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OCG Journal 4/23 Zukunftsmusik - Der Einfluss der Künstlichen Intelligenz in der Musik

Wie verändert KI die Musikindustrie? Wie viel Gewicht geben wir künstlicher Kreativität? Welche Möglichkeiten entstehen durch KI in der Kunst und mit welchen technischen Anwendungen beschäftigen sich österreichische Musikwissenschaftler*innen? Die Mitgliederzeitschrift der Österreichischen Computer Gesellschaft (OCG) widmet sich stets einem Schwerpunktthema, diesmal: KI und Musik.

Wie verändert KI die Musikindustrie? Wie viel Gewicht geben wir künstlicher Kreativität? Welche Möglichkeiten entstehen durch KI in der Kunst und mit welchen technischen Anwendungen beschäftigen sich österreichische Musikwissenschaftler*innen? Die Mitgliederzeitschrift der Österreichischen Computer Gesellschaft (OCG) widmet sich stets einem Schwerpunktthema, diesmal: KI und Musik.

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KI und Technik - <strong>der</strong> komplexe Prozess des Musizierens<br />

von Alexan<strong>der</strong> Mayer, Montserrat Pámies-Vilá, und Vasileios Chatziioannou<br />

E<strong>in</strong> Roboterarm spielt Cello<br />

Im Zuge zweier Projekte, die wir am Institut<br />

für musikalische Akustik – Wiener<br />

Klangstil (IWK) durchführen, wird die<br />

Tonerzeugung beim Cellospielen erforscht.<br />

Dabei werden Bewegungsabläufe<br />

von professionellen Cellist*<strong>in</strong>nen<br />

beim Musizieren mittels Motion-Capture<br />

aufgezeichnet und analysiert. E<strong>in</strong><br />

Industrieroboterarm übernimmt dann<br />

die Aufgabe, diese Aufnahmen wie<strong>der</strong>zugeben<br />

– im Gegensatz zum Menschen<br />

jedoch höchst reproduzierbar und ohne<br />

e<strong>in</strong>e subjektive Me<strong>in</strong>ung zu dem Instrument<br />

o<strong>der</strong> Bogen. In diesem Artikel<br />

wollen wir das vorhandene System kurz<br />

vorstellen und die logischen nächsten<br />

Schritte ausführlich behandeln, denn,<br />

mithilfe <strong>der</strong> vorhandenen Technik und<br />

Künstliche <strong>Intelligenz</strong>, könnte die Aufgabe<br />

des künstlichen Musizierens am<br />

Cello auch auf hohem Niveau gel<strong>in</strong>gen.<br />

Gleichzeitig erhoffen wir aber auch dadurch<br />

die Kunst <strong>der</strong> Bogenführung besser<br />

zu verstehen.<br />

Trotz <strong>in</strong>tensiver Forschung auf dem Gebiet<br />

<strong>der</strong> Akustik von <strong>Musik</strong><strong>in</strong>strumenten<br />

ist es bis heute äußerst schwierig, allgeme<strong>in</strong>gültige<br />

qualitative o<strong>der</strong> objektive<br />

Bewertungen <strong>der</strong> Klangeigenschaften<br />

von <strong>Musik</strong><strong>in</strong>strumenten und <strong>der</strong> wahrgenommenen<br />

Qualität von <strong>Musik</strong><strong>in</strong>strumenten<br />

vorzunehmen. Unser <strong>in</strong>dividuelles<br />

Klangempf<strong>in</strong>den ist oft nicht nur<br />

personenabhängig, son<strong>der</strong>n kann auch<br />

von äußeren E<strong>in</strong>flüssen abhängen. Auch<br />

bei <strong>der</strong> Spieltechnik zeigen sich deutliche<br />

Unterschiede <strong>in</strong> Abhängigkeit von <strong>der</strong><br />

Person und den äußeren Umständen.<br />

Zusätzlich kann das <strong>Musik</strong><strong>in</strong>strument<br />

aufgrund se<strong>in</strong>er nichtklanglichen Eigenschaften<br />

auch <strong>E<strong>in</strong>fluss</strong> auf den/die <strong>Musik</strong>er*<strong>in</strong><br />

und damit <strong>in</strong>direkt auf den Klang<br />

ausüben. Mit e<strong>in</strong>er künstlichen Anregung<br />

kann jedoch nicht nur e<strong>in</strong>e objektive,<br />

son<strong>der</strong>n auch e<strong>in</strong>e reproduzierbare Anregung<br />

erreicht werden.<br />

In den „Doksari“-Projekten (griechisch<br />

für „Bogen“) am Institut für musikalische<br />

Akustik – Wiener Klangstil (IWK) geht<br />

es unter an<strong>der</strong>em darum, spieltechnische<br />

Aspekte durch Messungen besser<br />

zu verstehen, aber auch mathematisch<br />

beschreiben zu können. Dadurch sollen<br />

Computermodelle erweitert und die Zusammenhänge<br />

zwischen Spieltechnik<br />

und Klangerzeugung beim Cellospiel<br />

besser verstanden werden. Das Zusammenspiel<br />

von Bogen und Saite ist seit<br />

Jahren Gegenstand <strong>der</strong> Forschung und<br />

wird auch <strong>in</strong> Zukunft viele Fragen aufwerfen.<br />

DAS DOKSARI- SYSTEM<br />

Seit langem werden verschiedenste Apparate<br />

zur künstlichen Anregung von<br />

Streich<strong>in</strong>strumenten verwendet. Zum<br />

e<strong>in</strong>en gab es z. B. den Piano-Geige-Automaten<br />

<strong>der</strong> Firma Hupfeld, <strong>der</strong> bereits um<br />

1907 mit Hilfe von perforierten Papierrollen<br />

<strong>Musik</strong> abspielte, o<strong>der</strong> Masch<strong>in</strong>en, die<br />

zu re<strong>in</strong>en Forschungszwecken gebaut<br />

wurden [1,2]. Bei vielen Masch<strong>in</strong>en erfolgt<br />

die Anregung jedoch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel über<br />

e<strong>in</strong>en speziell konstruierten Bogen <strong>in</strong><br />

Form e<strong>in</strong>es R<strong>in</strong>gs o<strong>der</strong> über Rä<strong>der</strong>, ähnlich<br />

wie bei e<strong>in</strong>er Drehleier. Die meisten<br />

Geräte, die mit e<strong>in</strong>em Standardbogen<br />

ausgestattet s<strong>in</strong>d, führen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel<br />

re<strong>in</strong> geradl<strong>in</strong>ige Bewegungen aus. Zwar<br />

kann die Bogengeschw<strong>in</strong>digkeit und<br />

<strong>der</strong> Anpressdruck variiert werden, jedoch<br />

ist es nicht möglich, die Fe<strong>in</strong>heiten <strong>der</strong><br />

menschlichen Spielgestik zu imitieren.<br />

E<strong>in</strong>e Idee h<strong>in</strong>ter unseren Projekten war<br />

jedoch, auch die menschliche Bogenführung<br />

genauer zu untersuchen und zu sehen,<br />

wie und ob sie die Klangerzeugung<br />

bee<strong>in</strong>flusst (siehe Abbildung 1).<br />

Abbildung 1: Menschliche Bogenführungen<br />

für die vier offenen Saiten, aufgenommen mit<br />

e<strong>in</strong>em Motion-Capture System, rot markiert<br />

stellt das Vektormodell des Cellos dar, <strong>der</strong><br />

Punkt S gibt die Position des Steges an. C2, G2,<br />

D3 und A3 s<strong>in</strong>d die Töne <strong>der</strong> jeweils angeregten<br />

(offenen) Saiten<br />

Um das Cello möglichst realistisch anzuregen,<br />

muss <strong>der</strong> Bogen daher frei <strong>in</strong><br />

drei Raumdimensionen bewegt werden<br />

können. Die Bogenführung <strong>der</strong><br />

menschlichen Spieler*<strong>in</strong>nen wird mit<br />

e<strong>in</strong>em Motion-Capture-System (MoCap)<br />

aufgenommen. 12 Kameras senden 240<br />

Mal pro Sekunde dreidimensionale Koord<strong>in</strong>atendaten<br />

von Mensch, Bogen und<br />

Instrument an den Computer. In e<strong>in</strong>em<br />

weiteren Schritt werden diese Daten <strong>in</strong><br />

Roboterbefehle umgesetzt und <strong>in</strong> weiterer<br />

Folge an e<strong>in</strong>en Roboterarm mit 6 Freiheitsgraden<br />

(6 Gelenken) gesendet. <strong>Der</strong>zeit<br />

werden alle Untersuchungen ohne<br />

Greifhand - also „offen gespielt“ - durchgeführt.<br />

Da sich das Instrument während<br />

<strong>der</strong> Anregung durch den Roboter nicht<br />

bewegen darf, wird es <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Halterung<br />

16 <strong>OCG</strong> <strong>Journal</strong> | 04 • 20<strong>23</strong>

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