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OCG Journal 4/23 Zukunftsmusik - Der Einfluss der Künstlichen Intelligenz in der Musik

Wie verändert KI die Musikindustrie? Wie viel Gewicht geben wir künstlicher Kreativität? Welche Möglichkeiten entstehen durch KI in der Kunst und mit welchen technischen Anwendungen beschäftigen sich österreichische Musikwissenschaftler*innen? Die Mitgliederzeitschrift der Österreichischen Computer Gesellschaft (OCG) widmet sich stets einem Schwerpunktthema, diesmal: KI und Musik.

Wie verändert KI die Musikindustrie? Wie viel Gewicht geben wir künstlicher Kreativität? Welche Möglichkeiten entstehen durch KI in der Kunst und mit welchen technischen Anwendungen beschäftigen sich österreichische Musikwissenschaftler*innen? Die Mitgliederzeitschrift der Österreichischen Computer Gesellschaft (OCG) widmet sich stets einem Schwerpunktthema, diesmal: KI und Musik.

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ghostwriter977. 5<br />

Rechtlich betrachtet ist die Faktenlage<br />

allerd<strong>in</strong>gs nicht so e<strong>in</strong>deutig. E<strong>in</strong>e Stimme<br />

ist urheberrechtlich nicht geschützt,<br />

aber Stimmen-Klone könnten <strong>in</strong> die<br />

Persönlichkeitsrechte <strong>der</strong> Künstler*<strong>in</strong>nen<br />

e<strong>in</strong>greifen. In <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternationalen<br />

Urheberrechtsgesetzgebung<br />

wurden<br />

die Persönlichkeitsrechte <strong>der</strong> Künstler*<strong>in</strong>nen<br />

nicht harmonisiert. So s<strong>in</strong>d <strong>in</strong><br />

den USA nur <strong>in</strong> 19 von 50 Bundesstaaten<br />

– darunter Kalifornien, New York und<br />

Florida – Persönlichkeitsrechte gesetzlich<br />

verankert 6 . Vor allem geht es um das<br />

Publicity Right, das vor <strong>der</strong> wi<strong>der</strong>rechtlichen<br />

Aneignung des Namens, des Bildes<br />

o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>er Identitätsmerkmale e<strong>in</strong>er<br />

Person, beispielsweise <strong>der</strong> Stimme, zu<br />

kommerziellen Zwecken schützt. E<strong>in</strong>e<br />

Judikatur 7 zu KI-generierten Stimmen<br />

liegt aber noch nicht vor und es werden<br />

wohl die Gerichte darüber entscheiden<br />

müssen, ob Rechte verletzt wurden<br />

o<strong>der</strong> nicht. Wie immer die Verfahren<br />

ausgehen, Stimmen-Klone bilden nur<br />

die Spitze e<strong>in</strong>es Eisbergs weitreichen<strong>der</strong><br />

rechtlicher Probleme, welche die KI <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Musik</strong><strong>in</strong>dustrie aufwirft.<br />

KI UND DAS URHEBERRECHT<br />

Betrachten wir e<strong>in</strong>mal, wie <strong>Musik</strong>-KI<br />

funktioniert. Sie benötigt als Input riesige<br />

Mengen an Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsdaten, die zu e<strong>in</strong>em<br />

KI-Modell verarbeitet werden. Dieser<br />

Prozess ist so komplex, dass es auch für<br />

die Bediener*<strong>in</strong>nen e<strong>in</strong>er KI nicht mehr<br />

möglich ist nachzuvollziehen, wie das geschieht.<br />

Schließlich werden Daten <strong>in</strong> Form<br />

von Kompositionen, Songtexten und <strong>Musik</strong>aufnahmen<br />

ausgegeben. Wir können<br />

den KI-Prozess daher e<strong>in</strong>fachheitshalber<br />

<strong>in</strong> Inputphase, Verarbeitungsphase und<br />

Outputphase glie<strong>der</strong>n. All diese Phasen<br />

können rechtliche Tatbestände berühren<br />

und Probleme aufwerfen.<br />

Beg<strong>in</strong>nen wir mit <strong>der</strong> Inputphase und<br />

<strong>der</strong> Problematik, dass <strong>Musik</strong>werke und<br />

Aufnahmen zuerst gesammelt werden<br />

müssen, um dann die KI damit zu tra<strong>in</strong>ieren.<br />

Die Datensammlung erfor<strong>der</strong>t e<strong>in</strong>e<br />

Datenbank, <strong>in</strong> <strong>der</strong> die Werke bzw. Sounddateien<br />

gespeichert werden. E<strong>in</strong>e rechtliche<br />

Problematik ergibt sich jedenfalls<br />

dann, wenn urheberrechtlich geschützte<br />

Daten gesammelt werden, weil jedes<br />

Urheberrechtsgesetz die Urheber*<strong>in</strong>nen<br />

vor unbefugten Nutzungen schützen. 8<br />

<strong>Der</strong>zeit erfolgt die Datensammlung für<br />

das KI-Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g ohne Zustimmung <strong>der</strong><br />

Rechte<strong>in</strong>haber*<strong>in</strong>nen, was zu rechtlichen<br />

Problemen führen könnte. Es ist daher<br />

wenig verwun<strong>der</strong>lich, dass bereits die<br />

erste Klage gerichtsanhängig ist. Am 18.<br />

Oktober 20<strong>23</strong> reichte die Universal Music<br />

Publish<strong>in</strong>g (UMP) geme<strong>in</strong>sam mit an<strong>der</strong>en<br />

<strong>Musik</strong>verlagen gegen das KI-Unternehmen<br />

Anthropic Klage wegen Urheberrechtsverletzung<br />

e<strong>in</strong>. Anthropic 9 ist<br />

<strong>der</strong> Anbieter des Claude-Chatbots, e<strong>in</strong>em<br />

Konkurrenzprodukt zu ChatGPT, das von<br />

ehemaligen Open AI-Mitarbeiter*<strong>in</strong>nen<br />

2021 gegründet worden war. Das KI-Unternehmen<br />

erhielt Ende September 20<strong>23</strong><br />

von Amazon im Rahmen e<strong>in</strong>er weitreichenden<br />

Zusammenarbeit e<strong>in</strong>e f<strong>in</strong>anzielle<br />

Unterstützung von US $4 Milliarden<br />

und <strong>der</strong> Onl<strong>in</strong>ehändler kaufte sich bei<br />

Anthropic mit e<strong>in</strong>em M<strong>in</strong><strong>der</strong>heitsanteil<br />

e<strong>in</strong>. 10<br />

Wie je<strong>der</strong> Chatbot sammelt auch <strong>der</strong><br />

Anthropic Chatbot Claude Daten im Internet,<br />

um damit se<strong>in</strong> KI-Sprachmodell<br />

zu tra<strong>in</strong>ieren. An diesem Punkt setzt die<br />

Klage <strong>der</strong> Universal Music Publish<strong>in</strong>g und<br />

se<strong>in</strong>er Mitstreiter an. Sie werfen Anthropic<br />

vor, e<strong>in</strong> KI-Modell auf <strong>der</strong> Basis von<br />

riesigen Textmengen, die im Internet gesammelt<br />

wurden, erstellt zu haben. Die<br />

Kläger weisen darauf h<strong>in</strong>, dass Anthropic<br />

we<strong>der</strong> um die Nutzung <strong>der</strong> urheberrechtlich<br />

geschützten Werke angefragt<br />

noch e<strong>in</strong>e Nutzungsbewilligung durch<br />

die Rechte<strong>in</strong>haber*<strong>in</strong>nen erteilt bekommen<br />

hat. Insgesamt werden <strong>in</strong> <strong>der</strong> Klage<br />

500 <strong>Musik</strong>werke aufgelistet, für welche<br />

die klagenden Parteien Urheberrechte<br />

<strong>in</strong>nehaben, wie z. B. „What a Won<strong>der</strong>ful<br />

World“ von Louis Armstrong, „You Can‘t<br />

Always Get What You Want“ von den<br />

Roll<strong>in</strong>g Stones o<strong>der</strong> „I Will Survive“ von<br />

Gloria Gaynor. 11 <strong>Der</strong> Vorwurf gegen Anthropic<br />

lautet, dass bei e<strong>in</strong>er Anfrage an<br />

Claude, wie die Lyrics e<strong>in</strong>es dieser Songs<br />

lauten, die KI den fast identischen Text<br />

des angefragten Songs auswirft, was e<strong>in</strong>em<br />

Urheberrechtsverstoß gleichkäme.<br />

<strong>Der</strong> nach dem US-Copyright Act anzunehmende<br />

Schaden läge pro Verstoß bei<br />

US $150.000, was bei 500 <strong>in</strong>krim<strong>in</strong>ierten<br />

Werken e<strong>in</strong>em Schadenersatz von <strong>in</strong>sgesamt<br />

US $75 Millionen entspräche. 12<br />

Anthropic hat zwar noch nicht auf die Klage<br />

reagiert, ließ aber dem US Copyright<br />

Office auf Anfrage e<strong>in</strong>e Stellungnahme<br />

zukommen 13 , aus <strong>der</strong> hervorgeht, dass<br />

im Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsprozess die Daten zwar kopiert<br />

werden würden, aber e<strong>in</strong>zig und<br />

alle<strong>in</strong> zum Zweck <strong>der</strong> statistischen Datenanalyse.<br />

<strong>Der</strong> Vervielfältigungsprozess<br />

ist lediglich e<strong>in</strong> Zwischenschritt, um nicht<br />

geschützte Elemente aus <strong>der</strong> Datenmenge<br />

zu generieren, aus <strong>der</strong> dann die neuen<br />

Outputs gewonnen werden. Das sei<br />

durch die Fair-Use-Bestimmungen im<br />

US-Copyright Act gedeckt und entspräche,<br />

so Anthropic, auch den rechtlichen<br />

Safe Habour-Bestimmungen <strong>in</strong> S<strong>in</strong>gapur,<br />

Japan, Israel und <strong>in</strong> <strong>der</strong> Europäischen<br />

Union.<br />

LIZENZVEREINBARUNGEN – EIN<br />

LÖSUNGSANSATZ?<br />

Welcher Rechtsstandpunkt sich durchsetzt,<br />

werden die Gerichte entscheiden,<br />

aber man kann schon jetzt vermuten,<br />

dass die Klage gegen Anthropic dazu<br />

dient, das Unternehmen und auch an<strong>der</strong>e<br />

KI-Anbieter wie OpenAI an den<br />

Verhandlungstisch zu zw<strong>in</strong>gen, um<br />

über Lizenzvere<strong>in</strong>barungen mit den<br />

Rechte<strong>in</strong>haber*<strong>in</strong>nen zu verhandeln. Es<br />

stellt sich aber die Frage <strong>der</strong> konkreten<br />

Umsetzung. Vorab muss geklärt werden,<br />

welches Lizenzierungs- und Inkasso-Modell<br />

zum E<strong>in</strong>satz kommen sollte,<br />

um nachträgliche Diskussionen über<br />

die Verteilung dieser „KI-Tantiemen“ zu<br />

vermeiden. Denn im Fall e<strong>in</strong>er privatwirtschaftlichen<br />

Regelung nach dem Vorbild<br />

<strong>der</strong> Masterrechte-Nutzung durch <strong>Musik</strong><br />

Stream<strong>in</strong>g Dienste würden beträchtliche<br />

Lizenzerträge an die phonografischen<br />

Unternehmen fließen, die schwerlich an<br />

die Künstler*<strong>in</strong>nen weiterverteilt werden<br />

können, weil Nutzungs<strong>in</strong>formationen<br />

kaum zu generieren s<strong>in</strong>d. Das liegt daran,<br />

dass e<strong>in</strong>e KI pro Sekunde tausende<br />

E<strong>in</strong>zeldaten verarbeitet. So nutzt das<br />

WaveNet von Google-DeepM<strong>in</strong>d 16.000<br />

Samples pro Sekunde für e<strong>in</strong>e unbearbeitete<br />

Audiodatei 14 E<strong>in</strong>e nutzungsbezogene<br />

Abrechnung ist unter solchen Umständen<br />

nicht mehr möglich. Die Lösung<br />

wäre daher, e<strong>in</strong>e Pauschalvergütung für<br />

die Nutzung <strong>der</strong> <strong>Musik</strong>aufnahmen und<br />

<strong>Musik</strong>werke auszuverhandeln, wie das<br />

6 <strong>OCG</strong> <strong>Journal</strong> | 04 • 20<strong>23</strong>

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