CSR_2024_WEB
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KOMMENTAR<br />
Die ungenutzte Kraft der Werte!<br />
Kommentar von Gabriele Faber-Wiener.<br />
Wir stehen an einer Systemgrenze. Die nächsten Jahre<br />
werden entscheidend, nicht nur, was den Klimaschutz<br />
betrifft. Wir verspüren derzeit enorm viel Druck –<br />
berechtigten Druck! – auf Unternehmen, auf die Politik,<br />
auf die Gesellschaft. Jetzt kommt es darauf an, in welcher<br />
Qualität und mit welchem Tiefgang die Arbeit in Richtung<br />
Nachhaltigkeit wirklich in Angriff genommen wird.<br />
Anfangs waren es zumeist Einzelprojekte in Unternehmen.<br />
Sie wurden freiwillig durchgeführt, oft mit viel<br />
Herzblut und Engagement. Dann folgte die Ebene der<br />
Prozesse, der Compliance, der zunehmenden Standards<br />
und Normen. Genau da stecken jetzt viele Unternehmen<br />
drin. Diese ESG-Regularien und Prozesse sind wichtig,<br />
sie schaffen Vergleichbarkeit und Dynamik.<br />
Für eine wirklich substanzielle Transformation braucht<br />
es aber vor allem die Ebene darüber: die Auseinandersetzung<br />
des Top-Managements mit den zentralen Fragen<br />
– und mit der eigenen Verantwortung. Dabei geht es<br />
langsam, aber sicher ans Eingemachte: um das Geschäftsmodell<br />
und die externen Effekte, um den Umgang mit<br />
MitarbeiterInnen und LieferantInnen, um die Höhe der<br />
Dividenden und der Steuern, um nur einige zu nennen.<br />
Das sind gleichzeitig die brennenden Fragen der Öffentlichkeit.<br />
Finden sich darauf keine schlüssigen Antworten,<br />
dann droht ganz automatisch der „credibility gap“, also<br />
die Kluft zwischen dem, was ein Unternehmen nach<br />
außen kommuniziert, und dem, was es am Kern wirklich<br />
tut. Das heißt ganz klar: Verantwortung bedeutet Antwort<br />
geben – auch auf unbequeme und herausfordernde<br />
Fragen. Einzelne Projekte oder Prozesse geben auf diese<br />
Fragen zumeist keine Antwort. Reine ESG-Implementierung<br />
bleibt Compliance. Und Compliance ist immer von<br />
außen auferlegt.<br />
Damit ist klar: Es geht um ein anderes Führen und Entscheiden<br />
auf Vorstands- und CEO-Ebene. Wird dabei parallel<br />
agiert – hier business as usual, dort ESG-Projekte und<br />
-Programme –, so führt das nicht nur zu einem Rückgang<br />
der Glaubwürdigkeit bei MitarbeiterInnen und anderen<br />
Stakeholdern, sondern immer öfter auch dazu, dass <strong>CSR</strong>und<br />
Nachhaltigkeits-ManagerInnen das Handtuch werfen,<br />
weil sie an der Grenze des für sie Machbaren stehen.<br />
Die Lösung liegt auf der Hand: Wir müssen ganz oben<br />
ansetzen – bei der Führung und bei der Auseinandersetzung<br />
mit den großen Fragen der Zukunft. Und beim<br />
Wertemanagement.<br />
Werden Werte strategisch angegangen und systematisch<br />
hinterfragt – und nichts anderes ist gutes Wertemanagement<br />
–, dann schafft man allein durch diesen interaktiven<br />
und inklusiven Prozess Vertrauen und Stabilität,<br />
vor allem, wenn man seine MitarbeiterInnen einbindet.<br />
Durch eine „Werte Due Diligence“ sieht man plötzlich,<br />
wo die Prozesse und Maßnahmen im Haus im Widerspruch<br />
zu den Werten stehen.<br />
Wertemanagement ist somit etwas sehr Kraftvolles. Im<br />
Gegensatz zum ESG-Denken, das rein an den Prozessen<br />
ansetzt, setzt es bei den Menschen an. Damit schafft es<br />
das, was Werte in einem Unternehmen sind: Fundament<br />
und Klebstoff nach innen – und die Basis für Vertrauen<br />
nach außen.<br />
Und genau das ist es, was Unternehmen zukunftsfähig<br />
macht. Darum: Reflexion statt Compliance.<br />
<strong>CSR</strong>-EXPERTIN<br />
Gabriele Faber-Wiener<br />
ist eine der renommiertesten <strong>CSR</strong>und<br />
Kommunikations-ExpertInnen<br />
im deutschsprachigen Raum. Sie<br />
leitet das Center for Responsible<br />
Management, berät Unternehmen<br />
unter anderem zu Wertemanagement<br />
und Transformation und<br />
unterrichtet an vielen Universitäten<br />
und Fachhochschulen. Zudem ist<br />
sie Jury vorsitzende des TRIGOS,<br />
Österreichs renommiertestem<br />
Nachhaltigkeitspreis.<br />
www.responsible-management.at<br />
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