Lilienthaler - Das Magazin 6-2023
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Bücher<br />
Klassische Musik für jeden Tag – 365 Stücke zum Innehalten<br />
Ein neues Jahr<br />
voller Wunder<br />
„Klassische Musik kann über Epochen und Grenzen hinweg verbinden<br />
und in außergewöhnlichen Zeiten Hoffnung schenken und Mut machen“,<br />
diese einzigartigen Fähigkeiten von Musik beschreibt die Autorin<br />
Clemency Burton-Hill in ihrem neuen Buch „Ein neues Jahr voller Wunder“.<br />
In schwungvollen Texten<br />
präsentiert die erfolgreiche<br />
Violinistin und Musikvermittlerin<br />
in 365 von ihr ausgewählten<br />
Musikstücken den Lesern<br />
und Leserinnen die<br />
Schönheit, den Zauber und die<br />
Modernität des musikalischen<br />
Kosmos, der vom Liederzyklus<br />
einer Hildegard von Bingen bis<br />
zu Duke Ellington reicht. Eine<br />
Überraschung für jeden Tag.<br />
Clemency Burton-Hill wurde<br />
1981 in London geboren. Sie<br />
ist Autorin, Radio- und Fernsehmoderatorin<br />
und preisgekrönte<br />
Violinistin. Sie moderiert<br />
Klassiksendungen auf BBC<br />
Radio 3 und dem New Yorker<br />
Klassikradio. Als Kulturjournalistin<br />
schreibt sie zudem auch für „The Economist, The Financal Times,<br />
The Guardian und The Observer. Als Violinistin hat sie unter der Leitung<br />
von Dirigenten wie Daniel Barenboim in einigen der wichtigsten<br />
Musiksäle der Welt gespielt. Sie ist Mitbegründerin des mehrfach ausgezeichneten<br />
Aurora Orchestra und lebt mit ihrer Familie in London und<br />
New York.<br />
Die Wunder der klassischen Musik seien unerschöpflich, stellt die preisgekrönte<br />
Violinistin und Moderatorin Clemency Burton-Hill in ihrem<br />
Buch unter Beweis. Der oder die Leserinnen dürfen Ruhe, Inspiration,<br />
Genuss und Kraft aus den einzigartigen und vielseitigen Musikstücken<br />
schöpfen, die ihnen die Autorin in ihren auserwählten Texten ans Herz<br />
legt, sozusagen beste Gesellschaft für jeden Tag im Jahr. <strong>Das</strong> musikalische<br />
Jahr startet mit Johann Sebastian Bachs Neujahrskantate BWV<br />
41: „Für michstrotzt dieses Stück vor freudigem Optimismus, obwohl es<br />
gleichzeitig die Probleme des alten Jahres und die Not und Gefahr im<br />
Blick behält“, schreibt die Autorin zum 1. Januar: „Ein großes Jahr liegt<br />
vor uns, stürzen wir uns gemeinsam in dieses Abenteuer“, fordert<br />
Clemency Burton-Hill ihre Leserschaft auf. <strong>Das</strong> Register im hinteren Teil<br />
des Buches führt alle Musikstücke alphabetisch auf: Von „African<br />
Dances“ bis Frank Zappa’s „Outrage at Valdez“.<br />
Monika Fricke<br />
Clemency Burton-Hill.<br />
Ein neues Jahr voller Wunder.<br />
Klassische Musik für jeden Tag.<br />
Verlag: Diogenes (<strong>2023</strong>).<br />
Gebunden. 464 Seiten.<br />
Euro 29,00.<br />
ISBN 978-3-257-07245-7<br />
Susanne Abel<br />
Stay away from Gretchen.<br />
Eine unmögliche Liebe<br />
„Stay away from Gretchen“ - so wurden die amerikanischen<br />
GIs während der Besatzungszeit in<br />
Deutschland nach dem 2.Weltkrieg vor Beziehungen<br />
zu deutschen Frauen gewarnt, wegen<br />
angeblich hoher Ansteckungsgefahr mit Syphilis.<br />
Der Roman von Susanne Abel handelt im Kern<br />
von so einer Beziehung. Es ist die Lebensgeschichte<br />
von Tom Monderaths Mutter Greta.<br />
Tom Monderath, Mitte 40, ein smarter Single,<br />
der sein Leben liebt, lebt als vielbeschäftigter<br />
Nachrichtenmoderator und bekannter Anchorman eines Fernsehsenders<br />
in Köln. In seiner Kindheit hat er unter der Melancholie und den Depressionen<br />
seiner Mutter gelitten, doch erklärt wurde ihm nichts. Als<br />
Tom mit der beginnenden Demenz seiner 84jährigen Mutter Greta konfrontiert<br />
wird, und er diese Tatsache auch in seinem hektischen Leben<br />
nicht mehr verdrängen kann, spürt er, dass die Betonmauer im Innersten<br />
seiner Mutter sich langsam aufzulösen scheint. Die jahrzehntelang<br />
verschanzten Traumata mit vielen schmerzlichen Erfahrungen kommen<br />
bei der alten Frau langsam in der Erinnerung an die Oberfläche. Tom,<br />
der sich seiner kranken Mutter immer mehr zuwendet, erfährt nach und<br />
nach die Ursache für ihre Depressionen.<br />
In zwei Handlungssträngen wird einmal aus der Gegenwart erzählt, von<br />
Toms Leben, seinen Sorgen um seine demente Mutter und seine Recherchen<br />
anhand ihrer Gespräche. Zum anderen wechselt die Handlung<br />
in die Vergangenheitsebene, und der Leser taucht ein in die Lebensgeschichte<br />
Gretas seit ihrem 10.Lebensjahr: die Kindheit in Ostpreußen<br />
während des Nazi-Regimes, die Flucht vor der russischen Armee, der<br />
Neubeginn in Heidelberg, ihre Liebe zu dem GI Bob und all die Probleme,<br />
die daraus entstanden und ihr ganzes Leben überschattet haben.<br />
Als Tom bei seiner Mutter zufällig ein Foto von einem kleinen Mädchen<br />
mit brauner Hautfarbe in die Hände fällt, beginnt er nachzuforschen<br />
und sich mit der Vergangenheit seiner Familie, die auch mit ihm verknüpft<br />
ist, auseinanderzusetzen<br />
Der Roman bringt ein Stück Zeitgeschichte ab 1945 bis in die späten<br />
50erJahre und noch bis weit darüberhinaus lebendig nahe. Die damals<br />
herrschenden engen Moralvorstellungen, das von den Nazis geprägte<br />
Denken, das weiterhin das Leben bestimmte, Rassismus bei Deutschen<br />
wie Amerikanern und Ausgrenzung bis hin zu subtiler Gewaltanwendung<br />
werden anhand des persönlichen Schicksals einer Familie vergegenwärtigt.<br />
Auch das wenig bekannte Schicksal der „brown babies“ und deren<br />
Mütter, die hierzulande als „Negerflittchen“ beschimpft und geächtet<br />
wurden, thematisiert Susanne Abel in ihrem Roman. Damit hat sie thematisch<br />
ein (leider) wieder aktuelles Thema literarisch in den Fokus gerückt<br />
– nicht unbedingt unterhaltsam, aber fesselnd und nachwirkend.<br />
Cornelia von Enden<br />
Susanne Abel.<br />
Stay away from Gretchen. Eine unmögliche Liebe.<br />
Roman.<br />
Verlag: DTV (2021)<br />
Gebunden. 528 Seiten.<br />
Euro 20,00.<br />
ISBN 978-3-423-28259-8<br />
<strong>Lilienthaler</strong> · 6 <strong>2023</strong> 75