05.02.2024 Aufrufe

zeitwissen_2020_05_full

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

40<br />

»Alle großen Umweltgutachten fordern heute längst eine radikale gesamtgesellschaftliche Transformation.<br />

Wir müssen unsere komplette Art, zu leben und zu wirtschaften, umstellen.«<br />

hängen existieren könnten. Dabei gibt es<br />

zwischen Mensch und Natur eine uralte<br />

Verbindung; sie steckt in jedem von uns.<br />

Das zeigt sich auch daran, dass Kinder nicht<br />

zwischen einem belebten und einem unbelebten<br />

Wesen und einem Menschen unterscheiden.<br />

Doch in den letzten zehn Generationen<br />

haben wir uns aus dieser Verbindung<br />

herausentwickelt.<br />

Steffens: Wir brauchen ein anderes Naturverständnis<br />

und auch wieder mehr von unserem<br />

alten Gemeinsinn: Die Luft gehört<br />

uns allen, das Wasser gehört uns allen, ein<br />

gesundes Leben muss für alle möglich sein.<br />

Dennoch sterben jährlich etwa neun Millionen<br />

Menschen an Folgen von Umweltverschmutzung.<br />

Mehr Gemeinsinn hört<br />

sich vielleicht heutzutage ein wenig weltfremd<br />

an, aber die meiste Zeit in der Geschichte<br />

unserer Art haben die Menschen<br />

doch nach diesen Grundsätzen gelebt.<br />

Wie ist uns das Naturverständnis und<br />

dieser Gemeinsinn abhandengekommen?<br />

Steffens: Als in der neolithischen Re vo lu tion<br />

aus Jägern und Sammlern Bauern wurden,<br />

sind die Motive entstanden, die uns heute so<br />

quälen: Egoismus und Habgier. Für die<br />

Nomaden war es sinnlos, Reichtum anzuhäufen,<br />

weil man ihn gar nicht mitschleppen<br />

konnte. Es hat erst einen Sinn bekommen,<br />

als wir begonnen haben, Zäune zu ziehen,<br />

Grund und Boden zu Privateigentum zu erklären<br />

und andere auszugrenzen.<br />

Welche Weichen hätten damals anders gestellt<br />

werden müssen?<br />

Steffens: Die Frauen hätten früher auf den<br />

Plan treten müssen. Die Gleichberechtigung<br />

der Frau ist aus meiner Sicht die beste<br />

Umweltschutzmaßnahme. Ich denke da<br />

auch an eine Freundin, die Verhaltensforscherin<br />

Jane Goodall. Sie hat manches<br />

nur entdecken können, weil sie jede Regel,<br />

die ihre männlichen Kollegen aufgestellt<br />

hatten, gebrochen hat: Sie ist zu den<br />

Schimpansen hingegangen und hat sich<br />

mit ihnen angefreundet. Nur deshalb hat sie<br />

herausgefunden, dass der Mensch nicht die<br />

einzige Art ist, die Werkzeuge benutzt.<br />

Durch eine weibliche, emotionale Sicht auf<br />

Natur können wir alle etwas lernen. Und<br />

aus der Bevölkerungswissenschaft wissen<br />

wir auch: Wenn mehr Frauen Zugang zu<br />

Bildung haben, fällt das Bevölkerungswachstum<br />

auf ein nachhaltiges Niveau.<br />

Und welche Rolle spielt unsere Gier nach<br />

immer mehr Besitz?<br />

Habekuß: Man sieht seit dem Mittelalter<br />

eine gigantische Verschiebung von Gemeinschaftseigentum<br />

in Privatbesitz. Was früher<br />

gemeinschaftlich nach klaren Regeln organisiert<br />

wurde, wurde plötzlich nach Einzelinteressen<br />

genutzt. Dass man überhaupt<br />

Boden besitzen kann, ist in anderen Kulturen<br />

übrigens ein völlig abwegiger Gedanke. In<br />

Grönland zum Beispiel gibt es keine Zäune,<br />

weil dieses Konzept von Grundeigentum<br />

nicht funktioniert. In Deutschland kann<br />

man Boden kaufen, und das führt dazu,<br />

dass er total übernutzt wird. Es lohnt sich

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!