Winterfreizeit
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30 HOPFEN AM SEE<br />
Foto: Bernhard - stock.adobe.com<br />
Das Fischmännle<br />
vom Hopfensee<br />
Im Einödhof Schraden lag einmal die Bäuerin mit ihren<br />
neugeborenen Drillingen in der Stube, als die Tür aufging und<br />
ein Wandersmann hereintrat. Obwohl draußen die Sonne schien,<br />
tropfte der Kittel des Mannes vor Nässe. Die Frau, viel zu<br />
müd zum Fragen, sah wie der Fremde in die Wiegen guckte, in<br />
denen die Drillinge schliefen, worauf er, leise und grußlos, wie er<br />
gekommen war, wieder die Stube verließ.<br />
Acht Tage darauf, als die Mutter schon wieder ihrer Arbeit im<br />
Hause nachgehen konnte, geschah es, dass sie am Abend den<br />
drei Neugeborenen in der Schlafstube den Abendsegen geben<br />
wollte, aber zu ihrem furchtbaren Schrecken die Wiegen leer<br />
fand. Von den drei kleinen Büble fehlte jede Spur. Ein talergroßer<br />
Wasserfleck am Boden vor jeder der drei Wiegen war das<br />
einzig Auffällige.<br />
Auf die Jammerrufe der armen Mutter eilten die Nachbarn herbei.<br />
Mit Dreschflegeln und Mistgabeln eilte man nach allen Richtungen<br />
dem vermeintlichen Kindsräuber nach. Aber man fand weder<br />
einen Räuber noch eine Spur von den drei verschwundenen<br />
Kindern. Erst nach einigen Tagen entdeckte man am Ufer des<br />
Hofensees die Windeln der drei Kleinen, fein säuberlich gebündelt.<br />
Das Fischmännle war‘s<br />
Nun wusste man, dass niemand anders als das Fischmännle der<br />
Räuber gewesen sein konnte. Drei Opfer auf einmal hatte es sich<br />
geholt. Die armen Kleinen aber mussten in der Tiefe des Sees<br />
fortan seine Buben und Knechte sein. Noch lange konnte man an<br />
stillen Sommerabenden die Büble aus dem Seegrund nach ihrer<br />
Mama jammern hören. Die drei Wasserflecken in der Stube aber<br />
sind nie eingetrocknet.<br />
Am westlichen Ufer des Hopfensees hat noch im Jahr 1840 ein<br />
Bildstöckle, dessen Täfele drei leere Wiegen zeigte, an diese<br />
traurige Geschichte erinnert.<br />
Viele weitere Volkssagen aus dem Allgäu findet man im Buch<br />
„Allgäuer Sagen“ von Hermann Endrös und Alfred Weitnauer. Erschienen<br />
ist das Sammelwerk im Franz Brack Verlag aus Altusried.