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1_2024 Leseprobe

Ausgabe 1_2024 des BIOGAS Journals, herausgegeben vom Fachverband Biogas e.V.

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Fachverband Biogas e.V. | ZKZ 50073 | 27. Jahrgang<br />

www.biogas.org<br />

1_<strong>2024</strong><br />

Ab Seite 36<br />

TITELTHEMA<br />

Wasser<br />

sparender<br />

Maisanbau<br />

Bayern: Koalition will<br />

15 % mehr Bioenergie 30<br />

Status quo<br />

CO 2 -Speicherung 76<br />

Italien gibt mit<br />

Biomethan Gas 96


INHALT BIOGAS JOURNAL | 1_<strong>2024</strong><br />

Wasser<br />

sparender<br />

Maisanbau<br />

36<br />

EDITORIAL<br />

3 Viele Chancen und viel Unsicherheit<br />

Von Christoph Spurk, Vizepräsident<br />

des Fachverbandes Biogas e.V.<br />

AKTUELLES<br />

6 Meldungen<br />

8 Termine<br />

10 Biogas-Kids<br />

12 Carbon Farming – Hype oder Hope?<br />

Von Thomas Gaul<br />

18 Wirtschaftsdialog Biogas<br />

Branche diskutierte mit Politik in Trier<br />

Von Dr. Martin Frey<br />

22 Wirtschaftsdialog Biogas<br />

Berlin bremst beim Biogas, nicht Brüssel<br />

Von Dipl.-Ing. agr. (FH) Martin Bensmann<br />

POLITIK<br />

30 Bayern<br />

Ein Dokument der unaufgeregten<br />

Beständigkeit<br />

Von Bernward Janzing<br />

32 Interview<br />

„Mit der Biomasse haben wir einen<br />

nachhaltigen und völlig unterschätzten<br />

Energieträger“<br />

Interviewer: Dipl.-Ing. agr. (FH)<br />

Martin Bensmann<br />

34 Biogaswärme auf dem Weg in eine<br />

neue Zukunft<br />

Von Jörg Schäfer<br />

Beilagenhinweis: Das Biogas Journal<br />

enthält Beilagen der Firmen Onergys,<br />

2G Energietechnik, CSC Carbon Service<br />

und den Jahreskalender des<br />

Fachverbandes Biogas.<br />

36 Low-Input-Mais funktioniert<br />

auf lebendigen Böden<br />

Von Dipl.-Ing. agr. (FH)<br />

Martin Bensmann<br />

41 Mais in Direktsaat konserviert<br />

den Boden<br />

Von Dipl.-Ing. agr. (FH)<br />

Martin Bensmann<br />

48 Humusaufbau durch Direktsaat<br />

Von Bernward Janzing<br />

53 Mais minimalinvasiv ins<br />

Dauer grünland legen<br />

Von Dierk Jensen<br />

58 Direktsaat bei hohen Niederschlägen<br />

Von Thomas Gaul<br />

PRAXIS<br />

62 Mais und Co im Duett<br />

Von Dipl.-Journ. Wolfgang Rudolph<br />

68 Trafobrände: Tragische Einzelfälle<br />

oder Tendenz?<br />

Von Christian Dany<br />

72 Wie aus einem Erdgas-Verteilnetz<br />

der Naabtaler Grüngasring wurde<br />

Von Dipl.-Ing. Heinz Wraneschitz<br />

76 CCS – letzte Rettung für das Klima?!<br />

Von EUR ING Marie-Luise Schaller<br />

81 Blickfang und innovative Biogasanlage<br />

Von Dr. Martin Frey<br />

4


BIOGAS JOURNAL | 1_<strong>2024</strong><br />

INHALT<br />

81<br />

TITELFOTO: LWF AGROTEC GMBH & CO.KG I FOTOS: JOHANNES ZAUNER, DR. MARTIN FREY, OLIVER RISTAU<br />

102<br />

86 Herbst-Schlaufenreaktor-Verfahren<br />

Hydrolyse findet im Fermenter statt<br />

Von Thomas Gaul<br />

86 Anlagen des Monats Oktober<br />

und November<br />

WISSENSCHAFT<br />

90 Regionale Strategieentwicklung<br />

für Biogasanlagen am Beispiel des<br />

Landkreises Osnabrück<br />

Von Anica Mertins, Mathias Heiker,<br />

Prof. Dr. Tim Wawer und Prof. Dr. Sandra<br />

Rosenberger<br />

96 Regenerative Methanolsynthese<br />

basierend auf autothermer Biogasreformierung<br />

Von Benedikt Bender, Carl Fritsch<br />

und Jule Blankenstein<br />

INTERNATIONAL<br />

Italien<br />

102 Italien gibt mit Biomethan Gas<br />

Von Oliver Ristau<br />

Brasilien<br />

108 885 Biogasanlagen in Betrieb<br />

Von M.Sc. Alexandre Alves Lange<br />

und Cristiane Moreira Rossoni<br />

VERBAND<br />

Aus der Geschäftsstelle<br />

114 Lichtblicke für Biogas?<br />

Von Dr. Stefan Rauh und<br />

Dipl.-Ing. agr. (FH) Manuel Maciejczyk<br />

118 LEE Niedersachsen/Bremen e.V.<br />

121 Woche der Wärme<br />

122 <strong>2024</strong>: Wir können noch viel<br />

Bioenergie-Potenzial heben<br />

Von Dr. Simone Peter, BEE<br />

PRODUKTNEWS<br />

124 Produktnews<br />

126 Impressum<br />

5


AKTUELLES BIOGAS JOURNAL | 1_<strong>2024</strong><br />

Mit über 100 Teilnehmern<br />

war die Tagung zum<br />

Thema „Carbon Farming“<br />

gut besucht.<br />

Carbon Farming – Hype oder Hope?<br />

Mit dem Thema „Carbon Farming“ sind viele Hoffnungen verbunden. Kann es gelingen,<br />

größere Mengen Kohlenstoff im Boden zu speichern und so das Klima zu schützen? Und<br />

dabei zugleich die Wasserverfügbarkeit in den landwirtschaftlich genutzten Böden zu<br />

erhöhen, ihre Biodiversität zu steigern und den in der Erde wurzelnden Pflanzen Nährstoffe<br />

verfügbar zu machen? Ob es bei Carbon Farming nur um einen „Hype“ geht oder doch eher<br />

„Hope“ berechtigt ist, versuchte eine Tagung des Ackerbauzentrums Niedersachsen Ende<br />

Oktober auf Burg Warberg im Landkreis Helmstedt zu ergründen.<br />

Von Thomas Gaul<br />

Das Thema Carbon Farming wurde von<br />

den Referentinnen und Referenten aus<br />

politischer, wissenschaftlicher oder praktischer<br />

Perspektive betrachtet. Dabei<br />

wurde deutlich: Humuserhalt und -aufbau<br />

sind wichtig und müssen systemisch betrachtet<br />

werden, denn die Funktionen organischer Substanz<br />

in unseren Böden sind vielfältig. Humus erhöht die<br />

ackerbauliche Produktivität, ist Senke für Treibhausgase<br />

und Speicher für Nährstoffe sowie Wasser,<br />

ist Lebensraum und Nahrungsquelle für Bodentiere<br />

und -organismen, verbessert Bodenstruktur und -gefüge<br />

und schützt gegen Erosion.<br />

Mit ihm lässt sich Kohlenstoff im Boden speichern,<br />

der zuvor in Pflanzen gebunden war. Der „Bodenzustandserhebung<br />

Landwirtschaft“ des Bundesministeriums<br />

für Ernährung und Landwirtschaft zufolge<br />

binden die landwirtschaftlich genutzten Böden in<br />

Deutschland insgesamt 2,5 Milliarden (Mrd.) Tonnen<br />

Kohlenstoff in Form von Humus, davon 1,3<br />

Mrd. Tonnen in Äckern. Humus ist damit der wichtigste<br />

natürliche CO 2<br />

-Speicher.<br />

Auch die Landwirtschaft steht in der Verantwortung,<br />

zum Klimaschutz beizutragen. Um den Boden als<br />

CO 2<br />

-Speicher zu nutzen, gilt es, den Humusgehalt<br />

zu erhöhen. Im Rahmen des Projektes „HumusKlimaNetz“<br />

erproben und etablieren teilnehmende Betriebe<br />

über die derzeitige landwirtschaftliche Praxis<br />

hinausgehende Maßnahmen zum Humuserhalt und<br />

zum Humusaufbau.<br />

Die begleitende Forschung soll dabei ein Instrument<br />

zur Treibhausgasbilanzierung entwickeln, um<br />

die Klimawirkung der ackerbaulichen Maßnahmen<br />

zu bewerten. Licht ins Dunkel um die oft falsch verwendeten<br />

Begriffe „Kohlenstoffspeicher“, „Kohlenstoffsenke“<br />

und „Humusaufbau“ bringt eine neue<br />

Thünen-Studie. Demnach ist der Humusaufbau<br />

nicht gleichzusetzen mit einer Kohlenstoffspeicherung<br />

im Boden.<br />

Viele Äcker in Europa verlieren derzeit Humus und<br />

somit Bodenkohlenstoff wegen des Klimawandels<br />

oder durch eine nicht nachhaltige Bewirtschaftung.<br />

Maßnahmen zum Humusaufbau verringern dem<br />

Wissenschaftler zufolge aber oft zunächst nur den<br />

FOTOS: JULIA HOMANN FOTO+FILM<br />

12


BIOGAS JOURNAL | 1_<strong>2024</strong><br />

AKTUELLES<br />

Der Ackerbau befindet sich im Klimawandel. Den<br />

Handlungsbedarf skizzierte Cord Stoyke vom<br />

Niedersächsischen Ministerium für Ernährung,<br />

Landwirtschaft und Klimaschutz.<br />

Zahlreiche Initiativen befassen sich in Europa<br />

mit dem Thema, hat Claudia Heidecke, Stabsstelle<br />

Klima und Boden vom Thünen-Institut<br />

Braunschweig recherchiert.<br />

Abbau des organischen Kohlenstoffs im<br />

Boden. Damit werde zwar dessen Verlust<br />

verlangsamt, was durchaus im Sinne<br />

des Klimaschutzes sei. Allerdings werde<br />

nicht automatisch eine negative Emissionsbilanz<br />

erreicht.<br />

Indirekte Wirkungen<br />

berücksichtigen<br />

Von einer „Kohlenstoffsenke“ oder „C-<br />

Sequestrierung“ kann erst dann gesprochen<br />

werden, wenn von der Fläche insgesamt<br />

weniger Treibhausgasemissionen<br />

ausgehen, als durch den Humusaufbau<br />

gebunden werden. Dabei müsse auch<br />

berücksichtigt werden, ob durch die<br />

Humusaufbaumaßnahme nicht auch an<br />

anderer Stelle mehr Treibhausgasemissionen<br />

entstünden.<br />

Auch eine reduzierte Bodenbearbeitung<br />

könne zwar Humus generieren, doch das<br />

gehe oft mit vermehrten Lachgasemissionen<br />

einher. Da Lachgas ein hochpotentes<br />

Klimagas sei, könnten dann bereits<br />

kleine zusätzliche Mengen des Gases<br />

den Klimaschutzeffekt des Humusaufbaus<br />

ausgleichen oder gar überkompensieren.<br />

Auf die Folgen des Klimawandels für<br />

die Landwirtschaft wies Dr. Cord Stoyke<br />

vom niedersächsischen Ministerium für<br />

Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz<br />

hin. So müsse der Ackerbau<br />

mit steigenden Temperaturen und Dürre,<br />

aber auch Starkregen zurechtkommen.<br />

Während der Wasserbedarf durch die bei<br />

hohen Temperaturen ansteigende Verdunstung<br />

zunehme, werde die Verfügbarkeit<br />

des Wassers sinken.<br />

Bereits jetzt gehört Niedersachsen zu<br />

den Bundesländern mit der größten Beregnungsfläche.<br />

Werden jetzt 250 Millionen<br />

(Mio.) Kubikmeter Grundwasser für<br />

Feldberegnung entnommen, könnte der<br />

Bedarf im Jahre 2030 auf 390 Mio. Kubikmeter<br />

steigen. Nutzungskonflikte um<br />

die knapper werdenden Wasserressourcen<br />

seien da programmiert, so Stoyke.<br />

Anpassungsstrategien seinen erweiterte<br />

Fruchtfolgen, auch mit angepassten<br />

Pflanzen wie Soja, und die Erhöhung<br />

der Bodenfruchtbarkeit und der Wasserhaltefähigkeit<br />

des Bodens.<br />

Greenwashing vermeiden<br />

Mit dem Thema Carbon Farming aus<br />

europäischer Perspektive befasste sich<br />

Dr. Claudia Heidecke, Stabsstelle Klima<br />

und Boden beim Thünen-Institut Braunschweig.<br />

Ihren Recherchen zufolge gibt<br />

es derzeit insgesamt 50 Anbieter, die<br />

Landwirte für die C-Sequestrierung in<br />

ihren Ackerböden entlohnen. 19 fokussieren<br />

sich davon auf den Humusaufbau,<br />

3 auf Agroforstsysteme, 10 auf das<br />

Einbringen von Pflanzenkohle, 13 auf<br />

die Vernässung von Mooren und 14 auf<br />

Aufforstungsprojekte.<br />

Standards und Qualitätssicherung seien<br />

in den Ansätzen sehr unterschiedlich. Daher<br />

seien klare Vorgaben beispielsweise<br />

zur Messung von Humusveränderungen<br />

oder zur Dauerhaftigkeit der Kohlenstoffbindung<br />

wichtig. Eine Doppelförde-<br />

13


AKTUELLES BIOGAS JOURNAL | 1_<strong>2024</strong><br />

Über Humus und seine Bedeutung für die<br />

Bo den fruchtbarkeit referierte Georg Guggenberger,<br />

Professor am Institut für Bodenkunde der<br />

Leibniz-Universität Hannover.<br />

Niedersachsens Ackerböden verlieren Humus,<br />

so das Fazit von Heinrich Höper, Landesamt für<br />

Bergbau, Energie und Geologie.<br />

Mit ackerbaulichen Maßnahmen zum Humusaufbau<br />

beitragen – darüber informierte Peter<br />

Jantsch vom Deutschen Bauernverband.<br />

rung gelte es ebenso zu vermeiden wie eine doppelte<br />

Anrechnung der CO 2<br />

-Bindung. All diese Fragen müssten<br />

geklärt werden, damit Carbon Farming nicht den<br />

Ruch des „Greenwashings“ bekäme.<br />

Interessenten riet Heidecke, sich genau mit dem<br />

jeweiligen Entlohnungsschema zu befassen. Bedeutsam<br />

sind auch Fragen der Vertragsgestaltung<br />

und Verifizierung. Wichtig ist, dass es sich dabei<br />

um eine zusätzliche C-Sequestrierung handelt und<br />

keine Verlagerung innerhalb der Flächen stattfindet.<br />

Aus gesellschaftlicher Perspektive sollte Greenwashing<br />

auf jeden Fall vermieden werden. Nach Heideckes<br />

Angaben könnten 3 bis 6 Mio. Tonnen CO 2<br />

in Deutschland im Boden gebunden werden, wenn<br />

alle Maßnahmen des HumusKlimaNetz-Projektes<br />

umgesetzt würden.<br />

Eine Frage, die in diesem Zusammenhang und auch<br />

in der späteren Diskussion mit den Praktikern aufkam:<br />

Wie lassen sich die Leistungen der „Pioniere“<br />

bewerten, also derjenigen Landwirte, die bereits<br />

jetzt viel in den Humusaufbau ihrer Böden investiert<br />

haben? Zu fragen bleibt darüber hinaus, ob die Geschäftsmodelle<br />

der Anbieter von Humuszertifikaten<br />

eine angemessene Vergütung der Leistung der Landwirte<br />

gewährleisten können.<br />

Die Mikrobiologie im Blick<br />

Dr. Georg Guggenberger, Professor am Institut für<br />

Bodenkunde der Leibniz Universität Hannover, ging<br />

in seinem Vortrag auf die Bedeutung des Humus für<br />

das Bodenleben ein. Dabei beleuchtete er insbesondere<br />

die mikrobiellen Zusammenhänge, die zur<br />

Humusbildung führen. Der Bodenkundler erläuterte,<br />

dass sich die Vorstellung von Humus in der Wissenschaft<br />

im Wandel befindet.<br />

Heute wird Humus als Gesamtheit aller toten organischen<br />

Stoffe pflanzlichen und tierischen Ursprungs<br />

und deren Umwandlungsprodukte verstanden. Or-<br />

biogaskontor.de<br />

14<br />

Gemeinsam für eine nachhaltige Biogasproduktion!


BIOGAS JOURNAL | 1_<strong>2024</strong><br />

AKTUELLES<br />

ganischer Kohlenstoff ist mit 58 Prozent<br />

das mengenmäßig bedeutendste Element<br />

der organischen Substanz. Für das<br />

Humusmanagement spielt die Vielzahl<br />

an Mikroorganismen eine wichtige Rolle.<br />

Die unterschiedlichen Pflanzenarten beinhalten<br />

verschiedene organische Verbindungen,<br />

die nur von ganz spezifischen<br />

Enzymen abgebaut werden.<br />

Dies führt dazu, dass bei hoher Pflanzenvielfalt<br />

der mikrobielle Abbauprozess<br />

langsamer erfolgt und damit stabile organische<br />

Substanz besser angereichert<br />

wird. Daher kann der Landwirt durch<br />

weite Fruchtfolge oder möglichst komponentenreichen<br />

Zwischenfruchtanbau<br />

Einfluss auf die mikrobiellen Prozesse<br />

und auf den Humusaufbau nehmen. Durch den Humusaufbau<br />

kommt es darüber hinaus zu einer Verbesserung<br />

von Bodenstruktur und -gefüge.<br />

Wichtig sei, die unterirdische Diversität der Mikroorganismen<br />

zu fördern. Erreichen ließe sich dies beispielsweise<br />

durch den Anbau von Zwischenfruchtmischungen.<br />

Die verschiedenen Pflanzenarten<br />

durchwurzeln den Boden in unterschiedlichen Tiefen<br />

und fördern so die Aktivität der unterirdischen<br />

Mikroorganismen.<br />

Mit dem Zustand und der Entwicklung des Humusvorrates<br />

in den Ackerböden Niedersachsens befasste<br />

sich Dr. Heinrich Höper vom Landesamt für<br />

Bergbau, Energie und Geologie. Er verwies dabei<br />

auf Ergebnisse des Boden-Dauerbeobachtungsprogramms,<br />

die an 48 über die Fläche Niedersachsens<br />

verteilten Stationen gewonnen werden. „Die meisten<br />

Böden in Niedersachsen verlieren Kohlenstoff“,<br />

stellte Höper fest.<br />

Podsole und sandige Gleye sind davon besonders<br />

betroffen, also die klassischen Ackerböden. Der Verlust<br />

beträgt hier durchschnittlich eine Tonne je Hektar<br />

und Jahr. Eine Ursache könnte die zunehmende<br />

Sommertrockenheit in Folge des Klimawandels sein.<br />

Durch konservierende Bodenbearbeitung beziehungsweise<br />

Direktsaat sei viel organisches Material<br />

im Oberboden vorhanden, aber nur bis zu einer Tiefe<br />

von 40 Zentimetern. Stabil bliebe der Humus aber<br />

nur in der Tiefe. Demnach wäre eigentlich eine Krumenvertiefung<br />

und Tiefpflügen erforderlich. Das ist<br />

jedoch hypothetisch, denn die Zulässigkeit dieser<br />

Maßnahme ist durch die Bodenschutzverordnung<br />

nicht mehr gegeben.<br />

Wie wichtig es ist, sich über die unterschiedlichen<br />

Maßnahmen zum Humusaufbau auszutauschen, betonte<br />

Peter Jantsch vom Deutschen Bauernverband<br />

in seinem Vortrag. Im Rahmen HumusKlimaNetz-<br />

Projektes entstand ein Netzwerk aus deutsch-<br />

Auch in den Kaffeepausen<br />

diskutierten<br />

die Teilnehmer<br />

intensiv.<br />

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Finden<br />

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15


AKTUELLES BIOGAS JOURNAL | 1_<strong>2024</strong><br />

Welche finanziellen Anreize brauchen Landwirte<br />

für die Teilnahme? Dieser Frage ist Julia Block,<br />

Department für Agrarökonomie und Rurale<br />

Entwicklung der Georg-August-Universität<br />

Göttingen, in einem Projekt nachgegangen.<br />

landweit 150 landwirtschaftlichen Betrieben,<br />

um gemeinsam langfristig wirksame<br />

Maßnahmen zum Humusaufbau und Humuserhalt<br />

zu erproben.<br />

Jantsch riet dazu, mehr in Anbausystemen<br />

zu denken. So ließen sich humuszehrende<br />

Kulturen wie Silomais mit<br />

Untersaaten und dem Anbau von Zwischenfrüchten<br />

aufwerten. Mit vielfältigen<br />

Fruchtfolgen habe auch Biogas Potenzial,<br />

so Jantsch.<br />

Zertifikatehandel als Einnahme<br />

Wie könnten Humusaufbauprogramme<br />

aussehen und welche Anforderungen<br />

sind für die Teilnahme landwirtschaftlicher<br />

Betriebe wichtig? Um diese Fragestellung<br />

ging es im Themenblock am<br />

Nachmittag. Wie die CO 2<br />

-Bindung im<br />

Boden durch den Humusaufbau über<br />

einen Zertifikatehandel zu einer Einnahmequelle<br />

für landwirtschaftliche<br />

Betriebe werden kann, erklärte Professor<br />

Dr. Daniel Hermann vom Institut für<br />

Lebensmittel- und Ressourcenökonomik<br />

an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-<br />

Universität Bonn.<br />

Bei den sogenannten Humusprogrammen<br />

kaufen Unternehmen oder private<br />

Haushalte Humuszertifikate von darauf<br />

spezialisierten Akteuren. Diese wiederum<br />

zahlen landwirtschaftlichen Betrieben,<br />

die Humus aufbauen, Prämien. Mit den<br />

erworbenen Humuszertifikaten möchten<br />

sich Unternehmen mit ihren Produkten<br />

„klimaneutral“ darstellen.<br />

Humusprämien können ergebnisbasiert<br />

oder maßnahmenbasiert ausgezahlt werden.<br />

Bei der Ergebnisorientierung dient<br />

Anna Baumgärtel von der Agravis Raiffeisen AG<br />

stellte das Programm „Zukunft Erde“ vor.<br />

die tatsächlich gemessene Zunahme von<br />

Humus, belegt über entsprechende Bodenproben,<br />

als Nachweis. Julia Block,<br />

Department für Agrarökonomie und Rurale<br />

Entwicklung der Georg-August-Universität<br />

Göttingen, stellte die Ergebnisse<br />

einer Online-Umfrage vor, an der sich in<br />

in 2023 190 deutsche Landwirte beteiligt<br />

haben.<br />

37 Prozent der Befragten kennen demnach<br />

den Humusgehalt ihrer Böden.<br />

8 Prozent nehmen bereits an einem<br />

Programm zum Humusaufbau teil. Die<br />

Teilnahmebereitschaft an solchen Programmen<br />

ist höher, wenn die Vergütung<br />

maßnahmenbasiert erfolgt. Auch plädieren<br />

die Befragten für eine kürzere Laufzeit<br />

der Programme.<br />

Zwei Vertreter von Humusaufbau-Programmen<br />

hatten anschließend die Gelegenheit,<br />

ihre Konzepte vorzustellen.<br />

Noch relativ neu ist das Programm „Zukunft<br />

Erde“ der Agravis Raiffeisen AG.<br />

Das Programm ist bei einem Kooperationspartner<br />

in Österreich gestartet. Mittlerweile<br />

machen dort 200 Landwirte<br />

mit. Zunächst wird auf dem Betrieb eine<br />

GPS-gestützte Bodenprobe entnommen<br />

und der Humusgehalt bestimmt.<br />

Nach frühestens drei Jahren wird ein<br />

weiteres Mal eine Bodenprobe entnommen<br />

und der Humusgehalt bestimmt.<br />

Sollte ein Humusaufbau und damit die<br />

Bindung von CO 2<br />

erfolgt sein, erhält der<br />

Landwirt eine finanzielle Gegenleistung<br />

durch den Verkauf von CO 2<br />

-Herkunftsnachweisen.<br />

Die Höhe ist abhängig vom<br />

Vermarktungspreis der CO 2<br />

-Herkunftsnachweise<br />

zum jeweiligen Zeitpunkt.<br />

Bereits länger am Markt ist das Konzept<br />

von CarboCert. Hier wird nach drei Jahren,<br />

mindestens zwei Beprobungen und<br />

einer festgestellten Erhöhung des Humusgehaltes<br />

die Menge an gebundenem<br />

CO 2<br />

für die Ermittlung der Emissionsgutschrift<br />

genutzt. Nach dem Verkauf an<br />

einen Abnehmer werden dem Landwirt<br />

derzeit rund 30 Euro gezahlt. Derzeit<br />

wird auf EU-Ebene noch ein Vergütungsrahmen<br />

für Zertifizierungsmodelle diskutiert.<br />

Noch ist nicht klar, wie der finanzielle<br />

Rahmen ausgestaltet wird. Denn<br />

die Maßnahmen sollen „zusätzlich und<br />

dauerhaft“ sein.<br />

Aus Sicht der Praktiker ist der finanzielle<br />

Aspekt nicht der allein entscheidende:<br />

Burkhard Fromme aus dem niedersächsischen<br />

Scheppau, der auf seinem Betrieb<br />

schon lange Humusaufbau betreibt,<br />

betonte: „Es muss im Kopf anfangen und<br />

nicht im Portemonnaie.“ Zahlungen für<br />

entsprechende Maßnahmen wären für<br />

ihn eher ein Mitnahmeeffekt.<br />

Henning Harms, der in der Dannenberger<br />

Marsch einen 260-Hektar-Betrieb<br />

in Direktsaat bewirtschaftet, ergänzte:<br />

„Zahlungen sind eine Anerkennung für<br />

das, was ich als Landwirt tue.“ Gerhard<br />

Schwetje, Landwirt und Präsident der<br />

Landwirtschaftskammer Niedersachsen,<br />

sieht in der Freiwilligkeit der Maßnahmen<br />

eine Chance für die Landwirtschaft:<br />

„Finanzielle Anreize sind besser<br />

als Ordnungsrecht.“<br />

Autor<br />

Thomas Gaul<br />

Freier Journalist<br />

Im Wehrfeld 19a · 30989 Gehrden<br />

01 72/512 71 71<br />

gaul-gehrden@t-online.de<br />

16


TITELTHEMA<br />

Wasser sparender<br />

Maisanbau<br />

Mais in Direktsaat gelegt. Die<br />

Pflanzen befinden sich im<br />

Dreiblattstadium und machen<br />

einen guten Eindruck.<br />

FOTO: CHRISTOPH OING<br />

36


BIOGAS JOURNAL | 1_<strong>2024</strong><br />

PRAXIS / TITEL<br />

Low-Input-Mais funktioniert<br />

auf lebendigen Böden<br />

Mais in Direktsaat anzubauen, ist für die meisten Landwirte in Deutschland eine exotische<br />

Sache. Für Praktiker mit mehrjähriger Erfahrung ist diese Saatvariante aber keine Spinnerei,<br />

denn die durchgängige Bodenruhe verbessert die biologische Aktivität der Böden, hält<br />

Feuchtigkeit länger, nimmt Niederschläge besser auf und verhindert sowohl Wind- als auch<br />

Wassererosionen. Sie funktioniert aber nur richtig, wenn sie in ein No-till-System integriert<br />

ist. Zu achten ist auf Schädlinge wie Schnecken und Wühlmäuse.<br />

Von Dipl.-Ing. agr. (FH) Martin Bensmann<br />

FOTO: MARTIN BENSMANN<br />

hat Christoph Oing das letzte Mal<br />

2016 auf seinen Feldern einen Pflug eingesetzt,<br />

2018 hat er ihn schließlich verkauft. Der<br />

56-jährige staatlich geprüfte Landwirt bewirtschaftet<br />

einen Landwirtschaftsbetrieb in Gronau-Epe in<br />

Nordrhein-Westfalen. Bei der Bodenart handelt es<br />

sich um Sandboden mit Ackerzahlen zwischen 18<br />

und 33. Seine Tochter Helena ist Mitte 20 und arbeitet<br />

im Betrieb voll mit. Sie hat einen Abschluss<br />

als Agrarbetriebswirtin. 1997 hat Christoph Oing<br />

den Betrieb von seinen Eltern gepachtet, 2003 hat<br />

er ihn komplett übernommen.<br />

1989 hat er ein paar Wochen in den USA im Bundesstaat<br />

Illinois auf verschiedenen Farmen mit<br />

Ackerbau und Viehhaltung gearbeitet. Der Bundesstaat<br />

liegt südlich von Wisconsin am Michigansee.<br />

Damals hat ihn die dort praktizierte Direktsaat<br />

schon beeindruckt: „Die haben einfach nach Mais<br />

die nächste Hauptfrucht direkt zwischen die Maisstoppelreihen<br />

gesät. Das fand ich schon sehr interessant.“<br />

Blatt- und Halmfrüchte haben sich auf seinem Betrieb<br />

in der Fruchtfolge immer schon abgewechselt.<br />

Zwischen den Hauptfrüchten wurde immer eine<br />

Zwischenfrucht gedrillt – meistens Senf in Reinkultur.<br />

„Senf gehört aufs Brötchen“, sagt Oing heute<br />

augenzwinkernd und verdeutlicht damit, dass diese<br />

Zwischenfrucht heute keine Rolle mehr auf seinen<br />

Feldern spielt. Denn diese Zwischenfrucht wirkt vor<br />

einigen Hauptfrüchten negativ, was sich insbesondere<br />

in schwächeren Erträgen zeigt.<br />

„Darum bauen wir seit 15 Jahren Zwischenfruchtmischungen<br />

aus dem Hause DSV an mit mindestens<br />

15 verschiedenen Arten, ohne Senf darin“, betont<br />

Oing. Bevor er 2021 in die No-till-Direktsaat einstieg,<br />

hat er nach der Ernte das Maisstroh geschlegelt<br />

und anschließend mit einer Scheibenegge das<br />

Stroh in den Boden eingearbeitet. Die Mulchsaat<br />

erfolgte dann mit einer 3-Meter-Kreiselegge-Drillmaschinen-Kombination<br />

von Amazone.<br />

Auf einer Maschinenvorführung von der Firma Horizon<br />

aus England im Jahr 2020 im Münsterland war<br />

er von der Arbeitsqualität der Maschine beeindruckt,<br />

insbesondere von den speziell<br />

schräg angestellten Scheibenscharen.<br />

„Ich dachte mir, dass<br />

diese Sätechnik sich sehr gut<br />

eignen müsste, um damit Getreide<br />

direkt in das Maisstroh<br />

nach der CCM-Ernte zu drillen“,<br />

erklärt Oing. Im gleichen Jahr<br />

ließ er sich auf seinem Hof eine<br />

Direktsaatmaschine (Easydrill)<br />

vom französischen Hersteller<br />

Sky vorführen, die ebenfalls<br />

gute Arbeit hinterließ.<br />

Aus Sly wurde Agrisem<br />

Zur Einordnung: Ursprünglich<br />

wurde das Horizon-Scharkonzept,<br />

das sogenannte Undercut<br />

Disc, vor über 15 Jahren in<br />

Australien entwickelt. In Europa<br />

wurde diese Saattechnik von der<br />

französischen Firma Sly Agri in<br />

Lizenz gebaut und an die hiesigen<br />

Bedingungen angepasst. Sly<br />

France wurde 2020 von Agrisem<br />

übernommen. Seit 2019 vertreibt<br />

Agrisem die Maschinen.<br />

2019 wurde Horizon Agriculture<br />

von einem ehemaligen Sly-Mitarbeiter<br />

in England gegründet.<br />

Die Horizon-Maschinen werden<br />

in Spalding in der Grafschaft<br />

Lincolnshire, nördlich von<br />

Christoph Oing ist vom System Conservation<br />

Agri culture überzeugt. Für ihn ist in diesem<br />

Zusammenhang die Direktsaat von Mais<br />

gängige Praxis.<br />

37


PRAXIS / TITEL BIOGAS JOURNAL | 1_<strong>2024</strong><br />

Mit der Horsch Maestro lässt Christoph Oing den Mais auf<br />

seinem Betrieb direkt in alte Zwischenfruchtbestände legen.<br />

Die Säschare des Maislegers lassen sich trotz Direktsaatverfahren<br />

mühelos in den Boden einziehen.<br />

Das Undercut-Schar an der Direktsämaschine Mini-Boss von Agrisem ist ein Einscheibenschar, das<br />

Vertikal um 30 Grad und horizontal nochmals um 7 Grad angewinkelt ist. Das Ergebnis ist ein natürlicher<br />

Untergriff, der das Schar in den Boden zieht. Je schwerer der Boden, desto stärker der Einzugseffekt.<br />

Die doppelt angewinkelte Scheibe öffnet den Boden und klappt ihn nach<br />

oben auf. Anschließend folgt der Säschuh, der im Windschatten der Scheibe<br />

montiert ist, um Verschleiß und Verschmierungen zu minimieren, und platziert<br />

das Saatgut. Währenddessen verhindert das Side-Wheel, dass der Boden zur<br />

Seite wegklappt. Gerade um höhere Arbeitsgeschwindigkeiten zu realisieren ein<br />

entscheidender Faktor. Danach wird der Säschlitz von der Andruckrolle wieder<br />

sicher verschlossen. Weitere Infos zur Saattechnik siehe QR-Code <br />

London gebaut. In Deutschland vertreibt<br />

die LWF AgroTec GmbH & Co.KG aus<br />

Römstedt in der Lüneburger Heide die<br />

Agrisem-Maschinen.<br />

Christoph Oing machte sich nach der<br />

Sky-Vorführung auf die Suche nach einer<br />

Direktsaatmaschine. Dabei hat er<br />

festgestellt, dass die Landmaschinenhändler<br />

in seiner Region nur klassische<br />

Drilltechnik verkaufen wollten. „Manche<br />

Direktsaatmaschinen waren mir in der<br />

Anschaffung zu teuer oder der Hersteller<br />

hatte keinen Vertrieb in Deutschland beziehungsweise<br />

das Scharsystem an sich<br />

gefiel mir nicht. So bin ich schließlich<br />

zu LWF AgroTec gekommen. Der Vertrieb<br />

ist in Deutschland, das Preis-Leistungsverhältnis<br />

stimmt und das Saatsystem<br />

ist der Horizon gleich“, lässt Oing einblicken.<br />

Und so kaufte er im Oktober 2021<br />

die sogenannte Mini-Boss von Agrisem<br />

mit 3 Metern Arbeitsbreite.<br />

2021 war auch das Jahr, in dem Christoph<br />

Oing an einem Bodenkurs von Sonja<br />

Dreymann teilnahm. Sie ist Bodenexpertin<br />

und Beraterin aus Schleswig-Holstein.<br />

„Durch die Teilnahme an dem<br />

Kurs habe ich die Bodenfunktionen besser<br />

verstanden und erkannt, wie wichtig<br />

zum Beispiel Bodenpilze beziehungsweise<br />

die vielen anderen Organismen im Boden<br />

sind“, berichtet Oing.<br />

FOTOS: CHRISTOPH OING<br />

38


BIOGAS JOURNAL | 1_<strong>2024</strong><br />

PRAXIS / TITEL<br />

Direktsaatmais im Wasserschutzgebiet<br />

Mittlerweile hat er seit vier Jahren seine Ackerböden<br />

fast gar nicht mehr bewegt in Form von Bodenbearbeitung.<br />

Und das gilt auch teilweise im Zusammenhang<br />

mit dem Maisanbau. Den sät er sowohl direkt<br />

als auch im Strip-till-Verfahren. Bei letzterem wird<br />

immer etwas Boden bewegt. Mais in Direktsaat wird<br />

auf 10 Hektar praktiziert, die sich in Wasserschutzzone<br />

2 befinden. Der Mais wird mit einer achtreihigen<br />

Horsch Maestro (siehe Fotos) direkt in den nicht<br />

bearbeiteten Boden 4 bis 5 Zentimeter tief gelegt<br />

mit 75 Zentimeter Reihenabstand.<br />

Vor der Mais-Direktsaat in der Wasserschutzzone 2<br />

wird der vorhandene Zwischenfruchtbestand kleingeschlegelt.<br />

Bei der Direktsaat bekommt der Mais<br />

auf diesen Flächen maximal 70 Kilogramm Stickstoff<br />

pro Hektar in Form von mineralischem Unterfußdünger.<br />

In 2023 hat Oing den Mais am 1. Mai<br />

gelegt. Zwölf Tage später ist er nach seinen Angaben<br />

aufgelaufen. In der Keimblattphase und im Jugendwachstum<br />

braucht der Direktsaatmais etwas länger,<br />

er kompensiert die Ertragsbildung später aber komplett.<br />

In 2023 hat er 16 Tonnen CCM geerntet, weil<br />

auch genug Niederschlag fiel.<br />

Zur Aussaat kamen die Sorten Farmmüller und Farmmoritz<br />

mit 250er Reifezahlen. Strip-till-Mais steht<br />

auf 20 Hektar, der nur mit Wirtschaftsdünger unterfuß<br />

nährstoffseitig versorgt wird. Als Strip-till-Gerät<br />

hinter dem Gülletankwagen kommt ein Kuhn Striger<br />

zum Einsatz vom Lohnunternehmen Christoph Hante<br />

(siehe Biogas Journal 1_23, Seiten 72-77). Mineralischen<br />

Unterfußdünger setzt Oing im Mais seit zwölf<br />

Jahren nicht mehr ein. Auch der Direktsaatmais habe<br />

eine sehr gute Kolbenfüllung und der Energiegehalt<br />

sei gegenüber dem Strip-till-Mais leicht höher.<br />

Keine Probleme mit Mykotoxinen<br />

Der erfahrene Landwirt sagt, dass das Körnermaisstroh<br />

im nachfolgenden Direktsaat-Getreideanbau<br />

hinsichtlich möglicher Pilzinfektionen kein Problem<br />

darstellt. „Wir haben zum Beispiel in 2022 6,5 Tonnen<br />

Roggen geerntet – und das in einem Sommer mit<br />

wenig Regen. Der Roggen hatte keine Pilzinfektionen.<br />

Die sogenannten DON-Werte waren in Ordnung,<br />

Mykotoxine spielten keine Rolle“, führt Oing weiter<br />

aus. Die Mini-Boss fährt er ohne Räumschare vor den<br />

Säaggregaten, weil er das geschlegelte Stroh nicht<br />

mehr bewegen will.<br />

Nährstoffe im Boden sind in ausreichender Menge<br />

vorhanden. Das hat eine Bodenuntersuchung<br />

nach Kinsey in 2021 ergeben. Lediglich Bor ist<br />

im Mangel. Die wichtigsten Nährstoffe stellt die<br />

Schweinegülle bereit. In die wird allerdings Ammonium-Sulfat-Lösung<br />

(ASL) aus der industriellen Herstellung<br />

eingemischt. Damit sind die Ackerkulturen<br />

auch mit Schwefel gut versorgt. Nach der Maisernte<br />

sind 25 Kilogramm Nmin im Boden als Reststickstoffmenge<br />

erreichbar. Beim Betriebsbesuch am<br />

10. November stehen wir auf dem abgeernteten<br />

Direktsaatmaisacker. Am 27. September wurde der<br />

Mais in Form von CCM mit 16 Tonnen geerntet. Wenige<br />

Tage danach hat er das Stroh gemulcht und<br />

am 7. Oktober mit der Mini-Boss Wintergerste direkt<br />

mit 340 Körnern pro Quadratmeter gedrillt. Auffällig<br />

ist, dass die Ackerfläche sehr eben ist, dass die<br />

Wintergerste sehr gut ohne Lücken dasteht und das<br />

Maisstroh schon gut zur Hälfte vom Bodenleben abgebaut<br />

worden ist. Wenn so viel Stroh abgebaut worden<br />

ist, dann haben die Bodenmikroben dafür eine<br />

ganze Menge Stickstoff verbraucht, was im Herbst<br />

für die junge Saat aber kein Problem darstellt.<br />

Regenwürmer helfen bei Lebendverbauung<br />

Was für eine Leistung der Natur in einem Boden<br />

mit einem sehr aktiven Edaphon. Beim Aufbrechen<br />

der Krume mit einer Grabegabel sind verschiedene<br />

Regenwurmarten und unterschiedlich große Regenwurmröhren<br />

sehr gut erkennbar. Gut sichtbar sind<br />

auch die Feinwurzeln der Wintergerste, an denen<br />

Boden haftet. Ebenso fällt die krümelige Bodenstruktur<br />

auf. Auf dem Boden zwischen der Gerstensaat<br />

wächst sogar Moos.<br />

Manchmal findet Oing auf seinen Feldern auch<br />

oberirdische Fruchtkörper von Bodenpilzen, die<br />

Kennzeichen besonderer Aktivitäten im Boden sind.<br />

Da ist es kein Wunder, dass er leichte Rückgänge<br />

beim Phosphorgehalt in seinen Böden feststellt.<br />

Denn bestimmte Pilze können Phosphor für die Versorgung<br />

der Kulturpflanzen erschließen. In einem<br />

Kubikmeter gesunden Ackerboden können bis zu<br />

25.000 Kilometer an Pilzhyphen vorkommen.<br />

Fahrspuren sind auf seinen Flächen gar nicht zu<br />

finden. Denn erstens befährt Oing seine Felder<br />

nur, wenn sie tragfähig sind und zweitens haben<br />

alle Schlepper und Anhänger seit über 20 Jahren<br />

Breitreifen montiert. Für die Schlepperhinterreifen<br />

ist eine Reifendruckregelanlage verbaut,<br />

Links: So sieht die<br />

Fläche nach der<br />

Maisdirektsaat aus.<br />

Rechts: Direktsaatmais<br />

kurz vor<br />

Reihenschluss.<br />

39


PRAXIS / TITEL BIOGAS JOURNAL | 1_<strong>2024</strong><br />

Christoph Oing achtet auf Bodendruck. Darum haben alle Fahrzeuge auf seinem Betrieb Breitreifen –<br />

auch die Anhänger. Die Schlepper verfügen an den Hinterachsen über eine Reifendruckregelanlage.<br />

Hier zieht der John Deere die Mini-Boss von Agrisem für die Direktsaat einer Zwischenfrucht in die<br />

Getreidestoppeln. Die Maschine sät mit einem Reihenabstand von 18,75 Zentimetern.<br />

Wintergerste in Doppelreihen in Direktsaat mit<br />

der Agrisem Mini-Boss mit drei Metern Arbeitsbreite<br />

ausgesät. Das Maisstroh wurde vor der<br />

Saat gemulcht. Es wurde von den Bodenorganismen<br />

schon sehr gut abgebaut.<br />

Viele Direktsäer berichten, dass bei ihnen<br />

nach einer gewissen Zeit sogar Moos auf den<br />

Böden zu wachsen beginnt. So auch auf der<br />

Direktsaatmaisfläche von Christoph Oing nach<br />

der Ernte zwischen dem Maisstroh, durch das<br />

nun auch die Wintergerste ohne Fehlstellen<br />

aufwächst.<br />

Mit der Grabegabel hat Christoph Oing Boden aufgeklappt. Die schon weitverzweigten Wurzeln<br />

der Wintergerste sind gut zu erkennen. Regenwürmer und ihre Röhren sind an verschiedenen<br />

Stellen sichtbar. Der Boden weist eine gute Lebendverbauung auf.<br />

die Vorderreifen haben diese nicht. Sie<br />

werden grundsätzlich immer mit nur 0,4<br />

bis 0,5 bar gefahren. Christoph Oing<br />

ist ein gutes Beispiel dafür, dass auch<br />

in Wasserschutzgebieten mit geringem<br />

Maschinen- und Nährstoffaufwand konkurrenzfähige<br />

Maiserträge erzielt werden<br />

können, wenn die Böden intakt sind.<br />

Autor<br />

Dipl.-Ing. agr. (FH) Martin Bensmann<br />

Redakteur Biogas Journal<br />

Fachverband Biogas e.V.<br />

0 54 09/90 69 426<br />

martin.bensmann@biogas.org<br />

www.biogas.org<br />

FOTOS: MARTIN BENSMANN (3) | CHRISTOPH OING (2)<br />

40


PRAXIS<br />

BIOGAS JOURNAL | 1_<strong>2024</strong><br />

Baustelle am Grüngasring,<br />

Neubau einer<br />

Gas-Druckregel- und<br />

Messanlage. In den<br />

Grüngasring wird<br />

vor allem aus drei<br />

Biogaserzeugungsanlagen<br />

Methan<br />

eingespeist und an<br />

künftig fast 15.000<br />

Anschlussnehmer<br />

geliefert.<br />

Wie aus einem Erdgas-Verteilnetz der<br />

Naabtaler Grüngasring wurde<br />

Mitte Oktober 2023 konnten sich Interessierte in Burglengenfeld (Landkreis Schwandorf/<br />

Bayern) selbst ansehen, wie intensiv die Bayernwerk Netz GmbH an der Erweiterung der<br />

Hochdruck-Gasleitungen in der Oberpfalz arbeitet. Die Besonderheit des Gasnetzes dort:<br />

In den Leitungen zwischen Stulln im Nordosten und Eich im Südwesten fließt inzwischen<br />

statt Erdgas zum größten Teil Biomethan. Der Netzbetreiber nennt das Leitungsnetz denn<br />

auch berechtigterweise „Naabtaler Grüngasring“.<br />

Von Dipl.-Ing. Heinz Wraneschitz<br />

Die Bayernwerk Netz GmbH (BNG) mit<br />

Sitz in Regensburg, bekannt als Bayerns<br />

größter Stromnetzbetreiber, betreibt<br />

auch Gasverteilnetze. Die BNG handelt<br />

also nicht mit gasförmigen oder elektrischen<br />

Energieträgern. Trotzdem sind laut Christoph<br />

Niedermeier, dem „Leiter Gas Netzbewirtschaftung“<br />

der BNG, „Grüne Gase wie Biomethan oder Wasserstoff<br />

nach unserer Auffassung ein wesentlicher Bestandteil<br />

einer erfolgreichen Energiewende“.<br />

Und der dort ab Ende der 1980er Jahre entstandene<br />

Verteilnetzring für fossiles Erdgas bot sich geradezu<br />

an, nach und nach den Anteil an aus biologischer<br />

Vergasung gewonnener Energie zu steigern. Denn<br />

nur an zwei Stellen – bei Hartenricht und Teublitz<br />

– gibt es Verbindungen zum vorgelagerten Erdgas-<br />

Transportnetz. Im Jahre 2008 wurde bei Schwandorf<br />

erstmals zu Biomethan aufbereitetes und verdichtetes<br />

Naturgas in die Ringleitung eingespeist,<br />

die unter einem Druck von 16 bar steht. Eine weitere<br />

Biogasanlage bei Eich kam 2012 dazu. Nach<br />

und nach reduzierte sich also der Erdgasanteil. Das<br />

Interesse, Biomethan zu erzeugen, war jedoch zwischenzeitlich<br />

bei Biogasanlagen-Betreibern „kaum<br />

mehr präsent – bis einige Anlagen ans Ende ihrer<br />

20-jährigen EEG-Vergütung (Erneuerbare-Energien-<br />

Gesetz; d.Red.) kamen. Und dann kam 2022 der<br />

Überfall Putins auf die Ukraine“, erinnert sich BNG-<br />

Netzwirtschaftler Niedermeier: Erdgas wurde knapp<br />

und teuer, weil die Ventile der Pipelines aus Russland<br />

zugedreht wurden.<br />

2022 gelang dann in der Oberpfalz auch der größte<br />

Schritt in Richtung echter Grüngasleitung: Da<br />

wurde die Bioabfall-Vergärungsanlage der Naabtaler<br />

Milchwerke in Schwarzenfeld an den Naabtaler<br />

Grüngasring angebunden. Bei der Milchproduktion<br />

FOTOS: HEINZ WRANESCHITZ/WWW.BILDTEXT.DE<br />

72


BIOGAS JOURNAL | 1_<strong>2024</strong><br />

PRAXIS<br />

Was ist SmartSim?<br />

Ein Problem bei der Einspeisung von Biomethan in Erdgasnetze:<br />

Der Brennwert der Mischung ändert sich je nach<br />

dem Verhältnis der beiden Energie-Komponenten. Um einen<br />

konstanten Brennwert zu gewährleisten – die Energieverbräuche<br />

müssen ja gezählt und abgerechnet werden –,<br />

wurde bisher Flüssiggas beigemischt; das glich den geringeren<br />

Brennwert des Biomethans aus.<br />

Das aber ist im Naabtaler Grüngasring bald nicht mehr<br />

nötig. Grund dafür ist die sogenannte „SmartSim-Technologie“,<br />

entwickelt von einer Firma aus Essen. Die Software<br />

der 2018 als Spin-Off von Eon gegründeten SmartSim<br />

GmbH „ermöglicht Netzbetreibern eine korrekte Abrechnung<br />

bei Einspeisung unterschiedlicher Gasqualitäten<br />

und vereinfacht so die Einspeisung von Biogas oder Wasserstoff“,<br />

heißt es von dem Unternehmen. Und: SmartSim<br />

sei „weltweit bereits bei mehr als 20 Gasnetzbetreibern<br />

erfolgreich im Einsatz“.<br />

Ab Frühjahr <strong>2024</strong> arbeitet also auch BNG im Naabtaler<br />

Grüngasring mit SmartSim. Weil die Software „eine exakte<br />

Bestimmung der Gasbeschaffenheit und des Brennwerts<br />

von Biomethan“ erlaube, werden dann „unter Einbeziehung<br />

sämtlicher digital verfügbarer Daten wie Netztopologie,<br />

Einspeisedaten, Verbrauchsdaten, Drücke und so<br />

weiter die Abrechnungsbrennwerte rechnerisch hochgenau<br />

bestimmt“, so der bei BNG für SmartSim verantwortliche<br />

Projektleiter Stefan Chrubasik: „Diese Werte werden von<br />

Eichämtern und der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt<br />

(PTB) in Analogie zu „gemessenen“ Werten für die<br />

Abrechnung anerkannt.“ Dafür werden im Grüngasring zunächst<br />

sechs SmartSim-Messstellen eingerichtet, drei an<br />

den Erzeugungsanlagen, drei im Netz selbst.<br />

Text: Heinz Wraneschitz<br />

In Burglengenfeld wird eine Gas-Druckregel- und Messanlage auf Dichtigkeit<br />

überprüft. Die Bayernwerk Netz GmbH erweitert gerade ihren Grüngasring<br />

Ostbayern rund um Schwandorf.<br />

entstehen bekanntlich nicht nur Milch, Käse, Butter,<br />

sondern auch Klärschlamm und einige Nebenprodukte.<br />

Genau aus diesen Komponenten wird in<br />

Schwarzenfeld seither Biomethan erzeugt.<br />

Rückverdichter notwendig<br />

Und das in erheblicher Menge. Durch dieses Vergärungs-Biomethan<br />

aus Schwarzenfeld verdoppelte<br />

sich die Einspeiseleistung; sie beträgt jetzt bereits<br />

maximal 36 Megawatt (MW). In den Sommermonaten<br />

ist die aus den drei Anlagen eingespeiste Biomethanmenge<br />

oft sogar höher als der Verbrauch am<br />

Netzring. Deshalb ist eine Rückverdichtungsanlage<br />

notwendig, um den Überschuss ins Transportnetz<br />

rückzuspeisen. Das sei aber selten der Fall, erklärt<br />

Niedermeier, denn „die Abnehmer-Industrie und<br />

Haushalte zusammen sorgen für einen fast kontinuierlichen<br />

Verbrauch“.<br />

Einen positiven Nebeneffekt hat die Hereinnahme<br />

des Milchwerke-Reststoffgases außerdem: „Reststoffe<br />

zu vergären vermeidet die Tank-Teller-Diskussion.<br />

Doch leider werden Reststoffe noch zu wenig<br />

genutzt“, blickt Niedermeier auf ein Biogas-Potenzial,<br />

das es unbedingt zu heben gelte. Für den Grüngasring<br />

aber sieht er aktuell vor allem die bestehenden,<br />

konventionell arbeitenden Biogasanlagen als<br />

mögliche künftige Lieferanten: „In fünf Kilometern<br />

Entfernung zu unserem Gasversorgungsnetz gibt es<br />

400 Biogasanlagen.“ Wenn deren EEG-Finanzierung<br />

für die Stromproduktion ausliefe, könnten die<br />

auf Biomethan-Produktion umstellen. Das Energie-<br />

Potenzial läge bei 5 Terawattstunden pro Jahr.<br />

Dabei sieht er die Nutzung von Biogas zur direkten<br />

Stromproduktion auf den Anlagen nicht als der<br />

Weisheit letzten Schluss: „Das Biogas sollte viel<br />

mehr als Energiespeicher genutzt werden, womöglich<br />

sogar als Langzeitspeicher“, um bei Bedarf die<br />

volatile Stromproduktion aus Sonne und Wind<br />

Alles dicht: Überprüfung<br />

der neuen<br />

Gasdruckregel- und<br />

Messanlage in Burglengenfeld.<br />

73


PRAXIS<br />

BIOGAS JOURNAL | 1_<strong>2024</strong><br />

Baustellentermin: Mitte (in Schwarz) Landrat Thomas Ebeling,<br />

und Christoph Niedermeier (links), Leiter Gas-Netzbewirtschaftung<br />

der Bayernwerk Netz GmbH BNG, lassen sich von<br />

Bayernwerk-Mitarbeitern die Technik erläutern.<br />

Druckprüfung und Abnahme der Anlage.<br />

auszugleichen. „Denn Biogasanlagen sichern Flexibilität.“<br />

Sogar eine Doppelgleisigkeit könne Sinn<br />

machen: Stromerzeugung, wenn nötig. Und überschüssiges<br />

Gas ins Gasnetz einspeisen.<br />

Weitere Einspeiser dringend gesucht<br />

Damit der Naabtaler Grüngasring seinem Namen voll<br />

gerecht werden kann, braucht er auf jeden Fall weitere<br />

Biomethan-Einspeiser. Momentan stammt etwa<br />

ein Drittel der übers Jahr verbrauchten Gasmenge<br />

aus der Biovergärung. Ohne neue Einspeiser dürfte<br />

der Anteil demnächst sogar sinken. Der Grund: Die<br />

aktuelle Erweiterung des Hochdrucknetzes durch<br />

die BNG um 3,5 Kilometer (km), hin zu weiteren<br />

Verbrauchern. Dazu kommen auch noch drei neue<br />

Gasdruckmess- und Regelstationen. Kostenpunkt<br />

insgesamt: etwa 2 Millionen Euro.<br />

Damit wachsen die Hochdruck-Ring- und Stichleitungen<br />

auf 120 km, der gesamte Grüngasring inklusive<br />

Verteilnetz auf zusammen 840 km. Bislang<br />

waren rund 11.500 Verbraucher in Schwandorf, Wackersdorf,<br />

Steinberg am See, Burglengenfeld, Maxhütte-Haidhof<br />

und Teublitz an den Grüngasring angeschlossen,<br />

darunter industrielle Großverbraucher.<br />

„Mit der Erweiterung um Schwarzenfeld, Stulln,<br />

Schmidgaden und Fensterbach werden es dann<br />

rund 14.400 Verbraucher sein“, so Christoph Niedermeier.<br />

Und damit steigt auch der Gasverbrauch.<br />

Deshalb hat der BNG-Mann die Jahre 2030 bis<br />

2035 im Blick: Da laufe bei einem Großteil der aktuellen<br />

Biogasanlagen die EEG-Vergütungsperiode<br />

aus. „Das nehmen die Erzeuger heute schon wahr“,<br />

sprich: Sie denken momentan darüber nach, was<br />

sie künftig mit dem Biogas anstellen wollen. Schon<br />

jetzt gebe es Dutzende Einspeiseanfragen bei seinem<br />

Unternehmen, die Anlagengrößen reichten von<br />

150 Kilowatt bis in den Zig-MW-Bereich.<br />

„Nach der aktuellen Gesetzeslage müssen wir jegliche<br />

Anlage ans Netz nehmen, das regelt die Netzzugangsverordnung.“<br />

Doch während die Anschließenden<br />

auf den ersten Kilometern maximal 250.000<br />

Euro, bis 10 km 25 Prozent der Kosten selbst<br />

tragen müssten, läge deren Anteil bei über 10 km<br />

zum Rohrleitungs-Anschlusspunkt bei 100 Prozent.<br />

Deshalb empfiehlt Niedermeier gerade Betreibern<br />

kleinerer Biogas-Anlagen, ihre Gasleitungen zu verknüpfen.<br />

„Damit gäbe es weniger Einspeisepunkte,<br />

weniger Investitionen, aber auch weniger Belastung<br />

für die Netzentgelte“, die auf alle Gasverbraucher<br />

verteilt werden.<br />

Grüngasring ist Wasserstoff-ready<br />

Die Ausweitung des Grüngasring-Netzes hat die<br />

BNG übrigens bereits „H2-ready“ geplant, also für<br />

die überall diskutierte Verteilung von regenerativ erzeugtem<br />

Wasserstoff (H 2<br />

) vorbereitet. „95 Prozent<br />

der Komponenten sind heute schon H2-ready“,<br />

so Niedermeier. Mischgasnetze seien heute schon<br />

mit 20 Prozent Wasserstoffanteil erlaubt, „frühere<br />

Stadtgasnetze hatten gar 65 Prozent H 2<br />

-Anteil“.<br />

Aber bei der BNG glaubt man wohl eher an „entweder/oder“.<br />

Denn in den Transportnetzen liefen großteils<br />

zwei oder drei Leitungen parallel, also könne ja<br />

nach und nach auf H 2<br />

umgestellt werden.<br />

Beim Vor-Ort-Termin an der Baustelle einer der neuen<br />

Gas-Druck-Mess- und Regelstationen in Burglengenfeld<br />

dabei war auch Schwandorfs Landrat<br />

Thomas Ebeling (CSU). Der betonte besonders „den<br />

Verzicht auf Flüssiggas und die Verwendung der<br />

74


BIOGAS JOURNAL | 1_<strong>2024</strong><br />

PRAXIS<br />

Christoph Niedermeier, Leiter Gas-Netzbewirtschaftung<br />

der Bayernwerk Netz GmbH BNG,<br />

sagt: „In fünf Kilometern Entfernung zu unserem<br />

Gasversorgungsnetz gibt es 400 Biogasanlagen.“<br />

SmartSim-Technologie“. Damit werde fast 400 Tonnen<br />

CO 2<br />

weniger pro Jahr ausgestoßen. „Davon profitieren<br />

sowohl die Umwelt als auch unsere Bürgerinnen und<br />

Bürger“, wie Ebeling erklärte.<br />

Der Fachverband Biogas e.V. begrüßt ausdrücklich die<br />

Aktivitäten des Bayernwerkes in Richtung eines Grüngasringes<br />

in Ostbayern und die Überlegungen, es auf<br />

ganz Bayern zu erweitern. Die Biogasbranche würde<br />

damit eine weitere Zukunftsoption erhalten, das wertvolle<br />

Biogas neben der wichtigen Kraftwärmekopplung<br />

(KWK) effizient in die stoffliche Nutzung zu bringen.<br />

Der Bedarf aus der Industrie, Chemie und der Luftfahrt<br />

nach kohlenstoffhaltigen Molekülen wird massiv weiter<br />

steigen. Allein die zivile Luftfahrt muss bis 2050 70<br />

Prozent des fossilen Kerosins auf biogene Quellen wie<br />

Biogas umstellen. Auch nimmt die Langzeitspeicherung<br />

von Biomasse und Biogas zur bedarfsgerechten<br />

Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) immer weiter an Bedeutung<br />

zu, bei stark steigenden PV- und Windkapazitäten.<br />

Wenn hierzu bereits jetzt entsprechende Infrastrukturen<br />

geschaffen werden, kann die Biogasbranche nur<br />

davon profitieren. Der Fachverband Biogas ist im regelmäßigen<br />

Austausch mit dem Bayernwerk, um auch<br />

die Chancen durch das Clustern von Biogasanlagen<br />

auszuloten.<br />

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BIOGAS JOURNAL | 1_<strong>2024</strong><br />

Einer von 84 Bussen,<br />

die mit Bio-CNG in<br />

Trento in Südtirol<br />

unterwegs sind.<br />

Piacenza<br />

Italien gibt mit<br />

Biomethan Gas<br />

Italien ist zweitgrößter Biogaserzeuger Europas und einer der größten<br />

Erdgasverbraucher. Über Biomethan will das Land künftig zwei Fliegen<br />

mit einer Klappe schlagen: den Klimaschutz im Verkehr voranbringen<br />

und unabhängiger von russischen Gasimporten werden. Wie das aussehen<br />

kann, zeigt beispielhaft ein von drei Frauen geführter Hof in der<br />

Emilia Romagna, der sein eigenes Biomethan aus Kuhmist produziert.<br />

Von Oliver Ristau<br />

Besuche auf dem Bauernhof: für Kinder<br />

aus der Stadt immer ein Erlebnis. Das<br />

gilt auch auf dem Gut Cascina Bosco Gerolo<br />

in der norditalienischen Region Emilia<br />

Romagna. Der Hof liegt etwa 20 Kilometer<br />

von Piacenza entfernt, einer mittelalterlichen<br />

Stadt an den Ufern des Po, Italiens längstem Fluss.<br />

An Wochenenden herrscht Hochbetrieb, wenn gleich<br />

mehrere Kindergeburtstage stattfinden. Die Kleinsten<br />

bestaunen Kühe und Kälber in den Ställen, die<br />

Größeren toben sich auf dem Fußballplatz aus. Und<br />

alle stürzen sich danach auf das Eis, das der Hofladen<br />

aus eigener Milch produziert.<br />

Bunte Schautafeln informieren darüber, wie so ein<br />

Bauernhof funktioniert. Auch darüber, dass Gäste<br />

vor Ort in einem Restaurant Speisen aus eigener<br />

Produktion genießen können. Für Übernachtungen<br />

stehen zudem Fremdenzimmer bereit. Mit E-Bikes<br />

oder per pedes lässt sich das nahe Tal des Po-Zuflusses<br />

Trebbia erkunden.<br />

Mitten im Trubel flitzt Nicoletta Cella über den Hof,<br />

hält für Gespräche mit Gästen inne; immer wieder<br />

klingelt ihr Telefon. Gemeinsam mit ihrer Mutter<br />

Adele und Schwester Serene betreibt sie den Familienbetrieb.<br />

„Wir haben uns überlegt, wie wir uns<br />

noch weiter diversifizieren können“, erzählt sie. Die<br />

Landwirtschaft könne Mensch, Umwelt und Gesellschaft<br />

zeigen, wie Nachhaltigkeit funktioniere. Oder<br />

wie es auf einer Schautafel heißt: „Ein Ort, der alle<br />

Erfahrungen bietet, wie du leben kannst.“ Und das<br />

heißt auch, die Reststoffe zu nutzen.<br />

Landwirtschaft, Molkerei, Biogas<br />

und Biomethan<br />

2019 ging es los mit einer ersten Biogasanlage, gebaut<br />

vom italienischen Spezialisten BST. Der Fermenter<br />

steht gleich hinter den Ställen, daneben ein<br />

Blockheizkraftwerk mit einer elektrischen Leistung<br />

von 150 Kilowatt (kW). Der Betrieb nutzt den Strom<br />

ausschließlich für den eigenen Bedarf. Eine Vergütung<br />

gibt es dafür nicht. Die Wärme nimmt dankend<br />

die hofeigene Molkerei ab. Doch damit nicht genug:<br />

Seit 2022 hat die Familie Cella die Biogasproduktion<br />

ausgebaut und lässt nun auch Biomethan her-<br />

FOTOS: OLIVER RISTAU<br />

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BIOGAS JOURNAL | 1_<strong>2024</strong><br />

INTERNATIONAL<br />

Drei Protagonistinnen<br />

für nachhaltige Landwirtschaft<br />

und<br />

Biomethan: Nicoletta<br />

Cella (rechts) mit<br />

Schwester Serene<br />

(links) und Mutter<br />

Adele.<br />

FOTO: CASCIDA BOSCO GEROLO<br />

stellen. Dazu hat Dienstleister BST einen zweiten<br />

Fermenter errichtet sowie einen großen Gasspeicher.<br />

Dazu gesellt sich ein weißer Container, in dem<br />

die Gasaufbereitung stattfindet. Die Technologie<br />

stammt von der Turiner Hysytech, die seit gut einem<br />

Jahr zur japanischen Gruppe Nippon Gas zählt. Erster<br />

Schritt ist die Wasserwäsche (water scrubbing),<br />

die laut dem Unternehmen auf Chemikalien verzichten<br />

kann. Nach der Reinigung werde das nun bereits<br />

Methan reichere Gas über Membranen vom verbleibenden<br />

Kohlendioxid (CO 2<br />

) getrennt.<br />

Der hybride Prozess kombiniere „die Robustheit der<br />

Wasserwäsche mit der Einfachheit und Kompaktheit<br />

von Membranen“, so Hysytech in einer Unternehmensbroschüre.<br />

Das reduziere die Kosten für<br />

die Vorbehandlung, unter anderem weil der Bedarf<br />

an Aktivkohle um 90 Prozent gesenkt werde. Die<br />

komplette Biomethan-Technologie auf der Cascina<br />

Bosco Gerolo stammt im Übrigen aus Italien. Den<br />

Kompressor lieferte das auf Gase spezialisierte Unternehmen<br />

Biokomp aus Vicenza.<br />

Biomethan-Tankstelle an Landstraße<br />

errichtet<br />

Weil ein Gasnetz zur Einspeisung fern ist, entschieden<br />

sich die Cellas kurzerhand, das Biomethan als<br />

Kraftstoff zu verkaufen. Die Self-Service-Tankstelle<br />

befindet sich an der Landstraße nach Piacenza.<br />

An zwei Zapfstellen ist das Tanken von CNG (compressed<br />

natural Gas) biologischen Ursprungs möglich.<br />

Die Rohstoffproduzenten stehen gleich nebenan<br />

und kommentieren manch Tankvorgang mit<br />

kräftigem Muhen. „Wir nutzen einen Rohstoff, der<br />

sonst als Abfall gilt“, sagt Cella unter Verweis auf<br />

den Mist ihrer Kühe. „Wir machen daraus Kraftstoff<br />

für die Mobilität, der Umwelt belastenden ersetzt,<br />

und das 24 Stunden, sieben Tage die Woche.“ 70<br />

bis 80 Prozent der Einsatzstoffe seien Kuhdung. Der<br />

Rest bestehe aus Stoffen, die staatlich erlaubt sind,<br />

um zertifiziertes Biomethan produzieren zu können.<br />

Das sind zum Beispiel Stroh, die pflanzlichen Reste<br />

des Maises (nicht die Früchte) sowie das Futtergetreide<br />

Triticale. Auf dem Hof stehen sie auf Lagerplätzen<br />

bereit.<br />

Täglich können rund hundert CNG-Fahrzeuge ihre<br />

Tanks füllen, rechnet Nicoletta Cella vor. Sie gibt<br />

die Produktion mit 1.350 Kilogramm Biomethan pro<br />

Tag an. Die Anlage laufe seit Inbetriebnahme kontinuierlich<br />

und sei nur zu Wartungszwecken vom Netz<br />

genommen worden.<br />

„Die Entscheidung für die Erweiterung in Richtung<br />

Biomethan haben wir auch unter wirtschaftlichen<br />

Aspekten getroffen“, sagt sie. Nicht nur, dass der<br />

Erdgaspreis 2022 durch die Decke gegangen war<br />

und somit auch den Cellas eine höhere Marge bescherte.<br />

Das grüne Zertifikat auf den Biokraftstoff<br />

können sie verkaufen, was ebenfalls zur Wirtschaftlichkeit<br />

beiträgt.<br />

Während Cella darüber spricht, biegen kontinuierlich<br />

CNG-Fahrzeuge auf die Tankstelle ein. Das zeigt: Die<br />

Nachfrage ist da. Und für die Biokomponente müssen<br />

die Kunden keinen Aufschlag zahlen. Mit 1,09 Euro<br />

je Kilogramm ist der Kraftstoff relativ günstig. Der<br />

Durchschnittspreis lag in Italien Ende Oktober<br />

103


INTERNATIONAL<br />

BIOGAS JOURNAL | 1_<strong>2024</strong><br />

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nach Auskunft verschiedener Preisportale<br />

bei über 1,40 Euro. Zugutekommt den<br />

Cellas dabei, dass keinerlei Transportwege<br />

für das Biomethan anfallen.<br />

Eine Million Gasfahrzeuge<br />

Italien ist in Sachen CNG ein Sonderfall<br />

in Europa. Während sich in Deutschland<br />

Erdgasfahrzeuge eigentlich nie wirklich<br />

durchsetzen konnten, zählen sie<br />

in Italien zum Straßenbild. Es gibt im<br />

Land mehr als 1.500 Tankstellen. Die<br />

geschätzte Anzahl an CNG-Fahrzeugen<br />

liegt bei über einer Million Stück. Historischer<br />

Hintergrund ist, dass Italien nach<br />

dem 2. Weltkrieg zu einem bedeutenden<br />

Produzenten von Erdgas aufstieg.<br />

Vorkommen befinden sich vor den Küsten,<br />

zum Beispiel in der Adria. Italien<br />

war der größte Produzent im Mittelmeer<br />

und Europas Nummer Vier hinter Norwegen,<br />

den Niederlanden und Großbritannien.<br />

Dazu unterhält Italien eine Unterwasserpipeline<br />

mit dem energiereichen<br />

Nordafrika. Im Vergleich zu den anderen<br />

großen Industrienationen hat Erdgas in<br />

Italien auch beim inländischen Energieverbrauch<br />

eine überdurchschnittlich<br />

hohe Bedeutung. So sichert das Gas<br />

rund die Hälfte der Stromerzeugung.<br />

Das Land fuhr ab Ende der 1990er Jahre<br />

die eigene Förderung kontinuierlich zurück.<br />

Ein Grund: Umweltschutzproteste<br />

und günstige Importe aus Russland als<br />

Alternative. 2022 betrug das geförderte<br />

Ein bisschen Strom muss sein: Die Anlage<br />

in Cella Dati erzeugt Strom. Der Rest geht<br />

als Biomethan ins Netz.<br />

Gasvolumen laut einer BP-Energiestatistik<br />

3,2 Milliarden (Mrd.) Kubikmeter<br />

(m³). 1994 waren es noch 19 Mrd.<br />

m³ gewesen. Um die Abhängigkeit von<br />

Russland zu minimieren, will die Regierung<br />

in Rom nun wieder die Förderung<br />

durch Neuprojekte intensivieren. In der<br />

Adria soll ein großes Offshore-Projekt<br />

kommen. Noch stellen sich Umweltschützer<br />

und Behörden quer.<br />

Rom will aber auch Biomethan fördern,<br />

zum einen, um die CO 2<br />

-Bilanz im Verkehr<br />

zu verbessern, zum anderen um<br />

das Angebot im Transportsektor zu<br />

vergrößern. Bio-CNG ist ein zentraler<br />

Biokraftstoff für Italien. „Wegen Bio-<br />

CNG wird die Gasmobilität zunehmend<br />

regenerativ und emissionsärmer“, sagt<br />

Christian Curlisi, Direktor des größten<br />

Bioenergieverbandes CIB (Consorzio Italiano<br />

Biogas).<br />

„Bio-CNG wird traditionell für lokale<br />

Transporte genutzt etwa bei der städtischen<br />

Müllabfuhr. Für den Einsatz von<br />

Biomethan im Verkehrssektor gibt es eine<br />

Förderung durch das Interministerielle<br />

Dekret vom 2. März 2018“, so Curlisi.<br />

Dieses unterstützt sowohl die Einspeisung<br />

von Biomethan in das Erdgasnetz<br />

als auch die Herstellung von Biokraftstoffen<br />

der nächsten Generation. Die Mineralölkonzerne<br />

können damit ihre Verpflichtung<br />

zum Einsatz klimafreundlicher<br />

Kraftstoffe erfüllen. Das Dekret gilt noch<br />

bis einschließlich 2023.<br />

Siemensstr. 32, 35638 Leun<br />

06473 411596<br />

info@aks-heimann.de<br />

104


BIOGAS JOURNAL | 1_<strong>2024</strong><br />

INTERNATIONAL<br />

Ziel: Vier Milliarden Kubikmeter<br />

Biomethan bis 2026<br />

2022 hat die Regierung eine weitere<br />

Biomethan-Verordnung beschlossen.<br />

Dafür greift Rom auf rund 1,7 Mrd. Euro<br />

aus den Nationalen Wiederaufbaufonds<br />

NRRP zu, der zur Bekämpfung der Folgen<br />

der Coronakrise aufgelegt wurde und<br />

zu einem großen Teil von der EU finanziert<br />

wird. Mit dem neuen Förderrahmen<br />

soll bis Ende 2026 ein zusätzliches Produktionsvolumen<br />

von 2,5 Mrd. Kubikmeter<br />

an den Markt gehen. Profitieren<br />

können sowohl Neuinstallationen als<br />

auch bestehende Biogasanlagen, die in<br />

die Aufbereitung investieren wollen.<br />

„Die Perspektiven für den Biomethansektor<br />

sind angesichts dessen sehr positiv“,<br />

sagt Curlisi. „Dank der Maßnahmen<br />

aus dem NRRP kann Italien bis 2026<br />

eine Produktion von 4 Milliarden m³<br />

Biomethan erreichen. Darüber hinaus<br />

schätzt der Nationale Energie- und Klimaplan<br />

(NECP), dass 2030 rund 6 Mrd.<br />

m³ Biomethan möglich sind. Das deckt<br />

sich mit den Zielen der REPowerEU-<br />

Initiative der EU-Kommission“, so der<br />

Verbandsmanager.<br />

Noch allerdings gibt es Verzögerungen,<br />

was die Ausschreibungen für die<br />

neuen Biomethan-Kapazitäten betrifft.<br />

Doch die Industrie schafft in Italien<br />

Fakten. Das zeigt die Vielzahl an neuen<br />

Biomethan-Vorhaben, die im Land<br />

Gas geben, etwa im Schwerlastverkehr,<br />

Stichwort Bio-LNG. In Sterzing in Südtirol,<br />

kurz vor dem Brennerpass in den<br />

Alpen, steht eine der ersten Bio-LNG-<br />

Tankstellen Italiens bereit. Von weitem<br />

ist die Biogas Wipptal (biwi) an den gelben<br />

Kappen der Fermenter zu erkennen.<br />

Auf dem Dach der Tankstelle betrachtet<br />

das Abbild einer Milchkuh die umliegende<br />

Bergwelt.<br />

Aufbruch bei Bio-LNG<br />

Das Sterzinger Unternehmen biwi hat<br />

das integrierte Vorhaben über zehn<br />

Jahre entwickelt. 2020 folgte mit dem<br />

Einstieg von drei großen Transportunternehmen<br />

aus Südtirol der entscheidende<br />

Schritt. Fercam, Transbozen und der<br />

Iveco-Vertragshändler Gasser kündigten<br />

eine Investition von 24 Millionen Euro<br />

an, um künftig den flüssigen Biokraftstoff<br />

für die CO 2<br />

-freundliche Logistik<br />

verwenden zu können. Mit Bio-LNG, so<br />

Fercam damals, wolle das Unternehmen<br />

„die längeren Entwicklungszeiten bis<br />

zur serienmäßigen Produktion von elektrobetriebenen<br />

Lkw nachhaltig überbrücken“.<br />

Lkw-Produzent Iveco hat eine Palette<br />

an verschiedenen Bio-LNG-Lastern<br />

im Programm.<br />

Ursprünglich für 2021 geplant, ist die<br />

Tankstelle nach einigen Verzögerungen<br />

seit dem Frühjahr 2023 in Betrieb. Sie<br />

steht ausschließlich den beteiligten Unternehmen<br />

zur Verfügung. In Sterzing<br />

findet der Prozess gleich hinter<br />

Bio-LNG<br />

aus Biogas<br />

Energieeffizient,<br />

modular, für alle<br />

Betriebsgrößen<br />

geeignet<br />

Eine Kühe auf dem Hof<br />

Cascina Bosco Gerolo.<br />

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INTERNATIONAL<br />

BIOGAS JOURNAL | 1_<strong>2024</strong><br />

Die Bio-LNG-Tankstelle in Wipptal am<br />

Brenner bezieht ihre Rohstoffe von<br />

Bauern aus der Umgebung.<br />

den Zapfsäulen statt: Gülle und Mist<br />

kommen per Lastwagen von Landwirten<br />

der Region. Daraus stellt biwi Biogas her<br />

und veredelt es zu Methan. Anschließend<br />

werde das Biomethan laut dem Unternehmen<br />

auf einen Reinheitsgrad von<br />

über 99 Prozent gebracht. Im Nachgang<br />

erfolgt die Verflüssigung des Gases.<br />

„Anhand eines dreistufigen Verdichters<br />

wird das Biomethan auf 163 Grad Celsius<br />

abgekühlt. Dabei verflüssigt sich das<br />

Gas zu Bio-LNG,“ erklärt das Unternehmen.<br />

Das Speichervolumen verringere<br />

sich um das 600-Fache. Bei den Speichern<br />

handele es sich um kryogene Lagertanks.<br />

Übrig bleiben neben Dünger,<br />

der an regionale Kunden geht, Kohlendioxid<br />

für die Industrie und Wasser aus<br />

dem Rindermist, das nach der Aufbereitung<br />

in den nahen Bach eingeleitet wird.<br />

Dem Lkw-Spezialist Iveco ist Wipptal<br />

nicht genug, schließlich gilt es, genug<br />

Tankkapazitäten für die eigene Modelpalette<br />

zu schaffen. Deshalb haben die<br />

Italiener zusammen mit Frankreichs<br />

Energieversorger Engie und dem Gasespezialisten<br />

Vulkangas auch in eine<br />

Großtankstelle in Turin investiert. Hier<br />

können Flüssiggas-Trucks seit 2021 Bio-<br />

Kraftstoff tanken. Das Biogas stammt<br />

von den Abfallstoffen eines landwirtschaftlichen<br />

Betriebs. Dieser befindet<br />

sich in der Stadt Lodi zwischen Mailand<br />

und Piacenza.<br />

Busse tanken Biomethan<br />

Auch der deutsche Discounter Lidl will<br />

mit Bio-LNG in Italien Gas geben. Ende<br />

Oktober 2023 verkündete das Unternehmen<br />

zur Belieferung der mehr als<br />

700 Verkaufsstellen vermehrt Lkw mit<br />

Bio-LNG-Antrieb einzusetzen. Dafür kooperiert<br />

der Supermarktbetreiber mit<br />

dem Logistiker LC3 sowie einer Tochter<br />

des italienischen Gaspipelinebetreibers<br />

Snam, der den Kraftstoff beschafft.<br />

Nicht nur für die private Logistiksparte<br />

wird Biomethan immer mehr zum Thema.<br />

Auch im öffentlichen Personennahverkehr<br />

(ÖPNV) spielt es zusammen mit<br />

Batterieelektrik und Wasserstoff eine<br />

wachsende Rolle. Hintergrund ist, dass<br />

Rom im Zuge seiner aktuellen Klimaschutzaktivitäten<br />

über 3 Mrd. Euro in die<br />

Modernisierung des ÖPNVs stecken will.<br />

Beispiel Trento: Die Stadt in Südtirol<br />

produziert aus den kommunalen Abfällen<br />

rund 60.000 Tonnen Biogas im Jahr.<br />

Seit 2021 lässt sie einen Teil davon zu<br />

Biomethan aufbereiten, das eine neue<br />

Flotte von CNG-Bussen des polnischen<br />

Herstellers Solaris versorgt. Seitdem<br />

die Trentiner Verkehrsbetriebe im letzten<br />

Sommer 25 neue Busse in Betrieb<br />

genommen haben, sind jetzt 85 in der<br />

Stadt unterwegs, die Biomethan tanken.<br />

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BIOGAS JOURNAL | 1_<strong>2024</strong><br />

In der Cascina Bosco<br />

Gerolo ist Biomethan<br />

aktuell günstiger als im<br />

Durchschnitt des Landes.<br />

INTERNATIONAL<br />

künftig zu gewährleisten, hat das Parlament<br />

in Rom einen Mindestpreismechanismus<br />

beschlossen. Diesen Preis sollen<br />

alle Anlagen bis Ende 2027 erhalten,<br />

die nicht umrüsten können. „Wir warten<br />

nun darauf, von der zuständigen Behörde<br />

bald den konkreten Vergütungswert zu<br />

erfahren“, sagt Curlisi.<br />

Derweil nimmt auch das Interesse an<br />

solchen Neuanlagen zu, die Biomethan<br />

in das Erdgasnetz einspeisen. Beispiel<br />

Cella Dati bei Cremona: Dort hat die<br />

Ingenieursgruppe Pietro Fiorentini eine<br />

Biogas- und Biomethananlage errichtet,<br />

die laut Firmenangaben 2022 rund<br />

4 Million m³ Biomethan in das italienische<br />

Netz eingespeist hat. Rohstoffe<br />

sind neben Gülle Pflanzen, die ein<br />

landwirtschaftlicher Betrieb auf Äckern<br />

ringsumher anbaut. Abnehmer des Gases<br />

ist die Energiegruppe EGEA. Dass<br />

diese Aktivitäten Begierde bei größeren<br />

Konzernen weckt – EGEA unterhält fünf<br />

Biomethan-Anlagen, 18 PV-Kraftwerke<br />

und 16 Blockheizkraftwerke –, zeigt die<br />

geplante Übernahme durch das italienische<br />

„Multi-Utility“-Unternehmen IREN.<br />

Biomethan in Italien dürfte angesichts<br />

der staatlichen Pläne vor einem anhaltenden<br />

Aufschwung stehen. Auf der<br />

Farm der Familie Cella in Piacenza kann<br />

man sich heute schon davon überzeugen,<br />

wie das künftig auch andernorts in<br />

Italien aussehen kann.<br />

Weitere Infos unter:<br />

Im ersten Jahr ihres Einsatzes haben<br />

die Fahrzeuge nach offiziellen Angaben<br />

4.000 Tonnen CO 2<br />

gegenüber Benzin<br />

und Diesel eingespart.<br />

2.000 Biogasanlagen installiert<br />

Wo Biomethan entsteht, bleibt CO 2<br />

übrig.<br />

Zahlen, wie viel davon als Produkt<br />

weiterverkauft wird, hat der Verband CIB<br />

nicht. Es gebe aber einige Farmen, die<br />

das Kohlendioxid an die Getränkeindustrie<br />

absetze, sagt Manager Curlisi. Mit<br />

laut CIB mehr als 2.000 Anlagen ist Italien<br />

hinter Deutschland der zweitgrößte<br />

Biogasproduzent in Europa. 90 Prozent<br />

davon stehen auf landwirtschaftlichen<br />

Betrieben. Das Gros befindet sich zudem<br />

im Norden des Landes. Die installierte<br />

elektrische Leistung dürfte bei rund 1,4<br />

Gigawatt (GW) liegen. Der Rechnung<br />

liegt eine durchschnittliche Anlagengröße<br />

von 0,7 MW im Jahr 2018 zugrunde.<br />

Für viele der Kleinanlagen wird sich<br />

eine Umstellung auf den attraktiven Biomethansektor<br />

allerdings kaum lohnen.<br />

Um deren Wirtschaftlichkeit auch zu-<br />

Biomethan-Decree Resilience<br />

Plan Italien:<br />

Autor<br />

Dipl.-Pol. Oliver Ristau<br />

Redaktion und Kommunikation<br />

Sternstr. 106 · 20357 Hamburg<br />

040/38 61 58 22<br />

ristau@publiconsult.de<br />

www.oliver-ristau.de<br />

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