D'HANDWIERK NOVEMBRE 2023
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MAGAZINE<br />
RUBRIQUE<br />
INTERVIEW MIT LUC MEYER, PRÄSIDENT DER FÉDÉRATION DES ARTISANS<br />
"Die kommende Regierung<br />
muss endlich Rücksicht<br />
auf die kleinen Betriebe<br />
nehmen. "<br />
Die Wähler haben sich gegen eine Neuauflage der Dreierkoalition ausgesprochen, was den Weg für CSV und DP frei machte,<br />
um Koalitionsverhandlungen aufzunehmen. Im Vorfeld der Wahlen hat die Fédération des Artisans ein Positionspapier erarbeitet,<br />
das ab Januar mit den verschiedenen Parteien diskutiert wurde.<br />
Zentrale Anliegen des Handwerks betreffen u.a. die<br />
Rentabilität der Unternehmen, die Arbeitsorganisation,<br />
das Abwerben von Fachkräften seitens öffentlicher<br />
Arbeitgeber als auch das Statut des Selbständigen.<br />
D’Handwierk unterhielt sich mit Luc Meyer, Präsident<br />
der Fédération des Artisans, über die Erwartungen<br />
des Handwerks an die kommende Regierung.<br />
DP und CSV befinden sich derzeit in Koalitionsverhandlungen.<br />
Welche Prioritäten sollte sich eine künftige Regierung in ihren<br />
Augen setzen?<br />
Seit Januar haben wir eine handfeste Krise im Bau. Durch<br />
Preissteigerungen von Materialien, Energie und vor allem<br />
durch einen sprunghaften Anstieg der Hypothekenzinsen<br />
sind die Investition in Bauvorhaben massiv eingebrochen.<br />
Dieser Rückgang betrifft die gesamte Baubranche mit<br />
seinen rund 60.000 Mitarbeitern. Als Fédération des<br />
Artisans warnen wir bereits seit fast einem Jahr vor der<br />
sich abzeichnenden Krise und wir haben der Regierung<br />
Vorschläge gemacht, wie Investitionen in Wohnraum<br />
zeitlich begrenzt wieder dynamisiert werden könnten.<br />
„Deshalb fordern wir nun von der Regierung eine Kleinbetriebsklausel<br />
einzuführen, wo Betriebe unter einer bestimmten<br />
Grösse von verschiedenen Auflagen befreit sind.“<br />
Leider war die vorige Regierung nicht dazu bereit, die nötige<br />
Massnahmen auf den Weg zu bringen. Umso dringlicher<br />
ist es, dass die künftige Regierung ab dem ersten Tag ihres<br />
Amtsantritts die Lösung der Baukrise als absolute Priorität<br />
behandelt. Entsprechende Gespräche wurden bereits mit<br />
dem Formateur geführt.<br />
Mittel- und langfristig muss es uns gelingen mehr Wohnraum<br />
zu schaffen, wenn wir nicht wollen, dass Wohnraummangel<br />
zum Flaschenhals für die wirtschaftliche Entwicklung des<br />
Landes wird.<br />
Was wünscht sich das Handwerk für die kommenden 5 Jahre?<br />
Ein Thema über das viel gesprochen wird, ist die Verringerung<br />
des Verwaltungsaufwandes. In der Praxis müssen<br />
wir aber feststellen, dass entgegen den politischen<br />
Verlautbarungen die Situation in den Unternehmen immer<br />
schlimmer wird. Ein Handwerksunternehmen beschäftigt<br />
im Durchschnitt 12 Mitarbeiter aber die Politik und die<br />
Verwaltungen scheinen zu glauben, dass dort unbegrenzte<br />
Ressourcen zur Verfügung stehen, um immer neue Auflagen<br />
und Dokumentationspflichten zu erfüllen. Ich behaupte<br />
mal, dass ein Unternehmer mehr Stunden für den Staat<br />
arbeitet als für sein Unternehmen.<br />
Deshalb fordern wir nun von der Regierung eine Kleinbetriebsklausel<br />
einzuführen, wo Betriebe unter einer bestimmten<br />
Grösse von verschiedenen Auflagen befreit sind.<br />
Die CSV hat angekündigt den administrativen Aufwand<br />
um 20 Prozent abzubauen. Die kommende Regierung<br />
muss Rücksicht auf kleine Betriebe nehmen.<br />
Wir sind auf jeden Fall gespannt.<br />
Ein weiteres Thema, was immer wieder diskutiert wird,<br />
ist die Arbeitsorganisation. Was verspricht sich das Handwerk<br />
von der kommenden Regierung?<br />
Work-Life Balance ist ein Lieblingsthema der Politik, bei<br />
dem es darum geht, immer neue Formen von «Nicht-Arbeit»<br />
zu erfinden. Erst vor ein paar Monaten haben wir eine<br />
ganze Reihe von zusätzlichen legalen Urlaubsformen<br />
beschlossen.<br />
Was wir als Unternehmen brauchen ist eine flexible<br />
Regelung, die wir auf Betriebsebene mit unseren Mitarbeitern<br />
vereinbaren können. Im Lebensmittelhandwerk herrscht<br />
vor Feiertagen Hochbetrieb, und auch die Baubranche<br />
ist saisonabhängig. Eine Flexibilisierung der Arbeit muss<br />
auch die Bedürfnisse der Unternehmen berücksichtigen,<br />
sonst sprechen wird nur von mehr Urlaub in einem Land,<br />
/11/<strong>2023</strong><br />
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