Neue Szene 2023_12
DAS Stadtmagazin für Augsburg und die bayerisch-schwäbische Region.
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Zoom<br />
In einem Interview mit der <strong>Neue</strong>n <strong>Szene</strong> im Jahr 2013 hast du auf die<br />
Frage, was dich ankotzt, Folgendes geantwortet: „Leute, die immer nur<br />
kritisieren, aber selber nichts machen und bei ihrer Kritik auch noch<br />
persönlich werden. Davon gibt es in Augsburg genügend.“ Was sagst<br />
du heute, also zehn Jahre später dazu?<br />
Die Aussage hat nicht viel an Aktualität verloren, auch wenn es positive<br />
Entwicklungen gibt. Der Augsburger neigt gerne dazu, ohne einen eigenen<br />
Vorschlag Dinge anzuprangern. Ich ziehe meinen Hut vor denen, die Verantwortung<br />
übernehmen und selber gestalten, denn davon gibt es leider immer<br />
noch viel zu wenige.<br />
Stefan Sieber in Kyoto © Mara Weyel<br />
Dann kam der Schritt, der dein Erwachsenwerden ziemlich beschleunigt<br />
hat. Du bist 2015 zur Stadt Augsburg gewechselt, es folgten mehr als<br />
acht Jahre, unter anderem als Leiter des Büros der Oberbürgermeisterin<br />
und der Kommunikationsabteilung.<br />
Mir war immer wichtig, nicht zu lange an einer Funktion zu kleben.<br />
Gerade bei Jobs wie dem Modular hat man einen Zeithorizont, man investiert<br />
und gibt viel, aber um sich zu entwickeln, muss man irgendwann auch<br />
wieder neue Wege gehen. Ich hätte es mir einfach machen und weiterhin<br />
das Modular nach meiner Vorliebe gestalten können, aber irgendwann wird<br />
das ja auch mal langweilig. Für mich und für Augsburg. Zu dieser Zeit hat<br />
der damalige OB Kurt Gribl alle städtischen Veranstaltungen auf den<br />
Prüfstand gestellt und wollte auch das Maxfest wieder aufleben lassen. Ich<br />
habe mich daraufhin auf eine Stellenausschreibung beworben und den Job<br />
bekommen. Danach habe ich gegen viele Widerstände zusammen mit den<br />
Jungs von der CIA die Grundkonzeption der Augsburger Sommernächte<br />
gemacht und das Maxfest mit einem Relaunch und neuen Ideen wieder<br />
erfolgreich auf den Weg gebracht.<br />
Vom Event- zum Krisenmanager. Ich sag nur Fliegerbombe 2016 …<br />
Da war ich ein kleines Rädchen im Gesamtwerk. Aber als 2016 am<br />
Ersten Weihnachtsfeiertag 54.000 Menschen wegen dieser Fliegerbombe<br />
evakuiert werden mussten, haben wir bei der Stadt gemerkt, wie enorm<br />
wichtig eine gut funktionierende Kommunikationsabteilung ist und dass<br />
hier dringend etwas verändert werden muss. Unter der Führung von Richard<br />
Goerlich wurde die Abteilung neu aufgebaut. Als er dann Anfang 2019 bei<br />
der Stadt aufgehört hat, habe ich seine Position übernommen und die<br />
Kommunikation geleitet. Nach der Kommunalwahl hat mich Eva Weber<br />
gefragt, ob ich mir vorstellen kann, ihr Büroleiter zu werden. Das hat mich<br />
geehrt und ich habe zugesagt.<br />
Corona war sicherlich die größte Herausforderung in diesen Jahren.<br />
Hättest du die Stelle jemals angenommen, wenn du gewusst hättest,<br />
was alles auf dich zurollen würde?<br />
Ich hätte zumindest nochmal etwas intensiver darüber nachgedacht<br />
(lacht). Aber in dem Job haste dann keine Wahl und man funktioniert.<br />
Corona war für uns alle hart. Beruflich war es tatsächlich die härteste Zeit<br />
für mich und hat mir einige schlaflose Nächte bereitet. Vor allem, als wir im<br />
Herbst 2020 in Augsburg den höchsten Inzidenzwert in ganz Deutschland<br />
hatten. Eine Pandemie in diesem Ausmaß war für uns alle Neuland und es<br />
gab keine Erfahrungswerte. Oft waren uns auch die Hände gebunden, weil<br />
die Entscheidungen nicht in Augsburg, sondern von Bund und Land getroffen<br />
wurden. Wir hatten die Regelungen durchzusetzen. Ich möchte an der Stelle<br />
aber auch sagen, dass ich ja immer nur in der zweiten Reihe aktiv war. Ganz<br />
vorne steht die Oberbürgermeisterin und eine Stadtregierung, die, wie alle<br />
in politischen Ämtern, den Druck aushalten mussten. Dafür zolle ich meinen<br />
höchsten Respekt.<br />
Welche Momente werden dir immer positiv in Erinnerung bleiben?<br />
Ich durfte speziell in den Krisenjahren hautnah erleben, mit welchem<br />
Engagement die Leute in der Stadtverwaltung arbeiten und über ihre Grenzen<br />
hinausgehen. Von außen wird das oftmals nicht wahrgenommen. Auch ich<br />
kann sagen, dass es ein richtig gutes Gefühl ist, für seine Stadt tätig zu sein.<br />
Rückblickend freut es mich auch sehr, wie gut wir gemeinsam so manche<br />
Krise bewältigt haben.<br />
Am 29.09.<strong>2023</strong> war nach einer beruflich intensiven Phase Schluss.<br />
Es war eine rein private Entscheidung, diesen Schritt zu gehen und ich<br />
bin dankbar für die Jahre. Irgendwann kommt aber der Punkt, an dem etwas<br />
<strong>Neue</strong>s kommen muss. Das gilt übrigens nicht nur für mich, sondern auch<br />
für meine Funktion, die ich innehatte.<br />
Wie seltsam ist es, auf einen Schlag von Hundert auf Null zu switchen?<br />
Ich war jetzt einige Jahre im 24/7-Modus, egal ob man sonntags beim<br />
Frühstück gesessen ist oder mitten im Tatort war, wenn es gebrannt hat,<br />
musste man ausrücken. Ich habe tatsächlich einige Zeit gebraucht, um mich<br />
mit der neuen Situation zurechtzufinden. Man gibt sein Diensthandy und -<br />
laptop ab und bekommt plötzlich keine Nachrichten mehr. In den ersten<br />
Tagen war das sehr befreiend, dann wird es aber auf einmal komisch und ich<br />
war froh, als das Telefon klingelte und meine Mutter dran war. Aber ich<br />
habe es ganz gut hinbekommen, ich war viel in der Natur oder habe Bücher<br />
gelesen.<br />
Jetzt steht für Mara und dich ein dreimonatiger Trip nach Asien bevor.<br />
Ja, nächste Woche geht es los, wir bereisen Japan, Korea und Kambodscha.<br />
Ich freue mich total, auch wenn ich ehrlich gesagt etwas Bammel habe, weil<br />
wir letztlich nicht so genau wissen, was uns erwartet.<br />
Du hast dir in all den Jahren sicherlich ein großes Netzwerk aufgebaut,<br />
deine Jobs haben auch deinen Marktwert gesteigert. Hast du dich beruflich<br />
schon neu orientiert?<br />
Es gab Anfragen und Gespräche. Das für mich interessanteste Angebot<br />
und die spannendste Aufgabe habe ich von der Augsburger Lehmbaugruppe,<br />
einem Sozialunternehmen mit über 800 Mitarbeitenden, das in den Bereichen<br />
Bildung, Gesundheit, Fachkräfte und Jugendhilfe tätig ist, bekommen. Ich<br />
werde 2024 dort Mitglied der Geschäftsleitung und die Bereiche Unternehmenskommunikation,<br />
Marketing und Strategie leiten.<br />
Nachdem du jetzt nicht mehr so im Fokus der Öffentlichkeit stehst,<br />
werden wir dich wieder an den Turntables erleben?<br />
Sicher ist, dass es trotz Angeboten keine auto.matic-Clubnights mehr<br />
geben wird. Keine Revival-Partys. Niemals. Seit dem Sommer teile ich mir<br />
mit David Kochs ein Studio im neuen Kulturzentrum „Schöne Felder“ am<br />
Milchberg und will dort wie früher wieder Musik produzieren. Vielleicht<br />
nicht mehr für die Tanzfläche, eher zum Hören beim Kochen und Essen.<br />
Wunderbar, das war´s!<br />
Das war´s? Geil! (ws)