Leseprobe aus Meer von Sonnenblumen

einer alten Unterhose. Vorher hatte ich noch die
Rinde weggeschnitzt, so dass das Holz schön hell
und weich wurde.
Es war seltsam, ganz allein in dem großen Schlafsaal,
zwischen all den Betten. Vielleicht, weil ich
mich in dem Moment so allein fühlte, nahm ich
auch noch das Foto von meiner Mutter mit und
steckte es mir in die Hemdtasche. Das war gut so,
denn es war das letzte Mal, dass ich an dieses Bett
kam, aber das wusste ich in dem Moment noch
nicht.
Ich rannte wieder auf die Straße. Margarethe
wartete an der nächsten Ecke auf mich. Sie zerquetschte
gerade die letzte Himbeere auf ihren
Lippen und verteilte dann den roten Saft auf ihren
Wangen. Das tat sie oft, weil sie glaubte, dass sie
dann schöner aussah, aber ich fand sie immer
schön.
Sie sah, wie ich große Augen machte, und glaubte,
das wäre wegen ihrer schönen roten Wangen, aber
das war es nicht. Neben ihr an der Litfaßsäule hing
ein riesiges Zirkusplakat. Mit Löwen, Seiltänzerinnen,
Akrobaten und einem Clown.
»Ich finde den Löwenbändiger schick. Was der
für Muskeln hat!«, hörte ich Margarethe sagen.
Aber ich, ich sah nur den Clown. Ich fuhr mit
meinem Finger in eine Luftblase unter dem Plakat
und riss mir die Stelle mit ihm aus.
»Max!« Margarethe war schon längst weitergegangen,
und ich rannte, um sie einzuholen.
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