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Neue Szene 2023_12

DAS Stadtmagazin für Augsburg und die bayerisch-schwäbische Region.

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Zoom 23<br />

„Siebi kocht Forelle“ stand neulich auf der „Jenny vom Block“-Tageskarte.<br />

Bist du unter die Köche gegangen?<br />

Das war schon immer eine große Leidenschaft von mir. Es gibt kaum<br />

etwas Schöneres, als für gute Freunde in entspannter Atmosphäre zu kochen<br />

und gemeinsam zu essen. Mein großer Wunsch wäre auch immer ein eigenes<br />

Restaurant gewesen, bis dato hat es aber nur zu einer kleinen Bar mit Snacks<br />

gereicht.<br />

Spulen wir mal zwei Jahrzehnte zurück. Was viele vielleicht nicht<br />

wissen, du warst ein Pionier in Sachen Minimal-Techno. Die Partyreihe<br />

„auto.matic.music“, die du mit Tobias Schmid fast 20 Jahre regelmäßig<br />

veranstaltet hast, war innovativ und ihrer Zeit voraus. War das die<br />

unbeschwerteste Phase deines Lebens?<br />

Los ging es 2001 und der letzte Clubabend fand nach 18 Jahren im<br />

Oktober 2019 vor der Pandemie statt. Rückblickend war es eine unglaublich<br />

tolle und spannende Zeit. Auch wenn sich das jetzt nach altem Mann anhört,<br />

es gab damals die sozialen Medien noch nicht in der heutigen Form. Man<br />

könnte es tatsächlich unbeschwert nennen, denn damals war alles entschleunigter,<br />

es gab mehr zu entdecken.<br />

Was hat dich eigentlich musikalisch sozialisiert? Warum bist du kein<br />

Punk-Rocker, sondern ein Electro-Boy geworden?<br />

Ich war 13 oder 14, als mich mein Bruder zu einem Depeche Mode-<br />

Konzert mitgenommen hat. Da ist anscheinend ziemlich viel haften geblieben<br />

und dann ging es weiter mit Kraftwerk und Nitzer Ebb. Ich war immer eher<br />

der Popper, ich hatte auch eine Vespa und war ab und an am damaligen<br />

Roller-Kö zu finden.<br />

In 18 Jahren an der Clubfront habt ihr viele Stars aus dieser <strong>Szene</strong> nach<br />

Augsburg geholt, wie Nina Kraviz, Chloe, Jennifer Cardini, Robag<br />

Wruhme, Sascha Funke, KiNK, Ellen Allien und andere. Was waren<br />

deine Highlights?<br />

Ganz oben steht da für mich die Techno-Legende Carl Craig, den wir<br />

2006 im Ostwerk veranstaltet haben. DJ Koze war auch immer ein Highlight,<br />

dann Modeselektor, die später unglaublich groß geworden sind. Oder Paul<br />

Kalkbrenner, da hatten wir in Augsburg eine Filmpremiere von „Berlin<br />

Calling“ und anschließend die Clubnacht im Kerosin. Aber jede einzelne<br />

Party im Kerosin und später im Schwarzen Schaf waren ein Highlight für<br />

mich. Heimspiele sind die schönsten Spiele.<br />

Warum bist du als DJ nie in die große, weite Welt hinausspaziert? Das<br />

Netzwerk war da, hat dir der Ehrgeiz gefehlt oder warst du mit der<br />

Rolle als Prinz der Provinz zufrieden?<br />

Wie die Augsburger DJ-Legende C.C Dynamite mal im Viktor an der<br />

Theke zu mir sagte: „Woisch Sieber, lieber da King in Augschburg, als a Null<br />

in L.A.“ (lacht). Ich war mit meinem Kollegen Tobi mehr als 10 Jahre sehr<br />

viel unterwegs, auto.matic.music fand eine Zeit lang regelmäßig auch in<br />

Hamburg statt. Wir haben in der ganzen Republik aufgelegt, waren in Barcelona,<br />

Paris, Istanbul oder Moskau. Aber wie hat es Tobi mal so schön ausgedrückt:<br />

„Siebi, wir zwei sind halt doch Bausparer“ (lacht). Dieser Sicherheitsgedanke<br />

steckt wohl doch tiefer in mir drin. Mir hat das Auflegen immer<br />

unheimlich viel Spaß gemacht, aber ich wollte nie finanziell davon abhängig<br />

sein.<br />

Die Augsburger DJ Sedef Adasi ist derzeit der größte Exportschlager.<br />

Warum ist sie deiner Meinung nach so erfolgreich und welche anderen<br />

lokalen DJs stehen in deinen Charts ganz oben?<br />

Es gibt gerade eine gute Bewegung mit Raphael Schön (aka Errdeka),<br />

David Kochs oder einer jungen Garde aus dem City Club in der Stadt. Sedef<br />

steht absolut verdient ganz oben, weil sie unheimlich talentiert, ehrgeizig<br />

und fleißig ist, weil sie es durch harte Arbeit geschafft hat, die Pandemie zu<br />

umschiffen und das sich ergebende Momentum bestmöglich genutzt hat.<br />

2011 bist du zum Stadtjugendring als Projektleiter gewechselt und hast<br />

dort das Modular Festival bis 2015 auf ein neues Level gehoben. War<br />

dieser Schritt ein Glücksfall?<br />

Bis 2010 habe ich in der Firma meines Vaters gearbeitet. Im gleichen<br />

Jahr haben wir zum ersten Mal die auto.matic.OPEN auf dem Kesselhausgelände<br />

veranstaltet, die ziemlich erfolgreich gelaufen sind. Der damalige<br />

Popkulturbeauftrage Richard Goerlich und Raphael Brandmiller vom SJR<br />

sind anschließend auf mich zugekommen und haben mich gefragt, ob ich<br />

mir vorstellen könnte, das Modular neu aufzustellen. Right time, right place.<br />

Mich hat diese Aufgabe unheimlich gereizt und so habe ich alles andere<br />

über Bord geworfen und bin zu neuen Ufern aufgebrochen. Es war an der<br />

Zeit.<br />

Was war das für ein Gefühl, wenn man einen bestimmten Etat zu Verfügung<br />

hat, um etwas Tolles zu kreieren?<br />

Ein ganz neues und wunderbares jedenfalls. Bands und Künstler buchen,<br />

ohne in das eigene Risiko zu gehen, kannte ich bis dato nicht. Die Stadt und<br />

der SJR waren die Auftraggeber. Zu dieser Zeit hatte ich schon auch etwas<br />

mehr Glück als Verstand (lacht). 2011 fand das Modular im Rahmenprogramm<br />

der Frauen-Fußball-WM statt und wir konnten The Notwist auf den<br />

Rathausplatz lotsen, was ein krasser Moment war. Ein Jahr später fand das<br />

Modular im neu sanierten Kongress am Park samt Wittelsbacher Park statt.<br />

Wir haben in diesem Jahr Kraftklub zu einem Zeitpunkt gebucht, als die<br />

Band noch Insiderstatus hatte und dann vor dem Festival komplett durch<br />

die Decke und auf Platz 1 schoss. Es waren drei wunderbare Tage, das Modular<br />

wurde in seiner heutigen Form geboren.<br />

Beim SJR kommt man zwangsläufig auch mit der Politik in Berührung.<br />

Wie sehr musstest du darauf achten, nicht in die Mühlen bestimmter<br />

Interessen zu geraten?<br />

Das Modular war tatsächlich lange ein Politikum und umstritten, jede<br />

Partei, jede Gruppierung hatte so ihre Vorstellung, wie es laufen sollte und<br />

man musste erst einmal einen Weg finden, um am Ende alle zufriedenzustellen.<br />

Was war deine Marschroute: Kompromisse schließen oder konsequent<br />

die eigene Linie fahren?<br />

Ohne Kompromisse kämpft man gegen Windmühlen, es ist schon wichtig<br />

auf Leute zuzugehen, auch auf Zielgruppen, die mir bis dato eher skeptisch<br />

gegenüberstanden. Die Geschichte des Modular Festivals hat mir nicht sofort<br />

direkt in die Karten gespielt, es war auch viel Entwicklungsarbeit nötig. Am<br />

Ende war für mich wichtig, eine Linie zu definieren, die für Augsburg<br />

funktioniert und Strahlkraft entwickeln kann, dafür viele Leute mit ins Boot<br />

zu nehmen und die Dinge gemeinsam auszugestalten. Ein Beispiel: Man<br />

braucht für ein Festival einen oder zwei zugkräftige Headliner, dann kann<br />

man das restliche Programm so gestalten, dass auch unbekanntere, aber<br />

interessante Acts und Newcomer leuchten. Alles in allem kann man sagen,<br />

das Modular hat Augsburg in der überregionalen Wahrnehmung sehr gutgetan.<br />

Welche Begegnungen waren die wichtigsten in deinem Leben?<br />

Außer mit meiner Frau Mara? Von der musikalischen Seite die Freundschaft<br />

zu Tobi Schmid, meinem auto.matic.-Kollegen, den ich kenne, seit ich<br />

drei Jahre alt bin. Wichtig war auch der Kontakt zu den Leuten vom Kerosin<br />

und später zum Schwarzen Schaf, weil die beiden Läden doch sehr lange<br />

unsere Heimat waren. Beruflich waren Rich Goerlich, Raphael Brandmiller,<br />

aber auch Uli Müllegger von der Stadt Augsburg und der Alt-OB Kurt Gribl<br />

prägend. Neben vielen weiteren sehr wichtigen Freundschaften in meinem<br />

Leben war es besonders auch die zu Oli Hüttenmüller und Christoph Sauter,<br />

mit denen ich die Glimmer Bar eröffnet habe.

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