02.01.2024 Aufrufe

220926Wellerbuch lay 1

Anlässlich seines 77. Geburtstages hat Alexander Weller, gebürtiger Holländer - inzwischen Tiroler - 77 Begegnungen mit besonderen Menschen in seinem Lebenslauf und seiner jeweiligen Umgebung aufgeschrieben. Das Buch kostenlos an Freunde, Interessierte - ausgegeben. Für eine Spende zugunsten der Gambrinusfreunde, die damit Menschen denen es nicht so gut geht hilft. Stand: Dezember 2023 waren EUR 4.555,00 zusammengekommen. Ein rundum gelungenes Projekt.

Anlässlich seines 77. Geburtstages hat Alexander Weller, gebürtiger Holländer - inzwischen Tiroler - 77 Begegnungen mit besonderen Menschen in seinem Lebenslauf und seiner jeweiligen Umgebung aufgeschrieben. Das Buch kostenlos an Freunde, Interessierte - ausgegeben. Für eine Spende zugunsten der Gambrinusfreunde, die damit Menschen denen es nicht so gut geht hilft. Stand: Dezember 2023 waren EUR 4.555,00 zusammengekommen. Ein rundum gelungenes Projekt.

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

BESO NDERE BEGEGN UN GEN

¯MIJNHEER GERARD.

GERARD MONTFROY †

Unsere Nummer 140

25. Februar 1960. Breda, Provincie Noord-Brabant. Unser

„Zweit-Nachbar", „Mijnheer Verheugen“, war Vertreter

bei Peugeot. Bestens informiert über das PKW-Geschehen

in der Stadt, informierte er meinen Vater, dass bei der Firma

„Ambi“ Autozubehör ein Lehrling gesucht wurde. Diese Information

resultierte in einer Beendigung meiner geliebten Tier- und

Tierfutter-Aktivitäten am Freitag und dem Beginn bei unlebendigen

Verkaufsgegenständen am darauffolgenden Montag.

Diese Spontanität war gewiss nicht meiner Verbundenheit zu

Autozubehör geschuldet, denn davon hatte ich absolut keine

Ahnung, weder von Autos und schon gar nicht von Zubehör,

sondern ich hatte vielmehr keinen großen Drang mehr, mich mit

Engelhaar und Kleintieren zu beschäftigen (sie dazu Willemse

Christiaan). Meinen neuen Chef, „Mijnheer Gérard Montfroy“,

hatte ich mir als rauchenden Automechaniker im Unterhemd und

speckiger Arbeitskluft mit öligen Händen vorgestellt.

Vor- und Nachname deuteten auf einen französischen

Ursprung hin. Das könnte stimmen, musste es aber nicht. Er

war schlichtweg eine ungewöhnlich gepflegte Erscheinung.

Konnte als Filmschauspieler durchgehen. Etwa 40 Jahre, um

die 1,75 m groß, dunkler Typ, schwarze Haare, Geheimratsecken,

mittelschlank, blütenweißes zugeknöpftes langärmliges

Van-Laack-Hemd, knallrote Krawatte mit hüpfenden weißen

Pferdchen und gebügelte blaue Hose. Seine Füße steckten in

sorgfältig geputzten braunen Schuhen, und das ganze „Montfroy-Paket“

umhüllte ein blassblauer Designer-Arbeitsmantel

mit dunkelblauem Kragen und ebensolchem Gürtel. Am auffälligsten

war aber ein Goldzahn rechts oben.

Ich war überrascht und stand ein wenig neben meinen

nicht allzu intensiv geputzten Schuhen! Nicht nur mein Chef

war ein Unikat, auch die ganze Umgebung war außergewöhnlich.

Nichts Gebrauchtes oder Öliges! Im hell beleuchteten, ca.

100 m² großen Raum war absolut ALLES blitzsauber. Das Verkaufspult,

mit Artikelkatalog, Rechner, Rechenblock und Kassa

bestückt, fast leer. Die drei übereinander platzierten Regale

hatten nur die halbe Höhe der Räumlichkeit und die Artikel am

obersten Regal waren mit kurzer Leiter leicht erreichbar.

Hier sah man keine unverpackten oder gebrauchten

Einzelteile, sondern nur sauber verpackte neue Verkaufsartikel,

wie Deichselbox, Radkappen, Sicherungen, Scheinwerfer,

Schrauben aller Art, Warndreiecke, Seilwinden, Ladungssicherungen,

Batterieladegeräte, etc., etc.

Das Ganze wirkte auf mich steril, wie ein Zahnlabor! Hier

herrschte Ordnung! Der Kontrast zwischen den eintretenden

Mechanikern und der ganzen Umgebung, inklusive „Mijnheer

Gérard“ war filmreif, fast unrealistisch. Herr Gérard entpuppte

sich als äußerst angenehmer Zeitgenosse. Freundlich, geduldig,

zuvorkommend, den Kunden, aber auch mir gegenüber.

Es war ganz deutlich, hier arbeitete jemand, der seinen

Beruf liebte und daher gerne hilfsbereit auch die dümmste,

von ahnungslosen Hobbymechanikern gestellte Frage in aller

Ruhe beantwortete. Ein Großteil der Kunden waren keine

Profis, sondern begeisterte Freizeit-Autobastler. Das Niveau

der Käufer dezent und angenehm, froh und dankbar, das gewünschte

Teil ergattert zu haben.

Vielleicht war das der Grund, so ahnte ich, für Herrn

Gérards außergewöhnliches Verhalten: Die Kunden brachten

freiwillig ihr Geld zu ihm und gingen zufrieden wieder nach

Hause! Die Zentrale von „Ambi“, Kürzel für „Automobil“, befand

sich in Amsterdam.

Unser System konnte einfacher nicht sein: Sämtliche täglich

verkauften Artikel wurden abends in Amsterdam nachbestellt,

so dass wir immer eines am Regal und eines im Keller auf

Lager hatten. Meine Aufgabe bestand aus a) Amsterdamer

Waren der zuliefernden Spedition entgegenzunehmen, zu

kontrollieren und im Keller ordnungsgemäß zu platzieren, und

b) nach Bedarf die Regale im Verkaufsraum nachzufüllen und

vor allem sauber zu halten. Natürlich durfte ich am Verkaufspult

stehend, ebenfalls im Designer-Verkaufsmantel, bei Beratungsgesprächen

zuhören. Ich stand dabei, nickte bei Bedarf

professionell und besorgte, vom Lager oder aus dem Keller,

die erforderlichen Artikel.

Mijnheer Gérard hätte mich noch gerne behalten, denn

wir hatten uns, nach einem Jahr Tätigkeit, inzwischen zu einem

gut eingespielten Team entwickelt, dennoch verabschiedete

ich mich, selbstverständlich in aller Freundschaft, von Herrn

Gérard, was er sehr bedauerte. Der Grund meiner Kündigung

war, dass die Pläne meines Vaters, eine „Weller-Farm“ für uns

zu realisieren, immer mehr Gestalt annahmen.

Angedacht war, Vaters Hobby zu frönen und zur gleichen

Zeit für mich eine Lebensgrundlage zu kreieren.

¯180

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!