220926Wellerbuch lay 1
Anlässlich seines 77. Geburtstages hat Alexander Weller, gebürtiger Holländer - inzwischen Tiroler - 77 Begegnungen mit besonderen Menschen in seinem Lebenslauf und seiner jeweiligen Umgebung aufgeschrieben. Das Buch kostenlos an Freunde, Interessierte - ausgegeben. Für eine Spende zugunsten der Gambrinusfreunde, die damit Menschen denen es nicht so gut geht hilft. Stand: Dezember 2023 waren EUR 4.555,00 zusammengekommen. Ein rundum gelungenes Projekt.
Anlässlich seines 77. Geburtstages hat Alexander Weller, gebürtiger Holländer - inzwischen Tiroler - 77 Begegnungen mit besonderen Menschen in seinem Lebenslauf und seiner jeweiligen Umgebung aufgeschrieben. Das Buch kostenlos an Freunde, Interessierte - ausgegeben. Für eine Spende zugunsten der Gambrinusfreunde, die damit Menschen denen es nicht so gut geht hilft. Stand: Dezember 2023 waren EUR 4.555,00 zusammengekommen. Ein rundum gelungenes Projekt.
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BESO NDERE BEGEGN UN GEN
¯PAPA HACKL. HELFER UND RETTER.
ERWIN ALBERT HACKL†
Unsere Nummer 124
Sommer 1971. Vier Personen sitzen am Wohnzimmertisch
der Familie Hackl. Hofrat Erwin Albert Hackl liest Zeitung.
Mutter Erna strickt. Tochter Ingeborg Hackl ist in Fachliteratur
vertieft und ich sitze da, überlege wie ich es anfangen
soll. Wieso lernt man nicht irgendwann, irgendwo mit so einer
heiklen Situation umzugehen? Wie anfangen? Klar hat man gelernt,
dass Napoleon in Waterloo ein bisserl Pech gehabt hat,
dass Charles Lindberg 1927 als erstem die Alleinüberquerung
des Atlantiks gelang und noch vieles mehr. Wie man bei den
Eltern um die Hand eines Mädchens, das man heiraten möchte,
anhält, da hatte ich also nicht viel Übung! Eigentlich überhaupt
keine Ahnung!
Ich beschloss spontan auf „Attacke“ zu schalten und
durchbrach die Stille mit: „ Ich würde gerne Ihre Tochter
heiraten und bitte um Ihre Erlaubnis“. Schlagartig änderte sich
die Ruhe im Raum. Mutter Erna, ließ ihre Arme in den Schoss
fallen, stoppte mit ihrer Stickerei, starrte mit großen Augen
ihren Ehemann an. Vater Albert hatte diese Situation offensichtlich
auch noch nicht oft durchgespielt, denn er legte die
Zeitung blitzartig auf den Wohnzimmertisch, schlug nervös
das rechte Bein über das linke, nahm die Zeitung wieder auf
und sagte zuerst einmal gar nichts. Inge, meine hoffentlich
zukünftige Ehefrau, beobachtete das Geschehen mit Spannung.
Ich ebenso. Hier haben Mütter nichts zu sagen, also
starrten wir alle drei das Haupt-der-Familie erwartungsvoll an.
Klar dämmerte es Ingeborgs Vater eine Reaktion zeigen zu
müssen. Nicht so einfach als Tiroler, der erste Schwiegersohn
aus Indien und der zukünftige nächste auch kein Tiroler!
Die Chance auf Verbesserung war, mangels dritte Tochter,
nicht vorhanden. Und dennoch, er erteilte mir, immer noch ein
bisschen verdattert, aber doch, die Erlaubnis seiner Tochter
zu heiraten. Es wurde gleich zweimal geheiratet. Einmal
standesamtlich unterm Goldenen Dachl und das zweite Mal
kirchlich in Breda, Niederlande. Erstens damit meine Familie
nicht so weit zu fahren brauchte und zweitens, und das ist ja
allgemein bekannt, hält doppelt wesentlich besser. Typisch für
meinen nunmehriger Urtiroler Schwiegervater – die besonders
gut ernährten, in der Landschaft grasenden niederländischen
Kühe zwar zu loben – aber gleichzeitig festzustellen, dass
die Tiroler Kühe in der Heimat optisch doch einen erheblich
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besseren Eindruck machen! Hofrat Dr. Albert Erwin Hackl,
geboren 1912 in Zaunhof, einem Bergweiler im Pitztal, wuchs
dort als 14. Kind einer Bergbauernfamilie auf. Er lernte über
die allgemeinen Entbehrungen der damaligen Kriegs- und
Nachkriegszeit von Kindheit an die Folgen persönlicher Armut
kennen. Nach dem Gymnasium in Volders studierte er an der
Universität Innsbruck Rechtswissenschaft. Als "Bettelstudent"
hatte er für sein Studium weitgehendst selbst aufzukommen. In
der NS-Zeit wurde er wegen seiner österreichischen Gesinnung
seines Postens enthoben und 1941 zum Wehrdienst an
die Ostfront einberufen. Nach Kriegsende 1945 trat er in den
Landesdienst bei der Präsidialabteilung ein und hatte dort die
unangenehme Aufgabe den Personalstand beim Mittel- und
Pflichtschulsektor zu entnazifizieren! Schon hier war Albert
Hackl der Helfer und Retter der politisch Verfolgten.
1960 erging an Dr. Hackl der Auftrag, in Tirol ein wirksames
Studien-Beihilfewesen aufzubauen. Bei weit über 3.000
Anfragen jährlich, keine leichte Aufgabe – die Stipendien
gerecht zu vergeben. Es wurde erst entschieden nachdem er
einen genauen Überblick der sozialen Lage und des schulischen
Fortschrittes hatte, bevor er die ihm anvertrauten Mittel
als Stipendien weitergab. Er verschaffte unzähligen Studenten
kostenlose Kostplätze. Wenn er für „seine“ Studenten Hilfe
brauchte, pilgerte er im Landhaus sowohl zu den „Roten“ als
auch zu den „Schwarzen“! Der damals einzige Studierte aus
dem Pitztal der sich für Pitztaler Interessen wirkungsvoll im
Landhaus einsetzte, war eben der mit Ehrfurcht ausgesprochene
„Hofrat Hackl“. Bevorzugt ging er zu Fuß von seiner
Wohnung in Wilten zum Landhaus. Auf der Straße traf er viele
Bekannten und erkundigte sich nach Familie und Studienfortschritte
der Kinder. Kein Wunder, dass sich einerseits auf dem
Bürotisch die Anträge stapelten und andererseits am Boden
Unordnung herrschte. Wein-, Schnapsflaschen, Forellen und
Wildbrett, Kuchen und Gebackenes bildeten dort ungewollt
eine Vielfalt der heimischen Produktionen ab. Alpenrosen
nicht immer, aber frische Blumen standen meistens auf seinem
Schreibtisch! Ich als wohlerzogener Niederländer wunderte
mich ein wenig über so viel Transparenz! Hatte der Bauer
nach eigenen Angaben nicht drei, sondern dreizehn Kühe
im Stall, so erhielt sein Sohn oder seine Tochter eben kein