehen werden.<br />

Das Gerundium<br />

Damit wird vor allem in den romanischen Sprachen eine<br />

gleichzeitig verlaufende Handlung ausgedrückt, zum Beispiel in<br />

diesen zwei Beispielsätzen:<br />

Als ich zu Hause ankam, war ich glücklich.<br />

FR: Quand je suis arrivé é la maison j’étais heureux.<br />

Arrivant à la maison j’étais heureux.<br />

IT: Quando sono arrivato a casa sono stato felice.<br />

Arrivando a casa sono stato felice.<br />

Nachdem wir dieses Lied gesungen hatten, waren wir glücklich.<br />

FR: Quand nous avions chanté cette chanson nous étions<br />

heureux.<br />

104


Ayant chanté cette chanson nous étions heureux.<br />

IT: Quando avevamo cantato questa canzone eravamo felici.<br />

Avendo cantato questa canzone eravamo felici.<br />

Mit einem Gerundium können nach Wörtern wie «als» oder<br />

«weil» also Sätze verkürzt werden, und auch vorzeitige<br />

Handlungen nach Wörtern wie «nachdem» sind möglich, wobei<br />

dann die entsprechenden Wörter für «sein» und «haben» (étant,<br />

ayant - essendo, avendo) diese Sätze einleiten, unabhängig<br />

davon, ob es sich dann um einen Hauptsatz oder Nebensatz<br />

handelt. Die Gerundien können also auch hinten stehen, aber<br />

dann muss ein Komma den Hauptsatz vom Nebensatz auch<br />

sichtbar abtrennen:<br />

J’étais heureux, arrivant à la maison.<br />

Sono stato felice, arivando a casa.<br />

Nous étions heureux, ayant chanté cette chanson.<br />

Eravamo felici, avendo cantato questa canzone.<br />

In den vier Plansprachen, um die es in diesem Buch geht, kommt<br />

das Gerundium ebenfalls vor, aber nicht ganz auf die gleiche<br />

Weise; vor allem fehlt das Gerundium der Vorzeitigkeit, wie es<br />

oben in den französischen und italienischen Beispielsätzen<br />

«étant» und «ayant» sowie «essendo» und «avendo» sind.<br />

Rein formal sind die in den vorherigen Kapiteln die in den<br />

zusammengesetzten Zeiten vorkommenden identischen<br />

Verbformen im <strong>Esperanto</strong> und <strong>Ido</strong> (essinta, havinta, doninta,<br />

lavinta) ebenfalls Gerundien, aber es gibt abgesehen von «sein»<br />

(esti, esar) für jedes andere Verb noch drei weitere Varianten,<br />

die alle ihre eigenen Ausdrucksbereiche haben.<br />

105


Die Formel lautet so: a = Präsens<br />

i = Vergangenheit<br />

o = Zukunft<br />

Daraus ergeben sich diese drei Gerundien:<br />

havanta, havinta, havonta<br />

donanta, doninta, dononta<br />

lavanta, lavinta, lavonta<br />

Mit diesen drei verschiedenen Varianten sind in den vier<br />

Grundzeiten nicht weniger als zwölf Aussagen möglich:<br />

mi estas havanta la libron, me esas havanta la libro =<br />

ich habe das Buch gerade<br />

mi estas lavanta min, me esas lavanta me =<br />

ich wasche mich gerade<br />

mi estas havinta la libron, me esas havinta la libro =<br />

ich habe das Buch gehabt (gleiche Konstruktion wie Perfekt)<br />

mi estas lavinta min, me esas lavinta me =<br />

ich habe mich (gerade) gewaschen<br />

mi estas havonta la libron, me esas havonta la libro =<br />

ich werde das Buch (wohl bald) haben<br />

mi estas lavonta min, mi esas lavonta me =<br />

ich werde mich (wohl bald) waschen<br />

mi estis havanta la libron, me esis havanta la libro =<br />

ich hatte das Buch gerade<br />

mi estis lavanta min, me esis lavanta me =<br />

ich wusch mich gerade<br />

106


mi estis havinta la libron, me esis havinta la libro =<br />

ich hatte das Buch gehabt (gleiche Konstruktion wie<br />

Plusquamperfekt)<br />

mi estis lavinta min, me esis lavinta me =<br />

ich hatte mich (gerade) gewaschen<br />

mi estis havonta la libron, me esis havonta la libro =<br />

ich war (gerade) dabei, das Buch (bald) zu haben<br />

mi estis lavonta min, me esis lavonta me =<br />

ich war (gerade) dabei, mich zu waschen<br />

mi estos havanta la libron, me esos havanta la libro =<br />

ich werde das Buch (wohl bald) haben<br />

mi estos lavanta min, me esos lavanta me =<br />

ich werde mich (wohl bald) waschen<br />

mi estos havinta la libron, me esos havinta la libro =<br />

ich werde das Buch gehabt haben (gleiche Konstruktion wie<br />

Futur II)<br />

mi estos lavinta min, me esos lavinta me =<br />

ich werde mich (gerade) gewaschen haben<br />

mi estos havonta la libron, me esos havonta la libro =<br />

ich werde das Buch (wohl bald, aber nicht sicher) haben<br />

mi estos lavonta min, me esos lavonta me =<br />

ich werde mich (wohl bald, aber nicht sicher) waschen<br />

mi estus havanta la libron, me esus havanta la libro =<br />

ich würde das Buch (gerade) haben, ich hätte das Buch gerade<br />

mi estus lavanta min, me esus lavanta me =<br />

ich würde mich (gerade) waschen<br />

107


mi estus havinta la libron, me esus havinta la libro =<br />

ich hätte das Buch (wohl) gehabt (gleiche Konstruktion wie<br />

Konditional II)<br />

mi estus lavinta min, me esus lavinta me =<br />

ich hätte mich (wohl) gewaschen<br />

mi estus havonta la libron, me esus havonta la libro =<br />

ich würde das Buch (wohl bald) haben, ich hätte das Buch<br />

(wohl bald)<br />

mi estus lavonta min, me esus lavonta me =<br />

ich würde mich (wohl bald) waschen<br />

Allein beim Versuch, alle Nuancen richtig einzuordnen, kann<br />

einem fast schwindlig werden. Gerade weil es hier so kompliziert<br />

ist, hatten weder das <strong>Esperanto</strong> noch das <strong>Ido</strong> eine wirkliche<br />

Chance, um irgendwo als eine Amtssprache in Frage zu<br />

kommen. Natürlich sind viele Sprachen noch viel komplizierter,<br />

allein innerhalb der Europäischen Union, die gegenwärtig nicht<br />

weniger als 24 Amtssprachen kennt, wobei eigentlich nur<br />

Englisch, Französisch und Deutsch wirklich verwendet werden,<br />

und dazu kommen noch mehrere sogenannte Arbeitssprachen,<br />

in die Dokumente übersetzt werden dürfen. All diese Sprachen<br />

sind jedoch keine Plansprachen - und an diese werden nun<br />

einmal wesentlich höhere Anforderungen gestellt.<br />

Gerade deshalb hätte es das <strong>Interlingua</strong> viel leichter, um bei<br />

einer allfälligen Abstimmung Erfolg zu haben. Die gleichen<br />

Beispielsätze wie oben sehen in dieser Sprache und zudem im<br />

<strong>Realisanto</strong>, das ihm auch in diesem Bereich nahesteht, so aus:<br />

io es habinte le libro, mi estas havinto lo libro =<br />

ich habe das Buch gerade<br />

108


io es lavante me, io es me lavante;<br />

mi estas lavanto min, mi estas mi lavanto =ich wasche mich<br />

gerade<br />

io esseva habinte le libro, mi estis havinto lo libro =<br />

ich hatte das Buch gerade<br />

io esseva lavante me, io esseva me lavante;<br />

mi estis lavanto min, mi estis mi lavanto -<br />

ich wusch mich gerade<br />

io essera habinte le libro, mi estos havinto lo libro =<br />

ich werde das Buch (wohl) haben<br />

io essera lavante me, io essera me lavante;<br />

mi estos lavanto min, mi estos mi lavanto -<br />

ich werde mich (gerade) waschen<br />

io esserea habinte le libro, mi estus havinto lo libro =<br />

ich würde das Buch (wohl bald) haben, ich hätte das Buch (wohl)<br />

bald<br />

io esserea lavante me, io esserea me lavante;<br />

mi estus lavanto min, mi estus mi lavanto -<br />

ich würde mich (wohl bald) waschen<br />

Mehr Ausdrucksmöglichkeiten gibt es in beiden Sprachen nicht.<br />

Während die Gerundien im <strong>Interlingua</strong> genauso wie die<br />

Partizipien immer auf «-e» enden und mit ihnen sogar identisch<br />

sind, lauten die Gerundium-Endungen im <strong>Realisanto</strong> immer auf<br />

«-o» und sind mit den Partizipien ebenfalls identisch. In beiden<br />

Sprachen kommen die Zwischenvokale «a» und «i» vor, aber im<br />

Gegensatz zum <strong>Esperanto</strong> und zum <strong>Ido</strong> nur diese beiden:<br />

lavante - lavanto<br />

skribinte - skribinto<br />

habinte - havinto<br />

essinte - estanto<br />

109


Das Wort «estanto» weich also deutlich von dem im <strong>Interlingua</strong><br />

ab, während die anderen abgesehen von der Endung zum Teil<br />

identisch sind.<br />

Allerdings wird das Gerundium auch im <strong>Interlingua</strong> nur selten<br />

verwendet - umso mehr, als es bis heute überwiegend eine<br />

mündlich vorkommende Sprache ist.<br />

In einem Bereich steht das <strong>Realisanto</strong> den beiden älteren<br />

Sprachen näher als dem <strong>Interlingua</strong>: Während es im<br />

letztgenannten nur ein einziges Gerundiumwort gibt, kommt es<br />

hier gleich vierfach vor - und zwar in der Einzahl und Mehrzahl in<br />

beiden Geschlechtern:<br />

der singende Mann = le cantante homine, le homine cantante -<br />

lo kantanto viro, lo viro kantanto<br />

die singende Frau = le cantante femina, le femina cantante -<br />

la kantanta fémina, la fémina kantanta<br />

die singenden Männer = le cantante homines, le homines<br />

cantante -<br />

la kantantoj viroj, la viroj kantantoj<br />

die singenden Frauen = le cantante feminas, le feminas<br />

cantante -<br />

la kantantaj féminaj, la féminaj<br />

kantantaj<br />

Im Gegensatz zu den romanischen Sprachen, in denen die<br />

Gerundien immer hinten stehen (FR: l’homme chantant - IT:<br />

l’uomo cantando - CT: el home cantant - ES: el hombre cantando<br />

- PO: o homem cantando usw.), sind nicht nur im <strong>Interlingua</strong> und<br />

im <strong>Realisanto</strong>, sondern auch im <strong>Esperanto</strong> und im <strong>Ido</strong> beide<br />

Varianten möglich, wobei die hinteren - also die mit dem<br />

Gerundium hinten - als «echter» gelten.<br />

110


Im <strong>Esperanto</strong> und im <strong>Ido</strong> sehen die oberen Beispielsätze mit der<br />

vorangestellten Variante so aus:<br />

E: la kantanta viro, la kantinta viro, la kantonta viro -<br />

la kantanta virino, la kantinta virino, la kantonta virino -<br />

la kantantaj viroj, la kantintaj viroj, la kantontaj viroj -<br />

la kantantaj virinoj, la kantintaj virinoj, la kantontaj virinoj<br />

<strong>Ido</strong>: la kantanta virulo, la kantinta virulo, la kantonta virulo -<br />

la kantanta virino, la kantinta virino, la kantonta virino -<br />

la kantanti viruli, la kantinti viruli, la kantonti viruli -<br />

la kantanti virini, la kantinti virini, la kantonti virini<br />

Diese beiden Sprachen haben im Gegensatz zum <strong>Realisanto</strong> für<br />

die Einzahl und Mehrzahl also nur je eine Gerundium-Endung (a,<br />

aj - a, i), doch ihre Anwendung ist wegen der Unterteilung in das<br />

Präsens, Imperfekt und Futur derart kompliziert, dass ich nicht<br />

noch näher darauf eingehe; zudem sind sie auch von den<br />

Esperantisten und Idisten selber vor allem im mündlichen<br />

Gebrauch fast nie vorgekommen.<br />

In einem Aussagesatz kann das Gerundium im <strong>Realisanto</strong> auch<br />

in der weiblichen Einzahlform und in der Mehrzahl mit der<br />

männlichen Endung auf «-o» verwendet werden, aber auch die<br />

drei anderen Varianten sind möglich:<br />

die Frau singt gerade = la fémina estas kantanto,<br />

la fémina estas kantanta<br />

die Männer singen gerade = la viroj estas kantanto,<br />

la viroj estas kantantoj<br />

die Frauen singen gerade = la féminaj estas kantanto,<br />

la féminaj estas kantantaj<br />

111


Welche Variante und welche Zeit auch immer in diesen vier<br />

Sprachen verwendet werden, eines kann überall deutlich<br />

gesehen werden: Der Zwischenkonsonant «n», der in allen<br />

romanischen Sprachen das eigentliche Markenzeichen für das<br />

Gerundium ist, kommt auch hier vor. Wenn dieses «n»<br />

weggelassen wird, werden vor allen in diesen vier Sprachen die<br />

Partizipien und Passivformen gebildet.<br />

Das Passiv<br />

Im Vergleich zu den Gerundien, die im <strong>Esperanto</strong> und Im <strong>Ido</strong> eine<br />

komplizierte Wissenschaft für sich sind, wird es jetzt wieder<br />

erfrischend einfach. Zwar kommt die Denkweise mit den drei<br />

gleichen Vokalen «a», «i» und «o» in den beiden älteren<br />

Sprachen auch hier vor, aber sie sind viel leichter zu meistern als<br />

die im Gerundium.<br />

Als Paradebeispiel dient auch hier das Verb «lieben».<br />

In den vier Grundzeiten, die auch unter den Esperantisten und<br />

Idisten fast die allein verwendeten sind, sieht es so aus:<br />

Präsens:<br />

Imperfekt:<br />

D: du wirst geliebt du wurdest geliebt<br />

E: vi estas amata vi estis amata<br />

ID: tu esas amata<br />

tu esis amata<br />

IN: tu es amate<br />

tu esseva amate<br />

R: ti estas amato (m.), ti estis amato (m.),<br />

ti estas amata (f.) ti estis amata (f.)<br />

D: ihr werdet geliebt ihr wurdet geliebt<br />

E: vi estas amataj vi estis amataj<br />

ID: vi esas amata<br />

vi esis amata<br />

IN: vos es amate<br />

vos esseva amate<br />

112


R: vi estas amatoj (m.), vi estis amatoj (m.),<br />

vi estas amataj (f.) vi estis amataj (f.)<br />

Futur I: Konditional I:<br />

D: du wirst geliebt werden du würdest geliebt werden<br />

E: vi estos amata vi estus amata<br />

ID: tu esos amata<br />

tu esus amata<br />

IN: tu essera amate<br />

tu esserea amate<br />

R: ti estos amato (m.), ti estus amato (m.),<br />

ti estos amata (f.) ti estus amata (f.)<br />

D: ihr werdet geliebt werden ihr würdet geliebt werden<br />

E: vi estos amataj vi estus amataj<br />

ID: vi esos amata<br />

vi esus amata<br />

IN: vos essera amate vos esserea amate<br />

R: vi estos amatoj (m.), vi estus amatoj (m.),<br />

vi estos amataj (f.) vi estos amataj (f.)<br />

Am einfachsten ist es auch hier im <strong>Interlingua</strong> und im <strong>Ido</strong>, die für<br />

alle Personen nur eine Passivform kennen, während das<br />

<strong>Esperanto</strong> je eine für die Einzahl und Mehrzahl hat. Am<br />

formenreichsten ist einmal mehr das <strong>Realisanto</strong> mit nicht weniger<br />

als vier Varianten, die aber für eine klare Abgrenzung sorgen. In<br />

der Mehrzahl unterscheidet sich diese Sprache vom <strong>Esperanto</strong><br />

nur durch die männliche Variante «amatoj».<br />

In den modernen romanischen Sprachen und auch im Latein<br />

verhält es sich jedoch gleich. Wer eine dieser Sprachen kennt,<br />

hat auch mit dem <strong>Realisanto</strong> keine Mühe.<br />

du wirst geliebt - Latein<br />

Italienisch<br />

Katalanisch<br />

Spanisch<br />

Portugiesisch<br />

113<br />

es amatus (m.)/amata (f.)<br />

sei amato/amata<br />

ets amat/amada<br />

eres amado/amada<br />

és amado/amada


ihr werdet geliebt - Latein<br />

Italienisch<br />

Katalanisch<br />

Spanisch<br />

Portugiesisch<br />

estis amati/amatae<br />

siete amati/amate<br />

sou amats/amades<br />

sois amados/amadas<br />

sois amados/amadas<br />

Anzumerken ist noch, dass die lateinischen Varianten denen im<br />

Vulgärlatein entsprechen, aus dem sich die heutigen<br />

romanischen Sprachen gebildet haben. In der klassischen<br />

Schriftsprache lauten diese beiden Ausdrücke so:<br />

du wirst geliebt - amaris ihr werdet geliebt - amamini<br />

Die ganze Konjugation lautet im Präsens so:<br />

amor (!), amaris, amatur, amamur, amamini, amantur<br />

Wer mehr über das Vulgärlatein wissen will, kann in meinem<br />

Buch «Lehrbuch des Vulgärlateins» nachschauen, das noch bis<br />

heute zumindest im deutschen Sprachraum das einzige<br />

Lehrbuch für diese Sprache ist.<br />

Im Katalanischen wird für «lieben» mehr das Verb «estimar»<br />

verwendet, das ursprünglich so wie im Latein «wertschätzen»<br />

bedeutet hat. In mehreren romanischen Sprachen - so auch im<br />

Italienischen - drückt die Verwendung des Verbs «venire»<br />

(kommen) eine gerade stattfindende passive Handlung aus,<br />

während die Verwendung von «sein» mehr eine abgeschlossene<br />

Handlung beinhaltet. In den drei iberischen Sprachen ist es<br />

möglich, das Gleiche mit dem Gerundium von «sein»<br />

auszudrücken, wobei dann die Verben «stare» und «estar», die<br />

in den iberischen Sprachen identisch sind, zum Zug kommen:<br />

Du wirst (gerade) geliebt - IT: vieni amato/amata,<br />

stai essendo amato/amata<br />

CT: estàs essent amat/amada<br />

ES: estás siendo amado/amada<br />

PO: estás sendo amado/amada<br />

114


Ihr werdet (gerade) geliebt - IT: venite amati/amate,<br />

state essendo amati/amate<br />

CT: esteu essent amats/amades<br />

ES: estais siendo amados/amadas<br />

PO: estaus sendo amados/amadas<br />

All diese Formen sind grammatikalisch möglich, aber sie<br />

kommen in der Umgangssprache so gut wie gar nie und auch in<br />

der Schriftsprache nur selten vor, erst recht nicht die beiden<br />

unteren Varianten im Italienischen.<br />

Das Gleiche gilt auch für alle anderen Verben. In den vier<br />

Plansprachen gibt es diese Feinheiten nicht.<br />

Etwas komplizierter wird es in den zusammengesetzten Zeiten,<br />

aber nicht im <strong>Interlingua</strong> und im <strong>Realisanto</strong>:<br />

Perfekt:<br />

Plusquamperfekt:<br />

D: du bist geliebt worden du warst geliebt worden<br />

E: vi estas estinta amata vi estis estinta amata<br />

ID: tu esas esinta amata, tu esis esinta amata,<br />

tu esabas amata<br />

tu esabis amata<br />

IN: tu ha essite amate<br />

tu habeva essite amate<br />

R: ti havas estato amato (m.), ti havis estato amato (m.),<br />

ti havas estato amata (f.) ti havis estato amata (f.)<br />

D: ihr seid geliebt worden ihr wart geliebt worden<br />

E: vi estas estinta amataj vi estis estinta amataj<br />

ID: vi esas esinta amata, vi esis esinta amata,<br />

vi esabas amata<br />

vi esabis amata<br />

IN: vos ha essite amate vos habeva essite amate<br />

R: vi havas estato amatoj (m.), vi havis estato amatoj (m.),<br />

vi havas estato amataj (f.) vi havis estato amataj (f.)<br />

115


Futur II:<br />

Konditional II:<br />

D: du wirst geliebt worden sein du wärst geliebt worden<br />

E: vi estos estinta amata vi estus estinta amata<br />

ID: tu esos esinta amata,<br />

tu esus esinta amata,<br />

tu esabos amata<br />

tu esabus amata<br />

IN: tu habera essite amate tu haberea essite amate<br />

R: ti havos estato amato (m.), ti havus estato amato (m.),<br />

ti havos estato amata (f.) ti havus estato amata (f.)<br />

D: ihr werdet geliebt worden sein ihr wärt geliebt worden<br />

E: vi estos estinta amataj vi estus estinta amataj<br />

ID: vi esos esinta amata,<br />

vi esus esinta amata,<br />

vi esabos amata<br />

vi esabus amata<br />

IN: vos habera essite amate vos haberea essite amate<br />

R: vi havos estato amatoj (m.), vi havus estato amatoj (m.),<br />

vi havos estato amataj (f.) vi havus estato amataj (f.)<br />

Bis hierher ist es insgesamt einfach, sogar im <strong>Esperanto</strong> und im<br />

<strong>Ido</strong> mit den Gerundiumformen «estinta» und «esinta» in den<br />

zusammengesetzten Zeiten, aber jetzt kommt es: Genauso wie<br />

bei den Gerundien kommen in diesen beiden Sprachen noch<br />

Varianten auf «i» und «o» vor, die ebenfalls eine Handlung in der<br />

Vergangenheit und in der Zukunft anzeigen - und auch hier sind<br />

das <strong>Esperanto</strong> und das <strong>Ido</strong> deckungsgleich.<br />

Für jede einfache Zeit - also wenigstens nicht auch noch für die<br />

formal zusammengesetzten Zeiten - gibt es je drei Varianten,<br />

insgesamt also zwölf:<br />

ich werde (gerade jetzt) geliebt = mi estas amata, me esas amata<br />

ich werde (noch) geliebt<br />

(aber wohl bald nicht mehr)<br />

= mi estas amita, me esas amita<br />

ich werde (wohl bald) geliebt = mi estas amota, me esas amota<br />

116


ich wurde (gerade) geliebt<br />

ich wurde (noch) geliebt<br />

(aber wohl bald nicht mehr)<br />

ich wurde (bald) geliebt<br />

ich werde geliebt werden<br />

= mi estis amata, me esis amata<br />

= mi estis amita, me esis amita<br />

= mi estis amota, me esis amota<br />

= mi estos amata, me esos amata<br />

ich werde (noch) geliebt = mi estos amita, me esos amita<br />

werden (aber wohl bald nicht mehr)<br />

ich werde (wohl bald)<br />

geliebt werden<br />

ich würde (noch) geliebt<br />

werden<br />

= mi estos amota, me esos amota<br />

= mi estus amata, me esus amata<br />

ich würde (noch) geliebt = mi estus amita, me esus amita<br />

werden (aber wohl bald nicht mehr)<br />

ich würde (wohl bald)<br />

geliebt werden<br />

= mi estus amota, me esus amota<br />

Zusammen mit den zwölf anderen Feinvarianten im Gerundium,<br />

die ich im vorherigen Kapitel aufgeführt habe, ist also eine<br />

Unterteilung in nicht weniger als 24 verschiedenen<br />

Ausdrucksmöglichkeiten möglich, worauf vor allem die<br />

Esperantisten immer stolz waren. Dass diese 24 Varianten aber<br />

das Englische nicht übertreffen, wie immer behauptet wird, habe<br />

ich in meinem oben erwähnten Buch «<strong>Realisanto</strong> - das<br />

<strong>Esperanto</strong> des 21. Jahrhunderts» in allen Einzelheiten widerlegt.<br />

Wer so etwas behauptet, kennt das Englische zu wenig gut.<br />

Da diese Feinunterteilung aber auch für die Esperantisten und<br />

117


Idisten immer viel zu kompliziert war - gerade hier haben die<br />

eigentlich hochintelligenten Schöpfer wie Zamenhof und<br />

Couturat & Co. nicht daran gedacht, dass nicht alle dazu fähig<br />

sind, so tief in den Grammatikdschungel einzusteigen wie sie -,<br />

sind auch bei ihnen genauso wie bei den Gerundien nicht nur<br />

mündlich, sondern auch schriftlich fast immer nur die vier<br />

Grundzeiten mit den Varianten auf «a» vorgekommen. Darin<br />

unterscheiden sie sich also nicht wesentlich vom <strong>Interlingua</strong> und<br />

vom <strong>Realisanto</strong>:<br />

E: mi estas/estis/estos/estus amata,<br />

vi estas/estis/estos/estus amataj<br />

ID: me/vi esas/esis/esos/esus amata<br />

IN: io/vos es/esseva/essera/esserea amate<br />

R: mi estas/estis/estos/estus amato/amata,<br />

vi estas/estis/estos/estus amatoj/amataj<br />

Die Zahlen<br />

Da die Kardinalzahlen bzw. Grundzahlen in diesen vier Sprachen<br />

sich nicht allzu stark unterscheiden, führe ich hier nur die Zahlen<br />

von 1 bis 10 auf.<br />

E: <strong>Ido</strong>: Int.: R:<br />

0 nulo zero zero sero *<br />

1 unu un un uno, una<br />

2 du du duo du<br />

3 tri tri tres tre<br />

4 kvar quar quatro kuar<br />

5 kvin kin cinque kuin<br />

6 ses sis sex ses<br />

7 set sep septe set<br />

8 ot ok octo ot<br />

9 nov non novem nov<br />

10 dek dek dece dek<br />

118


* Da im <strong>Realisanto</strong> wie oben erwähnt nicht zwischen stimmhaften<br />

und stimmlosen Konsonanten unterschieden wird und der<br />

Konsonant «z» alleinstehend nicht vorkommt, wird hier «sero»<br />

verwendet.<br />

Hier steht das <strong>Interlingua</strong>, dessen Anhängerschaft ja<br />

ausdrücklich betont, dass ihre Sprache das moderne Latein sei,<br />

dieser Sprache eindeutig am nächsten. Für die Ziffer 9 wird<br />

deshalb das antike «novem» verwendet, damit es nicht mit dem<br />

Adjektiv «nove» (neu) verwechselt werden kann.<br />

Im <strong>Esperanto</strong> und <strong>Ido</strong> kommen «unu» und «un» nur bei einer<br />

Betonung und in zusammengesetzten Zahlen vor (11 = «dek<br />

unu» im <strong>Esperanto</strong> und «dek-e-un» im <strong>Ido</strong>), während «un» im<br />

<strong>Interlingua</strong> zwar immer mitverwendet wird, aber auch für solche<br />

Wörter, die in vielen anderen Sprachen eindeutig weiblich sind,<br />

zum Beispiel auch bei diesen beiden, die ich oben schon einmal<br />

aufgeführt habe:<br />

eine Kuh = vako (E. und <strong>Ido</strong>), un vacca (Int.), una vaka (R)<br />

eine Ziege = kapro (E. und <strong>Ido</strong>), un capra (Int.) una kapra (R)<br />

Das <strong>Realisanto</strong> ist hier die einzige Sprache, die genauso wie im<br />

Vulgärlatein und in den heutigen romanischen Sprachen<br />

zwischen einem männlichen und weiblichen Geschlecht<br />

unterscheidet.<br />

Die Wörter, die im Deutschen sächlich sind, werden in diesen<br />

vier Sprachen gewissermassen aufgeteilt:<br />

ein Kind = infano (E. und <strong>Ido</strong>), un infante (Int.), un infano (R)<br />

ein Haus = domo (E. und <strong>Ido</strong>), una casa (Int.), una domo/<br />

una kasa (R)<br />

Auch hier bietet das <strong>Realisanto</strong> mehr als eine Variante an.<br />

119


Bei den Ordinalzahlen bzw. Ordnungszahlen sind die<br />

Unterschiede im Vergleich zu den Grundzahlen viel grösser - und<br />

auch hier bilden das <strong>Esperanto</strong> und das <strong>Ido</strong> sowie das <strong>Interlingua</strong><br />

und das <strong>Realisanto</strong> jeweils eigene Gruppen.<br />

E: <strong>Ido</strong>: Int.: R:<br />

1 unua unuema prime primero, primo<br />

2 dua duema secunde sekundo<br />

3 tria triema tertie tercero, terco<br />

4 kvara quarema quarte kuarto<br />

5 kvina kinema quinte kuinto<br />

6 sesa sisema sexte sesto<br />

7 seta sepema septime séptimo<br />

8 ota okema octave oktavo<br />

9 nova nonema nonave nonavo<br />

10 deka dekema decime décimo<br />

usw.<br />

Während an die Grundzahlen im <strong>Esperanto</strong> immer die Endung<br />

«-a» angehängt wird, geschieht im <strong>Ido</strong> das Gleiche mit der<br />

Endung «-ema». Auch hier steht das <strong>Interlingua</strong> dem Latein am<br />

nächsten - und auch hier bietet das <strong>Realisanto</strong> zumindest bei den<br />

Ziffern 1 und 3 mehr als eine Variante an, eine spanischportugiesische<br />

und eine italienische Version.<br />

Da die Wochentage, Monatsnamen und Jahreszeiten in allen<br />

vier Sprachen fast identisch sind und es in diesem Buch vor<br />

allem darum geht, die entscheidenden Unterschiede<br />

aufzuzeigen, verzichte ich hier auf die entsprechenden<br />

Wörterlisten.<br />

120


Nachwort<br />

Nachdem ich die wichtigsten Unterschiede zwischen dieser vier<br />

Plansprachen vorgestellt und dabei auf viele Einzelheiten<br />

verzichtet habe - vor allem konnte ich auf die vielen Vor- und<br />

Nachsilben im <strong>Esperanto</strong> und <strong>Ido</strong> nicht näher eingehen -, fragen<br />

sich die einen oder anderen jetzt sicher, wie ich selber zu ihnen<br />

stehe. Da das <strong>Realisanto</strong> meine eigene Schöpfung ist, würde es<br />

eigentlich naheliegen, dieses als die beste Variante zu<br />

bezeichnen. Immerhin weist es mit allen möglichen<br />

Nuancierungen den grössten Wortschatz auf, und in der<br />

Grammatik steht es ziemlich genau in der Mitte zwischen dem<br />

<strong>Esperanto</strong> und dem <strong>Interlingua</strong>, also zwischen den beiden<br />

Sprachen, die schon seit Jahrzehnten als die zwei besten<br />

bezeichnet werden, wenn es darum geht, eine Plansprache in<br />

die internationale Politik aufzunehmen.<br />

Da ich selber schon 70-jährig bin, also viel älter, als es Zamenhof<br />

und Couturat - der noch heute als der eigentliche Kopf der <strong>Ido</strong>-<br />

Bewegung gilt - sowie die Schöpfer des <strong>Interlingua</strong> waren, und<br />

da auch das <strong>Esperanto</strong> nicht weniger als 18 Jahre brauchte, bis<br />

es bei der ersten grossen Konferenz im Jahr 1905 offiziell als<br />

vollwertige Sprache anerkannt wurde, denke ich nicht daran,<br />

dass ich eine richtige Anerkennung des <strong>Realisanto</strong>s jemals<br />

erleben werde. Dazu kommt noch, dass ich nicht so wie<br />

Zamenhof und Couturat gute Verbindungen habe und zudem<br />

nicht vermögend bin, was einiges erleichtern würde, aber noch<br />

schwerer wiegt sicher die Tatsache, dass ich nicht das Zeug zu<br />

einem charismatischen Anführer habe, dass ich<br />

Menschenmassen eher scheue und zudem manchmal stottere,<br />

wenn ich spreche. Auch die Konkurrenz von Dutzenden anderen<br />

Plansprachen, die ebenfalls unbekannt sind, darf nicht<br />

unterschätzt werden.<br />

Am wichtigsten ist mir, dass ich die beiden umfangreichen<br />

Wörterbücher Deutsch - <strong>Realisanto</strong> und <strong>Realisanto</strong> - Deutsch<br />

121


noch fertigstellen kann. Ein Lehrbuch ist für jede Sprache nun<br />

einmal die Verfassung, aber diese allein ohne ein<br />

entsprechendes Wörterbuch, das für sie ein Haus ist, kann auf<br />

die Dauer nicht bestehen. Deshalb habe ich die bereits<br />

begonnene Übersetzung des Neuen Testaments ins <strong>Realisanto</strong><br />

unterbrochen und werde sie erst dann fortsetzen, wenn ich die<br />

beiden Wörterbücher fertiggestellt habe. Die Nachwelt wird in<br />

späteren Zeiten darüber urteilen, ob diese Sprache wirklich<br />

brauchbar ist oder nicht.<br />

-----------------------------------------------------------------<br />

Sollte es jemals zu einer Abstimmung darüber kommen, welche<br />

der drei anderen Plansprachen, die ich in diesem Buch als<br />

Pionierarbeit zusammen mit dem <strong>Realisanto</strong> vorgestellt und<br />

miteinander verglichen habe, als eine Art Amtssprache<br />

anerkannt werden könnte - am ehesten in der Europäischen<br />

Union, obwohl diese jetzt ganz andere Probleme zu lösen hat -,<br />

würde schon jetzt feststehen, dass das <strong>Ido</strong> zuerst ausscheiden<br />

würde. Die Sprache wirkt zwar dadurch, dass die diakritischen<br />

Zeichen mit dem umgekehrten Dächlein wie im <strong>Esperanto</strong> sowie<br />

die stets obligatorischen Akkusativ-Endungen und die vielen<br />

slawischen Wörter wegfallen, ein wenig aufgeschlossener, doch<br />

insgesamt ist sie nicht besser geraten als <strong>Esperanto</strong>. Das<br />

grammatikalische Gerüst ist auch mit den nur durch das Infix «-<br />

ab-« gebildeten zusammengesetzten Zeiten, die im <strong>Interlingua</strong><br />

und im <strong>Realisanto</strong> voll ausgebildet sind, eben weitgehend das<br />

gleiche.<br />

Dazu kommt noch, dass die Idisten im Gegensatz zu den<br />

Esperantisten immer die Auffassung vertraten, dass man mit<br />

einer Plansprache erst dann richtig «angreifen» sollte, wenn sie<br />

vollkommen gebaut ist. Das hat entscheidend dazu geführt, dass<br />

die beste Zeit kurz nach dem Ersten Weltkrieg bis zur<br />

Machtübernahme durch die Nationalsozialisten im Jahr 1933<br />

buchstäblich verschlafen wurde. Als im Jahr 1921 das erste und<br />

122


noch heute beste <strong>Ido</strong>-Lehrbuch erschien, das ich für dieses Buch<br />

verwendet habe, konnte noch dick aufgetragen und davon<br />

ausgegangen werden, dass diese «Weltsprache», wie auch<br />

diese bezeichnet wurde, irgendwann schon noch die grosse<br />

Bühne betreten und das <strong>Esperanto</strong> verdrängen könnte, aber<br />

nach 1933 war das nicht mehr möglich. Zudem hatten die<br />

Esperantisten nach dem Zweiten Weltkrieg nicht zuletzt auch<br />

durch die einseitige Parteinahme zugunsten der sogenannten<br />

sozialistischen Staatenwelt die viel besseren Verbindungen, so<br />

dass es leicht war, die immer mehr schrumpfende <strong>Ido</strong>-Bewegung<br />

in den Schatten zu stellen.<br />

Nicht zuletzt hat sich auch das Fehlen von Couturat, der schon<br />

im Jahr 1914 ums Leben kam, als sein Fahrzeug am Tag der<br />

Generalmobilmachung mit einem Militärwagen zusammenstiess,<br />

dessen Fahrer es auf Befehl von ganz oben besonders eilig<br />

hatte, nach dem Ersten Weltkrieg, als wieder neu aufgebaut<br />

werden musste, schmerzlich bemerkbar gemacht. Auch auf die<br />

drei anderen Mitschöpfer, die noch heute immer wieder erwähnt<br />

werden, konnte nicht mehr gezählt werden, vor allem auch<br />

deshalb nicht, weil der dänische Sprachwissenschaftler Otto<br />

Jespersen ausstieg, um seine eigene Plansprache Novial zu<br />

entwickeln, die er im Jahr 1928 veröffentlichte. Zudem waren der<br />

Chemiker Wilhelm Ostwald, der im Jahr 1909 wie oben erwähnt<br />

den Nobelpreis erhielt, und der auch in den eigenen Reihen stets<br />

umstrittene Louis de Beaufront bereits mehr als 70-jährig und<br />

starben bald darauf in den Dreissigerjahren. Hätte vor allem der<br />

noch im jungen Alter tödlich verunglückte Couturat nach dem<br />

Ersten Weltkrieg gelebt, hätte sich das <strong>Ido</strong> in eine bessere<br />

Richtung entwickeln können, aber so hat dieser Sprache immer<br />

ein eigentlicher Kopf gefehlt, wie ihn die Volapükisten haben, die<br />

seit dem Jahr 1879, als der Priester Johann Martin Schleyer<br />

diese Sprache vorstellte, noch bis heute einen «Cifal» haben,<br />

also einen eigentlichen Vorgesetzten, der noch heute das letzte<br />

Wort hat, wenn allfällige Reformen vorgeschlagen werden.<br />

123


Diese fehlende Führung durch einen vom Format wie Couturat,<br />

aber auch die fehlende politische Haltung aus gut gemeinten<br />

Gründen - im Gegensatz zu den Esperantisten, die sich vor allem<br />

nach dem Jahr 1960 wie oben erwähnt überwiegend auf die<br />

Seite der sogenannten sozialistischen Staatenwelt schlugen -<br />

haben entscheidend dazu beigetragen, dass die Anhängerschaft<br />

dieser Sprache nach dem Zweiten Weltkrieg stark gesunken ist<br />

und heute nach verschiedenen Angaben im Internet im besten<br />

Fall noch 2'000 Sprecher aufweist. Die <strong>Ido</strong>-Bewegung ist aber<br />

immer noch lebendig, ja, es finden genauso wie bei den<br />

Esperantisten immer noch internationale Kongresse statt, die<br />

jedoch nur spärtlich besucht werden.<br />

Anders sieht es beim <strong>Interlingua</strong> aus, wo ein Teil der<br />

Anhängerschaft ebenfalls dick aufträgt, ja, einer von ihnen hat<br />

diese Sprache sogar als eine Perfektsprache bezeichnet, und<br />

nicht wenige behaupten wie oben erwähnt sogar, sie sei das<br />

moderne Latein - als hätte es das «Latino sine flexione», das<br />

noch vor dem <strong>Ido</strong> vom italienischen Mathemartiker Giuseppe<br />

Peano erschaffen wurde und die antike Muttersprache viel<br />

besser trifft, nie gegeben. Zudem ist auch der Name <strong>Interlingua</strong><br />

an sich eine Frechheit, weil schon Peanos Sprache diesen Titel<br />

trug und auch der Deutschbalte Max von Wahl seine eigene<br />

Plansprache Occidental, die er später ebenfalls in <strong>Interlingua</strong><br />

umbenannte, schon im Jahr 1922 vorstellte. Es wurde bis nach<br />

von Wahls Ableben gewartet, bis seine Sprache in Occidental-<br />

Interlingue bzw. in Interlingue-Occidental umbenannt wurde -<br />

also wurde nur der hinterste Vokal ausgetauscht -, damit für die<br />

seit 27 (!) Jahren vorbereitete Sprache Platz geschaffen werden<br />

konnte, und da anscheinend weder Peano noch von Wahl<br />

Nachkommen hinterlassen hatten, die gegen diesen doppelten<br />

Namensdienstahl hätten klagen können, wurde das<br />

hingenommen. Zudem hat sicher auch mitgespielt, dass die<br />

Erschaffung dieser neuen Sprache Unterstützung aus<br />

einflussreichsten Kreisen bekam, so auch von der ehemaligen<br />

Esperantistin Alice Vanderbilt vom schwerreichen Vanderbilt-<br />

Clan.<br />

124


Der eigentliche Witz der ganzen Geschichte besteht darin, dass<br />

die IALA (International Auxiliary Language Association), die<br />

diese neue Sprache im Jahr 1951 vorstellte, schon drei Jahre<br />

später aufgelöst wurde, weil es nicht zu übersehen war, dass auf<br />

die Dauer halt doch das Englische die dominiertende<br />

Weltsprache sein würde. Trotz aller Werbetrommeln haben es<br />

auch die Interlinguisten bis heute nie geschafft, das <strong>Esperanto</strong><br />

zu verdrängen, ja, ihre Anhängerschaft oder genauer jene, die<br />

das <strong>Interlingua</strong> wirklich sprechen, ist noch heute nicht grösser als<br />

die <strong>Ido</strong>-Gemeinschaft.<br />

Warum das <strong>Interlingua</strong>, das auch als die <strong>Interlingua</strong> bezeichnet<br />

wird, vor allem in den Ländern, wo eine romanische Sprache<br />

dominiert, und vor allem in Spanien und Italien viele Anhänger<br />

hat, kann nicht erstaunen, wenn diese Sprache ausdrücklich als<br />

eine panromanische Sprache und sogar als modernes Latein<br />

bezeichnet wird, die fast eine Milliarde Menschen verstehen<br />

können, ohne dass sie auch nur einen kleinen Teil zu lernen<br />

brauchen. Auch die Tatsache, dass diese Sprache in<br />

Nordeuropa und besonders in Schweden im Vergleich zu<br />

Deutschland viel mehr Anhänger hat, lässt sich erklären: Da die<br />

Nordeuropäer schon immer viel mehr Mühe hatten als die<br />

Mitteleuropäer, eine romanische Sprache zu erlernen, und<br />

deshalb auch so bedeutende Sprachen wie Französisch und erst<br />

recht Latein nicht von vielen studiert wurden, wird jetzt die<br />

Gelegenheit, sich eine leicht zu erlernende romanische Sprache<br />

anzueignen, natürlich mit Freude wahrgenommen.<br />

Der Vorteil dieser Sprache ist tatsächlich, dass sie nicht schwer<br />

ist und sogar fliessend gesprochen werden kann, doch der<br />

entscheidende Nachteil ist, dass sie im besten Fall nur wie ein<br />

Pidgin-Romanisch wirkt, aber für eine internationale<br />

Amtssprache ungeeignet ist. Für einen wie mich, der ausser dem<br />

Rumänischen - aber auch dort immerhin zwei Drittel - alle<br />

romanischen Sprachen zu fast hundert Prozent versteht und<br />

zehn davon auch aktiv spricht, kann eine solche Sprache nicht<br />

125


efriedigen. Am meisten stören die nur in den männlichen<br />

Varianten vorkommenden Artikel «un» und «le» auch für<br />

eindeutig weibliche Wörter, was die Sprache völlig unnatürlich<br />

wirken lässt - eben nur pidginhaft. Dazu kommt noch, dass sie<br />

zwar für die westliche Hemisphäre gut sein kann, aber die<br />

osteuropäische Staatenwelt nicht berücksichtigt, obwohl immer<br />

wieder betont wird, diese Sprache sei für ganz Europa als<br />

Universalsprache geeignet. Und auch dies muss einmal deutlich<br />

gesagt und geschrieben werden: Angesichts der Tatsache, dass<br />

bis zur Fertigentwicklung dieser Sprache nicht weniger als 27 (!)<br />

Jahre aufgewendet wurden, kommt das Endergebnis ziemlich<br />

dürftig daher - im Vergleich dazu ist auch das <strong>Ido</strong> um einiges<br />

besser.<br />

Kommt noch das <strong>Esperanto</strong>, die älteste dieser drei<br />

Plansprachen, die in der ganzen Welt auch die bekanntesten<br />

sind. Wäre diese Sprache so vollkommen, wie ihre ebenfalls dick<br />

auftragende Anhängerschaft das immer wieder betont, so dass<br />

ihr weltweites Werben mit dem grünen Stern oft auch sektenhaft<br />

wirkt, als wäre das <strong>Esperanto</strong> eine Religion, wären das <strong>Ido</strong> und<br />

das <strong>Interlingua</strong> sowie alle anderen Plansprachen einschliesslich<br />

das <strong>Realisanto</strong> wohl kaum erschaffen worden. Trotzdem halte<br />

ich das <strong>Esperanto</strong> von diesen dreien als eine internationale<br />

Amtssprache für die geeignetste, erstens weil sie halt doch so<br />

stabil ist, dass alle Versuche, an ihrer Vormachtstellung etwas zu<br />

ändern, bis heute gescheitert sind, und zweitens wegen ihrer<br />

langen Geschichte.<br />

Noch bevor die Idisten, welche in diesem Bereich die gleiche<br />

Weltanschauung teilten, im Jahr 1907 die Bühne betraten - nach<br />

einer ebenfalls langen Vorbereitungszeit von sieben Jahren,<br />

aber wenigstens nicht so übertrieben lange, wie die<br />

Interlinguisten sie brauchten -, herrschte unter den Esperantisten<br />

zwischen den Geschlechtern völlige Gleichberechtigung. In einer<br />

Zeit, als die Frauen auf den Strassen noch um ihre Rechte<br />

kämpfen mussten und oft niedergeknüppelt wurden, weil die<br />

126


herrschenden Kreise es als «gottgegeben» sahen, dass in der<br />

Welt nur die Männer das Sagen hatten - auch eine Königin<br />

Victoria konnte nichts daran ändern -, konnten die Frauen also<br />

voll mitbestimmen. Das hat sicher entscheidend dazu<br />

beigetragen, dass sowohl das <strong>Esperanto</strong> als auch das <strong>Ido</strong>, die<br />

beide ihr Zentrum in Paris hatten, besonders viele Frauen für sich<br />

gewannen, doch das war ebenfalls eine Ursache dafür, dass<br />

diese beiden Sprachen und vor allem das <strong>Esperanto</strong> von den<br />

herrschenden Kreisen als Proletensprache verspottet wurden.<br />

Das <strong>Ido</strong> wurde deshalb weniger angegriffen, weil neben dem<br />

Mathematiker und Naturwissenschaftler Louis Couturat und dem<br />

Chemiker Wilhelm Ostwald noch mehrere andere hochkarätige<br />

Leute aus den sogenannten besten Kreisen an der Entstehung<br />

dieser Sprache mitgewirkt hatten. So sollen auch auffallend viele<br />

Ärztinnen und Ärzte dabei gewesen sein, wie ich einmal im<br />

YouTube vernommen habe.<br />

Damit das <strong>Esperanto</strong> überhaupt eine Chance hat, bei einer<br />

allfälligen neuen Abstimmung endlich durchzukommen, sind<br />

jedoch ein paar Veränderungen unumgänglich: Die stets<br />

obligatorischen Akkusativ-Endungen, die wenigstens immer für<br />

eine gewisse Ordnung gesorgt haben, allenfalls auch noch die<br />

starre Dativ-Partikel «al» selbst vor Konsonanten und sogar die<br />

auffallend vielen Wörter, die ihre slawische Herkunft nicht<br />

verbergen, können als Kompromisslösung bleiben - oder auch<br />

wegfallen und durch geeigneter scheinende Wörter wie zum<br />

Beispiel durch solche im <strong>Ido</strong> ersetzt werden -, aber die fünf<br />

diakritischen Zeichen müssen verschwinden und durch die<br />

Doppelkonsonanten ersetzt werden, die neben vielen anderen<br />

Sprachen auch im <strong>Realisanto</strong> vorkommen:<br />

cx = ch, gx = dzh, jx = zh, hx = kh, sx = sh<br />

Sollten die Esperantisten zu dieser Veränderung endlich bereit<br />

sein, würde ihre Sprache bei einer allfälligen Abstimmung sicher<br />

mehr Stimmen bekommen als die Konkurrenzsprache<br />

<strong>Interlingua</strong>, weil zum Beispiel in Europa die Osteuropäer sich<br />

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vom <strong>Esperanto</strong> immer noch besser vertreten fühlen als mit der<br />

typisch westlichen panromanischen Sprache. Dazu kommt noch,<br />

dass die Anhängerschaft dieser Sprache ausserhalb des<br />

germanisch-romanischen Kulturkreises, zu dem auch<br />

Lateinamerika zählt, gerade in Ostasien erstaunlich gross ist,<br />

doch das lässt sich mit der ziemlich komplizierten Phonetik des<br />

Englischen erklären, mit der noch heute die meisten Menschen<br />

in der ganzen Welt ihre Mühe haben.<br />

Quellenangaben<br />

Da ich das <strong>Ido</strong> und das <strong>Interlingua</strong> wie oben geschrieben noch<br />

nicht kannte, als ich meine eigene Sprache <strong>Realisanto</strong> im Jahr<br />

2018 innerhalb von wenigen Monaten entwickelte, liegt es nahe,<br />

dass ich auf andere Quellen angewiesen war, um dieses Buch<br />

zu schreiben.<br />

Für das <strong>Ido</strong> ist das von Ferdinand Weber im Jahr 1921 verfasste<br />

Lehrbuch «<strong>Ido</strong> por omni» (<strong>Ido</strong> für alle) immer noch das beste.<br />

Nach meinem Wissen ist seitdem kein anderes <strong>Ido</strong>-Lehrbuch<br />

mehr geschrieben worden, das dieses übertroffen hat. Die<br />

Grammatik wird zwar ausführlich dargestellt und konzentriert<br />

sich auf das Wesentliche, aber der dort aufgeführte Wortschatz<br />

ist leider ziemlich lückenhaft.<br />

Für das <strong>Interlingua</strong> standen mir nur zwei ebenfalls lückenhafte<br />

Quellen zur Verfügung: Einerseits die Zusammenfassung unter<br />

dem Titel «Sprachbau der <strong>Interlingua</strong>» im Google, andererseits<br />

das Wörterbuch mit dem Titel «Mini-Wörterbuch <strong>Interlingua</strong> -<br />

Deutsch», verfasst im Jahr 2018 von Daniel Weingärtner und<br />

herausgegeben von der Union Mundial pro <strong>Interlingua</strong>.<br />

Diese mangelhaften Quellen, die mir für das <strong>Ido</strong> und das<br />

<strong>Interlingua</strong> zur Verfügung standen, sind mit ein Grund dafür, dass<br />

ich mich bei den Vergleichen zwischen diesen vier Plansprachen<br />

auf das Wesentlichste beschränken musste.<br />

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