Juni_Ausgabe
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26. Jahrgang<br />
<strong>Juni</strong> 2023<br />
2,10 €, davon 1,- €<br />
für die VerkäuferInnen<br />
UNABHÄNGIGE STRASSENZEITUNG FÜR FREIBURG UND DAS UMLAND<br />
ZUR UNTERSTÜTZUNG VON MENSCHEN IN SOZIALEN NOTLAGEN<br />
PräRIE<br />
Initiative zur Sucht- und Gewaltprävention der Freiburger<br />
Suchtberatungsstellen und der Stadt Freiburg<br />
THEATER ZUM KLIMAWANDEL<br />
Nichts als das authentische Wort<br />
IM GESPRÄCH MIT...<br />
Freiburgs Erstem Bürgermeister Ulrich von Kirchbach
INHALT<br />
3<br />
VORWORT<br />
23<br />
MITMACHSEITE<br />
4<br />
RECHT AUF STADT<br />
24<br />
BUCHBESPRECHUNG<br />
6<br />
EINE PräRIE IN FREIBURG<br />
25<br />
KOCHEN<br />
8<br />
IM GESPRÄCH MIT...<br />
26<br />
SPORT<br />
10<br />
900 JAHRE ARMUT IN FREIBURG<br />
28<br />
KRIMI 36. FOLGE<br />
14<br />
HAPPY BIRTHDAY<br />
30<br />
RÄTSEL<br />
18<br />
THEATER ZUM KLIMAWANDEL<br />
31<br />
ÜBER UNS<br />
20<br />
SECHS TAGE AM MEER<br />
22<br />
VERKÄUFER JONATHAN<br />
OHNE IHRE UNTERSTÜTZUNG<br />
GEHT ES NICHT<br />
Liebe LeserInnen,<br />
um weiterhin eine<br />
interessante Straßenzeitung<br />
produzieren und Menschen<br />
durch ihren Verkauf einen<br />
Zuverdienst ermöglichen<br />
zu können, benötigen<br />
wir Ihre Hilfe.<br />
Vielen Dank!<br />
Spendenkonto:<br />
DER FREIeBÜRGER e. V.<br />
IBAN: DE80 6809 0000 0002 4773 27<br />
BIC: GENODE61FR1<br />
Denken Sie bitte daran, bei einer Überweisung Ihren Namen<br />
und Ihre Anschrift für eine Spendenbescheinigung anzugeben.<br />
2<br />
FREIeBÜRGER 06 | 2023
Liebe LeserInnen,<br />
es ist Pfingsten, der Sommer ist (fast) da und hoffentlich<br />
bleibt es jetzt für eine Weile so! Nach den vielen Regentagen<br />
im Mai wurde es ja auch Zeit, bevor wir noch alle in<br />
Schlechtwetter-Depressionen versinken.<br />
Wie Sie unschwer am Titelbild dieser <strong>Ausgabe</strong> erkennen<br />
können, ist er nun endlich da: unser großer Tag! 25 Jahre<br />
FREIeBÜRGER, wer hätte das wohl jemals gedacht?! Zwar<br />
mussten wir uns in dieser Zeit personell ein paar mal<br />
neu aufstellen, doch unsere Motivation hat sich seit den<br />
ersten Tagen nicht geändert. Wir wollten und wollen<br />
der Armut, den armen Menschen und allen anderen, die<br />
sonst nicht angehört werden, eine Stimme verleihen.<br />
Natürlich hat das in den zweieinhalb Jahrzehnten nicht<br />
immer allen gefallen, aber das sollte es ja auch gar nicht.<br />
Wenn wir nur über ein schönes und sorgenfreies Leben in<br />
einer supertollen Stadt schreiben wollten, könnten wir ja<br />
ein Stadtjournal aufmachen, doch davon gibt es ja schon<br />
genug. Uns war klar, dass wir bei dem einen oder anderen<br />
anecken müssen, um vielleicht etwas anzuregen oder<br />
gar zu bewegen. Und deshalb machen wir das auch und<br />
wie uns viele LeserInnen im Laufe der Jahre bestätigten,<br />
kommt das auch gut an!<br />
Selbstverständlich wird auch in anderen Medien hin und<br />
wieder über Armut und die damit verbundenen Probleme<br />
berichtet. Doch manchmal kommt es mir dort so vor,<br />
als würden sie nur darüber berichten, weil sie es lange<br />
nicht mehr getan haben. Wir schreiben darüber, weil wir<br />
dabei helfen wollen, irgendwann mal was zu ändern.<br />
Natürlich sind wir keine Träumer, die der Utopie nachhängen,<br />
dass es in absehbarer Zeit kein Arm und Reich<br />
mehr geben wird oder dass durch unsere Zeitung die<br />
Obdachlosigkeit plötzlich verschwindet. Aber wir wollen<br />
helfen, Armut wenigstens zu lindern, Menschen einen<br />
Weg aus der Obdachlosigkeit zu zeigen und ihnen durch<br />
den Zeitungsverkauf den ersten Schritt in ein geregeltes<br />
Leben zu ermöglichen. Das klappt zwar nicht immer, aber<br />
hier zählt eben wirklich jeder einzelne Mensch! Da ein Teil<br />
unserer Mitarbeiter selbst einmal obdachlos war und von<br />
Leistungen vom Sozial- oder Arbeitsamt leben musste,<br />
können wir bei der Berichterstattung oftmals auf persönliche<br />
Erfahrungen zurückgreifen. Das ist vor allem dann<br />
von Vorteil, wenn es um die Bedürfnisse der Betroffenen<br />
geht. Denn hier glauben staatliche Institutionen, Kommunen<br />
und Ämter immer, ganz genau zu wissen, was der<br />
einzelne braucht bzw. was ihm gut tut. Die Realität sieht<br />
allerdings meist anders aus. Über diese „Fehler“ oder<br />
„Irrtümer“ berichten wir dann, um anderen eine Wiederholung<br />
zu ersparen.<br />
Als Erstes geht ein ganz großes Dankeschön an Sie, liebe<br />
Leserinnen und Leser. Denn nur dadurch, dass Sie Monat<br />
für Monat den FREIeBÜRGER kaufen, können wir existieren.<br />
Dass die Zeitung bei Ihnen gut ankommt, wird<br />
jede(r) unserer Verkäufer oder Verkäuferinnen schon oft<br />
von Ihnen gehört haben. Ich auf jeden Fall! Und das zeigt<br />
auch, dass Sie die Zeitung nicht nur aus Mitleid kaufen,<br />
sondern echtes Interesse daran haben. Das sagt mir dann<br />
auch jedes Mal, dass wir wohl doch nicht allzu viel falsch<br />
gemacht haben. Wir würden uns sehr freuen, wenn Sie<br />
uns weiter treu bleiben!<br />
Das zweite dicke Dankeschön geht natürlich an unsere<br />
Verkäuferinnen und Verkäufer! Ihr steht bei (fast) jedem<br />
Wetter auf der Straße und bringt den FREIeBÜRGER an<br />
den Mann oder die Frau. Wenn Ihr nicht wärt, wäre das<br />
ganze Projekt wohl ziemlich sinnlos. Also macht weiter so<br />
und: Danke!<br />
Das dritte Danke, das mir einfällt, muss unbedingt an die<br />
Freiburger Druck GmbH & Co. KG gehen, die seit 25 Jahren<br />
den FREIeBÜRGER drucken und das zu einem sehr fairen<br />
Preis. Und obwohl wir inzwischen professioneller geworden<br />
sind und am Monatsende nicht mehr stundenlang in<br />
der Druckerei hocken müssen, um die Zeitung druckfertig<br />
zu machen, denke ich noch oft an diese Zeiten zurück.<br />
Also, Euch vielen Dank für die Hilfe in den ersten Jahren!<br />
Wir danken auch all den hier ungenannten Menschen<br />
oder Einrichtungen, die uns im Laufe der Jahre geholfen<br />
haben! Danke – und stoßt auf uns an!<br />
Carsten<br />
In eigener Sache<br />
25 Jahre sind für uns aber auch ein Grund, zurückzublicken<br />
und Danke zu sagen. Denn so wirklich ganz allein<br />
haben wir den Karren ja nun auch nicht gezogen.<br />
FREIeBÜRGER 06 | 2023 3
FREIBURG – STADT FÜR ALLE?!<br />
NACHHALTIGE TÄUSCHUNG IM METZGERGRÜN<br />
Das Metzgergrün hat ein Nachhaltigkeitszertifikat in<br />
Platin erhalten. Ja, die Arbeitersiedlung im Freiburger<br />
Stadtteil Stühlinger ist ja wirklich sehr grün, hat tolle<br />
Gärten, vielleicht gibt's ja noch ein paar auf den ersten<br />
Blick nicht sichtbare Solaranlagen, also wieso sollte das<br />
nicht nachhaltig sein? Nein, ausgezeichnet wurde nicht<br />
das alte Metzgergrün, sondern die Quartiersentwicklung,<br />
also der Abriss und der begonnene Neubau. Auch<br />
das bestehende Metzgergrün ist wohl nicht besonders<br />
nachhaltig. Die Bausubstanz ist nicht so marode wie<br />
es oft dargestellt wird, hochwertig aber auch nicht. Die<br />
Energiebilanz der Häuser dürfte schlecht sein. Aber hat<br />
das Abriss- und Neubauprojekt ein Nachhaltigkeitszertifikat<br />
verdient? Nein, hat es nicht. Die Auszeichnung und<br />
die damit verbundene Kommunikation von Stadt und<br />
Stadtbau sind eine einzige Täuschung, in ökologischer,<br />
insbesondere aber auch sozialer Hinsicht. Man sollte<br />
meinen, dass man in der Wohnbaubranche heutzutage<br />
die sogenannte graue Energie berücksichtigt, wenn man<br />
von Nachhaltigkeit spricht. Die Deutsche Gesellschaft<br />
für Nachhaltiges Bauen tat genau das bei der Zertifizierung<br />
des Metzgergrüns aber nicht. Der CO₂-Ausstoß, den<br />
der Abriss der bestehenden Häuser verursacht, und die<br />
CO₂-Bilanz, die der Neubau erzeugt, wurden einfach ignoriert.<br />
Bemerkenswert angesichts dessen, dass allein die<br />
Herstellung von Zement Studien zufolge etwa 8 % der globalen<br />
Treibhausgasemissionen ausmacht. Werner Sobek<br />
von der Uni Stuttgart erklärt z. B., dass die Herstellung<br />
eines Kubikmeters Stahlbeton plus des darin befindlichen<br />
Stahls im Durchschnitt 320 bis 340 Kilogramm CO₂-Bilanz<br />
ausstoße. „Das bedeutet, Sie emittieren bei der Herstellung<br />
von einem Kubikmeter Stahlbeton so viel CO₂-Bilanz<br />
wie 4.000 Bäume einen Tag lang umsetzen können: Das<br />
heißt, einatmen und in eine Baum- und Blattstruktur<br />
umsetzen können.“ Insbesondere bei Betonbauten dürfte<br />
der Abriss eines bestehenden Gebäudes trotz dessen<br />
schlechterer Energiebilanz beim Heizen fast nie die ökologischere<br />
Variante sein. Die Stadtbau plant nur 91 der<br />
550 Wohnungen im Metzgergrün, zu dem dann auch der<br />
vorher unbebaute Caravanplatz gehört, in Holzbauweise<br />
zu errichten. Jetzt könnten einige sagen: Ja, aber die Häuser<br />
sind in so einem schlechten Zustand, dass man sie nur<br />
noch abreißen kann. – Aber stimmt das überhaupt? Nein,<br />
zumindest wurde es nie geprüft. Geprüft wurde in der<br />
RECHT-AUF-STADT-NEWSLETTER<br />
Wer Infos will, einfach E-Mail an:<br />
info@rechtaufstadt-freiburg.de<br />
Homepage: www.rechtaufstadt-freiburg.de<br />
Termine und Links<br />
28.06. | 19 Uhr: Metzgergrün<br />
Ein Kurzdokumentarfilm mit Diskussion | E-Werk<br />
Vergangenheit lediglich, ob eine Aufstockung möglich ist.<br />
Es gibt durchaus Architekten, die sagen: Die Bausubstanz<br />
lässt sich sanieren und erhalten. In sozialer Hinsicht werden<br />
im Metzgergrün teilweise richtiggehend Fake News<br />
verbreitet. So geschehen z. B. auf der Pressekonferenz zur<br />
Verleihung des Nachhaltigkeitszertifikats. Dort sprach<br />
Oberbürgermeister Martin Horn davon, dass 75 % sozial<br />
geförderte Wohnungen entstehen sollen. Eine Nachfrage<br />
von Radio Dreyeckland bei der Stadtbau im Nachgang, ob<br />
sich denn die Pläne geändert hätten, die FSB sich also, in<br />
einer Stadt, in der es hauptsächlich an Sozialwohnungen<br />
mangelt, endlich auf solche konzentriert, ergab: Nein,<br />
die Zahlen, die Martin Horn nannte und die auch in einer<br />
Pressemitteilung der FSB verbreitet wurden, waren falsch.<br />
Weiterhin wird nur mit 50 % sozial geförderten Wohnungen,<br />
25 % Prozent „freifinanzierten“ Wohnungen, die<br />
durch den Mieterhöhungsspiegel für viele unbezahlbar<br />
sein dürften, und 25 % Eigentumswohnungen geplant.<br />
Die Badische Zeitung hatte die falschen Zahlen aber schon<br />
übernommen und sorgte so wieder einmal für einen sozialen<br />
Anstrich des Projektes. Und sozial ist dieses Projekt<br />
nun wirklich nicht. Es sollen insgesamt gerade einmal 275<br />
öffentlich geförderte Wohnungen gebaut werden. Aktuell<br />
gibt es aber 250 Wohnungen, deren Mieten teilweise noch<br />
weit unter dem Preisniveau des sozialen Wohnungsbaus<br />
liegen. Bezogen auf das alte Metzgergrün fallen sogar<br />
100 bezahlbare Wohnungen weg. Trotz Neubau auf dem<br />
Caravanplatz gibt es insgesamt gerade einmal ein Plus<br />
von 25 halbwegs bezahlbaren Wohnungen. Unter dem<br />
Strich werden für ein Projekt, das mehr Wohnraum für<br />
Besserverdienende schafft, viel Geld aufgewendet, Bäume<br />
gefällt, Gärten zerstört, Menschen verdrängt und viel<br />
CO₂ in die Luft geblasen. Eure Nachhaltigkeit stinkt zum<br />
Himmel!<br />
4<br />
FREIeBÜRGER 06 | 2023
STADT-FÜR-ALLE-NACHRICHTEN (RÜCKBLICK VOM 15. APRIL BIS 15. MAI)<br />
[FR] STAATSANWALTSCHAFT IM VERFOLGUNGSWAHN<br />
GEGEN RDL<br />
Im Januar kam es zu einer Hausdurchsuchung bei Radio<br />
Dreyeckland (RDL) sowie bei zwei Mitarbeitern. Das Landgericht<br />
Karlsruhe entschied, die Anklage gegen einen Redakteur<br />
nicht zuzulassen. Ihm war von der Staatsanwaltschaft<br />
vorgeworfen worden, durch eine kurze Meldung<br />
über die Einstellung eines Ermittlungsverfahrens im<br />
Zusammenhang mit dem Verbot der Internetplattform<br />
linksunten.indymedia gegen das Vereinigungsverbot<br />
verstoßen zu haben. Das Landgericht entschied, dass die<br />
Verlinkung Teil der journalistischen Aufgaben und daher<br />
keine strafbare Unterstützung einer verbotenen Vereinigung<br />
sei. RDL-Anwältin Angela Furmaniak erklärte: „Kritik<br />
an staatlichem Handeln ist die grundlegende Aufgabe<br />
der Presse und darf nicht durch eine politisch motivierte<br />
Strafverfolgung ausgehebelt werden.“ Die politisch motivierte<br />
Strafverfolgung geht aber weiter. Die Staatsanwaltschaft<br />
legte gegen den Gerichtsbeschluss Beschwerde ein.<br />
Nun muss das Oberlandesgericht die Beschwerde prüfen.<br />
RDL forderte, als Konsequenz aus dem Fall, die Staatsschutzabteilung<br />
der Karlsruher Staatsanwaltschaft aufzulösen,<br />
da sie eine Gefahr für die Grundrechte darstelle.<br />
[FR] AUTOFREIE REMPARTSTRASSE!<br />
Im Mai haben verschiedene klimapolitische Gruppen mit<br />
einer Aktionswoche für eine autofreie Rempartstraße<br />
protestiert. Die Stadtverwaltung hatte für die Straße, die<br />
zwischen mehreren Unigebäuden und der viel frequentierten<br />
Mensa verläuft, die einjährige Einbahnstraßenregelung<br />
für Kfz wieder aufgehoben. Zahlen vom Fuß- und<br />
Radentscheid und des Verkehrsclubs Deutschland zeigen,<br />
dass die Aufhebung der Einbahnstraße zu deutlich mehr<br />
Kfz-Verkehr in der Belfortstraße und damit auf der gesamten<br />
Ost-West-Achse geführt hat. Zudem sei der relative<br />
Anteil der Radfahrenden gesunken. Seit ca. Ende 2022<br />
war der Kfz-Verkehr demnach die dominierende Verkehrsart<br />
in der Rempartstraße und das, obwohl sie eine<br />
Fahrradstraße ist. Neben der Sperrung für den Kfz-Durchgangsverkehr<br />
wird auch die Entfernung der ebenerdigen<br />
Parkplätze in der östlichen Rempartstraße gefordert, um<br />
den Parkverkehr zu minimieren.<br />
[FR] VERSAMMLUNGSFREIHEIT VERTEIDIGEN<br />
Am Freiburger Amtsgericht war im Mai eine Person aus<br />
dem sogenannten Querdenken-Milieu angeklagt. Ihr<br />
wurde vorgeworfen, als Versammlungsleiterin agiert und<br />
dabei Auflagen der Stadt Freiburg – wie etwa die Pflicht<br />
zum Tragen einer medizinischen Maske und zur Einhaltung<br />
eines ausreichenden Abstandes zu anderen Personen<br />
– nicht befolgt zu haben. Selbst wenn diese Person zu<br />
einem irrationalen Spektrum gehört, das Politik zulasten<br />
von vulnerablen (verletzlichen) Gruppen macht, muss aus<br />
linker Sicht doch klar gesagt werden, dass ein Verfahren<br />
wegen eines angeblichen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz<br />
wegen solcher geringer Auflagenverstöße<br />
politisch zurückzuweisen ist. Die Versammlungsfreiheit<br />
ist ein hohes Gut und sollte auch für irrationale, verschwörungsgläubige<br />
Deppen gelten.<br />
[FR] KITAGEBÜHREN STEIGEN<br />
Mit dem Doppelhaushalt hat der Freiburger Gemeinderat<br />
auch die massive Erhöhung der Kitagebühren verabschiedet.<br />
Bezogen auf die aktuellen Gebühren würden<br />
die Beiträge im Jahr 2025 – je nach finanzieller Situation<br />
der Familie – zwischen 13 und 28 % ansteigen. 5 Millionen<br />
Euro mehr von den Eltern sollen in den städtischen Haushalt<br />
fließen. Auf die von der Fraktion Eine Stadt Für Alle<br />
geforderte Erhöhung der Gewerbesteuer verzichtete der<br />
Gemeinderat hingegen.<br />
[FR] MUSIKBOXEN VERBOTEN<br />
Das Bürgervereinsmilieu hat sich mal wieder durchgesetzt<br />
und dafür gesorgt, dass der Gemeinderat eine Parkanlagensatzung<br />
verabschiedet hat, die Musikboxen und<br />
Instrumente zwischen 23 und 6 Uhr verbietet. Die Regelung<br />
gilt im Seepark, im Stadtgarten, dem Colombipark,<br />
dem Dietenbachpark, der Grünanlage Moosweiher und<br />
dem Park am Sandfangweg. Die Gegenstimmen kamen<br />
von der Eine-Stadt-Für-Alle-Fraktion und JUPI. Sie kritisieren,<br />
dass Jugendliche nicht angehört wurden, das Verbot<br />
zu pauschal sei und es nicht an allen Stellen notwendig<br />
gewesen wäre. Das Gejammer, dass das Verbot nicht zu<br />
kontrollieren sei, dürfte der Versuch sein, erneut für eine<br />
Aufstockung des kommunalen Vollzugsdienst zu werben.<br />
[FR] DROGENKONSUMRAUM<br />
Einstimmig hat der Freiburger Gemeinderat die Einrichtung<br />
eines Drogenkonsumraums in den Räumlichkeiten<br />
des Kontaktladens in der Rosastraße beschlossen. Man<br />
erwarte dadurch eine stark verbesserte Gesundheitsvorsorge<br />
für die NutzerInnen durch die Möglichkeit des<br />
Konsums unter hygienischen Bedingungen und medizinischer<br />
Überwachung. Der Drogenkonsumraum soll im<br />
Januar 2024 eröffnet werden.<br />
[FR] KRITIK AN ABRISS AM BREISACHER HOF<br />
Der Gestaltungsbeirat hat den geplanten Abriss der Elsässer<br />
Straße 2i und 2k am Breisacher Hof im Stadtteil Mooswald<br />
nahe der Uniklinik durch die Stadtbautochter FSI<br />
kritisiert. Der Bestand sollte noch einmal kritisch geprüft<br />
werden vor dem Hintergrund, aus klimatischen Gründen<br />
bestehende Gebäude nicht zu leichtfertig abzureißen.<br />
Zudem wurde kritisiert, dass der geplante Bau nicht zum<br />
historischen Ensemble der ehemaligen Kasernenanlage<br />
passe. Wir hatten bereits kritisiert, dass wieder einmal<br />
auch Eigentumswohnungen entstehen sollen und dringend<br />
benötigte große Wohnungen wegfallen sollen.<br />
FREIeBÜRGER 06 | 2023 5
EINE PräRIE IN FREIBURG<br />
Alkoholprävention in der Innenstadt<br />
Es war an einem Samstagabend in der Innenstadt. Beim<br />
Einsteigen in die Straßenbahn fielen mir zwei junge Frauen<br />
auf, die eine auffällige blaue Weste mit der Aufschrift<br />
„PräRIE“ trugen.<br />
Da in der Bahn nicht sehr viel los war, fand ich bald<br />
Gelegenheit, mich mit einer der Frauen zu unterhalten.<br />
In dem Gespräch erfuhr ich zum ersten Mal von PräRIE<br />
und von deren Arbeit im Bereich der Alkoholprävention in<br />
Freiburg (PräRIE ist eine Initiative zur Sucht- und Gewaltprävention<br />
der Freiburger Suchtberatungsstellen und<br />
der Stadt Freiburg). Ich konnte auch sehen, wie sie sich<br />
mit ein paar Jugendlichen völlig friedlich und ganz ohne<br />
Stress unterhielten, bis diese ausstiegen. Es ging um den<br />
Alkoholkonsum und das Trinkverhalten der Jugendlichen,<br />
sagte mir die junge Frau später. Ich war ziemlich beeindruckt<br />
und hatte auch gleich eine Menge Fragen.<br />
Als Erstes wollte ich natürlich wissen: Was bedeutet<br />
PräRIE eigentlich und was machen junge Menschen mit<br />
blauen Westen nachts in der Bahn? Die Mitarbeiterin gab<br />
mir geduldig Auskunft, sprach über ihre Arbeit, ihre Motivation<br />
und erzählte von vielen interessanten Gesprächen,<br />
die sie während ihrer Tätigkeit führen konnte. Zum<br />
Schluss gab sie mir noch etwas Infomaterial und die Telefonnummer<br />
der Freiburger Alkohol- und Suchtbeauftragten<br />
Nora Elfgang mit.<br />
Ein paar Wochen später saß ich dann auch schon bei Nora<br />
Elfgang im Büro und erfuhr, was es genau mit PräRIE auf<br />
sich hat. Nora war als eine der ersten bei PräRIE dabei<br />
und engagiert sich sehr in der Gruppe. Die anfangs ehrenamtliche<br />
Berufung ist bei ihr inzwischen zum Beruf<br />
geworden. Aber mal zum Anfang. Anlass für das Entstehen<br />
des Projekts ist paradoxerweise das Alkoholverbot in<br />
der Innenstadt im Jahr 2007. Denn damit hat die Stadt ja<br />
in keinster Weise den Alkoholkonsum der Jugendlichen<br />
verringert oder gar ganz verhindert, die jungen Leute<br />
tranken nun halt, bevor sie in die Stadt fuhren und das<br />
meist in großen Mengen. Dadurch entstanden oft Aggressionen,<br />
Streit kam schneller auf und jedes Wochenende<br />
gab es unzählige Schlägereien in der Innenstadt. Nun<br />
wurden Wege gesucht, wieder Ruhe in das Nachtleben<br />
der Stadt zu bringen, ohne immer gleich die Polizei zu rufen.<br />
Da kam dann PräRIE ins Spiel. Der etwas ungewöhnliche<br />
Name erschließt sich eigentlich ganz logisch, denn er<br />
6<br />
FREIeBÜRGER 06 | 2023
ist eine Beschreibung des Projekts. Er steht für:<br />
Prävention – wirksame Maßnahmen zur langfristigen<br />
Vermeidung von Alkoholmissbrauch und Gewalt;<br />
Relaxation – eine spürbare Entspannung im Innenstadtbereich<br />
z. B. durch die Anwesenheit von Suchthilfefachleuten<br />
und Peer-BeraterInnen; Intervention – den Dialog<br />
führen über alle Fragen rund ums Thema Alkohol und für<br />
Hilfsangebote im Notfall; Evaluation – das Untersuchen<br />
und Dokumentieren durch externe Fachleute.<br />
Die in der Erklärung erwähnten Peer-BeraterInnen sind<br />
eigentlich das Wichtigste am ganzen Projekt. Die Peers<br />
(peer bedeutet so viel wie gleichaltrig, gleichgesinnt, sich<br />
auf Augenhöhe befinden) sind ehrenamtliche MitarbeiterInnen,<br />
die eine 28-stündige Grundschulung erhalten.<br />
Dabei erfahren sie Grundlagen aus den Bereichen Sucht<br />
und Suchtprävention, lernen, wie man ein Gespräch<br />
ruhig, sachlich und vor allem wertfrei führt. Zusätzlich<br />
bekommen die angehenden MitarbeiterInnen auch ein<br />
Deeskalationstraining. Die Schulungen werden von ausgebildeten<br />
PädagogInnen geleitet. So vorbereitet gehen<br />
die Peer-BeraterInnen nun in ihre Einsätze.<br />
es ja gerade das, was bei der Jugend ankommt, eben auf<br />
Augenhöhe miteinander reden. Weitere Teams verlegen<br />
in der Zeit ihren Dienst in die Tram, wo sie auf dieselbe<br />
Art versuchen, ihr Anliegen vorzutragen. Das besteht<br />
einfach nur darin, die Jugendlichen zum Nachdenken zu<br />
bewegen. Außer dem Infostand hat PräRIE übrigens keine<br />
weiteren Räume.<br />
Ob diese Arbeit echten Erfolg hat, kann man nicht nachmessen.<br />
Doch Nora Elfgang sagt, dass jeder einzelne, der<br />
sein Trinkverhalten auf den Prüfstand stellt und nach den<br />
Gesprächen eventuell professionelle Hilfe annimmt, ein<br />
Riesenerfolg ist!<br />
Wir wünschen in dem Sinn alles Gute!<br />
Text: Carsten<br />
Fotos: Moritz Bross<br />
Diese finden an den Wochenenden statt und starten<br />
meistens am Platz der Alten Synagoge. Gegenüber vom<br />
Platz, vor dem kleinen Uni-Bücherladen in der Bertoldstraße,<br />
steht an jedem zweiten Wochenende freitags und<br />
samstags ab etwa 20:30 Uhr das Infomobil von PräRIE,<br />
besetzt mit Fachkräften aus der Sozialen Arbeit, die<br />
Berufserfahrung in der Suchthilfe haben. Und natürlich<br />
starten auch die Peer-BeraterInnen hier ihren Nachtdienst.<br />
Meist kommen die Jugendlichen von selbst an den<br />
Stand, oft allerdings nur aus Neugier. An manchen Tagen<br />
laufen die Peers aber auch über den Platz und suchen das<br />
Gespräch. Nach kurzer Vorstellung versucht man dann,<br />
mit den Jugendlichen über das Thema Alkohol zu sprechen,<br />
aber ohne erhobenen Zeigefinger, ohne Verbote und<br />
vor allem ohne moralische Wertung. Doch vielleicht ist<br />
FREIeBÜRGER 06 | 2023 7
Sozial- und Schuldezernent. Ende der 1990er bin ich in den<br />
Freiburger Gemeinderat gekommen. 2002 ist mein Vorgänger<br />
Hansjörg Seeh altershalber in den Ruhestand gegangen.<br />
Ich war Mitglied in der SPD-Fraktion, die damals das<br />
Vorschlagsrecht gehabt hat. Die SPD-Fraktion hat mich<br />
als Nachfolger vorgeschlagen und die anderen Fraktionen<br />
haben gesagt, der kann das ausfüllen, der kann die richtigen<br />
Akzente setzen. 2002 bin ich schließlich zunächst mal<br />
zum Sozialbürgermeister gewählt worden. Später habe ich<br />
den Kulturbereich mit übernommen. Integration hat dann<br />
auch eine gewichtige Rolle gespielt, es war ja früher nur<br />
eine Stabsstelle. Jetzt bin ich zuständig für Kultur, Integration,<br />
Soziales und seit ein paar Jahren auch Vertreter des<br />
Oberbürgermeisters, das heißt Erster Bürgermeister.<br />
Wenn Du an den FREIeBÜRGER denkst, denkst Du an...?<br />
Wenn ich an den FREIeBÜRGER denke, dann denke ich, dass<br />
es damals vor 25 Jahren überfällig war, dass Menschen aus<br />
der Szene sich auf den Weg gemacht haben, eine unabhängige<br />
Zeitschrift zu gründen.<br />
Foto: E. Peters<br />
IM GESPRÄCH MIT...<br />
Ulrich von Kirchbach<br />
Unser heutiger Gesprächspartner Ulrich von Kirchbach<br />
ist hier in Freiburg und Ihnen, liebe Leserinnen und Leser,<br />
wohl allen bekannt. Er ist seit 2002 Bürgermeister für<br />
Kultur, Jugend & Soziales und Integration. Unserem Verein<br />
ist er von Anfang an tief verbunden und wir schätzten<br />
und schätzen seine Unterstützung sehr. Wir haben uns<br />
zum Gespräch mit ihm im Alten Rathaus in der Innenstadt<br />
getroffen...<br />
Wir freuen uns, dass wir hier sein dürfen!<br />
Wie geht es Dir?<br />
Gut. Natürlich gibt's immer Höhen und Tiefen, aber solange<br />
die Tages-, Wochen- oder Monatsbilanz stimmt, bin ich<br />
immer zufrieden und gehe jetzt auch guten Mutes in die<br />
neue Woche.<br />
Vom Juristen zum Ersten Bürgermeister von Freiburg.<br />
Erzähle uns doch bitte kurz, wie es dazu kam!<br />
Nach dem Jurastudium bin ich in die Verwaltung gegangen,<br />
zunächst mal zum Regierungspräsidium Freiburg,<br />
später zum Landratsamt Rastatt, da war ich auch schon<br />
Du kennst den FREIeBÜRGER schon viele Jahre. Gibt es für<br />
Dich FREIeBÜRGER-Momente oder Highlights, die Du nie<br />
vergessen wirst?<br />
Ich habe den FREIeBÜRGER von Anfang an begleitet, ich<br />
war ja 1998 schon politisch aktiv. Ich habe ihn eigentlich jedes<br />
Mal irgendwo gekauft, später habe ich eine zusätzliche<br />
<strong>Ausgabe</strong> ins Rathaus geschickt bekommen. In Erinnerung<br />
geblieben ist mir die Zeit, als die existenziellen Sorgen eurer<br />
Zeitung zugenommen haben und der FREIeBÜRGER auf der<br />
Kippe stand. Da ist innerhalb der Bevölkerung Solidarität<br />
und der Wille entstanden, den FREIeBÜRGER zu retten. Ich<br />
habe dann auch mal an einem Samstag den FREIeBÜRGER<br />
selbst verkauft. Vergessen wird auch nicht die Sozialgeschichte,<br />
die Geschichte der Armen. Das finde ich auch eine<br />
ganz tolle Sache. Aber auch, dass einem Menschen näher<br />
gebracht wurden und die Verbindung zwischen Personen,<br />
Biografien und gleichzeitig strukturellen Defiziten.<br />
Wieso braucht Freiburg eine Straßenzeitung?<br />
Weil sie den Blick der Betroffenen spiegelt. Es wird nicht<br />
über die Betroffenen geschrieben, sondern sie artikulieren<br />
sich selbst und sagen, wo aus ihrer Sicht Handlungsbedarf<br />
ist. Und auch da haben wir die Verbindung von persönlicher<br />
Betroffenheit, persönlichen Schicksalen mit strukturellen<br />
Fragen. Ich glaube, das macht das Besondere, das<br />
Einzigartige aus.<br />
Mal ganz ehrlich: Liest Du den FREIeBÜRGER überhaupt?<br />
Ich will jetzt nicht sagen, ich lese ihn von der ersten bis zur<br />
letzten Seite, aber ich gucke mir jede <strong>Ausgabe</strong> an. Ich glaube,<br />
ich kann sagen, dass ich jede <strong>Ausgabe</strong> in den Händen<br />
gehalten habe und immer mindestens einen, meistens<br />
mehrere Artikel auch von vorne bis hinten gelesen habe.<br />
8<br />
FREIeBÜRGER 06 | 2023
Welcher Tätigkeitsbereich macht Dir bei Deiner Arbeit am<br />
meisten Spaß? Und welcher Tätigkeitsbereich verlangt<br />
am meisten von Dir ab?<br />
Am meisten Spaß machen natürlich die Repräsentationstermine,<br />
weil man da Menschen begegnet und eine Rede<br />
halten darf. Das Schwerste ist, wenn man etwas gestalten<br />
will, politische Mehrheiten zu bekommen. Es bedarf immer<br />
vieler Termine und vieler Sitzungen, bis man dann etwas<br />
auf den Weg bringt. Das geht ja schon los mit den Kolleginnen<br />
und Kollegen: Es ist nicht immer einfach, da auf einen<br />
Nenner zu kommen, vor allem wenn es um Geld geht, um<br />
mehr Geld. Also insofern ist es teilweise harte handwerkliche<br />
Arbeit – und die Kür sind dann die Repräsentationstermine.<br />
Wo siehst Du im Moment in Freiburg die größten Probleme<br />
oder Aufgaben für Dich?<br />
Das größte strukturelle Problem ist nach wie vor bezahlbarer<br />
Wohnraum. Wir haben zwar Fortschritte gemacht<br />
durch den 50 %-Beschluss, d. h. 50 % geförderter Mietwohnungsbau<br />
in neuen Baugebieten, auch durch eine aktive<br />
Liegenschaftspolitik. Das waren alles richtige Schritte, aber<br />
es macht sich ja manches erst sehr viel später bemerkbar.<br />
Und deshalb ist es nach wie vor das Hauptproblem, auch<br />
für unsere Hilfesysteme. Wir haben eigentlich ein gutes<br />
Hilfesystem, aber am langen Ende müssen die Betroffenen<br />
zu lange in diesem System bleiben. Obwohl sie problemlos<br />
in einer eigenen Wohnung leben könnten, haben wir keine<br />
Wohnungen zur Verfügung. Das ist so im Bereich der Obdachlosigkeit,<br />
im Bereich der Wohngruppen mit psychisch<br />
Kranken oder auch Suchtkranken. Das letzte Glied der Kette,<br />
das fehlt eben. Und das ist das Hauptproblem, das nach<br />
wie vor bedrückend ist und wo es auch keine schnellen Lösungen<br />
gibt. Ganz aktuell versuchen wir jetzt, ein Hotel zu<br />
übernehmen, wo wir dann auch versuchen, Menschen, die<br />
eigentlich problemlos in einer eigenen Wohnung sein könnten,<br />
unterzubringen.<br />
Auf welches in Deiner Amtszeit Erreichte blickst Du am<br />
liebsten zurück und warum?<br />
Das sind natürlich viele, viele Dinge...<br />
Mir fällt der Kontaktladen (Anm. d. Red.: Arbeiterwohlfahrt<br />
Drogenhilfe) ein, den ich gleich am Anfang politisch<br />
durchgesetzt habe. Das war schwierig, bis man es dann in<br />
der Rosastraße endlich verwirklicht hat. Dann, dass es uns<br />
2015 gelungen ist mit der Integration von so vielen geflüchteten<br />
Menschen und auch jetzt wieder mit den Menschen<br />
aus der Ukraine oder Syrien. Ein weiterer Punkt ist, dass<br />
beispielsweise im Bereich der Wohnungslosigkeit deutlich<br />
mehr Sozialarbeit angeboten wird als noch bei meinem<br />
Antritt, es gab einen deutlichen qualitativen Aufschwung.<br />
Und im Kulturbereich, dass wir mit dem Kulturkonzept und<br />
der Zielvereinbarung mit dem Theater weg von Spardiskussionen<br />
gekommen sind.<br />
Wie entspannst Du Dich von Deinem beruflichen Stress?<br />
Ich mache viel Sport. Zwei- bis dreimal in der Woche gehe<br />
ich laufen und versuche auch, alle zwei Wochen zum Boxtraining<br />
zu gehen, ich bin im Boxsportverein. Dann lese ich<br />
auch gerne, obwohl das natürlich leider zu kurz kommt.<br />
Aber kurz vor dem Zubettgehen eine halbe Stunde lesen ist<br />
meistens drin.<br />
Was ist Dir im Leben das Wichtigste?<br />
Das Wichtigste ist, dass man sich selber treu bleibt! Auch,<br />
dass man anderen Menschen etwas geben kann, persönlich,<br />
aber auch durch Entscheidungen. Und natürlich die<br />
Familie!<br />
Was kannst Du überhaupt nicht leiden?<br />
Überhaupt nicht leiden kann ich Unehrlichkeit oder wenn<br />
Leute etwas vorgeben, irgendwas vorspielen und wenig<br />
dahinter steckt. Ich bin ja immer für das ehrliche Feedback.<br />
Eine ehrliche Auseinandersetzung ist mir wichtiger, als<br />
wenn hintenrum etwas geklärt wird.<br />
Was ist für Dich der schönste Ort in Freiburg?<br />
Und welcher der hässlichste?<br />
Die schönsten Orte sind für mich der Münsterplatz und das<br />
Theater. Und der hässlichste ist, wenn ich frühmorgens am<br />
Platz der Alten Synagoge vorbeilaufe und die großen Müllberge<br />
sehe – es ist für mich auch ein sehr schöner Platz,<br />
aber wenn ich diesen Müll sehe, dann kann er sehr hässlich<br />
wirken.<br />
Was wünschst Du Freiburg?<br />
Ich wünsche mir, dass die Stadt Freiburg ihren Charakter,<br />
ihre Identität bewahrt und dass alle Menschen, egal<br />
welchen Geldbeutel sie haben, hier wohnen können. Und<br />
deshalb wünsche ich mir, dass wir im Politikfeld „Bezahlbares<br />
Wohnen“ deutliche Schritte vorankommen, und zwar<br />
schneller als in der Vergangenheit.<br />
Und zu guter Letzt noch eine Frage unseres Sportreporters<br />
Carsten: Was gibt es zuerst? Eine Uli-Herrmann-Straße<br />
in Freiburg oder die deutsche Meisterschaft für Schalke<br />
04? (Anm. d. Red.: Uli Herrmann ist unser 2013 leider<br />
verstorbener Chefredakteur)<br />
Eine Uli-Herrmann-Straße.<br />
Vielen Dank für das Interview! Wir wünschen Dir für alles<br />
Weitere viele ehrliche Auseinandersetzungen, fruchtvolle<br />
Diskussionen, gute Lösungen und vor allem Erfolge bei<br />
der Umsetzung Deiner beruflichen und privaten Pläne.<br />
Oliver, Ekki & Conny<br />
FREIeBÜRGER 06 | 2023 9
Foto: Wikipedia<br />
Abb.: Die Schlacht bei Fleurus am 26. <strong>Juni</strong> 1794, ein militärischer Zusammenstoß zwischen Frankreich und<br />
dem römischen Kaiser bzw. dem Hause Habsburg-Österreich im Ersten Koalitionskrieg (1792–1795/97)<br />
900 JAHRE ARMUT IN FREIBURG<br />
Armenwesen und Pflege in Freiburg (Teil 28)<br />
In der letzten Folge beschäftigte ich mich mit den Anfängen<br />
der Französischen Revolution bzw. mit den Auswirkungen<br />
auf das Deutsche Reich und besonders auf den<br />
Breisgau. In dieser Folge will ich zeigen, wie Revolution<br />
und Aufklärung das Leben in Freiburg und dem Breisgau<br />
beeinflussten.<br />
FREIBURG UND DIE FRANZÖSISCHE REVOLUTION<br />
1790 tauchten unter anderem in Gottenheim und Umkirch<br />
neue Flugblätter auf, in denen auch schon konkrete<br />
Forderungen gestellt wurden. Beispielsweise verlangten<br />
die Bauern die Aufhebung aller Vermögenstaxen, Güterzinsen,<br />
Advokatenkosten und der Zehntwuchereien. Außerdem<br />
sollte die Frevelgerichtsbarkeit der Herrschaften<br />
und Obrigkeiten abgeschafft werden und Gemeindegüter<br />
sollten aufgeteilt werden. Die von Kaiser Joseph II. aufgehobenen<br />
Stiftungen sollten wieder eingesetzt werden<br />
und auch die abgeschafften Feiertage wollte man zurück.<br />
Als eine der letzten Forderungen stand da noch, dass die<br />
Herrschaften den BürgerInnen nicht „überlästig“ sein<br />
sollten. Doch auch wenn sich diese Forderungen für die<br />
damalige Zeit sehr revolutionär anhörten, im Endeffekt<br />
wollten die Bauern nur die Rücknahme der kaiserlichen<br />
Reformen, also eine Rückkehr in die alte und gewohnte<br />
Ordnung. Vielleicht mit einigen Änderungen der Verhältnisse,<br />
mehr aber auch nicht. Nun hatte die Unzufriedenheit<br />
der Bauern zwar eine Stimme, doch zu mehr reichte<br />
es nicht. Um das Flackern des Aufruhrs in eine Revolution<br />
zu steigern, die gewillt ist, das alte, herrschende System<br />
zu stürzen, dazu fehlte es an Potenzial. In Frankreich wurde<br />
die Revolution maßgeblich vom Bürgertum getragen<br />
und dadurch zum Erfolg geführt, im Deutschen Reich war<br />
das undenkbar. Das Heilige Römische Reich Deutscher<br />
Nation war nicht mehr so stark und einig wie früher. Das<br />
Reich war politisch stark zerstückelt, nicht zuletzt wegen<br />
der Religionskriege, und steckte wirtschaftlich zum Teil<br />
noch im Feudalismus. Dadurch fehlten sämtliche Voraussetzungen<br />
für ein selbstbewusstes, einiges, politisch<br />
10<br />
FREIeBÜRGER 06 | 2023
eifes und starkes Bürgertum, das man gebraucht hätte,<br />
um die Massen für einen Umsturz zu mobilisieren.<br />
Zudem hatten die vom Kaiser eingeführten Reformen,<br />
welche die Bauern beseitigen wollten, es dem Bürgertum<br />
ermöglicht, sich innerhalb des bestehenden Systems<br />
gesellschaftlich zu verbessern. Vor allem dieser Umstand<br />
nahm einer Ausbreitung der Revolution den Wind aus<br />
den Segeln. Allzu große revolutionäre Bestrebungen hätte<br />
es im Freiburger Bürgertum damals wohl sowieso nicht<br />
gegeben. Anders als in Frankreich hielten die hiesigen<br />
BürgerInnen die Monarchie für reformierbar. Man wollte<br />
die kaiserlich-königliche Monarchie und damit den Feudalismus<br />
gar nicht stürzen und die alleinige Herrschaft<br />
übernehmen, ihnen schwebte eher eine konstitutionelle<br />
Monarchie vor.<br />
Ob der inzwischen regierende Kaiser Leopold II. die<br />
Französische Revolution mittlerweile ernst nahm, weiß<br />
ich nicht so genau, doch er ließ einige Regierungsstellen,<br />
die nah am Rhein lagen, weiter ins Hinterland verlegen.<br />
Man war aufgeschreckt davon, „das aus getreuen Unterthanen<br />
und Hausvätern, wie im Elsaß und in einigen<br />
anderen daran stoßenden französischen Ländern wirklich<br />
geschehen ist, Rebellen, Diebe und Mörder geworden sind“,<br />
die den „Gehorsam gegen ihre rechtmäßige Obrigkeiten<br />
abwarfen und Gewalth anstatt Recht gebrauchten“. Der<br />
Regierungspräsident Johann Adam Freiherr von Posch<br />
ließ durch die Freiburger Pfarrer eine Warnung von den<br />
Kanzeln verkünden. Darin wurde vor „Verführern des<br />
Volkes“ gewarnt, die Glauben machen wollen, man könne<br />
seine Anliegen durch Aufruhr voranbringen, anstatt sich<br />
darauf zu verlassen, dass die Landesregierung schon helfen<br />
werde „in allen billigen Dingen Recht und Gerechtigkeit<br />
zu verschaffen!“<br />
Poschs Nachfolger, Joseph Thaddäus Freiherr von Sumerau,<br />
beließ es nicht mehr nur beim Warnen. Für ihn<br />
war die Französische Revolution der Feind schlechthin<br />
und die Ursache allen Übels. Joseph Thaddäus ergriff<br />
nun Maßnahmen, die ein Eindringen und Verbreiten<br />
von revolutionärem Gedankengut verhindern sollte.<br />
Schriften, die aus dem Ausland kamen, ließ er zensieren<br />
oder gleich beschlagnahmen. Da er besonders Straßburg<br />
als Unruheherd ausgemacht hatte, ließ er die Handelsstraßen<br />
zwischen Straßburg und Freiburg überwachen.<br />
Weiter ließ Joseph Thaddäus willkürlich ausgesuchte<br />
„verdächtige Personen“ beobachten. Regierungspräsident<br />
von Sumerau erließ eine Flut an neuen Verordnungen,<br />
um Ordnung und Sicherheit im Land zu gewährleisten.<br />
Die Sicherheit der Herrschenden selbstverständlich.<br />
Joseph Thaddäus hatte Freiburg und den Breisgau mit<br />
Agenten und Spionen durchsetzt, in allen Gasthöfen und<br />
Wirtschaften gab es sie und auch unter den Kauf- und<br />
Fuhrleuten sollen welche gewesen sein.<br />
Abb.: Leopold II. im Krönungsornat 1790<br />
Foto: Wikipedia<br />
Da nun Straßburg tatsächlich eines der Zentren für<br />
revolutionäre Agitation war, entstand hier eine Vielzahl<br />
an Flugschriften, die vervielfältigt wurden, um sie dann in<br />
Deutschland unter das Volk zu bringen. Eine der Schriften<br />
hieß zum Beispiel „Die Franken an alle Völker in Europa“.<br />
Es gelang immer wieder, diese oder ähnliche Schriften ins<br />
Deutsche Reich einzuschmuggeln und zu verteilen.<br />
Der Freiburger Rat setzte den Polizeileutnant Schlaar<br />
samt seiner Mannschaft ein, um diese „gefährlichen<br />
Schriften“ aufzuspüren und aus dem Verkehr zu ziehen.<br />
Unter anderem sollte Schlaar überprüfen, dass in Freiburger<br />
Kaffee- und Wirtshäusern nur genehmigte Bücher<br />
und Zeitungen auslagen. Auch in der Buchhandlung<br />
Wagner schaute Schlaar regelmäßig zu Kontrollen herein.<br />
In der Vollzugsmeldung an den Rat schreibt der Polizeileutnant:<br />
„...daß die meisten Kaffee- und Wirthshäuser<br />
nicht einmal ordinaire Zeitungen halten, viel weniger<br />
litterarische Journale oder verbotene Bücher führen.“<br />
Er fügte noch dazu, dass wenn es solche Schriften<br />
überhaupt gäbe, diese in Privathaushalten zu finden<br />
wären. Dort aber dürfe er mit seinen Mannschaften nicht<br />
suchen.<br />
FREIeBÜRGER 06 | 2023 11
Abb.: Hinrichtung Ludwigs XVI. (Kupferstich aus dem Jahr 1793)<br />
Foto: Wikipedia<br />
Sumeraus Überwachungspolitik weitete sich immer mehr<br />
aus. Es entstand eine ganz üble Gesinnungsschnüffelei<br />
mit wilden Verdächtigungen, Festnahmen und Anklagen.<br />
Der Freiburger Universitätsprofessor Johann Kaspar Ruef<br />
war eines der ersten Opfer von Sumerau. Ruef, der als<br />
einer der radikalsten Geister Deutschlands bezeichnet<br />
wurde, war der Herausgeber der reformkatholischen<br />
Zeitschrift „Der Freymüthige“. Mit dieser Zeitung wollte er<br />
im Sinne der Aufklärung die Kirche zum „wahren Wesen“<br />
des Christentums zurückführen. Das fand anfangs sogar<br />
den Beifall der Habsburger. Doch mit der Nachfolgezeitschrift<br />
„Freyburger Beyträge zur Beförderung des ältesten<br />
Christenthums und der neuesten Philosophie“ wurde der<br />
Gelehrte zu kritisch und galt fortan als revolutionsfreundlich.<br />
Am 15. März 1793 wurde Ruefs Zeitung per Hofdekret<br />
verboten. Des Weiteren wurde die Herstellung und Verbreitung<br />
ähnlicher Schriften unter Androhung schwerer<br />
Strafen untersagt. Das Dekret war so weitreichend, dass<br />
es erlaubte, Reisenden an den Grenzen des Reichs sämtliche<br />
verdächtige Schriften und Bücher wegzunehmen. Im<br />
Oktober 1793 entließ man verschiedene Professoren der<br />
Freiburger Uni und besetzte ihre Stellen mit Benediktinern<br />
neu. So wollte man sichergehen, dass die Revolution<br />
in der Universität nicht weiter verbreitet wird.<br />
Ein interessanter Fall der Spitzeltätigkeit aus dem Jahr<br />
1793 ist überliefert worden, bei dem der Freiburger<br />
Magistrat von auswärtigen staatlichen Behörden über<br />
staatsfeindliche Propaganda unterrichtet wurde. Damals<br />
waren in süddeutschen Gebieten Tabakdosen mit revolutionärem<br />
Inhalt im Umlauf. Auf die Innenseiten der<br />
Dosen waren „Aufruhr erregende Verse“ eingraviert wie<br />
z. B. „Die Menschen sind sichs alle gleich/ Adelstolz ist<br />
nichts als Narrenstreich/ der Tugendhafte blos allein/<br />
verdiene es geschätzt zu sein.“ Ein anderer Reim richtete<br />
sich gegen den preußischen Einmarsch in Frankreich im<br />
April 1792: „Was wird der Deutsche damit gewinnen/ wenn<br />
er die Franken hilft bezwingen/ er wird nach wie vor ein<br />
Sklaf halt seyn/ wohl besser wärs, er blieb daheim.“<br />
Während der Tabakhändler in einem Wirtshaus eingeschlafen<br />
war, hatte ein „anonymer Unterthan aus Villingen“<br />
die Tabakdose heimlich an sich genommen, die Texte<br />
abgeschrieben und an die Regierungsstellen geschickt.<br />
Doch es kamen immer mehr Bücher, Schriften und<br />
Flugblätter mit Inhalten, welche die Ideen der Französischen<br />
Revolution verbreiteten, ins Deutsche Reich. Und<br />
trotz aller Vorsichtsmaßnahmen und Verbote gelang es<br />
der Obrigkeit nicht, das zu verhindern. Die Nachfrage in<br />
der Bevölkerung, vor allem bei den eigentlich so biederen<br />
Handwerkern, nach Aufklärungsschriften war ungeachtet<br />
der Strafandrohungen sehr groß. So wurden unter<br />
anderem beim Malermeister Keller, beim Stumpfwirker<br />
12<br />
FREIeBÜRGER 06 | 2023
Günther, dem Küfermeister Benk oder dem Bäckermeister<br />
Klaiser revolutionäre Flugblätter gefunden. Als von Sumerau<br />
und seine Behörden merkten, dass sie die regelrechte<br />
Flut an Revolutionspropaganda nicht aufhalten konnten,<br />
mussten sie selbst handeln. Denn die Angst vor dem,<br />
was das geschriebene Wort im Volk bewirken könnte,<br />
war groß. Mit Schrecken sahen die Herrschenden ja fast<br />
täglich, was in Frankreich passierte. Das war ihnen wohl<br />
genug an schrecklichem Beispiel.<br />
Plan war es nun, selbst in die Offensive zu gehen und<br />
die „Verbreitung gut gesinnter Schriften“ zu betreiben. So<br />
empfahl Regierungspräsident von Sumerau den „Aufruf<br />
eines Teutschen an seine Landsleute am Rhein“ sowie die<br />
Konstanzer Zeitschrift „Der Volksfreund“. Als 1794 die<br />
Broschüre „Ernste Winke an die Deutschen zur Vertheidigung<br />
der Rheinufer“ erschien, empfahl Sumerau diese<br />
als besonders geeignet zur Aufklärung über „Frankreichs<br />
beyspiellose Sittenverderbniß, den Umsturz der Religion, die<br />
Unsicherheit des Eigenthum und der Personen nebst allen<br />
übrigen schreckenden unseeligen Folgen der gewaltsamen<br />
französischen Staatsumwälzung!“ In dieser Broschüre<br />
ging es allerdings keineswegs um Aufklärung als vielmehr<br />
um schlechte Propaganda. Es fand keinerlei Aufarbeitung<br />
der Geschehnisse in Frankreich oder eine Auseinandersetzung<br />
mit den Zielen der Revolution statt. Stattdessen<br />
wurden Vorurteile und Ängste, die gegenüber dem<br />
Nachbarn sowieso schon vorhanden waren, weiter<br />
geschürt und gestärkt. Angesichts der Hinrichtung des<br />
französischen Königspaares und vieler anderer Adliger<br />
und Würdenträger, der Abkehr von Gott und Religion und<br />
von der Gott gewollten Ordnung, war das beim einfachen<br />
Volk auch nicht allzu schwierig. Dazu heißt es in den<br />
„Ernsten Winken“, „Die Deutschen sollen sich erheben und<br />
kämpfen: für Gott, den sie verspotten, für deine Fürsten,<br />
denen sie fluchen und für dich, den sie vertilgen wollen!“<br />
Natürlich sollten die deutschen Untertanen nicht umsonst<br />
kämpfen, es wurde ihnen „hoher Lohn“ versprochen,<br />
nämlich „das eure Fürsten und Herren werden eure Treue<br />
und Vaterliebe mit verdoppelter Sorgfalt um euer Wohl<br />
belohnen.“ Dass die „Ernsten Winke“ speziell für Sumerau<br />
und Freiburg geschrieben wurden, kann man daran<br />
ersehen, dass die Stadt mehrfach erwähnt wurde, wie z. B.<br />
„Denk an Freyburgs Belagerung“.<br />
Sumerau holte nun auch Autoren von revolutionsfeindlichen<br />
Schriften nach Freiburg, damit sie hier ihr Werk<br />
weiterführten. All diese Maßnahmen des Regierungspräsidenten<br />
verschlangen große Summen an Regierungsgeldern.<br />
August Ottokar Reichard, der Bibliothekar des<br />
Herzogs von Sachsen-Gotha, kam nach Freiburg und<br />
verfasste hier seine Flugschriften gegen Revolution und<br />
Aufklärung. Diese nannten sich dann „Menschenrechte<br />
diesseits und jenseits des Rheines“ oder „Adresse an den<br />
Foto: Wikipedia<br />
Abb.: Erste Seite des ersten Bandes der Zeitschrift „Der<br />
Freymüthige“<br />
gesunden Menschenverstand“. Der Freiburger Philosophieprofessor,<br />
Theologe, Gelegenheitsdichter und Druckereibesitzer<br />
Ignaz Fellner verfasste ebenfalls antirevolutionäre<br />
Schriften. Eine trug den hochtrabenden Namen: „Was<br />
müssen wir tun, um selbst glücklich zu bleiben und unsere<br />
Kinder glücklich zu machen?“ Fellner wurde in seinen<br />
Schriften sehr radikal und forderte seine Landsleute ganz<br />
offen zum Krieg gegen Frankreich auf.<br />
Was in Fellners und in anderen Schriften stand, damit<br />
geht es in der nächsten Folge weiter. Außerdem erfahren<br />
Sie, wie die Stadt Freiburg mit den vielen Flüchtlingen<br />
umging, die nach der Französischen Revolution in den<br />
Breisgau einwanderten.<br />
Ich bedanke mich beim Stadtarchiv Freiburg und Herrn<br />
Thalheimer, der Waisenhausstiftung, Gerlinde Kurzbach,<br />
Peter Kalchtaler und Dr. Hans-Peter Widmann.<br />
Carsten<br />
FREIeBÜRGER 06 | 2023 13
HAPPY BIRTHDAY<br />
So wird rund um den Globus gefeiert<br />
Foto: Leslie Eckert / Pixabay<br />
Können Sie sich an Ihre erste Geburtstagstorte erinnern?<br />
Oftmals liebevoll dekoriert und mit Kerzen bestückt, wobei<br />
jede einzelne Kerze dabei für ein Lebensjahr steht.<br />
Jeder von uns hat in der Kindheit bereits Vorlieben für<br />
seine passende Geburtstagstorte entwickelt, die mit viel<br />
Zuneigung und Freude von Familienmitgliedern oder<br />
Freunden gebacken wurde. Marmorkuchen, Schokoladenkuchen,<br />
Zitronenkuchen, bunt verzierte Muffins,<br />
Maulwurfkuchen, Johannisbeerkuchen oder vielleicht<br />
eine alkoholfreie Schwarzwälder Kirschtorte usw. Ein<br />
Aberglaube besagt: Bläst Mann oder Frau alle Kerzen auf<br />
einmal aus und wünscht sich dabei etwas, geht dieser<br />
Wunsch in Erfüllung.<br />
Geschichtlich gesehen verdanken wir die Geburtstagstorte<br />
den alten Griechen. Damals huldigten die Griechen<br />
nach einem antiken Brauch der Göttin der Jagd, des<br />
Waldes und der Hüterin der Frauen und Kinder, Artemis<br />
genannt. Zu ihrem Ehrentag bereiteten die alten Griechen<br />
einen runden Honigkuchen zu, auf dem angeblich magische<br />
Kerzen gewesen sein sollen. Diese Lichtquellen sollen<br />
Wünsche in Erfüllung gebracht haben. Der zauberhafte<br />
Honigkuchen wurde letztendlich auf einen Altar gestellt<br />
und von den Griechen angebetet.<br />
In Australien und Neuseeland gibt es zum Purzeltag weder<br />
magischen Honigkuchen noch eine sahnige Schwarzwälder<br />
Kirschtorte, sondern Fairy Bread. Es ist zwar viel<br />
einfacher zubereitet als ein Geburtstagskuchen, doch es<br />
ist wunderbar bunt, da es aus Weißbrot, Butter und vielfarbigen<br />
Streuseln besteht.<br />
Weniger süß geht es im Amazonasgebiet in Brasilien zu.<br />
Dort gibt es einen Stamm, dessen Geburtstagskinder zu<br />
ihrem 13. Geburtstag Riesenameisen suchen und sich<br />
schmerzhaft von diesen stechen lassen, damit sie dann<br />
als „erwachsen“ gelten.<br />
Auf Bali gelten Kinder bis zu ihrem 105. Tag nach ihrer<br />
Geburt als überirdisch. Bis dahin werden Kinder ganz<br />
praktisch in einem Tragetuch über dem Boden gehalten.<br />
Zum Schutz vor bösen Geistern werden sie erst am Stichtag<br />
erstmals auf den Boden gesetzt, was dann ausgiebig<br />
gefeiert wird.<br />
Reisen wir nun auf den afrikanischen Kontinent, genauer<br />
gesagt nach Südafrika. Dort ist das Wiegenfest im<br />
wahrsten Sinne des Wortes ein Schlüsselerlebnis, denn<br />
die großen Geburtstagskinder bekommen zu ihrem 21.<br />
14<br />
FREIeBÜRGER 06 | 2023
Lebensjahr zur Volljährigkeit einen Schlüssel überreicht,<br />
der als Schlüssel zu allen Türen gilt, die ihnen das Leben<br />
bieten wird. Dieser Schlüssel wird auch Schlüssel des<br />
Lebens genannt.<br />
Unsere dänischen Nachbarn mögen es besonders würzig<br />
und feierlich zum Ehrentag. Wer Geburtstag hat, muss<br />
dies mit der dänischen Flagge vor der Haustüre zeigen.<br />
Zum 25. Geburtstag gibt es in Dänemark einen herzhaften<br />
Brauch: Das Geburtstagskind wird mit Zimt überschüttet<br />
und wird – ohne Widerrede – zum Zimtburschen oder zur<br />
Zimtjungfer.<br />
Weniger herzerwärmend und festlich ist ein deutscher<br />
Brauch, dass Männer, die 30 Jahre alt werden und noch<br />
nicht in einer Ehe leben, öffentlich eine Treppe kehren<br />
müssen. Dabei schauen sowohl Fremde als auch Bekannte<br />
zu. Dann doch viel lieber bei einem traditionellen und<br />
süßen Pfannkuchenessen in Belgien mit dabei sein.<br />
In Ungarn werden Geburtstagskindern die Ohren lang<br />
gezogen, dazu gibt es ein passendes Lied: „Deine Ohren<br />
sollen bis zu den Knöcheln reichen – so lange sollst du<br />
leben.“ Na dann Prost, auf das Geburtstagskind!<br />
Der fünfzehnte Geburtstag ist in vielen Ländern Südund<br />
Mittelamerikas ein ganz besonderer, festlicher und<br />
pompöser Tag. In Kuba wurde sogar ein Tanz zum 15.<br />
Geburtstag nach der Zahl benannt: El Quince, ein Tanz um<br />
die eigene Mutter herum. Bei der Quinceañera (gesprochen<br />
„Kinze-Anjera“), der Fünfzehnjährigen, geht es um<br />
die Transition vom Mädchen zur jungen Frau, die in den<br />
lateinamerikanischen Gesellschaften groß gefeiert wird.<br />
Vermutlich entstammt der Brauch aus einer Kombination<br />
von mesoamerikanischen Traditionen, die sich in<br />
ganz Lateinamerika verbreitet haben, und dem simplen<br />
Fakt, dass es früher ein Alter geben musste, zu dem die<br />
Mädchen Teil der Gesellschaft wurden und der zukünftige<br />
Bräutigam schon ein beeindruckendes Geldgeschenk<br />
an die Familien machen musste. Oder ganz einfach und<br />
eher unromantisch: Mit ihrer Quince wurden die Mädchen<br />
als heiratsfähig präsentiert und angepriesen, um<br />
einen möglichst reichen Mann für sie zu bekommen.<br />
Heute wird eine riesige Party gefeiert, die sich mit einer<br />
Hochzeitsfeier messen kann. Die junge Frau wird ausführlich<br />
geschminkt und trägt ein unübersehbares Kleid.<br />
Als Ort der Feierlichkeit dient idealerweise ein Hotel oder<br />
das eigene Haus, welches einladend mit viel Schmuck,<br />
Blumen und Ballons hergerichtet wird. Zur Eröffnung der<br />
Quinceañera wird eine Ansprache auf das Geburtstagskind<br />
gehalten. Anschließend wird der gesellschaftliche<br />
Teil mit einem Tanz eröffnet. Gerne mit dem Vater der zu<br />
feiernden Person. Nicht jeder kann und will eine große<br />
Party geben, weshalb alternativ Foto-Sessions gemacht<br />
werden oder die Quinceañera mit ihren Eltern verreisen.<br />
Eine Quinceañera ist durchaus kostspielig, weshalb die<br />
Eltern je nachdem schon früh anfangen, für die bombastische<br />
Party zu sparen. Bis in die 1990er Jahre gab es vom<br />
Staat noch Bier und Limo zur Feier.<br />
Die Emanzipation macht unterdessen auch hier nicht<br />
Halt und inzwischen wollen immer mehr Jungen eine<br />
Quince feiern. Mittlerweile gibt es sogar eine Miniquince,<br />
die mit fünf Jahren gefeiert wird, und eine Prequince mit<br />
zehn Jahren.<br />
Doch nicht nur das Wiegenfest wird gefeiert. RussInnen<br />
feiern auch die Tage, an denen ihnen eine zweite Chance<br />
geschenkt wurde. Schicksalsschläge wie ein schwerer<br />
Unfall, der überlebt wurde, oder eine Heilung von einer<br />
schweren Krankheit zählen dazu.<br />
Ob laut und pompös, leise und besinnlich, oder der<br />
zweite Geburtstag: Happy Birthday!<br />
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Die große Tierschar bescherte ihr und ihrer Familie „ein<br />
Leben in Fülle“. Heute hält die Familie noch vier Kühe,<br />
fünf Kamele und gar keine Ziegen mehr. Der Grund: In<br />
Nordkenia, wo Quabale mit Mann und Kindern lebt, hat<br />
es seit über zwei Jahren nicht mehr geregnet. Die Weiden<br />
der Tiere sind verdorrt, die Wasserquellen ausgetrocknet,<br />
der Großteil der Herden qualvoll verendet. Quabale und<br />
ihre Familie leiden Hunger. Ihr Schicksal ist Teil der „Klima-Monologe“<br />
– einem dokumentarischen Theaterstück<br />
von Michael Ruf.<br />
Michael Ruf ist Autor und Regisseur in einem. Für das<br />
Stück hat er vorwiegend im Globalen Süden Interviews<br />
geführt, die Tage dauerten. Er hat mit Menschen gesprochen,<br />
die schon heute unter den Veränderungen durch<br />
den Klimawandel leiden. Das Gehörte hat er lediglich<br />
gekürzt, verdichtet und so arrangiert, dass letztlich die<br />
Lebensgeschichten von vier Menschen geschickt ineinander<br />
verschränkt erscheinen. Auf der Bühne performt<br />
wird nichts als das authentische Wort. Ohne Bühnenbild.<br />
Ohne Kostüme. Nachdruck verleiht den Bildern, die die<br />
Worte erzeugen, eine eigens für die Klima-Monologe<br />
komponierte Instrumentalmusik. „Bei dieser Form des<br />
Theaters steht allein das Wort im Mittelpunkt. Ohne jeden<br />
Schnickschnack. Menschen sollen mit ihren Geschichten<br />
andere Menschen emotional erreichen“, fasst Ruf die<br />
Idee zu seinem dokumentarischen Theater zusammen.<br />
VON DÜRREN, BRÄNDEN, ÜBERSCHWEMMUNGEN<br />
UND STÜRMEN<br />
Rund 60 Vorinterviews hat Ruf führen lassen – meist<br />
von Vertretern einer Nichtregierungsorganisation –,<br />
um schließlich vier Protagonisten auszuwählen, deren<br />
Schicksale die ganze Bandbreite der klimatischen Veränderungen<br />
widerspiegeln. Neben der Geschichte von<br />
Quabale aus Kenia erzählen die Klima-Monologe die<br />
Geschichte von Leigh-Anne aus Kalifornien, die als Krankenschwester<br />
in kürzester Zeit 80 Patienten aus einem<br />
Krankenhaus in Paradise evakuieren musste, weil ein<br />
Waldbrand die gesamte Stadt binnen Stunden zerstörte.<br />
Sie erzählen außerdem die Geschichte von Danyal<br />
aus Pakistan, dessen Dorf von einem abschmelzenden<br />
Gletscher überschwemmt wurde und der um die Wasservorräte<br />
seines Landes bangt. Er macht als Aktivist auf den<br />
Klimawandel und seine Folgen aufmerksam. Und es geht<br />
um die Geschichte von Johora aus Bangladesch, die selbst<br />
18<br />
FREIeBÜRGER 06 | 2023
mehrere Zyklone und Fluten überlebt, der ein Zyklon namens<br />
Ayla aber mehrere Familienmitglieder geraubt hat.<br />
„Ich sah viele Leichen treiben. Ich musste sie mit einem<br />
Stock wegstoßen. Meine Mutter kann nicht schwimmen“,<br />
berichtet sie eindringlich in den Klima-Monologen. Jahrzehntelang<br />
hat ihre Familie das Leben mit dem Anbau<br />
von Reis bestritten. Bis 2009 besagter Zyklon mit dem<br />
Meerwasser, das er brachte, die Böden derart versalzen<br />
hat, dass keine Reispflanzen mehr gedeihen.<br />
BETROFFENE SEHEN DIE SCHULD BEI SICH SELBST<br />
Die Gespräche mit seinen Protagonisten hat Ruf per<br />
Videokonferenz geführt. „Natürlich ist das eine andere,<br />
vielleicht weniger intensive Form der Begegnung. Aber<br />
ob man als Kunstschaffender immer vor Ort sein und<br />
dafür durch die Welt fliegen muss, finde ich besonders bei<br />
einem Stück, das sich mit dem Klimawandel beschäftigt,<br />
eine mehr als legitime Frage“, erläutert Ruf. Nahegegangen<br />
sind ihm die Gespräche allemal. Am meisten überrascht<br />
hat den Mann hinter der Organisation „Wort und<br />
Herzschlag“, dass diejenigen, die schon heute unter dem<br />
Klimawandel leiden und sogar in ihrer Existenz bedroht<br />
werden, nicht im Ansatz wissen, wer dafür verantwortlich<br />
ist. „Das hat mich wirklich betroffen gemacht und auch<br />
beschämt. Die Menschen wissen ganz einfach nicht, dass<br />
ihre Brüder und Schwestern in den Industrienationen<br />
die Verursacher des Klimawandels sind. Manche geben<br />
sogar sich selbst die Schuld und sehen in ihrem Unglück<br />
eine Strafe ihrer Gottheit“, berichtet Ruf. Er hätte volles<br />
Verständnis dafür, wenn sich eine unbändige Wut zeigen<br />
würde, sollten die Tatsachen zu den Betroffenen durchdringen.<br />
„So würde es mir zumindest gehen. Ich wäre<br />
traurig, wütend und es würde sich Widerstand in mir<br />
regen“, sagt der Macher der Klima-Monologe.<br />
DIE VERANTWORTUNG NICHT AUF EINZELNE<br />
ABSCHIEBEN<br />
Das Thema hat ihn derart gepackt, dass er auch sein<br />
nächstes Stück den Phänomenen rund um den Klimawandel<br />
widmen möchte. Seinen Lebensstil hat die<br />
Beschäftigung mit den Folgen aber nicht großartig<br />
beeinflusst. Ruf findet den Beitrag jedes Einzelnen zwar<br />
wichtig, meint aber, dass die Verantwortung nicht auf<br />
Einzelne abgeschoben werden könne, sondern dass ihr<br />
auf politischer Ebene durch Gesetze Rechnung getragen<br />
werden muss. „Wir leben in Deutschland zum Glück<br />
nicht in einem Land von Klimawandelleugnern, und<br />
das ist auch zu spüren. Es tut sich schon einiges, aber es<br />
könnte durchaus etwas schneller gehen“, sagt Ruf. Die<br />
Klima-Monologe erobern das Land dagegen schneller<br />
als viele andere Theaterstücke. Ein großes Netzwerk von<br />
Künstlern macht es möglich, das Stück überall im Land<br />
zu spielen. Requisiten, Kostüme und aufwendige Bühneninstallationen<br />
braucht es schließlich nicht. Allein die<br />
Abb.: Rekonstruktion der Temperaturänderungen der<br />
letzten 2.000 Jahre (Daten geglättet)<br />
Schauspielerinnen und Schauspieler sind erforderlich.<br />
Und mit denen probt Ruf im Eins-zu-eins online. Theoretisch<br />
kann das Stück an einem Abend in mehreren<br />
Städten zugleich dargeboten werden.<br />
Ehe sich bei den Betroffenen die Wut regt, weil sie erfahren,<br />
wer wirklich für den Klimawandel verantwortlich<br />
ist, oder ehe die Mühlen hierzulande etwas schneller<br />
mahlen, wird sich die Viehhirtin Quabale noch viele Male<br />
mit einem Gürtel den Bauch zusammenschnüren, um<br />
ihr Hungergefühl zu unterdrücken. Und die Reisbäuerin<br />
Johora wird sich, wie im Stück, noch viele Male fragen, wie<br />
oft man alles neu aufbauen kann. Wie oft?<br />
Anne Brockmann<br />
Freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Trott-war e. V.<br />
/ International Network of Street Papers<br />
Foto: DeWikiMan / Wikipedia (CC BY 4.0)<br />
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FREIeBÜRGER 06 | 2023 19
SECHS TAGE AM MEER<br />
„Wenn jemand eine Reise tut, so kann er was erzählen“,<br />
meinte schon der Dichter Matthias Claudius. Also erzähle<br />
ich Ihnen von meiner Reise nach Swinemünde (polnisch:<br />
Świnoujście) an der Ostsee.<br />
Schon die Anreise von Berlin nach Swinemünde war ein<br />
kleines Abenteuer. Eigentlich sollte die Fahrtdauer mit<br />
Regionalzügen der Bahn nur vier Stunden mit einem<br />
Umstieg betragen. Kurzfristig erhielt ich die Mitteilung,<br />
dass sich die Reisezeit auf sechs Stunden verlängert und<br />
vier Umstiege notwendig sind. Und weil bereits der erste<br />
Zug Verspätung hatte, dauerte die Fahrt schließlich acht<br />
Stunden. Zahlreiche Fahrgäste, deren Ziel Usedom war,<br />
verbrachten lange Wartezeiten auf den Bahnsteigen der<br />
trostlosen Bahnhöfe in Neubrandenburg, Pasewalk, Züssow<br />
und Wolgast. Die meisten trugen es mit Fassung.<br />
Gegen 18 Uhr konnte ich endlich in meinem Domizil, der<br />
Villa Anna Lisa, einchecken. Während ich den Koffer auspackte,<br />
riefen mich die Möwen ans Meer, das nur drei<br />
Minuten von meiner Pension entfernt war. Endlich der<br />
Anblick, nach dem ich mich schon lange sehnte! Das herrliche<br />
Meer hinter Dünen unter einem strahlend blauen<br />
Himmel! Der Hunger trieb mich dann in eines der zahlreichen<br />
Restaurants an der Promenade. Danach ging es<br />
noch mal zurück ans Meer, wo ich einen wunderschönen<br />
Sonnenuntergang bewundern konnte.<br />
Den ersten Tag meines Aufenthalts widmete ich der Erkundung<br />
von Swinemünde. Zunächst machte ich mich<br />
auf zum Grenzmarkt, wo günstige Zigaretten, Lebensmittel<br />
und Kleidung angeboten werden. Diese „Polenmärkte“<br />
gibt es überall auf der polnischen Seite entlang der Grenze<br />
zu Deutschland und sie sind für GrenzgängerInnen ein<br />
beliebtes Ziel. Zur weiteren Erkundung des Ortes bot sich<br />
eine Stadtrundfahrt mit der Bimmelbahn an, die entlang<br />
der Promenade durch das alte Kurviertel zum Hafen und<br />
zur Altstadt fährt. Der Teil von Swinemünde, der auf der<br />
Insel Usedom liegt, ist ein architektonisches Sammelsurium<br />
aus alter Pracht, Ostblockflair und modernen Bausünden.<br />
Die alten Villen im Kurviertel wurden mit experimentierfreudiger<br />
Note saniert und an jeder Ecke können die<br />
wundersamsten Stilbrüche bewundert werden, was der<br />
Stadt eine interessante Atmosphäre verleiht.<br />
Den zweiten Tag ging ich bei eiskaltem Wind am Strand<br />
entlang zum östlichen Ende der Insel, wo die Mühlenbake,<br />
das Wahrzeichen der Stadt, auf der in die Ostsee ragenden<br />
Westmole steht. Die Mühlenbake wurde 1874 gebaut<br />
und dient als Seezeichen für die ein- und ausfahrenden<br />
20<br />
FREIeBÜRGER 06 | 2023
Schiffe. Nicht weit entfernt befindet sich die Westbatterie<br />
„Fort Zachodni“, eine Festung, die einst erbaut wurde, um<br />
den Hafen vor Angriffen feindlicher Schiffe zu schützen.<br />
Wer sich für Militärgeschichte interessiert, wird von der<br />
Anlage und dem Museum begeistert sein.<br />
Am dritten Tag wanderte ich in westliche Richtung am<br />
Strand entlang nach Ahlbeck. In gemächlicher Gangart<br />
mit Gegenwind erreichte ich die berühmte Seebrücke<br />
nach neunzig Minuten. Und weil die Seebrücke von Heringsdorf<br />
bereits am Horizont zu sehen war, wanderte<br />
ich auch dorthin am Strand entlang. Heringsdorf ist mit<br />
seinen luxuriösen Residenzen das mondänste der drei<br />
Kaiserbäder. Ich habe dort zwei romantische Traumhäuser<br />
entdeckt, aber ein spendabler Milliardär lief mir leider<br />
nicht über den Weg. Mit dem Bus ging es zurück bis zur<br />
polnischen Grenze.<br />
Blick von Seebrücke Ahlbeck<br />
Am vierten Tag ging ich wieder Richtung Westen am<br />
Strand entlang nach Ahlbeck. Es ist einfach zu schön, sich<br />
gegen den frischen Wind zu stemmen und zwischendurch<br />
die verschiedenen Möwenarten zu beobachten. Von<br />
Ahlbeck aus fuhr ich mit dem Bus nach Bansin, dem dritten<br />
Kaiserbad. Bansin ist weniger mondän und hat mehr<br />
Charme als Heringsdorf. Viele alte Fischerhütten säumen<br />
die Promenade und laden zu einer Pause mit Fischbrötchen<br />
ein. Dahinter erheben sich neue Hotels und Appartementhäuser<br />
für die wohlhabenden UrlauberInnen. Hier<br />
treffen Chic und Charme als krasse Gegensätze aufeinander.<br />
Mit der „Kaiserbäderlinie“ der Usedomer Verkehrsbetriebe<br />
fuhr ich dann insgesamt eine Stunde von<br />
Bansin bis zur polnischen Grenze. Mit dem Linienbus lässt<br />
sich auf bequeme und preisgünstige Weise die Gegend<br />
erkunden.<br />
Am fünften Tag machte ich eine Hafenrundfahrt. Wer am<br />
Meer ist, sollte auch auf ein Schiff! Knapp ein Fünftel des<br />
polnischen Seehandels wird über Swinemünde abgewickelt<br />
und eine Flotte der polnischen Marine ist hier stationiert.<br />
Nicht weit vom Marinehafen entfernt erstreckt<br />
sich ein Vogelschutzgebiet. Den Rest des Tages verbrachte<br />
ich gemächlich mit Spaziergängen auf den Promenaden.<br />
Kreuz und quer ging es hin und her zwischen der von Lokalen<br />
und Geschäften gesäumten Promenade, der ruhigeren<br />
parallel verlaufenden neuen Promenade, dem Plankensteg<br />
bei den Dünen und dem Strand.<br />
Mühlenbake<br />
Am sechsten Tag geriet ich in wehmütige Abschiedsstimmung<br />
und schlenderte durch das beschauliche Kurviertel,<br />
den Kurpark, am Strand entlang und über die Promenaden.<br />
Den hypnotischen Klang der Wellen werde ich vermissen!<br />
Wenn jemand eine Reise tut, tut das richtig gut!<br />
Text & Fotos: utasch<br />
Blick vom Plankenweg<br />
FREIeBÜRGER 06 | 2023 21
Sonntagstreffs<br />
im <strong>Juni</strong> 2023<br />
Engagiert für<br />
wohnungslose Menschen<br />
04.06.2023<br />
13 Uhr<br />
11.06.2023<br />
12:30 Uhr<br />
18.06.2023<br />
13 Uhr<br />
25.06.2023<br />
13 Uhr<br />
Caritaswerkstätten St. Georg<br />
Uffhauserstraße 37 a (im Hof)<br />
Vesper auf die Hand / Vespertütenausgabe<br />
Straßenbahnlinie 5 Richtung Rieselfeld<br />
Halt Haslach Dorfbrunnen<br />
Herz-Jesu-Kloster Freiburg e. V.<br />
Gemeinschaft der Herz-Jesu-Priester<br />
Okenstraße 17 (Eingang von der Seitenstraße<br />
in den Garten)<br />
Straßenbahn 4 Richtung Zähringen<br />
Halt Okenstraße<br />
Evangelische Zachäus-Gemeinde<br />
Auwaldstraße 88<br />
Straßenbahnlinie 1 Richtung Landwasser<br />
Halt Diakoniekrankenhaus<br />
Friedensgemeinde / Waldsee<br />
Hirzbergstraße 1<br />
Straßenbahnlinie 1 Richtung Littenweiler<br />
Halt Musikhochschule<br />
Foto: E. Peters<br />
VERKÄUFER JONATHAN<br />
Wenn Sie beim LIdl in Freiburg (Basler Str./Ecke Konrad-Goldmann-Str.)<br />
Ihren Einkauf tätigen, dann haben Sie<br />
vielleicht schon einmal bei mir den FREIeBÜRGER gekauft.<br />
Ich heiße Jonathan, bin in Mulhouse geboren und aufgewachsen.<br />
In Freiburg lebe ich seit Dezember 2021. Ich<br />
kannte zwar die Straßenzeitung, habe aber selbst Pfandflaschen<br />
gesammelt, um über die Runden zu kommen.<br />
Ein FREIeBÜRGER-Verkäufer hat mich auf die Idee gebracht,<br />
die Zeitung zu verkaufen, und so habe ich Ende<br />
April 2023 mit dem Verkauf angefangen. An meinem<br />
Verkaufsplatz bin ich von Montag bis Samstag von 7:30<br />
bis 18 Uhr. Der Verkauf macht mir richtig viel Spaß und<br />
neben den Verkaufseinnahmen ist es der Kontakt zu Menschen,<br />
der mich freut. Es entstehen oft tolle Gespräche<br />
und selbst ein Minijob-Angebot habe ich in dieser kurzen<br />
Zeit schon erhalten. Auch arbeite ich gerade daran, mich<br />
in den nächsten Jahren in der Reinigungs- und Entrümpelungsbranche<br />
selbstständig zu machen. In meiner Freizeit<br />
bewege ich mich am liebsten in der Natur und reise<br />
sehr gerne. Zu meinem Glück fehlt mir jetzt nur noch<br />
eine eigene kleine Wohnung. Ich würde mich freuen,<br />
wenn mir jemand einen Tipp hätte oder von einer freien<br />
Wohnung weiß. Zum Schluss möchte ich noch ein großes<br />
Dankeschön an meine KundInnen für die Unterstützung<br />
richten und sage bis vielleicht ganz bald an meinem<br />
Verkaufsplatz...<br />
Ihr Jonathan<br />
JUNI 2023<br />
S.G.A.T.V. + THE GRASPING STRAWS +<br />
DEEBEAT RAMONE<br />
FR, 2. I 21 H I 666 UFO SYNTH PUNK, PSYCHEDELIC ART ROCK, EGG<br />
CHAIN PUNK<br />
PARADE GROUND + NAO KATAFUCHI +<br />
AFTERSHOW DJ BLEAKPHIL<br />
SA, 3. I 21 H I EBM, COLD WAVE<br />
MORENA LERABA<br />
FR, 9. I 21 H I I ELECTRO, AFRO-HOUSE, HIP-HOP<br />
poınts<br />
SA, 10. I 21 H I ELEKTRONISCH<br />
WAITING FOR ARABELLA<br />
KONZERT UND PERFORMANCE<br />
W/ BELLA NUGENT<br />
MI, 14. — DO, 15. — FR. 16. I 20 H<br />
FOLK, ROCK, DRAMA, SCHAUSPIEL<br />
REUNION GATE<br />
SO, 18. I 20 H I DARK ROCK, DOOM METALL<br />
VEREIN FÜR NOTWENDIGE KULTURELLE MASSNAHMEN e.V.<br />
HASLACHER STRASSE 25 | 79115 FREIBURG<br />
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22<br />
FREIeBÜRGER 06 | 2023
MITMACHSEITE<br />
Lernen Sie uns kennen...<br />
• Diskutieren Sie mit uns<br />
• Erzählen Sie uns Ihre Geschichte<br />
• Schreiben Sie einen Artikel<br />
• Unterstützen Sie unsere Aktivitäten<br />
• Kommen Sie auf ein Käffchen vorbei<br />
Machen Sie mit!<br />
Sagen Sie es weiter!<br />
Wir freuen uns auf Sie...<br />
Ihr FREIeBÜRGER-Team<br />
Engelbergerstraße 3 – 0761/3196525 – info@frei-e-buerger.de<br />
FREIeBÜRGER 06 | 2023 23
kostspielige Dinge und hinterfragt gleichzeitig ihre neuen<br />
Konsumgewohnheiten. Bevor Luxus für sie zur Normalität<br />
wird, wollte sie das Gefühl der Fremdheit konservieren.<br />
Und sie fragt: „Eat the rich, darf man das noch rufen,<br />
wenn man sich damit selbst den Fuß abbeißen würde?“<br />
„Man konsumiert Dinge, obwohl man sie selbst überhaupt<br />
nicht braucht, während andere nicht das konsumieren können,<br />
was sie unbedingt brauchen.“<br />
Die einzelnen Kapitel des Buches handeln von Dingen, die<br />
sie selbst oder andere Leute gekauft haben und von den<br />
Gedanken und Gefühlen, die das bei ihr verursacht. Wie<br />
in ihrem ersten Buch schreibt sie erneut gegen die Ungerechtigkeiten<br />
an, die wir alle verinnerlicht haben. Doch<br />
die Perspektive hat sich geändert.<br />
Anna Mayr<br />
„Geld spielt keine Rolle“<br />
Hanser Berlin<br />
ISBN 978-3-446-27589-8<br />
176 Seiten | 22 €<br />
GELD SPIELT KEINE ROLLE<br />
Buchbesprechung von utasch<br />
In ihrem ersten Buch „Die Elenden“, das an dieser Stelle<br />
im November 2020 vorgestellt wurde, schrieb Anna Mayr<br />
über ihre persönliche Armutserfahrung in einer Hartz<br />
IV-Familie und über die gesellschaftliche Verachtung, die<br />
den Armen das Leben zusätzlich erschwert.<br />
Ihre eigene Armut hat Mayr inzwischen überwunden. Als<br />
Journalistin bei einer namhaften Wochenzeitung verdient<br />
sie gut genug, um 600 € für einen Umzug, 225 € für eine<br />
Katzentherapeutin und fast 75 € für einen Baby-Badeanzug<br />
ausgeben zu können.<br />
Über diesen Wohlstand und die Zerrissenheit, die er in ihr<br />
auslöst, reflektiert sie in ihrem neuen Buch „Geld spielt<br />
keine Rolle“. Befreit von der ökonomischen Notwendigkeit,<br />
immer das Billigste kaufen zu müssen, genießt sie nun<br />
Im kurzweiligen Plauderton berichtet sie von ihrem<br />
verhaltensgestörten Kater, der auf das neue, teure Sofa<br />
pinkelt, von der Dekadenz beim Bundespresseball im<br />
Hotel Adlon und der Anschaffung ihres Hochzeitskleides.<br />
Weil sie mehr als 64.350 € jährlich verdient, muss sie eine<br />
Entscheidung über die Wahl der Krankenversicherung<br />
treffen, erklärt sachkundig das Abrechnungssystem der<br />
gesetzlichen Krankenkassen und warum so viele Besserverdienende<br />
zur privaten Krankenversicherung wechseln.<br />
Am Immobilienmarkt gerät sie schließlich an die Grenze<br />
ihres bescheidenen Wohlstands, denn für den Erwerb<br />
einer geräumigen Wohnung müsste sie sich bis ans<br />
Lebensende verschulden.<br />
Mayr offenbart uns ihre Selbstzweifel und ihre Zweifel<br />
an den Versprechen der Leistungsgesellschaft und der<br />
oft beschworenen Chancengleichheit. Druck, Anstrengung<br />
und Wettkampf seien heutzutage die Dinge, die<br />
uns glücklich machen sollen, doch Aufwand, Anstrengung<br />
und Qual seien keinesfalls natürliche Bedürfnisse.<br />
Leistungsdruck führt nicht zu Wohlbefinden. Konsum ist<br />
eine Ersatzhandlung und Kaufen eine Verzweiflungstat.<br />
Mit dem Einkommen steigen auch die Ansprüche und<br />
<strong>Ausgabe</strong>n.<br />
„Kaufen ist, als würde man ein Bild von sich malen,<br />
auf dem man viel besser aussieht als in der Realität.“<br />
Die ökonomischen Voraussetzungen der Einzelnen sind<br />
der wichtigste Grund, aus dem viele zu VerliererInnen<br />
und wenige zu GewinnerInnen werden. Man kann unter<br />
den gesellschaftlichen Verhältnissen leiden oder von<br />
ihnen profitieren. Lösungsvorschläge für dieses Problem<br />
bietet Mayr nicht. Doch ihre unterhaltsame Selbsterkundung<br />
samt alltagsnaher Konsum- und Kapitalismuskritik<br />
regt dazu an, die eigenen Lebens- und Kaufgewohnheiten<br />
zu überdenken.<br />
24<br />
FREIeBÜRGER 06 | 2023
JUBILÄUMSBURGER<br />
Foto: E. Peters<br />
Herzlich willkommen auf unserer Kochseite!<br />
Burger gehen doch wirklich immer. Sie sind und bleiben<br />
mit das Beste, was man aus hochwertigem Hackfleisch<br />
herstellen kann. Wann genau der erste Burger serviert<br />
wurde, lässt sich heute nur noch schwer sagen. Aber eines<br />
ist sicher: Die ersten reinen Burger-Restaurants entstanden<br />
Mitte der 1950er Jahre und damit begann auch der<br />
Siegeszug des Burgers.<br />
Heute existieren Burger in den unterschiedlichsten Varianten<br />
vom klassischen Hamburger bis zum Veggie-Burger.<br />
Kaum ein Lebensmittel entwickelt sich derart weiter,<br />
wie es der Burger bis heute tut, und ein Ende der Weiterentwicklungen<br />
ist nicht abzusehen. Somit bietet ein<br />
Burger viel Potenzial, eigene Wünsche oder Vorlieben zu<br />
berücksichtigen, vorausgesetzt Sie machen ihn selber. Das<br />
Tolle: Jeder kann seinen Burger belegen und zusammenbauen,<br />
wie er möchte.<br />
Unser FREIeBÜRGER-Jubiläumsburger zu unserem 25.<br />
Geburtstag ist ein herzhafter Laugenburger mit einem<br />
Frikadellen-Patty aus bestem Rinderhackfleisch, mit einigen<br />
klassischen Zutaten, jedoch mit Sauerkraut abgerundet.<br />
Einfach, anders und sooo lecker! Viel Spaß beim<br />
Nachbauen!<br />
Zutaten für 4 Personen:<br />
4 Laugenbrötchen<br />
1 Weizenbrötchen<br />
600 g Rinderhackfleisch<br />
50 ml Milch<br />
1 Esslöffel Senf<br />
Salatblätter<br />
Zubereitung:<br />
Das Weizenbrötchen würfeln und in Milch einweichen.<br />
Das Hackfleisch zusammen mit dem Senf, dem eingeweichten<br />
Brötchen, dem Ei und etwas Salz und Pfeffer in<br />
einer Schüssel vermengen. Die fertige Masse zu vier Frikadellen<br />
formen. Anschließend in einer Pfanne ca. 5 Minuten<br />
von beiden Seiten anbraten.<br />
Währenddessen die Zwiebeln in Ringe schneiden, das<br />
Sauerkraut mit etwas Zucker verfeinern und die Laugenbrötchen<br />
in zwei Hälften schneiden. Die untere Seite mit<br />
Senf bestreichen. Darauf kommen Salat, Sauerkraut, die<br />
Zwiebelringe, die Frikadelle und bei Bedarf Salz und Pfeffer.<br />
Nun noch die obere Hälfte des Brötchens aufsetzen,<br />
und schon ist unser Jubiläumsburger fertig!<br />
Guten Appetit!<br />
1 rote Zwiebel<br />
300 g Sauerkraut<br />
1 Ei<br />
1 Esslöffel Zucker<br />
Salz & Pfeffer<br />
Oliver & Ekki<br />
FREIeBÜRGER 06 | 2023 25
so gedacht, vor allem weil das ja auch noch ein Riesenerfolg<br />
gewesen wäre. Doch das reichte Team Deutschland<br />
nicht und so schlugen sie die Amerikaner in einem packenden<br />
Halbfinale in der Verlängerung und zogen sensationell<br />
ins Endspiel ein! Am meisten imponierte mir<br />
der Kampfgeist der deutschen Mannschaft, wie die Truppe<br />
immer wieder zurück ins Match kam und am Ende<br />
gewann. An den Gesichtern der Amerikaner nach dem<br />
Spiel konnte man sehen, dass das auch für sie sehr überraschend<br />
war. Wie gesagt, Kanada war eine Nummer zu<br />
groß, da fehlte dann im letzten Drittel die Kraft. Egal, das<br />
deutsche Team fährt trotzdem als Gewinner nach Hause.<br />
Hallöchen, liebe Sportfreunde,<br />
so da bin ich mal wieder, mit Neuem vom Sport. Und da<br />
gibt es vom vergangenen Monat eine ganze Menge zu<br />
berichten, denn der Mai war nicht nur verregnet, sondern<br />
sportlich gesehen auch sehr turbulent. Da wäre zum<br />
einen die beste Eishockey-WM eines deutschen Teams<br />
seit dem Jahr 1930 und zum anderen ging eine der spannendsten<br />
und denkwürdigsten deutschen Fußballmeisterschaften<br />
zu Ende. Allerdings nur auf dem Platz, neben<br />
dem Rasen wird es wohl noch das eine oder andere Nachspiel<br />
haben!<br />
Doch beginnen werde ich heute mal mit Eishockey, das<br />
Thema ist für mich nicht ganz so traurig. Denn bei dieser<br />
Weltmeisterschaft in Finnland und Lettland spielten die<br />
deutschen Cracks ein herausragendes Turnier und standen<br />
zum ersten Mal seit 1930 im Finale einer Weltmeisterschaft.<br />
Zwar war Rekordweltmeister Kanada im Endspiel<br />
dann doch eine Nummer zu groß, doch die Silbermedaille<br />
ist die erste Medaille eines deutschen Eishockeyteams bei<br />
einer WM seit 70 Jahren! Und das dürfte das verlorene Finale<br />
dann doch etwas aufwerten...<br />
Dabei sind die Deutschen eigentlich alles andere als optimal<br />
in das Turnier gestartet. Zu Beginn gab es gegen<br />
Schweden, Finnland und die USA drei Niederlagen. Die<br />
restlichen vier Spiele mussten nun unbedingt gewonnen<br />
werden, um ins Viertelfinale einzuziehen. Und das wurden<br />
sie auch, und zwar recht beeindruckend. In der Runde<br />
der letzten Acht wurde dann der Geheimfavorit Schweiz<br />
aus dem Rennen geworfen und im Halbfinale ging es<br />
wieder gegen die Amis. Und hier bin ich dann überrascht<br />
worden, denn ich hatte erwartet, dass sie das Match wieder<br />
knapp verlieren werden und dann gegen Lettland um<br />
Bronze spielen. Wahrscheinlich haben viele andere auch<br />
Aber nun mal zum Krimi Bundesliga. Das Wichtigste zuerst:<br />
Lüdenscheid ist nicht Meister! Die haben doch tatsächlich<br />
am letzten Spieltag den Titel verschenkt. Aber<br />
ganz ehrlich, wer in so einem wichtigen Spiel am entscheidenden<br />
letzten Spieltag im eigenen Stadion nicht<br />
gegen Mainz gewinnt, der hat die Schale einfach nicht<br />
verdient. Normalerweise müssten die eine Verzichtserklärung<br />
unterschreiben, die besagt, dass sie in den nächsten<br />
10 Jahren das Wort Meisterschaft nicht einmal in den<br />
Mund nehmen dürfen! Geschweige denn, darum mitspielen.<br />
Vor zwei Wochen, als der Schiri den Bayern den Titel<br />
eigentlich schon geschenkt hatte, hätte ich mich über diesen<br />
Ausgang gefreut. Dann hätten die anderen endlich<br />
gewusst, wie man sich fühlt, wenn der Schiri einem die<br />
Schale klaut und man als Meister der Herzen beschimpft<br />
wird. Aber davon sind sie ja nun meilenweit entfernt, die<br />
hatten dank Leipzig ja die Chance, selbst alles klarzumachen.<br />
Sie mussten nur ihr letztes Heimspiel gewinnen,<br />
nichts weiter... Schalke musste damals gewinnen und<br />
dann abwarten, wie die Partie HSV gegen den Schiedsrichter<br />
ausgeht. Das Ganze hat aber auch was Gutes, im<br />
Ruhrpott wird jetzt gar nicht so viel über Schalkes Abstieg<br />
gelacht. Die Lachnummer trägt dieses Jahr Schwarz-Gelb!<br />
Nun also doch wieder die Bayern. Ist ja nicht das erste<br />
Mal, dass sie den Titel holen, ohne was dafür zu können.<br />
Ich hatte schon gehofft, nur die Münchner Fußballfrauen<br />
feiern auf dem Rathausbalkon den Titel! Aber so dramatisch<br />
war es lange nicht. Zuerst liefen sie wochenlang Union<br />
Berlin und dem SC Freiburg hinterher, als sie die beiden<br />
endlich hatten, kommt Lüdenscheid aus dem Nichts<br />
und die beiden liefern sich ein Duell und als am Ende alles<br />
verloren schien, kriegen sie die Schale doch noch geschenkt.<br />
Und auf dem Weg dahin war allerhand passiert.<br />
Dieses „Mia san mia“, diese heile Welt der Bayern-Familie,<br />
das gibt es wohl nicht mehr. Erst wird aus heiterem Himmel<br />
der „Trainer der Zukunft“ entlassen, dann prügeln<br />
sich die Stars in der Kabine und zu guter Letzt schmeißt<br />
man einen Tag vor dem wichtigen letzten Spiel die beiden<br />
Bosse raus. Sensationell, vor allem Letzteres! Ich meine,<br />
dass Kahn und Brazzo gehen müssen, war mir spätestens<br />
26<br />
FREIeBÜRGER 06 | 2023
Foto: Cathrin Mueller / REUTERS<br />
Abb.: „Fußballgott“ Nils Petersen beendet nach zwölf Jahren seine Karriere als Fußballprofi beim SC Freiburg.<br />
klar, als zwei der drei Titel verspielt waren, als sich rausstellte,<br />
dass der Trainerrauswurf von Nagelsmann sportlicher<br />
Blödsinn war. Aber warum der dämliche Zeitpunkt,<br />
warum entlässt man die vor und nicht nach dem Spiel?<br />
Und dann wundert man sich, wenn ein Olli Kahn ausrastet,<br />
wenn ihm einen Tag vor dem letzten Spiel mitgeteilt<br />
wird, dass er entlassen wird! Allerdings muss der wohl<br />
richtig ausgetickt sein, denn man hat ihm dann ja verboten,<br />
mit nach Köln zu fahren. Vielleicht kommt ja noch<br />
raus, wen der umgehauen hat. Eins ist Fakt, jetzt wird sich<br />
in München einiges ändern. Das hat man bei der Pressekonferenz<br />
der Bayern einen Tag nach dem Spiel gespürt!<br />
Der neue Chef sprach nicht vom FC Bayern oder von Spielern,<br />
bei ihm ging es ums Unternehmen und um Angestellte.<br />
Endlich spricht es mal einer aus!<br />
Für Leipzig und Union Berlin geht es in der nächsten Saison<br />
in die Champions League und zumindest für die Berliner<br />
dürfte das wie ein Märchen sein. Die haben jetzt in<br />
ihrer gesamten Historie vier Jahre in der ersten Bundesliga<br />
gespielt und dann gleich so etwas. Hut ab, Union! Doch<br />
auch der Sportclub Freiburg muss sich nicht verstecken,<br />
um ein Haar hätten sie sich ja selbst für die Champions<br />
League qualifiziert. Die Jungens haben eine tolle Saison<br />
hingelegt und immer ganz oben mitgemischt, zudem<br />
standen sie ja auch noch im Halbfinale im Pokal, auch in<br />
der Europa League haben sie supertolle Spiele abgeliefert.<br />
Jetzt geht die Reise durch Europa weiter und wer weiß,<br />
vielleicht kommt ja der FC Liverpool! Einer macht die Reise<br />
leider nicht mehr mit: Nils Petersen. Der von den Fans im<br />
Breisgau zum Fußballgott erhobene Stürmer beendet seine<br />
Karriere. Seine Rekorde dürften wohl eine Weile bestehen<br />
bleiben, zumindest der des treffsichersten Einwechselspielers.<br />
Alles Gute für den weiteren Weg!<br />
Abgestiegen wurde auch noch und nachdem Hertha sich<br />
dafür schon früh entschieden hatte, kamen am letzten<br />
Spieltag überraschend noch meine Schalker dazu. Der VfB<br />
Stuttgart hat noch Bedenkzeit und zwei Relegationsspiele,<br />
um uns dann zu folgen. Die grottenschlechte Hinrunde<br />
der Schalker war eben doch nicht mehr aufzuholen. Am<br />
Ende war es knapp, aber ganz ehrlich auch ein bisschen<br />
verdient! Dafür steigen Darmstadt und erstmals Heidenheim<br />
in die erste Liga auf.<br />
Für heute war es das mal wieder. In der nächsten <strong>Ausgabe</strong><br />
gibt es dann mehr zum Abstieg, dem FC Schalke 04, zur 2.<br />
Liga und zur Nationalmannschaft, die im <strong>Juni</strong> ihr eintausendstes<br />
Länderspiel absolviert...<br />
Carsten<br />
FREIeBÜRGER 06 | 2023 27
Kontakt: www.schemske.com<br />
FOLGE 36<br />
Geburtstags-Party im Gewächshaus – so lautete der Titel<br />
der E-Mail. Von der Besançon-Allee nach Rieselfeld, aber<br />
nicht geradeaus, sondern gleich rechts ab in die Mundenhofstraße<br />
fahren. Immer dem Straßenverlauf folgen. Rechts<br />
abbiegen in den Weg „Zum Tiergehege“. Am Gartentor habe<br />
ich ein Schild aufgestellt. Die Limo steht schon früh da, dahinter<br />
könnt ihr parken. LG, Johnnie<br />
Wolf parkte den Maybach wie vorgeschrieben. Als er und<br />
Mary Sylvester ausstiegen, hörten sie Vogelgezwitscher im<br />
Bambushain, der sich links und rechts des schmalen Weges<br />
erstreckte. Ein melodisches Brummen wurde lauter,<br />
dazwischen erklangen Mädchenstimmen. Nach einer Biegung<br />
standen sie plötzlich vor dem Eingang des ominösen<br />
Gewächshauses. Die Glastür stand offen. Links gab es eine<br />
Bar, die mit allerhand Trödel garniert war, rechts waren<br />
die Toiletten. Der Weg durchs Gewächshaus führte durch<br />
Büsche, noch mehr Bambus und andere Zierpflanzen.<br />
Hinter dem Glashaus standen Biertische. Sie waren am<br />
VIP-Bereich angelangt. Unter breiten Sonnenschirmen<br />
saßen Annabell, ihre Tochter Susi und daneben ihre Crew.<br />
Die kichernden Mädchen umringten Johnnie, das Geburtstagskind.<br />
Er stand auf und winkte. Mary und Wolf<br />
setzten sich auf die noch freien Plätze.<br />
Wolf schaute sich um. Das Gewächshaus stand in einem<br />
Gartengelände, umringt von Büschen und niedrigen<br />
Bäumen. In der Mitte brannte ein Lagerfeuer aus Palettenholz,<br />
und rechts war ein Pavillon aufgebaut, vor dem<br />
große Lautsprecher standen. Jetzt verstand Wolf, was das<br />
Brummen bedeutete. Es war Musik. Manchmal änderte<br />
sich die Tonlage des Brummens und höhere Töne kamen<br />
dazu, vermischt mit rhythmischem Knattern und Zischen<br />
– Lounge.<br />
Er ging hin. Im Pavillon standen Racks mit der PA-Anlage,<br />
davor Tische mit Plattenspielern, die aber unbeleuchtet<br />
waren und sich nicht drehten. Es herrschte eine unangenehme<br />
Stimmung, obwohl niemand in dem Pavillon war.<br />
Wirklich? Ist da doch jemand? Ganz hinten? Wolf schnüffelte.<br />
Es hing ein feiner, aber unangenehmer Geruch in<br />
der schalen Luft im Pavillon.<br />
Jemand blies ihm in den Nacken. Wolf erschrak. Es war<br />
Johnnie. Er deutete mit seinem langen Zeigefinger ins<br />
Zelt. „Das ist eine Leih-Anlage. Die Typen haben den<br />
Laptop auf Dauerlauf gestellt. Morgen kommen sie und<br />
bauen alles ab.“ „Wie macht Ihr die Musik aus?“ „Stecker<br />
ziehen.“ Johnnie wandte sich ab und ging zum Lagerfeuer.<br />
Erst jetzt sah Wolf den Kreis niedriger Sitzgelegenheiten,<br />
auf denen man saß und Würstchen grillte.<br />
Man denkt, mit Bier, Wein, Weib und Gesang ließe sich<br />
eine gelöste Partystimmung erzeugen, aber weit gefehlt.<br />
Es braucht eine Gastgeberin, die mit warmer Herzlichkeit<br />
die Gäste begrüßt. Johnnie hatte als Begrüßung nur gewinkt.<br />
Kein Wunder, dass sich die Leute verloren fühlten.<br />
Auch die Musik war gefühllos und kalt.<br />
Wolf erinnerte sich an das Abendessen mit Didi. Obwohl<br />
sie zu keinem Ergebnis gelangt waren, hatte Wolf sich bei<br />
seinem Jugendfreund wohlgefühlt. Er musste das Thema<br />
ein andermal wieder aufnehmen. Hier konnte er nichts<br />
ausrichten. Jedes Gespräch wurde durch die Teilnahmslosigkeit<br />
der Geburtstagsgäste und die penetrante Musik<br />
unmöglich gemacht.<br />
Er hat mich gesehen, muss ihn mir noch mal vornehmen.<br />
Genau in meine Richtung hat er geschaut. Obwohl, er<br />
***<br />
28<br />
FREIeBÜRGER 06 | 2023
lickte in die Screens der Laptops, in die LEDs der Mischpulte,<br />
das kann ihn geblendet haben. Was solls, ich muss<br />
jetzt los, die Schöne, obenrum nicht mehr so Dünne, taufen.<br />
Bluetooth sei Dank, die Alte ist pissen. Schlange am Klo, das<br />
dauert. Und ewig lockt der Vocoder. Noch warten. Hört sie<br />
meine Signale? Die Brut wird gelockt. Hoffentlich spritzt sie<br />
nicht, sonst hol‘ ich mir noch was.<br />
***<br />
„Mitch, bringst du mir bitte Würstchen und ein bleifreies<br />
Bier?“ Wolf nickte Mary Sylvester zu und ging zum Lagerfeuer.<br />
Annabell und Susi beobachteten ihre Würstchen,<br />
die langsam braun wurden. „Muss mal“, sagte Annabell<br />
und ging zum Gewächshaus. Wolf nahm sich Würstchen<br />
und zog die Alkoholfreien aus der Kühlbox.<br />
Unter dem VIP-Schirm saßen nur er und Mary, die anderen<br />
waren zum Feuer gegangen. „Merguez sind's nicht,<br />
aber ganz gut.“ „Soll ich dir noch ein Paar bringen?“<br />
„Und ein Bier. Danke.“ Wolf ging zum Lagerfeuer, das<br />
inzwischen heruntergebrannt war. Die Würstchen waren<br />
noch blass. Er schaute sich um. Annabell und Susi waren<br />
nirgends zu sehen.<br />
Er hob den Kopf und schnüffelte. Da war wieder dieser<br />
feine, aber unangenehme Geruch, nur kurz wahrnehmbar,<br />
in der rauchigen Luft ums Feuer gewesen. Hatte ihn<br />
die Nachtluft aus dem Wäldchen her geweht, das sich<br />
hinten an den weitläufigen Garten um das Gewächshaus<br />
anschloss?<br />
Wenn er sich nicht täuschte, und ein Geruchssinn konnte<br />
sich nicht täuschen, dann war diese Person, die er im<br />
Musikzelt vermutet hatte, jetzt am dunklen Waldrand.<br />
Er hörte eine dünne Stimme. Das war doch ... aber das<br />
konnte doch nicht sein, Annabell wartete vor dem Klo, das<br />
hatte er vorhin bemerkt. Wo war Susi?<br />
Wolf zählte zwei und zwei zusammen und ließ die Würstchen<br />
fallen. Lautlos bewegte er sich ins Dunkel. Richtig, da<br />
hinten musste sie sein, Susis Parfum leitete ihn zuverlässig<br />
in das Wäldchen. Annabells Stimme war nicht mehr<br />
zu hören. Jetzt rief Susi etwas, sie war wohl noch weit vor<br />
ihm. „Mama?“ Keine Antwort. Wolf beschleunigte seine<br />
Schritte. Jetzt war er nicht mehr so lautlos, er folgte Susis<br />
Ruf. War er im Kreis gelaufen? Neben ihm war immer<br />
noch der Garten, und er erkannte, dass er auf einem Weg<br />
oder Pfad gelaufen war, der zu einem Swimmingpool<br />
führte. Schulterhoch stieg eine Umgrenzung kreisrund<br />
aus dem Gras, mit einer Persenning abgedeckt.<br />
Etwas plätscherte. Unter der Abdeckung bewegte sich etwas.<br />
Zwei Hügel drückten sich von unten in das Plastikgewebe,<br />
das zum Schutz des Poolwassers vor Schmutz und<br />
Insekten diente. Bei der Einstiegsleiter waren einige der<br />
Spannseile lose.<br />
Wolf zog Schuhe und Jackett aus und legte den Geldbeutel<br />
und sein Handy darauf. Dann schlug er die Abdeckung<br />
zurück und ließ sich ins Wasser gleiten. Er tauchte und<br />
plötzlich berührte er ein Bein. Es bewegte sich leicht in<br />
den Wellen, die er verursacht hatte. Schnell tauchte er<br />
weiter. Es war Susi, ihr kosmetisch verstärkter Busen hatte<br />
die Persenning ein Stück weit angehoben und ein Luftloch<br />
im Wasser gebildet. Auch Wolf musste jetzt atmen.<br />
Schnell griff er nach Susis Arm und zog sie vorwärts.<br />
Mit einem Arm zog er sie, mit dem anderen Arm bewegte<br />
er die Persenning und zog so das Luftloch mit ihnen vorwärts.<br />
Ob Susi noch atmete? Schneller, schneller, watete<br />
er durch den kalten Pool. Da, die Leiter! Er zog sich hoch<br />
und Susi hinterher.<br />
Als er Susis Kopf ins Freie hob, griff Johnnie zu und half<br />
ihm, den leblosen Körper aufs Gras zu legen. „Beatmen!“,<br />
schrie Mary, und Johnnie drückte Susis Brustkorb mit<br />
beiden Armen rhythmisch auf und ab. Dazwischen legte<br />
er seine Lippen auf ihre und blies. Ein Schwall Wasser fuhr<br />
ihm ins Gesicht. „Sie lebt!“ „Ins Gewächshaus, abtrocknen,<br />
warme Decken, los, los!“ Mary half ihnen, Susi abzutransportieren.<br />
Am Gewächshaus trafen sie auf Annabell. Sie<br />
begriff sofort und lotste sie zu der Abteilung, wo dicke Bananenstauden<br />
zur gerundeten, gläsernen Decke wuchsen.<br />
„Hier, hierhin, legt sie auf den Boden, es ist schön warm.“<br />
Wolf zitterte. Nass und kalt konnte er kaum sprechen.<br />
„Mary, bei der Leiter, am Pool, hol mir mein Jackett und<br />
den Geldbeutel, das Handy liegt daneben.“ „Gleich, zieh<br />
die nassen Sachen aus.“ Sie schlüpfte aus ihrer warmen<br />
Kostümjacke und legte sie über seine Schultern. Dann verschwand<br />
sie aus seinem Blickfeld.<br />
- Fortsetzung folgt -<br />
NEU!<br />
www.schemske.de<br />
Wolf-Hammer-Krimi<br />
als Audiobook<br />
FREIeBÜRGER 06 | 2023 29
WIR WERDEN DIE NUSS SCHON KNACKEN!<br />
WORTSPIELRÄTSEL<br />
von Carina<br />
Fett umrandete Kästchen stellen den jeweiligen Lösungsbuchstaben des endgültigen<br />
Lösungswortes dar und zwar von oben nach unten gelesen. Sind pro Einzellösung mehrere<br />
Kästchen fett umrandet, sind diese Buchstaben identisch! Alles klar? Na dann viel Spaß!<br />
Zur Beachtung: Ä/Ö/Ü = AE/OE/UE und ß = SS<br />
Juchee, allerliebste Kopfnuss-Gemeinde!<br />
Kaum zu fassen, aber wahr: FREIeBÜRGER wird jetzt 25 Jahr! In dieser ganzen Zeit gab es<br />
einige Höhen und Tiefen. Manchmal war es auch eher wie in einer Achterbahn oder in<br />
einem Auto-Scooter. Da auch ich ja bereits seit dem ersten Jahr dabei war, könnte ich ein<br />
Lied singen und das tu’ ich auch: Happy Birthday to You – So alt wird keine Kuh! – Doch sie<br />
lernt immer noch dazu! Hoch die Tassen! Lasst es krachen! Trommelwirbel, Stimmung und<br />
Konfetti und auch von mir aus Mainz die allerherzlichsten Glückwünsche!<br />
Diesmal heißt das Thema Feiern – Prost!<br />
1. Ziffer einer Zeiteinheit<br />
2. Begehrensäußerung zur Positivfügung<br />
3. Möbelstück mit kalter Speise<br />
4. Gemütszustand mit Wetterlage<br />
5. Aufforderung zur Feuergarung an eine englische Feier<br />
6. Kleine Kirche mit hörbarer Kunstform<br />
7. Das Gegenteil von loser Nacht<br />
8. Unklein brav<br />
9. Brandereignis-Fabrik<br />
10. Kracherfest<br />
Lösungswort:<br />
Zu gewinnen für das korrekte Lösungswort:<br />
1.- 3. Preis je ein Gutschein unserer Wahl<br />
UND:<br />
Im Dezember 2023 wird von ALLEN korrekten<br />
Einsendungen ein zusätzlicher Gewinner gezogen,<br />
der eine besondere Überraschung erhält!<br />
Einsendeschluss<br />
ist der 28. <strong>Juni</strong> 2023<br />
(es gilt das Datum des Poststempels bzw. der E-Mail)<br />
E-Mails nur mit Adressen-Angabe. Unsere Postanschrift finden Sie<br />
im Impressum auf Seite 31. Teilnahmeberechtigt sind alle, außer die<br />
Mitglieder des Redaktionsteams. Wenn es mehr richtige Einsendungen als<br />
Gewinne gibt, entscheidet das Los. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.<br />
Lösungswort der letzten <strong>Ausgabe</strong>: HAUSGEBURT<br />
bestehend aus den folgenden Einzellösungen:<br />
1. DACHPFANNE 2. KLIMAANLAGE<br />
3. PLATTENBAU 4. ZEMENTSACK 5. OBERGESCHOSS<br />
6. WEINKELLER 7. BAUTRAEGER<br />
8. JAEGERZAUN 9. FESTPREIS 10. KANTHOLZ<br />
Gewonnen haben (aus 63 korrekten Einsendungen):<br />
F. Stettenbenz, Freiburg<br />
K. Reinholz, Kirchzarten<br />
U. Jakob, Ihringen<br />
HERZLICHEN GLÜCKWUNSCH !<br />
Die Gewinner werden schriftlich benachrichtigt.<br />
30<br />
FREIeBÜRGER 06 | 2023
ÜBER UNS<br />
Seit Jahren geht in unserer Gesellschaft die Schere zwischen<br />
Arm und Reich weiter auseinander. Besonders durch die<br />
Agenda 2010 und die damit verbundenen Hartz IV-Gesetze<br />
wurden Sozialleistungen abgesenkt. Die Lebenshaltungskosten<br />
steigen jedoch von Jahr zu Jahr. Viele Menschen kommen<br />
mit den Sozialleistungen nicht mehr aus oder fallen schon<br />
längst durch das ziemlich löchrig gewordene soziale Netz.<br />
Und heute kann jeder von Arbeitslosigkeit bedroht sein.<br />
Vereine und private Initiativen versuchen die Not, in welche<br />
immer mehr Menschen kommen, zu lindern und die Lücken<br />
im System zu schließen. Es gibt unterschiedliche nichtstaatliche<br />
Einrichtungen wie z. B. die Tafeln, welche sich um diese<br />
ständig wachsende Bevölkerungsgruppe kümmern. Oder<br />
eben die Straßenzeitungen wie der FREIeBÜRGER.<br />
In unserer Straßenzeitung möchten wir Themen aufgreifen,<br />
welche in den meisten Presseerzeugnissen oft zu kurz oder<br />
gar nicht auftauchen. Wir wollen mit dem Finger auf Missstände<br />
zeigen, interessante Initiativen vorstellen und kritisch<br />
die Entwicklung unserer Stadt begleiten. Wir schauen aus<br />
einer Perspektive von unten auf Sachverhalte und Probleme<br />
und kommen so zu ungewöhnlichen Einblicken und<br />
Ansichten. Damit tragen wir auch zur Vielfalt in der lokalen<br />
Presselandschaft bei.<br />
Gegründet wurde der Verein im Jahr 1998 von ehemaligen<br />
Wohnungslosen und deren Umfeld, deshalb kennen die<br />
MitarbeiterInnen die Probleme und Schwierigkeiten der<br />
VerkäuferInnen aus erster Hand. Ziel des Vereins ist es, dass<br />
Menschen durch den Verkauf der Straßenzeitung sich etwas<br />
hinzuverdienen können, sie durch den Verkauf ihren Tag<br />
strukturieren und beim Verkaufen neue Kontakte finden<br />
können. Wir sind eine klassische Straßenzeitung und geben<br />
unseren VerkäuferInnen die Möglichkeit, ihre knappen finanziellen<br />
Mittel durch den Verkauf unserer Straßenzeitung<br />
aufzubessern. 1 € (Verkaufspreis 2,10 €) pro <strong>Ausgabe</strong> und das<br />
Trinkgeld dürfen unsere VerkäuferInnen behalten.<br />
Es freut uns zum Beispiel sehr, dass sich einige wohnungslose<br />
Menschen über den Verkauf der Straßenzeitung eine neue<br />
Existenz aufbauen konnten. Heute haben diese Menschen<br />
einen sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplatz und eine<br />
Wohnung. Der FREIeBÜRGER unterstützt also Menschen<br />
in sozialen Notlagen. Zu unseren VerkäuferInnen gehören<br />
(ehemalige) Obdachlose, Arbeitslose, GeringverdienerInnen,<br />
RentnerInnen mit kleiner Rente, Menschen mit gesundheitlichen<br />
Problemen, BürgerInnen mit Handicap u. a. Unser Team<br />
besteht derzeit aus fünf MitarbeiterInnen. Die Entlohnung<br />
unserer MitarbeiterInnen ist äußerst knapp bemessen und<br />
unterscheidet sich aufgrund der geleisteten Arbeitszeit und<br />
Tätigkeit. Dazu kommt die Unterstützung durch ehrenamtliche<br />
HelferInnen. Leider können wir durch unsere Einnahmen<br />
die Kosten für unseren Verein, die Straßenzeitung und Löhne<br />
unserer MitarbeiterInnen nicht stemmen. Daher sind wir<br />
auch in Zukunft auf Unterstützung angewiesen.<br />
SIE KÖNNEN UNS UNTERSTÜTZEN:<br />
• durch den Kauf einer Straßenzeitung oder<br />
die Schaltung einer Werbeanzeige<br />
• durch eine Spende oder eine Fördermitgliedschaft<br />
• durch (langfristige) Förderung eines Arbeitsplatzes<br />
• durch Schreiben eines Artikels<br />
• indem Sie die Werbetrommel für unser<br />
Sozialprojekt rühren<br />
Helfen Sie mit, unser Sozialprojekt zu erhalten und weiter<br />
auszubauen. Helfen Sie uns, damit wir auch in Zukunft<br />
anderen Menschen helfen können.<br />
Impressum<br />
Herausgeber: DER FREIeBÜRGER e. V.<br />
V.i.S.d.P: Oliver Matthes<br />
Chefredakteur: Uli Herrmann († 08.03.2013)<br />
Titelbild: 1234rock<br />
Layout: Ekkehard Peters<br />
An dieser <strong>Ausgabe</strong> haben mitgearbeitet:<br />
Carsten, Carina, Conny, Ekki, H. M. Schemske,<br />
Karsten, Oliver, Recht auf Stadt, Rose Blue, utasch<br />
und Gastschreiber<br />
Druck: Freiburger Druck GmbH & Co. KG<br />
Auflage: 5.000 | Erscheinung: monatlich<br />
Vereinsregister: Amtsgericht Freiburg | VR 3146<br />
Kontakt:<br />
DER FREIeBÜRGER e. V.<br />
Engelbergerstraße 3<br />
79106 Freiburg<br />
Tel.: 0761 / 319 65 25<br />
E-Mail: info@frei-e-buerger.de<br />
Website: www.frei-e-buerger.de<br />
Öffnungszeiten: Mo. - Fr. 12 - 16 Uhr<br />
Mitglied im Internationalen Netzwerk<br />
der Straßenzeitungen<br />
Der Nachdruck von Text und Bild (auch nur in Auszügen) sowie<br />
die Veröffentlichung im Internet sind nur nach Rücksprache<br />
und mit der Genehmigung der Redaktion erlaubt. Namentlich<br />
gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung<br />
der Redaktion wieder.<br />
Die nächste <strong>Ausgabe</strong> des FREIeBÜRGER erscheint am:<br />
30.06.2023<br />
1. und 2. Mittwoch im Monat um 14 Uhr:<br />
Öffentliche Redaktionssitzung<br />
FREIeBÜRGER 06 | 2023 31
Anzeige<br />
RDL gegen Fake News im Metzgergrün<br />
Radio Dreyeckland hat im Mai aufgedeckt,<br />
wie viel Täuschung sich hinter dem Nachhaltigkeitszertifikat<br />
für die Abriss- und<br />
Neubaupläne der Stadtbau in der<br />
Arbeitersiedlung Metzgergrün im Stühlinger<br />
verbirgt. Ohne RDL wäre es nicht zur<br />
Sprache gekommen, dass der CO₂-Ausstoß,<br />
den der Abriss der bestehenden Häuser<br />
verursacht, und die CO₂-Bilanz, die der<br />
Neubau erzeugt, einfach ignoriert wurden.<br />
Andere Medien sind auch nicht stutzig<br />
geworden, als in einer Pressekonferenz<br />
plötzlich von 75 % Sozialwohnungen<br />
gesprochen wurde. RDL klärte auf, dass FSB<br />
und OB Martin Horn sich bei den Zahlen<br />
ganz offensichtlich geirrt hatten und weiterhin<br />
viel zu wenig Sozialwohnungen vorgesehen<br />
sind. RDL thematisiert immer, dass<br />
auf der Fläche des alten Metzgergrüns bezahlbarer<br />
Wohnraum wegfällt und nicht, wie suggeriert,<br />
mehr davon geschaffen wird. Radio<br />
Dreyeckland wird auch in Zukunft versuchen,<br />
der geradezu propagandistischen Kommunikation<br />
von Stadt und Stadtbau etwas<br />
entgegenzusetzen: rdl.de/tag/metzgergruen<br />
RDL Solishirt als Antwort auf die<br />
Hausdurchsuchungen wegen eines LINKs.<br />
Für 20 € und FairTrade @ rdl.de/shop oder<br />
direkt im Radio<br />
Nach den völlig unverhältnismäßigen Durchsuchungen<br />
gegen uns hat das Landgericht<br />
Karlsruhe der Staatsanwaltschaft de facto<br />
eine Schulnote 6 erteilt. Das Gericht hatte<br />
in einem ausführlichen 40-seitigen Beschluss<br />
die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen den<br />
RDL-Redakteur abgelehnt, der eine sachlich<br />
kurz gehaltene Meldung über die Einstellung<br />
eines Ermittlungsverfahrens im Zusammenhang<br />
mit dem Verbot der Internetplattform<br />
„linksunten.indymedia“ verfasst hatte. Das<br />
Landgericht hatte festgestellt, dass die Setzung<br />
eines Links auf die Archivseite von „linksunten.indymedia“<br />
im konkreten Fall keine<br />
Unterstützung der weiteren Betätigung einer<br />
verbotenen Vereinigung darstellt. Es fehle an<br />
Erkenntnissen dazu, dass „linksunten.indymedia“<br />
überhaupt noch weiterexistiere. Zudem<br />
gehörten Verlinkungen – je nach Gesamteindruck<br />
– zum geschützten Bereich der freien<br />
Berichterstattung aus Art. 5 GG. Der Staatsanwaltschaft<br />
bescheinigte das Landgericht ein<br />
problematisches Verständnis des Grundrechts<br />
der Pressefreiheit. Diese will den Feldzug gegen<br />
die Pressefreiheit aber ganz offenbar noch<br />
nicht beenden und hat Beschwerde eingelegt.<br />
Damit muss sich das Oberlandesgericht mit<br />
der Sache auseinandersetzen. Gibt das OLG<br />
der Beschwerde statt, würde es tatsächlich zur<br />
Hauptverhandlung vor dem Karlsruher<br />
Landgericht kommen.<br />
Auf rdl.de/Hausdurchsuchungen<br />
informieren wir über den Fortgang.<br />
Jeden 1. Mittwoch des<br />
Monats: 12-13 Uhr<br />
im Mittagsmagazin<br />
'Punkt 12'<br />
Hört, Macht, Unterstützt Radio Dreyeckland: 102,3 Mhz - Stream: rdl.de/live - 0761/31028