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OCG Journal 4/23 Zukunftsmusik - Der Einfluss der Künstlichen Intelligenz in der Musik

Wie verändert KI die Musikindustrie? Wie viel Gewicht geben wir künstlicher Kreativität? Welche Möglichkeiten entstehen durch KI in der Kunst und mit welchen technischen Anwendungen beschäftigen sich österreichische Musikwissenschaftler*innen? Die Mitgliederzeitschrift der Österreichischen Computer Gesellschaft (OCG) widmet sich stets einem Schwerpunktthema, diesmal: KI und Musik.

Wie verändert KI die Musikindustrie? Wie viel Gewicht geben wir künstlicher Kreativität? Welche Möglichkeiten entstehen durch KI in der Kunst und mit welchen technischen Anwendungen beschäftigen sich österreichische Musikwissenschaftler*innen? Die Mitgliederzeitschrift der Österreichischen Computer Gesellschaft (OCG) widmet sich stets einem Schwerpunktthema, diesmal: KI und Musik.

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KI und gute wissenschaftliche Praxis im Hochschulbereich<br />

von Mart<strong>in</strong>a Baravalle und Gerhard Straßl<br />

Grenzenlose Freiheit?<br />

Obwohl an und mit Künstlicher <strong>Intelligenz</strong><br />

(KI) seit Jahrzehnten geforscht<br />

wird, ist <strong>der</strong> Stand <strong>der</strong> enormen Möglichkeiten<br />

erst Ende letzten Jahres <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

breiten Öffentlichkeit angekommen.<br />

Das Auftreten von ChatGPT Ende 2022<br />

katapultierte diese Thematik regelrecht<br />

<strong>in</strong> neue Sphären. Plötzlich wurden textliche<br />

Leistungen <strong>der</strong> KI bekannt, die Bewun<strong>der</strong>ung<br />

und Bestürzung zugleich<br />

hervorriefen. Unausgesprochen regierte<br />

die Angst, dass e<strong>in</strong>e Masch<strong>in</strong>e den<br />

menschlichen Geist bei <strong>der</strong> Textgenerierung<br />

überflügelt hätte.<br />

KI-Tools waren nun für alle greifbar, wurden<br />

ausprobiert und analysiert, sodass<br />

die weitreichenden Auswirkungen seither<br />

segmentbezogen diskutiert werden.<br />

Die uns bekannten Medienformen – Text,<br />

<strong>Musik</strong>, Bild, Zahl und Code – werden<br />

durch KI-Tools <strong>in</strong> neuer Weise produziert<br />

und signifikant bee<strong>in</strong>flusst. Rasch zunehmende<br />

Zahlen an Nutzer*<strong>in</strong>nen und die<br />

rasante Integration von KI-Tools <strong>in</strong> unsere<br />

tägliche Praxis erfor<strong>der</strong>n zunehmend<br />

die e<strong>in</strong>gehende Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung mit<br />

den Chancen und Risken.<br />

FASZINATION MIT GRENZEN<br />

Im Bildungswesen wird die Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung<br />

nachvollziehbarerweise<br />

beson<strong>der</strong>s <strong>in</strong>tensiv geführt, da hier die<br />

Entwicklung <strong>der</strong> akademischen Schreibkompetenz<br />

und somit e<strong>in</strong>e wesentliche<br />

Grundlage für die Wissenschaft verortet<br />

ist. Nach ersten nachvollziehbaren Auswirkungen<br />

auf etwa die Translationswissenschaften<br />

wird nun zurecht gesehen,<br />

dass alle Formen von Wissensproduktion<br />

(<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e bei <strong>der</strong> Textproduktion)<br />

<strong>in</strong> den <strong>E<strong>in</strong>fluss</strong>bereich <strong>der</strong> KI-Tools geraten<br />

s<strong>in</strong>d. Da dadurch die etablierten Regeln<br />

<strong>der</strong> guten wissenschaftlichen Praxis<br />

(gwP) durch KI bedroht s<strong>in</strong>d, besteht Anlass<br />

zur Sorge <strong>der</strong> Def<strong>in</strong>ition von eigener<br />

Leistung beim Schreibprozess. Dabei ist<br />

die Frage nach <strong>der</strong> Verantwortung für<br />

den E<strong>in</strong>satz von KI-Tools, für die Ergebnisse<br />

von KI-Tools und <strong>der</strong> <strong>in</strong>tegren Nutzung<br />

dieser Ergebnisse zentral.<br />

Die textgenerierende KI kann äußerst<br />

hilfreich se<strong>in</strong> etwa als Inspirationsquelle,<br />

zum E<strong>in</strong>stieg <strong>in</strong> den Forschungsstand<br />

e<strong>in</strong>er bestimmten Materie, zur Überprüfung<br />

<strong>der</strong> eigenen Argumentation o<strong>der</strong><br />

zur sprachlichen Verb<strong>in</strong>dung verschiedener<br />

Aspekte. Aber so groß die Verlockung<br />

<strong>der</strong> KI als fasz<strong>in</strong>ierende Formulierungshilfe<br />

ist, so kritisch sollte ihr begegnet<br />

werden. Aufgrund <strong>der</strong> mathematisch<br />

berechneten Zusammensetzung von gespeicherten<br />

Wortteilen können fundierte<br />

Aussagen von <strong>der</strong> KI produziert werden<br />

– genauso wie <strong>in</strong>haltlich falsche Formulierungen.<br />

Zudem be<strong>in</strong>haltet <strong>der</strong> Wortspeicher<br />

<strong>der</strong> KI auch Vore<strong>in</strong>genommenheiten<br />

(sog. Biases), sodass die von <strong>der</strong> KI<br />

<strong>in</strong> Sekundenschnelle produzierten Formulierungen<br />

ethisch problematisch se<strong>in</strong><br />

können. Sicher ist nur, wie Erich Prem,<br />

Philosoph und Informationswissenschaftler,<br />

treffend formulierte: „Die Systeme<br />

verstehen nicht, sie ‚wissen‘ nicht, sie<br />

wissen auch nicht, was sie wissen.“ 1<br />

DIE GEISTER, DIE ICH RIEF…<br />

Das Dilemma, <strong>in</strong> dem sich die Bildungslandschaft<br />

nun bef<strong>in</strong>det, ist e<strong>in</strong>deutig<br />

sichtbar. E<strong>in</strong>erseits ist die Fertigkeit des<br />

Schreibens, ganz beson<strong>der</strong>s des wissenschaftlichen<br />

Schreibens, e<strong>in</strong>e Tradition,<br />

welche die Universitäten jahrhun<strong>der</strong>tlang<br />

entwickelt, gepflegt und gelebt<br />

haben, um damit am Fachdiskurs teilzunehmen.<br />

Jedoch ist es aber mit e<strong>in</strong>em<br />

Mal möglich, den Weg dah<strong>in</strong> abzukürzen<br />

und sich, zum<strong>in</strong>dest <strong>in</strong> Teilbereichen,<br />

ganz passable Textteile schreiben zu lassen,<br />

die ebenso Bestand haben können<br />

und sich die Berechtigung durchaus<br />

verdienen, gelesen und diskutiert zu werden.<br />

Darüber h<strong>in</strong>aus harren noch weitere<br />

Fragen <strong>der</strong> Beantwortung: Wie s<strong>in</strong>d diese<br />

Texte rechtlich e<strong>in</strong>zuordnen? Wie sieht es<br />

mit <strong>der</strong> Verantwortlichkeit für diese Texte<br />

aus? Wie s<strong>in</strong>d sie aus gwP-Sicht zu beurteilen?<br />

DIE VERLOCKUNGEN DER KI<br />

Klar ist, dass KI nicht Urheber des mit <strong>der</strong><br />

Software generierten Textes ist, da e<strong>in</strong><br />

Werk e<strong>in</strong>e eigentümliche geistige Schöpfung<br />

ist. Dazu ist nur e<strong>in</strong> Mensch <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Lage. Dass dieser automatisch die Urheberschaft<br />

an e<strong>in</strong>em von KI geschriebenen<br />

Text hat, kann aber pe se auch nicht<br />

gesagt werden. Erst, wenn <strong>der</strong> gestalterische<br />

<strong>E<strong>in</strong>fluss</strong> des Menschen überwiegt<br />

und die KI nur mehr ausführendes Instrument<br />

<strong>der</strong> gestalterischen Hoheit des<br />

Menschen ist, dann tendiert man dazu<br />

anzuerkennen, dass <strong>der</strong> Mensch Urheber<br />

des so erzeugten Textes ist. Für ChatGPT<br />

hieße dies wohl, dass die Detailliertheit<br />

<strong>der</strong> Prompts und die Verkettung stark<br />

steuern<strong>der</strong> Prompts hier maßgeblich<br />

s<strong>in</strong>d. Als e<strong>in</strong>er <strong>der</strong> Ersten im deutschsprachigen<br />

Raum hat dies Thomas Horen von<br />

<strong>der</strong> Westfälischen Wilhelms-Universität<br />

Münster e<strong>in</strong> „Rechtsgutachten zum Umgang<br />

mit KI-Software im Hochschulkontext“<br />

2 publiziert.<br />

Das datenschutzrechtliche Dilemma<br />

mit KI ist ja bereits h<strong>in</strong>länglich bekannt.<br />

Unsere Daten, die <strong>in</strong> diese Softwaren geladen<br />

werden, werden von den Firmen<br />

zu Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gszwecken genutzt. Gleichzeitig<br />

haben wir aber ke<strong>in</strong>e Möglichkeit,<br />

dies zu verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n. Selbst wenn wir von<br />

24 <strong>OCG</strong> <strong>Journal</strong> | 04 • 20<strong>23</strong>

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