VOM CLUB INS RATHAUS - DER UNGEWÖHNLICHE WEG DES STEFAN SIEBER Electro-Boy und Krisenmanager “ AUFLEGEN HAT IMMER UNHEIMLICH VIEL SPASS GEMACHT, ABER ICH WOLLTE NIE FINANZIELL DAVON ABHÄNGIG SEIN Foto: Walter Sianos Stefan Sieber hat in Augsburg seine Fußstapfen hinterlassen. In den Nullerjahren gehörte seine Veranstaltung „auto.matic.music“ zur innovativsten Clubreihe der Stadt, später wurde er Projektleiter des Modular Festivals, zuletzt war er Leiter des Büros der Oberbürgermeisterin und der Kommunikationsabteilung der Stadt Augsburg. Am 29.09.<strong>2023</strong> war Schluss. Walter Sianos traf ihn wenige Tage, bevor er sich mit seiner Frau zu einem dreimonatigen Trip nach Asien aufmachte.
Zoom 23 „Siebi kocht Forelle“ stand neulich auf der „Jenny vom Block“-Tageskarte. Bist du unter die Köche gegangen? Das war schon immer eine große Leidenschaft von mir. Es gibt kaum etwas Schöneres, als für gute Freunde in entspannter Atmosphäre zu kochen und gemeinsam zu essen. Mein großer Wunsch wäre auch immer ein eigenes Restaurant gewesen, bis dato hat es aber nur zu einer kleinen Bar mit Snacks gereicht. Spulen wir mal zwei Jahrzehnte zurück. Was viele vielleicht nicht wissen, du warst ein Pionier in Sachen Minimal-Techno. Die Partyreihe „auto.matic.music“, die du mit Tobias Schmid fast 20 Jahre regelmäßig veranstaltet hast, war innovativ und ihrer Zeit voraus. War das die unbeschwerteste Phase deines Lebens? Los ging es 2001 und der letzte Clubabend fand nach 18 Jahren im Oktober 2019 vor der Pandemie statt. Rückblickend war es eine unglaublich tolle und spannende Zeit. Auch wenn sich das jetzt nach altem Mann anhört, es gab damals die sozialen Medien noch nicht in der heutigen Form. Man könnte es tatsächlich unbeschwert nennen, denn damals war alles entschleunigter, es gab mehr zu entdecken. Was hat dich eigentlich musikalisch sozialisiert? Warum bist du kein Punk-Rocker, sondern ein Electro-Boy geworden? Ich war 13 oder 14, als mich mein Bruder zu einem Depeche Mode- Konzert mitgenommen hat. Da ist anscheinend ziemlich viel haften geblieben und dann ging es weiter mit Kraftwerk und Nitzer Ebb. Ich war immer eher der Popper, ich hatte auch eine Vespa und war ab und an am damaligen Roller-Kö zu finden. In 18 Jahren an der Clubfront habt ihr viele Stars aus dieser <strong>Szene</strong> nach Augsburg geholt, wie Nina Kraviz, Chloe, Jennifer Cardini, Robag Wruhme, Sascha Funke, KiNK, Ellen Allien und andere. Was waren deine Highlights? Ganz oben steht da für mich die Techno-Legende Carl Craig, den wir 2006 im Ostwerk veranstaltet haben. DJ Koze war auch immer ein Highlight, dann Modeselektor, die später unglaublich groß geworden sind. Oder Paul Kalkbrenner, da hatten wir in Augsburg eine Filmpremiere von „Berlin Calling“ und anschließend die Clubnacht im Kerosin. Aber jede einzelne Party im Kerosin und später im Schwarzen Schaf waren ein Highlight für mich. Heimspiele sind die schönsten Spiele. Warum bist du als DJ nie in die große, weite Welt hinausspaziert? Das Netzwerk war da, hat dir der Ehrgeiz gefehlt oder warst du mit der Rolle als Prinz der Provinz zufrieden? Wie die Augsburger DJ-Legende C.C Dynamite mal im Viktor an der Theke zu mir sagte: „Woisch Sieber, lieber da King in Augschburg, als a Null in L.A.“ (lacht). Ich war mit meinem Kollegen Tobi mehr als 10 Jahre sehr viel unterwegs, auto.matic.music fand eine Zeit lang regelmäßig auch in Hamburg statt. Wir haben in der ganzen Republik aufgelegt, waren in Barcelona, Paris, Istanbul oder Moskau. Aber wie hat es Tobi mal so schön ausgedrückt: „Siebi, wir zwei sind halt doch Bausparer“ (lacht). Dieser Sicherheitsgedanke steckt wohl doch tiefer in mir drin. Mir hat das Auflegen immer unheimlich viel Spaß gemacht, aber ich wollte nie finanziell davon abhängig sein. Die Augsburger DJ Sedef Adasi ist derzeit der größte Exportschlager. Warum ist sie deiner Meinung nach so erfolgreich und welche anderen lokalen DJs stehen in deinen Charts ganz oben? Es gibt gerade eine gute Bewegung mit Raphael Schön (aka Errdeka), David Kochs oder einer jungen Garde aus dem City Club in der Stadt. Sedef steht absolut verdient ganz oben, weil sie unheimlich talentiert, ehrgeizig und fleißig ist, weil sie es durch harte Arbeit geschafft hat, die Pandemie zu umschiffen und das sich ergebende Momentum bestmöglich genutzt hat. 2011 bist du zum Stadtjugendring als Projektleiter gewechselt und hast dort das Modular Festival bis 2015 auf ein neues Level gehoben. War dieser Schritt ein Glücksfall? Bis 2010 habe ich in der Firma meines Vaters gearbeitet. Im gleichen Jahr haben wir zum ersten Mal die auto.matic.OPEN auf dem Kesselhausgelände veranstaltet, die ziemlich erfolgreich gelaufen sind. Der damalige Popkulturbeauftrage Richard Goerlich und Raphael Brandmiller vom SJR sind anschließend auf mich zugekommen und haben mich gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, das Modular neu aufzustellen. Right time, right place. Mich hat diese Aufgabe unheimlich gereizt und so habe ich alles andere über Bord geworfen und bin zu neuen Ufern aufgebrochen. Es war an der Zeit. Was war das für ein Gefühl, wenn man einen bestimmten Etat zu Verfügung hat, um etwas Tolles zu kreieren? Ein ganz neues und wunderbares jedenfalls. Bands und Künstler buchen, ohne in das eigene Risiko zu gehen, kannte ich bis dato nicht. Die Stadt und der SJR waren die Auftraggeber. Zu dieser Zeit hatte ich schon auch etwas mehr Glück als Verstand (lacht). 2011 fand das Modular im Rahmenprogramm der Frauen-Fußball-WM statt und wir konnten The Notwist auf den Rathausplatz lotsen, was ein krasser Moment war. Ein Jahr später fand das Modular im neu sanierten Kongress am Park samt Wittelsbacher Park statt. Wir haben in diesem Jahr Kraftklub zu einem Zeitpunkt gebucht, als die Band noch Insiderstatus hatte und dann vor dem Festival komplett durch die Decke und auf Platz 1 schoss. Es waren drei wunderbare Tage, das Modular wurde in seiner heutigen Form geboren. Beim SJR kommt man zwangsläufig auch mit der Politik in Berührung. Wie sehr musstest du darauf achten, nicht in die Mühlen bestimmter Interessen zu geraten? Das Modular war tatsächlich lange ein Politikum und umstritten, jede Partei, jede Gruppierung hatte so ihre Vorstellung, wie es laufen sollte und man musste erst einmal einen Weg finden, um am Ende alle zufriedenzustellen. Was war deine Marschroute: Kompromisse schließen oder konsequent die eigene Linie fahren? Ohne Kompromisse kämpft man gegen Windmühlen, es ist schon wichtig auf Leute zuzugehen, auch auf Zielgruppen, die mir bis dato eher skeptisch gegenüberstanden. Die Geschichte des Modular Festivals hat mir nicht sofort direkt in die Karten gespielt, es war auch viel Entwicklungsarbeit nötig. Am Ende war für mich wichtig, eine Linie zu definieren, die für Augsburg funktioniert und Strahlkraft entwickeln kann, dafür viele Leute mit ins Boot zu nehmen und die Dinge gemeinsam auszugestalten. Ein Beispiel: Man braucht für ein Festival einen oder zwei zugkräftige Headliner, dann kann man das restliche Programm so gestalten, dass auch unbekanntere, aber interessante Acts und Newcomer leuchten. Alles in allem kann man sagen, das Modular hat Augsburg in der überregionalen Wahrnehmung sehr gutgetan. Welche Begegnungen waren die wichtigsten in deinem Leben? Außer mit meiner Frau Mara? Von der musikalischen Seite die Freundschaft zu Tobi Schmid, meinem auto.matic.-Kollegen, den ich kenne, seit ich drei Jahre alt bin. Wichtig war auch der Kontakt zu den Leuten vom Kerosin und später zum Schwarzen Schaf, weil die beiden Läden doch sehr lange unsere Heimat waren. Beruflich waren Rich Goerlich, Raphael Brandmiller, aber auch Uli Müllegger von der Stadt Augsburg und der Alt-OB Kurt Gribl prägend. Neben vielen weiteren sehr wichtigen Freundschaften in meinem Leben war es besonders auch die zu Oli Hüttenmüller und Christoph Sauter, mit denen ich die Glimmer Bar eröffnet habe.
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