Leseprobe aus Meer von Sonnenblumen

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so alt wie die anderen, eigentlich war sie auch fast noch ein Kind. Sie lebte unter dem Dach in einer Kammer. Die ersten Tage, als ich nicht schlafen konnte, legte sie sich einmal abends zu mir und streichelte mir über das Haar. Seitdem kam sie nachts manchmal in den Schlafsaal. Ganz früh morgens schlich sie sich wieder raus. Wenn ich von den ersten Sonnenstrahlen geweckt wurde, war sie nicht mehr da, aber ich sah auf dem Kissen, wo ihr Kopf gelegen hatte. Dann kam die böse Erzieherin, die wir »die alte Schachtel« nannten. Sie schimpfte immer mit mir, weil ich nicht so schnell war. Es war so gemütlich im Bett. Waschen war langweilig, Zähneputzen auch. Ich übte lieber Jonglieren mit meinen Socken und dem Unterhemd. Aber das nahm sie mir alles weg und drohte, ich müsste nackig zur Schule gehen, wenn ich damit »Unsinn« machte. An diesem Tag war es auch, dass sie mir so sehr am Ohr zog, dass ich blutete. Unter der Matratze hatte ich ein Foto versteckt, von meiner Mutter, genauer gesagt von meinen Eltern. Es war nämlich ein Hochzeitsfoto. Aber meinen Vater habe ich fast gar nicht gekannt. Ich war noch so klein, ich kann mich kaum an ihn erinnern, nur dass sich manchmal jemand über mein Bett beugte und etwas in einer tiefen Stimme sagte. Ich weiß nur, dass ich mich dann wohl fühlte. Ich fragte meine Mutter, als ich größer war, wer das gewesen sei, und da fing sie an zu weinen. 8
Wenn Margarethe abends nicht zu mir kam, holte ich immer das Foto hervor und hielt es in den Händen. Ich nahm mir vor, es nicht so oft zu tun, weil es schon ganz zerknickt war, aber ich konnte nicht anders. Ich hatte solche Sehnsucht. Eines Tages änderte sich alles. Am Morgen, ich war gerade fertig mit Anziehen, ertönte der Essensgong zum Frühstück. Die anderen Kinder liefen alle die Treppe hinunter. Ich linste durch das Geländer hindurch und sah, dass die alte Schachtel schon verschwunden war. Dann schlich ich heimlich hoch zu Margarethes Dachkammer. Sie war in der Nacht nämlich nicht bei mir gewesen. Ich überraschte sie, wie sie sich gerade ein Stück Schokolade in den Mund schob. »Woher hast du die Schokolade?« »Ach, Max. Du bist es! Möchtest du auch ein Stückchen?« Sie hielt mir ein Stück hin, und ich nahm es natürlich. »Danke. Woher hast du die?« »Ach, die hat mir ein Soldat geschenkt. Los, geh schon mal vor, wir sind schon spät dran!« Die Schokolade war köstlich, ich hatte so lange keine mehr gegessen. Seit dem Krieg gab es kaum noch Süßigkeiten. Margarethe kämmte sich die Haare, knöpfte ihre Bluse zu und lächelte plötzlich, weil da zwei Knöpfe fehlten. Das hab ich mir gemerkt, weil ich das komisch fand, dass sie lächelt, wenn die Bluse 9
Seite 1 und 2: Meer von Sonnenblumen Karoline Hugl
Seite 3 und 4: Für den Frieden! »Jeder einzelne
Seite 5: 1 Es war Sommer, als ich aufs Land
Seite 9 und 10: Nase, doch langsam mischte sich der
Seite 11 und 12: einer alten Unterhose. Vorher hatte
Seite 13 und 14: dicht am Zug entlang. Jeder war mit
Seite 15 und 16: weil ich die Sachen, die ich hatte,
Seite 17 und 18: Jacke und Hose durch das Abflussroh
Seite 19 und 20: 7 Ludwig band sich mein Katapult am
Seite 21 und 22: den anderen Wagen verschwand. Das w
Seite 23 und 24: Als er den Platz fast erreicht hatt
Seite 25: Hunde los. Marius rannte, so schnel

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