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26. Jahrgang<br />
<strong>November</strong> 2023<br />
2,10 €, davon 1,- €<br />
für die VerkäuferInnen<br />
UNABHÄNGIGE STRASSENZEITUNG FÜR FREIBURG UND DAS UMLAND<br />
ZUR UNTERSTÜTZUNG VON MENSCHEN IN SOZIALEN NOTLAGEN<br />
POKALSIEG AUF ST. PAULI<br />
beneFit bei den deutschen Meisterschaften im Straßenfußball<br />
IM GESPRÄCH MIT...<br />
Simone Heneka von P.I.N.K.<br />
900 JAHRE ARMUT IN FREIBURG<br />
Armenwesen und Pflege in Freiburg (Teil 32)
INHALT<br />
3<br />
VORWORT<br />
22<br />
FÜR DEN TIERSCHUTZ<br />
4<br />
RECHT AUF STADT<br />
24<br />
ARMUT ABSCHAFFEN<br />
6<br />
900 JAHRE ARMUT IN FREIBURG<br />
25<br />
VERKÄUFERIN KATRIN<br />
10<br />
POKALSIEG AUF ST. PAULI<br />
26<br />
BUCHVORSTELLUNG<br />
12<br />
25 JAHRE FREIeBÜRGER<br />
27<br />
KOCHEN<br />
14<br />
IM GESPRÄCH MIT...<br />
28<br />
SPORT<br />
18<br />
SOZIALDARWINISMUS<br />
30<br />
RÄTSEL<br />
21<br />
MITMACHSEITE<br />
31<br />
ÜBER UNS<br />
OHNE IHRE UNTERSTÜTZUNG<br />
GEHT ES NICHT<br />
Liebe LeserInnen,<br />
um weiterhin eine<br />
interessante Straßenzeitung<br />
produzieren und Menschen<br />
durch ihren Verkauf einen<br />
Zuverdienst ermöglichen<br />
zu können, benötigen<br />
wir Ihre Hilfe.<br />
Vielen Dank!<br />
Spendenkonto:<br />
DER FREIeBÜRGER e. V.<br />
IBAN: DE80 6809 0000 0002 4773 27<br />
BIC: GENODE61FR1<br />
Denken Sie bitte daran, bei einer Überweisung Ihren Namen<br />
und Ihre Anschrift für eine Spendenbescheinigung anzugeben.<br />
2<br />
FREIeBÜRGER 11 | 2023
Liebe LeserInnen,<br />
wir hoffen, dass Sie trotz des Schmuddelwetters bei bester<br />
Laune und Gesundheit sind! Es ist aber in den letzten<br />
Wochen auch ziemlich ungemütlich geworden und wenn<br />
ich so aus dem Fenster schaue, dann weiß ich auch, warum<br />
man von der grauen oder dunklen Jahreszeit spricht.<br />
Doch nicht mal das Wetter hat unserer Stimmung am<br />
vergangenen Wochenende einen Abbruch getan, denn<br />
da haben wir unser 25-jähriges Jubiläum endlich groß<br />
gefeiert. Es ging hoch her im Bürgerhaus am Seepark<br />
und jede Menge Geburtstagsgäste waren gekommen.<br />
Ich will hier nicht jeden aufzählen, aber Bürgermeister<br />
Uli von Kirchbach war da, einige GemeinderätInnen, die<br />
Jungs und Mädels von Kuhle Wampe, viele AkteurInnen<br />
der Sozial- und Wohnungslosenhilfe und viele mehr. Ganz<br />
besonders hat uns gefreut, dass Gerhard Kirk, der ehemalige<br />
Redakteur der Badischen Zeitung, kam und sogar<br />
eine Laudatio auf uns hielt! Für das leibliche Wohl war zur<br />
Genüge gesorgt, und die Bächle Boys sorgten musikalisch<br />
für gute Laune. Wie gesagt, alles in allem eine schöne<br />
Veranstaltung, wäre nicht… Für den großen Fauxpas des<br />
Abends sorgte ich selbst, als ich weder bei der Begrüßung<br />
noch bei meiner Rede den letzten Gründer der Zeitung<br />
erwähnte oder vorstellte. Dabei war er sogar anwesend.<br />
Michael Schemske, Mitbegründer und langjähriger Autor<br />
der Zeitung, ist von mir echt vergessen worden. Als ich<br />
es bemerkte bzw. darauf angesprochen wurde, war es<br />
schon zu spät. Auf der Bühne sangen George und Sascha<br />
und die meisten Gäste waren am Buffet! Das ist natürlich<br />
unverzeihlich und es tut mir auch schrecklich leid!<br />
Bedanken möchten wir uns bei allen, die da waren, ob als<br />
Gäste oder als HelferIn, Ihr alle habt zu einem gelungenen<br />
Abend beigetragen. Auch für die vielen guten Wünsche<br />
für die nächsten 25 Jahre, die Ratschläge für die Zukunft<br />
und für die Spenden bedanken wir uns ganz herzlich!<br />
Großer Dank gilt auch dem „Chef des Hauses“, der uns in<br />
jeder Form behilflich war!<br />
Wie eingangs schon erwähnt herrscht draußen so richtiges<br />
Schmuddelwetter, nicht Herbst und noch nicht<br />
Winter, einfach eklig. Dabei fallen mir dann wieder die<br />
Obdachlosen auf Freiburgs Straßen ein, deren Zahl sich<br />
einfach nicht verringern will. Und wie in jedem Jahr um<br />
diese Zeit stellt man ohnmächtig fest, dass man einfach<br />
nichts dagegen machen kann. Als einzelne Person kann<br />
man vielleicht versuchen, das Schicksal des einen oder<br />
anderen Menschen etwas zu lindern, aber auf lange Sicht<br />
kann man kaum helfen. Die Stadt hat zwar inzwischen<br />
die Anzahl der Übernachtungsplätze für wohnungslose<br />
Menschen merklich erhöht, aber für den Winter werden<br />
sie wohl nicht reichen. Es müssen endlich genügend<br />
Wohnungen gebaut werden und die müssten für jeden<br />
bezahlbar sein! Wie soll das gehen in Zeiten von Krieg,<br />
Teuerung und Inflation? Es geht! Das zeigt das neue<br />
Quartier Schildacker in Haslach. Hier wurden gerade 300<br />
Wohnungen samt einer Kita fertiggestellt, mit sage und<br />
schreibe 80 % sozial geförderten Wohnungen! Ich musste<br />
zweimal hinschauen, bevor ich diese Zahl glauben konnte.<br />
Wenn ich mir vorstelle dass dieses Beispiel Schule macht<br />
und man für zukünftige Bauprojekte ähnliche Quoten<br />
aufweisen kann, gibt es nicht mehr viele Gründe, die gegen<br />
Dietenbach sprechen. Natürlich wird durch sozialen<br />
Wohnungsbau nicht automatisch die Zahl der Obdachlosen<br />
kleiner. Doch die NeumieterInnen, die nun in die fertigen<br />
Wohnungen einziehen, hatten vorher ja auch eine<br />
Wohnung und die wird nun frei… Wenn nun also weiter<br />
mit diesem Maßstab gebaut wird, hat man auch irgendwann<br />
genügend „alten Wohnraum“, um wohnungslose<br />
Menschen zu versorgen!<br />
Seit eineinhalb Jahren schauen wir nun schon besorgt in<br />
die Ukraine, wo ein von Wladimir Putin entfesselter Krieg<br />
tobt und die Menschen dort täglich in Not und Schrecken<br />
versetzt. Nun tobt am Rande von Europa ein weiterer<br />
schrecklicher Krieg. Die terroristische Hamas hat mit beispielloser<br />
Brutalität und Grausamkeit israelische Siedlungen<br />
überfallen und Hunderte Menschen ermordet und<br />
entführt. Das ist ein menschenverachtender Angriff der<br />
Hamas auf die Zivilbevölkerung, auf Frauen, Kinder und<br />
alte Menschen. Es gibt nichts, was solche Taten rechtfertigt!<br />
Wir beim FREIeBÜRGER sind erschüttert und fordern<br />
ein Ende dieser Kriege!<br />
Ihnen, liebe LeserInnen, wünschen wir wie immer viel<br />
Spaß am FREIeBÜRGER, beim Lesen und beim Rätseln.<br />
Wenn Ihnen etwas sehr gut gefällt oder vielleicht etwas<br />
gar nicht, dann teilen Sie uns Ihre Meinung bitte mit!<br />
Neu im Stühlinger !<br />
Carsten<br />
Hofladen<br />
Regionales & saisonales Bio-Obst und -Gemüse<br />
Aktuelle Öffnungszeiten: Di. - Fr.: 8 - 13 Uhr & 16 - 19, Sa.: 16 - 19 Uhr<br />
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FREIeBÜRGER 11 | 2023 3
FREIBURG – STADT FÜR ALLE?!<br />
Die Menschenwürde gilt für alle – auch für Geflüchtete!<br />
Aktuell werden beharrlich Sachleistungen und Leistungskürzungen<br />
für Geflüchtete gefordert. Dabei erhalten die<br />
Betroffenen schon jetzt vielfach lediglich die reduzierten<br />
Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. In der<br />
Debatte werden Gruppen gegeneinander ausgespielt und<br />
die Menschenwürde offen infrage gestellt. Wir lehnen<br />
sozialrechtliche Verschärfungen ab und fordern stattdessen:<br />
Das Asylbewerberleistungsgesetz muss abgeschafft<br />
und die Betroffenen müssen in das reguläre Sozialleistungssystem<br />
einbezogen werden.<br />
Mit Bestürzung verfolgen wir die aktuelle politische Debatte<br />
über Asylsuchende, die zunehmend von sachfremden<br />
und menschenfeindlichen Forderungen dominiert<br />
wird. Die Diskussionen über Sozialleistungen sind dafür<br />
ein gutes Beispiel. Solange Geflüchtete bedürftig sind, haben<br />
Sie Anspruch auf das sozialrechtlich definierte Existenzminimum.<br />
Nun geht es offenkundig darum, diesen<br />
grundlegenden Anspruch Asylsuchender einzuschränken,<br />
mit der Begründung, so könne die Zahl der Geflüchteten<br />
in Deutschland reduziert werden. Die im Raum stehenden<br />
Forderungen reichen von einer generellen Umstellung<br />
von Geld- auf Sachleistungen über diskriminierende<br />
Bezahlkarten und einer Kürzung des Existenzminimums<br />
bis hin zur Forderung, dass kranken Menschen eine<br />
medizinische Grundversorgung vorenthalten werden soll.<br />
Diese Debatte suggeriert, Geflüchtete seien die zentrale<br />
Ursache für die zweifellos vorhandenen gesellschaftlichen<br />
Missstände wie fehlender Wohnraum oder fehlende<br />
Schul- und Kitaplätze. Diese haben jedoch andere Ursachen<br />
und würden auch bestehen, würde Deutschland<br />
keine Asylsuchenden aufnehmen. Geflüchtete werden so<br />
zu Sündenböcken für die verfehlte Sozialpolitik der letzten<br />
Jahre, ohne dass dadurch die tatsächlich bestehenden<br />
Probleme gelöst werden. Wer aber Scheinlösungen präsentiert,<br />
verspielt Vertrauen in die politische Handlungsfähigkeit.<br />
Bereits 2012 hat das Verfassungsgericht in einer<br />
wegweisenden Entscheidung das Recht jedes Menschen<br />
auf ein menschenwürdiges Existenzminimum festgehalten<br />
und dafür gesorgt, dass die Leistungen nach dem<br />
Asylbewerberleistungsgesetz zumindest vorübergehend<br />
annähernd dem Hartz IV-Niveau (heute „Bürgergeld“)<br />
entsprachen. Zugleich erteilte das höchste deutsche Gericht<br />
dem Ansinnen, Sozialleistungen zur Abschreckung<br />
Asylsuchender einzusetzen, eine deutliche Absage: „Die in<br />
Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz garantierte Menschenwürde ist<br />
migrationspolitisch nicht zu relativieren“ (Beschluss vom<br />
18.7.2012 - 1 BvL 10/10). Mit anderen Worten: Sozialleistungen<br />
dürfen nicht gekürzt werden, um Menschen von der<br />
Flucht nach Deutschland abzuschrecken. Rund zehn Jahre<br />
später, im Jahr 2022, verurteilte das Bundesverfassungsgericht<br />
eine 10%ige Kürzung der Grundleistungen für<br />
alleinstehende Geflüchtete, die in „Gemeinschaftsunterkünften“<br />
leben müssen, als verfassungswidrig.<br />
Im Übrigen ist die Behauptung, bessere soziale Bedingungen<br />
würden zu mehr Schutzsuchenden führen, seit langer<br />
Zeit wissenschaftlich widerlegt. Bereits heute erhalten<br />
Geflüchtete vor allem in den Erstaufnahmeeinrichtungen<br />
drastisch reduzierte Geldbeträge, neben einem Platz im<br />
Mehrbettzimmer, Kantinenessen und Hygienepaketen<br />
und einer oft unheilvoll verzögerten Gesundheitsversorgung.<br />
Kein Mensch, der aus einem Krieg oder vor politischer<br />
Verfolgung flieht, gibt die Flucht auf, weil er oder sie<br />
in Deutschland demnächst mit noch mehr Sachleistungen<br />
leben muss. Wenn in diesem Jahr das Bundesamt in<br />
über 70 % aller Asylanträge, die bis September inhaltlich<br />
entschieden wurden, einen Schutzstatus feststellt, wird<br />
nur allzu deutlich, dass die Menschen nicht wegen der Sozialleistungen<br />
kommen, sondern hier Schutz suchen. Die<br />
Behauptung, von den geringen Asylbewerberleistungen<br />
würden relevante Geldbeträge in Herkunftsländer überwiesen<br />
oder im Nachhinein an Schlepper ausgehändigt,<br />
ist zynisch und realitätsfern. Die Menschenwürde und<br />
das Sozialstaatsprinzip garantieren ein menschenwürdiges<br />
Existenzminimum – für alle Menschen. Wir sagen:<br />
Wer unterschiedliche Gruppen gegeneinander ausspielt<br />
und die Menschenwürde, Artikel 1 unserer Verfassung,<br />
offen infrage stellt, wendet sich gegen zentrale Errungenschaften<br />
unserer Demokratie und des Sozialstaates. Und<br />
wer das durch das Bundesverfassungsgericht bestätigte<br />
Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum<br />
missachtet, unterminiert den Rechtsstaat. Es kann<br />
nicht zweierlei Maß für die Menschenwürde geben. Wir<br />
fordern das gleiche Recht auf Sozialleistungen für alle in<br />
Deutschland lebenden Menschen, ohne diskriminierende<br />
Unterschiede. Das Asylbewerberleistungsgesetz muss abgeschafft<br />
werden. Die Betroffenen müssen in das reguläre<br />
Sozialleistungssystem einbezogen werden.<br />
Von PRO ASYL initiierter Appell<br />
4<br />
FREIeBÜRGER 11 | 2023
STADT-FÜR-ALLE-NACHRICHTEN (RÜCKBLICK VOM 15. SEPTEMBER BIS 15. OKTOBER)<br />
[FR] STADTBAU ERHÖHT DIE MIETEN<br />
Die Freiburger Stadtbau GmbH (FSB) erhöht zum ersten<br />
<strong>November</strong> mal wieder die Mieten. Rund 600 Haushalte<br />
sind betroffen. Die FSB spricht im gewohnten Neusprech<br />
von „Mietanpassungen“. Die betroffenen Wohnungen<br />
liegen in Haslach, Brühl-Beurbarung, Stühlinger und<br />
Mooswald, z. B. im Zehntsteinweg. Die Mieten steigen<br />
um bis zu 15 %. Das Mietenbündnis fordert, endlich den<br />
Beschluss aufzuheben, wonach die FSB-Mieten an den<br />
Mieterhöhungsspiegel angepasst werden. Der groß<br />
angekündigte Sozialbonus, der dafür sorgen sollte, dass<br />
zukünftig niemand über 30 % seines Einkommens für die<br />
Miete aufwenden muss, bleibt ein Flop. Anfang Oktober<br />
profitierten von dem Instrument gerade einmal rund 100<br />
Stadtbauhaushalte.<br />
LEG: STARK STEIGENDE MIETEN<br />
Einer der größten deutschen Immobilienkonzerne, LEG,<br />
hat angekündigt, die Mieten stark zu erhöhen. Man wolle<br />
den rechtlichen Spielraum komplett ausschöpfen. Höhere<br />
Kosten und Zinsen dienen als Begründung. Der Konzern,<br />
der rund 167.000 Wohnungen vermietet und damit wohl<br />
über die Jahre viel Profit gemacht hat, jammert nun auch<br />
noch über Kappungs- und Mietpreisgrenze. Wir hätten<br />
einen Ausweg: Enteignen und Vergesellschaften.<br />
[FR] VERBESSERUNGEN BEIM FREIBURG-PASS?<br />
Der Freiburg-Pass soll durch kostenlose und deutlich<br />
ermäßigte Angebote den EinwohnerInnen, die Bürgergeld,<br />
Leistungen der Sozialhilfe (SGB XII) oder nach dem<br />
Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) beziehen, Teilhabe<br />
am sozialen und kulturellen Leben ermöglichen. Nutzen<br />
tun den Pass eher wenige, die Angebote sind nicht besonders<br />
umfangreich. Jetzt soll es Verbesserungen und mehr<br />
Werbung geben und auch WohngeldempfängerInnen<br />
sollen berücksichtigt werden, evtl. auch BAföG-EmpfängerInnen<br />
und Bundesfreiwilligendienstleistende. Die Linke<br />
Liste fordert: „Wer städtische Zuschüsse erhält, sollte auch<br />
ermäßigte Angebote bereithalten“.<br />
[FR] ERFOLGREICHE KLAGE NACH „EIGENBEDARFS-<br />
KÜNDIGUNG“<br />
13 Jahre lang lebte ein Paar für gerade einmal 285 Euro<br />
kalt in einer 4-Zimmer-Wohnung in der Klarastraße<br />
im Stühlinger. 2017 kam die Eigenbedarfskündigung.<br />
Anschließend folgte noch die Kündigung wegen Grundsanierung,<br />
die sich auch auf die ebenfalls im Haus<br />
befindliche 3-Zimmer-Wohnung bezog, die der Mann<br />
fragwürdigerweise mit zwei anderen als Büro nutzte.<br />
Mitte 2017 zog das Paar aus und bekam Kinder. Mit einer<br />
Zwischenstation zog die schließlich vierköpfige Familie in<br />
eine 117 m²-Wohnung für 1.288 Euro kalt. Und die Familie<br />
erfuhr, dass in der Klarastraße, anders als angegeben, die<br />
Tochter des Vermieters gar nicht eingezogen war, sondern<br />
ihre ehemalige Wohnung, erweitert durch das Dachgeschoss,<br />
nun für 2.380 Euro bei Immoscout angeboten<br />
wurde. De facto ein vorgetäuschter Eigenbedarf, sodass<br />
eine entsprechende Klage am Amtsgericht Freiburg Erfolg<br />
hatte. Bis Ende 2023 wurde der Familie vom Amtsgericht<br />
12.326 Euro Schadensersatz zugesprochen. Das Landgericht<br />
als nächste Instanz ließ interessanterweise durchblicken,<br />
dass es gegen eine zeitliche Begrenzung des Schadensersatzanspruchs<br />
bei vorgetäuschtem Eigenbedarf<br />
entscheiden würde. Schließlich einigten sich die Parteien<br />
aber auf eine abschließende Zahlung von 5.000 Euro, die<br />
der Vermieter seinen ehemaligen MieterInnen zusätzlich<br />
zu den 12.326 Euro zahlen muss.<br />
DEUTSCHLAND TRITT MENSCHENWÜRDE MIT FÜSSEN<br />
In den 1990er-Jahren wurden rassistische Anschläge mit<br />
der Quasi-Abschaffung des Grundrechts auf Asyl belohnt.<br />
Jetzt ist die Entrechtung von Geflüchteten die Reaktion<br />
auf die Wahlerfolge der AfD. Der sogenannte Deutschlandpakt<br />
sieht eine Vielzahl von Schweinereien vor. So<br />
sollen z. B. Sachleistungen Geldleistungen ersetzen und<br />
damit die Entmündigung von Schutzsuchenden auf die<br />
Spitze getrieben werden. So könnten Menschen, die z. B.<br />
gezwungen sind, in der Landeserstaufnahmestelle in<br />
Freiburg zu wohnen – da das Arbeitsverbot in den ersten<br />
sechs Monaten bleibt – demnächst nicht nur nicht selber<br />
kochen und arbeiten, sondern auch nicht mehr selber<br />
entscheiden, was sie mit den mickrigen Sätzen des Asylbewerberleistungsgesetzes<br />
einkaufen. Diese Leistungen<br />
sollen in Gemeinschaftsunterkünften nach dem Willen<br />
der Ampel-Koalition gegen jede Menschlichkeit abgesenkt<br />
werden, obwohl das Bundesverfassungsgericht erst Ende<br />
2022 entschied, dass eine Leistungskürzung für alleinstehende<br />
erwachsene AsylbewerberInnen in Sammelunterkünften<br />
um 10 % verfassungswidrig ist. Verfassungswidrig<br />
dürfte auch der Plan sein, zur Identitätsfeststellung<br />
Schließfächer und Handys von Dritten zu durchsuchen.<br />
So hatte Anfang 2023 das Bundesverwaltungsgericht die<br />
Auswertung von Handys geflüchteter Menschen durch<br />
das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge am Anfang<br />
des Asylverfahrens für rechtswidrig erklärt. Grundrechte,<br />
wie jenes der Unverletzlichkeit der Wohnung, werden<br />
weiter ausgehöhlt. Die Polizei soll auch Wohnungen oder<br />
Zimmer von unbeteiligten Dritten in einer Unterkunft<br />
betreten dürfen, um Menschen abzuschieben. Wer die Befürchtung<br />
hat, dass eine starke Migration die Wohnungsknappheit<br />
verstärkt, dem sei gesagt, dass diese nicht an<br />
Schutzsuchenden, sondern z. B. am fatalen Rückgang der<br />
Sozialwohnungen liegt.<br />
Weiterführende Links zu den Meldungen<br />
finden Sie wie immer auf der Homepage:<br />
www.rechtaufstadt-freiburg.de<br />
FREIeBÜRGER 11 | 2023 5
Foto: Wikipedia<br />
Abb.: „Armut im Vormärz“ von Theodor Hosemann (1807–1875)<br />
900 JAHRE ARMUT IN FREIBURG<br />
Armenwesen und Pflege in Freiburg (Teil 32)<br />
In der letzten Folge berichtete ich über das Ende der<br />
Habsburger Herrschaft in Freiburg und über die politische<br />
und gesellschaftliche Lage in der Stadt zu Beginn des<br />
19. Jahrhunderts. In dieser Folge geht es um die weitere<br />
Entwicklung des Armenwesens in dieser Zeit.<br />
VOM LEBEN IM SPITAL UND DEM ZUSAMMENSCHLUSS<br />
DER STIFTUNGEN<br />
Ende 1799 wurde vom damaligen Spitalmeister Caluri<br />
eine neue Hausordnung erstellt, die auf einer älteren<br />
Haus-Polizei-Regelung basierte und neue, strengere<br />
Vorschriften für die BewohnerInnen enthielt. Diese neue<br />
Verordnung erhielt die Genehmigung des Stadtrates<br />
und wurde von diesem auch gleich in den Druck gegeben,<br />
„damit jedem Spitalbewohner ein Exemplar zugestellt<br />
werden könne“. Leider sind von dieser Hausordnung nur<br />
einige wenige Auszüge erhalten geblieben. In einem der<br />
erhaltenen Auszüge kann man aber einen sehr guten Einblick<br />
in das tägliche Leben im Spital erhalten: „Um 7:00<br />
Uhr früh wird das Morgengebet verrichtet. Die Mittel- und<br />
Armenpfründner erhalten alsdann ihr Frühstück, bestehend<br />
aus einer Suppe. Um 7:30 Uhr an jedem Werktag<br />
müssen alle der Singmesse im Münster beiwohnen, an<br />
Sonn- und Feiertagen um 8:00 Uhr der Predigt und dem<br />
Hochamt. Für gewöhnlich beginnen um 8:00 Uhr die Arbeitsstunden.<br />
Die Frauen sind mit Spinnen, Sticken, Nähen<br />
und sonstigen geringen Hausdiensten, die Männer mit anderen<br />
Verrichtungen in und außer dem Hause zu beschäftigen.<br />
Wer mehr leistet, als ihm zugeteilt wird, erhält dafür<br />
eine Vergütung. Um 11:00 Uhr werden die Tischgebete verrichtet<br />
und das Mittagessen eingenommen. Während desselben<br />
sollen die Pfründner aufmerksam den gewöhnlichen<br />
christlichen Vorlesungen zuhören. Hernach ist eine Pause<br />
bis 1:00 Uhr, worauf dann die Arbeit wieder aufgenommen<br />
wird, die nur durch den Rosenkranz um 4:00 Uhr eine Unterbrechung<br />
findet. Das Nachtessen wird um 6:00 Uhr gereicht.<br />
Das Abendgebet schließt sich an. Die Gebete werden<br />
gemeinschaftlich im Speiseraum verrichtet. Wenigstens<br />
alle Armen- und Mittelpfründner haben daran teilzunehmen,<br />
ausgenommen jene, die wegen Krankheit oder der<br />
6<br />
FREIeBÜRGER 11 | 2023
Geschäfte halber nicht erscheinen können. Von Oktober bis<br />
März wird die Haustür um 8:00 Uhr geschlossen, von April<br />
bis September um 9:00 Uhr. Um diese Zeit müssen alle in<br />
den Schlafzimmern sein. Eine Stunde später darf hier kein<br />
Licht mehr brennen.“ Man kann daran sehen, dass Rat und<br />
BürgerInnen inzwischen der Meinung waren, dass die Armen<br />
für die Unterstützung etwas tun müssen. Die Zeiten,<br />
als die SpitalbewohnerInnen freiwillig kleinere Arbeiten<br />
für etwas mehr Essen verrichteten, waren also vorbei.<br />
Um das Jahr 1800 steckte die Armenfürsorge in einer prekären<br />
Situation. Um das grundlegend zu ändern, setzte<br />
der Rat im März 1800 eine Armenkommission ein. Diese<br />
erhielt den Auftrag, „den Stand aller milden städtischen<br />
Stiftungen, ihre einzelnen Zwecke, ihre frühere und spätere<br />
Administration und Verwendung sowie die große Zahl<br />
der Hilfeansprechenden und ihre Verhältnisse zu erheben<br />
und einen diesen Resultaten, der Zeit und den örtlichen<br />
Bedingungen angemessenen Administrationsplan vorzulegen“.<br />
Nun sollten also die Stiftungen, die Armen- und<br />
die Hilfseinrichtungen usw. zusammen erfasst werden.<br />
Der Archivar und Weltgeistliche Judas Thaddäus Ferdinand<br />
Weiß (1754-1822) war federführendes Mitglied dieser<br />
Kommission und zugleich eine der zentralen Figuren<br />
bei der sich anschließenden Sozialreform. Im Mai desselben<br />
Jahres wurde Ferdinand Weiß vom Rat zum Referenten<br />
für das Freiburger Armenwesen ernannt. Kurz darauf<br />
übernahm er auch die Leitung des von ihm entwickelten<br />
Armeninstituts.<br />
Die Finanzierung des Armenwesens erfolgte weiterhin<br />
zum Großteil durch das Freiburger Bürgertum, etwa<br />
durch öffentliche Sammlungen, den Einnahmen aus den<br />
Opferstöcken, den Wirtshaussammlungen oder auch<br />
durch Einnahmen aus Strafgeldern. Im Unterschied zur<br />
Armenanstalt tagte nun eine aus festen Mitgliedern bestehende<br />
Kommission regelmäßig im Heiliggeistspital<br />
und besprach anstehende Probleme.<br />
Nach und nach wurden die gesamte Verwaltung und die<br />
Leitung des Freiburger Armenwesens umstrukturiert. Die<br />
wichtigste Neuerung war aber, dass sämtliche Stiftungen<br />
für Armenzwecke vereinigt und in eine Hand gelegt<br />
wurden. Bislang war es so, dass die verschiedenen Fonds<br />
jeweils eigene Verwalter hatten, die zum Teil über das gesamte<br />
Stadtgebiet verteilt waren und kaum Kontakt zueinander<br />
hatten. Durch die Zusammenlegung sollte eine<br />
Konzentrierung der Gelder auf das gesamte Armenwesen<br />
der Stadt erreicht werden. Dadurch sollte das Armenwesen<br />
auf eine deutlich verbesserte und damit auch sicherere<br />
finanzielle Grundlage gestellt werden. Doch das bedeutete<br />
nicht, dass die einzelnen Stiftungen nun ihren Sinn<br />
verloren, die Gelder wurden weiterhin für ihren speziellen<br />
Zweck eingesetzt, allerdings unter Berücksichtigung aller<br />
Foto: unbekannt<br />
Abb.: Das Münster um 1800 (Stich von unbekannter Hand)<br />
Interessen. Zuständig für diese zentrale Administration<br />
war jetzt der Spitalmeister, der inzwischen auch Mitglied<br />
der Armenkommission und Geschäftsführer des besonderen<br />
Vermögens des Armeninstitutes war. Damit oblagen<br />
dem Spitalmeister nicht mehr nur die innere Ordnung im<br />
Spital, sondern auch sämtliche Geschäfte, Käufe und Verkäufe,<br />
welche das Spital tätigte.<br />
Die Armenkommission versuchte nun durch Öffentlichkeitsarbeit<br />
die Freiburger Bevölkerung für das Armenwesen<br />
zu sensibilisieren und die Spendenbereitschaft<br />
zu erhöhen. Denn nur durch Spenden konnte das Armeninstitut<br />
dauerhaft existieren. Um die SpenderInnen<br />
zu animieren, machte man die Unterlagen über die Verwendung<br />
der Gelder öffentlich zugänglich, sodass jeder<br />
einsehen konnte, wofür seine Spenden genutzt werden.<br />
Das Spital ließ z. B. ausführliche „Rechnungsauszüge über<br />
Einnahmen und Verwendung des Armenpfennigs der Stadt<br />
Freyburg“ erstellen. Ausserdem wurden Dank- bzw. Trauergottesdienste<br />
für lebende und verstorbene WohltäterInnen<br />
im Münster abgehalten, was für manche Menschen<br />
wohl auch eine Motivation war.<br />
FREIeBÜRGER 11 | 2023 7
Foto: Joergens.mi - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=5615293<br />
Abb.: Die Kartause Freiburg ist ein ehem. Kloster des Kartäuserordens im Stadtteil Waldsee der Stadt Freiburg i. B.<br />
ARMENINSTITUT, STIFTUNGSWESEN UND<br />
VERWALTUNG<br />
Mit dem 1804 vorgestellten „Entwurf der milden städtischen<br />
Stiftungsadministration“ bekam das neu gegründete<br />
Armeninstitut erst einmal eine differenzierte<br />
Ausgestaltung der personellen Besetzung und der Ressortaufteilung.<br />
Die neue Armenkommission, die direkt<br />
dem Stadtrat unterstellt war, bestand aus dem Bürgermeister<br />
(bzw. einem anderen Mitglied des Stadtrates) als<br />
Vorsitzendem, dem Armenvater und dem Spitalmeister.<br />
Dazu kamen ein Archivar, ein Sekretär und der Verwalter,<br />
der bisher für den Seelhaus-, Blatternhaus- und den St.<br />
Antoniusspitalfonds zuständig war.<br />
Der neu ernannte Armenvater Ferdinand Weiß verstand<br />
es immer wieder, neue Mittel für die von ihm betreuten<br />
Projekte einzuwerben, sodass sein Plan von einem neuen<br />
Haus für die Armen immer realistischer wurde. Bereits im<br />
Jahr 1800 war es ihm gelungen, die Mitglieder der Gesellschaft<br />
„Zum Gauch“ zu überzeugen, ihm das von ihnen erworbene<br />
ehemalige Klarissenkloster kostenlos zu überlassen.<br />
Auf diesem Grund wollte Ferdinand Weiß sein neues<br />
Armenhaus erbauen. Außerdem schaffte es Ferdinand<br />
Weiß, dass der „hälftige Erlös“ aus dem Verkauf des in den<br />
1780er-Jahren säkularisierten Gutes des Kartäuserklosters<br />
zur Verwendung der Armen der Stadt ausbezahlt werden<br />
musste. Denn das war der festgelegte Wille des ehemaligen<br />
Stifters des Klosters, Johannes Schnewlin, aus dem<br />
Jahre 1347. Somit hatte Armenvater Ferdinand Weiß die<br />
ersten Voraussetzungen dafür geschaffen, das alte und<br />
baufällige Spitalgebäude am Münsterplatz durch einen<br />
Neubau zu ersetzen. Dank großzügiger Spenden aus der<br />
Bevölkerung konnte dann auch bald mit dem Bau begonnen<br />
werden. Bereits 1802 konnte man mit den Vorbereitungen<br />
für den Umzug beginnen. Viel vom alten Inventar<br />
konnte oder wollte man nicht in die neue Einrichtung<br />
mitnehmen, deshalb begann man „das alte Gerümpel“<br />
zu verkaufen oder zu vernichten. Ein Jahr später erschien<br />
im „Freiburger Allgemeinen Intelligenz- und Wochenblatt“<br />
eine Anzeige, dass man für das neue Spital „noch reichlich<br />
Möbel“ zum Erwerb suche. Noch im selben Jahr konnte<br />
der Umzug in den ehemaligen Klosterkomplex, der um<br />
einige Gebäude erweitert wurde, beginnen. Heute befindet<br />
sich übrigens die Sparkasse Freiburg in den Gebäuden.<br />
Alles in allem zog sich der Umzug ca. ein Jahr hin, bis<br />
alles an Ort und Stelle war. Um finanzielle Nachteile zu<br />
vermeiden, versuchte Ferdinand Weiß natürlich, das alte<br />
Spitalgelände so schnell wie möglich zu verkaufen, möglichst<br />
noch während des Umzuges. Doch weder während<br />
noch nach dem Umzug fand er einen geeigneten Käufer<br />
8<br />
FREIeBÜRGER 11 | 2023
für das gesamte Gelände, sodass die Spitalgebäude am<br />
Münstermarkt stückchenweise verkauft werden mussten.<br />
Das zog sich letztendlich über viele Jahre hin. Im Jahr 1823<br />
wurden die letzten nicht verkauften Häuser abgerissen<br />
und das altehrwürdige Heiliggeistspital von Freiburg war<br />
Geschichte.<br />
Ferdinand Weiß war für das Armenwesen der Stadt Freiburg<br />
dermaßen wichtig, dass man ihm schon zu Lebzeiten<br />
einen Gedenkstein setzte. Der ins Deutsche übersetzte<br />
lateinische Text darauf lautet: „Dem sehr berühmten<br />
Mann Herrn Ferdinand Weiss, Priester, Archivar, Stadtrat,<br />
Armenvater, bestens verdient um die Stadt durch die Wiederherstellung<br />
der Armenanstalt inmitten kriegerischer<br />
Unruhen, durch die Herausklage der Nachlassenschaft des<br />
Ritters Schnewlin, vor 500 Jahren Ratsherr hier, für die Armen,<br />
die Verlegung des Heiliggeistspitals und dessen Neubau<br />
unter vorzüglicher Mitwirkung des Zunftmeisters und<br />
Verwalters desselben Hauses Herrn Alexander Imberi, setzte<br />
dieses Denkmal dankbarer Gesinnung Senat und Volk Freiburgs<br />
am 14. <strong>November</strong> im Jahre des Heils 1803.“<br />
Dieser Gedenkstein, dessen Text vermutlich von Heinrich<br />
Sautier stammt, wurde damals in der Spitalkapelle<br />
aufgestellt und war eines der wenigen Stücke, die 1944<br />
nach der Bombardierung gerettet wurden. Heute steht er<br />
im Eingangsbereich der Stiftungsverwaltung beim Adelhauser<br />
Kloster. Über dem Toreingang der neuen Einrichtung<br />
wurde eine Steinplatte mit folgender Inschrift angebracht:<br />
„Bürgerspital und Armenhaus / zum heiligen<br />
Geist / der Armuth, Arbeit und der Wohlthätigkeit aller<br />
gewidmet“. Schon bald nach der Eröffnung der Einrichtung<br />
konnte auch die neue Kapelle des Spitals eingeweiht<br />
werden, an deren Ausstattung und Ausgestaltung Ferdinand<br />
Weiß maßgeblich beteiligt war. So entstand z. B. auf<br />
seine Initiative hin in den Jahren 1804/05 ein monumentales<br />
Wandfresko an der Altarseite. In den Jahrzehnten<br />
seines Wirkens sorgte Ferdinand Weiß für einen immensen<br />
Aufschwung in der Freiburger Armenpolitik. Allein im<br />
finanziellen Bereich fand er immer wieder Wege, Gewinne<br />
für das Spital zu erwirtschaften. So brachte allein die<br />
Neuverpachtung der Güter des Spitalhofes etwa 3.000<br />
Gulden pro Jahr ein. Als Ferdinand Weiß 1820 von seinem<br />
Posten als Armenvater zurücktrat, war das Stiftungsvermögen<br />
von 37.817 Gulden auf 96.822 Gulden angewachsen.<br />
Als Ferdinand Weiß zwei Jahre später starb, hinterließ<br />
er einen großen Teil seines Vermögens dem Armenwesen,<br />
aber er hinterließ dort auch eine große Lücke.<br />
Ungefähr zur selben Zeit versuchte ein anderer Freiburger<br />
Wege zu finden, wie man Armut nachhaltiger bekämpfen<br />
kann. Heinrich Sautier (1746-1810) war der Meinung,<br />
dass eine der Hauptursachen für die Armut in der mangelnden<br />
Bildung und Ausbildung der Menschen, vor allem<br />
aber der Jugend zu finden ist. Sautier verfasste zu<br />
Abb.: Grabmal von Heinrich Sautier<br />
diesem Thema mehrere Bücher und gründete ab 1801<br />
mehrere Stiftungen für die „mittellose Jugend“. Sautiers<br />
Credo lautete „Neue Zeiten, neue Bedürfnisse, neue Anstalten!“.<br />
Nach dieser Regel gründete er eine Handwerkslehrling-Stiftung<br />
sowie je eine Mädchen- und eine Knabenstiftung.<br />
Das Geld für diese Stiftungsgründungen<br />
stammte aus seinem privaten Vermögen. Ein Freund Sautiers,<br />
Philipp Valentin von Reibelt (1742-1835), zeigte sich<br />
von den Ideen sehr beeindruckt und beteiligte sich mit<br />
teilweise großen Summen an den Projekten Sautiers.<br />
In welcher Form, welche Stifter es in dieser entscheidenden<br />
Phase noch gab und über weitere Reformen im Armenwesen<br />
geht es in der nächsten Folge.<br />
Ich bedanke mich beim Stadtarchiv Freiburg und Herrn<br />
Thalheimer, der Waisenhausstiftung, Gerlinde Kurzbach,<br />
Peter Kalchtaler und Dr. Hans-Peter Widmann.<br />
Foto: Joergens.mi / Wikimedia Commons / CC BY-SA 3.0 DE<br />
Carsten<br />
FREIeBÜRGER 11 | 2023 9
POKALSIEG AUF ST. PAULI<br />
beneFit bei den deutschen Meisterschaften im Straßenfußball<br />
Foto: Mauricio Bustamente<br />
beneFit e. V. ist zurück von den deutschen Meisterschaften<br />
im Straßenfußball am Hamburger Millerntor – mit<br />
im Gepäck: ein Pokal, ein frisch nominierter Nationalspieler<br />
und ein Wechselbad der Gefühle.<br />
„Regen, acht Grad, Pflastersteinboden, das erste Viertelfinale<br />
läuft, Ocker-Beige Berlin gegen beneFit Freiburg“,<br />
heißt es am Sonntagabend in der Sportsendung des NDR,<br />
während die beiden Teams im TV zu sehen sind.<br />
Stimmt allerdings nur fast… Denn am Vortag knabberte<br />
die Aufregung am Nervenkostüm. Anstelle des Viertelfinales<br />
musste sich das Team aus Freiburg mit einem<br />
knappen letzten Platz in der Gruppenphase zufriedengeben.<br />
Die Titelträume waren vorerst dahin, und dennoch<br />
nur Nebensache.<br />
Denn nach vier Jahren Pause war es endlich wieder soweit:<br />
Anstoß! Die Bundesvereinigung für soziale Integration<br />
durch Sport veranstaltete die jährliche deutsche<br />
Meisterschaft im Straßenfußball und brachte den Ball ins<br />
Rollen.<br />
Wo ansonsten die Kiezkicker vom FC St. Pauli auflaufen,<br />
standen an diesem Wochenende zwölf Straßenfußball-Teams<br />
aus ganz Deutschland im Rampenlicht. Sie<br />
kamen unter anderem aus Nürnberg oder Kiel, Saarbrücken<br />
oder Berlin, aber vor allem aus Einrichtungen der<br />
Wohnungslosen-, Flüchtlings- und Drogenhilfe. Gespielt<br />
wurde um die Deutsche Meisterschaft im Straßenfußball,<br />
insbesondere aber gegen Ausgrenzung und für mehr<br />
Miteinander. So unterschiedlich die Lebenslagen der<br />
SpielerInnen dabei sein mögen, sie alle vereint eine Sache:<br />
der Spaß am Fußball – und damit die Hauptsache des<br />
Turniers.<br />
Gespielt wird Straßenfußball – vier gegen vier in einem<br />
Soccer-Court unter einfachen Bedingungen, aber dafür<br />
mit hohem Spaßfaktor.<br />
Mit dabei Johan Grasshoff – Sozialarbeiter in der Hamburger<br />
Wohnungslosenhilfe und Bundestrainer des deutschen<br />
Nationalteams im Straßenfußball, der das Turnier<br />
nutzte, um die Kaderplanung für den Homeless World<br />
Cup 2024 voranzutreiben.<br />
10<br />
FREIeBÜRGER 11 | 2023
Foto: beneFit e. V.<br />
Unsere herzlichen Glückwünsche gehen hierbei an einen<br />
Spieler aus dem Team beneFit, der für die Fußball-WM der<br />
Wohnungslosen nominiert wurde und sich schon bald<br />
das Nationaltrikot überstreifen darf. Tolle Nachrichten<br />
für die Freiburger Fußballwelt, denen gleich die nächste<br />
Sensation folgte: Wir haben endlich einen Pokalsieg!<br />
Was den Profis vom Sport-Club kürzlich vergönnt blieb,<br />
gelang dem Team von beneFit e. V., das zum Abschluss der<br />
Deutschen Meisterschaften den Fairplay-Pokal überreicht<br />
bekam. „In der noch jungen Vereinsgeschichte eine besondere<br />
Wertschätzung für das Team auf dem Platz, aber<br />
auch die gesamte Arbeit des Vereins“, berichtet Coach<br />
Philipp Höfer von der Übergabe.<br />
leider verstorben ist. Ihm widmen wir von Herzen den<br />
Fairplay-Pokal, da er stets mit Sportsgeist und Achtsamkeit<br />
voranging.<br />
Macht's gut und passt aufeinander auf, auf und neben<br />
dem Spielfeld.<br />
Du hast Lust, bei uns mitzukicken oder<br />
möchtest mehr Infos zum Verein?<br />
info@benefit-bewegung.de<br />
benefit-bewegung.de<br />
beneFit e. V.<br />
beneFit e. V. bietet in Freiburg kostenfreie Sport- und<br />
Bewegungsangebote an und setzt sich dafür ein, dass die<br />
Teilnahme am organisierten Sport nicht vom Einkommen<br />
und vom körperlichen, psychischen oder sozialen Hintergrund<br />
eines Menschen abhängig ist.<br />
Es geht also darum, Räume zu schaffen, indem alle<br />
sein und teilhaben dürfen. An dem Wochenende der<br />
Deutschen Meisterschaften gelang das auch Dank der<br />
Gastfreundschaft der HamburgerInnen. Mittendrin das<br />
Millerntor-Stadion, der Ort, wo sich selbst Hamburger<br />
Schmuddelwetter schön anfühlt und es nicht allein um<br />
Fußballkult geht.<br />
„Kein Mensch ist illegal“ steht dort auf der Nordtribüne<br />
geschrieben. Gelebte Solidarität und Gastfreundschaft,<br />
die auch über Stadiontore hinaus spürbar war: egal ob<br />
beim Kicken an der Hafenpromenade, Spaziergang zur<br />
Elbphilharmonie oder Plausch in der U-Bahn.<br />
Schöne Erlebnisse für beneFit e. V. und alle anderen<br />
Teams, fernab von den ernsten Themen des Alltags, wo<br />
Glück und Trauer manchmal eng beieinander liegen.<br />
Besonders denken wir dabei an einen unserer Spieler, der<br />
bei der Abfahrt nach Hamburg vermisst wurde und nun<br />
Foto: beneFit e. V.<br />
FREIeBÜRGER 11 | 2023 11
25 JAHRE<br />
FREIeBÜRGER<br />
Wir haben am Samstag, den 21. Oktober 2023, im Bürgerhaus<br />
am Seepark unser 25-jähriges Jubiläum gefeiert.<br />
Nach einem Jahrzehnt Pause war es wieder mal an der<br />
Zeit, ein Vereinsvergnügen auszurichten und gebührend<br />
zu feiern. Gestartet wurde mit einer Eröffnungsrede von<br />
unserem 1. Vorstand Carsten Kallischko, gefolgt von einem<br />
offiziellen Teil mit einigen Redebeiträgen von Freiburgs<br />
Erstem Bürgermeister Ulrich von Kirchbach, Bernd Obrecht<br />
von „Kuhle Wampe“ und dem Journalisten Gerhard<br />
M. Kirk. Zwischen den Reden spielte live das bekannte<br />
Freiburger Straßenmusiker-Duo die „Bächle Boys“ und<br />
sorgte bei den rund 200 BesucherInnen, darunter FREIe-<br />
BÜRGER-UnterstützerInnen, ehrenamtliche HelferInnen,<br />
VerkäuferInnen und Family & Friends, für eine lockere<br />
Stimmung. Zum Abschluss des offiziellen Teils las Carsten<br />
noch die Grußworte von Christian Schmitthenner vor.<br />
Danach begann die „Schlacht am kalten Büfett“, mit einer<br />
tollen Auswahl an Fingerfood-Leckereien und reichlich<br />
Getränken. Der Abend war ein voller Erfolg. Danke an alle,<br />
die mitgefeiert haben! Und wir freuen uns auf die nächsten<br />
25 Jahre…<br />
Erster Bürgermeister Ulrich von Kirchbach<br />
Fotos: Felix Groteloh / Text: Oliver<br />
Bernd Obrecht<br />
Carsten Kallischko<br />
12<br />
FREIeBÜRGER 11 | 2023
Gerhard M. Kirk<br />
Büfett vom Jugendhilfswerk Freiburg e. V.<br />
Die „Bächle Boys“<br />
FREIeBÜRGER 11 | 2023 13
P.I.N.K. Zur Bereichsleitung kam es relativ unverhofft. Mein<br />
Vorgänger hatte entschieden, sich beruflich zu verändern<br />
und ich habe übernommen.<br />
Seit wann gibt es P.I.N.K. und was genau bedeutet diese<br />
Abkürzung?<br />
P.I.N.K. ist im Dezember 2009 als Teil eines Bundesmodellprojekts<br />
entstanden. Die Abkürzung P.I.N.K. steht für Prostitution,<br />
Integration, Neustart und Know-how.<br />
Für welchen Personenkreis bietet Ihr Unterstützung an?<br />
Es sind in erster Linie Frauen, aber wir sind offen für alle<br />
Geschlechter, schicken niemanden weg. Zielgruppe sind<br />
Sexarbeiterinnen oder ehemalige Sexarbeiterinnen – im<br />
weitesten Sinne alle, die in irgendeiner Art und Weise etwas<br />
mit Prostitution oder Sexarbeit zu tun haben.<br />
Foto: E. Peters<br />
IM GESPRÄCH MIT...<br />
Simone Heneka<br />
Wir kennen Simone aus ihrer Zeit als Sozialarbeiterin im<br />
Ferdinand-Weiß-Haus. Sie durchlief viele interessante berufliche<br />
Stationen (z. B. Ausbildung als Masseurin, Schauspielschule<br />
am E-Werk, Aidshilfe Freiburg), bis sie in Freiburg<br />
die Fachberatungsstelle P.I.N.K. aufgebaut hat.<br />
Herzlich willkommen, liebe Simone. Wie geht es Dir?<br />
Heute geht's mir gut, weil ich hier sein darf. Ich habe mich<br />
wirklich gefreut auf das Interview.<br />
Du bist seit Januar 2023 Bereichsleitung für die Fachbereiche<br />
Migration, Prostitution und Menschenhandel<br />
beim Diakonischen Werk Freiburg. Wie kam es dazu?<br />
Ich habe 2003 angefangen beim Diakonischen Werk,<br />
damals in der Tagesstätte Ferdinand-Weiß-Haus. Ich war<br />
sieben Jahre in der Wohnungslosenhilfe beschäftigt, habe<br />
das gerne gemacht, habe viel gelernt und tolle Menschen<br />
kennengelernt. Im Dezember 2009 bin ich dann Stück für<br />
Stück gewechselt in den Bereich der Prostituiertenhilfe. Ich<br />
habe am Standort Freiburg P.I.N.K. als Fachberatungsstelle<br />
aufgebaut und bin seither in diesem Feld tätig, auch mit<br />
der neuen Stellung bleibe ich nach wie vor Teamleitung bei<br />
Wie sieht Eure Arbeit mit den Betroffenen aus? Wie sind<br />
die Zugangswege, wie erfolgt eine Kontaktaufnahme?<br />
Hauptanteil der Arbeit ist die einzelfallbezogene Beratung.<br />
D. h. dass Menschen zu uns kommen, um Unterstützung<br />
zu erfahren, und sie werden individuell von uns begleitet.<br />
Es gibt im Prinzip keine Hürden zum Zugang. Wer kommen<br />
will, wer denkt, dass er bei uns richtig aufgehoben ist, ist<br />
bei uns willkommen. Ein großer Teil unserer Arbeit ist auch<br />
die aufsuchende Arbeit. D. h. da gehen wir ins Milieu; die<br />
sogenannte Streetwork. Wobei das in Freiburg ein bisschen<br />
ein fehlgeleiteter Begriff ist, weil wir nicht auf der Straße<br />
unterwegs sind, sondern in den Häusern. Freiburg hat<br />
offiziell keinen Straßenstrich, auch wenn in vielen Ecken die<br />
Dienstleistung angeboten wird.<br />
Wie genau sieht Eure Hilfe aus? Unterstützt Ihr z. B. Prostituierte<br />
beim Ausstieg aus der Szene?<br />
Ja, das ist nach wie vor ein großer Anteil unserer Arbeit,<br />
aber es ist nicht Zugangsvoraussetzung, um bei uns anzudocken<br />
oder bei uns Beratung zu erhalten. Seit 2022 haben<br />
wir ein spezielles Projekt für die berufliche Neuorientierung<br />
oder Ausstiegsberatung mit einem umfänglichen Case-Management-Coaching.<br />
Wir kooperieren mit der Freiburger<br />
Qualifizierungs- und Beschäftigungsgesellschaft mbH<br />
(f.q.b.), um den Frauen direkt praktisch eine Möglichkeit<br />
zu geben, über Maßnahmen, Praktika o. a. an den Arbeitsmarkt<br />
herangeführt zu werden.<br />
Menschen, die Sexarbeit ausüben, werden in unserer<br />
Gesellschaft oft stigmatisiert und diskriminiert.<br />
Wie siehst Du das?<br />
Das wirkt sich in allen Lebensbereichen aus. Manche führen<br />
deswegen ein komplettes Doppelleben. Sexarbeit ist kein<br />
Beruf wie jeder andere. Aber es ist eine Tätigkeit, die eine<br />
Wertigkeit in der Gesellschaft hat, die ganz stark mit moralischen<br />
Aspekten überhäuft wird. Viele trauen sich nicht,<br />
zu Ämtern, Behörden oder Institutionen zu gehen und<br />
14<br />
FREIeBÜRGER 11 | 2023
offen zu sagen, was sie machen, weil sie Angst haben, dass<br />
sie dann in einem direkten Kontext mit Diskriminierung<br />
überschüttet werden. Teil unserer Arbeit ist es sicher auch,<br />
gesellschaftlich aufzuklären und gegen diese Stigmatisierung<br />
vorzugehen.<br />
Die Situation im Milieu der Prostitution hat sich die letzten<br />
Jahre verändert. Was ist der Grund für diesen Wandel<br />
und wie genau sehen die Veränderungen aus?<br />
Es gab verschiedene Aspekte, die zu einer starken Veränderung<br />
beigetragen haben. Das war zum einen, dass 2016 das<br />
Prostituiertenschutzgesetz in Deutschland eingeführt wurde,<br />
welches viele Bereiche reglementieren und kontrollieren<br />
sollte. Dadurch, dass Sexarbeitende sich seither behördlich<br />
anmelden müssen, haben sich viele entschieden, nicht den<br />
legalen Weg weiterzugehen, sie sind im sogenannten Dunkelfeld<br />
verschwunden. Ganz gravierende Veränderungen<br />
kamen seit 2020 fortlaufend mit der Coronapandemie. In<br />
Baden-Württemberg waren weit über ein Jahr die Prostitutionsstätten<br />
geschlossen; die Ausübung im Privaten<br />
war aber mit Ausnahme von 3-4 Monaten erlaubt. Das hat<br />
dazu geführt, dass sich nahezu alles ins Dunkelfeld verschoben<br />
hat. Natürlich ist es für uns dadurch deutlich schwieriger<br />
geworden, an die Zielgruppe ranzukommen. In einem<br />
öffentlichen Bordell, von dem ich weiß, wo es ist, wo die<br />
Haustür ist, wo ich klingeln muss, komme ich in Kontakt.<br />
Und so mussten wir einfach von jetzt auf gleich versuchen,<br />
unsere Arbeitsmethoden entsprechend anzupassen und<br />
auszuweiten, sodass wir jetzt auch verstärkt aufsuchende<br />
Online-Arbeit machen. Wir sind selbst aktiv auf diversen<br />
Foren und Websites und schreiben ganz gezielt Frauen an,<br />
stellen uns vor als Beratungsstelle, was unser Angebot ist,<br />
und schauen, ob es Rücklauf gibt. Unglaublich zeit- und<br />
arbeitsintensiv, aber tatsächlich die einzige Möglichkeit,<br />
mit denen, die ins Private abgewandert sind, in Kontakt zu<br />
kommen.<br />
Arbeiten die Menschen in der Branche eher selbständig<br />
oder unter ZuhälterInnen?<br />
Zuhälterei ist ein strafrechtlicher Begriff, es geht dabei um<br />
Arbeitsausbeutung. Ich will das unterscheiden von Betreibern<br />
von Bordellen, schlussendlich muss man diese als Geschäftsmenschen<br />
sehen, die mit Sexarbeit Geld verdienen,<br />
aber nicht unter den strafrechtlichen Begriff der Zuhälterei<br />
fallen. Zuhälter stehen eher im Hintergrund und schicken<br />
Frauen ins Bordell oder auf die Straße. Das gibt es auch hier<br />
in Freiburg. Wir selbst haben eher selten Kontakt zu ihnen,<br />
weil sie im Hintergrund agieren. Mit den Betreibenden<br />
haben wir Kontakt, sonst würden wir nicht in die Häuser<br />
reinkommen. Was über die letzten Jahre stark zugenommen<br />
hat, auch durch die größere Macht des Internets, ist<br />
dass Frauen speziell aus (süd-)osteuropäischen Ländern<br />
unter Vorspiegelung falscher Tatsachen in die Sexarbeit<br />
gelockt werden.<br />
Was ist das Ziel Eurer Arbeit?<br />
Ziel unserer Arbeit ist, die Frauen darin zu unterstützen,<br />
ein selbstbestimmtes, souveränes Leben zu führen, egal ob<br />
innerhalb oder außerhalb der Sexarbeit.<br />
Wie viele Personen suchen jährlich Eure Hilfe auf?<br />
Wir treten über die aufsuchende Arbeit jährlich mit ca. 500<br />
Frauen in Kontakt. Im direkten 1:1 Beratungskontakt sind es<br />
etwa 100 Frauen, dann aber auch längerfristig.<br />
Wie viele MitarbeiterInnen arbeiten bei P.I.N.K.?<br />
Von der One-Women-Show sind wir mittlerweile zum Fünferteam<br />
geworden, über ein Projekt sind noch zwei Frauen<br />
zusätzlich dabei. Die Arbeitsbereiche haben sich ausgeweitet.<br />
Hauptbereich ist die beratende Tätigkeit. Viel Platz<br />
nehmen auch Öffentlichkeits- und gesellschaftspolitische<br />
Arbeit ein, Lobbyarbeit für eine Zielgruppe, die sonst keine<br />
erfährt.<br />
Wie können unsere LeserInnen Eure Arbeit unterstützen?<br />
Unterstützung ist es schon, wenn man bereit ist, das<br />
Thema nicht nur oberflächlich und schwarz-weiß zu betrachten,<br />
sondern sich inhaltlich damit auseinandersetzt.<br />
Eine Sexarbeiterin ist genauso Frau und Mensch wie alle<br />
anderen Frauen auch. Dankbar sind wir jederzeit über<br />
Spenden. Ehrenamt ist bei uns durchaus möglich, hier sind<br />
wir aber bestrebt, dass es ein kontinuierliches Team ist, weil<br />
die Arbeit viel mit Vertrauen zu tun hat.<br />
Wie erholst Du Dich von Deinem beruflichen Stress?<br />
Ich bin ein Landei, auch wenn man es mir nicht sofort<br />
ansieht. Ich bin sehr naturverbunden und hole und schöpfe<br />
Kraft in der Natur.<br />
Was ist für Dich der schönste Ort in Freiburg?<br />
Und welcher der hässlichste?<br />
Der schönste Ort ist für mich der alte Herderner Friedhof.<br />
Ein wirklich hässlicher Ort fällt mir nicht ein. Doch gibt es<br />
Orte, die ich nicht mag. Dazu gehört die Unibibliothek, weil<br />
ich sie für ein komplette Fehlplanung halte, die Unsummen<br />
an Geld verschlungen hat und wird.<br />
Was wünschst Du Freiburg?<br />
Für mich hat sich Freiburg über die letzten Jahre nicht zum<br />
Positiven verändert. Es ist mir zu stressig, zu hektisch geworden.<br />
Ich wünsche Freiburg angemessene Mieten, mehr<br />
Wohnraum, weniger Baustellen, mehr Entspannung und<br />
mehr Solidarität.<br />
Vielen Dank für das offene und vertrauensvolle Gespräch.<br />
Wir wünschen Dir viele ruhige, entspannte Momente!<br />
Oliver, Ekki & Conny<br />
FREIeBÜRGER 11 | 2023 15
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FREIeBÜRGER 11 | 2023 17
Zur Person:<br />
Martin Stammler ist Politikwissenschaftler und arbeitet<br />
für die Akademie Caritas-Pirckheimer-Haus Nürnberg.<br />
Dort gestaltet er Bildungsveranstaltungen u. a. im Kompetenzzentrum<br />
Demokratie und Menschenwürde, zum<br />
Beispiel zu Erinnerungsarbeit und Rechtsextremismus.<br />
Foto: Maria Bayer | mariabayer.de<br />
18<br />
FREIeBÜRGER 11 | 2023
„UNSERE GESELLSCHAFT BESTIMMT, OB NEONAZIS<br />
SICH BERUFEN FÜHLEN ZU TÖTEN“<br />
Obdachlose sind als gesellschaftliche Randgruppe besonders<br />
oft von rechter Gewalt betroffen. Das liegt an der<br />
menschenverachtenden Ideologie. Doch auch wie wir als<br />
Gesellschaft uns zu Obdachlosen verhalten, spielt eine<br />
Rolle, sagt Politikwissenschaftler Martin Stammler.<br />
Der Anblick von Obdachlosen lässt kaum jemanden<br />
kalt. Viele empfinden Mitgefühl, vielleicht Scham oder<br />
entscheiden sich für Ignoranz. Doch manche Menschen<br />
reagieren auch mit Wut oder Hass. Woher kommt das?<br />
Auf jeden Fall spielt die Tatsache eine Rolle, dass wir in einer<br />
kapitalistischen Gesellschaft leben. Etwas selbst zu leisten,<br />
den eigenen Lebensunterhalt verdienen zu können, ist die<br />
Messlatte. Der Blick auf andere, die das nicht können oder<br />
wollen, kann leicht mit einer Abwertung einhergehen: Die<br />
Person sei dann eben zu faul, lebe auf Kosten des Staates<br />
und damit auch auf meine Kosten, weil ich ja Steuern zahle.<br />
Man könnte ja auch sagen: Ich bin vielleicht nicht ganz<br />
so arm wie du, aber wir müssten uns eigentlich zusammen<br />
dafür einsetzen, dass Wohlstand besser verteilt wird.<br />
Stattdessen grenzen sich die Menschen oft gegen die noch<br />
Ärmeren ab. Sozialdarwinismus tritt in den Gruppen mit<br />
am häufigsten auf, die selbst an der Armutsgrenze leben.<br />
Was bedeutet Sozialdarwinismus?<br />
Darwinismus kommt von Charles Darwin, der die Evolutionstheorie<br />
entwickelt hat – also die Idee, dass der Stärkere<br />
sich evolutionär durchsetzt. Sozialdarwinismus ist – vereinfacht<br />
gesagt – die Übertragung der Evolutionstheorie auf<br />
das soziale Gefüge beim Menschen. Das bedeutet: Wer es<br />
nicht alleine schafft, wer nicht alleine stark genug ist, der<br />
hat es auch nicht verdient, in unserer Welt menschenwürdig<br />
zu leben oder zu überleben.<br />
In der Coronapandemie war der Gedanke ja durchaus zu<br />
hören: Wenn die Menschen sowieso bald sterben, muss<br />
man sich gar nicht mehr groß um sie kümmern. Hat sozialdarwinistisches<br />
Denken da Aufwind bekommen?<br />
Das ist kein neuer Trend. Diese Einstellung wird systematisch<br />
seit über 20 Jahren gemessen, alle zwei Jahre. Man<br />
weiß einfach, dass ein gewisser Prozentsatz der Bevölkerung,<br />
grob zwischen fünf und 20 Prozent, sozialdarwinistischen<br />
Aussagen manifest oder latent zustimmt. Manifest<br />
ist, wenn jemand einer Aussage „vollkommen“ zustimmt,<br />
und latent, wenn jemand „eher“ zustimmt.<br />
Mit Sozialdarwinismus ist also eine ideologische Abwertung<br />
von sozialen Randgruppen verbunden. Wie kommt<br />
es aber dazu, dass diese Gedanken in Hass und Gewalt<br />
umschlagen?<br />
Zunächst gilt für politisch motivierte Gewalt immer:<br />
Je nachdem, wie der gesellschaftliche Diskurs verläuft,<br />
fühlen sich TäterInnen mehr oder weniger motiviert zu<br />
handeln. Das heißt zum Beispiel: Wenn es im gesellschaftlichen<br />
Diskurs normal ist, dass man Geflüchtete abwertet,<br />
bekommen rechte TäterInnen das Gefühl, wenn sie Gewalt<br />
anwenden, dann tun sie eigentlich etwas, was die schweigende<br />
Mehrheit will. Sie fühlen sich motiviert und beauftragt,<br />
danach zu handeln.<br />
Und das ist bei Gewalt gegen obdachlose Menschen auch<br />
der Fall?<br />
Es hat nach der NS-Zeit nicht aufgehört mit der staatlichen<br />
Diskriminierung von Obdachlosen. Wir hatten in der DDR<br />
tatsächlich bis 1990 die Möglichkeit, dass Obdachlose einfach<br />
weggesperrt werden konnten, weil sie „die öffentliche<br />
Ordnung störten“. In der BRD war das, im Prinzip mit der<br />
gleichen Begründung, bis 1969 möglich. Und heute ist es<br />
auch noch so, etwa wenn man durch Hauptbahnhöfe geht,<br />
dass PolizistInnen oder Securitys Menschen des Platzes<br />
verweisen. Wenn man das immer wieder mitkriegt, verfestigt<br />
sich das Bild: Obdachlose sind weniger wert, sie sollen<br />
hier nicht sein. Und das kann dazu führen, dass man dann<br />
auch hemmungsloser wird, mal selber beleidigt und sagt:<br />
Verschwinde hier.<br />
Ist das die einzige Motivation?<br />
Es gehört auch dazu, die Möglichkeit zu haben, in einer<br />
Gruppe mit anderen Gewalt auszuüben. Was vor allem in<br />
den 90ern in Ostdeutschland passiert ist – die sogenannten<br />
Baseballschläger-Jahre – war massive Gewalt von rechten<br />
Gruppen gegen alle Menschen, die nicht in ihr Weltbild<br />
gepasst haben. Die sind tatsächlich auf Hetzjagd gegangen,<br />
haben sich verabredet, Neonazi-Musik gehört, die zu<br />
Gewalt aufgestachelt hat, Bier getrunken, und sind dann<br />
losgezogen. Auch einige Morde an Obdachlosen sind aus<br />
solchen Situationen heraus entstanden. Außerdem spielt<br />
eine Rolle, dass Wohnungslose ja wirklich nicht geschützt<br />
sind. Sie haben keine Lobby und sind natürlich ein leichtes<br />
Ziel, wenn sie nachts irgendwo auf einer Parkbank schlafen.<br />
Wenn wir Gewalt gegen Obdachlose allgemein betrachten:<br />
Sind denn politische Motive der wichtigste Grund<br />
dafür?<br />
Eher nein. In einer Auswertung von 2017 von der Bundesarbeitsgemeinschaft<br />
Wohnungslosenhilfe ist es so, dass 55<br />
Prozent der Tötungsdelikte von anderen wohnungslosen<br />
Menschen verübt worden sind. Wobei das auch heißt, dass<br />
45 Prozent durch nicht wohnungslose TäterInnen verübt<br />
wurden. Bei Körperverletzung ist der Anteil von TäterInnen<br />
FREIeBÜRGER 11 | 2023 19
Gewalt und Abwertung in Zahlen<br />
Mindestens 621 Wohnungslose wurden von 1989<br />
bis einschließlich 2022 in Deutschland umgebracht,<br />
davon 279 durch nicht wohnungslose Täter.<br />
(Systematische Presse-Auswertung der Bundesarbeitsgemeinschaft<br />
Wohnungslosenhilfe (BAGW))<br />
2022 stimmten knapp 17 Prozent der Befragten der<br />
Aussage „Es gibt wertes und unwertes Leben“ ganz<br />
oder eher zu. (Leipziger Autoritarismus-Studie)<br />
12 Prozent der Befragten stimmten in den Jahren<br />
2018 und 2019 der Aussage „Die meisten Obdachlosen<br />
sind arbeitsscheu“ voll und ganz oder<br />
eher zu. Bei der Aussage „Bettelnde Obdachlose<br />
sollten aus den Fußgängerzonen entfernt<br />
werden“ waren es 24 Prozent. (Mitte-Studie der<br />
Friedrich-Ebert-Stiftung)<br />
Foto: Maria Bayer | mariabayer.de<br />
aus nicht wohnungslosen Kontexten sogar größer. Und bei<br />
diesen Gewalttaten spielen oft „vorurteilsbezogene Motive“<br />
eine Rolle. Genauer kann man das tatsächlich nicht sagen.<br />
Wird vor Gericht nicht nach der Motivation gefragt?<br />
Vor allem in den 90er und 2000er Jahren war vor Gericht<br />
oft klar: Die TäterInnen sind eindeutig dem rechtsextremen<br />
Milieu zuzuordnen, sie haben vielleicht sogar entsprechende<br />
Äußerungen getroffen, aber das wurde selten vertieft<br />
und daraufhin auch bestraft. Am Ende hieß es dann: Es war<br />
eine Streiterei um Alkohol, Zigaretten oder Geld. Da findet<br />
zum Glück langsam ein Umdenken statt, auch bei anderen<br />
rechtsextremen Tatmotiven wie Rassismus oder Gewalt<br />
gegen Homosexuelle. Das ideologische Motiv wird häufiger<br />
anerkannt.<br />
Das macht ja eigentlich Hoffnung.<br />
Auf jeden Fall! Ich glaube, dass es weiter wichtig ist, an<br />
solche Fälle zu erinnern. Auch wenn es jetzt in den letzten<br />
Jahren in Nürnberg kein Tötungsdelikt von Rechten gegen<br />
Obdachlose gegeben hat, kann das jederzeit passieren. Es<br />
ist einfach wichtig zu sehen, dass diese Gefahr da ist und<br />
woher sie kommt: Das sind nicht einfach Neonazis, die<br />
ganz abgeschlossen von der Gesellschaft dieses Weltbild<br />
haben. Sondern wie unsere Gesellschaft mit Obdachlosen<br />
umgeht, hat Einfluss darauf, ob Neonazis sich berufen<br />
fühlen zu töten.<br />
Interview: Alisa Müller<br />
Freundlicherweise zur Verfügung gestellt von<br />
Straßenkreuzer e. V. / International Network of Street<br />
Papers<br />
In eigener Sache<br />
Wie kam es dazu?<br />
Letztendlich durch zivilgesellschaftlichen Druck. Opferverbände,<br />
Angehörige, aber auch Bildungseinrichtungen und<br />
NGOs (Nichtregierungsorganisationen, Anm. d. Red.), die an<br />
rechtsextreme Taten erinnern, haben immer wieder gesagt:<br />
Die staatlichen Behörden sind auf diesem Auge blind. Dass<br />
das gebetsmühlenartig in die Öffentlichkeit getragen worden<br />
ist, hat viel dazu beigetragen, dass jetzt mehr Sensibilität<br />
da ist.<br />
20<br />
FREIeBÜRGER 11 | 2023
MITMACHSEITE<br />
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• Erzählen Sie uns Ihre Geschichte<br />
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Wir freuen uns auf Sie...<br />
Ihr FREIeBÜRGER-Team<br />
Engelbergerstraße 3 – 0761/3196525 – info@frei-e-buerger.de<br />
FREIeBÜRGER 11 | 2023 21
Foto: Artem Beliaikin / Unsplash<br />
WIR FÜR DEN TIERSCHUTZ!<br />
In den letzten Jahren hat der Tierschutz an Bedeutung<br />
gewonnen. Dieser bedeutet, dass alle praktischen und<br />
rechtlichen Maßnahmen ergriffen werden, um das<br />
Leben und das Wohlbefinden von Tieren zu sichern. Sie<br />
sollen vor allem Leid und Schmerz geschützt werden. In<br />
Deutschlands Haushalten lebten letztes Jahr rund 34,4<br />
Millionen Haustiere unterschiedlichster Art. Katzen stellten<br />
dabei mit rund 15,2 Millionen Tieren das beliebteste<br />
Haustier dar, gefolgt von 10,6 Millionen Hunden und 1,3<br />
Millionen Terrarientieren.<br />
Das erste Tierschutzgesetz wurde 1822 in England auf<br />
Anstoß des irischen Politikers Richard Martin (1754-1834)<br />
hin erlassen und schützte Pferde, Schafe und Großvieh<br />
vor Misshandlungen. Er gründete auch die weltweit erste<br />
Tierschutzorganisation „Society for the Prevention of<br />
Cruelty Animals (SPCA)“. Im Jahr 1837 gründete der Pfarrer<br />
Albert Knapp (1798-1864) den ersten Tierschutzverein, der<br />
später mit weiteren Vereinen zum Deutschen Tierschutzbund<br />
wurde. Heute gibt es unter dessen Dach mehr als<br />
740 Tierschutzvereine.<br />
Tierschutzvereine nehmen herrenlose Tiere auf und<br />
pflegen diese. Dazu beherbergen sie private Tiere in sogenannten<br />
Tierpensionen, bis die Besitzer das Tier wieder<br />
zu sich nehmen können. Tierschutzvereine nehmen auch<br />
in Not geratene Wildtiere auf und leiten diese an Spezialisten<br />
weiter. Beratung und Vermittlung sind weitere<br />
Aufgaben. Ein weiterer Fokus von Tierschutzarbeit liegt<br />
darin, möglichst viele Straßen- und Heimtiere zu kastrieren.<br />
Ganzjährig werden zahlreiche knuddelige Welpen<br />
und süße Kitten, manchmal auch mit ihrer Mutter, in<br />
den Tierschutzvereinen abgegeben oder lieblos auf die<br />
Straße gestellt. Im Frühjahr sind es besonders viele, die<br />
sogenannte Kitten- und Welpenschwemme. Die hilflosen<br />
Tierbabys sind oft in einem schlechten körperlichen<br />
Zustand und Krankheiten wie Parvovirose, Durchfall und<br />
Fieber können für die Kleinen tödlich enden. Deshalb sind<br />
22<br />
FREIeBÜRGER 11 | 2023
Kastrationen ethisch vertretbar, tierschutzkonform und<br />
erzielen eine dauerhafte Verbesserung im Tierschutz plus<br />
eine Entspannung zwischen Mensch und Tier, da streunende<br />
Tiere überwiegend als Plage angesehen werden.<br />
Tierschutz beginnt bereits mit dem Gedanken, sich einen<br />
tierischen Begleiter ins Haus zu holen. Vorab sollten<br />
unbedingt wichtige Fragen geklärt werden: Darf in Ihrer<br />
Mietwohnung überhaupt ein Haustier gehalten werden?<br />
Kann ein Tier mit dem Berufsleben vereinbart werden?<br />
Wer kümmert sich um ihren tierischen Kumpel, wenn Sie<br />
im Urlaub oder krank sind? Und nicht zuletzt: Haben Sie<br />
genügend Geld für das Tier? Eine Katze kostet rund 43 €<br />
im Monat, ein Hund ungefähr 114 €. Konnten Sie auf diese<br />
Fragen konkrete Lösungen finden, steht Ihrem zukünftigen<br />
Haustier nichts mehr im Wege. Bitte bevorzugen Sie<br />
ein Tier aus Ihrem örtlichen Tierschutzverein, anstatt von<br />
einem Züchter. Kaufen Sie keine Tiere aus dem Internet,<br />
da diese häufig von sogenannten Qualzuchten abstammen.<br />
Die Mitarbeitenden im Tierschutzverein beraten Sie<br />
gerne kompetent und ausführlich. Die Tiere, die im Tierschutzverein<br />
leben, sind aus unterschiedlichsten Gründen<br />
dort. Viele haben ein trauriges Schicksal hinter sich, wie<br />
zum Beispiel, weil ihr geliebtes Herrchen oder Frauchen<br />
gestorben ist. Was gibt es Schöneres, als diesem Tier Ihr<br />
Herz zu schenken und ein neues liebevolles Zuhause zu<br />
geben? Falls Sie aus bestimmten Gründen kein Haustier<br />
halten können, sich jedoch für Tiere einsetzen möchten,<br />
können Sie bei Ihrem Tierschutzverein nachfragen, ob<br />
Ehrenamtliche gebraucht werden oder Sie eine Tierpatenschaft<br />
abschließen können.<br />
Zu den bereits genannten Maßnahmen, die wir alle für<br />
den Tierschutz tun können, gehört ebenfalls die Reduktion<br />
von tierischen Produkten. Zu Ostern müssen Sie nicht<br />
gleich angemalte Kartoffeln statt Eiern verstecken… Wie<br />
wäre es mit mindestens einem vegetarischen oder veganen<br />
Tag in der Woche? Unsere tierischen Freunde sowie<br />
Ihre Gesundheit und das Klima werden Ihnen danken.<br />
Naturkosmetik ist nicht immer frei von Tierversuchen, wie<br />
wir das als Verbrauchende leicht denken können. Schließlich<br />
sind Tiere ein Teil der Natur, oder? Besonders Firmen,<br />
die ihre Produkte günstig nach China verkaufen wollen,<br />
testen Ihre Produkte an wehrlosen Tieren. Massenweise<br />
sterben Tiere dabei oder werden im Anschluss an die<br />
grausamen Experimente getötet. Auf PETA's offizieller<br />
Liste finden Sie über 900 Marken und Hersteller, die<br />
schriftlich zugesichert haben, dass sie keine Tierversuche<br />
durchführen. Die Firmenpolitik muss dabei klar Stellung<br />
gegen Tierversuche beziehen, ebenso deren Zulieferer und<br />
Dritte. Zu den tierfreundlichen Marken gehören unter<br />
anderem Alterra Naturkosmetik, The Body Shop, Essence,<br />
Dove, Catrice, Dr. Bronner's, Primavera und Tinti.<br />
Weiteres, was wir alle für den Schutz unserer Samtpfoten<br />
oder Fellnasen tun können, ist indirekte oder direkte<br />
Tierquälerei dem zuständigen Veterinäramt, der Polizei<br />
oder einer Tierschutzorganisation zu melden. Das gilt<br />
obendrein für verletzte oder verwaiste Tiere.<br />
Verzichten Sie bitte auf das Tragen von Pelzen, Daunen<br />
und Federn. „Hast du Pfoten? Nein? Dann darfst du auch<br />
keinen Pelz tragen.“ Seien Sie bitte immer achtsam und<br />
respektvoll gegenüber allen tierischen Geschöpfen. Diese<br />
haben genauso Gefühle wie wir Menschen. Spinnen<br />
sterben qualvoll, wenn sie mit 140 km/h durch den Staubsauger<br />
gewirbelt werden. Schlechtestenfalls krabbeln die<br />
Insekten wieder aus dem Beutel oder verhungern dort.<br />
Heimische Spinnen sind harmlos und freuen sich, wenn<br />
sie von Ihnen wieder lebend in die Natur gesetzt werden.<br />
Jedes Jahr findet in Konstanz am Bodensee der Animal<br />
Pride Day statt. Animal Pride e. V. ist eine Tierschutzorganisation<br />
in Konstanz und Kreuzlingen, die sich für die<br />
Freiheit und Rechte der Tiere einsetzt. Jährlich im Sommer<br />
wird der Animal Pride Day mit einer friedlichen Demonstration<br />
durch Kreuzlingen und Konstanz zelebriert, sowie<br />
mit einem anschließenden Fest, Reden und gemischtem<br />
kulturellen Bühnen- und Kinderprogramm. Zum nächsten<br />
Animal Pride Day 2024 sind Sie herzlich eingeladen, denn<br />
mit Ihrer Teilnahme geben Sie den Tieren eine Stimme<br />
und setzen sich für den Tierschutz ein. Dabei spielt<br />
es überhaupt gar keine Rolle, ob jemand Fleischesser,<br />
Vegetarier oder Veganer ist. Selbstverständlich werden<br />
Sie beim Animal Pride Day mit veganen Köstlichkeiten<br />
wie veganem Eis oder selbstgemachtem veganen Kuchen<br />
verköstigt. Sie haben Appetit und Neugier auf vegane<br />
Backwaren bekommen? Am 4. <strong>November</strong> verkauft der<br />
Tierschutzverein Animal Pride von 10 bis 16 Uhr gegen<br />
eine Spende auf der Konstanzer Marktstätte vegane<br />
Kuchen, Muffins und Herzhaftes. Hier haben Sie die Gelegenheit,<br />
mit den TierschützerInnen in ein vorurteilsfreies<br />
Gespräch zu kommen, sinnvoll Geld zu spenden oder eine<br />
Ihnen zusagende Petition zu unterschreiben.<br />
„Man hat nicht ein Herz für Menschen und eines für Tiere.<br />
Man hat ein einziges Herz oder gar keins.“<br />
(Alphonse de Lamartine, französischer Schriftsteller und<br />
Politiker, 1790-1869)<br />
Quellenangaben:<br />
www.planet-wissen.de<br />
www.veto-tierschutz.de<br />
www.tierversuchsfrei-peta-approved.de<br />
www.careelite.de<br />
www.animalpride.org<br />
Rose Blue<br />
FREIeBÜRGER 11 | 2023 23
SOZIALSTAAT VERTEIDIGEN – ARMUT ABSCHAFFEN<br />
Unter dem Motto „Der Armut endlich den Kampf ansagen!“<br />
machte das Bündnis „AufRecht bestehen“ mit einer<br />
bundesweiten dezentralen Aktionswoche Ende Oktober<br />
auf den Skandal der Verarmung immer größerer Bevölkerungsteile<br />
aufmerksam und rief zur Gegenwehr auf.<br />
Zum Bündnis gehören die Koordinierungsstelle gewerkschaftlicher<br />
Arbeitslosengruppen Tacheles e. V. und<br />
zahlreiche weitere Erwerbsloseninitiativen. In Freiburg<br />
wollte sich der Erwerbslosenausschuss von ver.di Südbaden<br />
Schwarzwald gemeinsam mit SozialberaterInnen von<br />
Friga e. V. und Goethe2 und dem Bettlerchor mit einem<br />
Infostand an der Aktionswoche beteiligen, was wegen<br />
anhaltenden Regens leider ins Wasser fiel.<br />
Ein Fünftel der Bevölkerung in der Bundesrepublik ist arm<br />
oder „armutsgefährdet“, Kinder und Jugendliche betrifft<br />
dies sogar zu einem Viertel. Rund 7,5 Millionen Beschäftigte<br />
hängen im Niedriglohnsektor fest und offiziell 19<br />
Prozent der RentnerInnen sind von Altersarmut betroffen.<br />
Die Inflation hat sich inzwischen zwar abgeschwächt, die<br />
Preise insbesondere für Lebensmittel und Energie bleiben<br />
jedoch auf einem extrem hohen Niveau. Anstatt dieser<br />
skandalösen Situation mit geeigneten sozialpolitischen<br />
Maßnahmen zu begegnen, hat die Bundesregierung mit<br />
ihrem Haushaltsentwurf für 2024 einen Generalangriff<br />
auf die Fundamente der sozialstaatlichen Errungenschaften<br />
eingeleitet.<br />
Während ein Fünftel aller geplanten staatlichen <strong>Ausgabe</strong>n<br />
in Rüstung und Militär fließen soll, ist insbesondere<br />
der Sozial-, Gesundheits- und Bildungsbereich von enormen<br />
Kürzungen und Einsparungen betroffen.<br />
Wir wollen uns nicht damit abfinden, dass es für immer<br />
mehr Menschen hinten und vorne nicht zum Leben reicht<br />
und wir wollen den Angriff auf den Sozialstaat nicht unwidersprochen<br />
hinnehmen.<br />
Folgende Forderungen stellt das Bündnis:<br />
• Rücknahme aller aktuellen Kürzungen im Sozial-,<br />
Gesundheits- und Bildungsbereich<br />
• Sofortige Erhöhung der Grundsicherungsleistungen<br />
für alle hier Lebenden und Übernahme der tatsächlichen<br />
Wohnkosten sowie der Kosten für Energie in<br />
voller Höhe<br />
• Eine Kindergrundsicherung, die alle Kinder und Jugendliche<br />
wirksam aus der Armut holt<br />
• Deutliche Erhöhung des Mindestlohns und eine armutsfeste<br />
Mindestrente<br />
• Ausgrenzung und Diskriminierung verhindern: Migrationsberatung<br />
ausbauen statt kürzen<br />
• Ausbau der Daseinsvorsorge statt Kürzung und Privatisierung<br />
• Förderung und Schaffung bezahlbaren Wohnraums,<br />
insbesondere von Sozialwohnungen, und einen wirksamen<br />
Mietenstopp<br />
• Krankenhausschließungen verhindern – stattdessen<br />
Rekommunalisierung von Kranken- und Pflegeeinrichtungen<br />
Diese vom Bündnis „AufRecht bestehen“ formulierten Forderungen<br />
dürften auf breite Zustimmung treffen. Auch<br />
die Sozialverbände schlagen längst Alarm und weisen auf<br />
die verheerenden Folgen der geplanten Kürzungspolitik<br />
hin. Die Bundesregierung und besonders der Finanzminister<br />
treiben die Verarmung und Spaltung der Gesellschaft<br />
vehement voran. Mit den Folgen dieser Sparpolitik<br />
müssen dann die Kommunen, sozialen Einrichtungen<br />
und all die Vereine mit ihren ehrenamtlichen HelferInnen<br />
zurechtkommen und irgendwie die Versorgungslücken<br />
schließen, die durch bundespolitische Versäumnisse entstehen.<br />
Höchste Zeit, sich einzumischen und auf die Barrikaden<br />
zu gehen!<br />
utasch<br />
24<br />
FREIeBÜRGER 11 | 2023
Sonntagstreffs<br />
im <strong>November</strong> 2023<br />
Engagiert für<br />
wohnungslose Menschen<br />
Foto: E. Peters<br />
05.11.2023<br />
12:30 Uhr<br />
12.11.2023<br />
13 Uhr<br />
19.11.2023<br />
13 Uhr<br />
26.11.2023<br />
13 Uhr<br />
Gemeinde St. Albert<br />
Sundgauallee 9, Straßenbahnlinie 1 Richtung<br />
Landwasser, Halt Am Bischofskreuz<br />
14:15 Uhr Kleiderausgabe<br />
15 Uhr Gedenkfeier für unsere<br />
verstorbenen Freunde<br />
Der Rotary Club Freiburg-Schlossberg<br />
lädt ein in den Franziskussaal<br />
Prinz-Eugen-Straße 2, Straßenbahnlinie 2<br />
Richtung Günterstal, Halt Lorettostraße<br />
Der Meditationsverein Dhamma Dana e. V.<br />
lädt ein in die Waldorfschule St. Georgen<br />
Bergiselstraße 11, Buslinie 11 nach St.Georgen,<br />
Halt Innsbrucker Straße oder<br />
Straßenbahnlinie 3 bis Endhaltestelle Vauban<br />
Gemeinde St. Peter und Paul<br />
Bozener Straße 6, Bus 11 Richtung St.Georgen<br />
Halt Gabelsberger Straße oder<br />
Straßenbahnlinie 3 Richtung Vauban<br />
bis Endhaltestelle<br />
VERKÄUFERIN KATRIN<br />
Ich bin Katrin, eine neue FREIeBÜRGER-Verkäuferin, und<br />
freue mich, dass ich mich Ihnen hier vorstellen kann. Ich<br />
bin in der Freiburger Region, Nähe Müllheim, aufgewachsen.<br />
Nach meiner Schulausbildung wollte ich schon immer<br />
eine Ausbildung im Bereich Garten- und Landschaftsbau<br />
zur Landschaftsgärtnerin machen. Aus privaten<br />
Gründen war mir dieses bis heute nicht möglich. Gerne<br />
würde ich dies aber jetzt in Angriff nehmen und bin auf<br />
der Suche nach einer Ausbildungsstelle.<br />
Ich verkaufe seit drei Monaten von Montag bis Samstag<br />
ab 9:30 Uhr bis 15 Uhr vor dem Breuninger auf der Kajo.<br />
Der Verkauf macht mir großen Spaß, ich hatte schon<br />
viele tolle Begegnungen und interessante Gespräche. In<br />
meiner Freizeit schwimme ich gerne, schaue Horrorfilme<br />
und bin ein großer SC Freiburg-Fan. Für meine Zukunft<br />
wünsche ich mir eine eigene kleine Wohnung, da ich<br />
momentan bei einem Bekannten lebe und einen Ausbildungsplatz,<br />
wie schon oben erwähnt. Ein Traum wäre es<br />
auch, mal bei einem SC Freiburg-Heimspiel live dabei zu<br />
sein. An Tickets zu kommen ist ja leider nicht einfach, oder<br />
es hapert am nötigen Kleingeld.<br />
NOVEMBER 2023<br />
LYSCHKO + WAX LEGS<br />
DO, 2. I 20 H I NEW WAVE, POST PUNK, EGG PUNK<br />
BABEL 17 + LOWER SYNTH DEPARTMENT<br />
SA, 4. I 21 H I COLD WAVE, SYNTH, GOTHROCK<br />
COLLEEN GREEN + COSEY MUELLER<br />
DO, 9. I 20 H I I DIY INDIE POP, SYNTHWAVE<br />
SIGNVM KARG + PLAGUEPREACHER<br />
FR, 10. I 21 H I BLACK METAL<br />
OFF BEAT CLUB # 3<br />
DUB SPENCER & TRANCE HILL<br />
SA, 11. I 21 H I DUB, TRANCE, ORGANIC TECHNO<br />
TV MOMS + SHE-DOG<br />
DO, 16. I 20 H I GRUNGY ROCK, SAD POST PUNK<br />
CRYING VESSEL + BEN BLOODYGRAVE<br />
FR, 17. I 21 H I GOTHIC, COLD WAVE, SYNTH PUNK<br />
LES QUITRICHE + KAPA TULT<br />
SA, 18. I 21 H I FRENCH 60‘S, YEYE, INDIE POP<br />
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So, das war es mal von mir, Ihnen wünsche ich eine gesunde<br />
Zeit, sage Danke und bis ganz bald an meinem<br />
Verkaufsplatz.<br />
Ihre Katrin<br />
VEREIN FÜR NOTWENDIGE KULTURELLE MASSNAHMEN e.V.<br />
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WWW.SLOWCLUB-FREIBURG.DE<br />
FREIeBÜRGER 11 | 2023 25
so sehr in Gefahr bringt, dass er seine Heimat verlassen<br />
muss. Er strandet in der Erstaufnahmestelle Traiskirchen<br />
in Österreich. Dort wird er nicht nur mit Demütigungen<br />
und Verachtung durch Einheimische, sondern auch mit<br />
den gegenseitigen Ressentiments der Geflüchteten konfrontiert.<br />
A. lebt in ständiger Angst vor der Polizei und vor<br />
seinen Mitbewohnern.<br />
Und dann begegnet er Sarah, die sich für die Proteste<br />
im Iran begeistert, Farsi lernt und sich in A. verliebt.<br />
Sarah steht A. hilfreich zur Seite, übersetzt für ihn, leiht<br />
ihm Geld und besorgt ihm ein Zimmer in einer Wohngemeinschaft<br />
in Wien. Sarah ist für A. wie ein Schutzengel,<br />
doch ihre Liebe kann er nicht erwidern. A. leidet unter<br />
seinen traumatischen Erlebnissen, unter Hilflosigkeit<br />
und Scham. Seine Depressionen machen eine Liebesbeziehung<br />
unmöglich. Mit laienhaften psychoanalytischen<br />
Methoden versucht Sarah, A. und seine Zurückweisung zu<br />
ergründen, was zu weiteren Kränkungen führt.<br />
Amir Gudarzi<br />
„Das Ende ist nah“<br />
dtv Verlag<br />
ISBN 978-3-423-29034-0<br />
416 Seiten | 25 €<br />
DAS ENDE IST NAH<br />
Buchbesprechung von utasch<br />
Amir Gudarzi erzählt in seinem Roman von einer Kindheit<br />
und Jugend im Iran, von den Protesten in Teheran<br />
2009, einer Flucht und dem Leben als Asylberwerber in<br />
Österreich.<br />
A. wächst im ärmlichen Teil Teherans auf. Das Leben in<br />
den Gassen ist von Kriminalität und Gewalt geprägt. Als<br />
Jugendlicher besucht er die Theaterschule und studiert<br />
im Anschluss szenisches Schreiben. A. beteiligt sich an<br />
den Protesten gegen das Regime und glaubt an die subversive<br />
Kraft der Kunst. Doch aus finanziellen Gründen<br />
schreibt er Auftragswerke für das staatliche Fernsehen<br />
über religiöse Themen, obwohl er inzwischen Atheist ist<br />
und den Islam bekämpfen will. Seine Abschlussarbeit<br />
für die Universität wird von muslimischen Gelehrten als<br />
gotteslästerlich und regimefeindlich eingestuft, was ihn<br />
A. hat das Gefühl, in einem Albtraum gefangen zu sein.<br />
Neben der komplizierten Beziehung zu Sarah plagt ihn<br />
sein ungewisser Aufenthaltsstatus. Auch das Leben in<br />
der WG gestaltet sich schwierig. Mit Nicht-Flüchtlingen<br />
zusammenzuwohnen, wird für A. eine Qual. Um seinen<br />
Lebensunterhalt bestreiten zu können, arbeitet A. schwarz<br />
in einer Pizzeria. Für 12 Stunden Schufterei ohne Pausen<br />
bekommt er 60 € und muss dem Chef für diese Ausbeutung<br />
sogar dankbar sein. A. ist permanent erschöpft, hat<br />
keine Kraft für die belastenden Dramen mit Sarah, zumal<br />
er sich um seine Eltern sorgt, die den Iran ebenfalls verlassen<br />
mussten und nun seine finanzielle Unterstützung<br />
brauchen.<br />
Der Roman hat kein Happy End. Die Lektüre von „Das<br />
Ende ist nah“ ist fesselnd und erschütternd. Die Passagen<br />
über die Proteste im Iran und über das Leben als Asylbewerber<br />
sind schwer zu ertragen. Die physische und<br />
psychische Gewalt, die A. erlebt, öffnen die Augen für die<br />
Verletzlichkeit und Schutzbedürftigkeit nicht nur geflüchteter,<br />
sondern aller Menschen. Amir Gudarzis Roman ist<br />
eine Offenbarung; eine Offenbarung über die Verhältnisse<br />
im Iran, über die Verhältnisse bei uns und über einen<br />
Menschen, der aufgrund dieser Verhältnisse um sein<br />
Leben und seine Zukunft bangt. „Das Ende ist nah“ ist ein<br />
eindringlicher und aufwühlender Roman, der einen wichtigen<br />
Beitrag zur Flüchtlingsdebatte leistet.<br />
Menschen wie Amir Gudarzi verlassen ihre Heimat nicht,<br />
um sich hier aufwendig die Kauwerkzeuge sanieren zu<br />
lassen, sondern weil sie aufgrund ihrer politischen oder<br />
religiösen Überzeugungen, sexuellen Orientierung oder<br />
ethnischen Zugehörigkeit im Herkunftsland mit Folter<br />
und Mord bedroht werden.<br />
26<br />
FREIeBÜRGER 11 | 2023
HERBSTEINTOPF<br />
Foto: E. Peters<br />
Herzlich willkommen auf unserer Kochseite!<br />
Der Herbst ist da, in all seiner Farbenpracht! Die Abende<br />
werden immer kühler und der Appetit auf deftiges Essen<br />
wächst. Hat eigentlich schon mal jemand über Folgendes<br />
nachgedacht: Ein Eintopf ist ja ein Gericht, zubereitet in<br />
einem Topf. Sind deshalb unsere Ur-Ur-Großmütter etwa<br />
die wahren Erfinder des „One-Pot-Wunders“, dem Trend,<br />
alles ruckzuck in einem Topf zu kochen? Egal ob Nudeln,<br />
Kartoffeln, Reis, Gemüse, Hülsenfrüchte oder Fleisch – alles<br />
gart praktisch, flott und voller Aromen zusammen in<br />
einem Topf.<br />
One-Pot-Gerichte sind genau das Richtige für alle, die gerne<br />
gutes Essen wollen, aber keine Lust auf großen Kochaufwand<br />
haben. Und das tolle ist auch: Es gibt kaum Abwasch<br />
und die Küche ist wieder blitzschnell sauber.<br />
Wir vom FREIeBÜRGER haben letztens diesen leckeren<br />
Herbsteintopf geköchelt, ein leckerer deftiger vegetarischer<br />
Eintopf mit viel Gemüse und Hülsenfrüchten.<br />
Schnell & einfach zubereitet und zudem auch noch geldbeutelschonend!<br />
Apropos Hülsenfrüchte: Es gibt viele<br />
heimische Sorten, daher kurze Transportwege, preiswert,<br />
vielfältig einsetzbar und eine der wichtigsten pflanzlichen<br />
Proteinquellen.<br />
Zutaten für 4 Personen:<br />
350 g Kartoffeln<br />
6 Frühlingszwiebeln<br />
Rapsöl zum Anbraten<br />
70 g rote Paprika<br />
Zubereitung:<br />
Die Kartoffeln schälen und in grobe Würfel schneiden.<br />
Dann die Frühlingszwiebeln in dünne Scheiben schneiden<br />
und die Paprika in kleine Würfel. Jetzt in einem Topf<br />
etwas Rapsöl erhitzen und die Kartoffeln mit den Frühlingszwiebeln<br />
darin anbraten. Mit der Gemüsebrühe ablöschen<br />
und für etwa fünfzehn Minuten leicht köcheln<br />
lassen und gelegentlich umrühren. Jetzt die Paprikawürfel<br />
und die zweierlei Bohnen dazugeben und eventuell<br />
etwas salzen. Weitere 15 Minuten köcheln lassen. Fertig.<br />
Am besten schmeckt dieser Eintopf, wenn er 24 Stunden<br />
durchzieht und noch einmal aufgewärmt wird, weil sich<br />
dadurch der Geschmack verstärkt. Den Eintopf in Suppenbowls<br />
oder tiefen Suppentellern servieren, mit frisch gehackter<br />
glatter Petersilie bestreuen und ein am besten<br />
frisch gebackenes knuspriges Brot in Scheiben geschnitten<br />
dazu servieren.<br />
Guten Appetit!<br />
500 ml Gemüsebrühe<br />
400 g weiße Bohnen<br />
400 g Chili-Bohnen<br />
Salz zum Nachwürzen<br />
Oliver & Ekki<br />
FREIeBÜRGER 11 | 2023 27
eines dürfte Fakt sein: Wenn Alonso mit Bayer Erfolg hat,<br />
dann ist er (für viel Geld!) weg.<br />
Hallöchen, liebe Sportfreunde,<br />
willkommen im Herbst und im dazugehörigen ungemütlichen<br />
Wetter. Mit der sommerlichen Wärme dürfte es<br />
wohl für dieses Jahr endgültig vorbei sein und den Temperaturen<br />
nach zu urteilen ist es nicht mehr allzu weit bis<br />
zum Winter. Passend dazu findet ja am letzten Oktoberwochenende<br />
auch schon der erste Riesenslalom bei den<br />
Alpinen Ski-RennfahrerInnen statt.<br />
Doch bleiben wir erst mal noch beim Herbst und beim<br />
Fußball. Und den gibt es zurzeit ja reichlich, denn in sämtlichen<br />
Wettbewerben rollt der Ball. In der ersten Fußball-Bundesliga<br />
sind acht Spieltage absolviert, also etwa<br />
ein Viertel der Saison. Da kann man natürlich noch nicht<br />
allzu viel über den Saisonverlauf aussagen, doch einen<br />
ersten kleinen Trend kann man schon sehen: Die Bayern<br />
sind nicht vorn! Das muss man ja unbedingt erwähnen,<br />
schließlich hat es das in den vergangenen Jahren nicht<br />
oft gegeben. An der Tabellenspitze steht Bayer Leverkusen<br />
und auch das hat es nicht so oft gegeben in der jüngeren<br />
Vergangenheit. In den letzten Jahren war es doch schon<br />
etwas still geworden um die Betriebsmannschaft. Früher<br />
haben die ja immer eine Weile um Titel mitgespielt,<br />
auch wenn es am Ende nie gereicht hat und die Fans sie<br />
liebevoll in Vizekusen umgetauft haben. Doch seit einigen<br />
Jahren ging es für sie nur noch um Platz vier bis sechs.<br />
Hauptsache man spielt im Europapokal. Doch in diesem<br />
Jahr scheint der viel gerühmte Knoten wohl geplatzt zu<br />
sein, denn Bayer steht nicht nur auf dem ersten Platz, die<br />
stehen auch noch hochverdient da! Es sieht so aus, als<br />
würde das Training bei Weltmeister Xabi Alonso endlich<br />
Erfolg bringen. Der war ja auch vor ca. zehn Jahren noch<br />
einer der besten Spieler der Welt, war Welt- und Europameister<br />
und hatte eine wahnsinnige Spielintelligenz. Es<br />
bleibt den Leverkusenern nur zu wünschen, dass sie sich<br />
so viel wie möglich von seinem Können aneignen, denn<br />
Noch überraschender als die Leverkusener Tabellenführung<br />
ist aber der zweite Platz des VfB Stuttgart. In den<br />
letzten Spielzeiten galten die Schwaben immer als potenzieller<br />
Abstiegskandidat, wenn sie nicht ohnehin schon<br />
in der zweiten Liga spielten. Was ist da passiert, dass die<br />
jetzt aus heiterem Himmel ganz oben mitspielen? Nach<br />
acht Spielen haben sie 21 von 24 möglichen Punkten auf<br />
dem Konto und dazu haben sie auch schon 25 Tore geschossen.<br />
Nur die Bayern haben mit 26 Toren mehr erzielt.<br />
Auch wenn ihr neuer brasilianischer Stürmerstar Guirassy<br />
schon 14 Tore geschossen hat, daran allein kann es wohl<br />
nicht liegen. Mit diesen 14 Treffern, die der brasilianische<br />
Schwabe bislang erzielt hat, hat er auch sämtlich Rekorde<br />
von Lewandowski gebrochen, die der Pole zu so einem frühen<br />
Saisonzeitpunkt innehatte. Mal schauen, ob Guirassy<br />
weiter so trifft. Wenn ja, dann dürfte für ihn dasselbe gelten<br />
wie für Alonso, bei Erfolg ist er weg!<br />
Doch da ich Realist bin, glaube ich, dass die jetzige Tabelle<br />
in der Bundesliga nur das ist, was sie ist, nämlich eine<br />
Momentaufnahme. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die<br />
beiden Mannschaften die Klasse haben, bis zum Saisonende<br />
dort oben zu bleiben. Schade eigentlich, von mir<br />
aus könnten die beiden den Meistertitel ruhig unter sich<br />
ausmachen, das wäre mir allemal lieber als wieder die<br />
Bayern. Doch die hängen auch da oben rum und haben<br />
nur zwei Zähler Rückstand auf Platz eins. Zu allem Unglück<br />
hat sich Bayerns 100 Mio.-Einkauf Harry Kane richtig<br />
gut eingefügt und schießt ein Tor nach dem anderen.<br />
Man kann nur hoffen, dass Leverkusen und der VfB eine<br />
Weile da oben mitspielen können, sodass es zumindest<br />
für eine Weile einen Meisterschaftskampf gibt. Mit viel<br />
Glück hängt sich Leipzig da noch mit rein und es wird ein<br />
Vierkampf. Zwar sind die Schwarz-Gelben da oben auch<br />
noch dabei, aber ganz ehrlich mal, wer würde denn glauben,<br />
dass die Meister werden können? Also ich würde keinen<br />
Euro auf die Lüdenscheider setzen!<br />
Die beiden Sensationsteams aus der letzten Saison tun<br />
sich diesmal allerdings ziemlich schwer. Vor allem der Ostberliner<br />
Kultclub Union steckt ziemlich schwer in der Krise.<br />
Die letzten neun Pflichtspiele wurden verloren, in der<br />
Bundesliga stehen sie nur auf Platz 15 und in der Champions<br />
League haben sie von drei Spielen drei verloren und<br />
der Trend geht weiter nach unten. Unerklärlich eigentlich,<br />
denn die Berliner hatten sich nach der unglaublichen<br />
Saison mit Gosens und dem italienischen Europameister<br />
Bonucci verstärkt, vor allem für die Champions League.<br />
Und dann brechen die so ein! Dass es an der Mehrfachbelastung<br />
liegt, wie einige „Experten“ von sich geben, halte<br />
ich für Quatsch. In den letzten beiden Jahren hat Union<br />
28<br />
FREIeBÜRGER 11 | 2023
Foto: Edith Geuppert<br />
Abb.: Der Erfolg von Bayer 04 Leverkusen ist untrennbar mit Trainer Xabi Alonso verbunden.<br />
Berlin auch im Europapokal gespielt, hatte genau die gleiche<br />
Belastung wie heute und war in der Tabelle oben mit<br />
dabei. Der hiesige Sportclub liegt zwar auf dem achten<br />
Platz, aber in Ordnung ist da trotzdem nicht alles. Irgendwie<br />
fehlt in diesem Jahr die Konstanz bei der Mannschaft.<br />
Immer wenn man denkt, jetzt geht es aufwärts, da fangen<br />
die sich wieder eine Niederlage ein. Und die sind diesmal<br />
immer ziemlich heftig, wie das 0:3 gegen Stuttgart.<br />
Doch trotz allem, beim SC Freiburg wird es wieder nach<br />
oben gehen, dafür wird schon Trainer Streich mit seiner<br />
Ruhe und seiner Erfahrung sorgen. Denn Platz acht in<br />
der Liga genügt den Ansprüchen in Freiburg nicht mehr.<br />
Ein Startplatz in der Europa League sollte wieder herausspringen<br />
am Ende. Einfacher wäre es natürlich, die gewinnen<br />
den Europapokal in diesem Jahr, dann wären sie<br />
nächstes Jahr automatisch dabei.<br />
Die zweite Liga sieht momentan so aus, als spielt sie eine<br />
norddeutsche Meisterschaft aus. Ganz vorn liegt St. Pauli<br />
mit großem Vorsprung auf den HSV und auf Platz drei<br />
folgt Kiel, Vierter ist Hannover. Das hätte man vorher<br />
auch nicht so erwartet. Ich jedenfalls nicht, denn irgendwo<br />
unter diesen ersten vier Teams hätte ich ja auch meine<br />
Schalker erwartet. Aber die haben, wie letztens schon<br />
erwähnt, irgendetwas falsch verstanden. Die haben sich<br />
zwar den Relegationsplatz geschnappt, aber den nach unten.<br />
Das kann man sich meist gar nicht anschauen, was<br />
die da auf dem Platz zusammenspielen! Und was macht<br />
der Verein in seiner Ratlosigkeit? Die schmeißen mal wieder<br />
den Trainer raus, obwohl das seit Jahren der beste<br />
war. Mike Büskens natürlich ausgenommen! Aber da<br />
der neue Trainer wohl auch nur ein paar Wochen da sein<br />
wird, werde ich mir den Namen gar nicht erst merken,<br />
sondern ihn einfach „den Belgier“ nennen.<br />
Auch unser Nationalteam unter dem neuen Coach Nagelsmann<br />
hat schon wieder zwei Spiele ausgetragen und<br />
diesmal haben sie keins verloren. Okay, die Spiele waren<br />
schon besser als die letzten, aber zur Euphorie besteht<br />
echt kein Grund! Wichtig ist nur, dass sich die deutsche<br />
Elf für die WM 2030 qualifiziert. Denn die wird auf drei<br />
Kontinenten(!) ausgetragen. Alles über den neuen Coup<br />
von Infantino gibt es beim nächsten Mal. Dann gibt es<br />
auch Wintersport!<br />
Für heute war es das mal wieder. Bleiben Sie sportlich!<br />
Carsten<br />
FREIeBÜRGER 11 | 2023 29
WIR WERDEN DIE NUSS SCHON KNACKEN!<br />
WORTSPIELRÄTSEL<br />
von Carina<br />
Fett umrandete Kästchen stellen den jeweiligen Lösungsbuchstaben des endgültigen<br />
Lösungswortes dar und zwar von oben nach unten gelesen. Sind pro Einzellösung mehrere<br />
Kästchen fett umrandet, sind diese Buchstaben identisch! Alles klar? Na dann viel Spaß!<br />
Zur Beachtung: Ä/Ö/Ü = AE/OE/UE und ß = SS<br />
Salve, liebe Gehirn-Akrobaten!<br />
Der nasskalte Herbst ist da und um mich herum sind alle nur noch am Schniefen und<br />
Husten! Und wie es der Teufel wollte, habe ich mich bei meinem Freund (der es auf der<br />
Arbeit bekam) mit Corona angesteckt – da halfen auch keine vier Impfungen. Egal, wo ich<br />
mit meiner Maske auch hinging, ich war die einzige und wurde seltsam angeschaut. Dabei<br />
ist die ja nachweislich das einzige, was die Viren abhält! Aber der Mensch ist nicht immer<br />
lernfähig. Insofern geht es dieses Mal um Medizin und Krankheiten. Ich wünsche Ihnen<br />
frohes Gehirntraining und bleiben Sie gesund!<br />
1. Handpuppenfigur eines inneren Organs<br />
2. Plättmaschine für eine Metallart<br />
3. Schießgeräusch von Zauberinnen<br />
4. Unterricht für ein englisches Fräulein<br />
5. Krankheitssymptom mit Schmutzstelle<br />
6. Hospital für Reizleitungsfasern<br />
7. Feuerereignis eines inneren Organs<br />
8. Edelblume eines Hosenhalters<br />
9. Flagge mit Schleimsekret<br />
10. Getränk aus einer Erkältungserscheinung<br />
Lösungswort:<br />
Zu gewinnen für das korrekte Lösungswort:<br />
1.- 3. Preis je ein Gutschein unserer Wahl<br />
UND:<br />
Im Dezember 2023 wird von ALLEN korrekten<br />
Einsendungen ein zusätzlicher Gewinner gezogen,<br />
der eine besondere Überraschung erhält!<br />
Einsendeschluss<br />
ist der 29 . <strong>November</strong> 2023<br />
(es gilt das Datum des Poststempels bzw. der E-Mail)<br />
E-Mails nur mit Adressen-Angabe. Unsere Postanschrift finden Sie<br />
im Impressum auf Seite 31. Teilnahmeberechtigt sind alle, außer die<br />
Mitglieder des Redaktionsteams. Wenn es mehr richtige Einsendungen als<br />
Gewinne gibt, entscheidet das Los. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.<br />
Lösungswort der letzten <strong>Ausgabe</strong>: TUNICHTGUT<br />
bestehend aus den folgenden Einzellösungen:<br />
1. STRAUCHDIEB 2. LAUSBUBE<br />
3. SPATZENHIRN 4. WITZFIGUR 5. BOESEWICHT<br />
6. HOHLKOPF 7. STREITHAMMEL<br />
8. GEIZKRAGEN 9. FURZKNOTEN 10. DRECKSPATZ<br />
Gewonnen haben (aus 66 korrekten Einsendungen):<br />
S. Heckhausen, Waldkirch<br />
I. Orthmayer, Freiburg<br />
S. Schlatter, Freiburg<br />
HERZLICHEN GLÜCKWUNSCH !<br />
Die Gewinner werden schriftlich benachrichtigt.<br />
30<br />
FREIeBÜRGER 11 | 2023
ÜBER UNS<br />
Seit Jahren geht in unserer Gesellschaft die Schere zwischen<br />
Arm und Reich weiter auseinander. Besonders durch die<br />
Agenda 2010 und die damit verbundenen Hartz IV-Gesetze<br />
wurden Sozialleistungen abgesenkt. Die Lebenshaltungskosten<br />
steigen jedoch von Jahr zu Jahr. Viele Menschen kommen<br />
mit den Sozialleistungen nicht mehr aus oder fallen schon<br />
längst durch das ziemlich löchrig gewordene soziale Netz.<br />
Und heute kann jeder von Arbeitslosigkeit bedroht sein.<br />
Vereine und private Initiativen versuchen die Not, in welche<br />
immer mehr Menschen kommen, zu lindern und die Lücken<br />
im System zu schließen. Es gibt unterschiedliche nichtstaatliche<br />
Einrichtungen wie z. B. die Tafeln, welche sich um diese<br />
ständig wachsende Bevölkerungsgruppe kümmern. Oder<br />
eben die Straßenzeitungen wie der FREIeBÜRGER.<br />
In unserer Straßenzeitung möchten wir Themen aufgreifen,<br />
welche in den meisten Presseerzeugnissen oft zu kurz oder<br />
gar nicht auftauchen. Wir wollen mit dem Finger auf Missstände<br />
zeigen, interessante Initiativen vorstellen und kritisch<br />
die Entwicklung unserer Stadt begleiten. Wir schauen aus<br />
einer Perspektive von unten auf Sachverhalte und Probleme<br />
und kommen so zu ungewöhnlichen Einblicken und<br />
Ansichten. Damit tragen wir auch zur Vielfalt in der lokalen<br />
Presselandschaft bei.<br />
Gegründet wurde der Verein im Jahr 1998 von ehemaligen<br />
Wohnungslosen und deren Umfeld, deshalb kennen die<br />
MitarbeiterInnen die Probleme und Schwierigkeiten der<br />
VerkäuferInnen aus erster Hand. Ziel des Vereins ist es, dass<br />
Menschen durch den Verkauf der Straßenzeitung sich etwas<br />
hinzuverdienen können, sie durch den Verkauf ihren Tag<br />
strukturieren und beim Verkaufen neue Kontakte finden<br />
können. Wir sind eine klassische Straßenzeitung und geben<br />
unseren VerkäuferInnen die Möglichkeit, ihre knappen finanziellen<br />
Mittel durch den Verkauf unserer Straßenzeitung<br />
aufzubessern. 1 € (Verkaufspreis 2,10 €) pro <strong>Ausgabe</strong> und das<br />
Trinkgeld dürfen unsere VerkäuferInnen behalten.<br />
Es freut uns zum Beispiel sehr, dass sich einige wohnungslose<br />
Menschen über den Verkauf der Straßenzeitung eine neue<br />
Existenz aufbauen konnten. Heute haben diese Menschen<br />
einen sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplatz und eine<br />
Wohnung. Der FREIeBÜRGER unterstützt also Menschen<br />
in sozialen Notlagen. Zu unseren VerkäuferInnen gehören<br />
(ehemalige) Obdachlose, Arbeitslose, GeringverdienerInnen,<br />
RentnerInnen mit kleiner Rente, Menschen mit gesundheitlichen<br />
Problemen, BürgerInnen mit Handicap u. a. Unser Team<br />
besteht derzeit aus fünf MitarbeiterInnen. Die Entlohnung<br />
unserer MitarbeiterInnen ist äußerst knapp bemessen und<br />
unterscheidet sich aufgrund der geleisteten Arbeitszeit und<br />
Tätigkeit. Dazu kommt die Unterstützung durch ehrenamtliche<br />
HelferInnen. Leider können wir durch unsere Einnahmen<br />
die Kosten für unseren Verein, die Straßenzeitung und Löhne<br />
unserer MitarbeiterInnen nicht stemmen. Daher sind wir<br />
auch in Zukunft auf Unterstützung angewiesen.<br />
SIE KÖNNEN UNS UNTERSTÜTZEN:<br />
• durch den Kauf einer Straßenzeitung oder<br />
die Schaltung einer Werbeanzeige<br />
• durch eine Spende oder eine Fördermitgliedschaft<br />
• durch (langfristige) Förderung eines Arbeitsplatzes<br />
• durch Schreiben eines Artikels<br />
• indem Sie die Werbetrommel für unser<br />
Sozialprojekt rühren<br />
Helfen Sie mit, unser Sozialprojekt zu erhalten und weiter<br />
auszubauen. Helfen Sie uns, damit wir auch in Zukunft<br />
anderen Menschen helfen können.<br />
Impressum<br />
Herausgeber: DER FREIeBÜRGER e. V.<br />
V.i.S.d.P: Oliver Matthes<br />
Chefredakteur: Uli Herrmann († 08.03.2013)<br />
Titelbild: Cristian Ibarra Santillan<br />
Layout: Ekkehard Peters<br />
An dieser <strong>Ausgabe</strong> haben mitgearbeitet:<br />
Carsten, Carina, Conny, Ekki, Karsten, Oliver, Recht<br />
auf Stadt, Rose Blue, utasch und Gastschreiber<br />
Druck: Freiburger Druck GmbH & Co. KG<br />
Auflage: 5.000 | Erscheinung: monatlich<br />
Vereinsregister: Amtsgericht Freiburg | VR 3146<br />
Kontakt:<br />
DER FREIeBÜRGER e. V.<br />
Engelbergerstraße 3<br />
79106 Freiburg<br />
Tel.: 0761 / 319 65 25<br />
E-Mail: info@frei-e-buerger.de<br />
Website: www.frei-e-buerger.de<br />
Öffnungszeiten: Mo. - Fr. 12 - 16 Uhr<br />
Mitglied im Internationalen Netzwerk<br />
der Straßenzeitungen<br />
Der Nachdruck von Text und Bild (auch nur in Auszügen) sowie<br />
die Veröffentlichung im Internet sind nur nach Rücksprache<br />
und mit der Genehmigung der Redaktion erlaubt. Namentlich<br />
gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung<br />
der Redaktion wieder.<br />
Die nächste <strong>Ausgabe</strong> des FREIeBÜRGER erscheint am:<br />
01.12.2023<br />
1. und 2. Mittwoch im Monat um 14 Uhr:<br />
Öffentliche Redaktionssitzung<br />
FREIeBÜRGER 11 | 2023 31
Anzeige<br />
Klima versus Glühwein<br />
Im Januar 2023 kam es zu Durchsuchungen<br />
der RDL-Redaktionsräume sowie der Wohnungen<br />
zweier Journalisten. Anlass der<br />
Durchsuchungen und der Beschlagnahme<br />
mehrerer Laptops war ein Artikel, in dem<br />
auf ein Archiv von linksunten.indymedia<br />
verlinkt wurde. Die Internetplattform war<br />
2017 nach Vereinsrecht verboten worden.<br />
Die Staatsschutzabteilung der Staatsanwaltschaft<br />
Karlsruhe sieht in dem Artikel eine<br />
strafbare Unterstützung einer verbotenen<br />
Vereinigung. Inzwischen hat das Landgericht<br />
Karlsruhe entschieden, dass die Durchsuchungen<br />
rechtswidrig waren. Das Oberlandesgericht<br />
Stuttgart hat hingegen - anders<br />
als zuvor das Landgericht - die Anklage<br />
gegen den Journalisten zugelassen. Die<br />
Hauptverhandlung soll im kommenden Jahr<br />
stattfinden. Der Vortrag gibt einen Einblick<br />
in das Verfahren und ordnet es kritisch ein.<br />
Dabei wird insbesondere der Frage nachgegangen,<br />
wie Links rechtlich zu bewerten<br />
sind und wie der Staat gegen (linke) Medien<br />
vorgeht. Mit anschließender Diskussion.<br />
Jeden 1. Mittwoch des<br />
Monats: 12-13 Uhr<br />
"Freiburg vermarktet sich geschickt als die<br />
Green City; wenn wir aber hinter das grüne<br />
Deckmäntelchen schauen, sieht es ganz<br />
schön schwarz, bzw. öltriefend aus", erklärt<br />
Tobias vom Klimacamp im RDL-Interview<br />
und verweist darauf, dass 2035, wenn die<br />
Stadt laut eigenen Zielen klimaneutral sein<br />
will, der Stadttunnel, bzw. die Stadtautobahn<br />
gebaut werden soll. "Das passt nicht<br />
zusammen." Das Klimacamp, das auf solche<br />
Widersprüchlichkeiten hinweist, scheint zu<br />
stören. Es soll weg! Es soll auf jeden Fall<br />
den heiligen Weihnachtsmarkt nicht stören.<br />
Klimakrise? - Hauptsache Glühwein! Obwohl<br />
nur wenige Stände nicht am Rathausplatz<br />
stehen könnten, wenn das Klimacamp<br />
während des Weihnachtsmarktes dort verbleiben<br />
würde, ist die Stadtverwaltung nicht<br />
bereit das zu ermöglichen, hat eine Abbauverfügung<br />
erlassen und verfügt, dass im Anschluss<br />
an den Markt nur noch zwei von<br />
vier Zelten wieder aufgebaut werden dürfen.<br />
Da das Klimacamp Einspruch eingelegt hat,<br />
muss(te) das Verwaltungsgericht nun über<br />
den Fortgang des Klimacamps entscheiden.<br />
Wir werden über die juristische und politische<br />
Auseinandersetzung berichten, gucken,<br />
ob es Widerstand gegen eine mögliche Räumung<br />
oder alternative Örtlichkeiten gibt und<br />
kritisch begleiten, was die Stadt in Richtung<br />
Klimaneutralität (nicht) unternimmt.<br />
rdl.de/tag/klimacamp<br />
ReferentInnen: Angela Furmaniak, Rechtsanwältin<br />
und Fachanwältin für Strafrecht, Verteidigerin<br />
des angeklagten RDL-Journalisten;<br />
David Werdermann, Rechtsanwalt und Verfahrenskoordinator<br />
bei der Gesellschaft für<br />
Freiheitsrechte.<br />
LinkExtremismus in Freiburg?<br />
Das Strafverfahren gegen Radio<br />
Dreyeckland als Testfall für die Presse und<br />
Rundfunkfreiheit<br />
Do. 30.11. 19 Uhr c.t. im Hörsaal 3219<br />
(KG III) der UniFreiburg<br />
im Mittagsmagazin<br />
'Punkt 12'<br />
Hört, Macht, Unterstützt Radio Dreyeckland: 102,3 Mhz - Stream: rdl.de/live - 0761/31028