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OCG Journal 4/23 Zukunftsmusik - Der Einfluss der Künstlichen Intelligenz in der Musik

Wie verändert KI die Musikindustrie? Wie viel Gewicht geben wir künstlicher Kreativität? Welche Möglichkeiten entstehen durch KI in der Kunst und mit welchen technischen Anwendungen beschäftigen sich österreichische Musikwissenschaftler*innen? Die Mitgliederzeitschrift der Österreichischen Computer Gesellschaft (OCG) widmet sich stets einem Schwerpunktthema, diesmal: KI und Musik.

Wie verändert KI die Musikindustrie? Wie viel Gewicht geben wir künstlicher Kreativität? Welche Möglichkeiten entstehen durch KI in der Kunst und mit welchen technischen Anwendungen beschäftigen sich österreichische Musikwissenschaftler*innen? Die Mitgliederzeitschrift der Österreichischen Computer Gesellschaft (OCG) widmet sich stets einem Schwerpunktthema, diesmal: KI und Musik.

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Wie Christiane Floyd die Software-Entwicklung verän<strong>der</strong>te<br />

von Theresa Aich<strong>in</strong>ger-Fankhauser<br />

Von Menschen für Menschen<br />

Christiane Floyd gilt als Vorreiter<strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

nutzer*<strong>in</strong>nenzentrierten Software-Entwicklung.<br />

Die Informatik-Pionier<strong>in</strong> und<br />

leidenschaftliche Wan<strong>der</strong><strong>in</strong> hat viele<br />

Wege beschritten – durch Wäl<strong>der</strong>, Netzwerke,<br />

Berge und Server. Am 26. April<br />

20<strong>23</strong> feierte sie ihren 80sten Geburtstag<br />

Christiane Floyd lehnt das Wort „Karriere“<br />

ab. Karriere ist e<strong>in</strong>e äußere Hülle, spricht<br />

von <strong>der</strong> Notwendigkeit, an<strong>der</strong>en etwas zu<br />

beweisen. <strong>Der</strong> eigene Weg lässt sich erst<br />

im Nachh<strong>in</strong>e<strong>in</strong> verstehen, ist sich Floyd<br />

sicher. Sie hat ihren Weg gemacht, nach<br />

ihrem Lebenspr<strong>in</strong>zip: Schritt für Schritt.<br />

Die österreichische Informatiker<strong>in</strong> und<br />

erste Informatikprofessor<strong>in</strong> im deutschsprachigen<br />

Raum ist e<strong>in</strong>e Wegbereiter<strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> menschenzentrierten Informatik.<br />

Mit ihrem Konzept des evolutionären<br />

partizipativen Systemdesigns (STEPS)<br />

erf<strong>in</strong>det sie bereits <strong>in</strong> den 1980er Jahren<br />

e<strong>in</strong>en Vorläufer <strong>der</strong> agilen Methoden.<br />

Nach ihrem Mathematikstudium an <strong>der</strong><br />

Universität Wien lernt Floyd bei Siemens<br />

München programmieren und trägt<br />

wesentlich zur Entwicklung e<strong>in</strong>es Algol<br />

60-Compilers bei. 1968 bekommt sie e<strong>in</strong><br />

Angebot von Edward Feigenbaum aus<br />

Stanford für das Dendral-Projekt, das<br />

erste Expertensystem. „Die Zeit am AI-<br />

Lab hat mich fürs Leben geprägt. Es<br />

war die Zeit <strong>der</strong> ersten ‚Wun<strong>der</strong> <strong>der</strong> KI´“,<br />

sagt Floyd. „Schon damals hat mich<br />

aber die Gleichsetzung von Menschen<br />

mit Masch<strong>in</strong>en gestört. Das Verhältnis<br />

von Mensch und Masch<strong>in</strong>e ist e<strong>in</strong>e<br />

Grundfrage, die <strong>in</strong> <strong>der</strong> Informatik nicht<br />

auf den Tisch kommt, zu <strong>der</strong> wir jedoch<br />

alle <strong>in</strong> unserer Arbeit stillschweigend<br />

Stellung nehmen. Ich vertrete die Überzeugung,<br />

Menschen <strong>in</strong> den Mittelpunkt<br />

<strong>der</strong> Technikentwicklung zu stellen.“<br />

Seit den 1970ern steht diese Überzeugung<br />

im Zentrum ihres Schaffens. Damals<br />

ist die Informatik auf diese Idee<br />

nicht vorbereitet. Obwohl sich <strong>in</strong>teraktive<br />

Systeme zusehends verbreiteten, blendet<br />

das noch neue Fach Software Eng<strong>in</strong>eer<strong>in</strong>g<br />

den Nutzungs-Kontext aus und setzt<br />

feste Anfor<strong>der</strong>ungen voraus. Floyd kennt<br />

das aus eigener Erfahrung: 1973 kehrt sie<br />

nach München zurück und beg<strong>in</strong>nt bei<br />

<strong>der</strong> Softwarefirma Softlab an <strong>der</strong> Automatisierung<br />

des Rechenzentrums e<strong>in</strong>es<br />

großen Unternehmens zu arbeiten. „Als<br />

ich ankam, fragte ich: ‚Was passiert, wenn<br />

das System am Montag früh im Rechenzentrum<br />

angeschaltet wird?‘ Niemand<br />

hatte daran gedacht.“ Sie stellt sich die<br />

Arbeitsabläufe vor und entwickelt e<strong>in</strong><br />

Benutzungs-Modell, ähnlich späterer<br />

Use Cases. So wird das Projekt e<strong>in</strong> Erfolg.<br />

„Ich habe erkannt, dass e<strong>in</strong> Top-Down-<br />

Ansatz nie die Lösung se<strong>in</strong> kann. Wir<br />

müssen ständig mit den Anwen<strong>der</strong>*<strong>in</strong>nen<br />

kommunizieren“, ist Floyd sicher.<br />

VORREITERIN DER HU-<br />

MAN-COMPUTER INTERACTION<br />

Nach ihrer Berufung als Professor<strong>in</strong><br />

für Softwaretechnik an die TU Berl<strong>in</strong><br />

1978 will sie diese Herangehensweise<br />

auch an die Universität br<strong>in</strong>gen.<br />

„Mir wurde vorgeworfen, me<strong>in</strong>e<br />

Arbeit sei unwissenschaftlich.“<br />

Doch sie entwickelt mit ihren Mitarbeiter*<strong>in</strong>nen,<br />

allen voran Fanny-Michaela<br />

Reis<strong>in</strong> und Re<strong>in</strong>hard Keil, den Ansatz<br />

STEPS („Softwaretechnik für Evolutionäre<br />

Partizipative Systementwicklung“), <strong>der</strong><br />

auf Prototyp<strong>in</strong>g, versionsorientierte Entwicklung<br />

und kont<strong>in</strong>uierliche Kommunikation<br />

mit den Benutzer*<strong>in</strong>nen setzt.<br />

Diese Sichtweise ist mittlerweile <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Human-Computer Interaction etabliert,<br />

doch bleibt das Zusammenspiel<br />

mit <strong>der</strong> Software-Entwicklung e<strong>in</strong>e Herausfor<strong>der</strong>ung.<br />

„In <strong>der</strong> Praxis müssen<br />

wir die Nutzungs-Sicht mit <strong>der</strong> technischen<br />

Sicht verb<strong>in</strong>den. Daher kommt<br />

es darauf an, schon <strong>in</strong> <strong>der</strong> Ausbildung<br />

unterschiedliche Denkweisen <strong>der</strong> Informatik<br />

zu <strong>in</strong>tegrieren“, sagt Floyd.<br />

Die E<strong>in</strong>führung ihrer neuen Methoden<br />

führt zu Spannungen mit manchen<br />

Kollegen. Als Hartmut Ehrig<br />

und Christiane Floyd 1985 die erste<br />

TAPSOFT-Konferenz organisieren, f<strong>in</strong>den<br />

sie e<strong>in</strong>en produktiven Weg, unterschiedliche<br />

Sichtweisen zusammenzubr<strong>in</strong>gen.<br />

KEINE EINZELKÄMPFERIN<br />

Noch viel tiefgreifen<strong>der</strong> befasst sich<br />

Floyd mit den Grundlagen ihres Faches<br />

<strong>in</strong> ihrem Buch „Software Development<br />

and Reality Construction“ (Softwareentwicklung<br />

und Realitätskonstruktion). Hier<br />

zeigen Informatiker*<strong>in</strong>nen und Philosoph*<strong>in</strong>nen<br />

unterschiedliche Perspektiven<br />

auf die <strong>in</strong>tellektuelle Tradition <strong>der</strong> Softwareentwicklung<br />

als gestalterische und<br />

kreative Tätigkeit. „Me<strong>in</strong> wissenschaftliches<br />

Leben war geprägt von Zusammenarbeit<br />

und Freundschaft. Ich sehe<br />

mich nicht als E<strong>in</strong>zelkämpfer<strong>in</strong>, son<strong>der</strong>n<br />

im Schnittpunkt verschiedener geistiger<br />

Strömungen, die mich durch den <strong>in</strong>tensiven<br />

Austausch mit an<strong>der</strong>en Forscher*<strong>in</strong>nen<br />

erreicht haben“, ist Floyd überzeugt.<br />

„Eng verbunden war ich beson<strong>der</strong>s mit<br />

dem Kybernetiker He<strong>in</strong>z von Foerster,<br />

<strong>der</strong> für mich wie e<strong>in</strong> Mentor war.“<br />

1991 folgt sie e<strong>in</strong>em Ruf an die Universität<br />

Hamburg, wo sie bis zu ihrer<br />

Emeritierung 2008 die Fachgruppe<br />

Softwaretechnik zusammen mit He<strong>in</strong>z<br />

Züllighoven leitet und eng mit Wolf-Gideon<br />

Bleek, Ingrid Schirmer und Carola<br />

Lilienthal zusammenarbeitet.<br />

Im Jahr 2012 wird sie zur Honorarpro-<br />

30 <strong>OCG</strong> <strong>Journal</strong> | 04 • 20<strong>23</strong>

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