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frei.e.buerger38617
von frei.e.buerger38617 Mehr von diesem Publisher
07.02.2024 Aufrufe

Foto: Holger Uwe Schmitt / wikimedia Abb.: Die Gesindeküche im Burgmuseum Meersburg 900 JAHRE ARMUT IN FREIBURG Armenwesen und Pflege in Freiburg (Teil 30) In der letzten Ausgabe berichtete ich davon, wie sich die Französische Revolution auf Freiburg und den Breisgau auswirkte und wie die Stadt mit dem großen Strom von Flüchtlingen umging. Außerdem begann ich darüber zu schreiben, wie das Heiliggeistspital durch die vielen Kriege und Besatzungszeiten kam. An der Stelle will ich heute weitermachen. DAS HEILIGGEISTSPITAL FREIBURG IM 17. UND 18. JAHRHUNDERT Egal wie es in Freiburg und dem Breisgau wirtschaftlich aussah, dem Heiliggeistspital gelang es eigentlich immer, seine BewohnerInnen ausreichend mit Nahrungsmitteln zu versorgen. Auch wenn der Spitalhof in mehreren Kriegen zerstört und geplündert wurde, so besaß das Spital noch genügend andere Bauernhöfe, deren Erträge die SpitalbewohnerInnen gut versorgen konnten. Im „Brod, Wein und Kuchelregister“ von 1776 wurde der gesamte Lebensmittelverbrauch des Spitals penibel aufgeführt. Jedes ausgeschenkte Quartal (entspricht einem Viertele) Wein, jedes ausgegebene halbe Brot u. v. a. wurde genau festgehalten. Das zeugt nicht nur vom schon damals existierenden deutschen Bürokratismus, sondern vor allem von der straffen Organisation im Heiliggeistspital. Inzwischen hatten sich im Spital fünf Verpflegungsklassen etabliert. Das waren die Herrenklasse, die bessere und die geringere Klasse der Mittelpfründner, die Armenpfründner und die der unverpfründeten Personen. Die Unterschiede lagen in der Menge und in der Qualität der Lebensmittel. Mittlerweile waren auch mehrere Köchinnen im Spital angestellt. Eine „Herrenköchin“ für die ersten beiden Klassen, eine „Mittel- und Armenpfründnerköchin“ sowie eine „Gesindeköchin“, welche für die unverpfründeten Insassen und für das Personal kochte. Der Speiseplan war in Fleisch- und in Fastentage unterteilt. Für die Herrenklasse gab es zum Mittag drei Fleischgänge mit verschiedenen Beilagen dazu, abends 12 FREIeBÜRGER 08/09 | 2023

waren es noch mal zwei Fleischspeisen, dazu Brot, Wurst, Käse und anderes. An Fastentagen war die Menge etwa dieselbe, nur dass es statt Fleisch und Wurst Fisch in allen Variationen gab. Bei den Mittelpfründnern sah es ähnlich aus, nur dass sie einen Fleischtag weniger hatten, als die Herren. Auch bei der Qualität gab es einige Abstriche. Bei den Armenpfründnern gab es fast das gleiche wie bei den „geringeren Mittelpfründnern“, nur dass es mengenmäßig weniger war und auch der Fleischanteil nochmals gekürzt wurde. Die unverpfründeten Menschen im Spital bekamen das zu essen, was bei den anderen übrig war. Hervorheben muss man allerdings kirchliche Feiertage, denn an solchen gab es für alle SpitalbewohnerInnen festliches Essen. Auch die unteren Klassen bekamen an solchen Tagen reichlich Fleisch und es wurde sogar Wein an sie ausgeschenkt. Deshalb freuten sich die armen SpitalinsassInnen besonders auf Tage wie Weihnachten, Ostern, Pfingsten, Himmelfahrt und Fronleichnam. DIE WIRTSCHAFTLICHE LAGE DES SPITALS IM 18. JAHRHUNDERT Die beiden untersten Klassen im Sozialgefüge des Spitals waren meistens zur Arbeit verpflichtet und bekamen deshalb morgens noch eine Suppe zur Grundversorgung. In der Regel war diese Suppe ein Gemisch aus Rindermäulern, Schwarz- und Weißbrot und etwas Butter, das dann irgendwie zusammengebraut wurde. Heute wäre es wohl unvorstellbar, nach einer solchen „Stärkung“ arbeiten zu gehen. Die Arbeit der Pfründner umfasste alle Tätigkeiten, die im Spital anfielen und wurde den SpitalbewohnerInnen täglich zugewiesen. In den alten Rechnungsbüchern sind sämtliche Arbeiten aufgeführt, die von Pfründnern innerhalb und außerhalb des Spitals ausgeführt wurden. Zwar geht aus den Eintragungen nicht hervor, welche Pfründner die Tätigkeiten ausgeführt haben, man kann aber mit Sicherheit annehmen, dass es sich hier um die „niederklassigeren“ InsassInnen handelte. Zu den Tätigkeiten gehörte das Hauen „von Mayen auf Corporis Christi“, die Nachtwache „zur Observierung des Feuers“, das Putzen von geernteten Früchten, Feldarbeit auf den Spitalhöfen, das Hacken von Fleisch bei der Herstellung von Wurstwaren, Botengänge übers Land, das Abladen von Früchten und Korn, das Waschen der Anstaltswäsche und vieles andere mehr. Als Lohn bekamen die ArbeiterInnen am Abend neben der „ordinari Kost“ zusätzlich Weißbrot und Wein. Dass auch Mittelpfründner zu Arbeiten herangezogen wurden, belegt ein Antrag eines Mittelpfründners namens Mathias Disch, der darum bittet, vom Krankenpflegedienst befreit zu werden. Rein finanziell gesehen war der Zustand des Heiliggeistspitals in dieser Zeit eher schlecht. Zwar besaß das Spital viel Land, konnte sich mit Lebensmitteln selbst versorgen, doch Barvermögen hatte das Spital kaum. Abb.: Innenausstattung der Heiliggeist-Spitalkirche, heute in St. Agatha, Horben Es waren dieselben Probleme wie in den Jahrhunderten zuvor, es gab zu wenige Bargeldeinkünfte, um die ausstehenden Rechnungen pünktlich zu begleichen und auf der anderen Seite hatte das Spital sehr große Außenstände, die aber nur selten bezahlt wurden, weil die Schuldner meist völlig verarmt waren. Die größten Einnahmequellen des Spitals waren der Verkauf von Wein und Getreide, auch der Verkauf von Vieh, Häuten oder Wolle konnte ansehnliche Summen einbringen. Doch man konnte im Spital nie fest mit den Einnahmen planen, denn die meisten waren vom Wetter abhängig. Auch Krieg oder Seuchen konnten die Ernte und damit die Einnahmen beeinflussen. Dafür waren die Eintrittskosten ins Spital, also die Summe, die ein Pfründner bei der Aufnahme zahlen musste, zu einem größeren Posten bei den Einnahmen geworden. Doch auch das waren keine festen Beträge, denn die Zahl der Eintritte pro Jahr waren nicht konstant und auch die einzelnen Preise waren unterschiedlich. Da aber die Nachfrage stieg, hob das natürlich auch den Preis für die Beherbergung in die Höhe. Das kann man vor allem bei den Herrenpfründnern sehen. Während diese in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts circa 1.000 Gulden Foto: Andreas Schwarzkopf / wikimedia / CC BY-SA 3.0 FREIeBÜRGER 08/09 | 2023 13

Foto: Holger Uwe Schmitt / wikimedia<br />

Abb.: Die Gesindeküche im Burgmuseum Meersburg<br />

900 JAHRE ARMUT IN FREIBURG<br />

Armenwesen und Pflege in Freiburg (Teil 30)<br />

In der letzten <strong>Ausgabe</strong> berichtete ich davon, wie sich die<br />

Französische Revolution auf Freiburg und den Breisgau<br />

auswirkte und wie die Stadt mit dem großen Strom von<br />

Flüchtlingen umging. Außerdem begann ich darüber<br />

zu schreiben, wie das Heiliggeistspital durch die vielen<br />

Kriege und Besatzungszeiten kam. An der Stelle will ich<br />

heute weitermachen.<br />

DAS HEILIGGEISTSPITAL FREIBURG IM 17. UND<br />

18. JAHRHUNDERT<br />

Egal wie es in Freiburg und dem Breisgau wirtschaftlich<br />

aussah, dem Heiliggeistspital gelang es eigentlich immer,<br />

seine BewohnerInnen ausreichend mit Nahrungsmitteln<br />

zu versorgen. Auch wenn der Spitalhof in mehreren Kriegen<br />

zerstört und geplündert wurde, so besaß das Spital<br />

noch genügend andere Bauernhöfe, deren Erträge die<br />

SpitalbewohnerInnen gut versorgen konnten. Im „Brod,<br />

Wein und Kuchelregister“ von 1776 wurde der gesamte<br />

Lebensmittelverbrauch des Spitals penibel aufgeführt.<br />

Jedes ausgeschenkte Quartal (entspricht einem Viertele)<br />

Wein, jedes ausgegebene halbe Brot u. v. a. wurde genau<br />

festgehalten. Das zeugt nicht nur vom schon damals existierenden<br />

deutschen Bürokratismus, sondern vor allem<br />

von der straffen Organisation im Heiliggeistspital. Inzwischen<br />

hatten sich im Spital fünf Verpflegungsklassen etabliert.<br />

Das waren die Herrenklasse, die bessere und die geringere<br />

Klasse der Mittelpfründner, die Armenpfründner<br />

und die der unverpfründeten Personen. Die Unterschiede<br />

lagen in der Menge und in der Qualität der Lebensmittel.<br />

Mittlerweile waren auch mehrere Köchinnen im Spital<br />

angestellt. Eine „Herrenköchin“ für die ersten beiden Klassen,<br />

eine „Mittel- und Armenpfründnerköchin“ sowie eine<br />

„Gesindeköchin“, welche für die unverpfründeten Insassen<br />

und für das Personal kochte.<br />

Der Speiseplan war in Fleisch- und in Fastentage unterteilt.<br />

Für die Herrenklasse gab es zum Mittag drei<br />

Fleischgänge mit verschiedenen Beilagen dazu, abends<br />

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