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frei.e.buerger38617
von frei.e.buerger38617 Mehr von diesem Publisher
07.02.2024 Aufrufe

Ein Original-Bollenhut wiegt um die zwei Kilo. Trägst Du eine leichtere Variante? Ich trage eine leichte Variante. Eine Original-Bollenhutträgerin hat mal zu mir gesagt: „Noch nicht mal tanzen kann man mit dem Original.“ Da ich das ganze Wochenende quasi am Tanzen bin, wäre das ja fürchterlich! Deswegen bin ich froh, dass ich meine leichte Variante habe. Mein erster Bollenhut war in Stuttgart im Landesmuseum über zwei Jahre in der Ausstellung „Hüte im Ländle“ ausgestellt. Hat mich sehr stolz gemacht. Vor allem war während der Zeit im Landesmuseum mein Bollenhut ja deutsches Kulturgut. Das hat auch nicht jeder, deutsches Kulturgut auf den Kopf. Du bist so vielseitig, und einen Party-Hit hattest Du auch schon mit „Zick Zack Zwiebel“, Deinem Partyschlager-Debut. Wird es weitere Songs oder sogar ein Album geben? Es gab danach noch einen weiteren Song, aber das fiel alles auf Ende 2019 und dann kam das große C. Alle Auftritte, die da geplant, gebucht und angefragt waren, sind komplett ins Wasser gefallen. Es ist aktuell auch noch nichts geplant, aber ich bin offen dafür. Mir hat das wahnsinnig viel Spaß gemacht. Aber man braucht sich auch nichts vormachen, viele der Auftrittsmöglichkeiten, die es vor Corona gab, gibt es aktuell nicht mehr, und da ist es natürlich ganz schwierig, selbst wenn man so bekannt ist wie ich, da einen Fuß reinzukriegen. Du hast 2021 im Songvideo der Gruppe Fisherman's Fall, die für den SC Freiburg den Fansong „SC Freiburg vor!“ veröffentlichte, mitgespielt. Bist Du selbst Fan und besuchst hin und wieder ein Heimspiel? Meine Zeit und meine Arbeit am Wochenende erlauben es nicht, jedes Wochenende im Stadion zu sein, auch wenn ich sehr gerne würde. Wenn ich die Gelegenheit habe, dann gehe ich. Ich war schon viele Male privat, aber auch Betty hat sich schon ins Stadion verirrt, und es war immer ein wahnsinniger Spaß. Ich freue mich schon, wenn jetzt die Saison wieder losgeht. Wie wichtig ist es Dir, durch eine solche Aktion ein Zeichen für eine vielfältigere Fußballlandschaft zu setzen? Selbstverständlich ist das sehr wichtig. Allein, dass ich gefragt wurde, ist schon ein großes Zeichen, weil es ja immer wichtig ist, dass man auch mitgedacht wird. Wenn Vielfalt mitgedacht wird, dann sind wir eigentlich schon da, wo ich hin möchte. Deswegen war es natürlich auch eine große Ehre für mich, in dem Video mitzuspielen. Vor allem läuft es ja vor jedem Spiel im Stadion. Ich werde fast jede Woche drauf angesprochen. Das freut mich natürlich und macht mich auch stolz. Du bist ja (nicht falsch verstehen) auch irgendwie ein Mädel der Straße. Bei Deinen Stadtführungen bist Du auf Freiburgs Straßen unterwegs und zeigst die Stadt 8 FREIeBÜRGER 08/09 | 2023

natürlich von ihrer schönsten Seite. Wie siehst Du über die Jahre die Armuts- und Obdachlosensituation in Freiburg? Siehst Du heute mehr Armut? Mädchen der Straße ist keine falsche Bezeichnung, einen großen Teil meiner Arbeit verbringe ich auf der Straße, die ich natürlich mit vielen anderen teile. Und da gibt es viele schöne, aber auch viele schlechte Seiten. Natürlich ist die Armut größer geworden und das sehe ich auch, ob jetzt tagsüber auf meinen Führungen oder morgens um halb fünf, wenn ich nach Feierabend nach Hause gehe. Ich sehe das natürlich mit Sorge, weil die Inflation immer mehr wird und die Armut steigt. Orte der Kultur und des Nachtlebens müssen unterstützt und erhalten werden. Zu viele haben in Freiburg in den letzten Jahren den Betrieb einstellen müssen. Was müsste Deiner Meinung nach unternommen werden? Es muss mehr Raum für Kultur geschaffen werden. Man sieht es jetzt an der aktuellen Diskussion mit dem Seepark schon wieder. Die Problematik mit dem Lärm dort ist ja tatsächlich ein Phänomen der letzten Zeit. Ich hab da vor zehn Jahren noch nie was von gehört. Das liegt mitunter einfach daran, dass es keine Clubs und Diskotheken mehr gibt. Wenn ich 18-jährige Gäste habe und denen erzähle, wie es früher war, tanzen zu gehen... die können mit dem Begriff tanzen gehen ja schon nichts mehr anfangen. Die sind weit weg von der Clubkultur oder auch einfach von Nachtbeschäftigung. Die Stadt muss Räume schaffen, und zwar sehr dringend. Vor allem geht es da auch um Arbeitsplätze. Und wenn ich dann lese, dass über 70 % der deutschen Clubs und Diskotheken nach Corona nicht wieder geöffnet haben, die Besitzer hoch verschuldet sind aufgrund der mangelnden Unterstützung und Hilfen, finde ich, das ist ein riesiger Skandal, auch dass nicht darüber geredet wird. Für wie wichtig hältst Du Straßenzeitungen? Hast Du selbst schon mal den FREIeBÜRGER gekauft? Nicht nur einmal! Ich würde behaupten, ich kaufe regelmäßig. Ich finde solche Projekte sehr, sehr wichtig, weil das Menschen wieder eine Aufgabe geben kann und ein Start sein kann in ein neues Leben, einfach das Gefühl gibt, gebraucht zu werden und eine Aufgabe zu haben. Immer wieder hört man leider von Angriffen gegenüber Menschen, die „anders“ sind, sei es aufgrund ihres Aussehens, ihrer Herkunft, ihrer Sexualität, ihrer Religion oder ähnlichem. Erlebst Du hier in Freiburg auch Anfeindungen? Wie begegnest Du Ihnen? Es gab unzählige Angriffe auf mich, darunter zwei große, die auch medial Kreise gezogen und tatsächlich auch in der Stadt gute Diskussionen hervorgerufen haben, auch über die Verrohung der Gesellschaft. Die Zahl von Übergriffen gerade gegen queere und homosexuelle Personen hat sich im letzten Jahr fast verdoppelt. Wir haben Parteien, die wieder ganz offen gegen Randgruppen hetzen und Lügen verbreiten. Wir leben in einer ganz schwierigen Zeit und ich sehe das mit wirklich großer Sorge. Eine vernünftige, gesunde Gesellschaft muss auch für den Rand und für die Schwachen einer Gesellschaft oder auch für die Menschen, die anders sind, da sein. Überall, wo das nicht getan wird, sind wir in ganz düsteren Zeiten. Da muss man ganz klar Kante beziehen und solidarisch sein. Vor allem immer wieder darauf aufmerksam machen, dass eben nicht alles gut ist, auch wenn sich viel geändert hat. Gibt es etwas, das Du diesen intoleranten Menschen gerne sagen würdest? Das große Problem ist, dass man da nicht mehr diskutieren und auch nicht mehr überzeugen kann. Wenn irgendjemand Fakten leugnet und bewusst Unwahrheiten verbreitet, dann gibt es da keine Diskussion. Da kann man sich nur ganz klar davon abgrenzen und vor allem dagegenhalten. Ich glaube, die Zeit, wo es einen Dialog brauchte, ist lange vorbei. Wir müssen ganz klar Kante gegen rechts zeigen, durch die ganze Gesellschaft. Liebe Betty, danke für das tolle Interview. Wir wünschen Dir und uns allen eine bunte, vielfältige, tolerante Welt, in der keine und keiner zurückgelassen wird! Text: Oliver, Ekki & Conny | Fotos: Felix Groteloh FREIeBÜRGER 08/09 | 2023 9

Ein Original-Bollenhut wiegt um die zwei Kilo. Trägst Du<br />

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Ich trage eine leichte Variante. Eine Original-Bollenhutträgerin<br />

hat mal zu mir gesagt: „Noch nicht mal tanzen kann<br />

man mit dem Original.“ Da ich das ganze Wochenende<br />

quasi am Tanzen bin, wäre das ja fürchterlich! Deswegen<br />

bin ich froh, dass ich meine leichte Variante habe. Mein<br />

erster Bollenhut war in Stuttgart im Landesmuseum über<br />

zwei Jahre in der Ausstellung „Hüte im Ländle“ ausgestellt.<br />

Hat mich sehr stolz gemacht. Vor allem war während der<br />

Zeit im Landesmuseum mein Bollenhut ja deutsches Kulturgut.<br />

Das hat auch nicht jeder, deutsches Kulturgut auf<br />

den Kopf.<br />

Du bist so vielseitig, und einen Party-Hit hattest Du auch<br />

schon mit „Zick Zack Zwiebel“, Deinem Partyschlager-Debut.<br />

Wird es weitere Songs oder sogar ein Album geben?<br />

Es gab danach noch einen weiteren Song, aber das fiel alles<br />

auf Ende 2019 und dann kam das große C. Alle Auftritte, die<br />

da geplant, gebucht und angefragt waren, sind komplett<br />

ins Wasser gefallen. Es ist aktuell auch noch nichts geplant,<br />

aber ich bin offen dafür. Mir hat das wahnsinnig viel Spaß<br />

gemacht. Aber man braucht sich auch nichts vormachen,<br />

viele der Auftrittsmöglichkeiten, die es vor Corona gab, gibt<br />

es aktuell nicht mehr, und da ist es natürlich ganz schwierig,<br />

selbst wenn man so bekannt ist wie ich, da einen Fuß<br />

reinzukriegen.<br />

Du hast 2021 im Songvideo der Gruppe Fisherman's Fall,<br />

die für den SC Freiburg den Fansong „SC Freiburg vor!“<br />

veröffentlichte, mitgespielt. Bist Du selbst Fan und besuchst<br />

hin und wieder ein Heimspiel?<br />

Meine Zeit und meine Arbeit am Wochenende erlauben es<br />

nicht, jedes Wochenende im Stadion zu sein, auch wenn<br />

ich sehr gerne würde. Wenn ich die Gelegenheit habe, dann<br />

gehe ich. Ich war schon viele Male privat, aber auch Betty<br />

hat sich schon ins Stadion verirrt, und es war immer ein<br />

wahnsinniger Spaß. Ich freue mich schon, wenn jetzt die<br />

Saison wieder losgeht.<br />

Wie wichtig ist es Dir, durch eine solche Aktion ein Zeichen<br />

für eine vielfältigere Fußballlandschaft zu setzen?<br />

Selbstverständlich ist das sehr wichtig. Allein, dass ich gefragt<br />

wurde, ist schon ein großes Zeichen, weil es ja immer<br />

wichtig ist, dass man auch mitgedacht wird. Wenn Vielfalt<br />

mitgedacht wird, dann sind wir eigentlich schon da, wo ich<br />

hin möchte. Deswegen war es natürlich auch eine große<br />

Ehre für mich, in dem Video mitzuspielen. Vor allem läuft<br />

es ja vor jedem Spiel im Stadion. Ich werde fast jede Woche<br />

drauf angesprochen. Das freut mich natürlich und macht<br />

mich auch stolz.<br />

Du bist ja (nicht falsch verstehen) auch irgendwie ein<br />

Mädel der Straße. Bei Deinen Stadtführungen bist Du<br />

auf Freiburgs Straßen unterwegs und zeigst die Stadt<br />

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