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Kleiner Greißler als großer Sozialknotenpunkt Kein Supermarkt mehr im Ort, keine Bio-Qualitätsprodukte aus der Region im Angebot: Gegen diese Entwicklungen stemmen sich Initiativen wie Sonnenladen und MILA Mitmach-Supermarkt. Evelyne Huber-Reitan Foto: Thomas Topf 64 CASE-STUDIES
NAHVERSORGUNG, NEU ERFUNDEN Mehrfach preisgekrönt und eine Institution im Ort: Christian Plank und Brigitte Guhsl im Dorfladen in St. Pantaleon-Erla. Ein Laden, der fast alles kann Der Sonnenladen – Dorfladen in St. Pantaleon-Erla nahe St. Valentin (NÖ) ist ein absoluter Vieleskönner in Sachen Nachhaltigkeit: Das mehrfach preisgekrönte Projekt umfasst Photovoltaik-Anlage und klimaneutrale E-Ladestation, ist zudem regionaler Dorfladen, Ortskernbelebung, sozialer Treffpunkt und alternative Mobilitätslösung. Entstanden ist das alles aus einem Notstand: „Im Dorf gab es keinen Supermarkt mehr, dafür Leerstand. Ich hatte von Anfang an eine Komplettlösung im Kopf – sozial, umweltbewusst und wirtschaftlich“ erklärt Gründer und Geschäftsführer Christian Plank. „Nachhaltig ist eine Sache nur, wenn sie sich finanziell selbst trägt. Unser Modell rechnet sich, weil es auf mehreren Säulen ruht.“ Doch Konzern-Konkurrenz und hohe Inflation machen es für den Dorfladen nicht leicht. Initiator Plank, gelernter Techniker und im Brotberuf Geschäftsführer von apro Kassensystemen für Gastronomie und Handel, wollte das leer stehende Lagerhaus mitten im Dorf nutzen und gründete im Frühjahr 2019 gemeinsam mit Familie Guhsl als Eigentümer der Liegenschaft die Sonnenladen GmbH. Seit Herbst 2019 produziert eine 60 Kilowatt-Peak Photovoltaik-Anlage CO 2 -neutralen Strom, der über die Solartankstelle verkauft wird. Parallel dazu wurde das Gebäude innen komplett umgebaut – barrierefrei und energieeffizient. Im Oktober 2021 zog der Dorfladen als neuer und einziger Nahversorger im Ort ein. Dieser automatisierte Selbstbedienungsladen setzt auf strikte Regionalität und Fairness: 80 Prozent der Produkte kommen aus einem Umfeld von 30 Kilometern, Mindestanforderung ist Herkunft Österreich. Aktuell liefern 60 Betriebe 1.200 Produkte und legen die Preise dafür selbst fest. Die angeschlossene Lounge ist beliebter Treffpunkt, ein großer Monitor dient als elektronische Gemeindezeitung. Abgerundet wird Planks Gesamtkonzept mit dem gemeinnützigen klimaneutralen E-Mobilitätsdienst „Emil“. Aber wie funktioniert dieses nachhaltige Multifunktions-Vorzeigebeispiel in der Praxis? „Dreh- und Angelpunkt ist das apro-Kassensystem. Dieses ermöglicht im Selbstbedienungs-Dorfladen einen automatisierten Ablauf ohne ständig anwesendes Personal. Unsere Lieferanten rufen per App die Lagerbestände ab und befüllen die Regale selbst. Der Mehrwert des Projekts besteht darin, Probleme nicht einzeln zu lösen, sondern Synergien zu nutzen und so Kosten zu minimieren, ohne Kompromisse in der Nachhaltigkeit.“ Plank sieht das Konzept als Leuchtturmprojekt mit Potenzial zur Nachahmung, bei der er gerne unterstützt. Wer ehrenamtlich mitarbeitet, darf einkaufen: Juliana Fehlinger setzt bei MILA auf Gemeinsamkeit. MILA bietet gute Qualität zu leistbaren Preisen Weniger auf Automation als mehr auf gemeinschaftlich menschliches Agieren setzt Juliana Fehlinger, Co-Gründerin der MILA Mitmach-Supermarkt e. G. „Die Strukturen des herkömmlichen Lebensmitteleinzelhandels mit Machtkonzentration, Marktdominanz und Preisdumping haben viele negative Auswirkungen und beschleunigen Artensterben und Klimakrise“, ist die Sozialökologin überzeugt. Angeregt von internationalen Vorbildern wie die Park Slope Food Coop in Brooklyn (New York), eröffnete sie im Mai 2022 im 16. Wiener Gemeindebezirk den „Mitmach-Minimarkt“, getragen vom Verein MILA und einer Crowdfunding-Kampagne. Dort gibt es rund 720 hochqualitative Lebensmittel – möglichst regional, biologisch und handwerklich produziert – zu leistbaren Preisen für Mitglieder. Dieses Pilotprojekt liefert wertvolle Erfahrungen für den heuer geplanten MILA-Supermarkt mit rund 6.000 Produkten des täglichen Bedarfs. Im Frühling 2023 wurde dafür die MILA-Genossenschaft gegründet. „Hochwertige Lebensmittel wurden zum Luxusgut für wenige“, kritisiert Fehlinger, „bei MILA brechen viele gemeinsam Richtung Verbesserung des Systems auf.“ Die eingetragene Genossenschaft gehört den 320 Mitgliedern, die sich mit ehrenamtlicher Tätigkeit (drei Stunden alle vier Wochen) aktiv einbringen. Nur sie können bei MILA einkaufen, doch jeder kann ab zwei Euro Beitrag Mitglied werden. Fehlinger: „Wir kaufen direkt bei den Produzenten ein und schlagen auf ihre Preise generell 30 Prozent auf. Das wird offen kommuniziert.“ Ihr persönlicher Anspruch: „Oft beachtet die Impact Start-up-Szene entweder die ökologische oder die soziale Ebene. Wir erreichen beide.“ Foto: © Zoe Opratk 65
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