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»DAS BIER ZERGEHT WORTWÖRTLICH IM MUND«<br />

Elisa Raus gewann als erste Frau überhaupt die Weltmeisterschaft der<br />

Biersommeliers in Italien. Fünf Fragen für angehende Bierkenner<br />

Frau Raus, es ist schön, dass es eine so große Biervielfalt<br />

gibt. Der Nachteil: Man verliert leicht den<br />

Überblick. Was sind die wichtigsten Unterschiede?<br />

Es gibt weltweit um die 150 Bierstile. Manche sind<br />

sehr hopfenbetont und herb, etwa Pils oder Indian<br />

Pale Ale (IPA), das gerade sehr populär ist. Andere<br />

sind malzbetont, da zählen Porter- oder Stoutbiere<br />

dazu. Man unterscheidet außerdem ober- und untergärige<br />

Biere, da werden beim Brauen unterschiedliche<br />

Hefearten benutzt. Hefe wandelt ja den Zucker in<br />

Alkohol und Kohlensäure um, und obergärige Hefe<br />

produziert als Nebenprodukt sogenannte Ester, die<br />

einen fruchtigen Geschmack geben, etwa Bananenund<br />

Nelkennoten bei Weizenbier. Untergärige Hefen<br />

bringen hingegen nicht so viel Aroma ins Bier. Da<br />

sind eher die anderen Rohstoffe für den Geschmack<br />

verantwortlich: beim Pils der Hopfen, bei Lagerbieren<br />

oft eine Kombination aus Malz und Hopfen. Natürlich<br />

können auch untergärige Biere fruchtig sein, aber das<br />

kommt dann oft aus dem Hopfen. Es ist ein bisschen<br />

vertrackt – ein buntes Zusammenspiel aus Rohstoffen.<br />

Welches Bier empfehlen Sie für den Sommer?<br />

Zum Sommer passen leichtere Biere. Das Weizenbier<br />

ist natürlich ein Klassiker mit seiner Fruchtigkeit und<br />

Frische. Wer das mag, dem rate ich, belgisches Witbier<br />

auszuprobieren. Auch da spielen Weizen und<br />

fruchtige Hefe eine Rolle, dazu kommen Gewürze wie<br />

Koriander und Orangenschalen. Auch Sauerbiere, die<br />

durch Milchsäurebakterien oder wilde Hefen Säurenoten<br />

entwickeln, passen zum Sommer. Sie sind<br />

frisch, spritzig, mit einer leichten Säure und trocken<br />

im Geschmack. Und sie löschen hervorragend den<br />

Durst. Es kommt aber auch darauf an, zu was das Bier<br />

gereicht wird: Zu Pils passen leichte und schärfere<br />

Speisen, helles Fleisch oder Fisch. Zu einem Steak<br />

würde ich hingegen kräftigeres Bier reichen, mit einem<br />

stärkeren Malzkörper und mehr Alkohol. Die beiden<br />

Partner – Speise und Bier – sollten gleichberechtigt<br />

sein und die gegenseitigen Aromen hervorheben.<br />

Wo sollte man Bier lagern?<br />

Der Balkon ist fast die schlimmste Lagerstätte. Die<br />

Feinde eines jeden Bieres sind Wärme und Sonnenlicht.<br />

Sie lassen das Bier schneller altern und schaffen<br />

Aromen, die nicht hineingehören. Bier sollte am besten<br />

dunkel gelagert sein, in einer Kammer oder im Keller<br />

mit konstanter Temperatur – um die zehn Grad wäre<br />

ideal. Im Kühlschrank ist es oft zu kalt zum Trinken.<br />

Viele Aromen entwickeln sich erst bei Raumtemperatur.<br />

Aber der Klassiker ist ja, Bier im Tiefkühlfach<br />

herunterzukühlen, wenn sich spontan Gäste ankündigen.<br />

Davon rate ich ab: Der große Temperaturabsturz<br />

kann zu einer Kältetrübung führen, außerdem leidet<br />

das Aroma. Wie beim Wein gilt auch beim Bier: Nur<br />

eine konstante Temperatur sichert konstante Qualität.<br />

Flasche oder Glas?<br />

Immer aus dem Glas! Denn die kleine Flaschenöffnung<br />

schränkt die Sinne ein. Im Glas dagegen kann sich<br />

der Geruch viel besser entfalten. Auch der leichte<br />

Hefesatz, der sich etwa bei Weizenbier am Flaschenboden<br />

absetzt, verteilt sich im Glas gleichmäßiger. Da<br />

schmeckt man das volle Aroma schon beim allerersten<br />

Schluck. Im Glas trifft die Flüssigkeit auch viel früher<br />

auf die Zungenspitze, das Bier zergeht wortwörtlich<br />

im Mund. Dabei gibt es quasi für jedes Bier das passende<br />

Glas. Der Einfachheit halber empfehle ich aber,<br />

zum Weinglas zu greifen. In dem bauchigen Glas<br />

sieht man toll die Farbe, und der Schaum kann sich<br />

vernünftig entwickeln. Man kann die Nase tief ins<br />

Glas hineinhalten. Und Weingläser sind schön dünnwandig:<br />

Die Flüssigkeit läuft wirklich komplett die<br />

Zunge entlang. Bierhumpen haben natürlich auch<br />

ihre Vorteile, gerade im Sommer: In dem dicken<br />

Glas bleibt das Bier länger kühl. Aber für den Genuss<br />

ist das Weinglas besser.<br />

Wie schenkt man ein perfektes Bier ein?<br />

Das Glas sollte zunächst wirklich sauber sein – Fett<br />

killt jede Schaumkrone. Dann das Glas im 45-Grad-<br />

Winkel halten und das Bier sachte einfließen lassen.<br />

Gegen Ende das Glas langsam wieder aufrichten,<br />

damit eine Schaumkrone entsteht. Der Schaum hat<br />

dann eine größere Oberfläche, die einzelnen Bläschen<br />

platzen auf, und die Aromen treten deutlicher<br />

hervor, das Bier bleibt auch länger frisch. Und, ganz<br />

wichtig – ob aus der Flasche oder dem Zapfhahn:<br />

beides nicht in die Flüssigkeit reinhalten! Denn das<br />

birgt die Gefahr von Verunreinigungen.

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