Grosseltern_0623 Magazin
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# 06 / 2023
Grosseltern MAGAZIN
# 06 / 2023
grosseltern-magazin.ch
Dossier
GEHEIMNISSE
Grosseltern
Das Magazin über das Leben mit Enkelkindern
ab Seite 50
Adieu Arbeit
Neue Freiheit oder Abstellgleis?
Zwei frisch Pensionierte erzählen. S. 26
Vorhang auf ...
... für Jim Knopf und Lokomotive Emma:
Zu Besuch im Opernhaus Zürich. S. 40
Blindlings lieben
Annemarie Heinze sieht ihre
Enkel kinder mit Herz und Händen. S. 32
Grosseltern MAGAZIN
CHF 12.– 9.50
EUR 12.– 8.50
82
Condado
de Haza
Ribera del Duero DO
Jahrgang 2017*
Traubensorte:
Tempranillo
12. 95
Konkurrenzvergleich
22. 50
Sessantanni
Primitivo
di Manduria DOP
Jahrgang 2018*
Traubensorte:
Primitivo
Malamore Reserva
Monepulciano d’Abruzzo DOC
Jahrgang 2018*
Traubensorte:
Montepulciano
Auszeichnung:
- Luca Maroni 97 Punkte
9. 95
Preis-Hit
75 cl
75 cl
Epesses
Lavaux AOC
Jahrgang 2022*
Traubensorte:
Chasselas
8. 95
statt 12. 95
Niepoort
Fabelhaft
Douro DO
Jahrgang 2021*
Traubensorten: Touriga
Franca, Touriga Nacional,
Tinta Roriz, Tinta Cão
10. 95
Konkurrenzvergleich
16. 80
20. 95
Konkurrenzvergleich
28. 95
Zonin Amarone
della Valpolicella
DOCG
Jahrgang 2020*
Traubensorten: Corvina,
Rondinella, Molinara
19. 95
Konkurrenzvergleich
39. 90
*Jahrgangsänderungen vorbehalten.
70 cl
75 cl
75 cl
75 cl
Giorgio Armani
Acqua di Giò
Homme
EdT
100 ml
Hugo Boss
Hugo Jeans
Homme
EdT
75 ml
Laura Biagiotti
Roma
Uomo
EdT
75 ml
39. 90
Konkurrenzvergleich
67. 90
Mont Blanc
Explorer
Homme
EdP
100 ml
74. 90
Konkurrenzvergleich
125.-
39. 90
Konkurrenzvergleich
79.-
54. 90
Konkurrenzvergleich
120.-
Dolce &
Gabbana
Light Blue
Femme
EdT
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49. 90
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Femme
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Lancôme
La vie este belle
Femme
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~ Magazin ~
EDITORIAL
3
Erinnerungen
schaffen
Dass mein Vater Schnee nicht
mochte, ist eine Untertreibung.
Mein Vater konnte Schnee absolut
ganz und gar nicht ausstehen. Immer,
wenn meine Schwester und ich mit meiner
Mutter zum Skifahren fuhren, blieb
er zuhause und sagte: «Lieber ihr als ich.»
Den Spruch brachte er auch noch, als
wir längst erwachsen waren. Umso eindrücklicher,
dass eine besonders warme
Erinnerung an eine gemeinsame Aktivität
mit ihm mit Schnee verbunden ist. Ich
war vermutlich knapp 20 Jahre alt, es war
Advent und wir unternahmen eine Mini-Schneewanderung
bis an den Waldrand,
wo wir ein Feuer machten. Meine
Mutter hatte warme Getränke in einer
Thermosflasche dabei, mein Vater eine
Flasche Schaumwein. Wir standen um
dieses Feuer im Schnee, haben Spitzbuben
gegessen, Tee aus Thermosbechern
und Wein aus richtigen Gläsern getrunken
– so viel Stil musste sein. Rundherum
war es halbdunkel und kalt. Aber wir
hatten es hell und warm. Das Bild habe
ich bis heute vor Augen.
Unsere Weihnachtsausgabe, die Sie hier
in den Händen halten, reicht bis ins neue
Jahr hinein. Allzu weihnachtlich wollten
wir deshalb nicht sein. Aber ein wenig
Glitzer und Pomp schadet nie. In unserer
Bildergeschichte (S. 40) begleitete meine
Kollegin Anna Six eine Grossmutter und
drei Kinder auf einem Rundgang hinter
den Kulissen des Opernhauses Zürich.
Sie sahen reihenweise bunte Kostüme,
waren in der Maske dabei und durften
die Hauptprobe von «Jim Knopf» im roten
Samtsessel verfolgen. Anna sah staunende
Kinderaugen.
Pssst: In unserem Dossier ab Seite 50
geht’s um Geheimnisse. Um grosse,
schwere, aber auch um für die kindliche
Entwicklung wichtige Verschwiegenheiten.
Und dann geht es auch noch um
die süssen Geheimnisse, um jene aus der
Weihnachtszeit.
Wir wünschen Ihnen frohe Feiertage und
einen guten Rutsch ins neue Jahr. Vor allem
aber wünsche ich Ihnen Zeit mit Ihren
Kindern und Enkeln, gemeinsame
Zeit, um Erinnerungen zu schaffen. Denn
darum geht’s doch immer wieder im Leben,
oder?
•
Foto: Tibor Nad
GERALDINE CAPAUL (43), Chefredaktorin,
liebt es, wenns glitzert. In Kinderaugen.
Im Schnee. In Kristallen. Aber auch auf
Papier und der Weihnachtsdeko.
geraldine.capaul@grosseltern-magazin.ch
# 06 ~ 2023
4
INHALT
# 06 / 2023
Foto: Samuel Trümpy
Mit dem Herzen sehen
Sie hat sich den Herausforderungen gestellt:
Grossmutter Annemarie Heinze ist blind.
Ihre Enkel hat sie trotzdem gehütet. S. 32
Illustration: Marie-Anne Spross
Ein Wintertag in Biel
Die meistunterschätzte Stadt in der Schweiz
hat auch für Kinder ganz viel zu bieten: vom Uhrenmuseum
bis zur Schluchtenwanderung, vom
Abenteuerspielplatz bis zum Glücksrüebli. S. 62
Kinder und Klassik
Vorhang auf im Opernhaus Zürich:
Grossmutter und Enkelin blicken hinter
die Kulissen. Eine Bildergeschichte. S. 40
Foto: Martina Meier
Cover
Im Opernhaus Zürich. Foto: Martina Meier
# 06 ~ 2023
~ Magazin ~
INHALTSVERZEICHNIS
5
Magazin
Hintergrund
Service
3 Editorial
4 Inhaltsverzeichnis
6 Dominic Stricker
Der Tennisspieler verrät, wie
die Grosseltern seine Karriere
unterstützt haben.
8 Kleine Künstler gesucht
Für ein Musikvideo von
Andrew Bond suchen wir
Zeichnungen von Enkeln für
ihre Grosseltern.
12 Juli meint
Unsere jüngste Kolumnistin
über künstliche Intelligenz
16 Freiwilliges Engagement
Frank Geser engagiert sich
fürs Museum Neuthal.
22 Anderswo: Uganda
Joy und Joseph leben mit
fünf Gross- und acht
Pflegekindern zusammen.
37 Kolumne:
GrossmütterRevolution
Ein halbes Leben lang gewartet
48 Kolumne:
Meine Kinder, meine Enkel
Bald ist Weihnachten
26 Pension: Und jetzt?
Freiheitsfreuden oder
Abstellgleis-Albträume: Die
Pension macht nicht alle
glücklich. Zwei Erzählungen
und Tipps vom Experten.
32 Mit dem Herzen sehen
Grossmutter Annemarie
Heinze ist blind. Ihre Enkel
hat sie trotzdem gehütet.
Eine Geschichte über das
Überwinden von Grenzen.
38 Du oder Sie
Über Höflichkeitsformen –
und die Schwierigkeiten damit.
40 Backstage
Vorhang auf: Grossmutter
50
und Enkelin blicken hinter die
Kulissen des Zürcher Opern-
hauses. Eine Bildergeschichte.
DOSSIER
Geheimnis
Psst: Erwachsenen sind sie oft
eine Last, doch in der Kindheit
unterstützen Geheimnisse
wichtige Entwicklungsschritte.
58 Aus der Praxis
58 Hausarzt Edy Riesen
60 Hebamme Barbara Stocker
61 Psychologin Dagmar Schifferli
62 Unterwegs
62 Biel
64 Übernachten
65 Wandern
66 Museumstesterin
67 Kulturtipps
68 Aktiv
68 Backen: Grittibänz
70 Stricken: Pulli und Mütze
72 Basteln: Masken
73 Spielen: Farben und Formen
74 Draussen: Winterfreuden
76 Lesen
76 Geschichten für die
Vorweihnachtszeit
77 Buchtipps im Dezember
82 Das Schlusswort
Von François Höpflinger
25 Leserbriefe
49 Gemeinsam: Opernhausführung
78 Rätsel
80 Wettbewerb
81 Impressum / Vorschau
# 06 ~ 2023
6
~ Magazin ~
MEINE GROSSELTERN
Geduld,
Zielstrebigkeit
und viel
Nähe
Der Sportler Dominic Stricker ist
seit seinen Erfolgen am US Open 2023
und an den Swiss Indoors in Basel
der Shootingstar der Schweizer Tenniswelt.
Was seine Grosseltern damit zu
tun haben? Sehr viel.
Von MICHAEL SPILLMANN (Aufgezeichnet)
Meinen Grosseltern habe ich viel zu verdanken, allen
vieren. Sie waren wichtige Bezugspersonen für mich
und immer für mich da. Auch meinen Traum von
einer Tenniskarriere haben sie tatkräftig unterstützt und mich
früher extrem oft zu den Trainings nach Biel gefahren – dreibis
viermal pro Woche. Sie sind jeweils dort geblieben, haben
zugeschaut. Danach haben sie mich wieder heimgefahren. Ich
ass auch regelmässig bei beiden Grosselternpaaren zu Mittag
und verbrachte zusammen mit meiner Schwester die Ferien
bei ihnen.
Die Eltern von meinem Papa, Rosmarie und Emil, wohnen im
gleichen Dorf wie wir. Die Grosseltern mütterlicherseits, Dora
und Arthur, leben nur 15 Minuten von uns entfernt. Sie verwöhnten
meine Schwester und mich mit so feinen Sachen wie
Hörnli mit Ghacktem, unserem damaligen Lieblingsessen. Mit
Dora und Arthur sind wir jedes Jahr vor Weihnachten nach Bern
gefahren und haben dort ein Weihnachtstheater besucht. Im
Frühling sind wir zum Aprilglocken-Pflücken in den Jura gereist.
Daran kann ich mich gut erinnern.
Wo wir so darüber reden, wird mir bewusst: Ich habe tatsächlich
mega viele Erinnerungen, die ich mit meinen Grosseltern
DOMINIC STRICKER (21) aus Grosshöchstetten (BE) ist ein
Schweizer Tennisspieler (ATP 90). Sein Debüt auf der Profi-Tour
hatte er 2021 in Genf, wo er es bis in die Achtelfinals schaffte.
Seinen grössten Erfolg feierte Stricker bei den US Open 2023,
als er in den ersten drei Runden unter anderem sogar gegen
den Weltranglistensiebten Stefanos Tsitsipas gewann, wodurch
er als Qualifikant erstmals in das Achtelfinale eines Grand-
Slam-Turniers einzog und die Top 100 der Weltrangliste erreichte.
In die Herzen des Publikums spielte er sich auch mit seinem
Pausenauftritt. Vor dem Seitenwechsel sang Stricker fröhlich
zur Stadionmusik mit: «I Wanna Dance with Somebody».
Fotos: Privat
# 06 ~ 2023
7
Ein enges Verhältnis:
Dominic und seine
Schwester Michèle
mit Grosi Rosmarie
auf dem Markt (linke Seite).
Arthur und Dora Bönzli,
Dominic, Rosmarie und Emil
Stricker (v. l.) an Dominics
Konfirmation 2018 (unten).
Emil hat Dominic und seine
Schwester Zielstrebigkeit
gelehrt (oben und oben links).
verbinde. Bis heute habe ich ein schönes Verhältnis zu allen.
Als ich es beim US Open bis in die Achtelfinals schaffte, sind
die Grosseltern in der Schweiz bei jedem Spiel wach geblieben.
Und das wird ja mit der Zeitumstellung
jeweils recht spät beziehungsweise
früh. Sie schauen alle Übertragungen
meiner Spiele und ich glaube, sie halten
es nervlich recht gut aus, auch wenn sie
natürlich mitfiebern. Ausser Grosi Rosmarie:
Sie ist jeweils sehr nervös. Aber
sie verfolgt trotzdem immer den ganzen
Match. Während des US Opens wurden
meine Grosseltern auf der Strasse angesprochen
und zu meinem Erfolg beglückwünscht.
Da waren sie sehr stolz.
An die nationalen Turniere, an denen ich
als Kind teilgenommen habe, begleiteten
mich meine Grosseltern oft. Ich habe sie
damals mehrmals pro Woche gesehen.
Aber mittlerweile ist es schwieriger geworden, sie regelmässig
zu sehen. Ich bin überall auf der Welt unterwegs und an die
Als ich es beim
US Open bis in die
Achtelfinals
schaffte, sind die
Grosseltern in
der Schweiz bei
jedem Spiel wach
geblieben.
internationalen Turniere kommen sie nicht mehr mit. Kürzlich
aber, bei einem Zwischenhalt in der Schweiz, sind sie zu Besuch
gekommen. Das war sehr schön. Mir ist es wirklich wichtig,
mit ihnen in Kontakt zu bleiben, und so
schreiben wir einander viele Nachrichten
übers Handy.
Meine Zielstrebigkeit habe ich vermutlich
von meinen Grosseltern väterlicherseits
geerbt. Sie haben ein eigenes
Geschäft geführt, haben sehr hart gearbeitet
von früh bis spät. Grosi hatte zudem
einen Marktstand mit Früchten und
Gemüse in Thun. Meine Schwester und
ich sind oft zur Unterstützung mit zum
Markt gefahren. Das hat uns gefallen.
Von meinen Grosseltern mütterlicherseits
habe ich die Geduld mitbekommen.
Sowohl Zielstrebigkeit als auch Geduld
sind sehr wertvolle Charaktereigenschaften
für meine Tenniskarriere. So habe ich ihnen auch in
diesem Bereich viel zu verdanken.
•
# 06 ~ 2023
8
~ Magazin ~
SAMMELSURIUM
~ Aufruf ~
KLEINE
KÜNSTLER
GANZ GROSS
Dieser Aufruf richtet sich
eigentlich an Ihre Kinder.
Also reissen Sie ihn
getrost raus und geben
Sie ihn weiter.
Für den Grosselterntag 2024 – im Jubiläumsjahr
vom Grosseltern-Magazin – konnten wir
einen der ganz Grossen der Schweizer Kindermusikszene
für eine Zusammenarbeit gewinnen:
Andrew Bond. Der Musiker («Zimetschtern han i
gern») vertonte die Wertschätzung und Dankbarkeit,
die wir allen engagierten Grosseltern
gegenüber empfinden. Das Resultat: Ein berührendes
Lied für alle Grosseltern, das rund um
den Grosselterntag im März 2024 erstmals zu
hören sein wird.
Für das Video zum Lied sind wir nun auf die Hilfe
von zahlreichen Enkelkindern angewiesen.
Fragen Sie Ihr Kind, ob es ein Plakat, eine Zeichnung,
eine Bastelei für die Grosseltern anfertigen
will. Darauf soll in Wort oder Zeichnung die
Dankbarkeit den Grosseltern gegenüber oder
deren Grossartigkeit zum Ausdruck kommen.
Gerne darf auch mit den jeweiligen Namen, die
die Kinder für die Grosseltern haben, gespielt
werden, wie Nani, Nonno, Oma, Grosspapi etc.
Fotografieren Sie das fertige Bild ab und
schicken Sie das Foto an
redaktion@grosseltern-magazin.ch oder per
Whatsapp an: 076 394 23 26
Eine Auswahl der Bilder schafft es ins Video.
Die Fotos werden ohne Absender gezeigt.
Das Video wird öffentlich zu sehen sein.
Wir freuen uns auf ganz viele farbige,
herzliche Kunstwerke.
# 06 ~ 2023
9
~ Kindermund ~
HERZIG !
Nachdem unser 4-jähriger Enkel
seine Haare kämmte und ich ihm sagte, das sehe
aber überhaupt nicht herzig – also hübsch – aus,
meinte er: Omi, ich will nicht herzig aussehen,
ich will cool aussehen.
Von Irène Schneider
Was hat Ihr Enkelkind Lustiges gesagt?
redaktion@grosseltern-magazin.ch
~ Aktuell ~
IM STUDIUM
FORSCHUNGSORIENTIERT,
NIEDERSCHWELLIG,
UNABHÄNGIG UND INNOVATIV:
Die Senioren-Universität Zürich UZH3 richtet sich
an Menschen 60+, unabhängig von ihrer
schulischen oder beruflichen Vorbildung. Die Vorlesungen
finden als Präsenzveranstaltungen
an der Universität Zürich Irchel statt und werden
exklusiv für Mitglieder auch per Livestream
übertragen. Solange Plätze vorhanden sind, können
interessierte Nicht-Mitglieder an der Kasse vor
dem Hörsaal einen Einzeleintritt erwerben. ~CAP
AUS DEM VORLESUNGSPROGRAMM
Das Vorlesungsprogramm, Informationen zu
den Sonderveranstaltungen und zur
Anmeldung finden Sie auf: seniorenuni.uzh.ch
~ Wie uns unsere Enkel nennen ~
GROSSER
VATI
DONNERSTAG, 12. DEZEMBER
Lebenserwartung im Zoo
und im natürlichen Habitat
Prof. Dr. Marcus Clauss, Klinik für Zoo-,
Heim- und Wildtiere, Vetsuisse-Fakultät, UZH
Universität Zürich-Irchel
14.15–15.45 Uhr
Ich bin der «grosse Vati»,
seit mich unser zweites Grosskind Jan
so genannt hat.
Von Samuel Geissbühler
Es gibt die Senioren-Universitäten in
verschiedenen Kantonen/ Regionen, die ganz
unterschiedlich organisiert sind.
Infos zum Dachverband der Senioren-Universitäten:
uni-3.ch/de
Wie werden Sie von Ihren Enkelkindern genannt?
redaktion@grosseltern-magazin.ch
# 06 ~ 2023
10
~ Magazin ~
SAMMELSURIUM
~ Ausser Gebrauch ~
KÄLTE
EN BLOQUE
Er stammt aus einer – zumindest für
die junge Generation – verflossenen
Welt. Wobei «verflossen» gerade
nicht passt: Es handelt sich um einen
Eiskasten, wie er mit Beginn des
20. Jahrhunderts in Schweizer Haushalten
aufkam. Der im oberen Teil
eingelegte Eisblock sorgte dafür, dass
die nach unten abstrahlende Kälte
den Inhalt des Holzschrankes kühlte.
Die Eisblöcke wurden während des
Winters in eigens angelegten flachen
Eisweihern gewonnen oder ganzjährig
in Eisfabriken erzeugt. Die Basler
Eisfabrik beim Bahnhof bestand sogar
bis 1993. Zunächst wurden diese
Eisblöcke in grosser Zahl an die Bier-
brauereien geliefert, die später auch
private Haushalte damit versorgten.
© Historisches Museum Basel, Foto: Andreas Niemz
Ein Schränkli, um die
Kinderbücher zu versorgen?
Ein Tablet mit trübem
Bildschirm? Welche Ideen
kommen Ihrem Enkelkind
wohl noch, wenn es diesen
Gegenstand betrachtet?
Spannend aus heutiger Sicht:
Die ersten Modelle elektrischer Kühlschränke
konnten sich lange nicht
durchsetzen. Neben den hohen Kosten
für die Anschaffung war es auch die
unsichere Stromsituation während des
Krieges, die den Übergang zu modernen
Geräten verzögerte. Erst mit
der stabileren Stromversorgung in den
1950er-Jahren wurden die Elektrokühlschränke
beliebter, und die mit
Blockeis gekühlten Kästen verschwanden
aus den Küchen. Heute ist Stromsparen
wieder angesagt – aber das
Kultivieren von Eisweihern leider wegen
der Klimaerwärmung unmöglich.
Solche Alltagsobjekte von früher, die
heute weitgehend aus den Haushalten
verschwunden sind, zeigt das Buch
«Ausser Gebrauch – Alltag im Wandel»
(Christoph Merian Verlag, 2023). ~AMO
~ Gewusst? ~
EIN
BLAU-
WAL-
HERZ
IST SO
GROSS
WIE
EIN
KLEINES
AUTO.
EIN
MENSCH
KÖNNTE
DARIN
BADEN.
# 06 ~ 2023
11
~ Aktuell ~
WELTREKORD
Am 29. Oktober 2022
schreibt die über
130-jährige Rhätische
Bahn Geschichte:
Die Privatbahn aus der
Schweiz fährt den
längsten Personenzug
der Welt. 1,91 Kilometer
ist er lang, zusammengesetzt
aus 25 mal 4
Wagen, gesteuert
von sieben Lokführern.
Die Geschichte dahinter
gibts nun in einem Buch:
Foto:© Philipp Schmidli
Der längste Reisezug der Welt,
Reto Wilhelm, Somedia Buchverlag,
2023. 240 Seiten,
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# 06 ~ 2023
12
~ Magazin ~
SAMMELSURIUM
~ Juli meint ~
KI ?
«Künstliche Intelligenz, oder KI, ist für mich als
Schülerin faszinierend. Sie hilft, komplexe Probleme zu
lösen, und beeinflusst unseren Alltag. Ob personalisierte
Empfehlungen, automatische Rechtschreibprüfung
oder Chatbots, KI macht unser Leben bequemer. Ich
sehe auch grosses Potenzial in der Bildung. Natürlich
müssen wir uns auch mit Datenschutz und Ethik auseinandersetzen.
Insgesamt finde ich KI aufregend und
bin gespannt auf ihre Zukunft.»
«Schreib über künstliche Intelligenz aus der Sicht
einer Schülerin.» Das habe ich bei Chat-GPT eingegeben,
und der obige kleine Text wurde mir geschrieben.
Faszinierend.
aus dem Leben
einer 16-Jährigen
Besonders in letzter Zeit wurde KI zu einem grossen
Thema, deshalb ist es an der Zeit, darüber zu schreiben.
Chat-GPT ist ein Computerprogramm, mit dem man
sich jederzeit unterhalten kann und das Antworten auf
so ziemlich alles hat. Es basiert auf künstlicher Intelligenz.
Künstliche Intelligenz ist nicht wirklich neu. Sie erleichtert
uns schon länger in verschiedensten Arten das
Leben. Haben Sie schon einmal ein Produkt im Internet
gesucht und kurz darauf kam eine Werbung für genau
dieses Produkt? Oder wurde Ihre Rechtschreibung auf
dem Handy schon einmal automatisch korrigiert? Diese
Funktionen basieren auch auf künstlicher Intelligenz.
Chat-GPT ist noch nicht so lange in Gebrauch, doch
an meiner Schule ist es schon sehr beliebt. Es ist zugegebenermassen
auch wirklich praktisch. Es ersetzt
ewiges Recherchieren im Internet nach Informationen.
Man stellt eine konkrete Frage, und gleich darauf hat
man eine differenzierte Antwort. Besonders für Schüler:innen
ist das natürlich extrem bequem.
Aber in welchem Masse ist dieses Programm noch
unterstützend? Ich finde nämlich, es hat durchaus auch
eine beunruhigende und etwas gruslige Seite. Ich weiss
gar nicht, woher Chat-GPT diese Informationen nimmt.
Ich vertraue einfach darauf, dass sie richtig sind. Und
ich merke jetzt schon, wie ich, anstatt eine Sekunde länger
nachzudenken, auf dieses Programm zurückgreife,
das immer da ist und uns das Denken schlichtweg abnimmt.
Das kann gefährlich werden.
Im Allgemeinen finde ich es sehr wichtig, dass alle,
die mit künstlicher Intelligenz in Kontakt kommen, über
die Gefahren sowie die Vorteile davon informiert werden.
An meiner Schule war das noch nicht wirklich der
Fall, aber ich hoffe sehr darauf.
Wie der Roboter schon für mich gesagt hat: Ich finde
KI sehr faszinierend und bin gespannt, was sich in
Zukunft daraus entwickelt.
•
Juli ist Schülerin an der Kantonsschule Wettingen (AG).
~ Über uns ~
GRATULATION
Es freut uns sehr, das Maeva Rubli an der 29. Biennale
der Illustrationen BIB in Bratislava den Preis
«Goldener Apfel» gewonnen hat. Die Schweizer Künstlerin
hat fürs Grosseltern-Magazin das vielbeachtete
Dossier «Wenn Kindern trauern» illustriert.
Herzliche Gratulation!
grosseltern-magazin.ch/
dossier-wenn-kinder-trauern/
# 06 ~ 2023
13
~ ADHS ~
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1911
Schenken Sie
grosse Freude mit
unseren neuen
Geschenkkarten.
ADHS ist eine Diagnose, die mittlerweile einigen Kindern gestellt
wird. Vielleicht auch dem eigenen Enkel. Das Kinderbuch «Robin Ruhelos»
holt diese Kinder – und alle anderen – sofort ab. Es unterstützt aber
auch die Erwachsenen dabei, die neurodivergenten Perspektiven von betroffenen
Menschen besser zu verstehen. Das lebendig illustrierte
und liebevoll erzählte Buch handelt von einem Jungen im ADHS-Spektrum.
Robin heisst er, er ist acht Jahre alt. Und er kommt einfach nicht
zur Ruhe. In seinem Kopf ist zu viel los. Wie soll er sich all die Dinge merken,
die von ihm verlangt werden? Dabei will er ja alles richtig
machen. Als er sein Hausaufgabenblatt nicht findet, kehrt er am Abend zur
Schule zurück. Doof nur, dass die schon verschlossen ist. Bis auf
ein offenstehendes Fenster. Die Polizei kommt, Robin haut ab. Und je mehr
schiefgeht, desto lauter werden die Stimmen in seinem Kopf. Als
er am liebsten für immer verschwinden würde, findet er in der grössten
Werkstatt der Welt eine Insel der Ruhe. Ein Film zu ADHS bei
Erwachsenen und im Speziellen zum Buch: nzz.ch/panorama/erwachsenemit-adhs-vorteil-oder-stoerung-ld.1759116
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Robin Ruhelos.
Noëmi Sacher,
Ruedi Ernst (Text),
Tanja Stephani (Illustration)
Kwasi Verlage 2023,
24 Franken. Ab 6 Jahren
# 06 ~ 2023
14
~ Enkelzimmer ~
FINDE
DIE UNTERSCHIEDE
~ Jugendsprache ~
HEY BRO
Und wie sieht es bei Ihnen aus, wenn die Enkel
bei Ihnen sind? Welche Spielsachen liegen
herum? Wir haben aus dem bunten
Durcheinander ein Suchspiel gemacht:
Auf den zwei Fotos von Henri und Nia, das uns
Grossmutter Käthi Zürcher eingeschickt hat,
gibts fünf Unterschiede. ~CAP
«Ey, du hast voll was verpasst, digger! Lisa und ich
waren an Halloween in diesem creepy Quartier.»
«Oha!»
«Ja, wir sind in ein Haus, es war gefühlt
eine Villa. Ein Mädchen hat uns reingelassen.
Dort stand so eine alte Frau, voll cringe!»
«Und dann?»
«Das Mädchen hat uns was gegeben und dann
die Oma so: Mach mal das Licht aus und
die Türe zu!»
«OK?»
«Lisa ist aus dem Haus gerannt, das war ihr
zu creepy! Ich so: Alter, chill! Sie rannte einfach
weg. Ich stand so da: OK, dann gehen wir halt.»
«Bro, ich wollte auch da sein!»
«Safe! Komm nächstes Mal mit!»
WORT
UMGANGSSPRACHE
ÜBERSETZUNG
digger
(digga)
Anrede
creepy
gruselig, komisch
Foto: Privat
cringe
Alter
komisch, peinlich
Anrede
chill
entspann dich
safe
sicher, naürlich
Zeigen Sie uns Ihr buntes Spielchaos?
Machen Sie mit und gestalten Sie mit Ihren
Enkeln zusammen zwei Bilder, die bis auf
fünf Unterschiede gleich sind.
redaktion@grosseltern-magazin.ch.
Bro
Anrede für Kollege
Text und Glossar von Anna Sophia Gigliotti.
Die 11-jährige Schülerin aus Baden hat einen Tag
lang auf der Redaktion mitgearbeitet.
# 06 ~ 2023
~ Magazin ~
SAMMELSURIUM
15
~ Filmtipp ~
BEI SICH
Ein Schweizer Dokfilm begleitet fünf Senioren bei ihren
Schritten ins Ungewisse: Während 18 Monaten nehmen diese
nämlich an einem Training teil, das auf Achtsamkeit und
Altruismus basiert und für eine Studie gemessen wird. Das
Ziel ist, die Auswirkungen von Meditation aufs Altern zu
evaluieren. Die fünf Protagonistinnen und Protagonisten sind
zwischen 67 und 76 Jahre alt und stammen aus verschiedenen
soziokulturellen Hintergründen. Der Film erzählt ihre
persönliche Reise und spiegelt diese mit der wissenschaftlichen
Objektivität und den Herausforderungen eines guten
Alterns in unserer Gesellschaft. Immer länger leben – ja, aber
wie? Über das Abenteuer dieser Senioren hinaus zeigt der
Film Meditation als eine Möglichkeit, sich mit sich selbst und
seiner Umgebung zu verbinden. Er erhellt die Gegebenheiten
dieses Weges mit Stolpersteinen, Momenten des Zweifelns,
der Dankbarkeit, der Freude und manchmal der Befreiung.
GOLDEN SENIORS
Regie: François Kohler, CH 2022,
ab 7. Dezember im Kino.
Die Silver Health-Studie misst die Auswirkungen von Sprachenlernen
und Meditation auf die Gesundheit und das Wohlbefinden
älterer Erwachsener. Sie wurde durch den europäischen
Forschungsfonds Horizon 2020 finanziert und wird von
einem Konsortium aus sechs Ländern geleitet, an dem auch
die Universität Genf beteiligt ist. ~PD
Foto: © 2022 Prosa Film
Anzeige
# 06 ~ 2023
17.11.23–7.1.24
16
~ Aktuell ~
DER BÜCHERTISCH
Als Redaktion bekommen wir oft Bücher zugeschickt.
Manche davon unaufgefordert. Wir können
sie nicht alle berücksichtigen, aber einfach
ignorieren wollen wir sie auch nicht. Deshalb wollen
wir solche Bücher weiterverschenken und bieten
sie in unregelmässigen Abständen hier an. Hätten
Sie gern eines? Dann schreiben Sie uns Ihren
Wunsch und wir schicken es Ihnen kostenlos zu.
UFERLOS
In diesem Buch schreiben Schweizer
Fährleute Geschichte – darunter auch
Grosseltern. Sie erzählen von ihrer Liebe
zum Wasser, von Stromschnellen, die sie
umschiffen mussten, und davon, was
das Rauschen des Flusses sie gelehrt hat.
«Uferlos» ist der fünfte Porträtband der
Autorin und Journalistin Daniela Schwegler.
Der sechste erscheint 2024: Von den
Flüssen geht’s auf grüne Wiesen und zum
Waldrand, mit Porträts von Menschen,
die ihr Leben den Wildkräutern widmen.
BERTA
Dieses Buch liest man mit einer Mischung
aus Rührung und Entsetzen.
Rührung über die poetisch-schlichten
Sätze, die eine Enkelin für ihre 1884 geborene
Grossmutter findet: «Berta machte
die längsten Apfelhautschlangen der Welt.
Sie strickte mir dicke Strumpfhosen. Wenn
sie sich ärgerte, rief sie ‹verfluemeret!›
oder ‹jetz herkulari!›. Und immer war sie
es, die beim Eile-mit-Weile-Spiel gewann.»
Entsetzen über den Alltag und die Rechtlosigkeit,
die viele Mädchen und junge
Frauen im frühen 20. Jahrhundert erlebten
– als Verdingkinder, Dienstmädchen oder
Ausgebürgerte.
Den Herausgeberinnen ist wichtig, dass
auch kommende Generationen dieses
Stück Schweizer Geschichte kennen, dass
diese Kinderschicksale nicht in Vergessenheit
geraten.
Oder wie es über Berta heisst: «Hat sie
jemand getröstet? Hat sie jemand den Ruf
des Kuckucks gelehrt? Hat jemand mit ihr
Buchstaben entziffert, Lieder gesungen,
Sterne gezählt?»
BERTA von Béatrice Gysin,
Bettina Wohlfender, Mirjam
Janett, Edition Clandestin, 2023.
Sie möchten eines der Bücher?
Schreiben Sie uns mit
Angabe Ihrer Adresse an
redaktion@grosseltern-magazin.ch
Uferlos von Daniela Schwegler
und Ephraim Bieri (Fotos),
AS Verlag, 2022.
MEIN GROSSES BUCH DER
SCHWEIZER SAGEN UND LEGENDEN
Es ist tatsächlich sehr gross, dieses Buch.
Und bildmässig eine Wucht: Die Illustrationen
geben die Erhabenheit der Landschaft
und die Schönheit der Elemente eindrücklich
wieder, können allerdings für kleinere
Kinder etwas furchteinflössend sein. «Es
waren einmal Männer und Frauen» lautet
der Untertitel des Sagenbuchs, und
so lesen wir hier nicht von Fabelwesen,
sondern von Menschen, die fantastische
Situationen durchleben und die Verbindung
mit dem Magischen pflegen.
Mein grosses Buch der Schweizer
Sagen und Legenden von
Denis Kormann, Helvetiq, 2023.
DUFTENDE ERINNERUNGEN
Kein anderer Sinn berührt uns so emotional
und unwillkürlich wie der Geruchssinn.
Schon der geringste Duft reicht aus,
um zu vergessen geglaubten Erlebnissen
zurückzukehren. Der Grossvater mit seinem
penetranten Tigerbalsam, die Mutter
mit ihrer Seife, der Duft der weiten Welt
im VW Käfer: Hier erzählen Menschen von
ihren Dufterinnerungen, und die Berner
Parfumeurin Brigitte Witschi rückt Gerüche
in ihren historischen oder kulturellen
Kontext.
Duftende Erinnerungen
von Brigitte Witschi,
Buchverlag Lokwort, 2023.
# 06 ~ 2023
~ Magazin ~
SAMMELSURIUM
17
~ Zitat ~
«WIR GEHEN MIT
DEN ENKELN GERNE
IN DIE BERGE.
INS APPENZELLER-
LAND ODER NACH
VALBELLA.»
~ Zahl ~
82 371
Kinder kamen 2022 in der
Schweiz lebend zur Welt.
Im Vergleich dazu:
Im Jahr 2021 waren es
89 644 Babys.
ROBERT FEDERER,
Vater von Roger Federer und Grossvater von drei
Zwillingspaaren auf schweizer-illustrierte.ch.
Er habe Spass an der Aufgabe als Grossvater,
und die Zeit mit den Enkeln sei für ihn «das Wichtigste».
Quelle: bfs.admin.ch
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# 06 ~ 2023
18
~ Magazin ~
SAMMELSURIUM
« 80 FREIWILLIGE BETREIBEN UNSER
MUSEUM – DAS IST EINZIGARTIG »
~ Engagiert ~
WER
Frank Geser (73) aus Tann-Dürnten (ZH),
zwei Enkelkinder
WOFÜR
Museum Neuthal
FUNKTION
Führungen und Projekte im Museum
Mein
FREIWILLIGES
ENGAGEMENT
«In mein Engagement für das Museum Neuthal
bin ich kurz vor der Pensionierung ‹reingerutscht›.
Ich war in der Textilindustrie tätig,
aber nicht an Maschinen, sondern im Vertrieb,
Bewirtschaftung und der Entwicklung von Garnen
und Geweben. Für ein Ausstellungsprojekt benötigte
das Museum speziellen Stoff; so stiess ich dazu.
Der alte Fabrikbetrieb mit Weberei und Spinnerei
wurde 1962 stillgelegt. Inzwischen hat das Neuthal
eine fast 30-jährige Geschichte als Museum für
Textil- und Industriekultur. Einzigartig ist, dass etwa
80 Freiwillige dieses hauptsächlich betreiben. Ihre
Kernaufgabe ist das Instandhalten der Maschinen,
damit man sie im Betrieb zeigen kann, und die Vermittlung
an Besucher:innen. Vor drei Jahren kam
eine professionelle Leiterin hinzu – und heute sind
wir mittendrin, das Museum weiterzuentwickeln.
Wir wollen mehr über die Wirtschafts- und Sozialgeschichte
erzählen. Ich finde das unglaublich
spannend. Etwa die Frage nach den Warenströmen,
wie die Baumwolle in die Schweiz kam, oder
die heute so aktuelle Frage der Nachhaltigkeit: Die
Textilindus trie war immer sehr ressourcenintensiv.
Seit diesem Jahr bieten wir auch Schulführungen für
Klassen der 5./6. Primar- sowie Oberstufe an. Meist
sind die Kinder eine Stunde lang selbst tätig beim
Handspinnen, -weben und -sticken; eine weitere
Stunde erleben sie laufende Maschinen und lernen
die Prozesse kennen. Viele sind überaus fasziniert.
Wir versuchen ihnen aber auch zu vermitteln, wie
monoton die Arbeit in der Fabrik für die allermeisten
Arbeiterinnen und Arbeiter früher war. Viele davon
waren übrigens Kinder.
Als die Spinnerei Neuthal 1827 gegründet wurde,
gab es noch kein Fabrikgesetz. Der Fabrikherr hatte
jede Freiheit zu sagen, wie lange die Leute arbeiten
mussten. Weil die Heimindustrie nicht mehr
genügend Arbeit bot, waren die Familien auf die
Verdienstmöglichkeit in der Fabrik angewiesen.
Für die Kinder bedeutete das: 12 bis 14 Stunden am
Tag Maschinen überwachen, gerissenes Garn wieder
andrehen oder Faden in Ösen einfädeln.
Von Mai bis Oktober ist das Museum jeden Sonntag
geöffnet, Gruppenführungen werden ganzjährig
angeboten. Wir arbeiten laufend an Projekten und
der Museumsentwicklung. Zum Beispiel gehen wir
gezielt auf geeignete Firmen zu, um Mitarbeitende,
die kurz vor der Pensionierung stehen, als neue
Freiwillige zu gewinnen. Alle, die Interesse für Industriekultur,
Sozial- und Wirtschaftsgeschichte
mitbringen, finden bei uns einen Platz.
Zum Saisonabschluss war ich mit meiner 7-jährigen
Enkelin an einem Geschichtennachmittag im
Museum. Für sie und ihren 11-jährigen Cousin bin
ich aber nicht nur identifiziert mit dem Neuthal. Ich
singe auch in einem Chor, schwimme mit ihnen oder
fahre Ski. Durch solche Engagements sehen die Kinder:
Man ist noch da.» ~AMO
•
industriekultur-neuthal.ch
Wofür engagieren Sie sich freiwillig?
Wir freuen uns über Ihre Zuschrift. redaktion@grosseltern-magazin.ch
# 06 ~ 2023
~ Magazin ~
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Die «Schweizer Familie» bringt Ihnen immer wieder aufs Neue
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# 06 ~ 2023
20
~ Magazin ~
SAMMELSURIUM
~ Saison ~
MIT DEN ENKELN
DURCHS
GARTENJAHR
Blühende Zweige im Winter
SARAH FASOLIN (Text), IRENE MEIER (Illustration)
Im Winter ruht die Natur. Doch sie ist bereits parat für den
nächsten Frühling, für ein neues Erwachen und Gedeihen.
Mit einem Blütenzweig kann dies Kindern besonders
eindrucksvoll gezeigt werden. Dazu werden von den derzeit
kahlen Bäumen ein paar Zweige abgeschnitten und in der
warmen Stube in eine Vase mit lauwarmem Wasser gestellt.
Nach rund drei Wochen öffnen sich die Knospen und
die Blüte entfaltet sich. Es eignen sich Zweige von Kirschen,
Pfirsichen, Pflaumen, Zwetschgen oder Weichseln.
Es klappt aber auch mit Forsythie oder anderen Ziergehölzen.
Besonders gut funktioniert es, wenn der Baum vor
dem Schnitt mindestens einmal Frost erlebt hat – dann ist
er auf Winter eingestellt und treibt bei Wärme, die er für
den Frühling hält, seiner Natur gemäss wieder aus. Diese
winterlichen Blütenzweige werden auch «Barbarazweige»
genannt. Am Tag der heiligen Barbara am 4. Dezember
geschnitten, sollte der Zweig an Weihnachten blühen.
~ Über uns ~
UP TO DATE
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# 06 ~ 2023
21
~ Aktuell ~
SOCIAL
MEDIA
PERLEN
Das Grosseltern-Magazin
ist auf Facebook,
Twitter, LinkedIn und
Instagram – einerseits,
um Geschichten, Ideen
und Fragen mit unseren
Followern zu teilen.
Andererseits aber auch
zur Inspiration. In loser
Folge wollen wir hier
kleine Sachen zeigen,
die uns aufgefallen sind
und uns vielleicht auch
kurz erfreut haben.
Foto: ©Harrysding
Und weil wir gerade
dabei sind: Wir freuen
uns, wenn Sie uns
auf Instagram,
Facebook & Co. folgen.
~ Aktuell ~
HOBBYS
MACHEN
ZUFRIEDEN
Wer im Alter eines oder mehrere Hobbys
pflegt, beugt Depressionen vor.
Zu diesem Ergebnis kommt eine breit angelegte
Studie des University College London.
Unter den 93000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern
aus 16 Ländern, darunter auch der
Schweiz, zeigten diejenigen, die eines oder mehrere
Hobbys ausübten, mehr Lebenszufrieden-
heit und weniger Depressionen. Die Mit-
wirkenden waren zwischen 72 und
76 Jahre alt, und der Zusammenhang zwischen
Hobbys und Lebenszufriedenheit zeigte
sich unabhängig von Einkommen oder Partnerschaft.
Ob auch Enkelkinder zu den
Hobbys zählen? ~PD
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# 06 ~ 2023
Unterstützt von:
22
~ Magazin ~
ANDERSWO
« Wenn man
helfen kann,
dann hilft man »
Joy und Joseph leben mit fünf Grossund
acht Pflegekindern zusammen.
Unterstützt werden sie von der ganzen
Familie. In Uganda kommt es häufig
vor, dass Kinder so aufwachsen.
Der Name ist Programm: Joy Kulabako freut sich
über den Besuch von Sybil Müller, Vorstandsmitglied
des Vreins «Let the children Uganda»
JINJA
KAMPALA
# 06 ~ 2023
23
Von MELANIE BÄR (Text und Foto)
Ei, ei, ei, ei, ei», ruft Joy Kulabako und rennt auf die Gäste
zu. Ehe sie sich's versehen, werden sie von der 59-Jährigen
umarmt. Es scheint, als wäre ihr Name Programm.
Egal, ob die Besucher Familienmitglieder, Freund:innen oder
wie heute Gäste aus der Schweiz sind, alle werden von ihr mit
dem typisch ugandischen Freudentanz empfangen. «Sie war
schon immer so fröhlich, auch als wir noch in Armut lebten»,
sagt ihr Sohn Kizza E. Godfrey. Zusammen mit ihnen und vier
Geschwistern ist der 39-Jährige in den Slums in Mbikko aufgewachsen,
nahe der Stadt Jinja im Südosten Ugandas.
Bis vor drei Jahren wohnte Joy mit ihrem Mann Joseph Orach,
ihrer jüngsten Tochter und sieben Gross- und Pflegekindern in
einem kleinen Einzimmer-Häuschen, das nicht mal 20 Quadratmeter
gross war. Mittlerweile leben sie ein paar Kilometer
entfernt in einem Fünf-Zimmer-Haus mit grossem Garten. Der
Aargauer Verein «Let the children Uganda», der in Zusammenarbeit
mit Godfrey und anderen einheimischen Helfern vor Ort
armutsbetroffene Kinder und Familien unterstützt, hatte vor
vier Jahren in der Schweiz den Sponsorenlauf «Run for Joy»
organisiert und so 35 000 Franken eingenommen. Damit finanzierten
sie das Grundstück und das Haus, wo die Familie heute
lebt.
Kürzlich liessen sie im Kochhäuschen einen Herd bauen. Nun
muss Joy die Mahlzeiten nicht mehr gebückt am Boden auf dem
Feuer zubereiten. Schliesslich kocht sie nicht nur für sich und
ihren Mann, sondern auch für die 13 Kinder, die zurzeit bei
ihnen leben. Drei Generationen wohnen im Haus zusammen,
die zwischen zwei und 62 Jahre alt sind. Darunter auch fünf
der 16 Grosskinder.
In Uganda wachsen viele Kinder bei ihren Grosseltern auf.
Manchmal, weil die Mutter, die ein Kind bekommt, selbst noch
ein Kind ist. Manchmal, weil ein Elternteil alleinerziehend ist,
arbeiten muss oder seine Aufsichtspflicht vernachlässigt. Trotz
eigener Armut nahmen Joy und Joseph immer Kinder bei sich
auf. «Wenn man sieht, dass es einem Kind noch schlechter geht
und man helfen kann, dann hilft man», begründet Joseph, und
Joy fügt an: «Ich liebe die Gross- und Pflegekinder wie die eigenen
Kinder.»
Beim Besuch der Schweizer:innen, die sich ein Bild über das
Patenprogramm von «Let the children Uganda» machen wollen,
sind fast alle Kinder anwesend. Das ist unüblich. Seit der
Unterstützung durch den Schweizer Verein, der das Schulgeld
der Kinder bezahlt, können alle die Schule besuchen. Während
Joseph als Wächter in einem Unternehmen in der Nähe Schicht
arbeitet, ist Joy die Hausfrau. Ihre Aufgabe sei es, dafür zu ~
UGANDA
Fläche 241.037 km 2
Hauptstadt Kampala
Amtssprachen Suaheli, Englisch.
Staatsform autokratisch regierte
präsidentielle Republik.
Präsident Yoweri Kaguta Museveni (79).
Er hat das Amt seit 37 Jahren inne. 2017
schaffte Museveni per Verfassungsänderung
die Altersgrenze für Politiker ab.
Einwohner 47,2 Millionen. In Uganda
leben über 60 Völker, die jeweils
eigene Sprachen, Kulturen und Bräuche,
teilweise auch noch eigene Religionen
haben. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung,
insgesamt 60 %, sind Bantu.
Geografische Lage Grenzt an: Südsudan,
Kenia, Tansania, Ruanda und die Demokratische
Republik Kongo. Durch den Süden
des Landes verläuft der Äquator.
Export Hauptausfuhrgut ist Kaffee. Aber
auch Tee, Fisch, Bananen und Tabak
werden exportiert. Uganda gehört zu den
Goldexportländern. 2022 wurden weitere
grosse Goldvorkommen entdeckt. Ölfunde
am Albertsee deuten ebenfalls auf wachsende
Exporteinnahmen hin.
Wirtschaftliche Lage Uganda zählt
zu den ärmsten Ländern der Welt:
16 361 900 Menschen leben hier in absoluter
Armut, d.h. sie haben weniger als
2.15 US-Dollar pro Tag zum Leben.
Gesundheit und Hygiene Die Lebenserwartung
liegt bei 63,7 Jahren. Die Säuglingssterblichkeit
bei 4,4 Prozent und die
Kindersterblichkeit bei 5,9 Prozent.
56 Prozent der Bevölkerung haben Zugang
zu sauberem Trinkwasser, 41 Prozent zu
Sanitäreinrichtungen.
Umwelt und Tierwelt Vielfältige
Landschaften, die von den Gipfeln des
Ruwenzori-Gebirges zum Victoriasee, von
der Savanne bis zum Regenwald reichen.
Es gibt neun Nationalparks und sechs
Wildreservate, in denen u. a. Afrikanische
Büffel, Elefanten, Löwen, Antilopen, der
Kronenkranich (das Wappentier) und über
600 Vogelarten leben. Der Bwindi-Impenetrable-Nationalpark
dient den bedrohten
Berggorillas als Schutzgebiet und der
Murchison Falls National Park den seltenen
Uganda-Giraffen. Uganda hat das
Kyoto-Klimaschutzprotokoll und zahlreiche
andere Umwelt- und Naturschutzabkommen
unterzeichnet. ~CAP
# 06 ~ 2023
24
~ Magazin ~
ANDERSWO
Joy und Joseph wohnen mit ihren
Kindern und Enkeln im neuen Haus
sorgen, dass die Gross- und Pflegekinder gut genährt und gesund
sind und die Schule besuchen. «Unseren eigenen Kindern
konnten wir das nicht ermöglichen. Nur ein Sohn konnte dank
dem zusätzlichen Lohn eines der fünf Kinder die Schule besuchen»,
sagt das Ehepaar. Ansonsten sieht der Alltag als Grosseltern
ähnlich aus wie als Eltern. Statt Ausflüge zu unternehmen
oder zu spielen, helfen die Kinder beim Kochen, holen der
Grossmutter Wasser aus dem Brunnen im Garten oder beaufsichtigen
die Schweine und Hühner, die auf dem Grundstück
leben und der Sicherung der Nahrung dienen.
Die Energie sei nicht mehr gleich gross wie bei den eigenen Kindern,
sagt Joseph. Sohn Kizza, der den beiden beim Erzählen
zuhört, nickt und lacht. «Du warst bei uns viel strenger.» Das sei
nötig, damit die Kinder trotz Armut nicht auf die schiefe Bahn
geraten. Um die Grosseltern bei dieser Aufgabe zu unterstützen,
kommen die Verwandten regelmässig zu Besuch. Und werden
von Joy mit einem Freudentanz begrüsst.
•
Melanie Bär ist Journalistin und mit dem Verein «Let the children
Uganda» nach Uganda gereist. Sie hat das Erlebte in Bildern,
Texten und Videos festgehalten.
tiktok.com/@humans_of_the_wor
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# 01 ~ 2023
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~ Magazin ~
LESERBRIEFE
25
# 05 / 2023
Grosseltern MAGAZIN
Grosseltern MAGAZIN
grosseltern-magazin.ch
Grosseltern
Kontaktabbruch
Wieso eine erwachsene Frau den Kontakt
zu ihren Eltern abbricht. S. 26
# 05 / 2023
Das Magazin über das Leben mit Enkelkindern
Auf gehts ...
. in einen farbigen Herbst: Mit Strickmuster
und Ideen fürs Draussensein. S. 72
Dossier
KÖRPER-
GEFÜHL
ab Seite 50
Wie wohnen?
Drei Grosselternpaare ste len
ihre speziele Wohnform vor. S. 34/40
THEMENINPUT
Ich bin neuere Abonnentin. Die Ausgabe 05/23 gefällt
mir sehr gut. Ganz herzlichen Dank! Was ich mich im
Zusammenhang mit dem Dossier gefragt habe: Wäre
es möglich, ein Dossier zum Thema religiöse Werte und
deren Vermittlung zusammenzustellen? Darin könnte es
unter anderem darum gehen, inwieweit Grosseltern ihre
religiösen Überzeugungen dem Grosskind vermitteln
sollen und in welchem Mass. Natürlich immer in Absprache
mit den Eltern der Kinder. Vielleicht könnte man im
Vorfeld auch Inputs aus der Leserschaft einholen. Das
wäre sicherlich interessant.
E. L.
Die Meinung
der Leserinnen
und Leser
SO VIEL NÜTZLICHES
Unsere Enkel sind älter geworden und wir brauchen das
Magazin nicht mehr. Es war uns durch viele Jahre ein guter
Begleiter. (Ich habe zuerst viele Jahre von meiner Freundin
das Grosselternheft ausgeliehen). Die vielen guten Fragen
und fundierten Antworten haben wir immer gerne gelesen
und vieles mitgenommen für den Alltag. Wir konnten viele
schöne Ausflüge unternehmen nach den Vorschlägen und
viele Bücher einkaufen oder ausleihen. Die Basteleien und
Handarbeitsvorschläge waren auch immer sehr gut. Wir
wünschen dem Team weiterhin viel Erfolg.
Leena Werder
HERZLICHEN DANK
Heute Morgen bekam ich einen Telefonanruf unserer Enkelin
Elin. Ganz aufgeregt erzählte sie: «Nona, ich ha ganz viel
Filzstift gwunne! Weisch vo dim Heftli, wo du mitbringsch,
wenn du üs am Fritig hüetisch. Ich bi so en Glückspilz!»
Herzlichen Dank für das Geschenk und Ihre persönliche
Karte an Elin! Sie sehen, bereits die übernächste Generation
schätzt Ihre Zeitschrift!
Verena Schmidheiny
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KLASSIK FÜR
DIE GANZE FAMILIE
Staunende Augen und viel zu
erzählen – wir verbinden
Musik mit Geschichte für ein
gemeinsames Erlebnis.
Unsere nächsten Familienkonzerte:
So 10. Dez 2023
Weihnachtssingen
So 14. Jan 2024
Cinderella
So 24. Mrz 2024
Völlig losgelöst
So 02. Jun 2024
Tapferes Schneiderlein
Jeweils immer um 11.15 und 14.15 Uhr.
# 01 ~ 2023
tonhalle-orchester.ch/familien
26
~ Hintergrund ~
PENSION
Loslassen
und
weiterziehen
Von Freiheitsfreuden und
Abstellgleis-Albträumen:
Die Pension macht nicht
alle glücklich.
Zwei persönliche
Erzählungen und Tipps
vom Experten.
Von GERALDINE CAPAUL (Redaktion)
und HANSPETER BÄNI (Fotos)
Der Übergang in den Ruhestand ist ein bedeutender Moment, der mit gemischten
Gefühlen einhergeht. Während einige sich bereits auf die wohlverdiente Pension freuen,
sehen andere diesem neuen Lebenskapitel mit grosser Unsicherheit und Sorge
entgegen. Manche empfinden ihn als Ausschluss aus der Gesellschaft, andere freuen
sich auf viel Zeit, zum Beispiel mit den Enkelkindern. Wir lassen zwei Pensionierte
zu Wort kommen, die ihre persönliche Erfahrung teilen – eine etwas euphorischer,
der andere etwas kritischer.
Hanspeter Bäni (67),
Dokfilmer,
pensioniert seit 2021
«So beschäftigt wie im Moment war ich
schon lange nicht mehr. Im Sommer
habe ich meinen ersten Kinofilm herausgebracht
und ihn im Eigenvertrieb in
40 Kinos gebracht. Ich habe teilweise von
morgens um vier bis abends um zehn
gearbeitet. Und das, obwohl der Film
überhaupt erst mit meiner Pension seinen
Anfang nahm. Beziehungsweise mit dem
Verarbeiten meiner Pension. Während 21
Jahren war ich beim Schweizer Fernsehen
angestellt, die letzten Jahre auf der
Redaktion «Dok und Reporter», wo ich
zahlreiche Dokumentarfilme realisieren
konnte. Die Arbeit ist mir nie verleidet,
sie war vielmehr ein bezahltes Hobby.
Deshalb hatte ich Mühe mit der Aussicht
auf meine Pension. Es gibt Leute in meinem
Umfeld, die nach der Pensionierung
depressiv wurden oder zu viel Alkohol
getrunken haben – dabei freuten sie sich
sogar auf den neuen Lebensabschnitt.
Die letzten zwei bis drei Jahre meines
festen Berufslebens waren ein Wechselbad.
Einerseits freute ich mich darauf, aus
dieser Mühle rauszukommen. Zudem war
mir immer bewusst, dass man den Platz
für jüngere Leute räumen muss. Trotzdem:
Der Respekt vor einer Sinnkrise war
grösser. Die Pensionierung ist ein Schnitt.
Ein Teil deines sozialen Gefüges bricht
# 06 ~ 2023
~ Hintergrund ~
PENSION
27
Dem neuen Lebensabschnitt
entgegen: Hanspeter Bäni
und sein Freund auf ihrer
Fernwanderung.
Die Fotos in diesem Artikel
stammen aus dem Dokfilm
«Ihr könnt jetzt gehen».
weg – vielleicht ist das bei Männern auch
extremer als bei Frauen, weil Männer im
Privaten weniger vernetzt sind. Klar, ich
habe meine Familie und meine Freunde.
Aber ich habe für den Job gelebt. Es ist
ein grosser Lebensabschnitt, der zu Ende
geht. Man wird aus dem gesellschaftlichen
Leben rausgeschickt. Man fragt sich:
Werde ich überhaupt noch gebraucht?
Wie gehe ich mit dem Verlust des sozialen
Status um?
Ich brauchte eine Aufgabe. Irgendeine
Aufgabe. Also beschloss ich, eine Fernwanderung
bis zum nördlichsten Punkt
Deutschlands zu machen. 1300 Kilometer
zu Fuss. In meiner Verzweiflung
packte ich auch meine Kamera ein. Ein
Freund, der sich in der gleichen Situation
befand, hat mich begleitet. Unser Start
verlief angespannt. Mein Freund war sich
die Filmerei nicht gewohnt und wir haben
oft und auch heftig gestritten. Schliesslich
trennten wir uns für eine Woche.
Das half. Wir haben im Zelt übernachtet
oder bei Menschen, die wir angetroffen
haben. Am Morgen aufstehen und noch
nicht zu wissen, wo man am Abend sein
und schlafen wird, verleiht einem das
Gefühl von Freiheit. Man ist so weit weg
vom Alltag. Einmal hat uns mein Sohn
für ein paar Tage begleitet. Das war der
emotionalste Abschnitt für mich.
Nach meiner Rückkehr war ich viel positiver
eingestellt. Der Druck war weg.
Mittlerweile sehe ich vor allem die Vorteile.
Gut, ich war auch gleich mit dem Film
mehr als ausgelastet. Ausserdem male
ich, bin allgemein sehr kreativ und habe
schon viele weitere Projekte im Kopf, auf
Papier und im Austausch mit andern. Meine
Frau meinte kürzlich, ich müsse mal
etwas runterfahren. Als Ausgleich gehen
wir wandern und machen viel Sport. Ich
bin ein sehr strukturierter Mensch. Das
hilft enorm, mit dieser neuen Freiheit
umzugehen.
So wurde es mir bis jetzt nie langweilig.
Mir ist bewusst: Ich bin so privilegiert,
durfte immer machen, was ich wollte,
und habe das grosse Glück, in einem der
sichersten Länder der Welt zu leben. Ich
war und bin auf der Suche und bis jetzt
ging auch immer wieder eine Türe auf.
Das Leben ist doch einfach ein Wunder,
das man nicht erklären kann. Loslassen
ist das vermutlich grösste Thema für uns
Menschen. Und ums Loslassen geht es
auch bei der Pension.»
~
# 06 ~ 2023
28
~ Hintergrund ~
PENSION
«Werde ich überhaupt noch gebraucht ?
Wie gehe ich mit dem Verlust des
sozialen Status um ?»
Hanspeter Bäni ist einer der bekanntesten
Schweizer Dokfilmer. Bis zu seiner Pension
2021 realisierte er zahlreiche Filme
fürs Schweizer Fernsehen, wie «Reine Katharina»,
«Tod nach Plan» oder «Schicksal
einer Bergbauernfamilie». «Ihr könnt jetzt
gehen» ist sein erster Kinodokumentarfilm
und der erste Film, in dem er selber
mitwirkt. Darin begibt er sich mit seinem
Freund Jürgen Podlass, der ebenfalls pensioniert
wurde, auf eine Fernwanderung.
«Als Mitwirkender im Film thematisiert
der Neurentner auf ungewohnte Art und
Weise ein grosses Menschheitsthema
der westlichen Kultur: der Loslösungsprozess
von einem Leben, das jahrzehntelang
Sinn und Inhalt gab», heisst es
auf der Website zum Film. Der Film ist
Bänis bisher persönlichstes Werk. Eine
gekürzte Version soll 2024 auf SRF zu
sehen sein. Spieldaten in Kinos und alle
Infos zum Film: ihrkoenntjetztgehen.ch/
#im-programm
HANSPETER BÄNI
Christa
Saurenmann (63),
dipl. Pflegefachfrau HF,
pensioniert
seit Januar 2023
«Als Pensionierte sind die Tage von Montag
bis Sonntag alle gleich – das ist mitnichten
immer einfach, aber es bedeutet
Freiheit. Heute sagt meine Agenda,
dass morgen Hütetag ist für Paavo. Das
bedeutet Tagwache um 6 Uhr, selbstgewählt
und durchaus lustvoll. Wer hätte
das gedacht? Seit 18 Monaten bin ich
Grossmutter. Seit 2 Monaten hüte ich regelmässig
den jüngeren unserer beiden
Enkel, der mittlerweile 7 ½ Monate alt
ist. Seine Geburt sowie die beruflichen
Gegebenheiten seiner Eltern haben mich
dazu bewogen, meine eigene Tätigkeit als
Pflegefachfrau, die ich über viele Jahre
mit Begeisterung und auch mit Führungsverantwortung
ausgeübt habe, zu kündigen
und mich frühzeitig pensionieren zu
lassen. Ich hüte Paavo an jenen Tagen,
an denen seine Eltern arbeiten gehen,
was einem knappen 50-Prozent-Pensum
entspricht. Wenn Paavo nicht bei uns ist,
besuche ich regelmässig Alexis, den älteren
Enkel, der knappe zwei ÖV-Stunden
entfernt lebt.
Die Überraschung war gross, als uns vor
zwei Jahren angekündigt wurde, wir würden
Grosseltern werden. Die Begeisterung
liess auf sich warten, was unsere
Kinder ratlos zurückliess. Gerade erst 60
Jahre alt geworden und noch voll mit diesem
Meilenstein im Leben beschäftigt,
konnte ich mir einfach nicht vorstellen,
kaum ein Jahr später Grossmutter zu werden.
Und wie sollte mich dieses Kind denn
nennen? Ich hatte ein Problem, nicht nur
mit meinem baldigen neuen Status, sondern
auch mit der Bezeichnung dafür.
Grossmami, Grossmama, Grossmueti kamen
allesamt nicht in Frage. Wir einigten
uns, halt keine Namen für uns Grosseltern
bereit zu haben. Vielleicht würde das
Kind uns dereinst einen selbst gewählten
Namen geben?
Der Geburtstermin verstreicht. Eine Woche,
zehn Tage übertragen. Ich google
mich durchs Internet auf der Suche nach
Namen für Grosseltern. Da, endlich! Aani
und Eeni, das ist es! Sprachhistorisch in
Vergessenheit geratene Bezeichnungen
für deutschsprachige Grosseltern im Walsertal.
Aani, von Ahnen stammend, wunderschön,
sehr passend für mich, die ich
die Sprache liebe. Ich bin erleichtert, dass
ich einen Namen gefunden habe
Ein paar Tage später trifft das freudige
Ereignis ein. Alexis Noé wird geboren. Ich
bin unvorstellbar glücklich, dankbar für
dieses kleine Menschlein, das ich noch
am gleichen Abend in den Armen halten
darf, stolz und überwältigt von einer
unendlichen Liebe zu diesem winzigen
Wesen, das mich hellwach anschaut und
dem ich mich als Aani vorstellen darf.
Meine Gefühlswelt steht Kopf und ich
# 06 ~ 2023
29
spüre, da entsteht gerade etwas, was ich
so nicht erwartet hatte.
Knapp zehn Monate später erblickt Enkel
Nummer zwei, Paavo Arturo, das
Licht der Welt und die Begeisterung ist
genau die gleiche. Ja, ich möchte eine
gute Grossmutter sein für unsere Enkel.
Ja, ich möchte unserer Tochter als junges
Mami etwas davon weitergeben, was mir
meine Mutter vor Jahren schenkte, als
sie es mir ermöglichte, in meinem Beruf
weiterzuarbeiten und unser erstes Kind
hütete. Ja, ich finde es wichtig, dass die
jungen Mütter unserer Zeit berufstätig
bleiben können. Zudem hörte ich vor
nicht allzu langer Zeit den Vortrag eines
Neurowissenschaftlers, der betonte, die
beste Demenzprophylaxe sei es, Enkelkinder
zu betreuen, weil sie uns zwingen
würden, immer wieder neue Dinge auszuprobieren.
Meinen ersten Tag als Rentnerin, den
3. Januar 2023, feiere ich in Chile. Die
Idee, diese neue Lebensphase mit einer
Reise zu beginnen, war bestimmt
goldrichtig. Doch hier wird mir zunehmend
bewusst, dass ich nach der Heimkehr
keinen Rhythmus mehr haben
werde in meinem Leben, wenn ich ihn
mir nicht selber gebe. Keine leichte Aufgabe,
denke ich, denn meine Hütetage
für Paavo werden unregelmässig sein,
basierend auf den Arbeitsplänen seiner
Eltern im Spital. Zur Sicherheit, falls mir
doch einmal langweilig werden sollte,
erstelle ich eine Liste mit dem Titel «Pensionspläne».
Ich teile sie in Priorität 1 bis
4 sowie langfristig ein. Priorität 4 sind all
die Einladungen und Besuche, die ich im
Laufe der kommenden Monate planen
möchte. Aber da es mein einziger Vorsatz
für meine Pension war, keine gestresste
Pensionierte zu werden, halte ich mich
mit der Planung zurück.
Ich will mir Zeit nehmen, die Dinge in
Ruhe zu tun – und sei es auch nur staubsaugen
oder Wäsche aufhängen. Ich
möchte Ende Monat die Zahlungen erledigen,
ohne auf die Uhr zu schauen und
mich darum zu sorgen, dass ich zu wenig
Schlaf bekommen könnte. Ich will mir
Zeit nehmen, in Ruhe einzukaufen, die
Dinge, die ich in meinen Einkaufswagen
lege, kritisch hinterfragen. Ich will die
Hofläden in meiner Umgebung kennenlernen.
Es gibt viel zu tun, wofür mir bis
anhin die Zeit fehlte. Für Paavo will ich
mir sowieso alle Zeit der Welt nehmen
und auch Alexis möchte ich, so wie es
die Distanz erlaubt, einigermassen regelmässig
sehen, seine Fortschritte miterleben.
Ich entdecke, wie toll es sich anfühlt, etwas
nicht sofort erledigen zu müssen. Jahrelang
habe ich meinem Team bei der Arbeit
eingetrichtert, wenn immer möglich
zuerst eine Sache fertig zu erledigen, bevor
die nächste begonnen wird, wodurch
Fehlerquellen minimiert werden können.
Nun ist in meinem Leben der Zeitdruck
weg und ich kann es plötzlich geniessen,
viele verschiedene Dinge anzufangen,
mich zu verzetteln, unorganisiert in der
Wohnung hin- und herzugehen. Die Dinge
müssen nicht mehr möglichst effizient
organisiert sein.
Beim Packen für die Ferien im März sinniere
ich, wovon ich denn nun genau Ferien
haben werde. Vielleicht von den Hütetagen,
die ich mir sehnlichst gewünscht
habe? Von den Haushaltarbeiten, die
mich nicht mehr stressen, weil ich es in
der Hand habe, sie sinnvoll zu planen
und zu gestalten? Von irgendwelchen Verpflichtungen,
die nicht wichtig und nicht
dringend sind? Ich stelle fest, eigentlich
bräuchte ich gar keine Ferien, weil es mir
sehr gut gefällt in meinem neuen Leben.
Kleine Verrücktheiten liebe ich. Es muss
nicht das grosse Risiko sein. Es genügt
zum Beispiel, mitten in der Nacht, wenn
alle Welt schläft, man die Stille beinahe
körperlich spüren kann, einen Moment
auf die Loggia zu stehen, mir die Nacht- ~
«Ich stelle fest, eigentlich
bräuchte ich gar keine Ferien,
weil es mir sehr gut gefällt
in meinem neuen Leben.»
# 06 ~ 2023
30
~ Hintergrund ~
PENSION
luft übers Gesicht streifen zu lassen, die
Sterne und den Mond zu betrachten, die
Ruhe tief in mich aufzunehmen, vielleicht
daran zu denken, wie manche junge Mutter
gerade in diesem Moment ihr Baby
stillt und sich dabei sehr alleine fühlt in
tiefster, dunkler Nacht – mir ging es damals
oft so –, um nach diesem besonderen
Moment wieder unter die Bettdecke
zu schlüpfen und weiterzuschlafen.
Freundinnen, die seit längerem die Vorzüge
der Pension geniessen, erzählten
mir in den letzten Jahren, sie würden
manchmal morgens noch im Pyjama einen
Fernsehfilm schauen und sich dabei
ein gemütliches Frühstück gönnen. Soweit
habe ich es bis heute nicht gebracht.
Was jedoch durchaus vorkommt, sind
Augenblicke, in denen ich eine gewisse
Langeweile erlebe. Eine positive Langeweile,
die darin begründet ist, dass ich
selbstbestimmt meinen Tagesablauf gestalten
darf, dies aber auch tun muss. Es
geschieht nichts in meinem Leben, wenn
ich es nicht selbst in die Hand nehme.
100 Tage pensioniert. 100 Tage Glück,
Zufriedenheit, Dankbarkeit, dass mein
Leben ist, wie es ist. Meine Liste mit den
Pensionsplänen ist noch lange nicht leer,
und selbst wenn dies dereinst der Fall
sein sollte – ich bin sicher, sie wird sich
wieder füllen. Vielleicht heisst sie irgendwann
aber nicht mehr «Pensionspläne»,
sondern eher «Was mir wichtig ist». •
«Es lohnt sich, seine
Freundschaften zu pflegen»
Nachgefragt bei Peter Burri Follath, Pro Senectute:
Je mehr man seinen Job liebt, desto mehr
Mühe macht einem die Pension:
Trifft diese Behauptung zu?
Das trifft in der Regel zu, es kann jedoch auch sein, dass man
seinen Job liebt, aber aus gesundheitlichen Gründen froh ist,
kürzer treten zu können. Ein weiterer Grund, sich vor der Pension
zu fürchten, kann sein, dass man seine sozialen Kontakte, aber
auch seine Bestätigungen, nur über das berufliche Umfeld hat
oder bekommt.
Wie kann man sich emotional auf die
Pensionierung vorbereiten?
Es lohnt sich, frühzeitig Beschäftigungen neben dem eigentlichen
Erwerbsleben nachzugehen, seine Freundschaften gut zu pflegen
und idealerweise zu erweitern. Die ehrliche Auseinandersetzung
mit der eigenen Situation ist aber die Grundlage für einen guten
Übertritt ins Pensionsalter, hier kann man sich auch von professionellen
Stellen Hilfe holen.
Was muss man abgesehen von der ganzen
finanziellen Regelung beachten, damit der
Übergang in den neuen Lebensabschnitt gelingt?
Gerade sinnstiftende Tätigkeiten sind besonders wichtig, da in
der Regel die monetäre Bestätigung des eigenen Tuns wegfällt
und man «nur noch verrentet» ist.
Helfen Kinder und Enkel, um die man sich kümmern kann,
dass man nicht in ein Loch fällt?
Kinder und Enkel können helfen, ein erfülltes Leben im Alter
zu führen. Soziale Kontakte sind wichtig, und die Bindung zu
Nachkommen durch Betreuung oder gemeinsame Projekte kann
Freude, Sinn und soziale Integration bieten, was das geistige und
emotionale Wohlbefinden fördert und Einsamkeit reduziert. Die
Mitarbeit im Geschäft der Kinder oder die Beteiligung an deren
Projekten kann zudem eine sinnstiftende Tätigkeit darstellen, die
einem das Gefühl gibt, noch immer aktiv und nützlich zu sein.
Das wirkt sich positiv auf die Lebensqualität im Alter aus. ~CAP
Foto: Privat
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# 06 ~ 2023
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32
~ Hintergrund ~
BLIND
Sie sieht ihre
Enkel mit Herz
und Händen
Von SERAINA SATTLER (Text) und SAMUEL TRÜMPY (Fotos)
Annemarie Heinze ist blind und Grossmutter. Ihre Enkel
hat sie teils regelmässig gehütet. Manchmal ist es
für die Jungen ein Vorteil, dass sie nichts sieht – so können
sie unbemerkt Schokolade stibitzen.
nnemarie Heinzes Töchter merkten bereits
als Babys, dass ihre Mutter nichts sieht.
«Nach kurzer Zeit musste ich nur noch
den Schoppen hinhalten und sie kamen mir mit
ihrem Mund entgegen», erzählt Annemarie Heinze
lächelnd. Inzwischen ist die blinde Glarnerin fünffache
Grossmutter mit Enkeln zwischen 11 und 22
Jahren. Die älteren drei hat sie früher fix einen Tag
pro Woche gehütet, zu den jüngeren beiden schaut
sie ab und zu – immer zusammen mit ihrem sehenden
Ehemann Peter.
Mit ihren eigenen zwei Kindern hingegen war Annemarie
Heinze tagsüber alleine. Das war nicht
immer einfach. Die 74-Jährige erinnert sich, wie
sie einmal bemerkte, dass das Fleischmesser nicht
mehr auf dem Tisch lag und ihr Baby gerade damit
in der Hand die Treppe hinaufkrabbelte. Oder wie
es sie verletzte, als eine Bekannte zu ihr meinte, es
sei unverantwortlich, dass sie ihre Tochter in einer
Tragehilfe am Bauch herumtrug, weil sie stolpern
und stürzen könnte. Oder wie sie mit der älteren
Tochter im Mutter-Kind-Turnen war und der Leiter
ihr keinerlei Anweisungen gab, sodass sie verloren
in der Halle stand.
BACKEN GEGEN DEN FRUST
«Besonders als die Kinder klein waren, haderte ich
mit meinem Schicksal», erzählt Annemarie Heinze
aus Ennenda. «Wenn ich frustriert war, buk ich oft.
Es tat mir gut, einen Teig zu kneten.» Neben ihrem
Mann war die Mutter eine grosse Hilfe, die direkt
nebenan wohnte. «Ich konnte das Fenster öffnen
und pfeifen – wenn sie zu Hause war, kam sie rasch
zu mir.»
Warum Annemarie Heinze blind wurde, weiss man
nicht. Als Fünfjährige musste sie wegen einer Netzhautablösung
einen Monat im Kinderspital verbringen.
Danach sah sie links nichts mehr, rechts
noch dreissig Prozent. Im Laufe der Primarschule
verschlechterte sich ihre Sehkraft zunehmend.
Schrieb der Lehrer Rechnungen an die Wandtafel,
musste sie aufstehen und Rechnung für Rechnung
ablesen und dann am Platz niederschreiben.
FEHLERFREIES SCHREIBEN
Der Lehrer meinte, es sei nicht möglich, dass sie wie
gewünscht in die Sekundarschule ginge. So kam Annemarie
Heinze ab der siebten Klasse in ein Schulheim
für Blinde und Sehbehinderte im Kanton Bern,
wo sie unter der Woche auch wohnte. Anschliessend
begann sie eine Kaufmännische Lehre in der Stadt
Bern. Die Abschlussprüfung schaffte sie gerade
noch mit wenig Sehkraft. Zwei Tage später streikte
auch ihr rechtes Auge. Seit ihrem 18. Lebensjahr
sieht Annemarie Heinze nichts mehr – bei guten
Lichtverhältnissen höchstens hell und dunkel.
Zurück in Ennenda erhielt sie eine Stelle in der Möbelfabrik
Horgenglarus, wo sie die Korrespondenz ~
# 06 ~ 2023
# 06 ~ 2023
33
34
Annemarie Heinze und ihr Mann Peter sind viel unterwegs.
«Er erzählt mir, was er sieht – so ‹sehe› ich die Welt auch.»
erledigte. Wurde ihr etwas diktiert, tippte sie zuerst
mit einer Blindenschriftmaschine mit und übertrug
den Text anschliessend mit einer herkömmlichen
Schreibmaschine aufs Papier. «Wenn ich bei
der Reinschrift einen Fehler machte und ihn sofort
bemerkte, konnte ich ihn mit Tipp-Ex korrigieren»,
erzählt sie. «Bemerkte ich diesen allerdings erst
später, wurde es schwierig. Ohne Hilfe fand ich die
Stelle nicht wieder und musste nochmals von vorne
anfangen. Doch ich machte nicht viele Fehler!» Die
Arbeit war gut, die Kolleginnen und Kollegen nett.
Der Lohn war allerdings sehr tief. Als sie nach einem
Jahr einen höheren Lohn verlangte, meinte der Chef,
sie könne ja nicht alle Aufgaben übernehmen, deshalb
sei der schlechte Lohn gerechtfertigt.
Neben der Arbeit war Annemarie Heinze damals
recht einsam. «Ich war Anfang zwanzig und fühlte
mich hier im Glarnerland etwas abgeschnitten von
der Welt. Wenn ich im Dorf unterwegs war, hörte ich
manchmal Schritte – aber die Person grüsste mich
nicht», erinnert sie sich. An einem vom Blindenbund
organisierten Tanzabend lernte Annemarie Heinze
schliesslich ihren Mann Peter kennen, den sie 1973
heiratete. Im gleichen Jahr kam Tochter Maya auf die
Welt, sechs Jahre später Simone. Als das erste Kind
da war, tippte Annemarie Heinze als Heimarbeit
weiterhin Briefe ab Diktiergerät. «Doch ich merkte
rasch, dass das nicht ging: War ich am Schreiben
und Maya rief mich, wusste ich danach nicht mehr,
an welcher Stelle ich stehengeblieben war.»
VERLIEREN BEIM SCHWARZPETER-SPIEL
Als die jüngere Tochter im Abstand von zwei Jahren
selbst drei Kinder bekam, betreuten Annemarie
Heinze und ihr Mann diese von klein auf regelmässig.
Peter Heinze arbeitete damals noch als
Behindertenbetreuer und nahm extra einen Tag pro
Woche frei, um die Enkel hüten zu können. «Alleine
hätte ich es nicht geschafft mit den drei Luuscheibe»,
sagt Annemarie Heinze mit einem Lächeln.
Sie hätten es schon manchmal ausgenutzt, dass sie
nichts sieht. «Ich hörte zum Beispiel, dass ein Stuhl
# 06 ~ 2023
~ Hintergrund ~
BLIND
35
gerückt wurde. Wenn ich fragte, was sie machen,
sagten sie ‹nichts, nichts›. Dabei stibitzten sie von
der Schokolade, die im obersten Küchenkästchen
verstaut war.» Annemarie Heinze bastelte, töpferte
und spielte viel mit den Enkeln.
Beim Schwarzpeter-Spiel fiel Annemarie Heinze auf,
dass sie plötzlich dauernd verlor. Auf die Frage nach
dem Grund antwortete eines der Enkelkinder: «Grosi,
das ist doch einfach, nur auf der Schwarz peter-
Karte sind diese Löchli.» Das Kind hatte bemerkt,
dass die Grossmutter die unbeliebte Karte mit einem
Blindenzeichen gekennzeichnet hatte. Um Memory
spielen zu können, liess sich Annemarie Heinze etwas
einfallen. Sie sammelte kleine Filmdöschen und
füllte je zwei mit demselben Material, zum Beispiel
mit Mehl, Zucker, Kaffeebohnen, Haselnüssen oder
einem kleinen Stück Karton. Durch Schütteln musste
man erkennen, welche Paare zusammengehörten.
«In meinem Leben musste ich oft improvisieren», erzählt
sie. «Immer wieder kam ich an einen Punkt, an
dem ich anstand und überlegen musste, wie ich jetzt
diese oder jene Herausforderung meistere.»
DAS AUSSEHEN IST EGAL
Sieht man nichts, werden Hören, Fühlen und Riechen
wichtiger. «Wenn ich unterwegs Flieder
oder frisches Brot rieche, weiss ich, wo ich mich
befinde. Umgekehrt spielen Äusserlichkeiten keine
Rolle für mich.» Annemarie Heinze erzählt, wie
sie einmal wegen einer Gleisänderung verloren am
Zürcher Hauptbahnhof stand. Die Menschen rauschten
an ihr vorbei und sie wurde immer verzweifelter.
Schliesslich sprach sie ein Mann an. Er musste
ebenfalls nach Ziegelbrücke und führte sie zu einem
freien Platz im richtigen Zug. Dann sagte er: «Ich
setze mich woanders hin.» Annemarie Heinze fand,
er solle sich doch zu ihr setzen. «Mit mir wollen Sie
sicherlich nicht fahren», antwortete dieser. Auf die
Frage nach dem Warum nahm der Mann Heinzes
Hände und führte sie über seine verfilzten Haare
und seine zerrissene Kleidung. «Das stört mich überhaupt
nicht!», betonte sie. Sie hätten sich dann die
ganze Zugfahrt über herrlich unterhalten.
Als die Kinder ausgezogen waren, hatte Annemarie
Heinze hintereinander zwei Blindenhunde. Jetzt
will sie keinen mehr: «Ein junger Hund und eine alte
Schachtel, das passt doch nicht zusammen», sagt sie
schmunzelnd. Mit dem Langstock ist sie ebenfalls
recht sicher unterwegs, und ihr Mann – inzwischen
pensioniert – hilft ihr viel. Die beiden unternehmen
auch gerne Reisen. Sie sind gerade zurück von einer
Carfahrt ins Bündnerland. Sie hätten den «Indian
Summer» sehen wollen. Sehen? «Wenn wir unterwegs
sind, erzählt mein Mann ununterbrochen, was
er sieht», erläutert Annemarie Heinze. «So ‹sehe› ich
die Welt auch.»
ENKEL HILFT MIT HANDY
Die älteren drei Enkel sind inzwischen erwachsen,
und auch die kleineren zwei sind mit 11 und 13 Jahren
schon grösser. Mit allen steht die Grossmutter
in herzlichem Kontakt. «Ich habe grosse Freude an
meinen Enkeln», sagt Annemarie Heinze. Der 11-jährige
Finn sage jeweils «Hoi Gröseli, bisch wieder da»,
und helfe ihr, wenn sie mal wieder auf Kriegsfuss
stehe mit ihrem Handy – obwohl die Spracherkennung
ein Segen ist für sie. Und sie fragt: «Wie trägst
du die Haare jetzt? Darf ich mal schauen?» und dann
fühlt sie mit den Händen die Haare des Enkels. «Ich
sehe meine Kinder und Enkel nicht mit den Augen»,
sagt Annemarie Heinze, «dafür mit den Händen –
und mit dem Herzen.»
•
BLINDENBUND: SELBSTHILFE BLINDER MENSCHEN
Annemarie Heinze ist eine von knapp 400 000 blinden und sehbehinderten Personen in der Schweiz
und Mitglied der Regionalgruppe Zürich des Schweizerischen Blindenbundes. Die 1958 gegründete,
Zewo-zertifizierte Organisation unterstützt Blinde und Sehbehinderte darin, weitgehende Selbstständigkeit
im Alltag zu erlangen. Die fünf Regionalgruppen sind wichtige Anlaufstellen für Betroffene.
Jährlich am 15. Oktober ist der Internationale «Tag des Weissen Stocks». Der Blindenbund macht
jeweils mit Aktionen auf die Bedürfnisse von Blinden und Sehbehinderten aufmerksam. Dieses
Jahr war das Thema, wie die Unachtsamkeit auf der Strasse zugenommen hat: Ins Handy vertiefte
Menschen, liegengelassene E-Trottinette oder schnellfahrende Velos auf dem Trottoir bergen für
Menschen, die mit dem Weissen Stock unterwegs sind, Unfallgefahren. blind.ch
# 06 ~ 2023
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36
~ Service ~
LESEN
Grosseltern
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Jahr mit Reportagen, Tipps und Dossiers
rund um das Leben mit Enkelkindern.
# 06 / 2021
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Alle Jahre wieder
Die Weihnachtsrituale der Grosseltern-
Redaktion. Und warum sie wichtig sind. (S. 28)
# 06 / 2021
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Das Magazin über das Leben mit Enkelkindern
Winterwunderland
Drei Generationen auf Schneeschuhtour:
eine verschneite Bildergeschichte. (S. 40)
Dossier
WARUM MACHT IHR
DAS SO ? ERZIEHUNG
FRÜHER & HEUTE
ab Seite 48
# 12 / 2018 & # 01 / 2019
« Eine Geburt ist wie ...
... die Besteigung eines Viertausenders»:
Hebamme Ursula Bühler im Interview. (S. 34)
Grosseltern MAGAZIN
Grosseltern MAGAZIN
Grosseltern
Das Magazin über das Leben mit Enkelkindern
Jodlerin Nadja Räss
So wichtig war der Grossdädä für
die Stimmkünstlerin. (S. 6)
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# 12 / 2018 & # 01 / 2019
www.grosseltern-magazin.ch
Weihnachten
Fünf Seiten Geschenktipps
für Ihre Enkelkinder. (S. 26)
Grosseltern MAGAZIN 64
Dossier
PFLEGE VON
ANGEHÖRIGEN
ab Seite 50
Frisch pensioniert
Ein Ehepaar im Gespräch über
den neuen Alltag. (S. 32)
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# 12 / 2020
Grosseltern MAGAZIN
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Peter Schneider
Der Psychoanalytiker und Satiriker im Gespräch
über das schwierige Jahr 2020. (S. 42)
# 12 / 2020
grosseltern-magazin.ch
Das Magazin über das Leben mit Enkelkindern
Familie Stoll feiert
Weihnachten im Wald – mit vielen
Erinnerungen und eigenen Traditionen. (S. 30)
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FRAUENSTIMMRECHT:
WIE WAR
DAS DAMALS?
ab Seite 48
Dossier
« Das will ich aber! »
Wie erklärt man Kindern, dass sie nicht alles
haben können, was sie sich wünschen? (S. 24)
Grosseltern MAGAZIN 70
Rückseite Deckel
Für drinnen und draussen, für jüngere und ältere
Kinder: Die 40 schönsten Bastelideen
aus «Grosseltern»– dem Schweizer Magazin
über das Leben mit Enkelkindern.
BASTELN MIT Grosseltern
BASTELN MIT
Grosseltern
40
BASTELIDEEN
Bastelbox
Die stilvolle Box mit
40 gesammelten
Bastelideen aus
neun Jahren
«Grosseltern».
IDEEN / UMSETZUNG Karin Dehmer, Lynn Dehmer,
Flurina Cisana, Irene Meier, Marie-Anne Spross
TEXT Karin Dehmer FOTO Mirjam Graf, Tibor Nad,
Martina Meier, Nicolas Petit, Marco Scharf
GRAFIK Irene Meier DRUCK Küchler Druck, Giswil
BOX Maschinenzoo, Lenzburg VERLAG 3G Media GmbH,
Grosseltern Magazin, Baden, grosseltern-magazin.ch
Bestellen unter grosseltern-magazin.ch/abo oder 058 510 61 19
# 06 ~ 2023
~ Kolumne ~
GROSSMÜTTERREVOLUTION
37
Ein halbes Leben lang gewartet
Im Frühling erwarteten wir unser viertes
Grosskind. Auf den 10. Tag des Monats
war der Geburtstermin berechnet. Den
ganzen Monat hatten wir aus unserer Agenda
gestrichen, um im entscheidenden Moment
den Hütedienst für das Brüderchen zu übernehmen.
Waren wir im Theater oder Kino,
schauten wir in der Pause aufs Handy, um ja
keine Nachricht zu verpassen. Ausflüge oder
Wanderungen machten wir nur noch in der
Umgebung.
Am 10. des Monats regte sich nichts, in der
Mitte des Monats immer noch nicht. Ich hielt
mich zurück mit Telefonanrufen, weil ich meine Tochter nicht
belasten wollte. Dann schrieb ich eine SMS: «Wie gehts?» Die
Tochter telefonierte und war guter Laune. Ich dürfe sie doch
anrufen, meinte sie. Ja, die schwere Last werde mit jedem Tag
noch schwerer, aber sie nehme es halt, wie es komme … Ich
bewunderte sie.
Am 18. des Monats dann ein Hilferuf, ob wir Florian über Nacht
nehmen könnten. Sie benötige dringend eine Auszeit, möchte
gerne wieder einmal durchschlafen. Flori strahlte und mimte
BERNADETTE KURMANN (1950)
aus Ebikon LU war Krankenschwester
und Journalistin,
ist Mutter von drei Töchtern
und Grossmutter.
den grossen Bruder. «Ich werde mit ihr spielen
und ganz lieb zu ihr sein», erzählte er.
Wir lobten ihn.
Gegen Abend fragte meine Tochter, ob er
noch eine Nacht bei uns bleiben könne, die
Wehen hätten eingesetzt. Ob sie das Flori
bitte selber sagen könne, bat ich. Ich hörte,
wie der Dreijährige am Telefon sagte, dass
er noch eine Nacht schaffen werde. Er war
tapfer, doch die Nacht war turbulent und am
Tag war der Spuk vorbei.
Dann die erlösende Nachricht am nächsten
Morgen: Lisa war geboren. Flori strahlte,
hüpfte in der Wohnung herum: «Ech ha sooo lang gwartet.» Er
war nicht der Einzige, dessen Herz vor Glück schneller schlug.
Gegen Abend fuhren wird ins Spital. Vom Rücksitz her hörte
ich immer wieder: «Sooo lang gwartet. Sooo lang gwartet.» Wir
betraten das Zimmer, Mama sass im Bett und hielt Lisa im Arm.
Flori ging zaghaft hin und streichelte ihr Köpfchen. Dann durfte
er sein Schwesterchen halten. Stolz war auf seinem Gesicht. Auf
dem Nachhauseweg wiederholte er: «Ech ha sooo lang gwartet.»
Ich dachte: «Ja, kleiner Schatz, fast dein halbes Leben lang.» •
GROSSMÜTTERREVOLUTION: FRAUENWEIS(S)HEITEN
Noch immer besteht in den Köpfen
vieler Menschen ein veraltetes Bild der
aktuellen Grosselterngeneration. Die
GrossmütterRevolution möchte dieses
aufbrechen, alte Frauen von heute
sichtbar machen und zeigen, was diese
beschäftigt. Denn diese können selber
für sich sprechen; sie möchten sich
einbringen und die Gesellschaft aktiv
mitgestalten. Seit fünf Jahren erscheint
dazu jeden zweiten Monat die
elektronische Post der Frauenweis(s)
heiten. Diese wird von den fünf Frauen
der betreffenden Arbeitsgruppe in
lebhaften Diskussionen erarbeitet.
Das Porträt zeigt, wie alte Frauen das
Leben mit seinen Hochs und Tiefs
bewältigt haben. Verschiedene Frauen
schreiben über das, was sie im Alltag
und politischen Geschehen beschäftigt.
Sie hinterfragen Entwicklungen
und Vorstellungen über das Alter und
regen allenfalls zu Veränderungen an.
Die Beiträge reichen vom Wohnen im
Alter über den Austausch mit der jüngeren
Generation, die Care- respektive
Sorgethematik und mehr bis hin zur
Endlichkeit des Lebens. Hinweise und
Berichte aus anderen Arbeitsgruppen
und Organisationen tragen zur Vernetzung
bei. Die Beiträge in der Rubrik
«Weisch no» wecken Erinnerungen
an frühere Zeiten und regen oft zum
Schmunzeln an. Kürzlich bezeichnete
eine Leserin die «Frauenweis(s)-
heiten» als Seelennahrung. Ist es
nicht das, was wir in diesen schwierigen
Zeiten besonders nötig haben?
Interessierte Frauen und Männer aller
Generationen sind zum Lesen eingeladen
und können den Newsletter
kostenlos abonnieren:
grossmuetterrevolution.ch/
Arbeitsgruppen/frauenweisheiten
# 06 ~ 2023
38
~ Hintergrund ~
ETIKETTE
Sie
Duzen Sie ?
Sie
Siezt du ?
Du
Hoi oder Grüezi: Die sprachlichen
Umgansformen sind schwierig
geworden. Zumindest für die
Erwachsenen. Die jüngeren Enkel
machen es sich einfacher:
In ihrer Welt ist man per Du.
Du
# 06 ~ 2023
39
Von SABINE BORN (Text)
erinnere mich an einen verbalen
Schlagabtausch mit einem Hoteldirektor
über das Duzen und Siezen, ein Treffen an der Bar.
Die Zunge vom Weisswein bereits gelockert, ging ich ungeniert
zum Du über – er fand das ziemlich dreist, da in Deutschland
– wo er herkommt – das Siezen auch unter langjährigen
Kolleginnen und Kollegen ein heiliger Gral und fast unantastbar
war.
Das ist rund 20 Jahre her, und heute sagt Jürgen Marx (57): «Die
90erJahre in Deutschland waren von einer starken SieKultur
geprägt. Als mir mein Chef das Du anbot, fiel es mir unglaublich
schwer, das umzusetzen, obwohl er nur drei Jahre älter
war als ich und wir bereits ein Jahr intensiv zusammengearbeitet
hatten.» In der Schweiz habe er tatsächlich eine neue
DuKultur kennengelernt. «Gerade in Bergdörfern war man
schnell beim Du und der Respekt blieb trotzdem erhalten.»
Mit Respekt hat Duzen also nichts zu tun, sondern mit Konventionen,
die auch Christian Thalmann (50), Finanz und
Personalchef einer auf Bänder und Schleifen spezialisierten
Firma im solothurnischen Breitenbach, hochachtet. Er stellt
sich stets mit Vor und Nachnamen vor, duzt ältere Personen
nicht und bleibt auch im Betrieb – ausser im Kernteam – lieber
beim Sie. «Das schafft eine gesunde Distanz, und damit bin ich
immer gut gefahren», sagt er und nutzt lieber den feierlichen
Rahmen eines Festes, um das Du anzubieten. Ein Du, das verdient
sein will.
Etwas unbedarfter handhabt Chananda Fuster (27) die höflichen
Pronomina. Wo sie arbeitet, ist man etagenübergreifend
per Du und auch Hierarchien werden nicht so hoch gestapelt
wie anderswo. Von Chananda wird man grundsätzlich mit Du
angesprochen, es sei denn, man sei weit über 60. Aber auch
dann: «Wenn ich merke, dass die Person locker drauf ist, biete
ich das Du an.»
Dass dieses Recht eigentlich der oder dem Älteren obliegt,
ist Chananda nicht so wichtig, im Gegenteil, sie macht den
Konventionsbruch mit ihrem Charme wett und findet das Siezen
ohnehin einen alten Zopf. «Es schafft unnötige Distanz und
betont Machtgefälle. Ob aber jemand Abfall entsorgt oder strategische
Entscheide fällt – jeder und jedem gebührt der gleiche
Respekt.»
Allerdings markieren Höflichkeitsformen heute keine Standesunterschiede
mehr, sondern betonen vielmehr den Unterschied
zwischen Vertrautheit und sozialer Distanz. Während ein Sie
das Gegenüber eine Armlänge auf Abstand hält, kommt das Du
einer Umarmung gleich. Diese Nähe schätzen nicht alle. Zumindest
nicht auf Anhieb.
Und wie ist es umgekehrt? Was also, wenn Du, Chanti, gesiezt
wirst? «Dann fühle ich mich alt.» Zustimmendes Nicken der
Kollegin und von mir. Das Du als sprachliches AntiAging, das
zwar keine Falten glättet, aber doch dem Ego schmeichelt. Man
fühlt sich jung, weit weg vom gesetzten Alter, in dem man gesiezt
wird.
Das Wort «Höflichkeit» leitet sich übrigens vom Begriff «höfisch»
ab, der die Lebensart am frühneuzeitlichen Hof beschreibt.
Darüber machte sich sogar Adolph Freiherr Knigge
(1752–1796) lustig, Spross eines alten Adelsgeschlechts und viel
zitierte Instanz in Benimmfragen. Indem er einer Hofdame, die
ihre engen Schuhe unter dem Tisch auszuziehen pflegte, einen
Schuh entwendete und auf einem Silbertablett servieren liess,
nahm er das höfische Getue auf die Schippe (und wurde wegen
schlechten Benehmens als Hofjunker entlassen).
In seinem Werk «Über den Umgang mit Menschen» ging es
dem Aufklärer und Anhänger der französischen Revolution
vor allem darum, das steife Korsett höfischen Verhaltens
aufzuschnüren, um darunter den wahren Kern menschlichen
Anstands freizulegen, ein Anstand, der von Herzen kommt, authentisch
ist und standesübergreifend von Weltklugheit und Stil
genährt wird, ein Anstand, der unter anderem in Höflichkeitsformen
zum Ausdruck kommt und den Christian Thalmann
heute oft vermisst.
Ist also die DuKultur, die sich ausbreitet wie Wildblumen im
Frühling, auch sprachlicher Ausdruck eines «Sittenverfalls»?
Das wohl nicht gerade, zumal dieser von jeder Generation gepredigt
wird – notabene auch von Knigge, der 1790 sagte: «Übrigens
gestehe ich – es bleibt aber unter uns – dass der Ton,
welcher jetzt unter unseren ganz jungen Leuten ziemlich allgemein
an Höfen und in der feinen Welt eingeschlichen ist, mir
gar nicht so gefallen will wie der, welcher vor etwa zwanzig
Jahren herrschte.»
Und das Fazit? Das könnte man vielleicht so formulieren: Auch
wenn das Du derzeit an Terrain zu gewinnen scheint, wird das
Siezen irgendwann vielleicht wieder chic; denn mit Trends verhält
es sich bekanntlich wie mit Passstrassen – die nächste Kurve
kommt bestimmt. Anders bei Einbahnstrassen, in die das Duzis
unvermeidlich führt: Einmal beim Du, gibt es kein Zurück. •
# 06 ~ 2023
40
~ Hintergrund ~
OPERNHAUS
# 06 ~ 2023
~ Hintergrund ~
OPERNHAUS
41
Auf
Reisen
mit
Jim
Von ANNA SIX (Text)
und MARTINA MEIER (Fotos)
Vom klassischen Vorlesebuch
zur magischen Bühnenwelt:
Eine Gross mutter besucht mit
ihrer Enkelin die Hauptprobe
von «Jim Knopf und Lukas
der Lokomotivführer»
am Opernhaus Zürich.
# 06 ~ 2023
42
~ Hintergrund ~
OPERNHAUS
Kabel, Karabiner, Klebeband: Kurz vor der
ersten Hauptprobe zur Oper «Jim Knopf
und Lukas der Lokomotivführer» ist backstage
alles an seinem Platz. Nur die Grossmutter Maria,
ihre Enkelin Irina und zwei befreundete Kinder
passen nicht ganz ins Bild. Bloss niemandem im Weg
stehen! Denn heute geht’s auf der Opernhausbühne
ums Detail. Zum ersten Mal kommen Musik, Kostüme,
Maske, Licht und Technik zusammen. Passen
alle Puzzleteile, an denen während anderthalb Jahren
gearbeitet worden ist, zueinander?
«Komm, Grossmami!», ruft die achtjährige Enkelin
und eilt den Gang entlang zur Garderobe. Hauptdarstellerin
Georgina Fürstenberg ist gerade fertig
geschminkt worden und sitzt im Pyjama da. Es ist
ihr Kostüm als Jim Knopf. Oder eher: «Jim Knopfin»,
wie Irina mit Gespür für Geschlechtergerechtigkeit
feststellt. Ja, dieser Jim Knopf ist eine Frau. Und wie
dieser lebte auch die Sängerin einmal auf einer Insel:
Fürstenberg ist auf Barbados in der Karibik geboren.
Die Besetzung ist kein Zufall. Das Opernhaus will
auch in historischen Stoffen sensibel mit Themen
umgehen, die heute als heikel erachtet werden –
nämlich, dass die Geschichte von Jim Knopf die eines
verkauften Jungen mit dunkler Haut ist. Gegen
den Autor Michael Ende wurde der Vorwurf laut,
~
# 06 ~ 2023
43
«Machen wir noch ein Foto mit
allen?» Diese Sopranistin kennt
keine Allüren: Als Jim Knopf
empfängt Georgina Fürstenberg
Grossmutter Maria und Enkelin
Irina in ihrer Garderobe.
# 06 ~ 2023
44
~ Hintergrund ~
OPERNHAUS
Aus dem Staunen nicht
mehr heraus kommen die
Besucherinnen angesichts
der bunten Kostüme.
Raffiniert ist aber auch
der Holzboden auf der
Bühne, der so vieles kann.
# 06 ~ 2023
~ Hintergrund ~
OPERNHAUS
45
seine Figur würde Kindern keine zeitgemässe Botschaft
mehr vermitteln. Beim Opernhaus heisst es, problematische
Textstellen seien im Vorfeld angepasst worden.
In der Garderobe gehts derweil familiär zu. Maria, Irina
und Jim Knopfin plaudern angeregt. Von Allüren keine
Spur. Georgina Fürstenberg ist selber Mutter eines kleinen
Kindes. Nun gibt die Sopranistin ihr Debut in Zürich.
Auf Irinas Frage, ob sie aufgeregt sei vor einer Probe, sagt
sie: «Ja, wenn ihr zuschaut schon!»
Einen Stock höher hängen in Reih und Glied die buntesten
Gewänder. Vorsichtig stülpen sich Grossmutter und
Enkelin den riesenhaften Hut des Kaisers über. Wie die
gesamten Kostüme wurde er eigens für diese Produktion
entworfen und geschneidert. Auch das Bühnenbild
ist hausgemacht: Das Opernhaus verfügt über eine eigene
Schlosserei und Schreinerei. In «Jim Knopf» hat ein
schräg liegender Parkettboden seinen grossen Auftritt
– und erweist sich als erstaunlich wandlungsfähig: Aus
dem Holzboden taucht die kreisrunde Insel Lummerland
auf, durch Falltüren steigen Darstellende, und mittels
aufklappbarer Wellen wird er zum Ozean.
Es sind diese Verwandlungen, die im Opernhaus so faszinieren.
«Und es ist eindrücklich zu sehen», findet Maria,
«wer alles mitwirkt, damit eine solche Produktion
gelingt.» Von der Reinigungskraft, die schnell noch das
Parkett wischt, über den Bühnentechniker und die Regisseurin
bis zum Operndirektor, der für die Hauptprobe
ebenfalls in den Saal schlüpft. Mucksmäus chenstill ist
es nun. Der Vorhang senkt sich – und geht gleich wieder
auf. Glockenhell singt Jim Knopfin: «In Lummerland ist
jeder Kummer unbekannt ...»
•
# 06 ~ 2023
46
~ Hintergrund ~
OPERNHAUS
AB IN DIE OPER!
Die Komponistin Elena Kats-Chernin hat
aus der beliebten Erzählung von Jim Knopfs
abenteuerlicher Reise eine Familienoper
geschaffen. In Zürich wird sie erstmals in
der Schweiz aufgeführt. Die musikalische
Leitung hat Ann-Katrin Stöcker, Regisseurin
ist Kai Anne Schuhmacher. Sie inszeniert
die Geschichte als magisches, bilderreiches
Figurentheater mit Puppenspielern und
dem Ensemble des Opernhauses. Dauer ca.
2 Stunden und 15 Minuten (mit Pause), ab
7 Jahren. Aufführungen bis 28. Januar 2024,
Infos und Tickets unter opernhaus.ch.
Kommen Sie mit auf unsere Führung im
Opernhaus mit dem Gross eltern-Magazin
(S. 49)! Zudem finden immer samstags
und sonntags öffentliche Führungen statt,
und regelmässig gibt es Familienführungen
mit Workhop. ~AMO
# 06 ~ 2023
~ Hintergrund ~
OPERNHAUS
47
In barocker Üppigkeit taucht
man in der Zürcher Oper in eine
andere Welt ein. Auf der Bühne
erwacht das Zauberland Mandala
wie ein Mobile zum Leben.
# 06 ~ 2023
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~ Kolumne ~
MEINE KINDER, MEINE ENKEL
Es weihnachtet
HANNES BUCHER (70) hat bis zu seiner Pensionierung
als Schulleiter gearbeitet. Er ist verheiratet und
hat zwei Töchter und einen Sohn. Seine sieben
Grosskinder sind zwischen viereinhalb und zehn
Jahre alt. Er wohnt im Kanton Luzern und schreibt
als freier Journalist.
FABIAN BUCHER (40) ist Produzent beim Schweizer
Fernsehen SRF. Er ist verheiratet und Vater von
Jan, viereinhalb, und Mara, sechs Jahre alt. Fabian
arbeitet in einem Teilzeitpensum und ist so zwei Tage
pro Woche, allein mit den Kindern.
Er lebt mit seiner Familie in Zürich.
dvent, Vorweihnachtszeit – dann endlich Weihnachten.
Auch nach Jahrzehnten sind die Erinnerungen rund
um diese spezielle Zeit nicht verblasst. Da sehe ich
wieder den Spielzeugkatalog von damals. Eine Kindertraumwelt
breitete sich aus, die aber meist eine solche blieb. Da
gab es Sachen, die «nötiger» waren: warme Socken, eine gestrickte
Mütze, für alle zusammen vielleicht einen Schlitten.
Aber Träume und Wünsche waren erlaubt. Letztere wurden
fein säuberlich aufgeschrieben und vor das Stubenfenster
gelegt. Irgendwie muss sie später der himmlische Briefbote
verlegt haben …
Nun, die Enkelkinder erleben Weihnachten in vielerlei Hinsicht
anders. Sie wissen zu Recht, dass nicht das «Christkindli» die
Geschenke bringt. Eine Herausforderung für die Eltern: Der
Geschenkberg soll sich in Grenzen halten. Seine ganz eigene
Magie hat das Fest zum Glück bis heute bewahrt. Christbaum,
Geschichten, das gemeinsame Singen und notabene auch die
Geschenke unter dem Baum lassen nach wie vor die Kinderaugen
glänzen. Auch dann, wenn einmal statt BarbiePuppe
oder Fernsteuerauto etwas «Praktisches» im Päckli steckt.
Wenn es dann das Jahr hindurch vielleicht aufs Mal heisst:
Schaut Grossmami, Grosspapi, ich trage gerade die herzigen
Söckli, die ihr mir zu Weihnachten geschenkt habt, dann glänzen
auch die Augen der Grosseltern.
•
Foto: Matthias Luggen
as, schon bald ist wieder Weihnachten? Oh mein
Gott, das kann ich nicht glauben!» Meine Tochter
schaut mich mit leuchtenden Augen an. Ich muss
schmunzeln. Das geht also nicht nur uns Erwachsenen so,
ganz offensichtlich ist dieses ereignisreiche Jahr auch an den
Kindern einigermassen zügig vorbeigezogen. Weihnachten
also, schon wieder, für mich die 42. Ausgabe. Aber wissen Sie
was? Ich freue mich richtig drauf. Hatte dieses Fest für mich
mit dem Erwachsenwerden von seinem kindlichen Zauber verloren,
war mir eine Reise auch mal wichtiger, als für das Familienfest
zu Hause zu sein, sind mir diese Festtage mittlerweile
sprichwörtlich «heilig». Und zwar mit oder vielleicht gerade
wegen des gesamten Vorlaufs. Nur schon das Anzünden der Adventskerzen,
quasi ein ultralangsamer Weihnachtscountdown,
weckt bei mir die Vorfreude (jede Woche eine neue Kerze anzünden
– ist das nicht das perfekte Kontrastprogramm zu unserer
schnelllebigen Zeit, wo alles unmittelbar, sofort, highspeedmässig
sein muss?).
Oder Kerzen ziehen: Als ich Kind war, gehörte das unweigerlich
zur Adventszeit – es finden sich vermutlich noch immer
unförmige kerzenähnliche Wachsprodukte im Keller meines
Göttis, meiner Gotte. Jetzt mühen sich meine Kinder mit dem
zähflüssigen Wachs ab, und auch mich hat es wieder gepackt:
Mittlerweile schaue ich ihnen nicht mehr bloss zu, nein, auch
ich bin wieder fleissig am Dochteintauchen. So begeistert,
dass es dieses Jahr vermutlich zum Verschenken reicht. Sorry,
Gotti … Trotzdem frohe Weihnachten.
•
# 06 ~ 2023
~ 06/2023 ~
GEMEINSAM
49
Foto: Dominic Büttner
Grosseltern
geht ins Opernhaus –
kommen Sie mit !
Führung
OPERNHAUS
ZÜRICH
Wer vom Zürcher Sechseläutenplatz ins Opernhaus
tritt, macht nur einen kleinen Schritt –
taucht aber in eine andere Welt ein. Die roten
Samtteppiche, die sich die Treppen hinaufwinden,
sind hier nur der Anfang.
Im Kostümfundus erwachen geheimnisvolle
Figuren zum Leben, in der Maske findet
Verwandlung statt, in der Schneiderei zählt
jeder noch so kleine Knopf, in der Requisite
werden Fantasie welten ausgestattet,
und im Kulissenlager gibt es kaum etwas,
was es nicht gibt.
In all diese Räumlichkeiten führt der anderthalbstündige
Backstage-Rundgang – und
cnatürlich auf die Bühne, wo wir uns vorstellen,
wie es wäre, selber vor 1100 Zuschauenden im
üppigen Barocksaal eine Arie zu schmettern.
Jedes Jahr zeigt das Opernhaus Zürich übrigens
auch eine Familienproduktion.
Also: Vorhang auf!
Das Team des Grosseltern-Magazins
blickt mit seinen Leser:innen im Zürcher
Opernhaus hinter die Kulissen. Lassen
Sie sich diese exklusive Gelegenheit nicht
entgehen!
DATUM & ZEIT
Freitag, 26. Januar 2024
Führung von 16 bis
17.30 Uhr
UNKOSTENBEITRAG
15 Franken (bar oder per
Twint vor Ort zu
bezahlen), beschränkte
Platzzahl
TREFFPUNKT
15.45 Uhr vor dem
Opernhaus Zürich
ANMELDUNG
Bitte mit der Angabe von Vor- und
Nachname, Adresse, E-Mail und
Anzahl Personen per Mail an
verlag@grosseltern-magazin.ch oder
per Post an Grosseltern-Magazin,
Kronengasse 4, 5400 Baden.
Wir bitten um eine Anmeldung bis
Freitag, 12. Januar 2024.
# 06 ~ 2023
50
DOSSIER
GEHEIMNISSE
Unter
uns
Erwachsenen sind sie oft eine Last,
doch in der Kindheit unterstützen
Geheimnisse wichtige Entwicklungsaufgaben.
Sie helfen Kindern dabei,
den persönlichen Raum abzustecken,
und verbinden sie mit Gleichaltrigen.
Von ÜMIT YOKER (Text) und IRENE MEIER (Illustration)
s gibt ein paar Dinge im Leben, die wir keiner Sterbensseele
anvertrauen. Fünf sind es, um genau zu sein;
dazu kommen acht, von denen höchstens ein kleiner
Kreis weiss. Macht dreizehn Geheimnisse pro Mensch. Das sind
natürlich Durchschnittszahlen; ausgerechnet hat sie aber einer,
der in den letzten Jahren mehr über das Geheimnis und seine
Wirkung auf uns herausgefunden hat als wohl irgendjemand
sonst. Zehntausende von Personen hat der Psychologe Michael
Slepian dazu befragt, was sie in ihrem Leben verbergen und
warum, und was das mit ihnen macht.
Geheimnisse tun uns in der Regel nicht besonders gut. Sie gehen
mit Scham und Schuld einher, dem Gefühl, anderen Menschen
etwas vorzuspielen, sie machen uns einsam und unruhig. Lange
glaubten Forscherinnen und Forscher, es sei vor allem das
aktive Verstecken, das den Leuten so zusetze. In der Realität
gerieten die meisten Menschen jedoch selten in die Lage, in der
sie direkt auf ein Geheimnis angesprochen würden und etwas
abstreiten oder leugnen müssten, stellte Slepian fest. Schlecht
fühlten sie sich dennoch. Für den amerikanischen Wissenschaftler
beginnt das Geheimnis darum bereits bei der Absicht,
etwas zu verschweigen. Es sind vor allem unsere eigenen ~
# 06 ~ 2023
~ Dossier ~
GEHEIMNISSE
51
# 06 ~ 2023
52
Gedanken, immer wieder zum Verheimlichten wandernd, die
sich negativ auf Wohlbefinden und Gesundheit auswirken. Wer
sich vornehme, etwas für sich zu behalten, reagiere sensibler
auf potenzielle Anzeichen und Hinweise diesbezüglich, grüble
mehr, selbst wenn es von aussen besehen gar keinen Anlass
dazu gebe.
VERBOTENES UND GEFÄHRLICHES
WIRD SELTEN VERSCHWIEGEN
In der Kindheit dagegen erfüllen Geheimnisse vor allem eine
positive Funktion. Sie spielen bei den ersten zaghaften Ablösungsversuchen
von den Eltern ebenso eine wichtige Rolle
wie später bei der Freundschaft mit Gleichaltrigen, wie die
deutschen Erziehungswissenschaftlerinnen Renate Valtin und
Elisabeth Flitner in einem Beitrag zum Thema schreiben. «Im
Geheimnis üben Kinder, eine selbstbestimmte Grenze zwischen
sich und anderen zu ziehen.»
Im Alter von vier bis fünf Jahren erlangt ein Kind die kognitiven
Voraussetzungen, um bewusst etwas geheim zu halten. Die
sogenannte Theory of Mind ist ein Meilenstein der menschlichen
Entwicklung: Nun beginnen wir zu verstehen, dass das
Gegenüber eine eigene Sicht auf die Welt hat, dass es über andere
Informationen, Wünsche und Absichten verfügen kann als
man selbst. Dem Kind wird irgendwann klar: Es kann andere
Menschen täuschen.
Geheimnisse bedeuten für Kinder in diesem Alter, etwas ganz
für sich alleine zu haben. «Es ermöglicht, der Allgegenwart
der Eltern ein Stück Eigenleben abzugewinnen», schreiben
Valtin und Flitner. So zeigt auch eine Studie, in der die zwei
Forscherinnen gemeinsam mit einem Kollegen aus Sydney
Kindern verschiedene Geheimnisszenarien vorgelegt hatten:
Jüngere würden die Entdeckung einer Höhle eher vor der Mutter
verheimlichen als ältere Befragte. Selbstständigere Kinder
rechneten nicht mehr damit, dass sich Erwachsene in ihr Spiel
einmischten, erklären die Autorinnen den Unterschied. Darum
könnten sie auch unbesorgter von ihrem Fund berichten.
Es ist hauptsächlich Schönes, das Kinder in dieser Zeit verbergen:
Höhlen eben, aber auch Muscheln oder Scherben, Pokémonkarten
oder drei Zacken Toblerone. Der ganz grosse Renner
aber sind Überraschungen: das Nest aus Wattebäuschchen,
das Götti zu Ostern bekommen wird, der Besuch von Nonna,
von dem die kleine Schwester noch nichts weiss.
«Verbotenes oder Gefährliches wird in diesem Alter dagegen
selten verschwiegen», betonen Valtin und Flitner. Was Angst
mache oder Unbehagen auslöse, wollten Kinder mit ihren Eltern
teilen können. Ausserdem dürfte es für diese frühen Schritte in
# 06 ~ 2023
~ Dossier ~
GEHEIMNISSE
53
die Autonomie leichter fallen, die Grenze zu den Erwachsenen
erst einmal dort zu ziehen, wo man nicht mit ihnen in Konflikt
gerate. Natürlich würden auch Missetaten und Missgeschicke
nicht immer gleich preisgegeben oder etwas anders erzählt,
als sie sich zugetragen haben. Mit Absicht und über längere
Zeit etwas den Eltern vorzuenthalten, gelinge kleinen Kindern
jedoch kaum.
VERSCHWIEGENHEIT ALS WICHTIGES
MERKMAL VON FREUNDSCHAFTEN
Das wird im Schulalter etwas anders. Neben viel Schönem behalten
Kinder jetzt manchmal ebenso Dinge für sich, die untersagt
sind, ein wenig riskant oder peinlich. Oft schützen sie
damit auch Gleichaltrige, wie Valtin und Flitner wissen. Das
Geheimnis unterstützt aber auch in dieser Phase eine wichtige
Entwicklungsaufgabe: Es verbindet Kinder, es besiegelt Freundschaften
und verleiht ihnen Tiefe. Schon für Sieben- und Achtjährige
gehört die Verschwiegenheit zu den wichtigen Merkmalen
einer Freundschaft, mit den Jahren nimmt das Teilen und
Wahren von Privatem einen immer grösseren Stellenwert ein.
Gleichzeitig behält das Geheimnis weiter seine abgrenzende
Funktion gegenüber der Kontrolle der Erwachsenen.
Werde aus der einst allumfassenden Nähe von Eltern und Kindern
schliesslich eine Beziehung, in der die Jungen sich ihren
Freiraum gesichert hätten und Differenzen offen zum Thema
gemacht werden könnten, verlören solche Heimlichkeiten an
Bedeutung, so Valtin und Flitner. Geheimnisse werden unsere
Kinder und Grosskinder dennoch durch ihr Leben begleiten.
Und wir werden uns damit abfinden müssen, dass sie selbst
entscheiden, ob sie uns diese anvertrauen wollen oder nicht.
Manchmal reicht es aber auch einfach, etwas Geduld zu haben.
Denn was die ganze Geheimniskrämerei so schwer mache, sagt
der Psychologe Michael Slepian, sei doch: Dass sie eigentlich
dem urmenschlichen Drang zuwiderlaufe, unsere Erlebnisse
und Gedanken mit anderen zu teilen. Und so siegt oft doch, was
uns im Innersten ausmacht: Der Wunsch, so gesehen, gekannt
und geliebt zu werden, wie wir sind.
•
Falls Sie mit dem Grossvater das Geheimnis in der Tasche entdecken möchten, schreiben Sie eine Mail
mit Ihrer Adresse an die Redaktion des Grosseltern-Magazins: redaktion@grosseltern-magazin.ch.
Wir haben zehn rote «Decoderbrillen», welche wir per Post verschicken.
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54
~ Dossier ~
GEHEIMNISSE
«Vertrauensbeweise
wertschätzen »
Die Erziehungswissenschaftlerin Renate Valtin erzählt,
wie sich kindliche Geheimnisse über die Generationen verändert
haben – und wie Grosseltern reagieren sollten, wenn die
Enkelin ihnen etwas anvertraut, von dem die Eltern nichts wissen.
Von ÜMIT YOKER (Interview)
Frau Valtin, hat sich der Umgang mit kindlichen
Geheimnissen im Lauf der Generationen verändert?
Welche Rolle spielt die Strafe beziehungsweise
die Furcht davor?
Noch vor hundert Jahren überwog der autoritäre
Erziehungsstil. Eltern forderten Disziplin und
Gehorsam und setzten dies auch mit körperlichen
Strafen durch. Heute werden viel stärker
Individualität, Bedürfnisse und Selbstständigkeit
der Kinder betont. Aber auch in unseren Studien
nennen Kinder im Alter von acht Jahren oder mehr
vor allem die Angst vor elterlicher Bestrafung als
Grund für die Geheimhaltung von Missetaten.
Haben Kinder heute andere Geheimnisse
als ihre Grosseltern einst?
Die Funktion von Geheimnissen ist dieselbe geblieben:
Sie dient als Abgrenzung gegenüber der Kontrolle
durch die Erwachsenen und als Verbindung
zwischen Freund:innen. Unter Geheimhaltung
kann vieles erprobt werden und sich entfalten,
was bei völliger Öffentlichkeit nicht möglich wäre.
Dass Kinder zum Teil aber andere Geheimnisse
haben als früher, legen zumindest unsere Untersuchungen
zum Lügen nahe. In Studien aus den
1920er-Jahren diente die kindliche Lüge sehr häufig
als Selbstschutz. Gelogen wurde zum Beispiel,
um Naschhaftigkeit zu vertuschen oder wenn man
etwas kaputt gemacht hatte, wenn man häuslichen
Pflichten nicht nachkam oder in der Schule etwas
Negatives vorgefallen war. In unseren Arbeiten
fast 80 Jahre später sprachen Kinder schon viel
seltener von Lügen als Selbstschutz. Die besseren
materiellen Verhältnisse, eine unterstützendere
Haltung der Eltern gegenüber ihren Kindern, eine
geringere Neigung zu Strafen sowie ein liberaleres
Schulklima haben dazu sicherlich beigetragen.
Vertrauen Kinder den Grosseltern bestimmte
Geheimnisse eher an als ihren Eltern?
Wie sollte man reagieren, wenn die Enkelin
um Geheimhaltung bittet – es aber wichtig wäre,
dass die Eltern ebenfalls Bescheid wissen?
Wenn Kinder aus Angst vor elterlicher Strafe
gewisse Missetaten geheim halten, sind sie ihren
Grosseltern gegenüber vermutlich offener – wenn
sie diese als toleranter erleben. Grosseltern sollten
solche Vertrauensbeweise wertschätzen. Wichtig
ist die Unterscheidung zwischen schönen und
schlimmen Geheimnissen: Über verbotene oder
gefährliche Sachverhalte sollten auch die Eltern
informiert werden. Grosseltern sollten darum mit
ihren Enkelkindern besprechen, warum es wichtig
ist, diese ebenfalls einzubeziehen. •
RENATE VALTIN
ist emeritierte Professorin
für Erziehungswissenschaft
und
Grundschul pädagogik.
Zusammen mit
Elisabeth Flitner hat
sie die Entwicklung
und Bedeutung von
Geheimnissen bei
Kindern erforscht.
Valtin lebt in Berlin.
# 06 ~ 2023
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Wo Heimlichkeiten Magie schaffen:
Weihnachtsgeheimnisse aus
der Redaktion des «Grosseltern».
24 MAGISCHE SÄCKLEIN
Meine Mutter machte für uns jedes Jahr
einen Adventskalender. Für meine Schwester
und mich. Und für meinen Vater. Sie hat
sie selber gebastelt: eine grosse Scheibe
Karton mit Filz überzogen, einem grossen
Samichlaus drauf und 24 magischen
roten Filzsäckli, die an goldenen Ringen
hingen. Diese wiederum hat sie jeweils
neu gefüllt. Mit Lindorkugeln, goldenen
Schoggitalern, Sprudelbonbons, mit kleinen
handgeschriebenen Gutscheinen und
Weisheiten. Später auch mal mit Geld. Sie
hat mir diesen Adventskalender bis zu meinem
Auszug gemacht – ja, vielleicht, sehr
wahrscheinlich sogar, auch noch darüber
hinaus. Ich habe diesen Adventskalender
geliebt. Ein einziges Mal habe ich am ersten
Tag in alle Säcklein geguckt. Das war
sehr dumm von mir.
Heute mache ich meinen Gottikindern
jeweils auch einen Adventskalender voller
kleiner Geheimnisse. Meine Kinder wiederum
bekommen ihren von ihren Gottis.
Und wer weiss: Vielleicht gibts auch mal
wieder einen für mich.
GERALDINE CAPAUL, CHEFREDAKTORIN
VOM CHLAUS UND
SEINEN SCHUHEN
Eines meiner schönsten Erlebnisse als Samichlaus
war mit dem Kind einer befreundeten
Familie. Ich hatte mich als Samichlaus
verkleidet und besuchte die Familie und deren
Freunde im Wald an einer Feuerstelle.
Anschliessend ging ich bei den Familien zu
Hause vorbei und durfte da noch eine warme
Suppe essen. Eines der Kinder kam auf mich
zu und meinte, dass ich die gleichen Schuhe
hätte wie der Samichlaus, der gerade im
Wald vorbeigekommen sei.
Ich denke, die Kinder glauben so lange an
den Samichlaus, wie sie an ihn glauben
wollen.
An Weihnachten mussten wir Kinder jeweils
in unsere Zimmer und etwas in Ruhe
spielen. Irgendwann hörten wir dann ein
feines Glöcklein läuten – das war das
Christkind. Wir durften rauf. Für mich eine
der schönsten Erinnerungen: Alles dunkel
und nur die Kerzen am Baum strahlten
ein warmes Licht aus.
DOMINIK ACHERMANN, VERLEGER
GESCHICHTENSCHATZ
Bis jetzt haben wir unserer Tochter immer eine Geschichte vorgelesen, bevor sie ins Bett
ging, oder sie schaute sich «Peppa Pig» oder «Willi wills wissen» an. Seit sie nun in die
Schulbibliothek geht, nimmt sie Bücher nach Hause und wir lesen manchmal abwechselnd
«Die drei ???». Es ist wunderbar mitzuerleben, wie bei ihr das Geheimnis der Buchstaben
zu Wörtern und Sätzen und somit zur geschriebenen Sprache wird. Gut erinnere
ich mich daran, als ich als Kind die Leuchtreklamen-Buchstaben zusammensetzen
konnte. Ein schönes Gefühl!
Bald ist Advent, und vielleicht ist es diesmal an der Zeit, unsere alljährlichen
24 Advents-Eulen aus Kartonrollen nicht mit kleinem Krimskram zu füllen. Sondern
eine Geschichte in 24 Stücke aufzuteilen und auf Zettelchen zu schreiben!
IRENE MEIER, GRAFIKERIN
# 06 ~ 2023
56
Psst! Gute und schlechte
Geheimisse
Christin-Marie Below
und Andrea Russo (Hg.),
Dragonfly, 2022.
208 Seiten, ca. 25 Franken.
Ein «Zusammenlesebuch»
ist dieser Band, in dem
Kinderbuchkünstler:innen
von Geheimnissen erzählen,
die glücklich machen,
und von solchen, die weh-
tun. Mitentwickelt vom
Deutschen Kinderschutzbund.
Ich bin Alex
Jean-Loup Felicioli,
Verlag Jacoby & Stuart, 2022.
80 Seiten, ca. 35 Franken.
Vor ihrem ersten Tag an
der neuen Schule hat
Alex Respekt: Was, wenn
jemand hinter ihr Geheimnis
kommt? Aus der Sicht
eines Trans-Kindes erzählt
diese Geschichte von
Sorgen und Nöten, Freundschaft
und Stärke.
Buchtipps
Rosalie – Als mein Vater
im Krieg war
Timothée de Fombelle /
Isabelle Arsenault,
Gerstenberg, 2020.
64 Seiten, ca. 21 Franken.
«Ich habe ein Geheimnis.»
So beginnt diese Geschichte
aus dem Ersten Weltkrieg.
Rosalie spürt, dass
etwas nicht stimmt mit den
Briefen vom Vater, die ihre
Mutter ihr vorliest – und
entwickelt einen geheimen
Plan.
The Secret Life Of Secrets (engl.)
Michael Slepian, Verlag Little,
Brown and Company, 2023.
256 Seiten, ca. 28 Franken.
Der amerikanische Psycho-
loge Michael Slepian beschreibt
hier das «geheime
Leben der Geheimnisse».
Warum hüten wir Geheimnis-
se, wie gehen wir am besten
mit ihnen um – und wann
ist es Zeit, sie zu lüften?
« Kinder
ertragen
mehr, als man
meint – aber
sie dürfen nicht
allein gelassen
werden »
Familiengeheimnisse sind über
mehrere Generationen hinweg
belastend. Warum die Wahrheit
für Kinder besser ist als ein
Tabu, erklärt die psychologische
Beraterin Anna von Senger.
Von ANNA SIX (Interview)
Frau von Senger, weshalb meinen
viele Eltern und Grosseltern, es
sei besser für Kinder, belastende
Dinge aus der Familiengeschichte
nicht zu erfahren?
Sie glauben, Kinder und Enkel vor
schwierigen Tatsachen beschützen zu
müssen, die für sie selbst traumatisierend
waren oder sind. Zudem wollen sie
möglicherweise auch sich selbst schützen:
Trotz gesellschaftlichem Wandel
gibt es einige Tabu-Themen, die zutiefst
scham- und schuldbehaftet sind. Mit
der Geheimhaltung wollen Betroffene
Kritik, Bewertung oder gar Verurteilung,
aber auch die eigene Auseinandersetzung
mit dem Thema umgehen.
Hartnäckige Tabus sind Suizid, uneheliche
Kinder, Kriminalität, Missbrauch
oder Gewalt in der Familie.
Was geschieht psychologisch, wenn
solche Ereignisse über Generationen
hinweg verschwiegen werden?
# 06 ~ 2023
~ Dossier ~
GEHEIMNISSE
57
Bei der transgenerationalen Weitergabe
werden unaufgelöste Traumata an die
Nachkommen weitergegeben. Traumatisierte
Eltern bleiben dem Zeitpunkt
des Traumas behaftet und das drückt
sich in ihren Gefühlen aus. Fakten
können verschwiegen werden, Gefühle
widerspiegeln sich im Verhalten. Für
den Betroffenen ist das Schweigen ein
Bewältigungsmechanismus; die Vermeidung
kann bis zur Abspaltung führen.
Dies erschwert aber die Bindung zum
Kind. Im Bedürfnis, diese Schwere
begreifen zu wollen, erschafft das Kind
die verschwiegene Erfahrung in seiner
Fantasie neu und die Gefühle werden
übernommen. Man spricht hier von
Übertragung. Die Folgen, die oft eine
Generation überspringen, sind unerklärliche
Ängste und Zwänge, rätselhafte
Bilder bis hin zu Gefühlen der
Selbstentfremdung.
Manchmal ist etwas Geheimgehaltenes
auch viel näher, zum Beispiel
wenn der Vater oder die Mutter
schwer erkrankt sind und in der
Familie nicht darüber gesprochen
wird. Weshalb wäre es in solchen
Situationen wichtig für Kinder,
Klarheit vermittelt zu bekommen?
Kinder haben ein ausgeprägtes Gespür
für das Nonverbale, für ein Verhalten,
das von Bekanntem abweicht. Sie spüren,
dass etwas nicht stimmt, können
es aber nicht einordnen. Allein gelassen
mit diesem ambivalenten Gefühl beginnen
sie selbst zu interpretieren und
sehen schliesslich darin nicht selten
ihre eigene Schuld. Um ein Geheimnis
aufrecht zu erhalten, wird gelogen. Und
wer angelogen wird, verliert Vertrauen.
Das wirkt trennend für die Beziehung.
Lügen und Geheimnisse reissen also
einen tiefen Graben zwischen Eltern
und Kinder. Später sagen diese Kinder,
sie wären nie wahrgenommen worden
– oder sogar betrogen worden. Zudem
vermitteln diese Eltern oder Grosseltern
die Strategie, Schwieriges unter den
Teppich zu kehren.
Wie spricht man denn mit Kindern
altersgerecht über Tabus und Krisen?
Indem man die Fakten auf den einfachsten
Nenner herunterbricht.
Mitgeteilt wird nur der Grundsatz und
ja keine angsteinflössenden Details.
Ein Grossonkel, der aufgrund seiner
versteckten Homosexualität depressiv
wurde und schliesslich Suizid beging,
ist «so traurig gewesen, weil er nicht
ehrlich sein konnte, dass er selbst in
den Himmel ging». Dafür muss der
Geheimnisträger im Stande sein, empathisch
die kindliche Perspektive einzunehmen.
Das setzt voraus, dass er sich
mit dem Thema auseinandergesetzt hat,
sprich sein eigenes Trauma überwunden
hat, wenn nötig mit professioneller
Hilfe.
Wie soll das Kind mit dem umgehen,
was es erfahren hat? Kann es fürs
Kind auch eine Last sein, ein Geheimnis
für sich zu behalten?
Kinder ertragen mehr, als man meint.
Nur dürfen sie mit der Wahrheit nicht
wieder allein gelassen werden. Fragen
Sie es nach seinen Gefühlen, die die
Wahrheit ausgelöst hat, und beantworten
Sie all seine Fragen, bis es zufrieden
ANNA VON SENGER
ist Einzel-, Paar- und Familienberaterin
mit eigener
Praxis in Zürich. Ihre Ausbildung
absolvierte sie am Institut für
Körperzentrierte Psychotherapie IKP.
annavonsenger.ch
ist. Wenn Sie zudem noch über die
Gründe und die Absicht der Geheimnistuerei
wie Schutz, Scham oder
Schuldgefühle sprechen, kann das Kind
Verständnis aufbringen für die Geheimhaltung
gegenüber dem Umfeld. Betrifft
es allerdings das Kind direkt, wie bei
einem Kuckuckskind, kann eine grosse
Lebenskrise mit Identitätsproblemen
ausgelöst werden, was eine psychologische
Begleitung unumgänglich macht.
Inwiefern lebt man besser, nachdem
man ein langgehütetes Geheimnis
gelüftet hat?
Wer eine schwere Last beichten kann,
fühlt sich danach befreit und erleichtert.
Im Gegenzug entwickelt das Kind
Klarheit und dadurch Verständnis und
Vertrauen. So verschwindet der Graben
und es entstehen wieder Nähe und
Verbundenheit, gemeinsames Trauern,
sogar Versöhnung und Vergebung sind
möglich.
Gibt es Geheimnisse, die zu Recht
mit ins Grab genommen werden?
Beziehungsweise kann es manchmal
besser sein, nichts zu sagen?
Wenn ein Geheimnis keine emotionale
Bedeutung und praktische Konsequenzen
auf das Leben der einzelnen Familienmitglieder
inklusive des Geheimnisträgers
hat, muss es nicht unbedingt
sein. Wer nach 30 Jahren einen einmaligen,
harmlosen Seitensprung beichtet,
richtet vermutlich mehr Schaden an,
als es nutzt.
Welche therapeutischen Methoden
gibt es, um einem Geheimnis auf die
Spur zu kommen?
Alle Methoden, die mit Gespür und
Intuition arbeiten, sind dafür geeignet.
Ideal ist deshalb eine Familienaufstellung
(oder auch Familienbrett), bei
der die einzelnen Familienmitglieder
stellvertretend positioniert werden, um
so die Dynamik, Verflechtungen und
Muster und eben auch Traumata zu
erkennen. •
# 06 ~ 2023
58
~ Aus der Praxis ~
DER HAUSARZT
Illustration: Irene Meier
Winterliche Erinnerungen
Ein Gedenkstein am Wegrand ruft bei unserem Hausarzt
fast vergessene Bilder wach. Der Wald, den er so liebt, hat ihn
auch mit tragischen Ereignissen konfrontiert.
Zur Gedankenwelt des Hausarztes gehören
viele Erinnerungen. Manches fehlt, und wenn
Freunde des Arztes über etwas berichten, das
man gemeinsam erlebte, kann es vorkommen, dass
er an Stelle dieses Ereignisses nur einen weissen
Fleck wahrnimmt: ausgelöscht, abgetaucht, vergessen!
Anderes ist verborgen, aber plötzlich wieder da.
Einiges jedoch ist unauslöschlich und immer präsent.
Wie Erinnerungen festgehalten werden, ist geheimnisvoll,
oft sind es Orte, Gerüche, Geräusche,
Töne oder Stimmungen.
Auf einem seiner Streifzüge durch die grossen Wälder
und Hügel um das Dorf stösst der Arzt auf einem
abgelegenen Forstweg unvermutet auf einen
Gedenkstein – und sofort ist alles wieder da. Hierher
wurde er zu dem Verunfallten gerufen, an einem
kalten Wintertag vor 35 Jahren. Es geschah an
einem freien Nachmittag. Es läutete und ein bleicher,
verstörter Forstwart stand vor der Türe. Er solle
sofort mitkommen. Die Ambulanz sei alarmiert,
aber wir zwei seien schneller beim Unfallort. Es ging
hoch in ein abgelegenes Wald tälchen, zuerst auf Asphalt,
dann auf Naturstrasse. Auf der Fahrt erfuhr
der Arzt, dass beim Fällen eines Baumes ein Nachbarbaum
gestreift und dass jener dadurch auch umgerissen
wurde, aber in die Gegenrichtung krachte
und den Kameraden mit der Motorsäge in der Hand
unter sich begrub. Da lag der junge S., der noch im
letzten Sommer mit Traktor und Wagen beim Zügeln
geholfen hatte. Der Nacken war unnatürlich
verdreht, der Tod musste sofort eingetreten sein. Polizei
und Erkennungsdienst waren bald alarmiert.
Auf dem Rückweg kam uns die Ambulanz entgegen.
Der Arzt schickte sie zurück. Mit den Polizisten vereinbarte
er, dass er selbst die Benachrichtigung der
Eltern übernehmen würde.
Als er jüngst durch das winterliche Dorf fuhr, erhaschte
er einen kurzen Blick in die warm erleuchte
# 06 ~ 2023
59
te Stube des Bauernhauses. Der innere Film begann
zu laufen: die Mutter und der Vater des Verunfallten
mit ihm als jungem Arzt am Stubentisch, seine Verstörtheit,
seine trotzdem ruhige Stimme im Dialekt
der Landschaft, seine Verbundenheit mit den Bauern
und Forstleuten, seine Erfahrung aus den Jahren
im Ausland mit den vielen Toten. Er war nie ein
besonders mutiger Mensch, aber Mut kann man sich
auch aneignen. Wichtig war es, die Gewissheit zu
verspüren, dass man der richtige Mensch zur richtigen
Zeit war. Wie hätte er sich drücken können, die
traurige Nachricht zu überbringen. Die Eltern dankten
es ihm, solange sie lebten. Er konnte mit ihnen
trauern. Glücklicherweise war die Familie mit ein
paar Schwestern und einem weiteren Bruder gesegnet.
Das ganze Dorf versammelte sich in der Kirche.
Es waren ergreifende Momente, wo alle kleinen Ärger
und Alltagssorgen in den Hintergrund traten und
sich die Essenz des Lebens zeigte.
Jetzt reisst die Kette der Erinnerungen nicht mehr
ab. Jahre später verunfallte der eigene Sohn des
Hausarztes in der Forstwartlehre zweimal schwer.
Er konnte gerettet werden. Kurz darauf verletzte
ein fallender Baum den Sohn jenes Forstwartes, der
den Arzt damals zu S. gerufen hatte. Er lebt schwer
behindert weiter. Noch viel später zerquetschte ein
von einem Holzstoss rollender grosser Stamm den
Unterschenkel des Bruders von S. Dank der Kunst
der Chirurgen konnte das Bein gut und funktionsfähig
erhalten werden. Und das waren nicht die einzigen
Opfer in diesem gefährlichen Beruf, die Reihe
wächst und wächst.
Der Wald, der dem Hausarzt seit seiner Kindheit so
viel bedeutet, hat nicht nur geschenkt, sondern auch
genommen. Trotzdem zieht es ihn immer wieder in
den Forst. Das gilt ja für viele Menschen, denkt er.
Die einen zieht es an den See oder ans Meer, die
andern in die Berge, in den Fels, ins Eis und den
Schnee, und noch andere fühlen sich am wohlsten
in der Luft. Immer wieder verunfallen Menschen an
ihren Lieblingsorten, manche bleiben dort für immer.
Die Erinnerungen aber spinnen ihre eigenen
Geschichten, und ob sich alles genau so abspielte,
wie er sich erinnert, stört das Andenken nicht. Der
ewige Wald lebt und fordert unseren Respekt. Bäume
werden älter als Menschen und können Generationen
überdauern. Ins Sprechstundenzimmer hinein
grüsste über all die Jahre ein kleiner Baumgarten,
der wie ein Kalender die Jahreszeiten anzeigte. Im
Frühling eine weisse Blütenpracht, im Sommer dichtes
Laub, im Herbst die Farbtupfer der Äpfel, später
die rotgolden verfärbten Blätter und im Winter die
kahlen Äste, aus denen der Schnee Skulpturen zauberte.
Der Kreislauf des Jahres im Baumgarten war
ein Sinnbild für den grossen des Lebenszyklus. •
EDY RIESEN (77)
war als Hausarzt in Ziefen
(BL) tätig. Er führte bis
vor Kurzem eine Praxis mit
seinem Schwiegersohn
und ist mehrfacher
Grossvater.
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60
~ Aus der Praxis ~
DIE HEBAMME
Wenn Intimes
sichtbar wird
Stillen in der Öffentlichkeit ist ein Thema, das immer wieder
Zündstoff bietet. Unsere Kolumnistin weiss alles über die
Vorzüge der Muttermilch – aber auch, wie fragil die Stillbeziehung
sein kann. Damit Stillen klappt, braucht es die ganze Familie.
Stört es Sie, liebe Leserin, lieber Leser, wenn
eine Frau in der Öffentlichkeit ihr Kind stillt?
Alle paar Wochen poppt das Thema in den
Medien auf. Die OnlineKommentarspalten sind jeweils
voll von teilweise gehässigsten Kommentaren.
Bei einem kürzlich auf «20 Minuten» publizierten Artikel
über die Wegweisung einer stillenden Frau in
einem Ausweiszentrum fühlten sich über 250 Menschen
bemüssigt, einen Kommentar zu hinterlassen.
«Muss man eigentlich mit einem Baby ständig unterwegs
sein?», wird da etwa gefragt. Oder: «Keine unserer
Mütter hat den Busen in der Öffentlichkeit ausgepackt.
Unsere Mütter waren organisiert und kannten
den Rhythmus des Kindes oder der Kinder!»
Mich machen solche Kommentare sehr ratlos, ja eigentlich
auch wütend. Das Kind zu stillen und ihm
Muttermilch zu geben, ist wohl eines der grössten Geschenke,
das eine Mutter ihrem Kind machen kann.
Muttermilch enthält lebenswichtige Abwehr und
Inhaltsstoffe und ist von der Zusammensetzung her
genau auf die Bedürfnisse des Kindes abgestimmt.
Muttermilch steht jederzeit zur Verfügung, das Erwärmen
eines Schoppens entfällt. Das Stillen fördert
bei der Mutter die Rückbildungsprozesse und hat
eine präventive Wirkung auf Brustkrebs. Stillen ist
jedoch anstrengend, Stillen braucht Zeit. Manchmal
ist der Stillstart nicht ganz so einfach und braucht
viel Unterstützung durch die Hebamme. Manchmal
kann eine Frau nicht stillen und ist deswegen sehr
enttäuscht und traurig. Einige Frauen entscheiden,
ihr Kind nicht zu stillen. Das ist auch vollkommen in
Ordnung, denn jede Frau soll selber über ihren Körper
entscheiden können.
Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt, das
Kind über das erste Lebensjahr hinaus zu stillen. In
der Schweiz stillen zwar initial viele Frauen, doch nur
wenige stillen übers erste Lebensjahr hinaus. Wenn
eine stillende Frau nach 14 Wochen Mutterschaftsurlaub
an die Arbeitsstelle zurückkehren muss, hätte
sie zwar gemäss Gesetz Anrecht auf bezahlte Stillpausen
beziehungsweise auf Zeit zum Abpumpen.
In vielen Branchen ist Stillen und Arbeiten jedoch
nicht möglich. Die Arbeitgeber:innen schaffen die
Möglichkeiten nicht, sodass Frauen frühzeitig abstillen.
Damit eine Stillbeziehung gut klappen kann,
braucht es jedoch nicht nur gesetzliche Rahmenbedingungen,
sondern es braucht Unterstützung und
Wohlwollen. Studien zeigen, dass die Haltung des
Partners zum Stillen, aber auch die Einstellung der
ganzen Familie wichtig sind, damit eine Frau stillt.
Ebenso sehr braucht es eine Gesellschaft, die tolerant
ist und stillende Frauen nicht aus der Öffentlichkeit
verbannt. Schlagzeilen in den Medien und entsprechende
Kommentare sind auf alle Fälle nicht förderlich,
um dem Kind das zugutekommen zu lassen, was
es am meisten braucht: Muttermilch! •
BARBARA STOCKER KALBERER (55)
ist seit mehr als zwanzig Jahren
als Hebamme tätig. Sie ist seit 2013
Präsidentin des Schweizerischen
Hebammenverbands, wohnt im Kanton
Aargau und begleitet zusammen mit
ihrem Mann drei Kinder auf dem Weg ins
Erwachsenenalter. hebamme.ch
# 06 ~ 2023
~ Aus der Praxis ~
DIE PSYCHOLOGIN
61
Wenn das Leben
Bauchweh macht
EINE GROSSMUTTER (73) FRAGT:
Meine Enkelin, eine Erstklässlerin, klagt gegenüber ihrer Mutter immer
wieder über Bauchweh und andere Wehwehchen. Sie sagt, sie wolle deswegen nicht in den Hort
oder müsse früher abgeholt werden. Meine Tochter will dies natürlich ernst nehmen,
zweifelt aber, ob sie mit ihrem Entgegenkommen nicht doch zum Spielball kindlicher Launen wird.
Also dass die Beschwerden vielleicht gar nicht «echt» sind, sondern das Mädchen
damit die Mutter an sich bindet. Gegenüber dem Vater ist das Bauchweh kein Thema. Auch bei uns
Grosseltern zeigt das Kind normales Verhalten. Wie sollen wir mit der Situation
umgehen – vor allem auch, um die Mutter zu entlasten?
Bauchweh bei einem Kind in diesem Alter kann
verschiedene Gründe haben, körperliche oder
seelische. Probleme mit der Verdauung, ein
Darminfekt oder auch zu fettiges oder zu süsses Essen
sind mitunter Auslöser für körperlich bedingte
Bauchschmerzen. Vor allem bei Schulkindern treten
jedoch oft seelische Ursachen in den Vordergrund.
Ihr Enkelkind hat vor Kurzem die erste Klasse begonnen.
Dieser Wechsel vom Kindergarten in die Schule
ist mit Herausforderungen verbunden, die einem
kleinen Kind schon zu schaffen machen können.
Da Ihre Enkelin nicht durchgehend über Schmerzen
klagt, vermute ich ein seelisch verursachtes Unwohlsein.
Naturgemäss kann sie in ihrem Alter noch nicht
genau ausdrücken, was sie so fest beschäftigt. Sie behilft
sich mit Umschreibungen, die sie von klein auf
kennt und von denen sie weiss, dass die Erwachsenen
es ernst nehmen: Bauchweh. Und sie lässt es vor
allem ihre Mutter wissen, weil sie offenbar diejenige
ist, von der sie abends im Hort abgeholt wird.
Was ist zu tun? Ich würde empfehlen, dass sich die
Mutter an einem ruhigen Abend zu dem Kind setzt,
eine angenehme Atmosphäre schafft, um zu erfahren,
was das Kind so bedrückt. Hilfreich wäre es zudem,
wenn dabei das Bäuchlein des Kindes gestreichelt
würde, sich vielleicht auch der Lieblingsteddy
dazugesellt. Lassen Sie mich einige Fragen formulieren,
die zur Klärung beitragen können:
• Musst du abends lange auf mich warten? (Wir wissen
ja alle, wie quälend langsam die Zeit vergeht, wenn
man auf einen lieben Menschen wartet.)
• Bist du das letzte Kind, das abgeholt wird?
• Was machst du in der Zeit? (Oftmals sind die Betreuer:innen
mit der Verabschiedung der anderen Kinder
beschäftigt, sodass sie sich den verbleibenden nicht
mehr richtig zuwenden können.)
• Ist eines der Kinder böse zu dir?
• Hat dein Teddy manchmal auch Bauchweh? Wieso?
Je nach dem, was die Mutter vom Kind erfährt,
sollte das Gespräch mit den HortBetreuer:innen gesucht
werden. Falls möglich, könnten die Eltern versuchen,
zumindest einmal in der Woche das Kind
früher abzuholen. Möglicherweise ist es abends einfach
nur so müde, dass es sich nichts sehnlicher
wünscht, als endlich wieder bei den Eltern und zu
Hause zu sein.
•
DAGMAR SCHIFFERLI (72)
ist Psychologin und Dozentin für Gerontologie
und Sozialpädagogik, veröffentlicht zudem
Romane und Erzählungen. Sie hat eine Tochter
und drei Enkelkinder. dagmarschifferli.ch
Fragen an: beratung@grosseltern-magazin.ch
Die Fragen werden anonymisiert.
# 06 ~ 2023
62
EIN TAG IN
BIEL/BIENNE
ANNA SIX (Text) und MARIE-ANNE SPROSS (Illustration)
Es heisst, Biel sei die meistunterschätzte Stadt
der Schweiz. Für Kinder hat sie ganz viel zu bieten:
vom Uhrenmuseum bis zur Schluchtenwanderung,
vom Abenteuerspielplatz bis zum Glücksrüebli.
1
2
6
4
5
BIEL
3
# 06 ~ 2023
~ Service ~
UNTERWEGS
63
1
TAUBENLOCHSCHLUCHT
Eine Schlucht so nahe bei einer
Stadt – das gibts nirgendwo sonst in
Europa. Die rund einstündige Wanderung
vorbei an Höhlenwänden, über
Brücken und durch Felsportale ist
für alle Generationen spektakulär.
Kindern vermittelt ein interaktives
Quiz mit Eichhörnchen Moritz und
Wasseramsel Charlotte viel Spannendes
zum Element Wasser. Tipp: Die
Schlucht von oben durchwandern und
sich zum Start im schönen Restaurant
des Gorges in Frinvillier stärken.
2
TIERPARK
Kurz bevor man aus der Taubenlochschlucht
zurück in die Stadt gelangt,
liegt am Fuss des Bözingenbergs
der Tierpark Biel. Familien entdecken
hier heimische Tiere wie Mufflons,
Murmeltiere, Wildschweine, Rothirsche,
Gemsen und Waschbären.
Einige darf man füttern. Oder auch
einfach den eigenen Zvieri auf dem
Spielplatz essen.
tierpark-biel.ch
3
MAGGLINGENBAHN
Von Biel aus fährt seit 1887 eine
Standseilbahn hinauf nach Magglingen.
Zuerst als Luftkurort bekannt,
beherbergt Magglingen heute das
Bundesamt für Sport – samt öffentlicher
Aussichtsterrasse. Hier bietet
sich eine atemberaubende Aussicht
vom Weissenstein über die Alpenkette
bis zum Murtensee.
4
KINDERBAUSTELLE
UND BEGEGNUNGSPLATZ
Derzeit in der Winterpause, lädt der
Bauplatz Gurzelen ab Mitte April
wieder zum Hämmern, Zimmern und
Schrauben ein. Am Mittwoch, Freitag
und Samstagnachmittag können
Kinder hier ihre handwerklichen
Fantasien ausleben (vor der 1. Klasse
nur mit erwachsener Begleitung). Der
öffentliche Spiel und Begegnungsplatz
auf dem Terrain ist ganzjährig
zugänglich. Dort gibts einen grossen
Sandhaufen für die Kleinen, Sitzgelegenheiten
für die Älteren, Spielgeräte
und eine Feuerstelle.
5
CITÉ DU TEMPS
Unter einem gemeinsamen Dach
aus Holz – ein Wurf des japanischen
Architekten Shigeru Ban – wird die
Geschichte zweier welt berühmter
Bieler Uhrenmarken erzählt. Den
Olympioniken in sich entdecken oder
die aufregende Welt von James Bond
betreten kann man bei Omega; bunt
und poppig gehts bei Swatch zu und
her. Der Eintritt ist kostenlos.
citedutemps.com
6
ROBINSON-SPIELPLATZ
Den ganzen Dezember über können
Kinder auf dem «Robi» Kerzen ziehen.
Rund ums Jahr bietet dieser betreute
Abenteuerspielplatz einen Ort, wo
Kinder (ab der 1. Klasse) ihre eigenen
Spiel und Bastelideen verwirklichen,
ohne dass sie jemand dabei stört. Hinter
dem Angebot steht der Verein Pro
Robinson. Seine Ziele: soziale Integration
und Kinder in ihrer Persönlichkeit
fördern. Geschlossen während der
Schulferien.
robinson-bielbienne.ch
~ Herausgepickt ~
RÄTSELN AUF SCHIENEN
«Grosses Moos» heisst die schöne Region zwischen dem südlichen Teil des Bielersees, dem Murtensee
und dem Neuenburgersee. Von dort kommt viel Schweizer Gemüse. Um Gemüse geht es auch im «Moosrugger-Rätsel»,
einem Familienausflug im Zug. «Moosrugger» heisst die Regionalbahn im Volksmund, weil sie gemütlich
durchs Seeland und das Grosse Moos «rugget». Die Kinder lösen unterwegs witzige Rätselposten und lernen nebenbei
viel über den Gemüseanbau. Wer das Seeländer Glücksrüebli findet, dem winkt lebenslanges Glück. Vielleicht
beissen Ihre Enkelkinder danach gleich beherzter ins Grünzeug.
Die Schnitzeljagd beginnt am Bahnhof Biel/Bienne beim Gleis 11 und führt in anderthalb Stunden über Ins
nach Täuffelen. Dort gibts zur Belohnung ein kleines Geschenk. Empfohlen für Kinder von 4 bis 10 Jahren. Jede Person
benötigt einen gültigen Fahrausweis, ein Spezialbillett ist nicht nötig. Die Rätselbroschüre ist kostenlos
erhältlich in den Reisezentren und Zügen von Aare Seeland mobil, an den Bahnhöfen Biel/Bienne und Ins oder online.
asmobil.ch/de/freizeit-und-ferien/freizeit/moosrugger-raetsel/
# 06 ~ 2023
64
~ Service ~
UNTERWEGS
Fotos: Privat
~ Übernachten ~
Hoch über dem
Alltag
Es war ganz toll bei Ihnen», sagt
eine Frau beim Auschecken an
der Rezeption des Tödiblick. Die
Antwort der Hotelchefin: «Wir haben einfach
tolle Gäste, das macht es uns leicht!»
Doch von vorne.
Toll, um beim Motto zu bleiben, findet die
Fünfjährige, dass eigens für unsere Anreise
eine Pferdekutsche bei der Bergstation
der Braunwaldbahn bereitsteht. Damit
zuckeln wir gemütlich das steile und
autofreie Dorf hinauf bis zum Hotel Tödiblick.
Noch macht es seinem Namen keine
Ehre; der Tödi ist von Wolken umhüllt.
Malerisch aus dem Grau ragt dafür der
Braunwalder Hausberg Ortstock. Obwohl
sich bisher erst die Pferde anstrengen
mussten, ist der Hunger gross. Da kommt
die reichhaltige Kinderkarte wie gerufen:
Soll es der Murmeli, Rehli, Geissli
oder doch der BärliTeller sein? Beim
Vater kommt dafür nach dem Essen ein
Gläschen vom Glarner BergGeist gut an.
Zum Glück regnet es, denn jetzt können
die einen das grosszügige Familienzimmer
für ein Mittagsschläfchen nutzen (der
Aprikosenbrand lässt grüssen), die ande
HOTEL TÖDIBLICK
Familie Stuber
Schwändibergstrasse 19
8784 Braunwald (GL)
055 653 63 63
hotel-toediblick.ch
Zwei Familienzimmer
für je 4 Personen (mit Doppelbett und
Kajütenbett), pro Person
ab 130 Franken. Kinder bis zum
6. Geburtstag gratis, ab 6 Jahren bis zum
12. Geburtstag 55 Franken,
ab 12 Jahren bis zum 16. Geburtstag
70 Franken. Inkl. reichhaltigem
Glarner Frühstücksbuffet.
Halbpension 5-Gang-Menü am Abend:
45 Franken pro Person.
Weitere Angebote:
Kostenloser Abhol-Service mit
hoteleigener Pferdekutsche,
gut ausgestattetes Spielzimmer,
Apéro-Lounge mit Cheminée,
Kinderspielplatz vor dem Haus.
ren das Spiel und Lesezimmer im Parterre
des Hotels. Der Achtjährige bekommt
glänzende Augen: sooo viele von seinen
Lieblingscomics! Das Zimmer punktet
mit viel hellem Holz, einer eindrücklichen
Fotografie des Glärnisch über dem
Elternbett und natürlich dem Kajütenbett
für die Kinder. Knapp endet die Frage,
wer oben schlafen darf, ohne Streit. Dass
die Elstern aus der benachbarten Tanne
unsere Sandwiches für den Wanderproviant
vom nächsten Tag vom Fenstersims
klauen, verschmerzen wir. Für Unternehmungsfreudige
macht das Tödiblick auf
Anfrage übrigens auch Lunchpakete.
Das Haus ist wie gemacht für Generationenferien
und feiern, stellen wir fest:
Gleich mehrere Familien vom Kleinkind
bis zum Grossvater bevölkern beim
Abendessen (unbedingt das HalbpensionMenü
geniessen!) und beim Frühstück
das Restaurant. Auch zwei Töchter der
Hotelchefin sind an diesem Wochenende
mit ihren Kindern heimgekommen nach
Braunwald. Und der Tödi? Leuchtet unterdessen
in der Sonne. Hoch über dem
Alltag, wie es im Werbespruch des Dorfes
heisst, ist es ganz einfach toll. ~AMO
# 06 ~ 2023
65
~ Wandern ~
Über viele Brücken musst du
gehn
BAUMA – NEUTHAL (ZH)
Start: Bahnhof Bauma
Ziel: Neuthal, Bushaltestelle
Wanderzeit: ca. 1 Stunde 45 Minuten
Einkehren: Gasthäuser in Bauma, z. B. Café Konditorei Voland
bauma.ch (Suchbegriff «Guyer-Zeller»)
Anderen wäre es schon schwindlig geworden, aber der Fünfjährige hat voll den Überblick. «Und», frage ich ihn,
«die wievielte Brücke ist das?» – «Die siebzehnte», antwortet er und hüpft schon weiter. 31 Brücken und 37 Treppen sind es,
die den Weg durchs Lochbachtobel im Tösstal so abwechslungsreich machen. Unsere Route gehört zu einem
Netz von recht spektakulären Spazier- und Wanderwegen in der Gegend um die ehemalige Textilfabrik in Neuthal bei Bauma.
Entworfen hat sie der Eisenbahn- und Industriepionier Adolf Guyer-Zeller (1839–1899). Er dachte damals
weniger an Sonntagsausflügler wie uns, sondern an seine Arbeiter:innen unterwegs zur Spinnerei. Es heisst, dass der ehrgeizige
Industrielle bei seinem Tod keinen Rappen für den Unterhalt der Wege hinterlassen habe. Darum kümmern
sich heute die Verkehrsvereine der umliegenden Gemeinden – und sorgen dafür, dass die Guyer-Zeller-Wanderwege zu jeder
Jahreszeit ein eindrückliches Erlebnis bieten. Zum Beispiel mit den typischen Kleinwasserfällen, den sogenannten
Giessen. Lochbachtobel heisst es nicht umsonst: Wir marschieren durch tiefe Nagel fluh-Kessel und erklimmen eine fast senkrechte
«Himmelsleiter» aus Eisen. Eine Plattform mit Bänkli zum Ausruhen gehört zum Glück dazu. Dafür ist der
Rastplatz am Scheitelpunkt der Wanderung, der Hohenegg, schon besetzt. Egal, denn jetzt gehts wiederum über Brücken und
Treppen bergab – und die Kinder vergessen vor lauter Zählen ihren Hunger. Kurz bevor wir die Fabrikanlage in
Neuthal erreichen, erwartet uns der Rastplatz Fledermaus. Er heisst so, weil in den Gebäuden des Industrie-Ensembles zwei
stark bedrohte Fledermausarten beheimatet sind. Das Museum Neuthal ist einen Besuch wert (siehe Seite 18);
die Saison beginnt wieder im Mai. Wer die Wanderung erst im Frühjahr unternimmt, kann auch jeden zweiten Sonntag in
einem der historischen Dampfzüge Platz nehmen, die hier dank dem Dampfbahn-Verein Zürcher Oberland
verkehren. Wir begnügen uns mit dem Linienbus, der uns zurück nach Bauma führt. ~AMO
Fotos: Privat
# 06 ~ 2023
66
~ Service ~
UNTERWEGS
Niko Pirosmani
bis 28.1.2024
Fondation Beyeler
Baselstrasse 101
4125 Riehen/Basel
Mo–So 10–18 Uhr,
Mi 10–20 Uhr, Fr 10–21 Uhr
(auch an allen Feiertagen geöffnet)
Erwachsene 25 Franken
Kinder und Jugend bis 25 gratis
jeden Sonntag Familienprogamme
fondationbeyeler.ch
Foto: Privat
MUSEUMSTESTER
Asya war in der
Pirosmani-Ausstellung
mit allen Sinnen dabei.
Georgischer Wein
und ein Lieblingsreh
Die Grossmutter freute sich auf die Ausstellung
von Niko Pirosmani aus Georgien in
der Fondation Beyeler. Ein wenig Angst
hatte sie vor dem Ausstellungsort in Riehen: ein Museum,
dessen Ausstellungen internationale Kunstereignisse
sind, würden da Kinder willkommen
sein? Gleich vorneweg: Ja, sie sind es! Das beginnt
beim Eintritt, der für Menschen bis 25 Jahre gratis
ist, geht über das Mitmachheft, ein veritables Bilderbuch
mit kreativen Ideen, bis zur Umgebung, in
der das Museum eingebettet ist. Dort kann man im
weitläufigen Park auslüften, Kühen auf der Weide
zuschauen, picknicken oder im Café den leckersten
Schokoladenkuchen geniessen.
Diesmal begleitete Nachbarin Asya (10) die Grossmutter
zu den naiven, leuchtenden Bildern voller
Tiere, Feste, alltäglichen Menschen und Situationen.
Im Audioguide fanden sie Bildbeschreibungen,
in denen ein 8jähriges Mädchen ganz einfach
erzählte, was es sah, was es sich dazu dachte und
wie es das Bild benennen würde. Das war die Initialzündung!
Asya und die Grossmutter begannen
zu diskutieren, ob sie das Gleiche sahen – war da
wirklich ein Loch neben der Standseilbahn, wie das
Mädchen beobachtet hatte, oder nur ein Bergschatten?
Sie untersuchten weitere Bilder auf diese Art.
Und schauten in den Katalog, der auch Fotos aus der
Zeit Pirosmanis (1863–1918) zeigte. Asya übersetzte
locker die Untertitel aus der Sowjetzeit dazu. Die
Grossmutter griff sich an die Stirn: Natürlich kann
ein Mädchen aus Saporischschja russisch lesen! Ein
neues Fenster tat sich auf – auf einer Flasche, Zutat
neben Schaschlik und Fisch für ein Festgelage, stand
nicht «Wodka», wie die Grossmutter klischeehaft gemeint
hatte, sondern «Wein Nr. 1». Und dann landeten
sie beim Bild einer statuenhaften Frau in Weiss
und die Geschichte dazu ist so berührend, dass sie
zur Legende wurde. Es geht um eine Million Rosen
für eine angebetete Varietétänzerin, einen gebrochenen
Künstler und spätes Verstehen der Dame,
was festgehalten ist im russischen Chanson «Eine
Million Rosen». Asya kannte das Lied! Beschwingt
suchten sie sich zum Abschied ihr jeweiliges Lieblingsbild:
ein Reh für Asya, für die Grossmutter eine
pralle, rot gekleidete Frau mit einem Krug Bier in
der Hand.
•
ELI WILHELM (63) testet mit Enkelinnen,
befreundeten Kindern und Jugendlichen
regelmässig Museen. museumstester.ch
# 06 ~ 2023
KULTURTIPPS
D SCHATZINSLE
Diverse Aufführungsdaten bis 31.12.2023
Bernhard-Theater
Sechseläutenplatz 1, Zürich
bernhard-theater.ch
Das Familienmusical erzählt die Geschichte der
kleinen Kim, die eine sagenumwobene Schatzkarte
erhält. Sie sticht in See und erlebt ein
kühnes Piratenabenteuer, an dem das Publikum
teilnimmt. Mit Songs von Adrian Stern,
Michael von der Heide und Ritschi. 75 Minuten
ohne Pause, ab 4 Jahren.
~ Ausflugstipps ~
WEIHNACHTSZEIT
Besinnliche Spaziergänge durch
die winterliche Nacht,
Weihnachtsmärkte und Vorführungen
verzaubern die
Adventszeit und bringen nicht nur
die Kinder zum Strahlen.
FAMILIENADVENT
20.12.2023 / 15–15.45 Uhr
Naturama Museum & Natur
Feerstrasse 17, Aarau
naturama.ch
Jedes Jahr im Advent nimmt sich Museumsputzfrau
«Petra Putzig» alias Gabi Schenker
Zeit und erzählt, was sie von den Tieren
erfahren hat. Im Märchen der Bremer Stadt-
musikanten gibt sie Esel, Hund, Katze
und Hahn eine Stimme. Ab 4 Jahren, Online-
Anmeldung bis 18. Dezember. Der Anlass
gehört zum Familien advent im Naturama.
EIN SCHAF FÜRS LEBEN
14.1.2024 / 15–14.50 Uhr
Stadttheater Langenthal
Theatersträsschen 1, Langenthal (BE)
stadttheater-langenthal.ch
Um die Geschichte einer unmöglichen Freundschaft
geht es in diesem Stück des Figurentheaters
Hand im Glück. In einer klirrend kalten
Winternacht treffen ein hungriger Wolf und ein
gutgläubiges Schaf aufeinander. Ihre Reise
ermöglicht den beiden erhellende Blicke auf
ihr ureigenes Ich. Ab 5 Jahren, Familienrabatt
auf Tickets.
DIE LIEBE IN MEINEM LEBEN
Diverse Spieldaten ab 2.2.2024
in Kaiserstuhl, Brugg, Zürich,
Bern und Würenlos
anjawinzig.ch/portfolio/liebe.html
Vier frauenliebende Frauen über 80 erinnern
sich an die Wendepunkte ihres Lebens. Zur
Audiocollage von Christina Baron und Ruth
Huber zeichnet Anja Sidler live. Ein poetisches
Bühnenstück über Liebe, Zusammenleben,
Identität und freie Lebensgestaltung.
Anzeige
Einen weihnachtlichen Spaziergang bei den
Rentieren machen Kinder und Erwachsene
auf dem Rentierhof Adventsweg zwischen
Uhwiesen und Dachsen. Besinnliche Lichter
weisen den Weg durch die Natur und
wer sich nach etwas Wärme sehnt, macht
es sich im Glühweinhäuschen gemütlich.
Aber auch mitten in der Stadt Zürich geht es
weihnachtlich zu und her: Gleich beim Bellevue
verzaubert das Wienachtsdorf seine
Besucher:innen. Die Kinder freuen sich dabei
besonders auf das Elfendörfli auf der
Terrasse der Oper mit liebevoll eingerichteten
MiniHütten und einem abwechslungsreichen
Programm. Spektakulär wird es in
Mugg’s Varieté, wo an vier FamilienNachmittagen
die Akrobatinnen und Akrobaten
das Publikum mit erstaunlichen turnerischen
Elementen und speziellen Tricks in
luftigen Höhen zum Staunen bringen. Die
Magie liegt in der Luft: Es fehlt weder an
Comedy noch am einen oder anderen Zaubertrick
in der Manege. Und schliesslich
führen im Zauberpark am Flughafen Zürich
Kinderkonzerte, diverse Aufführungen,
Clowns, Theatervorführungen durch die
Adventszeit.
kinderregion.ch/weihnachten
Pläne schmieden leicht gemacht:
Das Ideenportal informiert über
bekannte Ausflugsziele und verrät
Geheimtipps – für kleine Wundernasen,
Wasserratten und Weltentdecker:innen.
Ein Artikel in Zusammenarbeit mit
# 06 ~ 2023
68
~ Service ~
BACKEN
Zum Anbeissen:
Grittibänz
Backe, backe und geniesse:
Es ist höchste Zeit für den
ersten Grittibänz der Saison.
Für das gewisse Etwas backen
wir ihn mit Urdinkel.
Von GERALDINE CAPAUL (Text)
und MARTINA MEIER (Foto)
# 09 ~ 2020
69
DAS BRAUCHT’S für 10 bis 12 Bänzen
Brühstück
• 170 g Wasser
• 130 g Urdinkel-Halbweissmehl
Teig
• 500 g Urdinkel-Halbweissmehl
• 2 TL Salz
• 5–10 g Hefe, zerbröckelt
• ca. 2 ¾ dl Milch
• 50 g Butterstückchen
• 1 Eigelb, mit wenig Milch verklopft,
nach Belieben Nüsse,
Rosinen etc. für die Garnitur
SO GEHT’S
Das Brühstück machen die Grosseltern,
den Rest mit etwas Unterstützung die Kinder.
1 Für das Brühstück Wasser aufkochen. Siedend
heiss und unter Rühren zum Mehl giessen, weiterrühren,
bis die Masse glatt und kompakt ist. Brühstück auskühlen
und über Nacht zugedeckt in den Kühlschrank stellen.
2 Für den Teig Mehl und Salz mischen. Hefe, Milch und Butter
beifügen, Brühstück dazuzupfen. Kurz zu einem weichen,
glatten Teig kneten. Hefeteig bei Raumtemperatur zuge-
deckt 3 bis 4 Stunden oder 1 Stunde bei Raumtemperatur
und über Nacht im Kühlschrank auf das doppelte Volumen
aufgehen lassen, mehrmals aufziehen oder falten.
3 Teig in 10 bis 12 Portionen teilen, Grittibänzli formen,
garnieren. Je 5 bis 6 Grittibänze nebeneinander auf
mit Backpapier belegte Bleche legen. 20 bis 30 Minuten
kühl stellen und aufgehen lassen. Backofen auf 230° C
vorheizen.
4 Ofentemperatur auf 190° C zurückschalten. Grittibänzli in
die Mitte des Ofen schieben und je nach Grösse
20 bis 30 Minuten backen.
Tipp: Teig mit Kakaopulver oder gehackten
Nüssen oder Dörrfrüchten anreichern.
Quelle Rezept: IG Dinkel, urdinkel.ch
# 06 ~ 2023
70
~ Service ~
STRICKEN
Pulli und
Mütze mit
Zopfmuster
Chic und kuschlig: Die Mütze und
der dazu passende Pullover
für den stilvollen Winterauftritt.
Von ILONA HERZOG (Gestricktes) und MIRJAM GRAF (Foto)
GRÖSSE
86
MASSE
Oberweite 54 cm, Länge 32 cm
MATERIAL
Merino 120 von Lang (100 % Merino extrafine,
120 m/50 g), 250 g = 5 Kn, Farbe 05 Anthrazit mélange,
Stricknadeln Nr. 4.0 und 4 ½, 1 Spiel oder
1 kurze Rundstricknd Nr. 4
MUSTER I
Rippenmuster, 1 M re, 1 M li, Rückseite deckend str
MUSTER II
gemäss Strickschrift
(es sind nur die Hinr gez, auf der Rückr die M str wie
sie erscheinen)
MASCHENPROBE
21 M und 28 R im Muster I = 10 x 10 cm
PULLI
Rückenteil
Anschlag 76 M mit Nd Nr. 4.0 und für den Bund 2 cm im Muster
I str. Im Muster II mit Nd Nr. 4 ½ gem Strickschrift weiter str,
dabei in der ersten R verteilt 6 M aufnehmen = 82 M.
Bei 20 cm ab Anschl für den Armausschnitt beids jede 2. Nd 1 x 3,
1 x 2 und 1 x 1 M abk = 70 M. Bei 30 cm ab Anschl für den
Halsausschnitt die mittl 22 M abk und beids davon in jeder 2. Nd
noch 1 x 3, 1 x 2 und 1 x 1 M abk. Die restl je 18 M abk
Vorderteil
Wie das Rückenteil arb, jedoch für den Halsausschnitt bei 27 cm
ab Anschl die mittl 16 M abk und beids davon in jeder 2. Nd noch
1 x 3, 2 x 2 und 2 x 1 M abk. Die je restl 18 M in gleicher Höhe wie
beim Rückent abk.
Ärmel
Anschlag 46 M mit Nd Nr. 4.0 und für den Bund 2 cm im Muster
I str. Im Muster II mit Nd Nr. 4 ½ gem Strickschrift weiter str,
dabei für die Ärmelschräge beids 4 x jede 12. Nd 1 M aufn = 54 M.
Bei 20 cm ab Anschl für die Armkugel beids jede 2. R 4 x 2,
4 x 1 und 4 x 2 M abk. Die restl 14 M abk
Ausarbeiten: Achselnähte schliessen. Mit dem Nadelspiel oder
der Rundstricknd Nr. 4.0 aus dem Halsausschnitt
ca. 78 M aufnehmen, im Muster I 4 cm str, M abk.
Zur Hälfte nach innen annähen. Seitennähte schliessen,
Ärmelnähte schliessen, Ärmel einsetzen.
MÜTZE
Anschlag 86 M mit Nd Nr. 4.0 und für die Borte 7 cm im Muster
1 str. Im Muster II mit Nd Nr. 4 ½ auf der Rückseite weiter str,
jedoch nach und vor den Rdm nur 1 M glatt li str. Den Mustersatz
in der Höhe 2 x str, dann die Schlussabnahmen wie folgt str. 1. R:
Rdm, 1 M li, *2 M re, zus str, 2 M re, 2 M li*, von * bis * stets wdh,
enden mit 1 M li, Rdm = 72 M. 2. Und alle geraden R: die M str wie
sie erscheinen. 3. R: Rdm, 1 M li, *2 M re zus str, 1 M re, 2 M li*,
von * bis * stets wdh, enden mit 1 M li, Rdm = 58 M. 5. R: Rdm,
1 M li, *2 M re zus str, 2 M li zus str*, von * bis * stets wdh, enden
mit 1 M li, Rdm = 31 M. 7. R: Rdm, jeweils 2 M re zus str = 16 M.
7. R: jeweils 2 M re zus str., die restl 8 M mit dem Faden zus
ziehen.
Fertigstellung: Naht schliessen, dabei die Hälfte der Borte auf
der Vorderseite zus nähen. Die Borte zur Hälfte nach aussen
aufschlagen.
Strickschrift zu Pulli mit Zopfmuster
+ - - - - - - + 31
+ - - - - - - + 29
+ - - - - - - + 27
+ - - - - - - + 25
+ - - - - - - + 23
+ - - - - - - + 21
+ - - - - - - + 19
+ - - - - - - + 17
+ - - - - - - + 15
+ - - - - - - + 13
+ - - - - - - + 11
+ - - - - - - + 9
+ - - - - - - + 7
+ - - - - - - + 5
+ - - - - - - + 3
+ - - - - + 1
Mustersatz = 12 M
- 1 M gl li (Vorders li, Rücks re)
1 M gl re (Vorders re, Rücks li)
4 M nach links verkreuzen
(2 M auf die Hilfsnd vor die Arb legen,
die folg 2 M re str, die M von der
Hilfsnd re str)
Das Material stammt von Strickcafé GmbH,
dem Onlineshop rund ums Stricken und Häkeln: strickcafe.ch
# 06 ~ 2023
~ Service ~
GEMEINSAM
BASTELN
71
# 06 09 ~ 2023 2020
72
~ Service ~
BASTELN
Maskenparade
Nach Neujahr ist vor der
Fasnacht: Wir basteln einfache,
effektive Masken, die nicht nur
am Umzug für Aufsehen sorgen.
Von IRENE MEIER (Umsetzung)
und MARCO SCHARF (Foto)
DAS BRAUCHT’S
• dickes weisses Papier
• dünnes farbiges Papier
• Gummiband und Nadel
• Schere
• Farbstifte oder Filzstifte
SO GEHT’S
1 Eine Maskenform mit den Löchern
für die Augen auf ein weisses
Papier zeichnen.
2 Form ausschneiden.
3 Maske anmalen und schmücken
mit farbigen Papierstreifen.
4 Gummiband an der Maske befestigen.
# 06 ~ 2023
~ Service ~
SPIELEN
73
Spiel &
Spass
Im Winter wird es früh dunkel – bringen
wir also Buntes ins Haus! Hier gibts
farbenfrohe und formstarke Ideen zum
Schenken oder Spielen.
1
Von ANNA SIX (Text)
1 Sinnesschmeichler Leiser als Murmeln, weich anzufassen
und in den sanften Naturtönen eine Augenweide: Mit den Filzkugeln
kann man Muster legen, basteln, zählen lernen und vieles mehr.
Durchmesser einer Kugel: 2 Zentimeter. Packung mit 240 Stück,
23.50 Franken, gesehen bei betzold.ch
2
2 Schraubenspiel Kleine Kinder machen am liebsten alles
hundert Mal. In diesem Fall: anschrauben, abschrauben, anschrauben,
abschrauben. Da profitiert die Feinmotorik – und immer neue
Gebilde entstehen. Aus Holz, 6-teilig, ab 1 Jahr. 26.80 Franken,
gesehen bei pastorini.ch
3
3 Badewannenkreide Zwei Lieblingsbeschäftigungen vereint:
Baden und Zeichnen. Mit den Kreidestiften malen die Kinder den
Wannenrand oder die Plättli kunterbunt an und wischen anschliessend
mit dem herzigen Schwamm alles wieder weg. Ab 3 Jahren.
7.90 Franken, gesehen bei tausendkind.ch
4
4 Schneeflitzer Unschlagbar im Preis-/Spass-Verhältnis und
von unzähligen «Füdli» erprobt ist dieser simpelste aller Schlitten.
Fehlt nur noch der Schnee! Tragkraft 50 Kilo. 3.50 Franken/Stück,
gesehen bei pastorini.ch
5 Connetix Magnet-Baukasten Mit den farbigen Mosaikplättchen,
die dank magnetischer Ränder aneinander haften, füllt sich
jede Lücke in der Zeit spielend. Da entstehen Raumschiffe, Türme mit
Balkonen, eine Gelateria. Oder man legt die Drei- und Vierecke flach
aneinander zu Herzen, Regenbogen und Burgen. Wenn Ihr Enkelkind
es lieber abstrakt mag, lassen sich die Elemente auch einfach nach
Farben sortieren. Bei diesem Baukasten ist nicht vorgegeben, was
entsteht – das macht es auch für Erwachsene so schön, ins kreative
Spiel einzutauchen. Das Aufräumen geht fast von alleine, weil die Teile
regelrecht «aneinanderspringen». BPA- und Phthalat-freier Kunststoff.
Ab 3 Jahren. Verschiedene Sets ab ca. 70 Franken, gesehen bei
galaxus.ch sowie connetixtiles.com
5
# 06 ~ 2023
Publireportage
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# 06 ~ 2023
~ Service ~
GEMEINSAM
75
Winterfreuden
Ice, Ice, Baby: Wir feiern die kalte Jahreszeit im besten
Fall in schönem Schnee und mit Eislichtern.
Von GERALDINE CAPAUL (Text)
Die Natur schläft jetzt. Trotzdem findet man
draussen immer noch hübsche Sachen. Auf dem
gemeinsamen Spaziergang dürfen die Enkel
nun mal richtig sammeln. Wer findet noch ein
Schneckenhaus? Oder ein letztes buntes Blatt?
Schöne rote Beerenzweige? Die gesammelten
Naturschätze lassen sich zu Hause in wunderschöne
Eislichter verwandeln.
Und das geht so: In ein grösseres rundes Tupperware
stellt man einen leeren Joghurtbecher (den
Boden mit Steinen beschweren). Mit Wasser und
den gefunden Sachen füllen und über Nacht auf
den Balkon oder ins Gefrierfach stellen. Danach
Joghurtbecher und Tupperware entfernen und
ein Teelicht in die Mitte – fertig.
Weitere Tipps: Mit Laternen einen Feierabendspaziergang
machen. Das geht auch mit Stirnlampen.
Beides wirkt in einer Umgebung ohne
zusätzliches künstliches Licht natürlich besser.
Wenns richtig viel Schnee hat: Schnee-Engel.
Ein Schneelabyrinth bauen. Dafür reicht es,
wenn der Boden mit wenig Schnee bedeckt ist.
Ein Kind darf mit der Schaufel ein Labyrinth
«zeichnen», die anderen suchen dann den Weg.
Schneebäckerei: Wie sändele, einfach
mit Schnee.
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# 06 09 ~ 2023 2020
76
~ Service ~
LESEN
KUHgeln?
tlich ganz
iegen. Ich
Advent,
Advent
ag / Sperrfrist bis inkl. 3. September 2023
Wochen davor neue Geschichten.
Ein Eiswagenfahrer und ein Afrikaner
sind unterwegs, von Italien nach England.
Keiner weiss vom anderen, doch sie
kommen zusammen. Auch eine Schwalbe
ist unterwegs in den Norden. Das gute
Ende für den Immigranten ist absehbar.
Wir brauchen es auch zu unserer Beruhigung.
Doch wie Timothée de Fombelle
davon erzählt – unaufgeregt, sorgsam
– und wie Thomas Campi realistische
Szenen als Stimmungsgemälde malt,
das zeigt, dass beide die Augen für das
Schwierige nicht verschliessen. Doch sie
packen es in Freundlichkeit. Zuhörende
sollten allerdings im Mittelstufenalter
sein, um die Nuancen zu verstehen. Da-
rics Stil gelegentlich wie der Vorleseesel
am Berg.
24 und eine Geschichten bietet auch Lena
Hach, indem die Sachen und Sächelchen
in einem Trödelladen alle verändern, die
hier etwas suchen. Jede Begegnung löst
Gedanken und Wünsche aus, die fassbar
machen, dass ehrlicher und nachsichtiger
Umgang mit sich und mit anderen
das Leben lebenswerter macht. Leider
spiegeln die Illustrationen die Feinheiten
nicht und begnügen sich mit Klischees.
Mit «Die Nacht des Kometen» hat Franz
Hohler vor acht Jahren einen erfolgreichen
Kinderroman veröffentlicht über
Mona und Jona und ihre Ferienerlebnis-
se in den Bergen. Weniger bekannt ist
vielleicht, dass Radio SRF später eine
Hörfassung produzierte. Die Geschichte
ben eben
mischt heutige Kinder und biblische Zeiten.
nzt, Party,
Wenn aber der Autor vom unerhör-
ir tanzen
ten Geschehen erzählt, dann hat man
en sind ja
den Eindruck, dass ihm die Geburtswehen
der Maria im Urtext fehlten. Dass er
sonderen
oßartiger
Aufs Sofa kuscheln,
das nachholt und wie, das ist bezeichnend
für Hohler und erzählt vom Wun-
Und dann
Kerze anzünden
bär gern),
Und ich? Ich lege natürlich die ganze Nacht Musik auf, DJ KUHL heiße
für ist der kleine Band auch ein schönes der jeder Geburt.
und Bücher (vor-)lesen:
•
e für die
ich dann. Na gut, die anderen nennen mich meistens Frieda, aber als DJ
Geschenk für Erwachsene.
ools“ (für Geschichten für die braucht man immer ein Pseudonym. Bevor alle zur Weihnachtsparty ab kommen, 10 Jahren
Wenn Michael Stavaric fabuliert, dann
dschakale
deponieren sie Musikwünsche. Es ist mir echt wichtig, dass jede*r Hinter unserer dem Schnee
Vorweihnachtszeit.
en!
Gäste zu Weihnachten
lässt
seinen
er eine
Lieblingssong
Kuh Schallplatten
hören und zu
auflegen,
diesem Timothée ein Tänzchen
de Fombelle (Text),
läuft ein Bär mit voller Wucht ge-
Thomas Campi (Illustration), aus dem
wagen kann. Ist echt krass, wie unterschiedlich die Tiere tanzen. Der
Französischen von Tobias Scheffel und
Maulwurf zuckt eher gen nur einen mit dem Tannenbaum Kopf, der Steinbock oder eine schwingt Krake seine
Sabine
Hüften,
Grebing. Gerstenberg Verlag 2022.
«Alle Jahre wieder …» das – Murmeltier Da will steht arbeitet auf als Breakdance Christbaum-Imitator. (glaubt mir das Dabei einfach!), 56 und Seiten, die ca. 25 Franken.
ich wieder einmal Adler daran wollen erin-immenern, dass der biblische Adler, Bericht die Tango tanzen? 24 Geschichten Oh Mannomann. nur klarstellen, dass alle ab 6 Jahren
will nur der Tango. österreichische Da bleibt mir jedes Autor Mal in fast seinen das Herz stehen –
Tierisch wilde Weihnachten
zum Geschehen im Stall auch als Erzählung
Tiere irgendwie feiern. Das ist komisch
Michael Stavarič (Text),
alles sagt – und zwar gut. Aber und sehr anders erzählt als bisherige Martina Stuhlberger (Illustration),
95
vielleicht reservieren Sie diesen für die Weihnachtsidyllen. Wer allerdings gerne
Leykam Verlag 2023.
Weihnachtstage und brauchen für die
in Mundart überträgt, steht bei Stava-
104 Seiten, ca. 36 Franken.
ab 5 Jahren
Leander Linnens Wunderladen
Lena Hach (Text), Friederike Ablang
(Illustration). Mixvision Verlag 2023.
176 Seiten, ca. 28 Franken.
ab 8 Jahren
D Nacht vom Komet
Franz Hohler, CD nach SRF Zambo.
Zytglogge Verlag 2018. Spieldauer
65 Minuten, ca. 18 Franken.
HANS TEN DOORNKAAT (71)
hat nie aufgehört, Kinderbücher
zu lesen. So hat er ein vielseitiges
Wissen über Lesestoffe für Kinder
und Jugendliche gesammelt. Er ist
Teilzeitrentner und weiterhin tätig
als Lektor und Literaturkritiker.
Illustration: © Martina Stuhlberger, Leyka Verlag
# 06 ~ 2023
~ Service ~
LESEN
77
2
4
3
1
5
Empfehlenswert
Für grosse Leserinnen und Leser
und solche, die es werden
1 Erwachsenenroman: Eigentum, Wolf Haas, Hanser Verlag, ca. 33 Franken. «Nichts wie sparen sparen sparen». Als sie im
Sterben liegt, erzählt Wolf Haas' Mutter in ihrer eigenen Sprache nochmals aus ihrem Leben. Es ist die Biografie
einer Frau, deren kleinbürgerliches Leben vor allem aus arbeiten, sparen und leiden bestand. Wolf Haas fasst diese Bio-
grafie in Literatur, und er tut dies mit einer grundlegenden Zuneigung und gleichzeitig mit einer gewissen Distanz,
aber auch in gewohnt tragisch-komischem Erzählstil. Ein grosses, berührendes Vergnügen. 2 Erwachsenenroman: Kleine
Probleme, Nele Pollatschek, Galiani Berlin Verlag, ca. 34 Franken. Die Autorin begibt sich in ihrem zweiten Roman
auf eine Reise in die Normalität einer zeitgenössischen Bildungsbürgerfamilie. Diese besteht aus zwei Kindern, Mutter und
Vater, Letzterer ist der Erzähler, der freilich stets die gesamten Familienverhältnisse mitdenkt. Während seine
Frau für einige Wochen verreist ist, soll er all die Dinge erledigen, die er seit Monaten oder länger vor sich herschiebt. Aber
erst am letzten Tag, dem 31. Dezember, geht er mithilfe einer To-do-Liste seine Aufgaben an, die er manchmal auch
tatsächlich fertig bringt. Ein umwerfend komischer Roman über Prokrastination und die Schwierigkeit, sein Leben nicht auf
später zu verschieben. 3 Bilderbuch: Ich bin ein Wolf, Clémentine Michel/Pluapi, Minedition, ca. 25 Franken. Ganz oben
auf dem Hügel lebt ein Rudel Wölfe und niemand wagt es, sich ihnen zu nähern. Nur ein kleines Lamm spaziert ganz selbstbewusst
zu den Wölfen. Auf die Frage der Wölfe, was ein kleines Lämmchen bei ihnen suche, antwortet es tapfer:
«Ich bin kein Lämmchen, ich bin ein Wolf!» Die Wölfe verspotten das Lamm und amüsieren sich köstlich. Erst als seine Mutter
es ruft, erfahren wir, wieso das Lamm sich für einen Wolf hält. Ein Buch über einen kleinen Helden, mit Witz,
Wärme und mit einem Augenzwinkern. Ab 4 Jahren. 4 Kinderbuch: Sieben Tage Mo, Oliver Scherz, Thienemann Verlag,
ca. 25 Franken. In diesem berührenden Kinderroman erzählt der zwölfjährige Karl von seinem Zwillingsbruder Mo,
der bei der Geburt zu wenig Sauerstoff erhalten hat und unter einer geistigen Beeinträchtigung leidet. Er ist unberechenbar,
macht, was er will, und hat verrückte Ideen. Karl gefällt das eigentlich. Doch dass er so oft auf ihn aufpassen muss,
wenn die Mutter arbeitet, überfordert ihn. Denn manchmal wäre er gerne alleine unterwegs oder würde seine Schulkameradin
treffen. Ab 11 Jahren. 5 Kinderbuch: Kiosk, Chaos, Canal Grande, Edgar Rai, dtv Verlag, ca. 22 Franken. Noah
muss in den Ferien nach Venedig zu seiner Oma. Die war früher Opernsängerin und möchte, dass er sie Violetta nennt.
Heute führt sie einen Kiosk auf einem Campo, wo sich die Nachbar:innen zum Schwatzen treffen. Bald merkt Noah,
dass es Oma nicht so gut geht, wie sie alle glauben machen will. Um ihr zu helfen, braucht er die Unterstützung
von Ombretta, dem geheimnisvollen Mädchen aus dem Hotel nebenan. Eignet sich bestens zum Vorlesen und darüber
diskutieren zusammen mit den Enkelkindern. Ab 10 Jahren.
Ausgewählt von der Buchhandlung «Doppelpunkt» in Uster.
doppelpunkt-uster.ch
# 06 ~ 2023
78
~ Service ~
RÄTSEL
Kinderrätsel
Suchen Sie zusammen mit Ihren Enkelkindern diese
fünf Scherenschnitte, die irgendwo in dieser Ausgabe
versteckt sind. Schicken Sie die Seitenzahlen an
kinderraetsel@grosseltern-magazin.ch oder
Grosseltern-Magazin, Kronengasse 4, 5400 Baden.
Einsendeschluss ist der 19. Februar 2024.
Zu gewinnen gibt es eine von zwei Einhornschachteln
mit Filzstiften von Faber-Castell.
Illustration: Irene Meier
Sudoku
Schwierigkeit: leicht
Punkt zu Punkt
Verbinden Sie die Punkte der Reihenfolge nach
und Sie werden sehen: Aus Punkten werden
Bilder.
38
37
44
45
36
35
40 41
39 42
47
43
48
46 4
1 49
3
50
2 5
34
6
9
8
10
Schwierigkeit: mittel
33
32
31
7
29
22
11
30
28
21 16
25
23 24
20
17
15
14
27
26
18 19
13
12
5 0 Conceptis Puzzles 05010000748
So lösen Sie Sudoku: Füllen Sie die leeren
Felder mit den Zahlen von 1 bis 9. Dabei
darf jede Zahl in jeder Zeile, jeder Spalte
und in jedem der neun 3 x 3-Blöcke nur
einmal vorkommen.
Lösungen Die Lösungen der Rätsel auf dieser Seite
schicken wir Ihnen gerne zu: verlag@grosseltern-magazin.ch
# 06 ~ 2023
~ Service ~
CHRISTA CAMPONOVOS RÄTSEL
Schnäppchen bei Strausskäufen?
-
Gewinnen Sie
2 x 4 Tickets für das
Familienmusical
«D’SCHATZ-
INSLE»
79
am Sonntag,
28.1.24,
15 Uhr in Baden,
shakecompany.ch
1
2
3 4 5
6
7
8
9 10 11 12
13
14
15
16
17
18
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21
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26
27
28
29 30
31
32
33
34
35
36
37
waagrecht
3 Versteckt Präsente und macht sie als solche sichtbar. 14 Ist bei Flora und Fauna gefährdet. 15 Die der Eiderente ist
besonders weich. 16 Die einseitige Diffusion durch eine semipermeable Membran. 17 Kurze Zeit in London, eben dort.
18 Der Davidstern schmückt sein Wappen. 20 Grossmutter in Sutsilvan. 22 Passiert Endingen, Lengnau und Döttingen.
24 «Gott ist bei uns» – und bei Macron. 25 Wird in GB bei Schnupfen gezückt. 26 Ist auf dem Enkelkinderteller nicht aus
Gold. 29 Organ aus Eiern. 31 Bei ihm gibt's Tom Kha Gai. 32 Einer von 12 senkr. zwischen Bivio und Casaccia. 34 Wo Blumen
und Gemüse in Reih und Glied. 35 Dieser Vogel macht den Störfall zum Kanton. 36 Sizilianische Stadt beginnt
mit chinesischem Weg. 37 Das Ende Napoleons.
senkrecht
Lösung y = i
1 Oben so: halbbedeckt. 2 Behälter für das Vaterunser? Bei Krankheit verordnet. 3 Nachname der Präsidentin von Schweiz
Tourismus. 4 Der von Rotterdam. 5 Lothar war ein heftiger. 6 L'ultima …: hängt in Mailand. 7 Mit R wäre die Entwicklung heftiger.
8 Was Vögel zwecks Nachwuchs tun. 9 Vorname eines Republikgründers aus Höckertier. 10 Digitales Zeichengerät enhält
berühmten Harry. 11 Steht für interkulturellen Austausch junger Leute. 12 Übergänge, Dokumente oder Zuspiele. 13 «Prominent»
wäre umgangssprachlicher. 19 Für die aus Roma die hellenische Hauptstadt auf dem Kopf. 21 Getränk aus Joghurt,
Wasser und Salz. 23 Die Uhse wenn geduzt. 27 Vornamentlicher Beginn der Chefredaktorin dieses Magazins. 28 Die kurze
Gesellschaft für Phytotherapie ergänzt den Chat. 30 Das Zwischen die Tante geschoben ergibt ergebnisabhängige Vergütung.
33 Anfang und Ende des Zauberers. 34 Wenn bei Fuss, ist dieser blutt.
Das Lösungswort ergibt sich aus den eingefärbten Feldern fortlaufend. Schicken Sie uns dieses zusammen mit
Ihrer Postadresse per E-Mail an raetsel@grosseltern-magazin.ch oder via Post an Grosseltern-Magazin, Kronengasse 4, 5400 Baden.
Einsendeschluss ist der 20. Januar 2024. Die Lösung des Rätsels von Ausgabe 4/23 finden Sie auf Seite 81.
# 06 ~ 2023
80
Service ~ Service ~
UNTERWEGS
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im Grandhotel Giessbach
im Wert von 1492 Franken
ERLEBEN SIE DEN NATURPARK
UND DAS GRANDHOTEL GIESSBACH
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um das historisch wertvolle und schützenswerte Grandhotel aus der Belle Epoque vor dem Abbruch zu
retten und das wunderschöne Stück Heimat über dem Brienzersee zu bewahren. Wir leben in einer Zeit, die durch viele
Faktoren ein hektisches Gesicht bekommt. Die Zeit im Grandhotel Giessbach entschleunigt und wird bestimmt
durch die Lage, das Wasser und die Sicht auf die 400 m hohen Giessbachfälle sowie den türkisgrünen Brienzersee. Zeit
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Lieben eine Auszeit an diesem einzigartigen Ort und tauchen in diese Symphonie aus Geschichte und Gegenwart ein.
Nehmen Sie unvergessliche Momente mit nach Hause.
Von den empfohlenen Ausflugszielen bis zur Herkunft der Produkte, die in der Küche verarbeitet werden: Das Grandhotel
Giessbach ist von der Region getragen und zollt diesem Erbe Respekt. Viele Bauern und lokale Produzenten
steuern mit ihren Produkten zum Wohl der Gäste bei. Von November bis März öffnet das Grandhotel Giessbach jeweils von
Mittwoch bis Sonntag seine Türen für Individualgäste und verschiedenste Anlässe.
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# 01 06 ~ 2014 2023
~ Service ~
IMPRESSUM / VORSCHAU
81
82. Ausgabe
06/2023
Erscheinungsweise
6-mal im Jahr
Auflage
12 000 Exemplare
Preise
EINZELPREIS
CHF 12.–
JAHRESABO
CHF 65.– (6 Ausgaben)
2-JAHRES-ABO
CHF 125.– (12 Ausgaben)
PROBEABO
CHF 25.– (3 Ausgaben)
JAHRESABO EUROPA
CHF 80.– (6 Ausgaben)
Copyright
Nachdruck, auch
auszugsweise, nur mit
Genehmigung des
Verlags. Für unverlangte
Einsendungen
wird jegliche Haftung
abgelehnt.
Herausgeberin
3G MEDIA GMBH
Kronengasse 4
CH-5400 Baden
+41 56 558 91 77
info@3g-media.ch
Druck & Vertrieb
AVD GOLDACH AG
avd.ch
Impressum
Verlag
3G MEDIA GMBH
grosseltern-magazin.ch
Verleger
DOMINIK ACHERMANN
Redaktion
redaktion@grosseltern-magazin.ch
+41 56 558 91 77
GERALDINE CAPAUL – CAP
Chefredaktorin
geraldine.capaul@grosseltern-magazin.ch
ANNA SIX – AMO
Stellvertretende Chefredaktorin
anna.six@grosseltern-magazin.ch
Autorinnen und Autoren dieser Ausgabe:
Melanie Bär, Sabine Born, Fabian Bucher, Hannes
Bucher, Christa Camponovo, Hans ten Doornkaat, Sarah
Fasolin, Ilona Herzog, François Höpflinger, Andrea Kalt,
Bernadette Kurmann, Barbara Maurer, Edy Riesen,
Seraina Sattler, Christa Saurenmann, Dagmar Schifferli,
Michael Spillmann, Barbara Stocker, Eli Wilhelm,
Ümit Yoker, Juli Zehnder
Layout
IRENE MEIER
irene.meier@grosseltern-magazin.ch
Fotografie
Mirjam Graf, Martina Meier, Marco Scharf,
Samuel Trümpy
Illustrationen
Irene Meier, Marie-Anne Spross
Korrektorat
Martina Fierz, Elsbeth Howald
Verkauf & Vermarktung
DOMINIK ACHERMANN
+41 76 394 23 26
dominik.achermann@grosseltern-magazin.ch
STEFAN HOSTETTLER
+41 79 79 79 410
grosseltern-magazin@1to1media.ch
Vorschau
STATISTENROLLE
Für fast alle (Spiel-)
Filme braucht es
Statist:innen. Manche
Seniorinnen und Senioren
wie Alice Glaus und
Hans Grütter haben
es sich zum Hobby gemacht,
vor der Kamera
immer wieder in neue
Rollen zu schlüpfen –
zum Beispiel als Grosseltern.
Wie ist das?
#01/2024
Erscheint am 23. Februar
MIT UND FÜR DIE ENKEL
Rausgehen, experimentieren, basteln: Wir starten
gewohnt aktiv ins neue Jahr. Mit vielen Tipps fürs
Zusammensein mit den Enkeln – ob in der Natur
oder in der guten Stube – und mit einfachen
Anleitungen zum Kreativsein.
Foto: Mirjam Graf
NEUE KOLUMNE
Marah Rikli ist Journalistin
und Mutter zweier
Kinder, eines davon hat
eine Beeinträchtigung.
Rikli ist eine der prominentesten
Stimmen der
Schweiz, die sich für
Diversität und Inklusion
in der Gesellschaft einsetzen.
2024 schreibt
sie für uns regelmässig
eine Kolumne.
11
Abonnemente
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Saanefeldstrasse 2, CH-3178 Bösingen
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Wir bekennen uns zu Werbung
Inserate und Content-
Partnerschaften sind für unser
Magazin überlebenswichtig
und eine Bereicherung. So
können wir professionell und
unabhängig Inhalte erarbeiten.
Wir haben nicht mehr Werbung
als andere Magazine, kennzeichnen
diese aber konsequent. Damit
schaffen wir Transparenz.
Ein Artikel in
Zusammenarbeit
~ #05/2023 ~
DES RÄTSELS LÖSUNG
waagrecht
5 Computerspiele 15 Choreographie 16 Berni 17 Traumorte
18 Gloves 19 Nuller 22 Grob 24 Artige 25 Aelt 27 Aesthet
29 Elna 30 Kar 32 Lucki 34 Unend 36 Enero 37 Ehrendamen
41 Dias 42 Rear 43 Diable 45 Etst 46 Ernten 47 Leier
senkrecht
1 Occe 2 Gueter 3 Irrungen 4 Oppo 6 Ohrloecher 7 Mono
8 Privatier 9 Torsten 10 Egalite 11 Samuel 12 Ihr 13 Eitelkeit
14 Leer 18 Grauer 20 Lane 21 Leander 23 BS 26 Tarasp
28 Hunde 31 Rost 33 Kran 35 Deli 38 Din 39 Aal 40 Mba 44 Ee
Lösungswort
Globetrottel
# 06 ~ 2023
82
~ Kolumne ~
SCHLUSSWORT
Jung versus
Alt – in ausgewählten Zitaten
In den Medien, aber auch an Tagungen, werden
heute vielfach negativ geprägte Vorstellungen
zur jüngsten Generation – der Generation Z –
angeführt: Die Generation Z sei leistungsschwach,
zeige wenig Durchhalte vermögen und sei durch
eine digitale Verwahrlosung geprägt. Höre ich solche
Aussagen, fällt mir spontan
ein, dass negative Vorstellungen
zu jungen Menschen eine uralte
menschliche Tradition widerspiegeln.
Speziell in Zeiten hoher
wirtschaftlicher und sozialer
Verunsicherung zeigt sich eine
besondere Sensibilität bezüglich
(vermeintlicher) Problemlagen
und Störungen bei Kindern und
Jugendlichen, da damit auch die
Zukunft der älteren Generationen
in Frage gestellt erscheint.
«Ich habe keine Hoffnung
mehr für die Zukunft unseres Volkes,
wenn diese Zukunft von der
leichtfertigen heutigen Jugend abhängt.
Denn diese Jugend ist ohne
den geringsten Zweifel von einer
unerträglichen Unverschämtheit und will alles besser
wissen. Als ich jung war, brachte man uns gute Manieren
und Respekt vor den Eltern bei. Aber die Jugend von
heute ist voller Widerrede und will immer recht haben.»
(Hesiod, griechischer Dichter, um 700 v. Chr.)
«Die Jugend liebt den Luxus, sie hat schlechte
Manieren, verachtet die Autorität, hat keinen Respekt
vor älteren Leuten und plaudert, wo sie arbeiten sollte.
Sie verschlingen bei Tisch die Speisen, legen die Beine
übereinander und tyrannisieren die Eltern.»
(Sokrates, altgriechischer Philosoph 470–399 v. Chr.)
FRANÇOIS HÖPFLINGER (75)
ist in selbstständiger Forschung
und Beratung zu Alters- und
Generationenfragen tätig. Nebst
seinen wissenschaftlichen
Arbeiten schrieb der Soziologieprofessor
auch diverse Kurzgeschichten,
Satiren und Fabeln.
Er ist verheiratet, hat zwei
Kinder und vier Enkelkinder.
«Ich selbst bin in letzter Zeit von vielen um Rat
gefragt worden, die in Verlegenheit waren, wie sie ihre
Kinder erziehen sollten, und allgemein klagt man heute
über die frühe Verdorbenheit der Jugend.»
(John Locke, englischer Philosoph, 1642–1704)
Andere Klassiker sehen das Verhältnis
von Jung und Alt eher als
dynamischen Prozess, der von
beiden Seiten bestimmt wird:
«Die verschiedenen Altersstufen
der Menschen halten einander
für verschiedene Rassen. Alte
haben gewöhnlich vergessen, dass
sie jung gewesen sind, oder sie vergessen,
dass sie alt sind, und Junge
begreifen nie, dass sie alt werden
können.» (Kurt Tucholsky, deutscher
Satiriker 1890–1935)
«Die Begeisterung ist das
tägliche Brot der Jugend. Die Skepsis
ist der tägliche Wein des Alters.»
(Pearl S. Buck, amerikanische
Schriftstellerin 1892–1973)
«Die Alten glauben alles, die Menschen mittlerer
Jahre verdächtigen alle, die Jungen wissen alles.»
(Oscar Wilde, irischer Schriftsteller 1854–1900)
Sich mit Jungen auseinanderzusetzen, wird teilweise
als Anti-ageing-Strategie empfohlen:
«Wenn man sich an der Jugend reibt, wird man
selbst wieder jung.» (Johann Wolfgang Goethe,
deutscher Dichter 1749–1832).
«Die Denunziation der Jungen ist ein notwendiger
Bestandteil der Hygiene älterer Menschen und
fördert die Blutzirkulation erheblich.» (Logan Pearsall
Smith, britischer Schriftsteller, 1865–1946). •
# 06 ~ 2023
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Written by TOBY MARLOW & LUCY MOSS
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Morgen «Leinen los!». Ab Régua Ausflug (1) nach
Vila Real und Besuch des Schlosses Mateus. Weiterfahrt
zu einem lokalen Weingut. Abendessen
mit genüsslicher Weinbegleitung und Live-Unterhaltung.
Rückkehr an Bord in Pinhão.
3. TAG PINHÃO–VEGA DE TERRÓN Fahrt zur Grenze
und Ausflug (1) nach Castelo Rodrigo, welches
zu den 12 historischen Dörfern Portugals zählt.
4. TAG SALAMANCA Busfahrt (1) von Vega de Terrón
nach Salamanca. Rundgang mit Besuch zahlreicher
Sehenswürdigkeiten. Mittagessen mit Flamenco-Show.
Wiedereinschiffung in Barca d’Alva.
5. TAG BARCA D’ALVA–RÉGUA Schifffahrt nach
Régua. Ausflug (1) in die alte Bischofsstadt Lamego.
Wiedereinschiffung in Régua. Abendessen an
Bord mit portugiesischer Folklore-Darbietung.
6. TAG RÉGUA–VILA NOVA DE GAIA Besuch (1) der
Quinta do Seixo, einer der traditionsreichsten
Weinproduzenten des Douro Anbaugebiets mit
Weinverkostung. Weiterfahrt Richtung Porto. Am
Abend traditionelle Fado-Show an Bord.
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von der farbenprächtigen Cais da Ribeira bis zur
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der traditionellen Kellereien. Nachmittags
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