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NAHVERSORGUNG, NEU ERFUNDEN<br />
Mehrfach<br />
preisgekrönt<br />
und eine Institution<br />
im Ort: Christian<br />
Plank und Brigitte<br />
Guhsl im Dorfladen in<br />
St. Pantaleon-Erla.<br />
Ein Laden, der fast alles kann<br />
Der Sonnenladen – Dorfladen in St. Pantaleon-Erla<br />
nahe St. Valentin (NÖ) ist ein absoluter Vieleskönner<br />
in Sachen Nachhaltigkeit: Das mehrfach preisgekrönte<br />
Projekt umfasst Photovoltaik-Anlage und klimaneutrale<br />
E-Ladestation, ist zudem regionaler Dorfladen, Ortskernbelebung,<br />
sozialer Treffpunkt und alternative Mobilitätslösung.<br />
Entstanden ist das alles aus einem Notstand: „Im<br />
Dorf gab es keinen Supermarkt mehr, dafür Leerstand.<br />
Ich hatte von Anfang an eine Komplettlösung im Kopf –<br />
sozial, umweltbewusst und wirtschaftlich“ erklärt Gründer<br />
und Geschäftsführer Christian Plank. „Nachhaltig<br />
ist eine Sache nur, wenn sie sich finanziell selbst trägt.<br />
Unser Modell rechnet sich, weil es auf mehreren Säulen<br />
ruht.“ Doch Konzern-Konkurrenz und hohe Inflation<br />
machen es für den Dorfladen nicht leicht.<br />
Initiator Plank, gelernter Techniker und im Brotberuf<br />
Geschäftsführer von apro Kassensystemen für Gastronomie<br />
und Handel, wollte das leer stehende Lagerhaus<br />
mitten im Dorf nutzen und gründete im Frühjahr 2019<br />
gemeinsam mit Familie Guhsl als Eigentümer der<br />
Liegenschaft die Sonnenladen GmbH. Seit Herbst 2019<br />
produziert eine 60 Kilowatt-Peak Photovoltaik-Anlage<br />
CO 2<br />
-neutralen Strom, der über die Solartankstelle<br />
verkauft wird.<br />
Parallel dazu wurde das Gebäude innen komplett umgebaut<br />
– barrierefrei und energieeffizient. Im Oktober 2021<br />
zog der Dorfladen als neuer und einziger Nahversorger<br />
im Ort ein. Dieser automatisierte Selbstbedienungsladen<br />
setzt auf strikte Regionalität und Fairness: 80 Prozent<br />
der Produkte kommen aus einem Umfeld von 30 Kilometern,<br />
Mindestanforderung ist Herkunft Österreich.<br />
Aktuell liefern 60 Betriebe 1.200 Produkte und legen<br />
die Preise dafür selbst fest. Die angeschlossene Lounge<br />
ist beliebter Treffpunkt, ein großer Monitor dient als<br />
elektronische Gemeindezeitung. Abgerundet wird Planks<br />
Gesamtkonzept mit dem gemeinnützigen klimaneutralen<br />
E-Mobilitätsdienst „Emil“.<br />
Aber wie funktioniert dieses nachhaltige Multifunktions-Vorzeigebeispiel<br />
in der Praxis? „Dreh- und Angelpunkt<br />
ist das apro-Kassensystem. Dieses ermöglicht<br />
im Selbstbedienungs-Dorfladen einen automatisierten<br />
Ablauf ohne ständig anwesendes Personal. Unsere<br />
Lieferanten rufen per App die Lagerbestände ab und<br />
befüllen die Regale selbst. Der Mehrwert des Projekts<br />
besteht darin, Probleme nicht einzeln zu lösen, sondern<br />
Synergien zu nutzen und so Kosten zu minimieren,<br />
ohne Kompromisse in der Nachhaltigkeit.“ Plank sieht<br />
das Konzept als Leuchtturmprojekt mit Potenzial zur<br />
Nachahmung, bei der er gerne unterstützt.<br />
Wer ehrenamtlich<br />
mitarbeitet,<br />
darf<br />
einkaufen:<br />
Juliana Fehlinger<br />
setzt<br />
bei MILA auf<br />
Gemeinsamkeit.<br />
MILA bietet gute Qualität zu leistbaren Preisen<br />
Weniger auf Automation als mehr auf gemeinschaftlich<br />
menschliches Agieren setzt Juliana Fehlinger,<br />
Co-Gründerin der MILA Mitmach-Supermarkt e. G.<br />
„Die Strukturen des herkömmlichen Lebensmitteleinzelhandels<br />
mit Machtkonzentration, Marktdominanz<br />
und Preisdumping haben viele negative Auswirkungen<br />
und beschleunigen Artensterben und Klimakrise“, ist die<br />
Sozialökologin überzeugt. Angeregt von internationalen<br />
Vorbildern wie die Park Slope Food Coop in Brooklyn<br />
(New York), eröffnete sie im Mai 2022 im 16. Wiener<br />
Gemeindebezirk den „Mitmach-Minimarkt“, getragen<br />
vom Verein MILA und einer Crowdfunding-Kampagne.<br />
Dort gibt es rund 720 hochqualitative Lebensmittel<br />
– möglichst regional, biologisch und handwerklich<br />
produziert – zu leistbaren Preisen für Mitglieder. Dieses<br />
Pilotprojekt liefert wertvolle Erfahrungen für den heuer<br />
geplanten MILA-Supermarkt mit rund 6.000 Produkten<br />
des täglichen Bedarfs. Im Frühling 2023 wurde dafür die<br />
MILA-Genossenschaft gegründet.<br />
„Hochwertige Lebensmittel wurden zum Luxusgut für<br />
wenige“, kritisiert Fehlinger, „bei MILA brechen viele gemeinsam<br />
Richtung Verbesserung des Systems auf.“ Die<br />
eingetragene Genossenschaft gehört den 320 Mitgliedern,<br />
die sich mit ehrenamtlicher Tätigkeit (drei Stunden<br />
alle vier Wochen) aktiv einbringen. Nur sie können bei<br />
MILA einkaufen, doch jeder kann ab zwei Euro Beitrag<br />
Mitglied werden. Fehlinger: „Wir kaufen direkt bei den<br />
Produzenten ein und schlagen auf ihre Preise generell 30<br />
Prozent auf. Das wird offen kommuniziert.“ Ihr persönlicher<br />
Anspruch: „Oft beachtet die Impact Start-up-Szene<br />
entweder die ökologische oder die soziale Ebene. Wir<br />
erreichen beide.“<br />
Foto: © Zoe Opratk<br />
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