CSR_2024_WEB
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DISKUSSION<br />
„Ökonomisches Wachstum lebt<br />
nicht vom Profit allein“<br />
Prof. René Schmidpeter leitete im Rahmen der „Responsible Leadership Conference 2023“ des<br />
FAZ-Instituts in München eine hochrangige Expertinnen- und Experten-Diskussion, in der alle<br />
Grund annahmen der unternehmerischen Verantwortung hinterfragt wurden.<br />
Von links<br />
nach rechts:<br />
Prof. Mathias Schüz,<br />
em. Zürich University<br />
of Applied Services;<br />
Dr. Eva Schlindwein,<br />
Oxford University<br />
Centre for Corporate<br />
Reputation; Prof.<br />
René Schmidpeter,<br />
Parmenides Stiftung;<br />
Prof. David Risi, BFH<br />
Bern.<br />
SCHMIDPETER: In den neuen Denkmodellen der Betriebswirtschaftslehre<br />
ist es undenkbar, Gewinne auf Kosten<br />
der Ökologie oder der sozialen Dimension zu machen.<br />
Starten wir mit dieser These: Stimmt das so?<br />
SCHÜZ: Wenn die Wirtschaft so gut funktionieren würde,<br />
dann bräuchten wir gar keine Diskussion. Das sind<br />
Argumente, die wir vor 40 Jahren schon angedacht<br />
haben. Aber die Unternehmen und Kunden, die haben<br />
irgendwie nicht so richtig reagiert. Warum? Es fehlte<br />
der Druck der politischen Regulierung. Und die wurde<br />
eigentlich erst in den letzten Jahren ausgelöst, durch<br />
öffentliche Skandale. Es waren Weckrufe.<br />
Aber die alte Vorstellung vom ökonomischen Handeln,<br />
den eigenen Nutzen zu maximieren, ist nach wie vor.<br />
Wenn ich das Paradigma der Profitmaximierung auf<br />
die Wirtschaft übertrage, bedeutet dies, dass ich so viel<br />
wie möglich für mich heraushole, den eigenen Nutzen<br />
maximiere.<br />
SCHMIDPETER: Woher kommt Nutzen denn überhaupt?<br />
SCHÜZ: Der Nutzen ist das Wesen des ökonomischen<br />
Tauschs. Tausch ist nur dann gut, wenn beide Seiten<br />
gewinnen. Das heißt, ein Gleichgewicht von Geben und<br />
Nehmen ist wichtig. Beide Seiten müssen gewinnen. Mit<br />
jedem Stakeholder haben wir ein Tauschverhältnis, und<br />
das ist nur dann gut, wenn das Gleichgewicht stimmt.<br />
Wenn ich mehr nehme als ich gebe, wird es zur Räuberei.<br />
Und wenn ich mehr gebe als ich nehme, wird es zum<br />
Geschenk. Beides ist nicht Ökonomie. Ökonomie ist die<br />
Mitte zwischen Raub und Geschenk.<br />
Wir haben aber leider seit dem 19. Jahrhundert eine<br />
pure Räuberökonomik gepflegt, und das ist heute das<br />
Problem: Wenn ich eine ganze Wertschöpfungskette<br />
entlang betrachte, dann ist jedes Glied in der Kette ein<br />
Tauschvorgang – der bereits mit der Natur beginnt! Das<br />
Kobalt, das in jedem Smartphone verbaut ist, stammt aus<br />
dem Kongo. Die Gewinnung dieses Kobalts führt zu einer<br />
brutalen Desertifikation von Urwäldern und hinterlässt<br />
Kindersklaven.<br />
SCHMIDPETER: Werden EU-Taxonomie und ESG daran<br />
etwas ändern?<br />
SCHLINDWEIN: Es wird auf jeden Fall mehr Druck zu Transparenz<br />
und Messbarkeit geben. Zum Beispiel das Lieferkettengesetz,<br />
das gleichzeitig auch ein Denkanstoß ist, um diese<br />
räuberische Ökonomie anzugehen. Die ESG stehen aber auf<br />
wackligen Beinen. Das liegt bereits an den verschiedenen<br />
Ansätzen, wie wir sie messen. Wenn wir uns die Ratings<br />
anschauen, gibt es für ein und dasselbe Unternehmen<br />
unterschiedlichste Bewertungen, je nachdem, welche<br />
Agentur misst. Das hilft nicht. Messbarkeit kann nur dann<br />
zu Effektivität führen, wenn einheitlich gemessen wird.<br />
SCHMIDPETER: Du hast jetzt zwei Themen angesprochen.<br />
Das eine ist kulturelle Unterschiede und das andere die<br />
Unterschiede in der Messbarkeit. Würdest du sagen, dass<br />
die Klimainitiativen in Europa und deren Umsetzung zu<br />
Wettbewerbsnachteilen führen?<br />
SCHLINDWEIN: Es ist mittlerweile nirgends mehr so, dass es<br />
keine Regulierungen gibt. Auch in China und in Indien<br />
gibt es diese. Zu große Unterschiede zwischen den<br />
Regulierungen und der Messung von ESG können aber<br />
natürlich zu Nachteilen führen, etwa in Deutschland und<br />
Österreich im Vergleich zu anderen Wirtschaftsstandorten.<br />
Die Frage ist also, wie es zu einer Angleichung und<br />
globalen Vergleichbarkeit kommen kann. Unternehmen<br />
stehen ja derzeit vor der Herausforderung, es Tausenden<br />
verschiedenen Stakeholdern auf mehreren Kontinenten<br />
recht machen zu müssen.<br />
SCHMIDPETER: <strong>CSR</strong> ist ein Begriff, der ja schon Jahrzehnte<br />
in der Wissenschaft diskutiert wird. Warum braucht es<br />
jetzt ESG?<br />
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