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CSR_2024_WEB

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DISKUSSION<br />

DIE DISKUTANTINNEN<br />

„Messbarkeit von<br />

Nachhaltigkeit<br />

ist effektiv, wenn<br />

einheitlich<br />

gemessen wird.“<br />

EVA SCHLINDWEIN<br />

Prof. Dr. David Risi, Forschungsprofessor Responsible<br />

Management, BFH Bern<br />

Dr. Eva Schlindwein, Postdoctoral Resarch Fellow,<br />

Oxford University Centre for Corporate Reputation<br />

Prof. Mathias Schüz, em. Professor of Responsible<br />

Leadership, Zürich University of Applied Services<br />

Prof. René Schmidpeter, Professor für Nachhaltiges<br />

Management, BFH Bern; Scientific Researcher,<br />

Parmenides Stiftung (Moderation)<br />

überhaupt Materialitäten für Zeiten des Umbruchs festlegen?<br />

Oder muss man akzeptieren, dass heute Klimaschutz<br />

materiell ist, aber morgen Verteidigung und übermorgen<br />

dann doch wieder die Bekämpfung der Pandemie?<br />

SCHÜZ: Wir sprechen in der Forschung inzwischen nicht<br />

mehr von Krise, sondern von Polykrise. Eine Polykrise<br />

bedeutet, dass jedes Element – Klimawandel, Artensterben,<br />

die Desertifikation von Urwäldern und vieles mehr<br />

– sich gegenseitig verstärken und einen Dominoeffekt<br />

auslösen. Es wurde erst gestern berichtet, dass Brasilien<br />

befürchtet, dass die Versteppung des Amazonas-Urwalds<br />

unmittelbar bevorsteht. Die Aspekte verschärfen sich<br />

wechselseitig, und alle ernstzunehmenden wissenschaftlichen<br />

Berichte zu diesem Thema geben uns maximal<br />

noch acht Jahre Zeit, bis der Kipppunkt erreicht ist und<br />

die Hitzewelle unwiderruflich ist.<br />

Ein weiteres Problem ist, dass wir immer noch große<br />

Länder wie die USA haben, in denen die Gesellschaft<br />

gespalten ist. Die Hälfte der Amerikaner denkt immer<br />

noch im Kontext des Shareholder Value und einer entfesselten<br />

Ökonomie. Es gibt nach wie vor Widerstand gegen<br />

politische Regulierungen, und viele Menschen halten<br />

immer noch am Denken des 19. Jahrhunderts fest, dem<br />

sogenannten „Gilded Age“, in dem die Monopolisierung<br />

von Marktmacht das Ziel war. Dies ist ein Problem.<br />

SCHMIDPETER: Kommen wir zu den sogenannten weicheren<br />

Faktoren, der sozialen Dimension. Etwa den so<br />

wichtigen wertschätzenden und partizipativen Umgang<br />

mit den Mitarbeitern. Warum tut man sich hier so<br />

schwer, dies in Kennzahlen und Managementsysteme<br />

zu überführen? Gibt es da einen fundamentalen Unterschied<br />

zwischen ‚E‘ und ‚S‘ im ESG?<br />

SCHLINDWEIN: Der Fokus ist dort, was man auch in den<br />

Regularien findet, und das ist stark umweltorientiert.<br />

Zudem zeigt sich, dass ‚S‘ das ‚most fuzzy concept‘ ist.<br />

Man hat hier die größte Abweichung und größte Vielfalt<br />

bei Ratingagenturen.<br />

Selbst Forschungsinstitute nutzen unterschiedliche<br />

Ansätze. Manche verstehen unter ‚S‘ nur Gesundheit und<br />

Sicherheit der Beschäftigten. Und schon ein so breites<br />

Thema wie Inklusion wird unterschiedlich gemessen, je<br />

nachdem, welches Rating man betrachtet oder welche<br />

Frameworks man verwendet.<br />

Wenn jetzt Ansprüche ans Reporting der Unternehmen<br />

steigen, z.B. auch im Finanzwesen, dann stehen KMU<br />

z.B. als Kreditnehmer vor großen Herausforderungen,<br />

diese sehr vagen Kriterien trotzdem abzubilden und<br />

messbar zu machen, denn sonst geht die Kreditfähigkeit<br />

runter.<br />

SCHMIDPETER: Jetzt fehlt mir noch die Frage nach der<br />

Governance – was ist eigentlich mit dem ‚G‘?<br />

SCHÜZ: Da geht es im Kern um die Frage: Wie führt man<br />

ein Unternehmen? Ich kann die untergebenen Mitarbeiter<br />

nicht nur zusammenstauchen, sondern muss sie an<br />

Bord holen. Das geht nur durch Schulung und Bildung.<br />

Wir haben 200 Jahre geschult, den Eigennutzen zu maximieren.<br />

Das wegzukriegen, ist ein riesiges Problem, das<br />

dauert lange. Man sagt ja, dass man ein altes Paradigma<br />

nur ablösen kann, wenn deren Vertreter aussterben.<br />

Für mich ist Governance vor allem Responsible Leadership.<br />

Und wir wissen, dass viele alte Führungsmodelle<br />

heute nicht mehr stimmen. Dass da oben der Boss ist<br />

und die anderen folgen. Heute redet man von Holacracy:<br />

Jeder ist verantwortlich, egal wo er oder sie steht, und<br />

jeder muss schauen, die Konsequenzen des eigenen<br />

Handels zu überschauen und vor allen Betroffenen, also<br />

den Stakeholdern, rechtfertigen zu können. Das heißt<br />

eigentlich Verantwortung übernehmen.<br />

SCHMIDPETER: Vielen Dank für das spannende Gespräch!<br />

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