Hopp_Sport im Fokus

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SPORT IM FOKUS EXEKUTIVE FUNKTIONEN TRAINIEREN LEISTUNG OPTIMIEREN MENTALE STÄRKE AUSBILDEN SABINE KUBESCH SONJA HANSEN

SPORT IM FOKUS<br />

EXEKUTIVE FUNKTIONEN TRAINIEREN<br />

LEISTUNG OPTIMIEREN<br />

MENTALE STÄRKE AUSBILDEN<br />

SABINE KUBESCH<br />

SONJA HANSEN


1. Auflage<br />

© VERLAG BILDUNG plus<br />

Heidelberg 2017<br />

Alle Rechte vorbehalten<br />

Herausgeber: Spiel und <strong>Sport</strong> plus e. V.<br />

Idee, Konzeption und wissenschaftliche Inhalte: Dr. Sabine Kubesch,<br />

INSTITUT BILDUNG plus<br />

Umschlag, Illustration und Layout: Sonja Hansen, atelier-sonjahansen.de<br />

ISBN 978-3-95637-000-7<br />

verlag-bildungplus.org


SPORT IM FOKUS<br />

EXEKUTIVE FUNKTIONEN TRAINIEREN<br />

LEISTUNG OPTIMIEREN<br />

MENTALE STÄRKE AUSBILDEN


GRUSSWORT<br />

Liebe <strong>Sport</strong>freunde,<br />

1995 gründete ich meine Stiftung, um die Umsetzung gemeinnütziger<br />

Projekte zu ermöglichen. Der Schwerpunkt der Förderaktivitäten liegt in der<br />

Metropolregion Rhein-Neckar, mit der ich mich besonders verbunden fühle.<br />

Es werden Projekte gemeinnütziger Organisationen in den Bereichen Jugendsport,<br />

Medizin, Soziales und Bildung unterstützt.<br />

<strong>Sport</strong> fördert die Persönlichkeitsentwicklung junger Menschen, insbesondere<br />

<strong>Sport</strong> <strong>im</strong> Team vermittelt spielerisch Werte wie Fairness, Respekt und<br />

Verantwortung.<br />

Die Dietmar <strong>Hopp</strong> Stiftung unterstützt <strong>im</strong> Schwerpunkt die <strong>Sport</strong>arten Fußball, Handball, Eishockey und<br />

Golf. Dabei wird ein ganzheitlicher Ansatz mit dem Ziel verfolgt, Kindern und Jugendlichen auch außerhalb<br />

des <strong>Sport</strong>platzes eine Orientierung zu geben und sie fit für das Leben zu machen.<br />

Das vorliegende Lehrwerk „<strong>Sport</strong> <strong>im</strong> <strong>Fokus</strong>. Exekutive Funktionen trainieren, Leistung opt<strong>im</strong>ieren, mentale<br />

Stärke ausbilden“ richtet sich an Trainer, Übungsleiter und <strong>Sport</strong>pädagogen. Herausgeber von <strong>Sport</strong> <strong>im</strong> <strong>Fokus</strong><br />

ist Spiel und <strong>Sport</strong> plus, ein Verein, den meine Stiftung <strong>im</strong> Rahmen des Projektes „<strong>Sport</strong> <strong>im</strong> <strong>Fokus</strong> und<br />

exekutive Funktionen“ gefördert hat. Er möchte sportpädagogisch tätige Personen in die Lage versetzen,<br />

ihr Training und ihren Unterricht so zu gestalten, dass die Selbstregulationsfähigkeit von Kindern und Jugendlichen<br />

und deren exekutive Funktionen gezielt gefördert werden.<br />

Fähigkeiten wie Kreativität, Aufmerksamkeit, Planungsfähigkeit und Durchhaltevermögen werden in der<br />

Wissenschaft den exekutiven Funktionen und der Selbstregulation zugeordnet. Sie steuern das eigene<br />

Denken und Verhalten und sind somit wichtige Faktoren für erfolgreiches Lernen und den kontrollierten<br />

Umgang mit den eigenen Gefühlen. Sie ermöglichen es, zielgerichtet und planvoll vorzugehen, aber dennoch<br />

offen zu sein für Veränderungen. Neurowissenschaftliche Erkenntnisse machen deutlich, wie wichtig<br />

Bewegung, <strong>Sport</strong> und Spiel zeitlebens für die kognitive Entwicklung und die psychische Gesundheit sind.<br />

Damit sind gut entwickelte exekutive Funktionen und die Selbstregulationsfähigkeit nicht nur entscheidend<br />

für den Erfolg in der Schule, sondern auch <strong>im</strong> Beruf und <strong>im</strong> gesamten Leben.<br />

Mit dem vorliegenden Lehrwerk möchte Frau Dr. Sabine Kubesch die neuesten Erkenntnisse aus der<br />

Forschung zum Training exekutiver Funktionen für die sportliche Trainingspraxis verständlich und nutzbar<br />

machen.<br />

Ich wünsche allen Lesern viel Freude mit dem Lehrwerk und Erfolg bei der Umsetzung der gewonnenen<br />

Erkenntnisse.<br />

Mit sportlichem Gruß<br />

Ihr Dietmar <strong>Hopp</strong><br />

Seite 4


VORWORT<br />

<strong>Sport</strong> <strong>im</strong> <strong>Fokus</strong> ist ein Projekt von Spiel und <strong>Sport</strong> plus e.V. Dieser gemeinnützige Verein, der vom Badischen<br />

<strong>Sport</strong>bund Nord e.V. und dem INSTITUT BILDUNG plus getragen wird, hat sich zum Ziel gesetzt, die exekutiven<br />

Funktionen und die Selbstregulationsfähigkeit von Kindern und Jugendlichen <strong>im</strong> und durch den <strong>Sport</strong> zu fördern.<br />

Die Selbstregulation ermöglicht es, die Aufmerksamkeit, das Verhalten und die eigenen Emotionen zielgerichtet<br />

und bewusst steuern zu können. Gleichzeitig fördert die Selbstregulation den fairen Umgang miteinander. Diese<br />

Kompetenzen bauen auf gut entwickelten exekutiven Funktionen des Stirnhirns auf. Die exekutiven Funktionen<br />

und die Selbstregulationsfähigkeit können in alltäglichen Situationen und besonders <strong>im</strong> <strong>Sport</strong> gut trainiert<br />

werden. Im <strong>Sport</strong> selbst sind gute exekutive Funktionsfähigkeiten, die zur Ausbildung mentaler Stärke und zur<br />

Förderung der Selbstdisziplin beitragen, eine entscheidende Komponente für den Erfolg.<br />

Filmaufnahmen aus dem Training verschiedener <strong>Sport</strong>arten mit Athletinnen und Athleten unterschiedlicher Alters-<br />

und Leistungsstufen zeigen exemplarisch, wie das Training exekutiver Funktionen und die Förderung der<br />

Selbstregulation <strong>im</strong> <strong>Sport</strong> umgesetzt werden können. Die wissenschaftlichen Hintergründe sind in diesem Buch<br />

beschrieben. Spiel- und Übungsanleitungen, die in vielfältigen <strong>Sport</strong>arten eingesetzt werden können, neuropsychologische<br />

Test- und Trainingsverfahren, Fragen zur Wissensvertiefung sowie Interviews mit Trainern, <strong>Sport</strong>psychologen<br />

und <strong>Sport</strong>pädagogen ergänzen das Lehrwerk.<br />

Mit den Praxisbeispielen, die sowohl einfache wie auch hochtechnisierte Trainingsmethoden umfassen, erheben<br />

wir keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Vielmehr geht es uns darum, Trainer, Übungsleiter und <strong>Sport</strong>pädagogen<br />

zu befähigen, die dargestellten Erkenntnisse und Förderbeispiele auf ihre <strong>Sport</strong>arten zu übertragen<br />

und für ihre jeweiligen Zielgruppen nutzbar zu machen.<br />

Wir danken allen Beteiligten, die an <strong>Sport</strong> <strong>im</strong> <strong>Fokus</strong> mitgewirkt haben, allen voran den Trainern, Übungsleitern<br />

und Lehrern für ihre großartige Arbeit, die sie Woche für Woche für Kinder und Jugendliche und damit für die<br />

Gesellschaft leisten. Den <strong>Sport</strong>lerinnen und <strong>Sport</strong>lern danken wir für ihren Einsatz während der Filmaufnahmen<br />

sowie ihren Eltern für das entgegengebrachte Vertrauen. Unser weiterer Dank gilt Fabian Roth von Baden TV,<br />

der sich bei den Dreharbeiten mit seiner Kamera so manchem <strong>Sport</strong>ler und Ball unerschrocken entgegengestellt<br />

und bei der Postproduktion unendliche Geduld und Ausdauer bewiesen hat. Nicht weniger ausdauernd und<br />

geduldig erledigte Hannelore Chaluppa das Lektorat. Ein herzliches Dankeschön an Ulrika Holl und Johanne<br />

Förster für ihre Mitarbeit in der Geschäftsstelle von Spiel und <strong>Sport</strong> plus e.V. Ein besonderer Dank geht an Jan<br />

Mayer, der uns einen spannenden Einblick in die sportpsychologische Arbeit der TSG 1899 Hoffenhe<strong>im</strong> ermöglicht<br />

hat, sowie an Marie Ottilie Frenkel, Heinz Janalik, Armin Emrich und Damir Dugandzic für ihre Expertise und<br />

ihre Bereitschaft, diese in Form von Interviews in das Lehrwerk einzubringen. Heinz Janalik danken wir darüber<br />

hinaus ganz herzlich für seine große Unterstützung des Projekts und des Vereins Spiel und <strong>Sport</strong> plus e. V. von<br />

Beginn an. Sonja Hansens Illustrationen haben bei der langen Arbeit an dem Lehrwerk <strong>im</strong>mer wieder für einen<br />

Motivationsschub gesorgt. Das Lehrwerk trägt ihre künstlerische Handschrift.<br />

Wir möchten uns bei Henrik Westerberg, dem <strong>Sport</strong>referenten der Dietmar <strong>Hopp</strong> Stiftung, bedanken, der mit<br />

großem inhaltlichen Interesse und wertvollen Anregungen das Projekt begleitet hat. Ohne die großzügige Unterstützung<br />

der Dietmar <strong>Hopp</strong> Stiftung wären wir als Verein nicht in der Lage gewesen, dieses Buch-Film-Projekt<br />

durchzuführen. Unser herzlicher Dank gilt deshalb Dietmar <strong>Hopp</strong>, der <strong>Sport</strong> <strong>im</strong> <strong>Fokus</strong> mit seiner Stiftung möglich<br />

gemacht hat.<br />

Dr. Sabine Kubesch, Dr. Florian Dürr,<br />

Wolfgang Eitel und Prof. Dr. Claus Wendt<br />

Spiel und <strong>Sport</strong> plus e.V.<br />

Spiel<br />

und<br />

<strong>Sport</strong><br />

pluS<br />

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INHALTSVERZEICHNIS<br />

GRUSSWORT<br />

VORWORT<br />

INHALTSVERZEICHNIS<br />

EXEKUTIVE FUNKTIONSFÄHIGKEITEN IM ÜBERBLICK<br />

PUNKT FÜR PUNKT<br />

BUCH & FILM - HINWEISE ZUR NUTZUNG<br />

1EXEKUTIVE FUNKTIONEN<br />

ARBEITSGEDÄCHTNIS<br />

INHIBITION<br />

KOGNITIVE FLEXIBILITÄT<br />

KALTE UND HEISSE EXEKUTIVE FUNKTIONEN<br />

ENTWICKLUNGSGESCHICHTEN - TEIL 1<br />

WISSENSCHAFT - VON DER FORSCHUNG INS KLASSENZIMMER UND AUFS SPIELFELD<br />

NACHGEFRAGT: EXEKUTIVE FUNKTIONEN<br />

IM INTERVIEW: ARMIN EMRICH<br />

«MEIN VERHALTEN MUSS AUCH IN DER NIEDERLAGE EIN POSITIV-KONSTRUKTIVES,<br />

EIN SELBSTREGULIERTES VERHALTEN SEIN.»<br />

2 EINBLICKE IN DAS GEHIRN<br />

RÜCKBLICK<br />

AUSBLICK<br />

EIN BLICK AUF DAS GEHIRN<br />

DER PRÄFRONTALE KORTEX - THE NEW KID ON THE BLOCK<br />

DER BLICK IN DAS GEHIRN<br />

ANATOMISCHE UND FUNKTIONALE ASYMMETRIEN<br />

PRÄFRONTALE SCHÄDIGUNGEN<br />

EXEKUTIVE FUNKTIONEN IM SCANNER<br />

ENTWICKLUNGSGESCHICHTEN - TEIL 2<br />

PRÄFRONTALER KORTEX - VOM EMBRYO ZUM SENIOR<br />

NACHGEFRAGT: EINBLICKE IN DAS GEHIRN<br />

IM INTERVIEW: DAMIR DUGANDZIC<br />

«MAN MUSS NICHT ALLE GLEICH BEHANDELN, ABER MAN MUSS ALLE GERECHT<br />

BEHANDELN! DAS GILT BIS IN DEN PROFIBEREICH.»<br />

3 DER SPORT MACHT‘S!<br />

STAND DER FORSCHUNG<br />

NEUROPLASTIZITÄT<br />

HIPPOKAMPALE NEUROGENESE<br />

DER WACHSTUMSFAKTOR BDNF<br />

KÖRPERLICHE AKTIVITÄT UND EXEKUTIVE FUNKTIONEN<br />

EFFEKTE EINES MEHRMONATIGEN TRAININGS<br />

FITNESSEFFEKTE<br />

AKUTE BELASTUNGSEFFEKTE<br />

DURCH MEHR SPORT MIT WENIGER STRESS UND ANGST BESSER LERNEN<br />

SEROTONIN – SICH LAUFEND WOHLFÜHLEN<br />

SOZIALES LERNEN UND SOZIALE INTEGRATION DURCH DEN SPORT<br />

FAIRPLAY! SONST SCHLÄGT SPORT AUF DEN MAGEN<br />

FAZIT<br />

ENTWICKLUNGSGESCHICHTEN - TEIL 3<br />

EXEKUTIVE FUNKTIONEN - VOM ANFÄNGER ZUM PROFI<br />

NACHGEFRAGT: DER SPORT MACHT‘S!<br />

IM INTERVIEW: MARIE OTTILIE FRENKEL<br />

«DAS, WAS WIR IM KOPF AUS DER SITUATION MACHEN,<br />

ERMÖGLICHT ES HINTERHER ZU GEWINNEN ODER ZU VERLIEREN.»<br />

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4 SELBSTREGULATION<br />

FÖRDERUNG DER SELBSTREGULATION (SELBSTKONTROLLE)...<br />

DIE BAUSTEINE DES ERFOLGS<br />

MENTALE STÄRKE TRAINIEREN<br />

WENN DIE WILLENSKRAFT SCHWINDET<br />

DIE GRUNDLAGE FÜR EINEN STARKEN WILLEN: GLUKOSE<br />

GESUNDHEITSVERHALTEN FÜR DAS GEHIRN<br />

FÖRDERUNG DER SELBSTREGULATION DURCH BEWEGUNG, SPORT UND SPIEL<br />

FÖRDERUNG DER SELBSTREGULATION MIT PFIFF<br />

AUF DIE HALTUNG KOMMT ES AN!<br />

NICHT IMPULSIV, SONDERN BEDACHT REAGIEREN<br />

VERHALTEN ANALYSIEREN – KOMPETENZDEFIZIT ERKENNEN<br />

EINE VERBINDUNG HERSTELLEN<br />

GEMEINSAM EINE LÖSUNG SUCHEN<br />

ZIELÜBERPRÜFUNG<br />

UMSETZUNG IN DIE PRAXIS<br />

WIRKSAMKEITSANALYSE<br />

HEAD-TOES-KNEES-SHOULDERS-AUFGABE<br />

DER PFIFF-LEITFADEN<br />

NACHGEFRAGT: SELBSTREGULATION<br />

IM INTERVIEW: HEINZ JANALIK<br />

«ICH WEISS AUS INTERVIEWS, WAS IN KINDERN UND JUGENDLICHEN VOR SICH GEHT,<br />

WENN SIE STÄNDIG ERSATZLEUTE SIND, NICHT ZUM EINSATZ KOMMEN, WEIL IHNEN<br />

BESSERE VORGEZOGEN WERDEN.»<br />

5 SPIELE UND ÜBUNGEN<br />

VERHALTENSKODEX DER JUNGLÖWEN<br />

KOMMANDO-BALL<br />

PFIFF-PASS<br />

RECHEN-WURF<br />

ENTSCHEIDUNGSPASS<br />

JUBEL-SCHNICK-SCHNACK-SCHNUCK<br />

SPRINTWETTKAMPF<br />

INHIBITIONSFALLE<br />

ENTSCHEIDUNGSSPRINT<br />

2-BALL-SPIEL<br />

SCHNICK-SCHNACK-SCHNUCK-SPRINT<br />

LAUF-ABC-MEMORY<br />

FEUER-WASSER-STURM<br />

FROSCH FÄNGT HAI<br />

HINDERNISLAUF<br />

FLEXI-BALL<br />

SCHAKADI<br />

STÄBE WERFEN<br />

FALLENDER STAB<br />

IN DECKUNG<br />

ATEMGEWAHRSEIN<br />

BODYSCAN<br />

SCHMELZENDES EIS<br />

SELBSTGESPRÄCHE UMFORMULIEREN – ZWEI-SPALTEN-TECHNIK<br />

LITERATUR UND HINWEISE<br />

KAPITEL 1<br />

KAPITEL 2<br />

KAPITEL 3<br />

KAPITEL 4<br />

KAPITEL 5<br />

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EXEKUTIVE FUNKTIONSFÄHIGKEITEN IM ÜBERBLICK<br />

MENTALE STÄRKE<br />

WILLENSSTÄRKE<br />

SELBSTDISZIPLIN<br />

EXEKUTIVE FUNKTIONEN SELBSTREGULATION /<br />

SELBSTKONTROLLE<br />

ARBEITSGEDÄCHTNIS<br />

• Informationen<br />

kurzzeitig speichern<br />

• Mit gespeicherten<br />

Informationen arbeiten<br />

• Informationen aus<br />

Langzeitspeicher abrufen<br />

EMOTIONALE KONTROLLE<br />

• Emotionsregulation<br />

• Motivationsregulation<br />

• Belohnungsaufschub<br />

KOGNITIVE KONTROLLE<br />

• Strukturieren/ordnen/organisieren<br />

• Planen/Prioritäten setzen<br />

• Entscheiden<br />

• Handlungsschnelligkeit<br />

• Verhaltensmonitoring<br />

• Fehlererkennung<br />

• Fehlerkorrektur<br />

INHIBITION<br />

Verhalten<br />

• Impulskontrolle<br />

Aufmerksamkeit<br />

• <strong>Fokus</strong>sierte /<br />

selektive<br />

Aufmerksamkeit<br />

KOGNITIVE FLEXIBILITÄT<br />

Aufmerksamkeit<br />

• <strong>Fokus</strong> der<br />

Aufmerksamkeit<br />

gezielt wechseln<br />

AUFMERKSAMKEITS-<br />

STEUERUNG<br />

Verhalten<br />

• Umstellungsfähigkeit<br />

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PUNKT FÜR PUNKT<br />

Mit <strong>Sport</strong> <strong>im</strong> <strong>Fokus</strong> lenken wir den Blick auf das Training exekutiver Funktionen und auf die Förderung der<br />

Selbstregulation <strong>im</strong> <strong>Sport</strong>. Abgleitet vom roten <strong>Sport</strong>-<strong>im</strong>-<strong>Fokus</strong>-Farbkreis stehen die verschiedenen Farbkreise<br />

für spezifische exekutive Funktionen bzw. für komplexere Fähigkeiten, die auf den zentralen exekutiven<br />

Funktionen Arbeitsgedächtnis, Inhibition und kognitive Flexibilität aufbauen. Der Aufmerksamkeitssteuerung<br />

und der Emotionsregulation wurden eigene Farbkreise zugeordnet, weil sie für die Förderung<br />

der jungen <strong>Sport</strong>lerinnen und <strong>Sport</strong>ler und deren sportliche Leistungsfähigkeit von elementarer Bedeutung<br />

sind. Durch das gezielte Training exekutiver Funktionen und die Förderung der Selbstregulationsfähigkeit<br />

<strong>im</strong> <strong>Sport</strong> unterstützen die Trainerinnen und Trainer die Ausbildung der Selbstdisziplin und der mentalen<br />

Stärke ihrer Athletinnen und Athleten.<br />

<strong>Sport</strong> <strong>im</strong> <strong>Fokus</strong><br />

Im Lehrwerk weist der rote Farbkreis, das Logo von <strong>Sport</strong> <strong>im</strong> <strong>Fokus</strong>, auf inhaltlich passende<br />

Filme und Filmausschnitte hin.<br />

Arbeitsgedächtnis<br />

Der blaue Farbkreis steht für das Arbeitsgedächtnis und damit für die Fähigkeiten der <strong>Sport</strong>ler,<br />

Informationen aus dem Langzeitspeicher abzurufen (z.B. die individual- und mannschaftstaktischen<br />

Anweisungen des Trainers), Informationen kurzzeitig zu speichern (wie die aktuelle Situation<br />

auf dem Spielfeld) und mit gespeicherten Informationen arbeiten zu können (z.B. be<strong>im</strong><br />

Abgleich der aktuellen Spielsituation mit den eigenen technischen Fähigkeiten), um so die bestmögliche<br />

Entscheidung auf dem Spielfeld treffen zu können.<br />

Aufmerksamkeitssteuerung<br />

Bei der Aufmerksamkeitssteuerung unterscheidet man verschiedene Aufmerksamkeitsarten,<br />

die sich in zwei Gruppen einteilen lassen: 1. Die Aufmerksamkeitsselektivität: Sie bezieht sich<br />

auf die Frage: Worauf wird die Aufmerksamkeit gerichtet? Wird sie fokussiert, geteilt oder gewechselt?<br />

2. die Aufmerksamkeitsintensität: Wie stark und wie lange ist man konzentriert?<br />

Inhibition<br />

Der orangefarbene Punkt steht für die exekutive Funktion Inhibition, die die Fähigkeit unterstützt,<br />

einen spontanen Impuls unterdrücken zu können (z.B. um ein Revanchefoul zu vermeiden<br />

oder die Schiedsrichterentscheidung kommentarlos anzunehmen) und Störreize (z.B. aus<br />

den Zuschauerreihen oder in Form gegnerischer Aktionen) ausblenden zu können.<br />

Emotionsregulation<br />

Im <strong>Sport</strong>, <strong>im</strong> Spiel und in Wettkampfsituationen kommt es <strong>im</strong>mer wieder darauf an, die eigenen<br />

Emotionen und die Motivation (die mit Emotionen eng verbunden ist) zielführend steuern zu<br />

können. In entscheidenden Situationen einen kühlen Kopf zu bewahren, stellt höchste Ansprüche<br />

an die Selbstregulationsfähigkeit. In solch emotional herausfordernden Situationen spricht<br />

man auch von „heißen“ exekutiven Funktionen.<br />

Kognitive Flexibilität<br />

Der grüne Farbkreis repräsentiert die kognitive Flexibilität und damit die Fähigkeit, das<br />

eigene Verhalten und die Aufmerksamkeit schnell und zielgerichtet umstellen zu können.<br />

Diese Fähigkeit ist in besonderem Maße, aber nicht ausschließlich, für schnelle Mannschaftssportarten<br />

von zentraler Bedeutung.<br />

Selbstregulation<br />

Der braune Farbkreis steht für komplexere selbstregulatorische, insbesondere kognitive Kontrollfähigkeiten,<br />

denen exekutive Funktionen zugrunde liegen und die die Selbstdisziplin und<br />

Willensstärke <strong>im</strong> Training und <strong>im</strong> Wettkampf unterstützen. Zu diesen kognitiven Kontrollfähigkeiten<br />

zählen wir u.a. die Entscheidungs- und Handlungsschnelligkeit, die Fähigkeiten planvoll,<br />

strukturiert und zielorientiert zu handeln, das eigene Verhalten zu beobachten und zu<br />

reflektieren, Fehler zu erkennen und zu korrigieren.<br />

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BUCH & FILM – HINWEISE ZUR NUTZUNG<br />

Buch oder Film?<br />

Diese Frage stellt sich bei <strong>Sport</strong> <strong>im</strong> <strong>Fokus</strong> nicht. Wir kombinieren beide Medien, um die Theorie anschaulich<br />

mit der Praxis verbinden zu können. Im vorliegenden Buch finden Sie deshalb be<strong>im</strong> Lesen <strong>im</strong>mer wieder<br />

dieses Filmsymbol:<br />

Dies ist der Verweis auf einen Film oder auf eine konkrete Filmstelle, die exemplarisch aufzeigt, wie Inhalte<br />

aus dem Buch in der Trainingspraxis umgesetzt werden können.<br />

Vom Buch zum Film<br />

In Kapitel 1 werden bspw. neuropsychologische Testverfahren zur Untersuchung und zum Training exekutiver<br />

Funktionen beschrieben. Mit den Filmen zu den Testverfahren erhalten Sie die Möglichkeit, Ihre<br />

eigenen und die exekutiven Funktionen Ihrer Athletinnen und Athleten auf die Probe zu stellen.<br />

Vom Film zum Buch<br />

In den Filmen finden Sie viele Spiel- und Übungsformen, mit denen exekutive Funktionen trainiert werden<br />

können. Eine Auswahl dieser Spiel- und Übungsformen aus den Filmen, die auf vielfältige <strong>Sport</strong>arten übertragbar<br />

sind, werden in Kapitel 5 des Lehrwerks beschrieben.<br />

Natürlich können Sie sich die Filme auch unabhängig vom Buch ansehen.<br />

Die <strong>Sport</strong>-<strong>im</strong>-<strong>Fokus</strong>-Filme finden Sie unter:<br />

spielsportplus.de<br />

youtube.com<br />

Die Fl<strong>im</strong>sequenzen, auf die <strong>im</strong> Buch hingewiesen wird, finden Sie ebenfalls unter:<br />

spielsportplus.de<br />

In den Texten dieses Buches wird aus Gründen der sprachlichen Vereinfachung und der besseren Lesbarkeit<br />

auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen häufig verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen<br />

gelten gleichermaßen für beiderlei Geschlecht.<br />

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1 EXEKUTIVE FUNKTIONEN<br />

Exekutive Funktionen sind kognitive Kontrollfunktionen, die <strong>im</strong>mer dann zum Einsatz kommen, wenn routinemäßige<br />

Abläufe zur Aufgabenbewältigung nicht ausreichen. Wir gehen und laufen, ohne dass wir dazu die<br />

exekutiven Funktionen benötigen. Das haben wir <strong>im</strong> Alter von ein bis zwei Jahren gelernt und kurze Zeit später<br />

automatisiert. Gehen und Laufen wurden durch Übung Schritt für Schritt zu Routinehandlungen, die in<br />

aller Regel keine bewusste Steuerung und somit keine exekutiven Funktionen mehr erfordern.<br />

Filmverweis:<br />

• Tanzen 1<br />

• Fechten1<br />

Im <strong>Sport</strong> sind die exekutiven Funktionen jedoch nahezu ständig gefordert – selbst be<strong>im</strong> Laufen. So zum Beispiel<br />

dann, wenn sich dem Angreifer be<strong>im</strong> Lauf in Richtung Tor ein Gegenspieler in den Weg stellt, um ihm den<br />

Ball abzunehmen. Dann wird das Stirnhirn der Spieler aktiv, in dem die exekutiven Funktionen <strong>im</strong> Wesentlichen<br />

repräsentiert sind. Nun gilt es, in kürzester Zeit die Situation auf dem Spielfeld wahrzunehmen und mit<br />

Einsatz der exekutiven Funktionen die richtige Entscheidung zu treffen: Der angreifende Spieler kann versuchen,<br />

nach einem Tempodribbling den Ball mit einer gezielten Aktion direkt ins Tor zu lenken, eine Finte oder<br />

Flanke einzuleiten oder einen Pass zu spielen. Je besser die exekutiven Funktionen des angreifenden Spielers<br />

ausgebildet sind, desto leichter fällt es ihm, die bestmögliche Entscheidung zu treffen und die entsprechende<br />

motorische Handlung erfolgreich auszuführen. Aber was versteht man unter exekutiven Funktionen nun<br />

ganz konkret? Die Bezeichnung „exekutive Funktionen“ wird seit den 1970er-Jahren in der Neurologie, der<br />

Klinischen Neuropsychologie und der kognitiven Neurowissenschaft verwendet. 1 Seit ca. 2005 hält sie Einzug<br />

auch in andere Wissenschaftsbereiche, wie in die <strong>Sport</strong>wissenschaft und die Pädagogik. Es gibt zahlreiche Definitionen<br />

und theoretische Modelle zu den exekutiven Funktionen. 2 In diesem Buch wird der <strong>Fokus</strong> auf drei<br />

Basisfunktionen gelegt, die entscheidend dafür sind, wie gut man Aufmerksamkeit, Verhalten, Motorik und<br />

Emotionen kontrollieren bzw. steuern kann. Dieser Fähigkeit zur Selbstregulation unterliegen das Arbeitsgedächtnis,<br />

die Inhibition und die kognitive Flexibilität, die zu den exekutiven Funktionen gezählt werden. 3<br />

ARBEITSGEDÄCHTNIS<br />

Das Arbeitsgedächtnis besteht nach dem in der Wissenschaft bekannten Modell von Baddeley und Hitch 4 aus<br />

zwei Subsystemen: einem Kurzzeitspeicher für verbale und einem für visuell-räumliche Informationen. Den<br />

Subsystemen ist ein Kontrollsystem übergeordnet, die sogenannte zentrale Exekutive. Da kontrollierte Prozesse<br />

Aufmerksamkeit erfordern, wird die zentrale Exekutive auch als ein Aufmerksamkeitssystem verstanden,<br />

mit dessen Hilfe Verarbeitungsprioritäten gesetzt, Routineabläufe unterbrochen und nicht routinemäßig ablaufende<br />

Prozesse überwacht werden können. 5 Arbeitsgedächtnis und Aufmerksamkeitskontrolle stehen so<br />

in einem engen Zusammenhang.<br />

Visuellräumlicher<br />

Kurzzeitspeicher<br />

Arbeitsgedächtnis<br />

Zentrale Exekutive<br />

Verbaler<br />

Kurzzeitspeicher<br />

Vereinfachte Darstellung des Arbeitsgedächtnismodells nach Baddeley u. Hitch 4<br />

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Die zentrale Exekutive ermöglicht die Manipulation der in den Subsystemen gespeicherten Informationen.<br />

Unter Manipulation versteht man, dass mit den gespeicherten Informationen gearbeitet werden kann. Ein<br />

gängiges Beispiel für den Einsatz des Arbeitsgedächtnisses und die Manipulation gespeicherter Informationen<br />

sind Kopfrechenaufgaben. Als Beispiel hier eine Aufgabe für Kinder der dritten Klasse: „Dividiere den 5.<br />

Teil von 200 durch 2 und addiere dann 15.“ Damit die Kinder diese Aufgabe <strong>im</strong> Kopf lösen können, müssen sie<br />

zunächst die gesamte Aufgabenstellung <strong>im</strong> verbalen Kurzzeitspeicher aufrechterhalten. Mit Einsatz der zentralen<br />

Exekutiven führen sie den ersten Rechenschritt aus (200 : 5), ohne den restlichen Teil der Aufgabe zu<br />

vergessen. Das erste Zwischenergebnis (40) müssen die Kinder ebenfalls <strong>im</strong> verbalen Kurzzeitspeicher präsent<br />

halten, während sie die zweite Rechenoperation durchführen, was erneut eine Manipulation der <strong>im</strong> verbalen<br />

Kurzzeitspeicher präsentierten Information erfordert (40 : 2). Als weiterer Rechenschritt muss das zweite<br />

Zwischenergebnis (20) ebenfalls abgespeichert und 15 hinzuaddiert werden.<br />

Ohne Einsatz des Arbeitsgedächtnisses sind solche mehrschrittigen Aufgaben nicht zu lösen. Dieses Beispiel<br />

macht zum einen deutlich, wie wichtig das Arbeitsgedächtnis für die Bearbeitung schulischer Aufgaben ist,<br />

zum andern macht es bewusst, vor welch großen Herausforderungen Kinder und Jugendliche be<strong>im</strong> täglichen<br />

Lernen stehen, wenn sie über ein nicht gut ausgebildetes Arbeitsgedächtnis verfügen. 6<br />

Filmverweis:<br />

• Handball 1<br />

Hier ein kleiner Test für Ihren verbalen Kurzzeitspeicher: Sehen Sie sich die nachfolgenden Buchstaben<br />

ca. 5 Sekunden lang an, und decken Sie sie anschließend mit einer Hand ab. Damit Sie die Buchstaben <strong>im</strong><br />

Arbeitsgedächtnis ausreichend lange speichern können, ist es notwendig, dass Sie sie aktiv aufrechterhalten,<br />

indem Sie sie laut oder subvokal (innerlich bzw. gedanklich) wiederholen. Ohne diese aktive Aufrechterhaltung<br />

würden die Gedächtnisspuren, die die Buchstaben in Ihrem Gehirn bilden, bereits innerhalb von ein bis<br />

zwei Sekunden zerfallen. 7 Hier nun die Aufgabe:<br />

W, C, T, B, D, G<br />

Jetzt versuchen Sie es einmal mit diesen Buchstaben:<br />

X, G, K, O, L, S<br />

Welche Buchstabenreihe war für Sie schwieriger zu merken? Die erste? So sollte es nach dem Effekt der phonologischen<br />

Ähnlichkeit sein. Dieser besagt, dass ähnlich klingende Elemente schwerer zu behalten sind als<br />

verschieden klingende. 5<br />

Neben der phonologischen Ähnlichkeit wird die Arbeitsgedächtnisleistung auch durch den Wortlängeneffekt<br />

best<strong>im</strong>mt. Von der Länge der Wörter (vermehrt bezogen auf die Aussprechdauer, weniger auf die Anzahl der<br />

Silben) hängt es ab, wie viele Wörter <strong>im</strong> Arbeitsgedächtnis gespeichert werden können.<br />

BALL, RASEN, TISCH, SPORT, HOCKEY<br />

sind nach dem Wortlängeneffekt leichter <strong>im</strong> verbalen Kurzzeitspeicher aufrechtzuerhalten als<br />

FUSSBALL, RASENFLÄCHE, TISCHTENNIS, SPORTSCHUH, HOCKEYSCHLÄGER<br />

Jetzt noch ein kleiner Test für Ihre zentrale Exekutive. Das bedeutet, dass Sie bei der nächsten Aufgabe die<br />

zu speichernden Informationen manipulieren, also mit ihnen arbeiten müssen. Sie sehen nachfolgend eine<br />

Zahlenreihe abgebildet. Schauen Sie sich diese für wenige Sekunden an, decken Sie sie anschließend mit einer<br />

Hand ab, und nennen Sie sie zunächst in richtiger, danach in umgekehrter Reihenfolge:<br />

Seite 13


9, 2, 5, 8<br />

Je länger die Zahlenreihe, desto schwieriger die Aufgabe.<br />

Bei den nachfolgenden 5 Zahlen ist das Arbeitsgedächtnis stark gefordert, wenn Sie sie in umgekehrter<br />

Reihenfolge wiedergeben:<br />

3, 7, 2, 9, 5<br />

Während solche verbalen Informationen (wie Zahlen, Buchstaben, Worte oder Objekte) <strong>im</strong> verbalen Arbeitsgedächtnis<br />

verarbeitet werden, werden visuelle Wahrnehmungen und Vorstellungen vorwiegend <strong>im</strong> visuell-räumlichen<br />

Arbeitsgedächtnis, dem sogenannten visuell-räumlichen Notizblock, gespeichert und weiterverarbeitet.<br />

5 Ein Test, der zur Messung des visuell-räumlichen Arbeitsgedächtnisses oftmals eingesetzt wird,<br />

ist der Blockspannentest. Dabei zeigt der Versuchsanleiter nacheinander auf drei, vier oder mehr verschiedene<br />

Blöcke, die die Versuchsperson in richtiger bzw. umgekehrter Reihenfolge wiedergeben soll. 1<br />

Filmverweis:<br />

• Handball 2<br />

Die Arbeitsgedächtniskapazität ist stark begrenzt, insbesondere <strong>im</strong> Vergleich zum Langzeitgedächtnis, in dem<br />

wir viele Informationen zum Teil überdauernd speichern können. Ältere Jugendliche und junge Erwachsene<br />

sind in der Lage, sich bis zu sieben (plus/minus zwei) Informationen, wie Worte, Objekte, Ziffern und Positionen,<br />

für eine kurze Zeitspanne von wenigen Sekunden zu merken. Wenn es darum geht, mit den gespeicherten<br />

Informationen zu arbeiten bzw. diese gedanklich zu manipulieren, reduziert sich die Kapazität. Ein<br />

vierjähriges Kind kann zwei Zahlen, ein 15-Jähriger ca. fünf Zahlen in umgekehrter Reihenfolge wiedergeben. 8<br />

Die Entwicklung des Arbeitsgedächtnisses verläuft parallel zur Entwicklung des Stirnhirns (präfrontaler Kortex;<br />

siehe Kapitel 2). Entsprechend können Kindergartenkinder weniger Informationen aufnehmen und verarbeiten<br />

als Grundschulkinder und diese wiederum weniger als ältere Kinder und Jugendliche. Die Arbeitsgedächtniskapazität<br />

verbessert sich kontinuierlich bis etwas zum 15. Lebensjahr, dann stagniert die Leistungskurve bis<br />

zum Alter von etwa 35 Jahren, bevor sie wieder abn<strong>im</strong>mt. 9<br />

Anzahl der durchschnittlich<br />

gespeicherten Items<br />

7<br />

6<br />

5<br />

4<br />

3<br />

2<br />

1<br />

0<br />

5 8 10 13 16 22 35 45 55 65<br />

visuell-räumliches Arbeitsgedächtnis<br />

verbales Arbeitsgedächtnis<br />

Filmverweis:<br />

• PFiFF/Grundschule 1<br />

Alter in Jahren<br />

Modifiziert nach Alloway 9 (Seite 4); Kapazität des verbalen und visuell-räumlichen Kurzzeitspeichers<br />

Die gute Nachricht aber ist: Das Arbeitsgedächtnis kann trainiert werden. Dabei zeigen sich in Studien sowohl<br />

nahe Transfereffekte (von einer trainierten Arbeitsgedächtnisaufgabe zu einer nicht trainierten Arbeitsgedächtnisaufgabe)<br />

als auch weite Transfereffekte mit Verbesserungen hinsichtlich Intelligenz, 10 Aufmerksamkeit 11 und<br />

Lernleistungen. 12,13,14 Da das Arbeitsgedächtnistraining kognitiv stark herausfordernd ist, hängen die Effekte<br />

eines solchen Trainings jedoch nicht nur von der Trainingszeit und der Trainingshäufigkeit ab, sondern auch<br />

von individuellen Faktoren wie Temperament, 15 Motivation und „Need for Cognition“ (Bedürfnis nach kognitiv<br />

anstrengenden Tätigkeiten). 13<br />

Seite 14


Zu den Arbeitsgedächtnisaufgaben, die in Studien zum Training des Arbeitsgedächtnisses eingesetzt werden,<br />

zählt die sogenannte N-Back-Aufgabe. In der 1-Back-Variante muss sich die Versuchsperson daran erinnern,<br />

ob die gegenwärtig präsentierte Information (akustisch oder visuell oder kombiniert akustisch-visuell dargeboten)<br />

mit der übereinst<strong>im</strong>mt, die unmittelbar davor präsentiert wurde. Entsprechend muss die Versuchsperson<br />

in der 2-Back-Variante abgleichen, ob der aktuell dargebotene St<strong>im</strong>ulus mit dem übereinst<strong>im</strong>mt, der<br />

zwei Durchgänge zuvor dargeboten wurde (Vergleichbares gilt für die weiteren Aufgabenvarianten 3-Back,<br />

4-Back etc.).<br />

Das Arbeitsgedächtnis der Probanden muss also die zuvor präsentierten Informationen zum einen <strong>im</strong> Kurzzeitspeicher<br />

aufrechterhalten und zum anderen, durch Einsatz der zentralen Exekutive, mit der aktuell dargebotenen<br />

Information abgleichen. Wissenschaftliche Studien zum Arbeitsgedächtnistraining zeigen, dass man<br />

mit einem Training von ca. 20 Trainingseinheiten über einen Zeitraum von vier Wochen an fünf Trainingstagen<br />

pro Woche mit je 20 Trainingsminuten pro Tag die Arbeitsgedächtnisleistung um ca. 60 bis 80 Prozent verbessern<br />

und so um durchschnittlich zwei bis drei N-Back-Level steigern kann (bei einer akustischen N-Back-Aufgabe<br />

zum Beispiel von N-Back-Level 3.55 auf 6.40). 13 Deutliche Verbesserungen des Arbeitsgedächtnisses<br />

können sich also bereits nach einem intensiven mehrwöchigen kognitiven Training einstellen. 14<br />

3-Back<br />

N-Back-Aufgabe<br />

Filmverweis:<br />

• N-Back: Teste dein Arbeitsgedächtnis<br />

SPORT IM FOKUS –<br />

DAS ARBEITSGEDÄCHTNIS<br />

Was bedeuten diese neurowissenschaftlichen Erkenntnisse zum<br />

Arbeitsgedächtnis für den Trainer und Übungsleiter? Da die<br />

Arbeitsgedächtniskapazität begrenzt ist, müssen sich auch die<br />

Trainer und Übungsleiter begrenzen, was die Menge an Informationen<br />

in Form von Trainingshinweisen, Aufgabenstellungen,<br />

Feedback etc. anbelangt. Je jünger die Heranwachsenden, desto<br />

weniger Informationen können die <strong>Sport</strong>ler aufnehmen, verarbeiten<br />

und umsetzen. Der Trainer und Übungsleiter sollte aber<br />

nicht nur die altersbezogenen Unterschiede der Arbeitsgedächtniskapazität<br />

<strong>im</strong> Blick haben, sondern sich auch der großen individuellen<br />

Unterschiede bewusst sein. In einer Grundschulklasse<br />

von etwa 30 Kindern <strong>im</strong> Alter von 7 bis 8 Jahren weisen in der<br />

Regel drei Kinder eine Arbeitsgedächtnisleistung von 4-Jährigen<br />

und weitere drei Kinder eine Arbeitsgedächtnisleistung von<br />

11-Jährigen auf. 16 Diese Leistungsunterschiede stellen Lehrerinnen<br />

und Lehrer, aber auch Übungsleiter und Trainer – z.B. bei<br />

Erläuterungen oder bei der Vergabe von Arbeitsaufträgen – vor<br />

eine große Herausforderung, da Kinder und Jugendliche nur so<br />

viele Informationen verarbeiten können, wie es ihre Arbeitsgedächtnisleistung<br />

zulässt.<br />

Seite 15


Informationen, die das individuelle Fassungsvermögen des Arbeitsgedächtnisses übersteigen, sind nicht<br />

mehr zugänglich und <strong>im</strong> Grunde gelöscht. Das bedeutet, dass die zu speichernden Informationen nochmals<br />

dargeboten und aufmerksam verarbeitet werden müssen. 16<br />

Filmverweis:<br />

• Turnen 1<br />

• Tanzen 2<br />

Bevor der Trainer oder Übungsleiter seine Anweisungen gibt, muss er also<br />

zunächst sicherstellen, dass die jungen <strong>Sport</strong>ler ihre Aufmerksamkeit auf<br />

die zu speichernden Informationen richten und ablenkende oder störende<br />

Reize bewusst ausblenden. Wie eng das Arbeitsgedächtnis und die<br />

Aufmerksamkeit miteinander verbunden sind, zeigt sich darin, dass das<br />

Training des Arbeitsgedächtnisses zur Verbesserung der Aufmerksamkeitsleistung<br />

beiträgt. 11 Die bewusste Aufmerksamkeitskontrolle und das<br />

Arbeitsgedächtnis der Kinder und Jugendlichen sind damit eine wichtige<br />

Grundlage für den Trainingserfolg und die Trainingseffizienz.<br />

Filmverweis:<br />

• Hockey 1<br />

Doch nicht nur das verbale, auch das visuell-räumliche Arbeitsgedächtnis ist für den <strong>Sport</strong> von großer Bedeutung.<br />

Alle räumlichen Informationen, die der Spieler auf dem Spielfeld wahrn<strong>im</strong>mt, wie Lauf- und Passwege,<br />

die sich ständig verändernden Spielerpositionen und auch die Flugkurve des Balles, werden von ihm wahrgenommen<br />

und über das Arbeitsgedächtnis verarbeitet. Mit Hilfe des Arbeitsgedächtnisses trifft der Spieler<br />

seine Entscheidungen auf dem Spielfeld. Je trainierter sein Arbeitsgedächtnis, desto leichter fällt es ihm, die<br />

bessere taktische Entscheidung zu treffen. 17<br />

Filmverweis:<br />

• <strong>Sport</strong>psychologie 1 – TSG 1899 Hoffenhe<strong>im</strong><br />

• Fußball 1<br />

Erste Studien belegen, dass es für den <strong>Sport</strong>ler von Vorteil ist, sein Arbeitsgedächtnis unter körperlicher<br />

Belastung zu trainieren. Der Mehrwehrt eines solchen Trainings gegenüber einem rein kognitiven Arbeitsgedächtnistraining<br />

zeigt sich darin, dass sich das kombiniert körperlich-kognitive Training in einer höheren<br />

kognitiven Leistungsfähigkeit unter körperlicher Belastung auszeichnet. 18 Anders ausgedrückt: Trainiert der<br />

<strong>Sport</strong>ler sein Arbeitsgedächtnis unter körperlicher Beanspruchung, dann kann er sein Arbeitsgedächtnis unter<br />

körperlicher Belastung effizienter einsetzen, als wenn das Arbeitsgedächtnistraining in Ruhe (<strong>im</strong> Sitzen)<br />

durchgeführt wurde.<br />

Seite 16


Filmverweis:<br />

• Hockey 2<br />

• Handball 3<br />

Damit das Zusammenspiel auf dem Platz bestmöglich funktioniert, sollten die Spieler also nicht nur körperlich<br />

und technisch auf einem Leistungsniveau spielen, sondern auch kognitiv vergleichbar stark sein. Ein wesentlicher<br />

Trainingsaspekt <strong>im</strong> <strong>Sport</strong> sollte deshalb auf dem Aufbau der kognitiven Leistungsfähigkeit liegen.<br />

Ein gezieltes Training des Arbeitsgedächtnisses liefert dafür eine wichtige Grundlage. Idealerweise wird das<br />

Arbeitsgedächtnistraining in die normalen Spielabläufe auf dem Spielfeld integriert, was das nachfolgende<br />

Beispiel mit der Passfolge verdeutlichen soll.<br />

D<br />

C<br />

B<br />

A<br />

Abbildung modifiziert nach Übung von Horst Hrubesch (08.10.2013), 19 B- und A-Junioren, Aufwärmen, Passen und Entgegenstarten,<br />

www.dfb.de.<br />

In der oben dargestellten Übung passt A zu B und läuft seinem Abspiel nach. Gleichzeitig startet C dem inneren<br />

Hütchen entgegen, wo er das Zuspiel von B erhält. Anschließend lässt C auf D prallen, der die Passfolge in umgekehrter<br />

Reihenfolge startet. Die Spieler müssen sich bei dieser Aufwärmübung ca. zwei bis vier Informationen<br />

(Lauf- und Passwege) aufrechterhalten. Solche Aufwärmübungen können dazu eingesetzt werden, die Spieler<br />

nicht nur körperlich, sondern auch kognitiv auf die nachfolgenden Trainingsanforderungen vorzubereiten. Um<br />

einen ausreichenden kognitiven Trainingsreiz zu setzen, sollten die Spieler der genannten Altersklasse weitere<br />

Informationen verarbeiten, wie das be<strong>im</strong> ExF-Training erfolgt.<br />

Seite 17


SPORTARTSPEZIFISCHES TRAINING EXEKUTIVER<br />

FUNKTIONEN MIT EXF<br />

Bis zu 7 Farbsignale auf 2 Ebenen.<br />

Die Farben stehen für ein spezifisches Spielverhalten<br />

eines oder mehrerer Mit- oder Gegenspieler bzw. für<br />

veränderte Spielsituationen, die best<strong>im</strong>mte Aktionen<br />

zur Folge haben.<br />

Filmverweis:<br />

• Fußball 2<br />

Die Entscheidungs- und Handlungsschnelligkeit der<br />

Spieler hängt wesentlich von deren exekutiven Funktionen<br />

ab. Je mehr Lichtsignale eingesetzt werden,<br />

desto stärker werden die exekutiven Funktionen<br />

eingesetzt und trainiert.<br />

Be<strong>im</strong> ExF-Training, das zum gezielten Training exekutiver Funktionen in Mannschaftssportarten wie Fußball<br />

und Handball entwickelt wurde, werden bis zu vier ExF-Trainingsgeräte variabel auf dem Spielfeld eingesetzt<br />

und in vielfältige Trainingsabläufe und -übungen integriert.<br />

Filmverweis:<br />

• Fußball 3<br />

• Handball-ExF<br />

Durch den Einsatz mehrerer Säulen können komplexere Trainingsformen (z.B. mit Anschlussaktionen) trainiert<br />

werden. Mit bis zu sieben Farbsignalen auf jeweils zwei Ebenen, die über ein Tablet angesteuert werden,<br />

wird das Arbeitsgedächtnis der Spieler sukzessive gesteigert trainiert. Die Lichtsignale stehen in Abhängigkeit<br />

der Übungsform für best<strong>im</strong>mte Aktionen der Mit- und Gegenspieler, die die Entscheidungsmöglichkeiten der<br />

Spieler beeinflussen. Zum Training der Inhibition und damit zum Training der Impulskontrolle und der selektiven<br />

bzw. fokussierten Aufmerksamkeit können in den Übungen Farben als Stoppsignale gesetzt oder als<br />

Störreize eingeblendet werden. Um den Aufmerksamkeitswechsel zu trainieren, sind die Spieler gefordert,<br />

den <strong>Fokus</strong> der Aufmerksamkeit gezielt zu verändern, z.B. vom unteren zum oberen und wieder zurück zum<br />

unteren Lichtsignal. Oder die Spieler müssen beide Signale berücksichtigen und trainieren so die geteilte<br />

Aufmerksamkeit. Durch den Wechsel der Farbsignale sind die Spieler zudem gefordert, ihr (motorisches) Verhalten<br />

bzw. ihre Spielaktionen flexibel anzupassen. Die Signalgebung erfolgt randomisiert (zufällig verteilt),<br />

damit ist ExF für die Spieler nicht berechenbar. Oder aber der Trainer steuert die Signale manuell. Dies kann<br />

in drei Geschwindigkeiten (langsam, mittel, schnell) erfolgen, sodass eine passende Signalgebung für jeden<br />

Leistungsbereich möglich ist. Je schneller die Signale erfolgen, desto schneller müssen die Spieler die Entscheidungen<br />

treffen.<br />

Im Folgenden ist eine Passübung aus dem ExF-Training 20 beschrieben, bei der bis zu zwei ExF-Trainingsgeräte<br />

mit jeweils bis zu 6 Lichtsignalen eingesetzt werden. Die Stationen 1 - 4 werden mit je einem Spieler besetzt,<br />

wobei der Spieler an Station 1 einen Ball hat. Hinter ihm stehen die anderen Spieler der Trainingsgruppe mit<br />

je einem Ball.<br />

Seite 18


v10<br />

w<br />

v10<br />

w<br />

v10<br />

w<br />

v5<br />

v5<br />

w<br />

v10 w<br />

v5<br />

w<br />

v10 w<br />

v5<br />

w<br />

v10 w<br />

v15 w<br />

v15 w<br />

v15 w<br />

v10 w<br />

v10 w<br />

v10 w<br />

Übung 1 Übung 2 Übung 3<br />

Ablauf Übung 1:<br />

Spieler an Station 1 dribbelt schräg nach links an mit dem Ziel, mit links einen Druckpass zu Spieler<br />

an Station 2 zu spielen. Der Spieler an Station 2 bietet sich gegengleich an und behält dabei ExF 1<br />

<strong>im</strong> Blick. Die jeweilige Aufgabe, die durch ExF 1 nach Vorgabe des Trainers gestellt wird, ist zu erfüllen.<br />

Druckpass von Spieler 1 zu Spieler 2. Ballannahme und -mitnahme (in der Regel) von Spieler 2 mit<br />

links; dann Druckpass mit links durch das Passtor zu Spieler 3. Ab Ballannahme durch Spieler 2 hat Spieler<br />

3 an Station 3 die Signale von ExF 2 zu beachten und diese entsprechend zu verarbeiten. Spieler<br />

3 n<strong>im</strong>mt den Ball mit Blickrichtung nach Station 4 an; idealerweise spielt 3 einen Druckpass zu<br />

Spieler 4, der sich in einem leichten Bogen entgegenkommend anbietet, sobald Spieler 3 den Ball hat. Spieler<br />

4 n<strong>im</strong>mt nun den Ball mit links an und mit und dribbelt mit dem Ball nach Vorgabe des Trainers und nach<br />

Signal der ExF Säule 2 zur Ziellinie (auf Weg A oder B). Spieler wechseln jeweils zur folgenden Station, sodass<br />

ein Rundlauf entsteht.<br />

Ablauf Übung 2:<br />

Filmverweis:<br />

• Fußball 4<br />

Ablauf Übung 3:<br />

Übung 3 ist die letzte und damit die kognitiv anspruchsvollste Übung, die erst dann gespielt wird, wenn die<br />

20, 21<br />

vorangegangenen Übungen wiederholt erfolgreich absolviert wurden.<br />

Oberes und unteres Signal, 6 Farben, das untere Signal dient als Störreiz, der inhibiert werden soll.<br />

ExF 1: Spieler dribbeln, passen und laufen wie oben <strong>im</strong> Ablauf 1 beschrieben. Spieler 2 beobachtet be<strong>im</strong> Anbieten<br />

ExF 1 und sagt laut die Farben. Wenn Spieler 1 den Druckpass gespielt hat, muss Spieler 2 kurz vor der<br />

Ballannahme und -mitnahme noch einmal die Farbe sagen, die nach Passabgabe durch Spieler 1 erscheint.<br />

Die Farbe, bei der Spieler 1 abspielt, entscheidet den weiteren Ablauf: „rot“ & „grün“: Spieler 1 zu Spieler 2,<br />

dann Ballannahme und -mitnahme durch Spieler 2; „blau“ & „gelb“: Spieler 1 zu Spieler 2, der lässt prallen,<br />

Ballannahme und -mitnahme durch Spieler 1; „weiß“ & „pink“: Spieler 1 zu Spieler 2, der lässt prallen, Spieler<br />

1 lässt prallen, Ballannahme und -mitnahme durch Spieler 2. ExF 2: Spieler 1 oder 2 Druckpass zu Spieler 3,<br />

der kurz vor Ballannahme und Tempodribbling die Farbe von ExF 2 ruft; Pass zu Spieler 4. Spieler 4 muss sich<br />

ab dem Moment, an dem Spieler 3 den Ball am Fuß hat, anbieten und die Farben von ExF 2 laut sagen, bis er<br />

den Ball am Fuß hat. Die Farbe, bei der Spieler 4 ann<strong>im</strong>mt, entscheidet: „rot“ & „grün“: Laufweg A; „blau“ &<br />

20, 21<br />

„gelb“: Laufweg B; „weiß“ & „pink“: Laufweg A und auf der Ziellinie nach innen zu B ziehen.<br />

Dieses Beispiel aus dem ExF-Training macht deutlich, wie das kognitive Training exekutiver Funktionen mit<br />

dem sporartspezifischen Training verbunden werden kann und wie die Schwierigkeitsstufen sukzessive gesteigert<br />

werden sollten, damit die kognitiven Anforderungen an die Spieler <strong>im</strong>mer einen Trainingsreiz darstellen.<br />

Seite 19


Seite 20<br />

Es ist schon möglich, dass man mal einen Ball verpasst,<br />

weil die Unterhaltung auf dem Nachbarplatz einfach zu interessant ist.


INHIBITION<br />

Eine zweite wichtige zentrale exekutive Funktion ist die Inhibition (Hemmung). Sie unterstützt die Fähigkeit,<br />

einem ersten oder starken Impuls widerstehen zu können, um das zu tun, was zur Aufgabenbewältigung am<br />

meisten geeignet oder erforderlich ist, nämlich eine Aufgabe fertigzustellen. Auch wenn man versucht ist<br />

aufzugeben, weil die Aufgabe schwerfällt oder weil sie langweilig ist. Inhibition heißt, die eigenen Emotionen<br />

<strong>im</strong> Griff zu haben, einen Gedanken oder ein Verhalten, wenn notwendig und sinnvoll, zu unterbrechen, die<br />

Aufmerksamkeit willentlich zu lenken und selbst unter Ablenkung fokussiert zu bleiben. Diese und weitere<br />

Kompetenzen, die auf einer geschulten inhibitorischen Kontrolle aufbauen, sind für viele Kontexte von großer<br />

Bedeutung. Sie sind eine wichtige Grundlage für die Entwicklung von Selbstdisziplin und für Erfolge in der<br />

Schule, am Arbeitsplatz, <strong>im</strong> Studium und <strong>im</strong> <strong>Sport</strong>.<br />

Obwohl es eine große Anzahl von Studien zur inhibitorischen Kontrolle und zu deren neuronalen System gibt,<br />

existieren bislang wenige Studien, die sich mit ihrer Trainierbarkeit befasst haben. Es zeichnet sich aber ab,<br />

dass die Inhibition trainierbar ist. 22, 24, 27, 28 Transfereffekte eines solchen Trainings und begleitende neuronale<br />

Veränderungen sind bis heute allerdings nur unzureichend untersucht.<br />

Ein häufig eingesetztes neuropsychologisches Testverfahren zur Messung der Inhibitionsleistung ist die<br />

Stroop-Aufgabe (benannt nach dem US-amerikanischen Psychologen John Ridley Stroop [1897-1973]). Bei<br />

dieser Aufgabe werden Farbwörter (wie z.B. das Wort „rot“) in einer von fünf Farben abgedruckt (z.B. rot,<br />

braun, grün, blau, lila; siehe unten). Daraus ergeben sich zwei Bedingungen: eine kongruente Bedingung, bei<br />

der das Farbwort mit der Farbe übereinst<strong>im</strong>mt (z.B. das Wort „rot“ wird in der Farbe rot geschrieben) und<br />

eine inkongruente Bedingung, bei der die Wortbedeutung nicht mit der Farbe übereinst<strong>im</strong>mt (z.B. das Wort<br />

„rot“ wird in der Farbe blau geschrieben). Die inkongruenten Testbedingungen werden zur Untersuchung<br />

inhibitorischer Prozesse eingesetzt. Da man – insbesondere als Erwachsener – gewohnt ist, Wörter zu lesen,<br />

sind stärkere Kontrollprozesse gefordert, wenn man den spontanen Impuls „zu lesen“ inhibieren muss.<br />

Um den Stroop-Effekt selbst zu erfahren, lesen Sie so schnell wie möglich die unten stehenden Farbwörter<br />

einer jeden Zeile von links nach rechts:<br />

grün<br />

lila<br />

braun<br />

blau<br />

rot<br />

rot<br />

blau<br />

lila<br />

grün<br />

braun<br />

braun<br />

grün<br />

rot<br />

lila<br />

blau<br />

lila<br />

rot<br />

blau<br />

braun<br />

grün<br />

blau<br />

braun<br />

grün<br />

rot<br />

lila<br />

Seite 21


Lesen Sie nun die farbig gedruckten Wörter:<br />

grün<br />

lila<br />

braun<br />

blau<br />

rot<br />

rot<br />

blau<br />

lila<br />

grün<br />

braun<br />

braun<br />

grün<br />

rot<br />

lila<br />

blau<br />

lila<br />

rot<br />

blau<br />

braun<br />

grün<br />

blau<br />

braun<br />

grün<br />

rot<br />

lila<br />

Studien zeigen, dass sich die Geschwindigkeit be<strong>im</strong> Lesen von schwarz gedruckten und farbig gedruckten<br />

Farbwörtern nicht unterscheidet. Langsamer werden die Reaktionszeiten aber dann, wenn der automatisierte<br />

Prozess des Lesens inhibiert und die Farbe, in der das Wort abgedruckt ist, genannt werden soll. 23 Versuchen<br />

Sie es einmal, und testen Sie die exekutive Funktion Inhibition an sich selbst:<br />

lila<br />

grün<br />

blau<br />

rot<br />

braun<br />

braun<br />

lila<br />

grün<br />

blau<br />

rot<br />

rot<br />

braun<br />

lila<br />

grün<br />

blau<br />

blau<br />

rot<br />

braun<br />

lila<br />

grün<br />

grün<br />

blau<br />

rot<br />

braun<br />

lila<br />

Be<strong>im</strong> Stroop-Test lenken die Probanden ihre Aufmerksamkeit auf die Farbe des Farbwortes und blenden<br />

die Wortbedeutung aus bzw. inhibieren diese. Bei Flanker-Aufgaben, mit denen man die selektive Aufmerksamkeit<br />

und die Inhibition (das Ausblenden) von ablenkenden Reizen testet, lenken die Probanden die<br />

Aufmerksamkeit auf den mittleren St<strong>im</strong>ulus einer Reihe von Zeichen. Dieser Zielst<strong>im</strong>ulus wird mit einer<br />

Aufgabe verbunden, z.B.:<br />

bei<br />

und<br />

bei<br />

besteht die Aufgabe darin, die rechte Maus-Taste zu drücken<br />

die linke Maus-Taste.<br />

Seite 22


Die Zeichen links und rechts vom Zielst<strong>im</strong>ulus sind die Flankierreize, die bei den Flanker-<br />

Aufgaben ignoriert (inhibiert) werden sollten.<br />

In den kongruenten Testbedingungen sind identische Zeichen nebeneinander angeordnet;<br />

in unserem Beispiel:<br />

oder<br />

rechte Taste drücken<br />

linke Taste drücken.<br />

Diese kongruenten Aufgaben erfordern geringere Aufmerksamkeitsprozesse als die inkongruenten<br />

Testbedingungen, bei denen das mittlere Zeichen (Zielst<strong>im</strong>ulus) von nicht identischen<br />

Zeichen flankiert wird:<br />

oder<br />

linke Taste drücken<br />

rechte Taste drücken.<br />

In diesen Situationen müssen die Probanden eine Konfliktsituation lösen. In neurowissenschaftlichen<br />

Studien, in denen die selektive Aufmerksamkeit von Kindern und Jugendlichen mit Flanker-Aufgaben<br />

untersucht wurde, konnte nachgewiesen werden, dass diese von akuter körperlicher<br />

Belastung und einer hohen kardiovaskulären Leistungsfähigkeit profitiert (vgl. Kapitel 3).<br />

Weitere gängige Aufgaben zur Messung der Inhibition sind Stopp-Signal- und GoNogo-<br />

Aufgaben. Dabei wird untersucht, wie gut es gelingt, eine (bereits eingeleitete) Wahlreaktionsentscheidung<br />

zu inhibieren, also zu hemmen. In solchen Aufgaben erscheint in zufällig verteilter<br />

Reihenfolge eines von zwei Symbolen (in unserem Beispiel eine Fliege mit weißen oder mit<br />

blauen Flügeln), auf das mit einer von zwei motorischen Aktionen reagiert werden muss (z.B.<br />

bei Fliege mit weißen Flügeln: Schlage mit der rechten Hand auf den Tisch; bei Fliege mit blauen<br />

Flügeln: Schlage mit der linken Hand auf den Tisch). Diese Reaktionen gelten als Go-Bedingung<br />

(„schlagen“). In den weniger häufig vorkommenden Stopp- oder Nogo-Bedingungen sollen<br />

die Versuchspersonen nicht auf den Tisch schlagen. In diesen Testbedingungen erscheint<br />

mit (NoGo-Bedingung) oder kurz nach (Stopp-Bedingung) dem Einblenden der Fliege ein weiteres<br />

optisches Signal (in unserem Beispiel ein „Hundehaufen“; es könnte aber auch ein akustisches<br />

Signal [z.B. ein Ton] sein). Dieses Beispiel macht deutlich, dass die Inhibitionsleistung<br />

von der Arbeitsgedächtnisleistung beeinflusst wird. Damit der richtige Schlag ausgeführt und<br />

der Impuls zu schlagen gehemmt werden können, muss der Proband die Aufgabenstellungen<br />

während des Tests beständig <strong>im</strong> Arbeitsgedächtnis aufrechterhalten.<br />

LINKE HAND RECHTE HAND NICHT SCHLAGEN<br />

Stopp-Signal-Paradigma<br />

Filmverweis:<br />

• Stopp-Signal-Aufgabe: Teste deine Inhibition<br />

Seite 23


Ein Inhibitions-Training mit einer Stopp-Signal-Aufgabe mit steigendem Schwierigkeitsgrad von 10 Trainingseinheiten<br />

à 6 Minuten in einem Zeitraum von 3 Wochen führte bei jungen Erwachsenen <strong>im</strong> Alter zwischen<br />

18 und 30 Jahren <strong>im</strong> Vergleich zu einer Kontrollaufgabe (eine vergleichbare Wahlreaktionsaufgabe<br />

ohne Stopp-Signal) zu einer Verbesserung der Inhibitionsleistung. 24<br />

SPORT IM FOKUS – DIE INHIBITION<br />

Solche Inhibitionsprozesse, bei der eine bereits eingeleitete motorische Aktion kurzfristig gehemmt werden<br />

muss, finden sich vermutlich in allen <strong>Sport</strong>arten. Die Inhibition ist <strong>im</strong> <strong>Sport</strong> <strong>im</strong>mer dann gefordert, wenn es<br />

darum geht, die Emotionen, das Verhalten und die Aufmerksamkeit zu kontrollieren.<br />

IMPULSKONTROLLE<br />

FRUSTRATIONSTOLERANZ<br />

Filmverweis:<br />

• Handball 4<br />

• Fechten 2<br />

• Kempokan 1 und 2<br />

FOKUSSIERTE AUFMERKSAMKEIT<br />

Es ist weiter davon auszugehen, dass das Training insbesondere in schnellen Mannschaftssportarten, wie<br />

Handball, Fußball und Hockey, aber auch in Rückschlagspielen wie Tennis, Tischtennis, Badminton und Squash<br />

und vielen weiteren <strong>Sport</strong>arten, das nicht selten über Jahre hinweg mehrmals in der Woche stattfindet, bei<br />

Weitem das Inhibitionstraining der oben beschriebenen Studie 24 übersteigt. Ein wichtiger Einflussfaktor der<br />

Leistungsfähigkeit in solchen reaktionsschnellen <strong>Sport</strong>arten kann die Inhibitionsleistung der Athleten sein. Bei<br />

jungen niederländischen Fußballspielern <strong>im</strong> Alter zwischen 8 und 16 Jahren konnte nachgewiesen werden,<br />

dass die Spieler aus der höchsten Liga <strong>im</strong> Vergleich zu Spielern aus den unteren Ligen über eine bessere Inhibitionsleistung<br />

– gemessen mit einer Stopp-Signal-Aufgabe – verfügen. In der Arbeitsgedächtnisleistung unterschieden<br />

sich die jungen Fußballer der beiden Leistungsstufen nicht. 25 Aus dieser Studie geht nicht hervor,<br />

ob die leistungsstärkeren Fußballspieler deshalb erfolgreicher sind, weil sie über bessere Inhibitionsprozesse<br />

verfügen oder weil sie durch das intensivere Training besser in ihrer Inhibitionsleistung werden. Vermutlich<br />

spielen beide Faktoren eine Rolle.<br />

Bei Baseballspielern konnten Trainingseffekte auf die Inhibitionsleistung bereits nachgewiesen werden.<br />

Be<strong>im</strong> spannenden Duell zwischen Batter (Schlagmann) und Pitcher (Werfer) darf der Batter am Home Plate<br />

den Baseball nicht schlagen, wenn der Pitcher den Ball an der Strike Zone (Bereich über dem Home Plate<br />

zwischen Achsel- und Brusthöhe des Batters) vorbei wirft. 26 Dies wird dann als „Ball“ für den Pitcher gewertet.<br />

Seite 24


Da die Bälle innerhalb der Strike Zone jedoch vergleichsweise<br />

einfach zu schlagen sind, versucht der Pitcher, seine Bälle mit<br />

Effet zu werfen. Durch einen solchen Pitch ist es für den Batter<br />

schwer einzuschätzen, ob der Ball innerhalb oder außerhalb<br />

der Strike Zone fliegt, wodurch er zu einer Ausholbewegung<br />

verleitet wird. Fliegt der Ball außerhalb der Strike Zone und<br />

der Batter führt eine Ausholbewegung aus, wird dies als Fehler<br />

für den Batter und so als Strike gewertet.<br />

Während der Baseballspieler also bei jeder Schlagaktion in<br />

kürzester Zeit eine klare Go- oder Nogo-Entscheidung treffen<br />

muss, ob er zu einem Schlag ausholt oder nicht, kann der Tennisspieler<br />

einen Ball, der <strong>im</strong> Aus landet, schlagen, ohne dass<br />

dies als Fehler geahndet wird. Dieses besondere Training des<br />

Entscheidungsverhaltens spiegelt sich in den GoNogo-Reaktionszeiten<br />

von Baseballspielern wider. Baseballspieler verfügen<br />

<strong>im</strong> Vergleich zu Tennisspielern und <strong>im</strong> Vergleich zu Personen,<br />

die weder Baseball noch Tennis spielen, über kürzere<br />

GoNogo-Reaktionszeiten. In ihren einfachen Reaktionszeiten<br />

unterscheiden sie sich jedoch nicht – weder von den Tennisspielern<br />

noch von den Nicht-Athleten. Innerhalb verschiedener<br />

Leistungsgruppen <strong>im</strong> Baseball zeigten Kida und Kollegen:<br />

Je höherklassig die Baseballspieler spielten, desto kürzer waren<br />

deren GoNogo-Reaktionszeiten. 27 In ihrer Langzeitstudie<br />

konnten die Wissenschaftler zudem nachweisen, dass ein<br />

zweijähriges Schlagtraining <strong>im</strong> Baseball die GoNogo-, nicht<br />

aber die einfachen Reaktionszeiten verbessert. 27 Diese Studie belegt, dass die Inhibition sportartspezifisch<br />

trainiert werden kann. Je intensiver das Training, desto besser die inhibitorische Verhaltenskontrolle.<br />

Ähnlich wie be<strong>im</strong> Baseball versucht auch der Fechter, seinen Gegner zu einer Reaktion zu verleiten. Dazu<br />

setzt er Finten ein. Eine Finte kann den Fechter in die Lage versetzen, eine eigentlich beabsichtige Aktion<br />

auszuführen. Be<strong>im</strong> Vergleich von Fechtern mit Nichtfechtern zeigten sich jedoch erst dann Unterschiede in<br />

der Inhibitionsleistung, wenn neben dem Fechten auch die körperliche Fitness in die Datenauswertung einbezogen<br />

wurde. Be<strong>im</strong> Vergleich von Fechtern und Nichtfechtern führten weder die Fitness noch das Fechttraining<br />

für sich genommen zu verbesserten Reaktionszeiten. Durchschnittlich fitte Fechter machten in den<br />

GoNogo-Aufgaben vergleichbar viele Fehler wie durchschnittliche Nichtfechter. Die körperlich fitteren Fechter<br />

jedoch machten signifikant weniger Fehler als die fitteren Nichtfechter. Erst die Kombination aus Fechten und<br />

höherer Fitness führte zu einer besseren inhibitorischen Kontrolle. 28<br />

Inhibitionsprozesse beeinflussen nicht nur die Verhaltenskontrolle, sondern auch die Kontrolle bzw. die Steuerung<br />

der Aufmerksamkeit und somit die Aufmerksamkeitsleistung. Auch hier gilt für unterschiedliche Altersgruppen:<br />

je höher die kardiovaskuläre Leistungsfähigkeit und damit die körperliche Fitness, desto besser die<br />

Aufmerksamkeitsleistung (vgl. Kapitel 3). Aufmerksamkeit gilt <strong>im</strong> Fechten als eine der wichtigsten psychologischen<br />

Faktoren, insbesondere der weite externale und der enge Aufmerksamkeitsfokus bzw. der Wechsel<br />

zwischen beiden Aufmerksamkeitsformen. 27 Da Fechtbewegungen sehr schnell ausgeführt werden, kommt es<br />

darauf an, Zielbereiche früh zu erkennen. Die besten Fechter zeichnen sich dadurch aus, dass sie mehr Informationen<br />

aus den Bewegungen des Gegners herausfiltern können, die sie befähigen, gegnerische Attacken<br />

vorherzusehen. 29 Hierbei ist das Arbeitsgedächtnis ein entscheidender Faktor. Eine hohe körperliche Fitness<br />

und trainierte exekutive Funktionen unterstützen demnach den Fechter in seiner Fechtleistung.<br />

Filmverweis:<br />

• Fechten 3<br />

• Stabfechten<br />

ACHSEL-<br />

HÖHE<br />

KNIE-<br />

HÖHE<br />

STRIKE<br />

ZONE<br />

Seite 25


KOGNITIVE FLEXIBILITÄT<br />

Wenn sich Situationen kurzfristig ändern, wenn es gefordert ist, das eigene Verhalten oder Denken zu unterbrechen,<br />

wenn es sinnvoll ist, neue Wege einzuschlagen, um Probleme effizient und kreativ zu lösen, wenn<br />

es notwendig ist, bereits gefasste Absichten wieder aufzugeben, da sich Ziele, äußere Umstände oder Erwartungen<br />

verändern, wenn sich unerwartet eine Chance eröffnet, die es zu ergreifen gilt, dann ist die kognitive<br />

Flexibilität gefordert. Sie ermöglicht es, den <strong>Fokus</strong> der Aufmerksamkeit gezielt zu wechseln, sich schnell auf<br />

neue Situationen einzustellen und andere Perspektiven einnehmen zu können. In solchen Situationen ist es<br />

wichtig, bevorzugte oder erlernte Antworttendenzen zu inhibieren und Gedächtnisinhalte durch die zentrale<br />

Exekutive zu überwachen und anzupassen. Das Arbeitsgedächtnis und die Inhibition unterstützen auf diese<br />

Weise die kognitive Flexibilität. Dies macht deutlich, dass die voneinander unterscheidbaren exekutiven Funktionen:<br />

das Arbeitsgedächtnis, die Inhibition und die kognitive Flexibilität, sich wechselseitig beeinflussen.<br />

Filmverweis:<br />

• Handball 5<br />

• Hockey 3<br />

• Tanzen 3<br />

• Tanzen 4<br />

Zusammenwirken von Arbeitsgedächtnis, Inhibition und kognitiver Flexibilität<br />

Wie eng das Zusammenspiel der kognitiven Flexibilität mit dem Arbeitsgedächtnis und der Inhibition ist, wird<br />

auch bei der Bearbeitung sogenannter Switch-Aufgaben (Tests zum Aufgabenwechsel) deutlich, die zur Untersuchung<br />

der kognitiven Flexibilität eingesetzt werden. Sehen wir uns eine von vielen möglichen Switch-Aufgaben<br />

einmal genauer an.<br />

Bei dieser Aufgabe werden Bilder mit Gegenständen aus Mannschafts- und Individualsportarten gezeigt. Diese<br />

Gegenstände sind entweder weiß oder blau hinterlegt. Die Aufgabe besteht darin, zwischen zwei Aufgaben<br />

zu wechseln. Entweder muss man auf den Bildhintergrund achten oder auf die <strong>Sport</strong>art. Besteht die Aufgabe<br />

darin, auf den Bildhintergrund zu achten, muss man aufgrund der Farbe eine Entscheidung treffen. Ist der<br />

Bildhintergrund weiß, muss man mit der linken Hand auf den Tisch schlagen. Ist der Bildhintergrund blau,<br />

muss man mit der rechten Hand auf den Tisch schlagen. Wird man dazu aufgefordert, die Aufmerksamkeit auf<br />

die <strong>Sport</strong>art zu lenken, dann gilt folgende Regel: Bei einem Gegenstand aus einer Mannschaftssportart: linke<br />

Hand heben, bei einem Gegenstand aus einer Individualsportart: rechte Hand heben.<br />

Bei allen Switch-Aufgaben gibt es Testdurchgänge, bei der die Aufgabenstellung gleich bleibt (Wiederholungsdurchgänge),<br />

und Aufgaben, bei denen die Aufgabenstellung wechselt (Wechseldurchgänge) und so die kognitive<br />

Flexibilität gefordert ist.<br />

SPORT<br />

FARBE<br />

INDIVIDUAL-<br />

SPORTART<br />

MANNSCHAFTS-<br />

SPORTART<br />

BLAU<br />

WEISS<br />

LINKE<br />

HAND HEBEN<br />

RECHTE<br />

HAND HEBEN<br />

LINKE<br />

HAND SCHLAGEN<br />

RECHTE<br />

HAND SCHLAGEN<br />

Task-Switch-Aufgabe<br />

Seite 26


Filmverweis:<br />

• Swich-Aufgabe: Teste deine kognitive Flexibilität<br />

Auch bei solchen Switch-Aufgaben hat sich gezeigt, dass man mit diesen Messverfahren die exekutiven Funktionen<br />

nicht nur testen, sondern auch trainieren kann. Sowohl bei Kindern als auch bei Jugendlichen und jungen<br />

Erwachsenen <strong>im</strong> Alter zwischen 7 und 20 Jahren wurde nachgewiesen, dass ein Training mit Switch-Aufgaben<br />

zur Verbesserung der kognitiven Flexibilität beitragen kann 30, 31 und dass durch dieses Training auch<br />

andere exekutive Funktionen gefördert werden. 32<br />

SPORT IM FOKUS – DIE KOGNITIVE FLEXIBILITÄT<br />

Die Umstellungsfähigkeit ist <strong>im</strong> <strong>Sport</strong> in vielen Situationen gefordert: Der schnelle Wechsel von Verteidigung<br />

auf Angriff in zahlreichen <strong>Sport</strong>spielen sowie das Training der Umstellungsfähigkeit bei variablem taktischen<br />

Vorgehen, die Rhythmusvorgabe durch die Musik be<strong>im</strong> Tanzen, die veränderte Körperwahrnehmung be<strong>im</strong><br />

Schw<strong>im</strong>men oder be<strong>im</strong> Skifahren, die unterschiedlichen Wurftechniken in der Leichtathletik, die Flugphasen<br />

und Rotationen um die eigene Körperachse be<strong>im</strong> Turnen und der Waldlauf <strong>im</strong> Dunkeln, all das sind nur wenige<br />

Beispiele von Situationen <strong>im</strong> <strong>Sport</strong>, für die die kognitive Flexibilität eine große Rolle spielt. 33 Da die Flexibilität<br />

hier eine zentrale kognitive Komponente darstellt, lässt sie sich auch sehr gut und vielfältig trainieren. Viele<br />

Kompetenzen, die <strong>im</strong> <strong>Sport</strong> gefordert sind, wie z.B. die Entscheidungs- und Handlungsschnelligkeit, setzen ein<br />

gut trainiertes Arbeitsgedächtnis, aber auch eine hohe kognitive Flexibilität voraus, die durch inhibitorische<br />

Prozesse unterstützt werden.<br />

Filmverweis:<br />

• Handball 6<br />

• Handball 7<br />

• Tanzen 5<br />

Aber nicht nur die Umstellungsfähigkeit der <strong>Sport</strong>ler ist <strong>im</strong> Training und Wettkampf gefordert, sondern auch<br />

die der Trainer und Übungsleiter. Sie müssen ständig zwischen verschiedenen Tätigkeiten wechseln: Anweisungen<br />

geben, Gruppen einteilen, Spielmaterialien organisieren, auf-, um- und abbauen, Spielabläufe überwachen,<br />

Bewegungsabläufe korrigieren, Spieler ermahnen, sie coachen, das Spielgeschehen mit ihnen reflektieren,<br />

Emotionen kontrollieren usw.<br />

Filmverweis:<br />

• Hockey 4<br />

• Hockey 5<br />

• Turnen 2<br />

• Handball-ExF 1<br />

Seite 27


KALTE UND HEISSE EXEKUTIVE FUNKTIONEN<br />

Während man bei abstrakten Aufgaben in neutralen Kontexten von „kalten“ exekutiven Funktionen spricht,<br />

spricht man bei risikoreicheren Entscheidungsprozessen, bei denen die Regulation von Emotionen und<br />

Motivationsprozessen gefordert sind, von „heißen“ exekutiven Funktionen. In diesem Kapitel soll diese Unterscheidung<br />

an Testverfahren deutlich gemacht werden. 34<br />

TESTS ZUR MESSUNG KALTER EXEKUTIVER FUNKTIONEN<br />

Alle bisher beschriebenen Testverfahren zur Messung exekutiver Funktionen beinhalten abstrakte Entscheidungsprozesse,<br />

die bei älteren Kindern, bei Jugendlichen und Erwachsenen zur Messung kalter exekutiver<br />

Funktionen eingesetzt werden. Bei kleineren Kindern werden einfachere Testaufgaben gestellt oder gängige<br />

Testverfahren abgewandelt. So wird bei Kindern <strong>im</strong> Kindergartenalter der Stroop-Test als Tag-und-Nacht-Aufgabe<br />

durchgeführt, da die Inhibition des Lesens <strong>im</strong> Kindergartenalter noch nicht greift.<br />

Tag!<br />

Bei der<br />

Mondkarte<br />

sagst du „Tag“, bei<br />

der Sonnenkarte<br />

sagst du<br />

„Nacht“.<br />

Tag-und-Nacht-Aufgabe<br />

Eine weitere Aufgabe zur Testung der kalten Inhibition bei kleinen Kindern ist das Hand-Spiel.<br />

Zeige ich<br />

den Finger,<br />

zeigst du die<br />

Faust.<br />

Zeige<br />

ich die Faust,<br />

zeigst du<br />

den Finger.<br />

Hand-Spiel<br />

Seite 28


TESTS ZUR MESSUNG HEISSER EXEKUTIVER FUNKTIONEN<br />

Motivational und emotional bedeutsame Aufgaben zur Messung heißer exekutiver Funktionen, die bei kleinen<br />

Kindern eingesetzt werden, sind die Weniger-ist-mehr-Aufgabe und Aufgaben zum Belohnungsaufschub.<br />

Die<br />

Süßigkeiten, auf die<br />

du zeigst, werden weggenommen.<br />

Die anderen<br />

darfst du behalten.<br />

Weniger-ist-mehr-Aufgabe<br />

1 Sticker<br />

sofort!<br />

4 Sticker<br />

später!<br />

Belohnungsaufschub-Aufgabe<br />

Zu den motivational und emotional bedeutsamen Aufgaben bei älteren Kindern und Jugendlichen zählen die<br />

Glücksspiel-Aufgabe und der Delayed-Discounting-Test. Bei der Glücksspiel-Aufgabe werden den Versuchspersonen<br />

(am Computer) vier Kartenstapel gezeigt. Die Spieler haben einen Einsatz von 2.000 Dollar. Sie müssen<br />

nacheinander jeweils eine Karte aus einem der vier Stapel auswählen. Die Stapel A und B ermöglichen<br />

kurzfristig hohe Gewinne (100 Dollar), führen aber<br />

Schlechtere<br />

Kartenstapel<br />

Bessere<br />

Kartenstapel<br />

langfristig zu hohen Geldverlusten. Stapel C und D ermöglichen<br />

kurzfristig kleinere Geldgewinne (50 Dollar),<br />

sind aber langfristig vorteilhaft aufgrund der geringeren<br />

Verluste. Bei dem Delayed-Discouting-Test<br />

stehen die Probanden vor der Wahl zwischen einer<br />

sofortigen, kleineren (50 Cent) und einer aufgeschobenen,<br />

größeren (10 Dollar) Belohnung. 35<br />

Hohe Geldgewinne/<br />

Verluste<br />

langfristig ungünstiger<br />

Mäßige Geldgewinne/<br />

Verluste<br />

langfristig besser<br />

Glücksspiel-Aufgabe<br />

Seite 29


Erfassung von Selbstkontrolle durch Wahlentscheidung<br />

zwischen sofortiger kleinerer Belohnung und größerer<br />

späterer Belohnung.<br />

Sofort!<br />

Später!<br />

Delayed-Discounting-Test<br />

Bei der Weniger-ist-mehr-Aufgabe, bei Glücksspiel- und Belohnungsaufschub-Aufgaben werden Emotionsund<br />

Motivationsprozesse der Probanden gezielt angeregt, weshalb sie sich zur Messung heißer exekutiver<br />

Funktionen eignen. Obwohl dieselben exekutiven Funktionen sowohl der Leistungsfähigkeit bei heißen als<br />

auch bei kalten Testverfahren zugrunde liegen, zeigt sich, dass Kindern und Jugendlichen die Selbstregulation<br />

in neutralen Kontexten einfacher und früher gelingt als in emotional herausfordernden Situationen. 36<br />

SPORT IM FOKUS – HEISSE UND KALTE EXEKUTIVE FUNKTIONEN<br />

Im <strong>Sport</strong> spielen risikoreiche Entscheidungen, Emotionen und Motivationsprozesse eine zentrale Rolle. Damit<br />

ist der <strong>Sport</strong> und nicht zuletzt der Wettkampfsport ein hervorragendes Spielfeld, in dem Kinder und Jugendliche<br />

exekutive Funktionen in „heißen“ Situationen trainieren und so ihre Selbstregulationsfähigkeit ausbilden<br />

können. Auch in normale Trainingsabläufe lassen sich emotional herausfordernde Situationen integrieren.<br />

Filmverweis:<br />

• Fußball 5<br />

• Hockey 6<br />

• Hockey 7<br />

• Turnen 3<br />

• Fechten 4<br />

• Kempokan 3<br />

• PFiFF/Grundschule 2<br />

Welche Rolle die heißen und kalten exekutiven Funktionen <strong>im</strong> <strong>Sport</strong> spielen und wie diese <strong>im</strong> <strong>Sport</strong> bzw. <strong>im</strong><br />

<strong>Sport</strong>unterricht gefördert werden können, wird noch einmal <strong>im</strong> nachfolgenden Interview mit Armin Emrich<br />

deutlich (38ff.). Seine Aussagen zum <strong>Sport</strong>unterricht, zum Verhalten von Schülern und <strong>Sport</strong>lehrern lassen<br />

sich auf das Vereinstraining, auf die Athleten und Trainer übertragen. Die Bereiche Emotions- und Motivationsregulation<br />

werden auch in den weiteren Interviews thematisiert und in Kapitel 4 zur Selbstregulation<br />

ausführlicher behandelt.<br />

Seite 30


Von einem Auto, das, nachdem man seine Kinder vom <strong>Sport</strong> abgeholt hat,<br />

eher einem Pumakäfig gleicht.<br />

Seite 31


ENTWICKLUNGSGESCHICHTEN - TEIL 1<br />

WISSENSCHAFT<br />

VON DER FORSCHUNG<br />

INS KLASSENZIMMER UND AUFS SPIELFELD


DIE BEZEICHNUNG “EXEKUTIVE FUNKTIONEN” WURDE 1973 VON<br />

PROF. KARL H. PRIBRAM (1919-2015) EINGEFÜHRT. DER BEDEUTENDE<br />

GEHIRNFORSCHER, PSYCHOLOGE UND PHILOSOPH FORSCHTE<br />

UND LEHRTE 30 JAHRE AN DER STANFORD UNIVERSITÄT.<br />

PRIBRAM GILT ALS DER „MAGELLAN DES GEISTES“.<br />

EXEKUTIVE FUNKTIONEN WERDEN ALS „UMBRELLA TERM“, ALS SAMMELBEGRIFF<br />

FÜR UNTERSCHIEDLICHE FUNKTIONEN UND FÄHIGKEITEN BEZEICHNET.<br />

Exekutive Funktionen<br />

Kernkomponenten<br />

der Selbstregulation,<br />

Selbstkontrolle<br />

und Willensstärke.<br />

INZWISCHEN GEHT MAN VON ÜBER 30 DEFINI-<br />

TIONEN UND KONZEPTEN AUS, DIE EXEKUTIVE<br />

FUNKTIONEN BESCHREIBEN UND ERKLÄREN.<br />

Arbeitsgedächtnis<br />

Informationen<br />

kurzzeitig speichern,<br />

aktualisieren und<br />

weiterverarbeiten.<br />

Initiieren<br />

Eine Tätigkeit selbstständig<br />

einleiten.<br />

Inhibition<br />

Spontane Impulse<br />

und Emotionen unterdrücken.<br />

Aufmerksamkeit<br />

willentlich lenken<br />

(fokussieren).<br />

Irrelevante Reize<br />

ausblenden.<br />

Kognitive Flexibilität<br />

<strong>Fokus</strong> der Aufmerksamkeit<br />

gezielt<br />

wechseln.<br />

Sich auf neue<br />

Situationen schnell<br />

einstellen.<br />

Andere Perspektiven<br />

einnehmen.<br />

Komplexe Fähigkeiten<br />

Monitoring<br />

(Überwachen)<br />

Ordnen/Organisieren/<br />

Strukturieren<br />

Planen<br />

Problemlösen<br />

Entscheiden<br />

ERSTE WICHTIGE ERKENNTNISSE ZU DEN<br />

EXEKUTIVEN FUNKTIONEN STAMMEN AUS<br />

KLINISCHEN BEOBACHTUNGEN AM MENSCHEN<br />

MIT UNFALLVERURSACHTEN GEHIRNSCHÄ-<br />

DIGUNGEN UND AUS TIERSTUDIEN, BEI<br />

DENEN MAN LÄSIONEN<br />

EXPERIMENTELL<br />

ERZEUGT HAT.<br />

1848 ERLITT DER 25-JÄHRIGE PHINEAS<br />

P. GAGE BEI EISENBAHNARBEITEN IN<br />

CAVENDISH (VERMONT, USA) EINEN<br />

SCHWEREN UNFALL. BEI EINER SELBST<br />

GELEGTEN SPRENGUNG SCHOSS IHM<br />

EINE EISENSTANGE DURCH DEN KOPF.<br />

SIE DURCHBOHRTE DEN SCHÄDEL UND<br />

DURCHDRANG DEN FRONTO-ORBITALEN<br />

UND PRÄFRONTALEN KORTEX IN DER<br />

LINKEN HEMISPHÄRE.


TROTZ DIESER SCHWEREN VERLETZUNG ÜBERLEBTE<br />

GAGE. ER WAR NACH DEM UNFALL BEI BEWUSSTSEIN,<br />

KONNTE FRAGEN BEANTWORTEN, DEN UNFALLHER-<br />

GANG BESCHREIBEN UND WAR IN DER LAGE ZU GEHEN.<br />

DENNOCH HATTE DER UNFALL WEITREICHENDE FOL-<br />

GEN. ER FÜHRTE ZU STARKEN PERSÖNLICHKEITSVER-<br />

ÄNDERUNGEN. DER EINST FREUNDLICHE UND BELIEBTE<br />

JUNGE MANN WURDE NACH DEM UNFALL ALS IMPUL-<br />

SIV, LAUNISCH, RESPEKTLOS, UNGEDULDIG, EIGENSIN-<br />

NIG, KINDISCH UND UNZUVERLÄSSIG BESCHRIEBEN.<br />

GAGES FALL MACHTE IN DER MEDIZINISCHEN FOR-<br />

SCHUNG DEN ZUSAMMENHANG ZWISCHEN PERSÖN-<br />

LICHKEIT UND FRONTALLAPPEN DEUTLICH. GLEICHZEI-<br />

TIG VERLOR GAGE NACH AUSSAGEN SEINES ARZTES<br />

DURCH DEN UNFALL SEINEN GESCHÄFTSSINN UND<br />

DIE ENERGIE UND AUSDAUER FÜR DIE UMSETZUNG<br />

ALL SEINER PLÄNE. DIESE BESCHREIBUNG SPIEGELT<br />

GAGES BEEINTRÄCHTIGTE EXEKUTIVE FUNKTIONEN<br />

UND FÄHIGKEITEN WIDER. GAGES SCHÄDEL UND DIE<br />

EISENSTANGE, DIE SEINEN SCHÄDEL DURCHBOHRTE,<br />

SIND IM WARREN ANATOMICAL MUSEUM DER HARVARD<br />

UNIVERSITY ZU SEHEN.<br />

RUND 100 JAHRE SPÄTER KONNTE C. F. JACOBSEN<br />

AN PRIMATEN ZEIGEN, DASS SCHÄDIGUNGEN IM PRÄ-<br />

FRONTALEN KORTEX VON AFFEN DEREN FÄHIGKEIT<br />

BEEINTRÄCHTIGT, INFORMATIONEN ÜBER EINEN KUR-<br />

ZEN ZEITRAUM ABZUSPEICHERN.<br />

1935/36 SETZTE JACOBSEN DAZU VERZÖGERTE VERGLEICHSAUFGABEN (DELAYED RESPONSE TASK) EIN, BEI<br />

DENEN DEN TIEREN ZUNÄCHST EINE FUTTERSTELLE GEZEIGT WURDE. DER BLICK AUF DIE FUTTERSTELLE<br />

WURDE ANSCHLIESSEND FÜR EIN BESTIMMTES INTERVALL (DELAY VON CA. 10 BIS 100 SEKUNDEN) VERHIN-<br />

DERT. ANSCHLIESSEND ERFOLGTE DIE AUFGABENANTWORT (RESPONSE). DER AFFE ERHIELT DAS FUTTER<br />

ALS BELOHNUNG, WENN ER SICH AN DIE FUTTERSTELLE ERINNERN KONNTE. AUF DIESE WEISE BEGANN DIE<br />

ERFORSCHUNG DES ARBEITSGEDÄCHTNISSES. SOLCHE VERZÖGERTEN VERGLEICHSAUFGABEN WERDEN<br />

AUCH NOCH HEUTE STANDARDMÄSSIG ZUR UNTERSUCHUNG DES ARBEITSGEDÄCHTNISSES EINGESETZT.<br />

SEIT DEM AUSGEHENDEN 20. JAHRHUNDERT WERDEN EXEKUTIVE FUNKTIONEN<br />

MIT MODERNEN BILDGEBENDEN VERFAHREN WIE DEM EEG UND DER FMRT AUCH AN<br />

GESUNDEN PERSONEN UNTERSUCHT. DABEI WERDEN GEHIRNAKTIVITÄTEN UND<br />

GEHIRNSTRUKTUREN SICHTBAR, DIE BEI DER BEARBEITUNG NEUROPSYCHOLOGISCHER<br />

AUFGABEN ZUR UNTERSUCHUNG EXEKUTIVER FUNKTIONEN AKTIV SIND.<br />

ELEKTROENZEPHALOGRAFIE (EEG)<br />

DAS ELEKTROENZEPHALOGRAMM<br />

MISST DIE ELEKTRISCHE AKTI-<br />

VITÄT FEUERNDER NEURONEN<br />

AN DER SCHÄDELOBERFLÄCHE<br />

BZW. AN DER KOPFHAUT.


FUNKTIONELLE MAGNETRESONANZTOMOGRAPHIE (FMRT)<br />

SAUERSTOFFREICHES BLUT WIRD ZU AKTIVEN NEURONEN TRANSPORTIERT, DADURCH HABEN SIE ANDERE<br />

MAGNETISCHE EIGENSCHAFTEN ALS NICHT AKTIVE NEURONE. DIESE UNTERSCHIEDE IN DER GEHIRNAKTIVI-<br />

TÄT MACHT DAS FMRT SICHTBAR.<br />

Study 59390<br />

Series 603<br />

Image 45<br />

ID service<br />

Date<br />

2322<br />

847<br />

1384<br />

leftmotorex<br />

TR 0 00<br />

TE: 0 00<br />

Window 500<br />

Level 500<br />

406<br />

1 1 53<br />

177<br />

1966 1990 1995 2000 2005 2009 2011 2014<br />

MIT DEM EINSATZ BILDGEBENDER VERFAHREN BEI DER UNTERSUCHUNG<br />

EXEKUTIVER FUNKTIONEN STIEGEN AUCH DIE WISSENSCHAFTLICHEN<br />

FACHPUBLIKATIONEN ZU DEN EXEKUTIVEN FUNKTIONEN RASANT AN.<br />

ABER SELBST MIT GANZ EINFACHEN SPIELERISCHEN METHODEN LAS-<br />

SEN SICH EXEKUTIVE FUNKTIONEN UND DIE DARAUF AUFBAUENDE<br />

SELBSTREGULATIONSFÄHIGKEIT UNTERSUCHEN:<br />

MARSHMALLOW TEST<br />

HEAD-TOES-KNEES-<br />

SHOULDERS-AUFGABE<br />

ZAHLEN-, BUCHSTABEN-,<br />

OBJEKTSPANNEN-AUFGABEN<br />

VORWÄRTS/RÜCKWÄRTS<br />

HATTEN SICH ANFÄNGLICH NUR ÄRZTE UND PSYCHOLOGEN<br />

MIT DEN EXEKUTIVEN FUNKTIONEN BEFASST, ...<br />

... INTERESSIEREN SICH HEUTE UNTERSCHIED-<br />

LICHSTE PERSONEN- UND BERUFSGRUPPEN FÜR<br />

DIESE WICHTIGEN GEHIRNFUNKTIONEN UND<br />

FÄHIGKEITEN, DA SIE EINEN STARKEN UND VIEL-<br />

FÄLTIGEN EINFLUSS AUF DAS TÄGLICHE LEBEN<br />

UND DEN LERNERFOLG HABEN; DAZU ZÄHLEN<br />

TRAINER, SPORT- UND MUSIKWISSENSCHAFTLER,<br />

ÖKONOMEN, SOZIOLOGEN, SPIELEENTWICKLER,<br />

ELTERN, SENIOREN, PÄDAGOGEN, SCHÜLER,<br />

SCHULBUCHVERLAGE...<br />

Seite 35


NACHGEFRAGT: EXEKUTIVE FUNKTIONEN<br />

Nachfolgend finden Sie Fragen, die Sie nach intensiverem Lesen des 1. Kapitels und nach Durchsicht der darin<br />

erwähnten Filme bzw. Filmausschnitte beantworten können. Sollten Sie sich bei der Beantwortung der Fragen<br />

nicht sicher sein, dann lesen Sie die entsprechenden Textstellen noch einmal nach, denn wie be<strong>im</strong> Training <strong>im</strong><br />

<strong>Sport</strong> kommt es auch be<strong>im</strong> Lernen von Fakten auf das Wiederholen an.<br />

Exekutive Funktionen und Selbstregulation<br />

• Nennen Sie drei exekutive Funktionen.<br />

• In welchen Situationen sind exekutive Funktionen gefordert, in welchen Situationen sind sie nicht <strong>im</strong><br />

Einsatz?<br />

• Sind die verschiedenen exekutiven Funktionen als voneinander unabhängige Funktionen zu verstehen?<br />

• Sind exekutive Funktionen trainierbar?<br />

• Beschreiben Sie den Unterschied von „heißen“ und „kalten“ exekutiven Funktionen.<br />

• In welchem Zusammenhang stehen die exekutiven Funktionen mit der Fähigkeit zur Selbstregulation?<br />

• Begründen Sie, weshalb der <strong>Sport</strong> sich besonders dazu eignet, exekutive Funktionen zu trainieren und<br />

Selbstregulation zu üben.<br />

Das Arbeitsgedächtnis<br />

• Beschreiben Sie das Arbeitsgedächtnismodell nach Baddeley und Hitch (1974).<br />

• Beschreiben Sie zwei Testverfahren zur Messung des verbalen Arbeitsgedächtnisses.<br />

• Beschreiben Sie ein Testverfahren zur Messung des visuellen-räumlichen Arbeitsgedächtnisses.<br />

• Nennen Sie ein Beispiel für Lernleistungen, die vom Arbeitsgedächtnis abhängen.<br />

• In welchen Situationen ist das Arbeitsgedächtnis <strong>im</strong> <strong>Sport</strong> gefordert?<br />

• Worauf sollten Sie als Trainer, Übungsleiter oder Lehrer be<strong>im</strong> Formulieren von Aufgabenstellungen achten?<br />

• Beschreiben Sie die Speicherkapazität des Arbeitsgedächtnisses.<br />

• Von welchen Faktoren hängt die Arbeitsgedächtniskapazität ab?<br />

• Beschreiben Sie eine Übung aus dem <strong>Sport</strong>, die zum Training des verbalen Arbeitsgedächtnisses eingesetzt<br />

werden kann.<br />

• Beschreiben Sie eine Übung aus dem <strong>Sport</strong>, die zum Training des visuell-räumlichen Arbeitsgedächtnisses<br />

eingesetzt werden kann.<br />

Die Inhibition<br />

• Nennen Sie eine andere Bezeichnung für den Begriff „Inhibition“.<br />

• Nennen Sie ein Beispiel für Inhibition in Bezug auf die Verhaltenssteuerung.<br />

• Nennen Sie ein Beispiel für Inhibition in Bezug auf die Aufmerksamkeitssteuerung.<br />

• Nennen Sie drei neuropsychologische Testverfahren zur Messung der Inhibition.<br />

• Nennen Sie drei Situationen aus dem <strong>Sport</strong>, in denen die inhibitorische Kontrolle gefordert ist.<br />

• Wie lässt sich die Inhibition <strong>im</strong> <strong>Sport</strong> trainieren? Nennen Sie zwei Beispiele.<br />

Kognitive Flexibilität<br />

• Was versteht man unter kognitive Flexibilität – bezogen auf das Verhalten?<br />

• Was versteht man unter kognitive Flexibilität – bezogen auf die Aufmerksamkeit?<br />

• Nennen Sie ein neuropsychologisches Testverfahren zur Messung der kognitiven Flexibilität.<br />

• In welchen Situationen ist kognitive Flexibilität be<strong>im</strong> Lernen gefordert?<br />

• In welchen Situationen ist kognitive Flexibilität <strong>im</strong> <strong>Sport</strong> gefordert?<br />

• Beschreiben Sie eine Übung aus dem <strong>Sport</strong>, die zum Training der kognitiven Flexibilität eingesetzt<br />

werden kann.<br />

Seite 36


Seite 37


IM INTERVIEW: ARMIN EMRICH<br />

Armin Emrich ist Fachleiter für <strong>Sport</strong> am Staatlichen Seminar für Didaktik und Lehrerbildung<br />

in Freiburg, ehemaliger Handball-Nationalspieler und Handball-Bundestrainer.<br />

«MEIN VERHALTEN MUSS AUCH IN DER NIEDERLAGE<br />

EIN POSITIV KONSTRUKTIVES, EIN SELBSTREGULIERTES<br />

VERHALTEN SEIN.» 37<br />

Sabine Kubesch: Armin, kannst du exemplarisch aufzeigen, wie die Förderung<br />

der Selbstregulation <strong>im</strong> <strong>Sport</strong>unterricht umgesetzt werden kann?<br />

Armin Emrich: Ein Beispiel: Ich war neulich zu Gast in einer Mittelstufenklasse.<br />

Die Kollegin, die mich gebeten hat, in ihren <strong>Sport</strong>unterricht<br />

zu kommen, hatte über ihre Schüler gesagt: „Die sind so etwas von<br />

überdreht und aktiv und undiszipliniert.“ Sie hatte sie nicht <strong>im</strong> Griff.<br />

Am Ende der Stunde ging es darum, die Weichbodenmatte aufzuräumen. Ich<br />

habe folgende Aufgabe gestellt: „Schafft ihr es gemeinsam, nach einem<br />

Startkommando innerhalb von einer Minute die Weichbodenmatte ordentlich<br />

aufzuräumen? Es darf keiner mehr irgendeinen Ton von sich geben. Nur<br />

mit Blickkontakt und Körpersprache.“ Die Schüler foppen sich ja be<strong>im</strong><br />

Aufräumen. Der eine zieht an der Matte, der andere drückt, am besten<br />

liegt noch einer darunter. Sie suchen Grenzerfahrungen. Aber sie haben<br />

es ohne einen Ton geschafft. Jetzt muss natürlich die Belohnung kommen.<br />

Die Wette habe ich verloren. Es ging darum, wer den Kuchen für die letzte<br />

<strong>Sport</strong>stunde vor den Ferien backt. Das mit der Wette mache ich gerne.<br />

Das ist ja nichts anderes als ein Anreizsystem.<br />

Das heißt, du arbeitest in Situationen, in denen Schüler <strong>im</strong> <strong>Sport</strong>unterricht<br />

Schwierigkeiten haben mit der Selbstregulation, mit spielerischen Elementen.<br />

Du schaffst einen Anreiz mit einer Wette oder mit einer Belohnung,<br />

und du gibst klare Startkommandos und Zielzeiten vor.<br />

Realistische und altersgemäße Wetten, Zeitvorgaben, Belohnung. Ohne<br />

eine Herausforderung fehlt der Anreiz.<br />

Würde dir das auch gelingen, wenn du nicht nur als Gast, sondern jede Woche<br />

in dieser Klasse wärst?<br />

Davon gehe ich aus. Dabei helfen klare Regeln und Rituale. Schüler wollen<br />

gefordert sein. In meinem Unterricht ist zum Beispiel Pünktlichkeit<br />

für mich sehr wichtig. Ob das jetzt eine Schulklasse mit jüngeren Schülern<br />

ist oder eine Oberstufenklasse. Schüler fordern Regeln und deren<br />

Einhaltung ein. Selbst Erwachsene in der studentischen Ausbildung. Dort<br />

gilt: Wer als Letzter zur Tür hereinkommt, schreibt das Protokoll. Wir<br />

haben dann die Regel leicht verändert: Wer als Letzter hereinkommt und<br />

ist über die Zeit, schreibt das Protokoll. Weil der Student, der Letzter<br />

war, zu Recht gesagt hatte: „Ich bin zwar Letzter, aber ich bin<br />

Seite 38


pünktlich.“ So haben wir gemeinsam die Ziele miteinander abgesteckt. Das<br />

funktioniert. Es kommt mal einer abgehetzt, weil er vorher eine Besprechung<br />

hatte; das ist der Alltag. Aber die Regel heißt: Er ist nun mal<br />

der Letzte und zu spät, ob begründet<br />

oder unbegründet, und<br />

schreibt deshalb das Protokoll.<br />

Und sie akzeptieren das,<br />

ohne Diskussion. Nun kannst du<br />

ES MUSS EINE SINNHAFTIGKEIT HIN-<br />

TER DEN SPIELREGELN SEIN, SONST<br />

BEWIRKEN WIR GAR NICHTS.<br />

fragen: Ist das Selbstregulation, Fremdregulation oder pädagogischer<br />

Drill? Es geht einfach darum, Spielregeln miteinander zu vereinbaren.<br />

Die Schüler müssen dahinterstehen und sagen: „Ok, die Spielregeln machen<br />

Sinn.“ Es muss eine Sinnhaftigkeit hinter den Spielregeln sein, sonst<br />

bewirken wir gar nichts. Und das funktioniert. Davon bin ich aufgrund<br />

langjähriger Erfahrung überzeugt.<br />

Hierzu fällt mir ein, was Monika Brunsting 38 schreibt. Sie betont <strong>im</strong> Zusammenhang<br />

mit schulischem Lernen, wie hilfreich Zeitvorgaben sind. Sie geben<br />

den Aufgaben einen sportlichen Touch.<br />

Und sie beschreibt, wie wichtig die Reflexion für den Lernprozess ist.<br />

Das kann ich voll bestätigen: Sich bewusst machen, was war, ein Feedback<br />

geben, die gemeinsame Analyse, das Ganze noch einmal reflektieren und<br />

so kontrollieren. Der Blick zurück ist deshalb so wichtig, weil wir daraus<br />

für die Zukunft lernen können (Filmverweis: Handball 8, Tanzen 6).<br />

Insbesondere be<strong>im</strong> Erlernen der Selbstregulation. Was ist gut gelaufen,<br />

was nicht? Was können wir verändern, was sind die Ziele der Klasse, und<br />

was sind meine eigenen selbstregulatorischen Ziele, damit es das nächste<br />

Mal besser läuft.<br />

Bei der Reflexion gilt, was <strong>im</strong> Zusammenhang mit dem Lernen <strong>im</strong>mer gilt: Man<br />

lernt Reflexion durch Übung. Durch wiederholtes Reflektieren, wie du es<br />

am Ende jeder <strong>Sport</strong>stunde machst, werden bei den Schülern die für die Reflexion<br />

zuständigen neuronalen Netze ausgebildet und gestärkt. Das schafft<br />

eine Distanz zum Erlebten und unterstützt situationsangemessenes Verhalten<br />

gerade in den Situationen, in denen Selbstregulation schwerfällt. Also<br />

insbesondere dann, wenn Emotionen <strong>im</strong> Spiel sind.<br />

Die Emotionen spielen <strong>im</strong> <strong>Sport</strong> eine herausragende Rolle. Sie zeigen<br />

sich in der Leistungsbereitschaft, <strong>im</strong> mannschaftsdienlichen Verhalten,<br />

in einem übertriebenen Eigenwillen oder in einer deutlichen Aggressionssteigerung<br />

in Bezug<br />

auf Verstöße gegen<br />

Spielregeln. Sich beherrschen,<br />

vor allem<br />

bei einem Spielstand,<br />

der für uns bedeutet:<br />

Wir sind auf der Verliererstraße.<br />

Bei einem<br />

Rückstand <strong>im</strong> Spiel<br />

ES GEHT UM DIE FRAGE, WIE KONTROLLIERE<br />

ICH MICH SELBST, WIE KONTROLLIEREN WIR<br />

UNS GEGENSEITIG?<br />

DIE SCHÜLER LERNEN NICHT NUR SIEGE<br />

GEMEINSAM ZU FEIERN, SONDERN AUCH<br />

NIEDERLAGEN GEMEINSAM ZU ERTRAGEN.<br />

steigt in der Regel Aggression, die Selbstregulation ist dringend gefordert.<br />

Die ist aber nicht bei allen Schülern gleich gut ausgeprägt.<br />

Deshalb muss ich solche Situationen besprechen, sonst schaukeln sich<br />

die Aggressionen hoch. Es geht um die Frage, wie kontrolliere ich mich<br />

Seite 39


selbst, wie kontrollieren wir uns gegenseitig? Die Schüler lernen nicht<br />

nur Siege gemeinsam zu feiern, sondern auch Niederlagen gemeinsam zu<br />

ertragen. Es geht und, um die Schulung von Schlüsselkompetenzen, um Tugenden<br />

<strong>im</strong> Umgang mit anderen und Tugenden <strong>im</strong> Umgang mit mir selbst. Das<br />

bedeutet Teamfähigkeit, akzeptieren, dass der Gegner gewonnen hat, und<br />

Niederlagen ertragen lernen. Mein Verhalten muss auch in der Niederlage<br />

ein positiv konstruktives, ein selbstreguliertes Verhalten sein.<br />

Was sich hier empfiehlt: Gruppen oder Mannschaften bei einer möglichst<br />

ähnlichen Spielidee über zwei, drei oder vier Termine zusammenzulassen,<br />

damit sich dort ein Teamgeist entwickeln kann. Wenn ich heute in der<br />

Verlierermannschaft bin und das nächstes Mal in der Siegermannschaft,<br />

dann habe ich eine völlig neue Gruppe. Die Gruppendynamik ist wichtig,<br />

um Sozialkompetenz, soziales Verhalten und Selbstregulation lernen zu<br />

können. Wenn die Gruppe zu schnell wechselt, ist keine Nachhaltigkeit in<br />

diesem Lernprozess gegeben.<br />

Es kann ja auch sein, dass ich heute selbst in Topform bin, aber meine<br />

Mitspieler nicht. Jetzt muss ich lernen, dass der Teamgedanke und die<br />

Teamfähigkeit nur in gemeinsamer Bewältigung der Situation zu positiven<br />

Ergebnissen führen. Jeder muss sich mit seinen Fähigkeiten und Fertigkeiten<br />

in den Mannschaftsgedanken einbringen. Wir wissen ja alle, die<br />

Mannschaft ist nur so stark wie das schwächste Glied. Das schwächste<br />

Glied muss aber stark gemacht werden. Das muss die Gruppe machen! Gib<br />

dem Einzelnen die Chance sich einzubringen. Dazu muss ich mich selbst<br />

zurücknehmen können. Und gib du dein Bestes, um die Mannschaft stark zu<br />

machen. Das erfordert und schult die Selbstregulation.<br />

Mannschaftssportarten scheinen also <strong>im</strong> Besonderen geeignet, Selbstregulation<br />

zu üben und so zu erlernen?<br />

Exakt. Nehmen wir Streetball als eine besondere Variante, bei der die<br />

Schüler selbst anzeigen müssen, wenn sie ein Foul oder eine Regelwidrigkeit<br />

begangen haben. Das Spiel funktioniert also auch ohne Spielleiter<br />

und ohne Schiedsrichter.<br />

Ab welcher Klassenstufe spielt man Streetball?<br />

Sobald die Schüler das Regelwerk kennen, sie die Regeln und die Spielidee<br />

umsetzen können, können sie Streetball spielen. Das ist für mich keine<br />

Altersfrage. Die Schüler lernen, sich gegenseitig zu kontrollieren. War<br />

das ein Foul, oder war das kein Foul? Das funktioniert selbst bei kleinen<br />

Kindern, wenn sie Fußball auf dem Bolzplatz spielen. Sie vereinbaren die<br />

Spielfeldgröße, sie haben einen Spielball, sie vereinbaren die Torgröße,<br />

und sie vereinbaren sogar die Regeln. Dort spielen sie Fußball, in der<br />

Schülersprache heißt es: „sie bolzen“, und das Spiel gelingt. Für mich<br />

müssen dabei drei Bedingungen erfüllt sein. Erstens: Gelingt das Spiel?<br />

Zweitens: Sind alle Schüler einbezogen? Nur wenn sie einbezogen und<br />

nicht ausgeschlossen sind, können sie sich am Spiel aktiv beteiligen.<br />

Nur wenn sie aktiv beteiligt sind, können sie Spielfähigkeit erwerben.<br />

Drittens: Macht das Spiel Spaß? Spielspaß beinhaltet Erfolgserlebnisse.<br />

Sie können ihre Leistungen auf sich und ihre Mannschaft zurückführen.<br />

Sie sind motiviert, weil sie Erfolgserlebnisse haben. Und die Erfolgs-<br />

Seite 40


erlebnisse bewirken wieder eine höhere Leistungs- und Lernbereitschaft,<br />

aber innerhalb der vereinbarten Regeln, die die Kinder selbst draußen<br />

be<strong>im</strong> freien Spiel aufstellen. Sie sind bereits in der Lage, das Spiel<br />

zu initiieren, das Spiel aufrechtzuerhalten bzw. das Spiel wieder in<br />

Gang zu setzen, wenn es zu einer Spielstockung wegen Meinungsverschiedenheiten<br />

oder Regelwidrigkeiten kommt. Das ist nichts anderes als eine<br />

Anwendung und Weiterentwicklung der Selbstregulation.<br />

Aber zurück zum <strong>Sport</strong>unterricht:<br />

Ich kann als <strong>Sport</strong>lehrer<br />

nicht gleichzeitig in drei Feldern<br />

Schiedsrichter sein. Nun<br />

kann man Schülerschiedsrichter<br />

einsetzen. Allerdings versuchen<br />

Schüler, <strong>im</strong>mer wenn ein<br />

Schülerschiedsrichter eingesetzt<br />

wird, Regelwidrigkeiten<br />

zu provozieren. Denn was der<br />

Schülerschiedsrichter nicht<br />

pfeift, ist ja richtig. Haben<br />

wir keinen Schiedsrichter,<br />

KINDER HABEN, WENN SIE ZUM<br />

SPORTUNTERRICHT KOMMEN, IN DER<br />

REGEL EINEN GANZ NORMALEN UND<br />

GESUNDEN BEWEGUNGSDRANG.<br />

WENN SIE IN IHREM BEWEGUNGS-<br />

DRANG SICH ZUNÄCHST EINFACH<br />

NUR MAL AUSTOBEN WOLLEN –<br />

SCHREIEN, JUBELN, LAUFEN –, DANN<br />

SOLLEN SIE DIESE PHASE HABEN. DA-<br />

FÜR IST DER SPORTUNTERRICHT DA.<br />

sind die Schüler selbst verantwortlich. Das heißt, das selbstinitiierte<br />

Spiel und das selbstständige Einhalten von Regeln dient der Schulung der<br />

Selbstregulation.<br />

Welche Herausforderungen stellt der Beginn der <strong>Sport</strong>stunde dar?<br />

Kinder haben, wenn sie zum <strong>Sport</strong>unterricht kommen, in der Regel einen<br />

ganz normalen und gesunden Bewegungsdrang. Wenn sie in ihrem Bewegungsdrang<br />

sich zunächst einfach nur mal austoben wollen – schreien, jubeln,<br />

laufen –, dann sollen sie diese Phase haben. Dafür ist der <strong>Sport</strong>unterricht<br />

da. Was wichtig ist in Verbindung mit den exekutiven Funktionen<br />

und der Selbstregulation: Es muss klare Regeln geben. Was sind unsere<br />

Spielregeln, wenn wir gemeinsam zur <strong>Sport</strong>halle laufen oder wenn ich die<br />

Halle betrete? Was darf ich, was darf ich nicht? Was ist sinnvoll? Denn<br />

auch hier gilt wieder: Die Regel muss für die Kinder eine Sinnhaftigkeit<br />

haben. Kurze Zeit später, <strong>im</strong> Unterricht, ist konzentriertes Zuhören an<br />

der Reihe. Diese Phasen des konzentrierten Zuhörens müssen konsequent<br />

eingefordert und mit den Kindern geübt werden.<br />

Wie erlernen die Kinder diese Umstellungsfähigkeit? Gerade war noch die<br />

Phase des Tobens, kurz darauf benötigen sie die Flexibilität und Inhibition,<br />

weil es jetzt darauf ankommt, still und aufmerksam zu sein. Viele Kinder<br />

haben größere Probleme mit der Umstellungsfähigkeit. Wie begleitet man<br />

solche Übergänge? Und wie begleitet man Kinder mit schwach ausgebildeten<br />

exekutiven Funktionen, denen die Umstellungsfähigkeit besonders schwerfällt?<br />

Gibt man diesen Kindern mehr Zeit? Was sollte ein Lehrer in solchen<br />

Situationen tun? Wie übt er die kognitive Flexibilität?<br />

Als Praktiker bedeutet das für mich, klare Grenzen zu setzen und nicht<br />

länger Zeit zu geben. Wenn ich länger Zeit gebe, bedeutet das doch, ich<br />

muss mich noch nicht konzentrieren. Soll die Selbstregulation und die<br />

<strong>Fokus</strong>sierung jetzt greifen, dann genau jetzt und nicht später. Dabei<br />

Seite 41


kann ein akustisches Zeichen helfen, ein Zuruf, ein Pfiff. Dann ist<br />

klar, zwischen diesem und dem nächsten Pfiff ist eine konzentrierte Phase.<br />

Und in dieser Phase muss sich jeder regulieren, und ich muss auf den,<br />

der das nicht kann, besonders achten. Für mich gibt es keine Überlegung,<br />

dort einen Zeitpuffer, eine Zeitspanne zu setzen. Jetzt heißt es, sich<br />

zu konzentrieren. Das ist die Regel.<br />

Zuvor erziele ich einen Übergang durch eine klare Ansage: „Jetzt noch<br />

fünf Minuten freies Spiel, dann kommen wir zusammen und starten los!“<br />

Das ist ein Intervall zur Vorbereitung. Das bedeutet, in fünf Minuten<br />

muss ich mich neu orientieren. Sind die fünf Minuten vorüber, gibt es<br />

keine Übergangsphase mehr, weder für die, die sich gut steuern können,<br />

noch für die Kinder, die mit der Selbstregulation größere Schwierigkeiten<br />

haben. Dann heißt es, sich zu beherrschen und sich zu konzentrieren.<br />

Wenn die fünf Minuten vorbei sind – Schnitt! Dann darf es keinen<br />

zeitlichen Puffer mehr geben. Das muss klar sein. Eine Differenzierung<br />

ist für mich nur gegeben, wie lange jetzt ein konzentriertes Arbeiten<br />

möglich ist. Es gibt Schüler, die können sich länger konzentrieren und<br />

andere kürzer. Dort muss ich differenzieren. Ich muss mit ihnen üben,<br />

sich zunehmend länger zu konzentrieren. Aber wenn ein Startpunkt gesetzt<br />

wird, muss die Konzentration, die Aufmerksamkeit eingefordert werden.<br />

Mit der Aufmerksamkeitssteuerung und der Umstellungsfähigkeit sind wir<br />

bei den exekutiven Funktionen, die ja der Fähigkeit zur Selbstregulation<br />

unterliegen. Anders formuliert: Gut ausgebildete exekutive Funktionen unterstützen<br />

die Fähigkeit zur Selbstregulation. Woran erkennst du <strong>im</strong> <strong>Sport</strong>unterricht,<br />

ob Schüler über gut oder weniger gut ausgebildete exekutive<br />

Funktionen verfügen?<br />

Wenn wir exemplarisch Spiele nehmen. Kleine Spiele, kleine <strong>Sport</strong>spiele,<br />

große <strong>Sport</strong>spiele, dann sieht man deutliche Unterschiede in den<br />

exekutiven Funktionen, natürlich auch altersspezifische Unterschiede.<br />

Ein einfaches Parteispiel bedeutet: miteinander spielen, das Erkennen<br />

der eigenen Situation und die der Mitspieler und Gegenspieler. Ich muss<br />

bei jedem Ballkontakt Entscheidungen treffen. Selbst ohne Ballkontakt<br />

muss ich eine Entscheidung treffen. Das bedeutet, Ballung vermeiden,<br />

anbieten, freilaufen. Das betrifft auch die taktische Fähigkeit, sich<br />

spielgemäß, situationsbedingt zu verhalten und gleichzeitig die vereinbarten<br />

Regeln zu berücksichtigen. Bei den kleinen <strong>Sport</strong>spielen gibt es<br />

viele Regeln. Zudem werden Variablen der Spielorganisation dort ständig<br />

verändert. Das heißt, wir verändern Spielregeln, Spielfeld, Spielball,<br />

Spielerzahl. Diese Veränderungen muss ich <strong>im</strong> Arbeitsgedächtnis<br />

aufrechterhalten, um flexibel entscheiden zu können. Davon betroffen<br />

sind auch alle koordinativen Elemente wie Geschicklichkeit, Beweglichkeit,<br />

Orientierungsfähigkeit, Differenzierungsfähigkeit. In Bezug auf<br />

die exekutiven Funktionen bedeutet das, Spielsituationen zu erkennen<br />

und Entscheidungen zu treffen. In der Flüssigkeit des Spiels oder, anders<br />

ausgedrückt, an der Geschwindigkeit, in der ich eine Spielsituation<br />

wahrnehme, erkenne und meine Entscheidung treffe, zeigt sich, wie stark<br />

die exekutiven Funktionen ausgeprägt sind. Selbst bei Grundschulkindern<br />

sieht man unterschiedliche Fähigkeiten, den Ball anzunehmen und den Ball<br />

zunächst einmal zu kontrollieren, was natürlich auch mit der technischen<br />

Fertigkeit zu tun hat. Je größer die Gruppe, desto schwerer fällt es<br />

gerade den kleinen Kindern, eine Entscheidung zu treffen.<br />

Seite 42


Jetzt haben wir viel über Mannschaftssportarten gesprochen. Wo findet das<br />

Training exekutiver Funktionen in den Individualsportarten statt?<br />

Zum Beispiel in der<br />

Leichtathletik be<strong>im</strong><br />

Weitsprung: Du musst<br />

zielgenau vom Brett abspringen,<br />

du darfst<br />

nicht übertreten. Wir<br />

springen zunächst aus<br />

einem größeren Intervall,<br />

dann machen wir das<br />

Intervall kleiner. Dabei<br />

DA DAS ARBEITSGEDÄCHTNIS EIN SEHR<br />

GUTER PRÄDIKTOR FÜR SCHULISCHE<br />

LERNLEISTUNGEN IST, SOLLTE DAS AR-<br />

BEITSGEDÄCHTNIS DER SCHÜLER GEZIELT<br />

TRAINIERT WERDEN. HIERZU BIETET DER<br />

SPORTUNTERRICHT ZAHLREICHE MÖG-<br />

LICHKEITEN.<br />

sind exekutive Funktionen gefordert, wie Aufmerksamkeitssteuerung, Inhibition,<br />

Flexibilität und auch planvolles Vorgehen. Oder be<strong>im</strong> Turnen:<br />

Hier müssen sich die Schüler zunächst die einzelnen Elemente einer Übung<br />

merken, diese umsetzen und in Bruchteilen von Sekunden die Aufmerksamkeit<br />

auf die jeweils kritischen Punkte bei der Bewegungsausführung<br />

lenken: die Kippbewegung <strong>im</strong> richtigen Moment einleiten, die Ellenbogen<br />

<strong>im</strong> Stütz am Reck durchdrücken, kurz danach die Beine be<strong>im</strong> Umschwung parallel<br />

halten, die Füße strecken und so weiter. Und dies be<strong>im</strong> Vorturnen<br />

oder bei der Benotung unter Nervosität und Anspannung. Das schult die<br />

exekutiven Funktionen und die Selbstregulation. Und eine eingeübte Bodenbahn<br />

wird zum Arbeitsgedächtnistraining, wenn die Schüler den Ablauf<br />

rückwärts turnen. Das heißt, ich beginne mit der letzten Übung und ende<br />

mit der ersten. Solche Arbeitsgedächtnisaufgaben lassen sich beliebig<br />

variieren: Ich beginne mit dem mittleren Element und turne dann zunächst<br />

die Übung, die dem mittleren Element vorausgeht, und anschließend die<br />

Übung, die diesem Element nachfolgt. Es gibt erste Studien, die belegen,<br />

dass ein kombiniert körperlich-kognitives Training des Arbeitsgedächtnisses<br />

stärkere Effekte auf das Arbeitsgedächtnis erzielt als ein<br />

rein kognitives. Da das Arbeitsgedächtnis ein sehr guter Prädiktor für<br />

schulische Lernleistungen ist, sollte das Arbeitsgedächtnis der Schüler<br />

gezielt trainiert werden. Hierzu bietet der <strong>Sport</strong>unterricht zahlreiche<br />

Möglichkeiten.<br />

Stellt der <strong>Sport</strong>unterricht denn auch besondere Ansprüche an die exekutiven<br />

Funktionen der <strong>Sport</strong>lehrer?<br />

Der <strong>Sport</strong>unterricht beinhaltet eine hohe Emotionalität, verbunden mit<br />

einer hohen Bewegungsintensität. Diese Intensität der Emotionalität und<br />

der Bewegungsintensität haben wir in keinem anderen Unterricht, in keinem<br />

anderen Unterrichtsraum, ob jetzt Frontalunterricht oder Gruppenunterricht.<br />

Die Organisationsform spielt keine Rolle. Die <strong>Sport</strong>lehrer<br />

benötigen eine hohe Selbstregulation in Bezug auf organisatorisches<br />

Vorgehen, in Bezug auf Führung der Klasse, in Bezug auf Umgang mit Verhaltensauffälligkeiten,<br />

Umgang mit Emotionen und mit Aggressionen. Dafür<br />

ist es notwendig, selbst sehr gut kontrolliert und reguliert zu sein,<br />

um in der richtigen Art und Weise pädagogisch wertvoll zu agieren und zu<br />

reagieren, insbesondere, wenn es zu emotional unkontrolliertem Verhalten<br />

von Schülern kommt. Denn die unkontrollierte Emotionalität des Schülers<br />

provoziert natürlich eine Gegenreaktion des Lehrers, und das darf bei<br />

ihm nicht in eine Überreaktion ausarten.<br />

Seite 43


Wie viel an Rückmeldung erfolgt <strong>im</strong> <strong>Sport</strong>unterricht individualisiert?<br />

Höchst intensiv. Da sind wir be<strong>im</strong> Coaching. Zurufen, Lob, anstacheln,<br />

motivieren, begleiten, verbale Hilfestellungen: „Streng dich an!“, „Lauf<br />

zurück!“, „Hilf!“. Im <strong>Sport</strong>unterricht muss ich ständig individuelle<br />

Rückmeldung geben.<br />

Du bist mit deiner Aufmerksamkeit also <strong>im</strong>mer be<strong>im</strong> Schüler?<br />

Ja. Hier müssen wir aber auch klar unterscheiden zwischen dem Unterricht<br />

<strong>im</strong> Klassenz<strong>im</strong>mer und dem in der <strong>Sport</strong>halle. In der <strong>Sport</strong>halle ist nahezu<br />

<strong>im</strong>mer beobachtbar, was der Schüler gerade macht. Was <strong>im</strong> Klassenz<strong>im</strong>mer ja<br />

nicht so der Fall ist. Ich sehe nicht, was hat der da für ein Problem an<br />

seinem Platz. Aber ich sehe, ob er den Korbleger richtig ausführt oder<br />

nicht. Oder ob er zu spät anläuft, zu schräg anläuft, zu früh oder zu<br />

spät abspringt. Das Verhalten ist beobachtbar, und damit sind auch die<br />

exekutiven Funktionen beobachtbar. Gleichzeitig ist die Einzelkorrektur<br />

für jeden anderen Schüler eine Orientierung. Wenn ich den Zuruf be<strong>im</strong><br />

Korbleger: „Ellbogen unter den Ball“ gebe, hören das alle und kontrollieren<br />

sich selbst. Ich arbeite dabei gerne mit einfachen Merksätzen.<br />

Im Volleyball: „Hör deine Technik.“ Ist ein Klatschen oder ein lockeres<br />

Klacken zu hören? Während der Technikphase sollte aber absolute Ruhe in<br />

der Halle herrschen, die Konzentration liegt auf: „Hör deine Technik.<br />

Hör deine eigene Technik und hör die Technik von deinem Partner.“ Und<br />

die Schüler sagen dann: „Hey, das war ein Klatscher.“<br />

Wie entscheidend ist die Persönlichkeit des <strong>Sport</strong>lehrers, wie entscheidend<br />

ist sein methodisches Vorgehen?<br />

Ich glaube, dass der <strong>Sport</strong>lehrer die entscheidende Person ist. Was erwarten<br />

die Schüler von einem Lehrer? Fachkenntnis, eine klare Ansage,<br />

Verlässlichkeit und eine gute Beziehungsebene. Die Beziehungsebene prägt<br />

der Lehrer. Wenn die nicht funktioniert, herrscht keine motivierende<br />

Lernatmosphäre. In diesem Fall nützt der beste methodische Vermittlungsweg<br />

nichts. Der Lehrer wird seine Schüler auf der Beziehungs-und Sachebene<br />

nicht erreichen, er wird sie nicht „am Nerv treffen“. Der Lehrer<br />

selbst ist der Dreh- und Angelpunkt des Unterrichts- und Lerngeschehens.<br />

Es liegt also kein Widerspruch darin, wenn ein Lehrer streng ist, regelgeleitet<br />

vorgeht, Disziplin einfordert und gleichzeitig seinen Schülern viel<br />

Wertschätzung entgegenbringt?<br />

Ohne Wertschätzung kannst du Regeln aufstellen und einfordern wie du<br />

willst. Es muss beides <strong>im</strong> Gleichschritt gehen, es muss beides vorhanden<br />

sein.<br />

Man neigt dazu, <strong>im</strong>mer dann, wenn etwas nicht gut läuft, zu tadeln, wenn etwas<br />

gut läuft, erachtet man das oftmals als selbstverständlich – auch oder<br />

gerade <strong>im</strong> Zusammenhang mit der Selbstregulation. Das Lob bleibt häufig aus.<br />

Seite 44<br />

Es braucht auch dann, wenn es gut funktioniert, eine deutliche Rückmeldung,<br />

Anerkennung, Zuwendung. Das Lob ist ein Feedback an die Schüler,<br />

sie motiviert nach Hause schicken, damit sie Lust bekommen auf die<br />

nächste Stunde.


Damit sie Lust aufs Lernen bekommen?<br />

Genau, Lust auf Leistung, Lust auf Anstrengung und Lust aufs Lernen!<br />

Kommt es in diesem Zusammenhang nicht auch darauf an, Situationen, in<br />

denen Schüler nicht gut selbstreguliert sind, als Chance zu begreifen,<br />

Selbstregulation mit ihnen üben zu können? Denn ohne wiederkehrendes Üben<br />

können sie es nicht lernen. Wir wissen, dass die kindliche Selbstregulationsfähigkeit,<br />

weitgehend unabhängig von der sozialen Herkunft der Kinder,<br />

unabhängig von ihrem Geschlecht und ihrer Intelligenz, best<strong>im</strong>mt, wie erfolgreich,<br />

wohlhabend, gesund und sozial integriert die Schüler in ihrem<br />

weiteren Lebensverlauf sein werden.<br />

Das muss hier deutlich hervorgehen. Das hat mich als Junglehrer <strong>im</strong>mer<br />

genervt. Warum schon wieder? Ich hab‘s doch erst gesagt. Man denkt, Hebel<br />

umgelenkt und es funktioniert. Tür <strong>im</strong> Schloss und zu. Aber an jedem<br />

Tag musst du wieder und wieder und wieder mit den Schülerinnen und Schülern<br />

an ihrem Verhalten, an ihrer Selbstregulationsfähigkeit arbeiten!<br />

Seite 45


2 EINBLICKE IN DAS GEHIRN<br />

RÜCKBLICK<br />

Im ersten Kapitel haben Sie wichtiges Grundlagenwissen zu den exekutiven Funktionen erworben. Sie haben<br />

nun drei zentrale exekutive Funktionen vor C3 Augen: das Arbeitsgedächtnis, P3 die Inhibition und die kognitive<br />

Flexibilität. Sie haben erfahren, dass diese Stirnhirnfunktionen trainierbar und sowohl für den Lernerfolg wie<br />

auch für die sportliche Leistungsfähigkeit von großer Bedeutung sind. Und Sie haben neuropsychologische<br />

Testverfahren kennengelernt, die zur Untersuchung und teilweise zum Training exekutiver Funktionen eingesetzt<br />

werden.<br />

Kombiniert man die neuropsychologischen Testverfahren mit dem Einsatz moderner bildgebender Verfahren<br />

wie der funktionellen Magnetresonanztomographie (fMRT) N2oder dem Elektroenzephalogramm (EEG) werden<br />

Gehirnaktivtäten und Gehirnstrukturen sichtbar, die bei der Bearbeitung neuropsychologischer Aufgaben<br />

aktiv sind.<br />

O1<br />

+20µV<br />

C4<br />

O2<br />

CNV<br />

-20µV<br />

Das Elektroenzephalogramm misst die elektrische Aktivität feuernder Neuronen an der Schädeloberfläche. 1<br />

700 -600 -400 -200 0 200 -400 600 700 700 -600 -400 -200 0 200<br />

Flanker- Target-<br />

T<strong>im</strong>e (ms)<br />

Onset Onset<br />

1,5 Tesla Magnetresonanztomograph 2<br />

Die funktionelle MR-Bildgebung (fMRT) ermöglicht es, die neuronale Aktivität kognitiver und perzeptueller<br />

Leistungen darzustellen. Sauerstoffreiches Blut wird zu den aktiven Neuronen transportiert, dadurch haben<br />

die aktiven Neurone andere magnetische Eigenschaften als nicht aktive Neurone. Diese Unterschiede in der<br />

Gehirnaktivität macht das fMRT sichtbar.<br />

Seite 46


AUSBLICK<br />

Im folgenden Kapitel werfen wir einen Blick in das Gehirn. Wir werden uns ein Bild davon machen, welche<br />

Gehirnstrukturen gefordert sind, wenn man das visuell-räumliche Arbeitsgedächtnis, die Inhibition und die<br />

kognitive Flexibilität bei der Bearbeitung einer Blockspannen-, einer Stopp-Signal- und einer Switch-Aufgabe<br />

einsetzt. Dadurch wird die besondere Bedeutung des präfrontalen Kortex für die Steuerung exekutiver Funktionen<br />

deutlich, wenn auch weitere kortikale und subkortikale (unter der Großhirnrinde gelegene) Strukturen<br />

die exekutiven Funktionen beeinflussen und damit ein weitverzweigtes Netzwerk an kognitiven Kontrollprozessen<br />

beteiligt ist.<br />

EIN BLICK AUF DAS GEHIRN<br />

Doch zunächst betrachten wir das Gehirn von außen. Es liegt <strong>im</strong> Inneren des Kopfes, <strong>im</strong> Schädel. Der Schädel<br />

schützt das Gehirn vor Verletzungen und Erschütterungen. In der Abbildung ist die linke der beiden Großhirnhälften<br />

(Cerebrum) dargestellt. Auffällig ist die gefaltete Struktur der Großhirnrinde (Kortex). Die Faltungen<br />

sind <strong>im</strong> Laufe der Evolution entstanden, da das Volumen des Kortex schneller gewachsen ist als der Schädel.<br />

Die Windungen werden als Gyri (Singular: Gyrus) und die Furchen als Sulci (Singular: Sulcus) bezeichnet. Am<br />

hinteren unteren Bereich des Kortex liegt das Kleinhirn (Cerebellum), das mit dem Hirnstamm verbunden ist.<br />

Der Hirnstamm geht nach unten in das Rückenmark über. Er reguliert Aufmerksamkeits- und Wachheitszustände<br />

und steuert lebenswichtige Funktionen wie die Atmung und den Herzschlag. 3<br />

Großhirn<br />

Kleinhirn<br />

Lage des Gehirns <strong>im</strong> Schädel. 4<br />

Seite 47


Das Kleinhirn weist ebenfalls eine stark gefurchte Oberfläche auf. Es erhält sensorische Informationen aus<br />

dem Rückenmark sowie motorische Informationen aus der Großhirnrinde und weitere Informationen über<br />

das Gleichgewicht aus dem Innenohr. Über diese Informationen reguliert das Kleinhirn Kraft und Ausmaß<br />

sowie Planung und zeitliche Abfolge von Bewegungen. Darüber hinaus kontrolliert es die Körperhaltung und<br />

die Koordination von Kopf- und Augenbewegungen. 5 Das Kleinhirn unterstützt aber nicht nur motorische<br />

Prozesse und Lernvorgänge, sondern auch kognitive Fähigkeiten, indem es Funktionen des Kortex moduliert. 6<br />

Man n<strong>im</strong>mt an, dass das Kleinhirn über seine reziproken (wechselseitigen) Verbindungen zum dorsolateralen<br />

präfrontalen Kortex auch auf die exekutiven Funktionen einwirkt. Es beeinflusst Planungs- und Handlungsfunktionen,<br />

die Problemlösefähigkeit und auch das Arbeitsgedächtnis. 6 Die Interaktion des präfrontalen Kortex<br />

mit dem Kleinhirn kann eine Erklärung dafür liefern, weshalb insbesondere noch nicht automatisierte<br />

koordinative Übungen, bei denen sowohl das Kleinhirn als auch Aufmerksamkeitsprozesse des präfrontalen<br />

Kortex stark gefordert sind, positiv auf die exekutiven Funktionen einwirken.<br />

DER PRÄFRONTALE KORTEX – THE NEW KID ON THE BLOCK 7<br />

Betrachten wir nun den präfrontalen Kortex etwas detaillierter:<br />

Der präfrontale Kortex umfasst den vorderen Teil und damit rund die Hälfte des Frontallappens, dem stammesgeschichtlich<br />

(phylogenetisch) jüngsten Teil des Neokortex. Er grenzt sich von den hinteren Anteilen des<br />

Frontallappens ab, zu denen der pr<strong>im</strong>ärmotorische (Ausführung von Bewegungen), der prämotorische (Bewegungsplanung,<br />

Einleitung von Bewegungen), der supplementärmotorische (Bewegungsplanung) sowie der<br />

vordere cinguläre Kortex (kortikaler Anteil des l<strong>im</strong>bischen Systems; zuständig für die Überwachung von Handlungen<br />

und deren Folgen) zählen. 8,9<br />

Der präfrontale Kortex ist be<strong>im</strong> Menschen am stärksten ausgeprägt. Er n<strong>im</strong>mt einen Anteil von 29 Prozent <strong>im</strong><br />

Gesamtkortex ein (gegenüber 3,5 Prozent bei Katzen und 11,5 Prozent bei Makaken, die zu den anpassungsfähigsten<br />

Pr<strong>im</strong>aten zählen). Aufgrund seiner max<strong>im</strong>alen Ausdehnung be<strong>im</strong> Menschen gilt der präfrontale Kortex<br />

als der „menschlichste“ Teil des Gehirns, der Bewusstsein, Selbstbewusstsein und die Fähigkeit, Konzepte<br />

und Perspektiven zu entwickeln, ermöglicht. 8<br />

Der präfrontale Kortex selbst wird unterteilt in einen dorsolateralen präfrontalen, einen medialen und einen<br />

orbitofrontalen Anteil. 10<br />

DER BLICK IN DAS GEHIRN<br />

Der präfrontale Kortex hat vielfältige Verbindungen zu anderen Gehirnstrukturen, so z.B. zum Thalamus <strong>im</strong><br />

Zwischenhirn (aufgrund seiner starken wechselseitigen Faserbeziehungen zum Kortex bzw. zur Großhirnrinde<br />

auch „Tor zur Großhirnrinde“ genannt 11 ) und zu den Basalganglien unterhalb der Großhirnrinde. Diese drei<br />

Gehirnbereiche bilden eine Funktionsschleife, in der sowohl sensorische als auch motorische und kognitive<br />

Informationen verarbeitet werden. 12 Darüber hinaus steht der präfrontale Kortex, neben dem cingulären Kortex,<br />

mit zwei weiteren wichtigen Strukturen des l<strong>im</strong>bischen Systems <strong>im</strong> Austausch: mit dem Hippokampus<br />

und mit der Amygdala (Mandelkern). Beide befinden sich sowohl in der rechten als auch in der linken Gehirnhälfte<br />

tief <strong>im</strong> Innern des Schläfenlappens (Temporallappen). Der Hippokampus spielt eine bedeutende Rolle<br />

für Lern- und Gedächtnisprozesse. Der Mandelkern gilt <strong>im</strong> Zusammenhang mit der Verarbeitung von Emotionen<br />

als die wichtigste Struktur des l<strong>im</strong>bischen Systems. 4 Über diese Verbindungen nehmen der präfrontale Kortex<br />

und die exekutiven Funktionen Einfluss auf emotionale Prozesse und auf Lern- und Gedächtnisleistungen.<br />

Oberhalb der Hippocampi und der Mandelkerne befindet sich das Corpus callosum (Balken). Dieses große<br />

Faserbündel ermöglicht den Informationsaustausch zwischen den beiden Gehirnhälften.<br />

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Seite 49


ANATOMISCHE UND FUNKTIONALE ASYMMETRIEN<br />

Man n<strong>im</strong>mt an, dass Menschen, die keinen ausgeprägten Rechts-Links-Unterschied aufweisen, über einen<br />

intensiveren Informationsaustausch zwischen den beiden Gehirnhälften (Hemisphären) verfügen als Personen<br />

mit starkem Rechts-Links-Unterschied. 13 Mit diesem interhemisphärischen Austausch stehen vermutlich<br />

strukturelle und funktionale Rechts-Links-Asymmetrien in Verbindung, die auch als Lateralisierung bezeichnet<br />

werden. 13<br />

Anatomische (strukturelle) Asymmetrien finden sich beispielsweise <strong>im</strong> Kleinhirn. Die rechte Kleinhirnhemisphäre<br />

(insbesondere bei Rechtshändern) hat ein größeres Volumen als die linke. Ähnlich verhält es sich mit<br />

dem Hippokampus. Der Hippokampus in der rechten Hemisphäre ist in der Regel größer als der Hippokampus<br />

in der linken Hemisphäre. Dagegen ist die kortikale Dichte <strong>im</strong> linken lateralen (seitlichen) Frontalkortex größer<br />

als <strong>im</strong> rechten. 13<br />

Funktionale Asymmetrien, die sich vermutlich aus genetischen Faktoren und aus Zufallsfaktoren entwickeln,<br />

zeigen sich in Wahrnehmungsleistungen sowie in kognitiven Leistungen und in der motorischen Kontrolle.<br />

Während beispielsweise auditorische Sprachlaute vor allem linkshemisphärisch verarbeitet werden, erfolgt<br />

die Verarbeitung von Musik oder von Umgebungsgeräuschen rechtsseitig. Die rechte Großhirnhälfte steuert<br />

schwerpunktmäßig die sensorischen und motorischen Prozesse der linken Körperhälfte, die linke Großhirnhälfte<br />

dagegen die der rechten Körperhälfte. Gleichzeitig erfolgt die Steuerung der Fein- und Zielmotorik vor<br />

allem durch die linke Großhirnhälfte, die Haltung und der Stand werden vermehrt von der rechten Hemisphäre<br />

beeinflusst.<br />

Funktionale Asymmetrien, die kognitive Leistungen betreffen, findet man u.a. <strong>im</strong> Zusammenhang mit dem<br />

Hippokampus, den exekutiven Funktionen und bei Entscheidungsprozessen, bei denen der rechte präfrontale<br />

Kortex stärker durchblutet ist als der linke. Der linksseitige Hippokampus wirkt stärker an der Encodierung<br />

(Entschlüsselung) und dem Abruf verbaler Informationen mit, dagegen werden räumliche Informationen verstärkt<br />

vom rechten Hippokampus verarbeitet. Die selektive Aufmerksamkeit ist, wie die Selbstkontrolle, vor<br />

allem eine Leistung der rechten Gehirnhälfte; das verbale Arbeitsgedächtnis wird dagegen schwerpunktmäßig<br />

von der linken Hemisphäre gesteuert.<br />

Trotz all dieser Asymmetrien geht man davon aus, dass beide Gehirnhälften sich bei den verschiedenen spezifischen<br />

Funktionen gegenseitig ergänzen, also in komplementärer Form zusammenarbeiten, weshalb die<br />

Untersuchung dieser Interaktionen zunehmend in den <strong>Fokus</strong> der Wissenschaft rückt. 13 Kehren wir nun aber<br />

wieder zum präfrontalen Kortex und damit auch zu den exekutiven Funktionen zurück.<br />

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Seite 51


PRÄFRONTALE SCHÄDIGUNGEN<br />

Untersuchungen an Patienten mit Frontalhirnschädigungen haben das Wissen über die Funktionen des präfrontalen<br />

Kortex entscheidend erweitert. Dabei führen Schäden (Läsionen) in diesem Bereich des Gehirns,<br />

verursacht z.B. durch Unfälle, Schlaganfälle, Anfalls- und Tumorerkrankungen, teilweise zu gegensätzlichen<br />

Symptomen, die sich auf der Ebene von Persönlichkeitsveränderungen, des Sozialverhaltens und der kognitiven<br />

Leistungsfähigkeit widerspiegeln.<br />

Wesensveränderungen<br />

Während Läsionen <strong>im</strong> medialen präfrontalen Kortex in der Regel keine stärkeren Beeinträchtigungen der Intelligenz,<br />

der Sprache oder des deklarativen Gedächtnisses (Gedächtnis für Fakten und Ereignisse) zur Folge<br />

haben, führen sie nicht selten zu Wesensveränderungen, die sich in zwei Formen ausprägen können:<br />

1. in einer Antriebsstörung mit Aktivitätsverlust bis hin zum akinetischen Mutismus, bei dem die Patienten<br />

zwar wach, aber erstarrt und regungslos sind oder<br />

2. in Form einer Enthemmung, mit grundloser Heiterkeit, sprunghaftem Verhalten, labiler, meist heiterer,<br />

aber auch schnell umschlagender St<strong>im</strong>mung und reduzierter Empathiefähigkeit. 10<br />

Diese Wesensveränderungen sind in der Regel auf Schädigungen <strong>im</strong> orbitofrontalen und ventromedialen<br />

präfrontalen Kortex zurückzuführen. Patienten mit Läsionen in diesen Arealen sind zwar häufig in der Lage,<br />

die Konsequenzen ihres Verhaltens und das Verhalten anderer Personen richtig einzuschätzen, sie zeigen aber<br />

ein gestörtes Sozialverhalten, das u.a. mit verminderten Inhibitionsfunktionen in Zusammenhang gebracht<br />

wird. 10<br />

Beeinträchtigungen der exekutiven Funktionen<br />

Weitere, durch Frontalhirnschädigungen beeinträchtigte exekutive Funktionen zeigen sich be<strong>im</strong> Problemlösen,<br />

be<strong>im</strong> Planen und Entscheiden sowie bei der Initiierung und Inhibition von Handlungen. Man spricht in<br />

diesem Zusammenhang von einem dysexekutiven Syndrom, das aber nicht nur durch Schädigungen <strong>im</strong> präfrontalen<br />

Kortex, sondern auch durch Läsionen in anderen kortikalen und subkortikalen Arealen verursacht<br />

wird. 10<br />

Schädigungen <strong>im</strong> präfrontalen Kortex können dabei in Abhängigkeit ihrer Lokalisation zwei Kategorien zugeordnet<br />

werden:<br />

1. Dorsolaterale Hirnschädigungen bewirken eine mangelnde Fähigkeit, Handlungen planen zu können.<br />

2. Frontomediale Schädigungen führen verstärkt zu einem Energieverlust. Diese Patienten sind häufig unentschlossen<br />

und entscheidungsarm. 10<br />

Schädigungen <strong>im</strong> medialen präfrontalen Kortex äußern sich zudem in Form von Regelverstößen bzw. <strong>im</strong><br />

Missachten von Instruktionen. Regelverstöße sind teilweise auf eine allgemeine Überforderungssituation<br />

aufgrund einer gestörten Monitoring-Funktion zurückzuführen. Diese Überwachungsfunktion dient der<br />

Regulierung des Verhaltens bei sich verändernder äußerer Umgebung bzw. bei veränderten Umgebungsreizen.<br />

Beeinträchtigungen der kognitiven Flexibilität aufgrund von frontalen Hirnschädigungen äußern sich<br />

in perseverativem (verharrendem) Verhalten und rigiden (starren) Antwortmustern. Gleichzeitig können auch<br />

Arbeitsgedächtnisdefizite Folge einer Frontalhirnschädigung sein. 10<br />

Läsionsstudien machen den Zusammenhang des präfrontalen Kortex mit den exekutiven Funktionen deutlich,<br />

die auf den Antrieb, die Emotionalität, das Sozialverhalten und so auf die Gesamtpersönlichkeit des Menschen<br />

Einfluss nehmen können. 10<br />

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EXEKUTIVE FUNKTIONEN IM SCANNER<br />

In den nachfolgenden Abbildungen sind die Gehirnstrukturen hervorgehoben, die bei der Bearbeitung einer<br />

Blockspannen-, einer Stopp-Signal- und einer Task-Switch-Aufgabe (bei gesunden Probanden) aktiv sind.<br />

Die Testverfahren sind in diesem Buch auf den Seiten 14 (Blockspanne/visuell-räumliches Arbeitsgedächtnis),<br />

23 (Stopp-Signal-Aufgabe/Inhibition) und 26f. (Task Switch/kognitive Flexibilität) beschrieben. Da das<br />

visuell-räumliche Arbeitsgedächtnis, die Impulskontrolle und die kognitive Flexibilität wichtige Funktionen<br />

und Fähigkeiten für den sportlichen Erfolg sind, wird an diesen Abbildungen nochmals deutlich, wie wichtig<br />

insbesondere der präfrontale Kortex auch für die sportliche Leistungsfähigkeit ist.<br />

ARBEITSGEDÄCHTNIS<br />

WAHRNEHMEN<br />

WETTKAMPF<br />

DERLAGE<br />

GEGNER AKTION ENTSCHEIDUNG SIEG NIE-<br />

REAKTION PASSEN DRIBBELN BOXER ABGEBEN TOR-<br />

SCHUSS REAKTION SYSTEM AUFSTELLUNG HANDBALL SCHUSS KUGEL BALL<br />

WURF HOCKEY SCHLAG ENTSCHEIDEN WERFEN PASSEN SPORT BEWE-<br />

GUNG UNANGEPASST ÜBERRASCHEND INFORMATIONEN GEHIRN<br />

BEWEGUNG EMOTION ABSCHALTEN UMDENKEN SCHLENZEN KÖP-<br />

FEN SEHEN TOR ELFMETER ECKE PFIFF WECHSEL KONTER FIXIEREN SEHEN<br />

SEKUNDEN JETZT LAUFEN DURCHHALTEN MUT ZUVERSICHT TENNIS<br />

SPIEL KOPF SCHLÄGER REAGIEREN MOMENT<br />

SUPERIOR FRONTALER KORTEX<br />

KOGNITIVE KONTROLLE,<br />

BEWEGUNGSKONTROLLE<br />

ENTSCHEIDEN<br />

HANDLUNGSSCHNELLIGKEIT<br />

INTRAPARIETALER KORTEX<br />

VISUELLE STEUERUNG<br />

VON BEWEGUNG<br />

ERKENNEN VON REIZEN<br />

DORSOLATERALER<br />

PRÄFONTALER KORTEX<br />

ANTWORTAUSWAHL<br />

NUKLEUS CAUDATUS<br />

HEMMUNG UND MODULIERUNG<br />

MOTORISCHER IMPULSE<br />

VISUELL-RÄUMLICHES<br />

ARBEITSGEDÄCHTNIS<br />

Gehirnaktivierung bei der Bearbeitung einer Blockspannen-Aufgabe zur Messung des visuell-räumlichen Arbeitsgedächtnisses. 11<br />

Seite 54


SCHNELLES STOPPEN<br />

EMOTIONSREGULATION<br />

INHIBITION<br />

KONTROLLIERTE RISIKOBEREITSCHAFT<br />

IMPULSKONTROLLE<br />

WETTKAMPF NIEDERLAGE GEGNER AKTION ENTSCHEIDUNG SIEG<br />

REAKTION PASSEN DRIBBELN BOXER ABGEBEN<br />

TORSCHUSS REAKTION SYSTEM AUFSTELLUNG HANDBALL SCHUSS KUGEL<br />

BALL WURF HOCKEY SCHLAG ENTSCHEIDEN WERFEN PASSEN SPORT<br />

BEWEGUNG UNANGEPASST ÜBERRASCHEND INFORMATIONEN GE-<br />

HIRN BEWEGUNG EMOTION ABSCHALTEN UMDENKEN SCHLEN-<br />

ZEN KÖPFEN SEHEN TOR ELFMETER ECKE PFIFF WECHSEL KONTER<br />

FIXIEREN SEHEN SEKUNDEN JETZT LAUFEN DURCHHALTEN MUT ZUVER-<br />

SICHT TENNIS SPIEL KOPF SCHLÄGER REAGIEREN MOMENT<br />

DORSOLATERALER<br />

PRÄFONTALER KORTEX<br />

REGELREPRÄSENTATION<br />

UND ANTWORTAUSWAHL<br />

INFERIORER FRONTALER GYRUS<br />

PRÄSUPPLEMENTÄRMOTORISCHER KORTEX<br />

ANTWORTHEMMUNG<br />

SUBTHALAMISCHER NUKLEUS<br />

VORDERER<br />

CINGULÄRER KORTEX<br />

ÜBERWACHUNG UND<br />

FEHLERERKENNUNG<br />

Gehirnaktivierung bei der Bearbeitung einer Stopp-Signal-Aufgabe zur Messung der Inhibition bzw. der Impulskontrolle. 11<br />

Seite 55


FLEXIBILITÄT<br />

SCHNELLES UMSCHALTEN<br />

KREATIVITÄT HANDLUNGSSCHNELLIGKEIT<br />

INTUITION<br />

WETTKAMPF NIEDERLAGE GEGNER AKTION ENTSCHEIDUNG SIEG<br />

REAKTION PASSEN DRIBBELN BOXER ABGE-<br />

BEN TORSCHUSS REAKTION SYSTEM AUFSTELLUNG HANDBALL<br />

SCHUSS KUGEL BALL WURF HOCKEY SCHLAG ENTSCHEIDEN<br />

WERFEN PASSEN SPORT BEWEGUNG UNANGEPASST ÜBERRA-<br />

SCHEND INFORMATIONEN GEHIRN BEWEGUNG EMOTION<br />

ABSCHALTEN UMDENKEN SCHLENZEN KÖPFEN SEHEN TOR<br />

ELFMETER ECKE PFIFF WECHSEL KONTER FIXIEREN SEHEN SEKUN-<br />

DEN JETZT LAUFEN DURCHHALTEN MUT ZUVERSICHT TENNIS<br />

SPIEL KOPF SCHLÄGER REAGIEREN MOMENT<br />

PRÄSUPPLEMENTÄRMOTORISCHER<br />

KORTEX<br />

ANTWORTHEMMUNG<br />

SUPPLEMENTÄRMOTORISCHER<br />

KORTEX<br />

VORBEREITUNG/PLANUNG UND<br />

INTERNE INITIIERUNG VON BEWEGUNG<br />

HINTERER CINGULÄRER KORTEX<br />

DORSOLATERALER<br />

PRÄFONTALER KORTEX<br />

ANPASSUNG DES VERHALTENS<br />

BEI UNERWARTETER VERÄNDERUNG<br />

REGELREPRÄSENTATION<br />

UND ANTWORTAUSWAHL<br />

VORDERER<br />

PRÄFRONTALER KORTEX<br />

HANDLUNGSPLANUNG BEI NICHT<br />

VORHERSEHBAREN BEDINGUNGEN,<br />

ENTSCHEIDUNGSPROZESSEN<br />

THALAMUS<br />

AUFMERKSAMKEITSKONTROLLE,<br />

VERBINDET SENSORISCHE<br />

INFOMRATIONEN AUS DEM<br />

KÖRPER MIT DEM KORTEX<br />

VORDERER<br />

CINGULÄRER KORTEX<br />

ÜBERWACHUNG UND<br />

FEHLERERKENNUNG<br />

Gehirnaktivierung bei der Bearbeitung einer Switch-Aufgabe zur Messung der kognitiven Flexibilität. 11<br />

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Seite 57


ENTWICKLUNGSGESCHICHTEN - TEIL 2<br />

PRÄFRONTALER KORTEX<br />

VOM EMBRYO ZUM SENIOR<br />

DAS GEHIRN BESTEHT AUS GESCHÄTZTEN 100 MILLIARDEN NERVENZELLEN, DEN NEURONEN.<br />

DAS SIND IN ETWA SO VIELE, WIE ES STERNE IN UNSERER GALAXIE GIBT.<br />

JEDES NEURON BESTEHT<br />

AUS EINEM ZELLKÖRPER<br />

MIT ZELLKERN, ZAHL-<br />

REICHEN VERZWEIGTEN<br />

DENDRITEN UND EINEM<br />

LANGEN AXON.<br />

Zellkörper<br />

Dendriten<br />

Synapsen<br />

NEURONE HABEN DIE FUNKTION, INFORMATIONEN ZU SPEICHERN, ZU VERARBEITEN UND AN ANDERE<br />

NEURONE WEITERZUGEBEN.<br />

ÜBER DAS AXON LEITET DAS NEURON INFORMATIONEN AN ANDERE NEURONE WEITER. DIE AXONE KÖN-<br />

NEN AN DEN DENDRITEN UND AM ZELLKÖRPER DER EMPFÄNGERNEURONE ANSETZEN UND INFORMATIO-<br />

NEN IN FORM VON ELEKTRISCHEN IMPULSEN (AKTIONSPOTENZIALE) ÜBERTRAGEN. DIE ÜBERTRAGUNG<br />

DER IMPULSE FINDET DANN AUF CHEMISCHEM WEG AN DEN SYNAPSEN STATT. 14<br />

Axon<br />

SYNAPSEN KÖNNEN DURCH IHREN GEBRAUCH WACHSEN, WODURCH SICH IHRE VERBINDUNG UND<br />

ÜBERTRAGUNG VERSTÄRKT. DAS IST DIE NEURONALE GRUNDLAGE VON LERNEN. WIE STARK ODER<br />

SCHWACH DIE SYNAPSENSTÄRKE IST, HÄNGT DAVON AB, WIE VIELE IMPULSE DIE SYNAPSE ZUVOR ER-<br />

REICHT HABEN. ES KOMMT DAMIT AUF UNSERE ERFAHRUNGEN UND BEIM SPORT INSBESONDERE AUF<br />

JEDE ÜBUNGS- ODER TRAININGSEINHEIT AN.<br />

SYNAPSEN, DIE NICHT MEHR BEANSPRUCHT WERDEN, BILDEN SICH WIEDER ZURÜCK.<br />

USE IT AND GET MORE OF IT!<br />

USE IT OR LOOSE IT!


DA JEDES NEURON MIT BIS ZU 10.000 ANDEREN NERVENZELLEN IN VERBINDUNG TRETEN KANN, ERGE-<br />

BEN SICH DARAUS ETWA 100 BILLIONEN SYNAPSEN. 14<br />

DIESE ANZAHL ENTSPRICHT, GERECHNET IN DOLLAR, DEM INFLATIONSBEREINIGTEN GESAMTWERT AL-<br />

LER WELTWEIT GEFERTIGTEN PRODUKTE DER LETZTEN TAUSEND JAHRE. 15<br />

DIE NEURONE DER GROSSHIRNRINDE (KORTEX) SIND<br />

IN 6 SCHICHTEN ANGEORDNET. DIESER AUFBAU IST<br />

BEREITS IM 7. MONAT DES FETUS ERKENNBAR. 16<br />

I<br />

II<br />

III<br />

IV<br />

V<br />

VI<br />

BEI DER GEBURT SIND DIE NEURONE<br />

DES KORTEX VON SÄUGLINGEN ALSO<br />

BEREITS VORHANDEN, IHRE DENDRI-<br />

TEN SIND JEDOCH NUR ANSATZWEI-<br />

SE AUSGEBILDET.<br />

UND AUCH DAS ZELLVOLUMEN IST<br />

KLEINER ALS BEI ERWACHSENEN.<br />

WEITERE FAKTOREN, DIE DIE GEHIRNENTWICKLUNG MASSGEBLICH BEEINFLUSSEN, HÄNGEN MIT DER<br />

SYNAPTISCHEN DICHTE, DER ZUNEHMENDEN MYELINISIERUNG UND DEN GESTEIGERTEN KONZENTRATIO-<br />

NEN VERSCHIEDENER BOTENSTOFFE IM GEHIRN ZUSAMMEN.<br />

DIE SYNAPTISCHE DICHTE NIMMT VOR DER GEBURT SCHNELL ZU. NACH DER GEBURT KOMMT ES SOGAR<br />

ZU EINER KURZZEITIGEN ÜBERPRODUKTION VON SYNAPSEN. DIESE BILDET SICH ABER ANSCHLIESSEND<br />

WIEDER ZURÜCK, BIS IM ALTER VON CA. 16 JAHREN DIE ANZAHL DER SYNAPSEN IM PRÄFRONTALEN KORTEX<br />

DER VON ERWACHSENEN ENTSPRICHT. FUNKTIONAL BETRACHTET IST DAS ABER KEIN VERLUST, DENN DER<br />

RÜCKGANG NICHT BEANSPRUCHTER SYNAPSEN ERMÖGLICHT EINE HÖHERE EFFIZIENZ DER INFORMATI-<br />

ONSVERARBEITUNG. 3<br />

ABER SELBST IM JUGENDALTER IST DIE ENTWICKLUNG DES PRÄFRONTALEN KORTEX IMMER NOCH NICHT<br />

ABGESCHLOSSEN. MAGNETRESONANZTOMOGRAFISCHE UNTERSUCHUNGEN ZEIGEN, DASS DIE ENT-<br />

WICKLUNG DES PRÄFRONTALEN KORTEX NICHT VOR DEM 30. LEBENSJAHR VOLLENDET IST. MAN VERMU-<br />

TET VIELMEHR, DASS SEINE ENTWICKLUNG WEIT LÄNGER ANDAUERT. 16<br />

5 Jahre 30 Jahre<br />

AUSMASS DER REIFUNG DER GROSSHIRNRINDE (ANSICHT VON OBEN): VON ROT (NOCH NICHT AUSGE-<br />

REIFT) ÜBER GELB, GRÜN, HELLBLAU ZU DUNKELBLAU (VOLLSTÄNDIG AUSGEREIFT). 3


IM JUNGEN ERWACHSENENALTER GEHT DIE REIFUNG KOGNITIVER FUNKTIO-<br />

NEN MIT EINER ZUNAHME AN WEISSER SUBSTANZ (MYELINISIERUNG) EINHER.<br />

WENN DIE AXONE DER NERVENZELLEN MIT EINER MYELINSCHICHT UMMANTELT<br />

SIND, KÖNNEN AKTIONSPOTENZIALE SCHNELLER WEITERGELEITET WERDEN.<br />

OHNE MYELINSCHICHT WERDEN DIE ELEKTRISCHEN IMPULSE MIT EINER GE-<br />

SCHWINDIGKEIT VON 3 M PRO SEKUNDE ÜBERTRAGEN. MYELINISIERTE AXONE<br />

LEITEN SIE DAGEGEN MIT BIS ZU 110 M PRO SEKUNDE WEITER. DIE ZUNEHMENDE<br />

MYELINISIERUNG UNTERSTÜTZT EBENFALLS DIE INFORMATIONSVERARBEITUNG<br />

IM GEHIRN UND BEWIRKT EINE VERBESSERUNG KOGNITIVER FUNKTIONEN. 14<br />

Axon<br />

Ranvier-<br />

Schnürring<br />

Myelinscheide<br />

DAS MYELIN UMSCHLIESST NICHT DAS GESAMTE AXON, SONDERN IST IN REGELMÄSSIGEN ABSTÄNDEN<br />

IMMER WIEDER UNTERBROCHEN (EINGESCHNÜRT). DER IMPULS (RECHTS) SPRINGT VON SCHNÜRRING ZU<br />

SCHNÜRRING UND ERMÖGLICHT SO EINE SCHNELLERE IMPULS- BZW. INFORMATIONSWEITERLEITUNG. 14<br />

DIE MYELINISIERUNG IST IN DEN SCHICHTEN 2 UND 3<br />

ALS LETZTES ABGESCHLOSSEN. DIE NEURONE DIESER<br />

SCHICHTEN SIND FÜR DIE ENTWICKLUNG KOGNITIVER<br />

FUNKTIONEN WICHTIG. 16<br />

I<br />

II<br />

III<br />

IV<br />

V<br />

VI


5 years 15 years 45 years 60 years 90 years<br />

DIE AXONE, DIE VOM PRÄFRONTA-<br />

LEN KORTEX IN ANDERE KORTI-<br />

KALE GEBIETE REICHEN UND DA-<br />

RÜBER AUFMERKSAMKEITS- UND<br />

KOGNITIVE KONTROLLPROZESSE<br />

BEEINFLUSSEN, ENTWICKELN SICH<br />

KONTINUIERLICH VON DER KIND-<br />

HEIT BIS ZU EINEM ALTER VON CA.<br />

45 JAHREN.<br />

ANSCHLIESSEND KOMMT ES ZU<br />

EINEM FORTSCHREITENDEN RÜCK-<br />

GANG DER MYELINISIERUNG IM<br />

WEITEREN LEBENSVERLAUF. 16<br />

NEUROTRANSMITTER WIE DOPAMIN, NORADRENALIN UND SEROTONIN SIND BEREITS ZUM ZEITPUNKT<br />

DER GEBURT IM PRÄFRONTALEN KORTEX NACHWEISBAR. IHRE HÖCHSTE KONZENTRATION ERREICHEN SIE<br />

ABER EBENFALLS ERST IM JUNGEN ERWACHSENENALTER. NORMALE ALTERUNGSPROZESSE WERDEN VON<br />

EINEM RÜCKGANG DER NEUROTRANSMITTERKONZENTRATIONEN UND KOGNITIVEN FÄHIGKEITEN BEGLEI-<br />

TET. FÜR DIE EXEKUTIVEN FUNKTIONEN SPIELT DER NEUROTRANSMITTER DOPAMIN EINE ZENTRALE ROL-<br />

LE. SEINE KONZENTRATION IST IM PRÄFRONTALEN KORTEX IN DER 3. SCHICHT AM HÖCHSTEN.<br />

DIE ENTWICKLUNG DES PRÄFRONTALEN KORTEX WIRD DURCH GENETISCHE FAKTOREN, ABER VOR AL-<br />

LEM AUCH DURCH DIE INTERAKTION DES ORGANISMUS MIT SEINER UMWELT BESTIMMT. KOGNITIVE WIE<br />

KÖRPERLICHE BEANSPRUCHUNGEN NEHMEN EINEN STARKEN EINFLUSS AUF DIE ENTWICKLUNG, AUF-<br />

RECHTERHALTUNG UND VERNETZUNG VON NEURONEN. DA JEDE KÖRPERLICHE BEANSPRUCHUNG AUCH<br />

EINEN KOGNITIVEN REIZ DARSTELLT, TRAGEN SPORT UND BEWEGUNG IM HOHEN MASSE DAZU BEI, NICHT<br />

NUR KÖRPERLICH, SONDERN AUCH GEISTIG FIT ZU WERDEN UND DIES MIT DEUTLICH ERHÖHTER WAHR-<br />

SCHEINLICHKEIT AUCH EIN LEBEN LANG ZU BLEIBEN.


NACHGEFRAGT: EINBLICKE IN DAS GEHIRN<br />

Grundlagenwissen – Gehirn<br />

• Wozu dient der Schädel?<br />

• Nennen Sie zwei bildgebende Verfahren, die zur Untersuchung von Aktivitäten des Gehirns eingesetzt<br />

werden.<br />

• Wie begründet man die gefaltete Struktur der Großhirnrinde?<br />

• Nennen Sie zwei Gehirnstrukturen, die unterhalb der Großhirnrinde liegen.<br />

• Nennen Sie zwei Funktionsbereiche des Kleinhirns.<br />

• Was versteht man unter Lateralisierung? Nennen Sie zwei Formen.<br />

Der präfrontale Kortex – Besonderheiten, Aufbau und Vernetzung<br />

• Nennen Sie zwei Besonderheiten des präfrontalen Kortex – eine hinsichtlich seiner Entwicklungsgeschichte<br />

und eine in Bezug auf seine Größenausdehnung.<br />

• Nennen Sie drei Bereiche, in die der präfrontale Kortex unterteilt werden kann.<br />

• Mit welchen subkortikalen Strukturen steht der präfrontale Kortex <strong>im</strong> Austausch? Nennen Sie drei Strukturen<br />

und deren wesentliche Funktionen.<br />

Verletzungen <strong>im</strong> präfrontalen Kortex<br />

• Nennen Sie drei Bereiche, auf die sich Schädigungen des präfrontalen Kortex auswirken können.<br />

• Beschreiben Sie typische und dabei gegensätzliche Symptome von Läsionen <strong>im</strong> präfrontalen Kortex.<br />

• Was versteht man unter einem dysexekutiven Syndrom?<br />

• Nennen Sie verschiedene Verhaltensweisen, an denen man ein dysexekutives Syndrom erkennen kann.<br />

MASTER-FRAGEN<br />

Exekutive Funktionen <strong>im</strong> Scanner<br />

• Das visuell-räumliche Arbeitsgedächtnis (gemessen mit einer Blockspannen-Aufgabe) unterstützt Athleten<br />

bei ihrer Entscheidungs- und Handlungsschnelligkeit. Welche Funktionen kommen dabei<br />

* dem dorsolateralen präfrontalen Kortex,<br />

* dem superior frontalen Kortex und<br />

* dem Nukleus caudatus zu?<br />

• Wenn es darum geht, auf dem Spielfeld eine motorische Aktion kurzfristig zu stoppen (gemessen mit einer<br />

Stopp-Signal-Aufgabe), sollten <strong>Sport</strong>lerinnen und <strong>Sport</strong>ler über eine gute inhibitorische Kontrolle verfügen.<br />

Welche Rolle spielen dabei<br />

* der dorsolaterale präfrontale Kortex,<br />

* der vordere cinguläre Kortex, und, <strong>im</strong> Zusammenspiel,<br />

* der superior frontale Kortex, der inferiore frontale Gyrus, der präsupplementärmotorische Kortex und<br />

der subthalamische Nukleus?<br />

• Insbesondere in den schnellen Mannschaftssportarten kommt es auf die Umstellungsfähigkeit, die kognitive<br />

Flexibilität, der <strong>Sport</strong>lerinnen und <strong>Sport</strong>ler an. Anhand einer Task-Switch-Aufgabe lässt sich diese Fähigkeit<br />

untersuchen. Welche Funktionen haben dabei<br />

* der dorsolaterale präfrontale Kortex,<br />

* der vordere präfrontale Kortex,<br />

* der vordere cinguläre Kortex,<br />

* der hintere cinguläre Kortex,<br />

* der präsupplementärmotorische Kortex,<br />

* der supplementärmotorische Kortex,<br />

* der hintere cinguläre Kortex und<br />

* der Thalamus?<br />

Seite 62


Von Olympia – nachts um 3 Uhr.<br />

Seite 63


IM INTERVIEW: DAMIR DUGANDZIC<br />

Damir Dugandzic, M.A. <strong>Sport</strong>wissenschaft, Fußball-Lehrer und Stützpunktkoordinator<br />

des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) in Karlsruhe. Von 2014-2016 Co-Trainer der DFB<br />

U15-Nationalmannschaft.<br />

«MAN MUSS NICHT ALLE GLEICH BEHANDELN, ABER MAN<br />

MUSS ALLE GERECHT BEHANDELN! DAS GILT BIS IN DEN<br />

PROFIBEREICH.»<br />

Sabine Kubesch: Wissenschaftliche Studien belegen<br />

die Bedeutsamkeit exekutiver Funktionen für Erfolge<br />

<strong>im</strong> Fußball bis in die obersten Leistungsbereiche.<br />

Dass Impulskontrolle und kognitive Flexibilität <strong>im</strong> Fußball gefordert sind,<br />

liegt auf der Hand. Weniger offensichtlich für den Trainer und die Spieler<br />

ist die Rolle des Arbeitsgedächtnisses.<br />

Damir Dugandzic: Ich hab mir diese Frage auch gestellt: Welche Rolle<br />

spielt das Arbeitsgedächtnis <strong>im</strong> Fußball? An einem s<strong>im</strong>plen Beispiel ist<br />

es mir bewusst geworden, und zwar bei Standardsituationen. In der Analyse<br />

fragt man sich: «Wieso steht der Gegenspieler frei? Wir haben doch<br />

vorher ganz klar zugeteilt.» Es gab Arbeitsaufträge, Wenn-dann-Situationen,<br />

wie ein Spieler in best<strong>im</strong>mten Situationen auf den Gegenspieler<br />

oder die gegnerische Mannschaft reagieren soll. Das funktioniert aber<br />

oft nicht, weil ein, zwei oder drei Personen den Auftrag oder die Aufgabe,<br />

die sie in der Situation hatten, nicht mehr parat haben – insbesondere<br />

in Stresssituationen. Wenn alles ruhig ist, man 3:0 führt und die<br />

Situation <strong>im</strong> Griff hat, dann funktioniert das Ganze. Aber es gibt oft<br />

Situationen gegen Ende des Spiels, wenn es Spitz auf Knopf steht und es<br />

vorher eine Aktion gab, die nicht glücklich lief, dann sind diese Handlungsanweisungen<br />

plötzlich weg. Bei der Zuteilung eines Gegenspielers<br />

in Standardsituationen ist es am augenscheinlichsten, weil da der Effekt<br />

am größten ist. Ein Gegentor ist passiert, und die Trainer fragen sich:<br />

«Wie konnte das passieren? Das war doch vorher ganz klar abgesprochen.»<br />

Das Arbeitsgedächtnis «versagt» also selbst dann, wenn Situationen und<br />

Abläufe vorher eindeutig abgesprochen wurden?<br />

Richtig. Die Spieler haben nicht mehr vor Augen, was abgesprochen wurde.<br />

Deshalb werden seit ein paar Jahren Matchbooks eingesetzt, mit denen<br />

die Spieler vor einer Einwechslung Instruktionen erhalten. In anderen<br />

<strong>Sport</strong>arten gibt es das schon wesentlich länger. Im American Football<br />

haben die Spieler Playbooks am Unterarm. Die kann man aufklappen. Darin<br />

stehen die Spielzüge. Der Trainer sagt nur noch: «Spielzug Fire, Storm<br />

oder Rock». Die Spieler können dann während des Spiels das Playbook<br />

aufklappen und haben so noch einmal vor Augen, wie der nächste Spielzug<br />

geht.<br />

Wäre das <strong>im</strong> Fußball auch erlaubt?<br />

Ich glaube, es gibt keine Regeln, die das aktuell verbieten würden.<br />

Aber <strong>im</strong> Football sind die Abläufe auch strukturierter; die Spielzüge<br />

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sind leichter zu standardisieren. Im Fußball sind die Freiheitsgrade<br />

einfach ein bisschen größer. Aber vom Ansatz her sind diese Playbooks<br />

nicht verkehrt.<br />

Was muss ein Fußballspieler vor Augen haben?<br />

Mit der Vororientierung informiert sich der Spieler über die Gesamtspielsituation,<br />

bevor er an den Ball kommt. Durch den Schulterblick<br />

sieht er, was hinter seinem Rücken passiert. Diese Informationen muss<br />

er aufrechterhalten. Als Spieler muss ich mich nun so freilaufen und<br />

anbieten, dass ich an den Ball komme, aber weiter die wahrgenommenen<br />

Informationen parat habe und ständig aktualisiere: «Wo ist mein direkter<br />

Gegenspieler, wo ist der nächste Gegenspieler, wo ist mein Mitspieler,<br />

welche Aktion wäre vermeintlich die nächste oder sogar die übernächste,<br />

weil davon meine eigene Handlung wieder abhängt?» Dazu braucht es<br />

das Arbeitsgedächtnis. Aber wenn es nicht funktioniert, ist es nicht so<br />

schl<strong>im</strong>m, weil die Folgen oftmals nicht so tragisch sind; es kommt «nur»<br />

zum Ballverlust.<br />

Und deshalb ist die Bedeutung des Arbeitsgedächtnisses in Standardsituationen<br />

zwar nicht relevanter, aber doch offensichtlicher?<br />

Genau. Also man hat eine ruhende Situation, man hat zwischendurch theoretisch<br />

noch mal Zeit, um zu reflektieren, sich der Aufgabe bewusst zu<br />

werden, und trotzdem funktioniert es häufig nicht.<br />

Du machst mit der Vororientierung auf eine weitere wichtige Funktion des<br />

Arbeitsgedächtnisses aufmerksam. Es geht ja nicht nur darum, die Aufgabe<br />

und die taktischen Anweisungen in der jeweiligen Situation vor Augen zu<br />

haben, was eine Funktion des Arbeitsgedächtnisses ist – Informationen aus<br />

dem Langzeitspeicher abzurufen –, sondern der Spieler muss die Anweisungen<br />

mit der jeweiligen Spielsituation abgleichen. Be<strong>im</strong> Arbeitsgedächtnis<br />

spricht man von der Fähigkeit,<br />

DAS IST EINE BESONDERHEIT DES<br />

FUSSBALLS, DASS ES UNHEIMLICH<br />

VIELE FREIHEITSGRADE GIBT. ICH ER-<br />

KLÄRE DEN SPIELERN, DASS SIE ZWEI<br />

SCHRITTE DENKEN MÜSSEN, UND<br />

ZWAR IN BEIDE RICHTUNGEN. DIE<br />

EIGENE AKTION BEGINNT NÄMLICH<br />

NICHT ERST, WENN ICH ANGESPIELT<br />

WERDEN KANN, SONDERN BEREITS<br />

EINE SITUATION VORHER.<br />

mit gespeicherten Informationen<br />

arbeiten zu können. Da ist<br />

ja <strong>im</strong>mer eine gewisse Transferleistung<br />

notwendig: Ich muss<br />

das, was ich an Trainerinformationen<br />

<strong>im</strong> Arbeitsgedächtnis<br />

aufrechterhalte, mit dem, was<br />

ich sehe und höre, abgleichen<br />

und aufgrund dieser Wahrnehmungen,<br />

meines Wissen und meiner<br />

fußballerischen Fähigkeiten<br />

die Entscheidung treffen.<br />

Das ist eine Besonderheit des Fußballs, dass es unhe<strong>im</strong>lich viele Freiheitsgrade<br />

gibt. Ich erkläre den Spielern, dass sie zwei Schritte denken<br />

müssen, und zwar in beide Richtungen. Die eigene Aktion beginnt nämlich<br />

nicht erst, wenn ich angespielt werden kann, sondern bereits eine Situation<br />

vorher. Ich spiele meinen Ball nicht nur von A nach B, sondern<br />

ich muss überlegen, welche Intention B verfolgen wird, um selbst wieder<br />

in Aktion treten zu können. Und dann merkt man, dass es unhe<strong>im</strong>lich vie-<br />

Seite 65


le Möglichkeiten gibt – auch von der Spielfortsetzung her. Der Spieler<br />

muss in der Lage sein, in kurzer Zeit für sich die beste Entscheidung<br />

zu treffen und diese dann auch umzusetzen. Als Trainer versucht man eigentlich<br />

nur, was heißt «nur», zu harmonisieren in dem Sinne, dass die<br />

Spieler zu einer ähnlichen Entscheidung kommen und diese dann gemeinsam<br />

schnell umsetzen können. Am Ende kommt dann so etwas wie ein flüssiges<br />

Kombinationsspiel heraus.<br />

Bei Entscheidungsprozessen ist erneut das Arbeitsgedächtnis gefordert. Das<br />

wird in bildgebenden Studien sichtbar. Ganz gleich, ob bei einer Inhibitions-,<br />

Flexibilitäts- oder Arbeitsgedächtnisaufgabe. Zum Zeitpunkt der<br />

Entscheidung ist der dorsolaterale präfrontale Kortex aktiv – die Gehirnstruktur,<br />

die dem Arbeitsgedächtnis zugordnet wird. Das Arbeitsgedächtnis<br />

korreliert mit dem Lernerfolg und wird in Intelligenztests erhoben. Im Fußball<br />

und anderen Mannschaftssportarten spricht man von Spielintelligenz.<br />

Was zeichnet einen Spieler mit hoher Spielintelligenz aus?<br />

Wenn man einem Spieler eine hohe Spielintelligenz zuschreibt, fragt man<br />

sich als Trainer: «Worauf basiert das Ganze? Warum ist diese Entscheidung<br />

gerade so gut? Wie kommt er in die Situation, eine gute Entscheidung<br />

treffen zu können?» Man sagt dann: «Er ist vororientiert, oder er<br />

steht einfach schon super, hat ein tolles Stellungsspiel, aber warum?»<br />

Dazu gehören die Antizipation und dass der Spieler frühzeitig in beide<br />

Richtungen einen Schritt weiterdenken kann, wozu er das Arbeitsgedächtnis<br />

einsetzt.<br />

Im Training des Arbeitsgedächtnisses sehe ich ein hohes Potenzial, die<br />

sportliche Leistungsfähigkeit zu opt<strong>im</strong>ieren, und zwar gerade in <strong>Sport</strong>arten,<br />

in denen die Athleten viele Entscheidungen treffen müssen. Aber was<br />

zeigen die aktuellen Daten? Leistungssportlich trainierende Fußballspieler<br />

sind breitensportlich trainierenden in der Inhibition und in der kognitiven<br />

Flexibilität überlegen. Sie unterscheiden sich aber nicht oder kaum in<br />

ihrer Arbeitsgedächtnisleistung. Das ist aber nicht verwunderlich, denn das<br />

Arbeitsgedächtnis wird <strong>im</strong> Training nicht so trainiert und beansprucht, wie<br />

es trainiert werden sollte, um in der Arbeitsgedächtnisleistung tatsächlich<br />

eine Leistungssteigerung zu erzielen. Hier sollten die Erkenntnisse<br />

aus der kognitiven Neurowissenschaft zum Training des Arbeitsgedächtnisses<br />

stärker berücksichtigt werden.<br />

Was ich nicht weiß, ist, ob es <strong>im</strong> Bereich des Arbeitsgedächtnisses<br />

spezifische Leistungen sind oder ob es sich um generelle Leistungen<br />

handelt. Also, ob es sich um eine sportartspezifische oder besser kontextspezifische<br />

Arbeitsgedächtnisleistung handelt. In den Studien wurde<br />

das Arbeitsgedächtnis ja in allgemeiner Form gemessen.<br />

Man hat gängige und bewährte Testverfahren zur Messung des Arbeitsgedächtnisses<br />

teilweise in Kombination mit anderen exekutiven Funktionen wie der<br />

Inhibition und der kognitiven Flexibilität eingesetzt, um prüfen zu können,<br />

ob exekutive Funktionen, die in allgemeiner Form, also kontextunabhängig,<br />

erfasst wurden, mit der Leistungsfähigkeit <strong>im</strong> Fußball korrelieren.<br />

Und es hat sich gezeigt, was wir aus Studien zum Lernerfolg schon länger<br />

wissen: Exekutive Funktionen korrelieren sowohl mit der Lernleistung als<br />

auch mit der Leistungsfähigkeit <strong>im</strong> Fußball. Exekutive Funktionen prognos-<br />

Seite 66


tizieren sogar Lernleistungen wie auch Erfolge in der Torvorbereitung und<br />

<strong>im</strong> Torabschluss – und dies über Jahre.<br />

Gleichzeitig wissen wir, dass es in begrenzter Form Transfereffekte gibt.<br />

Trainiere ich das Arbeitsgedächtnis, kommt es zu einer Verbesserung der<br />

Aufmerksamkeitsleistung und von schulischen Leistungen. Setzt man sein<br />

Arbeitsgedächtnis unter körperlicher Belastung ein, sollte es idealerweise<br />

unter körperlicher Belastung trainiert werden; das zeigen erste Daten.<br />

Be<strong>im</strong> Training exekutiver Funktionen gilt: Je alltagsnäher und komplexer<br />

man sie trainiert oder, anders ausgedrückt, je weniger Transfer notwendig<br />

ist, desto stärker sind die Trainingseffekte.<br />

Mit einem Training des Arbeitsgedächtnisses, der Inhibition und der kognitiven<br />

Flexibilität trainiert man den präfrontalen Kortex. Der präfrontale<br />

Kortex steuert diese höchsten kognitiven Funktionen. Damit ist er am<br />

Planen, am Entscheiden und an der zielorientierten Verhaltens- und Aufmerksamkeitssteuerung<br />

beteiligt. Der präfrontale Kortex ist <strong>im</strong> Grunde der<br />

„Muskel“ <strong>im</strong> Kopf, der diese Fähigkeiten, Funktionen und Prozesse steuert<br />

und koordiniert, die nicht nur, aber auch für den Fußball relevant sind.<br />

Diesen Muskel sollte ein Fußballspieler ebenso selbstverständlich trainieren,<br />

wie er auch seine Bauchmuskulatur, z.B. mit Situps, trainiert, obwohl<br />

er diese Übung zu keinem Zeitpunkt <strong>im</strong> Spiel ausführen muss.<br />

Das Beispiel mit der Kraft und den Situps ist eigentlich nicht schlecht.<br />

Ähnlich ist es mit der Grundlagenausdauer, die brauche ich für alle<br />

<strong>Sport</strong>arten, aber es gibt auch eine sportartspezifische Ausdauer, und die<br />

unterscheidet sich <strong>im</strong> Handball von der <strong>im</strong> Fußball oder <strong>im</strong> Radfahren. Du<br />

hast Spieler, da ist es tatsächlich so, dass zwischen speziellen oder<br />

spezifischen Fähigkeiten und generellen Fähigkeiten eine hohe Korrelation<br />

besteht. Aber es gibt auch den umgekehrten Fall, bei dem du denkst:<br />

«Allgemein nicht so gut ausgebildet, aber spezifisch top! Er ist <strong>im</strong> Fußball<br />

sehr aufmerksam, kann sich viel merken und Handlungen analysieren,<br />

aber <strong>im</strong> schulischen Bereich nicht.»<br />

Wir wissen, dass die Effekte eines Arbeitsgedächtnistrainings von individuellen<br />

Faktoren wesentlich best<strong>im</strong>mt werden. Dazu zählen Motivation, Temperament<br />

und in diesem Zusammenhang auch die Selbstregulationsfähigkeit.<br />

Ein Arbeitsgedächtnistraining ist kognitiv sehr herausfordernd. Wer sich<br />

dazu nicht motivieren kann, wird auch vom Arbeitsgedächtnistraining nicht<br />

profitieren, ganz gleich, wie oft er daran teiln<strong>im</strong>mt. Er wird nicht die<br />

nötige Motivation und Aufmerksamkeit dazu aufbringen. Und ohne Motivation<br />

und Aufmerksamkeit bekommst du nichts ins Arbeitsgedächtnis. Deshalb ist<br />

es für mich kein Widerspruch, wenn ein Spieler <strong>im</strong> Training sehr fokussiert<br />

ist, eine hohe Aufmerksamkeitsleistung zeigt, aber in der Schule zum Beispiel<br />

viele Flüchtigkeitsfehler macht.<br />

Ganz unabhängig davon sind<br />

die Spielsportarten stark<br />

entscheidungsgeprägt. Entscheidungen<br />

spielen sich zentral<br />

ab, werden nur peripher<br />

ENTSCHEIDUNGEN SPIELEN SICH<br />

ZENTRAL AB, WERDEN NUR PERIPHER<br />

AUSGEFÜHRT. DESWEGEN MUSS ICH<br />

IN DER «BIRNE» FIT SEIN.<br />

ausgeführt. Deswegen muss ich in der «Birne» fit sein. Wir versuchen<br />

von der Reihenfolge her zunächst zu schauen und zu trainieren: Werden<br />

die richtigen Entscheidungen getroffen? Dann kommt es darauf an, die<br />

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ichtige Entscheidung a) schnell zu treffen und b) schnell umzusetzen.<br />

Leider ist es in der Realität aber oftmals umgekehrt: Man schaut, dass<br />

a) jemand athletisch und b) kognitiv schnell ist. Später wird dann trainiert,<br />

dass das dann auch noch richtig ist, was der Spieler macht. Aber<br />

ich glaube, das funktioniert nicht oder nur schlecht.<br />

Kannst du ein, zwei Situationen beschreiben, die deutlich machen, wie viele<br />

Entscheidungen ein Spieler manchmal zu treffen hat?<br />

Nehmen wir den Abstoß des Torwarts. Der Torwart legt sich den Ball zum<br />

Abstoß hin, also er bringt den Ball fliegend ins Spiel. Das ist dann<br />

die sogenannte Spieleröffnung. Rein faktisch gibt es 14 verschiedene<br />

Möglichkeiten, wie ich das Spiel eröffnen kann. Und dann muss die Mannschaft<br />

oder auch der jeweilige Spieler in der Lage sein zu erkennen,<br />

welche von diesen 14 Möglichkeiten aufgrund der Formation des Gegners<br />

überhaupt aktuell ist. Wie hoch stehen sie? Versuchen sie ein Angriffspressing?<br />

Sind sie ganz nah in der eigenen Hälfte, oder ziehen sie sich<br />

zurück und man hat genügend Zeit? In welcher Formation stehen sie? Haben<br />

sie vorne einen, zwei, drei Spieler? Stellen sie zu, das heißt, sind sie<br />

direkt zugeordnet, oder lassen sie einen Spieler frei und wollen uns<br />

wohin locken? Also welche Taktik hat der Gegner, und wie reagiert die<br />

Gegentaktik darauf? Und das ist eine ruhende Situation, es ist noch kein<br />

Ball gespielt, und ich habe noch Zeit, mir zu überlegen, was ich mache.<br />

Dann muss ich nicht nur selbst die Entscheidung treffen, sondern muss<br />

noch erkennen, welche Entscheidungen haben denn meine Mitspieler getroffen?<br />

Also theoretisch kann ich als Torwart eine Idee haben, wie ich<br />

das Spiel eröffnen will, aber mein Innenverteidiger hat eine ganz andere.<br />

Ich will kurz rausspielen, aber er bewegt sich schon ins Mittelfeld<br />

und erwartet den langen Ball. Also müssen wir jetzt noch sehen, wie wir<br />

gemeinsam eine Lösung finden oder gemeinsam eine Entscheidung treffen<br />

und das ohne abgesprochene Zeichen. Es gibt irgendwann ein Zeichen, wenn<br />

man nämlich keine Lösung gefunden hat oder sie unterschiedlich ist. Der<br />

Tormann winkt und sagt dann: «Geh nach vorne oder biete dich kurz an!»<br />

Es gibt tatsächlich einen ganzen Strauß an Möglichkeiten, wie die Situation<br />

richtig eingeleitet werden könnte. Dann muss man sich überlegen,<br />

wie grenze ich das Ganze ein <strong>im</strong> Sinne von, was für Spielmöglichkeiten<br />

erlaubt mir denn der Gegner durch sein taktisches Verhalten? So fällt<br />

schon mal ein Teil der Möglichkeiten heraus. Und, ich muss mich fragen,<br />

welche Entscheidungen haben meine Mitspieler getroffen? So bleiben noch<br />

wenige, ein, zwei oder drei Abstoßmöglichkeiten übrig, unter denen ich<br />

mich für eine entscheide.<br />

Zusätzlich muss ich doch sicher noch Entscheidungen zur technischen Ausführung<br />

treffen?<br />

Ja, und vielleicht gibt es vom Trainer noch eine ganz andere Anweisung.<br />

Hier muss ich dann abwägen: Ist die Idee des Trainers passend<br />

für die Situation oder nicht? Oder der Trainer hat uns auf den Gegner<br />

eingestellt, der tritt aber plötzlich ganz anders auf. Das ist <strong>im</strong>mer<br />

ein Wechselspiel. Es gibt dann auch noch spezifische Momente. Also beispielsweise<br />

die Frage: Ist das der Anfang des Spiels, und ich kann erst<br />

mal ruhig beginnen, oder ist es die Endsituation des Spiels, wir sind <strong>im</strong><br />

Rückstand, müssen schnell spielen und noch ein Tor schießen? Also die<br />

Seite 68


Situation, die spezifische, die bedingt dann auch mal andere Entscheidungsmöglichkeiten.<br />

Es ist unhe<strong>im</strong>lich komplex.<br />

Und wie sieht es bei den Feldspielern und deren Entscheidungsmöglichkeiten<br />

aus?<br />

Du hast zum Beispiel einen Ballbesitz am Flügel. Der ballführende Spieler<br />

entscheidet sich für ein Dribbling, eins gegen eins, und zieht nach<br />

innen. Jetzt gibt es in der Situation ganz unterschiedliche Spielfortsetzungsmöglichkeiten.<br />

Die einfachste wäre, er schießt aufs Tor, aus 20<br />

Metern. Aber auch nur, wenn er denkt, die Möglichkeit besteht, weil er<br />

den Ball in Richtung Tor spielen kann. Die zweite Möglichkeit ist, er<br />

versucht einen Mitspieler in eine Aktion zu bringen. Und dann hat man<br />

ganz oft Läufe in die Tiefe, <strong>im</strong> Rücken des Gegenspielers, und versucht,<br />

den Ball durch ein Passfenster durchzuspielen. Die sind aber <strong>im</strong>mer nur<br />

kurz offen, weil der Gegner sich dynamisch verhält und nicht statisch<br />

in seiner Position verharrt. Durch seine Bewegungen ist mal eine Lücke<br />

da, schließt sich aber wieder, eine Lücke geht auf, eine Lücke geht zu.<br />

Wichtig ist dann das T<strong>im</strong>ing. Mein Mitspieler läuft, aber die Lücke ist<br />

zu, ich kann nicht spielen, danach steht er vielleicht <strong>im</strong> Abseits. So<br />

hat man zwei/drei Spieler und theoretisch vier/fünf Möglichkeiten und<br />

Spielfortsetzungen, aber die sind <strong>im</strong>mer nur ganz kurz für Zehntelsekunden<br />

möglich. Und danach hat man einen dynamischen Prozess, es gibt<br />

wieder eine neue Spielsituation, in der es drei/vier Möglichkeiten gibt.<br />

Nach einer halben Sekunde ändert sich das Spiel wieder in seiner Dynamik,<br />

und neue Möglichkeiten tun sich auf. Und plötzlich gibt es keine<br />

Möglichkeit mehr, weil ich den Zeitpunkt verpasst habe und weil der<br />

Gegenspieler auch reagiert hat, und der ist jetzt so nah, dass ich das<br />

Spiel gar nicht mehr nach vorne fortsetzen kann, sondern dass ich den<br />

Ball sichern und versuchen muss, meinen Körper zwischen Gegenspieler und<br />

Ball zu bringen, ohne dass ich den Ball verliere.<br />

Wie komplex! Und wie trainiert man das?<br />

Tatsächlich versucht man, Spielsituationen nachzustellen und das auch<br />

wieder so komplex wie möglich. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, zum<br />

Beispiel durch Start-Stopp (Filmverweis: Handball 9), man friert ein und<br />

sagt: «Stopp! Welche Möglichkeiten hätten wir in der Situation gerade<br />

gehabt? Oder welche Möglichkeiten erkennst du jetzt? Wie könnten wir<br />

das Spiel fortsetzen?» Anschließend wird die Situation <strong>im</strong> Zeitlupentempo<br />

nach- und durchgespielt. Oder der Trainer friert eine Spielsituation<br />

ein und fragt: «Ok, wir haben jetzt die Situation, wie hätte man die<br />

Situation anders lösen können?» Oder: «Es war besonders gut gelöst, ich<br />

möchte dir nur zeigen warum und wie du das <strong>im</strong> Prinzip auch auf andere<br />

Situationen anwenden kannst.» Und man lässt gerne durchspielen und macht<br />

die Konsequenz der Handlung klar. Die Entscheidung, die getroffen wurde,<br />

war falsch, und das ist die Konsequenz, die daraus erfolgt, und das ist<br />

das Ergebnis. Man kann das natürlich auch <strong>im</strong> Nachgang per Videoanalyse<br />

machen und gemeinsam überlegen, was wären die Möglichkeiten gewesen,<br />

oder warum war die Situation erfolgreich, warum hat das geklappt? Und<br />

man kann diese Situation auf andere Bereiche übertragen, damit man das<br />

Muster und das Prinzip erkennt und versteht.<br />

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Erinnern sich die Spieler <strong>im</strong> Nachgang an diese Situationen, und haben sie<br />

ihre Fehler bewusst wahrgenommen?<br />

Da unterscheiden sich die Spieler tatsächlich. Einige können die Situationen<br />

wiedererkennen und sagen: «Da hab ich eine Entscheidung getroffen,<br />

die würd ich jetzt anders treffen.» Und andere sagen: «War doch<br />

alles gut!»<br />

Man erkennt auch Unterschiede in der Bereitschaft, analysieren zu wollen.<br />

Es gibt Spieler, die kommen und sagen: «Können wir uns nachher noch<br />

zusammensetzen und das gemeinsam angucken?» Die schaffen den Übertrag<br />

und andersherum: Wenn du «den Hund zum Jagen tragen» musst, dann wird<br />

es schwer. Und du musst differenzieren, wie viele Informationen du weitergibst.<br />

Einigen kannst du einfach mehr sagen, weil sie mehr wissen<br />

wollen. Ein anderer hat ein geringeres Interesse, und dem gibst du auch<br />

weniger Informationen, weil mit mehr macht er zu.<br />

Wie ist es, wenn eine falsche Entscheidung getroffen wurde, die aber erfolgreich<br />

war? Wie geht man damit als Trainer um?<br />

ABER MAN SOLLTE CHRONOLOGISCH<br />

VORGEHEN: WAR DIE ENTSCHEIDUNG,<br />

DIE GETROFFEN WURDE, RICHTIG<br />

ODER NICHT, UNABHÄNGIG DAVON,<br />

OB AM ENDE DOCH WAS POSITIVES<br />

DABEI RAUSKAM.<br />

Aus Trainersicht schaut man in der Regel<br />

von hinten. Wenn es erfolgreich<br />

war, dann war’s gut. Wenn er ein Tor<br />

geschossen hat, dann hat er die richtige<br />

Entscheidung getroffen. Der Zweck<br />

heiligt also die Mittel. Wenn das Ergebnis<br />

gut ist, dann war das richtig,<br />

was vorher gemacht wurde. Aber man sollte chronologisch vorgehen: War<br />

die Entscheidung, die getroffen wurde, richtig oder nicht, unabhängig<br />

davon, ob am Ende doch was Positives dabei rauskam.<br />

Gibt es <strong>im</strong> Fußball auch unbewusste Entscheidungen?<br />

Ich glaube, es gibt so gut wie keine unbewussten Handlungen. Also, wenn<br />

ich als Trainer Wert darauf lege, dass meine Spieler nur unbewusste<br />

Handlungen machen, dann werde ich keine Mannschaft trainieren können,<br />

sondern in irgendeiner Form müssen es schon bewusste Handlungen sein,<br />

weil ich versuche, die Handlungen aufeinander abzust<strong>im</strong>men. Deswegen<br />

sind es in der Regel bewusste Handlungen. Vielleicht muss man hier stärker<br />

differenzieren zwischen wissend/unwissend und bewusst/unbewusst. Es<br />

gibt unbewusste Handlungen, die auf einem Wissen fußen. Es kann aber<br />

nicht die Absicht in einer Mannschaftssportart sein, unbewusstes Handeln<br />

ohne wissenden Hintergrund zu trainieren.<br />

Welche Rolle spielt die Inhibition und damit die Impulskontrolle und die<br />

fokussierte Aufmerksamkeit?<br />

Auf dem Fußballplatz sieht man das in Torabschlusssituationen, wenn<br />

sich ein Spieler entschieden hat und sich darauf fokussiert, selbst die<br />

Situation durch den Torabschluss zu lösen und alle anderen Möglichkeiten<br />

ausblendet, oder wenn sich jemand verzettelt. Dann ist der Abspielzeitpunkt<br />

verzögert, weil er zu lange überlegt, mach ich es selbst oder<br />

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spiel ich ab. Und plötzlich ist die Situation vorbei, ist der Zeitpunkt<br />

überschritten, in der eine Situation erfolgreich gewesen wäre. Oder ein<br />

Spieler macht einen technischen Fehler, und dann fragst du dich, warum?<br />

Der Spieler sagt: «Ich konnte mich nicht entscheiden, ich hab mir überlegt,<br />

soll ich passen, soll ich spielen, passen oder spielen?» und macht<br />

dann ein Mittelding. Oder er macht ein oder zwei Kontakte und es kommen<br />

so anderthalb raus, und der Ball springt zu weit weg. Dann leidet die<br />

technische Ausführung, weil er zwischen zwei Entscheidungen schwankt.<br />

Spieler, die es erfolgreich können, sagen dann manchmal: «Den Mitspieler<br />

und freien Nebenmann habe ich gar nicht gesehen. Der war am Anfang da,<br />

aber dann war er weg, und dann hab ich das Ganze so ausgeblendet und war<br />

nur noch auf diese Situation fokussiert.»<br />

Und dann ist man auch wieder <strong>im</strong> Spagat als Trainer und sagt: «Ok, ich<br />

möchte, dass er so lange wie möglich eigentlich alles <strong>im</strong> Blick hat,<br />

alle Optionen. Wie kann er den besser postierten Spieler übersehen?»<br />

Aber gleichzeitig, um eine Sache erfolgreich zum Abschluss zu bringen,<br />

muss er auch die Fähigkeit haben, das Andere auszublenden. Man versucht<br />

dann nur, am Zeitpunkt zu arbeiten, denn wenn er auf den Gegenspieler<br />

zudribbelt, ist er irgendwann so nah drauf, dass er keine Option mehr<br />

hat. Durch diese Dynamik <strong>im</strong> Fußball hängen die exekutiven Funktionen eng<br />

miteinander zusammen. Wir wollen ja auch die Flexibilität drin haben. Er<br />

fokussiert sich auf die Aufgabe, und plötzlich gibt es eine Situation<br />

oder einen kleinen Faktor, der sich verändert, und dann müsste er wieder<br />

umschwenken und einen zweiten Lösungsweg einschlagen können. Es ist ein<br />

fließender Prozess mit parallelen Abläufen.<br />

Tatsächlich beeinflussen sich die exekutiven Funktionen wechselseitig. Sie<br />

stehen in einem engen Zusammenhang und beeinflussen so vielfältige Kompetenzen<br />

auch <strong>im</strong> Fußball. Ein besseres Arbeitsgedächtnis unterstützt den<br />

Spieler dabei, nicht nur die Traineranweisung in der jeweiligen Situation<br />

parat zu haben, sondern auch zu erkennen, wann eine Spielsituation es erfordert,<br />

gegen die Anweisung des Trainers zu handeln. Auch hierzu liegen<br />

Studienergebnisse vor.<br />

Das ist ein riesiger Entwicklungsschritt innerhalb einer Spielerkarriere.<br />

Nämlich es zu schaffen, das Wissen situativ anwenden zu können. Es<br />

kommt vor, dass man als Trainer eine Anweisung gibt und diese wird eins<br />

zu eins umgesetzt, unabhängig von der Spielsituation. Der Spieler muss<br />

aber erkennen, dass das jetzt nicht passt. Er muss in der Lage sein,<br />

Informationen, die vorher gegeben wurden, zu ignorieren und zu sagen:<br />

generell richtig, aber nicht in dieser Situation. Das ist ein großer<br />

Schritt. Beziehungsweise, das unterscheidet tatsächlich gute von sehr<br />

guten Spielern.<br />

Viele junge Spieler versuchen, es für den Trainer bestmöglich zu machen.<br />

Eltern haben da eine wichtige Funktion. Man sieht bei jungen Spielern<br />

häufig, dass sie nach einer Aktion rausschauen, an den Spielfeldrand,<br />

und gucken, ob die Bestätigung von außen kommt, das war jetzt gut,<br />

schlecht oder richtig oder falsch. Und es ist einfach so, dass es die<br />

Eltern nicht beurteilen können, manche Trainer vielleicht auch nicht,<br />

also von der fachlichen Seite, weil sie die Spielerperspektive nicht<br />

hatten. Die sehen das aus einem komplett anderen Blickwinkel, und was<br />

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sie erkennen, kann der Spieler nicht erkennen und umgekehrt. Deswegen<br />

sind viele Anweisungen nicht hilfreich, weil es überhaupt nicht matcht.<br />

Das muss man dem Spieler klarmachen, dass es eigentlich nichts bringt<br />

rauszugucken, weil die Entscheidung dort nicht getroffen werden kann.<br />

Wenn ich an meine eigene Karriere zurückdenke, ich hab das nicht wahrgenommen.<br />

Keine einzelnen Reaktionen, nur die Grundst<strong>im</strong>mung, Unzufriedenheit<br />

oder hohe Zufriedenheit. Das berichten viele. Wir machen das auch<br />

unseren Trainern klar: «Eure Anweisungen sind nicht irrelevant, aber die<br />

werden während eines Spiels kaum wahrgenommen, nur in den Pausen, bei<br />

Auswechslungen oder Systemumstellungen.» Als Trainer siehst du <strong>im</strong> Spiel<br />

nur, was du mit den Spielern <strong>im</strong> Training erarbeitet hast. Du siehst <strong>im</strong><br />

Spiel nicht, was du plötzlich neu einbringen willst, das funktioniert<br />

nicht, weil die Spieler tatsächlich voll auf das Spiel fokussiert sind<br />

und deine Instruktionen nicht wahrnehmen. Aber was sie merken, ist, ob<br />

du gut oder schlecht drauf bist, ob du positiv oder negativ gest<strong>im</strong>mt<br />

bist, ob du verärgert bist oder nicht verärgert, durch den Ton, durch<br />

die St<strong>im</strong>mlage, durch Handzeichen, durch Abwinken, das n<strong>im</strong>mst du wahr<br />

als Spieler und du bemerkst, da st<strong>im</strong>mt was nicht. Der ist unzufrieden.<br />

Mehr nicht, weil die Situation dich so stark einn<strong>im</strong>mt, sie so komplex<br />

ist. Das ist tatsächlich eine Multitasking-Aufgabe, die nicht funktioniert.<br />

Ich kann mich nicht auf den Gegenspieler konzentrieren und auf<br />

den Ball, und dann kommt noch der Trainer und sagt: «Geh nach links!»<br />

Und der Vater ruft: «Geh nach rechts!» und der Mitspieler sagt wieder<br />

etwas anderes.<br />

Die Spielsituation ist also schon so komplex, dass da keine kognitive<br />

Kapazität da ist, die Aufmerksamkeit auch noch auf die Kommentare und<br />

Anweisungen von außen zu lenken?<br />

Als Trainer muss man überlegen, wann man die Anweisung gibt. Nach Möglichkeit<br />

in der Spielpause oder an Spieler, die nicht beteiligt sind.<br />

Du erwartest, dass alle Spieler auf die Situation fokussiert sind. Es<br />

gibt ein einfaches Prinzip: «Verhalte dich so, dass du entweder anspielbar<br />

bist oder Zugriff auf den Gegenspieler hast!» Bei einem Ballverlust<br />

kannst du schnellstmöglich wieder versuchen, den Ball zu erobern und bei<br />

eigenem Ballbesitz gut anspielbar zu sein. Und dadurch ist der Spieler<br />

eigentlich die ganze Zeit erstens fokussiert und zweitens in Bewegung.<br />

Es bleibt wenig Zeit und Raum, um andere Dinge wahrzunehmen. Du greifst<br />

dann eigentlich nur zurück auf die Sachen, die du <strong>im</strong> Training, in Wiederholungen<br />

<strong>im</strong>mer wieder erarbeitet hast.<br />

Siehst du einen Unterschied hinsichtlich der Bedeutsamkeit exekutiver<br />

Funktionen <strong>im</strong> Breiten- und <strong>im</strong> Leistungssport?<br />

Ich sehe da keinen Unterschied. Vor Jahren gab es eine Kampagne, die<br />

hieß: «Fußball ist mehr als ein 1:0.» Ich glaube, dass man durch das<br />

Training exekutiver Funktionen einen viel größeren Übertrag auf das gesamte<br />

Verhalten, auf die Persönlichkeit hat, nicht nur in der <strong>Sport</strong>art<br />

selbst. Deswegen spielt der Leistungsbereich keine Rolle. Die Frage ist<br />

vielmehr, wie ich das trainiere, mit welcher Intensität, Häufigkeit und<br />

Dauer.<br />

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Ich denke, es ist ein Talentmerkmal, wie stark die Ausprägung in den<br />

exekutiven Funktionen ist. Das zeigen inzwischen auch Studien. Im Leistungssportbereich<br />

gibt es Spieler, die haben bessere exekutive Funktionen<br />

als andere. Gleichzeitig ist es <strong>im</strong> Breitensport ein wichtiger<br />

Ansatz, weil dann auch der<br />

Übertrag in andere Bereiche<br />

machbar ist. Nicht nur <strong>im</strong><br />

<strong>Sport</strong>, sondern auch in der<br />

Schule und <strong>im</strong> Verhalten außerhalb<br />

der Schule.<br />

ICH GLAUBE, DASS MAN DURCH DAS<br />

TRAINING EXEKUTIVER FUNKTIONEN<br />

EINEN VIEL GRÖSSEREN ÜBERTRAG<br />

AUF DAS GESAMTE VERHALTEN, AUF<br />

DIE PERSÖNLICHKEIT HAT, NICHT NUR<br />

IN DER SPORTART SELBST.<br />

Exekutive Funktionen sind<br />

auch ein wichtiger Prädiktor<br />

für die Frage, ob jemand <strong>im</strong> <strong>Sport</strong> den Übergang vom Junior- in den Seniorbereich<br />

schafft, also vom Amateur- in den Profibereich. Im Fußball ist<br />

dieser Flaschenhals sehr eng. Die Zahlen und die Übergangswahrscheinlichkeit<br />

sind sehr gering. Wenn ein Bundesligist eine U19-Mannschaft hat<br />

und es schafft, dass ein Spieler in den Profikader aufrückt, ist es gut.<br />

Wenn es zwei sind aus diesen 25er-Kadern, sagt man: «Das ist super!»<br />

Also die Übergangsrate ist äußerst gering. Und man fragt sich <strong>im</strong>mer:<br />

«Wer sind diejenigen, die das schaffen?» Und ohne tatsächlich genaue Daten<br />

zu haben, es sind oft die Spieler, die enorme Willensstärken haben,<br />

ein ganz hohes Maß an Eigenmotivation und Frustrationstoleranz, nicht<br />

die talentiertesten <strong>im</strong> Sinne von: «Wow, was der technisch alles kann!»,<br />

sondern die, die Extraschichten einlegen, die bereit sind, über die Maßen<br />

hinaus an sich zu arbeiten, zu trainieren, die mit Rückschlägen sehr<br />

gut umgehen können, sei es mit Verletzungen, aber auch, wenn der Trainer<br />

sie nicht aufstellt. Die sagen: «Ok, ich sitz auf der Bank, aber nicht<br />

lange, denn ich werde es ihm zeigen, dass ich besser bin!» Ein anderer<br />

ist unzufrieden und wechselt den Verein. Und dann passiert das Gleiche<br />

dort auch, und du wunderst dich, weshalb ein 18-jähriger Spieler schon<br />

in sieben Vereinen gespielt hat.<br />

Damit man sich zielführend regulieren kann, muss man sich zuerst seines<br />

Verhaltens bewusst werden.<br />

Es gibt Spieler, denen musst du erklären, warum? Die wollen tatsächlich<br />

wissen, warum etwas funktioniert oder nicht funktioniert, und können<br />

auch nur auf Grundlage dieser Information ihre eigene Handlung steuern.<br />

Andere Spieler, die erreicht man so nicht. Wenn man einen Dribbling-Parcours<br />

aufbaut, dann sieht man recht schnell zwei unterschiedliche Spielertypen.<br />

Der Eine trainiert und wird es entsprechend den Anweisungen<br />

des Trainers machen. Und wenn er am dritten Hütchen hängenbleibt, geht<br />

er zurück zum Anfang und macht es wieder. Das ist der «Warum»-Spieler.<br />

Der Andere macht es be<strong>im</strong> ersten Mal so, wie der Trainer es gesagt hat,<br />

be<strong>im</strong> zweiten Mal lässt er mal ein Hütchen aus, be<strong>im</strong> dritten Mal baut er<br />

einen Trick ein und be<strong>im</strong> vierten Mal macht er was anderes. Und wenn er<br />

einen Fehler macht, macht er einfach weiter.<br />

Den Ersten, den hätte ich gern als Innenverteidiger oder als Defensivspieler<br />

<strong>im</strong> Mittelfeld. Der spielt risikolos und findet <strong>im</strong>mer die Lösung,<br />

die vermeintlich die beste ist. Man will <strong>im</strong> Ballbesitz bleiben, das ist<br />

nicht spektakulär, aber solide und vernünftig. Der Andere ist der Frei-<br />

Seite 73


geist, der macht auch Sachen, die der Gegner nicht erwartet, er spielt<br />

kreativ. Das ist auch super. Dieser Fähigkeit sollte man ihm auch nicht<br />

berauben. So findest du alle Spielertypen auf dem Platz.<br />

Wenn man Kreativität untersucht, dann ist der <strong>Fokus</strong> nicht mehr eng, sondern<br />

weit. Die Aktivität <strong>im</strong> präfrontalen Kortex geht zurück. Dann braucht man<br />

also beide Spielertypen?<br />

Absolut! Das ist das Interessante am Mannschaftssport, dass man diese<br />

unterschiedlichen Charaktere, Persönlichkeiten in einer Mannschaft hat.<br />

Das ist von großer Relevanz für den Trainer. Er muss sich dessen bewusst<br />

sein, weil sie auch eine andere Ansprache brauchen, eine andere Führung,<br />

eine andere Korrektur.<br />

Untersucht und arbeitet ihr auch am Selbstbild der Spieler? Die Psychologin<br />

und Stanford-Professorin Carol Dweck 20 unterscheidet zwischen einem<br />

statischen und einem dynamischen Selbstbild. Jemand mit einem dynamischen<br />

Selbstbild bezieht die Dinge auf sich und seinen Einsatz. Nach einem Misserfolg<br />

sagt er: «Ich muss mich mehr anstrengen, mehr reinknien, um besser<br />

zu werden.» Er n<strong>im</strong>mt Herausforderungen an. Jemand mit einem statischen<br />

Selbstbild sagt: «Das geht nicht, das kann ich nicht oder brauch ich<br />

nicht!» Das Selbstbild lässt sich erheben. Und man kann aus einem statischen<br />

Selbstbild ein dynamisches entwickeln.<br />

Bei der Eingangssichtung in unseren DFB-Stützpunkten haben wir mehrere<br />

Möglichkeiten, in das Talentförderprogramm aufgenommen zu werden. Eine<br />

Möglichkeit ist, unsere Trainer sind vor Ort und sichten an den Wochenenden<br />

und schauen sich die Spieler an. Spieler, die positiv auffallen,<br />

werden dann eingeladen. Die andere Möglichkeit, Vereinstrainer können<br />

Spieler melden, und dann gibt es einen Sichtungstag. Da gibt es eine<br />

Aufgabe, die <strong>im</strong> Grunde das Selbstbild testet. Es ist eine Aufgabe, die<br />

die Spieler überfordert, also die so schwer ist, dass es nicht be<strong>im</strong><br />

ersten Mal zu machen ist. Die Aufgabe wird dem jeweiligen Entwicklungsstand<br />

angepasst. Ich muss als Trainer schauen: Wie ist das Können, wie<br />

ist der Wissensstand der Spieler, und ich muss dann die Aufgabe individuell<br />

anpassen. Ein s<strong>im</strong>ples Beispiel: ein Parcours, der den Spieler<br />

überfordert. Und dann geht es nicht darum, wie gut er die Aufgabe löst,<br />

sondern wie er mit der Herausforderung umgeht. Ist es ein Spieler, der<br />

Frustrationstoleranz zeigt, der sagt: «Ich hab’s be<strong>im</strong> ersten Mal nicht<br />

geschafft, egal, ich versuch’s be<strong>im</strong> zweiten Mal, be<strong>im</strong> dritten Mal.» Wie<br />

wird dieses vermeintliche Scheitern wahrgenommen, vor allem in dieser<br />

Stresssituation, weil er weiß, die gucken jetzt zu, ich werde gesichtet.<br />

Es geht dabei auch um das soziale Lernen: Teilt jemand sein eigenes Wissen,<br />

oder freut er sich darüber, dass es der Mitspieler nicht kann und<br />

er besser ist, oder sagt er: «Ich kann es, der Andere nicht. Ich helfe<br />

ihm und zeig ihm, wie’s geht.» Das finde ich enorm wichtig. Also teilt<br />

jemand sein Können. Das sind diskrete Hinweise, die wir nicht explizit<br />

auf dem Sichtungsbogen vermerken, aber die ich unseren Trainern an die<br />

Hand gebe. «Achtet darauf, denn das sind relevante Hinweise darauf, ob<br />

jemand Talent hat und wie er mit Talent umgeht.»<br />

Und in der Verbandsauswahl fordere ich von jedem Spieler nach dem Spiel<br />

ein Feedback, und zwar nicht <strong>im</strong> Sinne von: «Ich hab zwei Tore geschos-<br />

Seite 74


sen, alles super!», sondern: «Was war aus Sicht des Spielers gut, und<br />

was könnte er besser machen?» Ich bitte dann auch <strong>im</strong>mer die Eltern darum,<br />

dass es die Spieler selbst machen. Man merkt an den Formulierungen,<br />

ob es der Spieler selbst geschrieben hat oder ob ein Elternteil dahinterstand.<br />

Was ich so nicht erwartet habe, die Spieler sind sehr selbstkritisch,<br />

unhe<strong>im</strong>lich selbstkritisch. Es kommt äußerst selten vor, dass<br />

sich jemand lobt oder über die Maßen lobt, sondern viele sagen in der<br />

Regel: «Gut, aber… Es gibt noch das und das, an dem ich noch arbeiten<br />

kann oder dass ich be<strong>im</strong> nächsten Mal besser oder anders machen würde.»<br />

Die ausgewählten Spieler zeichnen sich in diesen Merkmalen aus.<br />

Deine Erfahrungen decken sich mit Studienergebnissen zur Bedeutung der<br />

Selbstregulation <strong>im</strong> Fußball. Vergleicht man die Top-Scorer aus dem Leistungssport<br />

mit den Top-Scorern aus dem Breitensport, so zeichnen sich<br />

die erfolgreichsten leistungssportlich trainierenden jugendlichen Fußballspieler<br />

durch eine höhere Selbstregulationsfähigkeit aus, und zwar in den<br />

Bereichen Selbstreflexion und Leistungsbereitschaft. 21 Sie sind sich ihrer<br />

Stärken und Schwächen mehr bewusst und ziehen eher die entsprechenden Konsequenzen<br />

daraus. Ich brauche das Bewusstsein, um mein Verhalten ändern zu<br />

können. Trainer sollten an der Ausbildung der Reflexionsfähigkeit ihrer<br />

<strong>Sport</strong>ler arbeiten.<br />

Es ist ein schwieriger Spagat, ich nenn es «Um-zu-Mentalität». Als<br />

Trainer und Spieler verfolgt man Ziele, man macht etwas, um etwas zu<br />

erreichen oder um etwas zu tun. Ganz plakativ: «Ich trainiere jetzt,<br />

um später in der Bundesliga<br />

zu spielen oder am nächsten<br />

Sonntag aufgestellt zu werden.»<br />

Es geht so weit, dass<br />

es heißt: «Wir machen ein<br />

ES IST POSITIV, WENN JEMAND IM SPIEL<br />

AUFGEHT, WEIL DAS DIE BASIS FÜR<br />

ALLES ANDERE IST.<br />

Abschlussspiel <strong>im</strong> Training», und die Trainer regen sich darüber auf,<br />

wenn die Spieler den Spielstand nicht kennen. Sie sagen: «Wir spielen,<br />

um zu gewinnen, denn am Wochenende wollen wir auch gewinnen!» Auf der<br />

anderen Seite aber ist Spielen Selbstzweck. Sie sollen auch spielen, um<br />

Spaß und Freude zu haben. Aber man fördert das nicht. Es ist positiv,<br />

wenn jemand <strong>im</strong> Spiel aufgeht, weil das die Basis für alles andere ist.<br />

Er verliert sich <strong>im</strong> Spiel, weil es ihm so viel Freude bereitet – das<br />

eigene Bewegen, Handeln und die Selbsterfahrung, dass die vermeintliche<br />

Konsequenz nicht handlungsbest<strong>im</strong>mend ist. Also er spielt nicht, um zu<br />

gewinnen, sondern er spielt um des Spielens willen. Und das ist doch<br />

auch der Grund, warum man mit dem Fußballspielen anfängt. Aber das verliert<br />

sich dann manchmal, wird aberzogen, abtrainiert. Es ist wichtig,<br />

dass man sich das als Trainer bewusst macht.<br />

... und sich in solchen Phasen zurückn<strong>im</strong>mt und das freie Spiel zulässt?<br />

Das merkt man manchmal an unseren Auswahlspielern, die sagen: «Trainer,<br />

können wir heute nicht einfach nur spielen?» Sie trainieren täglich und<br />

höchst instruiert. Es gibt keine freien Phasen. Also abseits dessen,<br />

dass vielleicht die Belastung zu hoch ist. «Wir möchten einfach nur mal<br />

so kicken ohne Regeln, ohne Stopp!» Und das ist tatsächlich wichtig!<br />

Seite 75


Auch dann wenn man nur zwei Trainingseinheiten in der Woche hat?<br />

Also die Frage ist tatsächlich, was ist das Ziel, was ist die Zielsetzung<br />

des Spielers? Wenn jemand zwe<strong>im</strong>al in der Woche trainiert und sagt:<br />

«Ich geh dahin, weil es mir Spaß macht, weil meine Freunde da sind»,<br />

dann sind das auch die Faktoren, die ich fördern muss.<br />

Obwohl die ja auch erfolgreich sein wollen.<br />

ERFOLG IST EIN WICHTIGER KITT, FAST<br />

NICHTS HÄLT SO GUT ZUSAMMEN, WIE<br />

GEMEINSAM ERFOLGREICH ZU SEIN.<br />

Natürlich, ohne Zweifel! Aber ich werde<br />

die Spieler sehr schnell verlieren,<br />

wenn ich den Erfolg in den Vordergrund<br />

stelle. Erfolg ist ein wichtiger Kitt,<br />

fast nichts hält so gut zusammen, wie gemeinsam erfolgreich zu sein.<br />

Aber wir haben eine große Drop-out-Problematik <strong>im</strong> Bereich der 13-, 14-,<br />

15-Jährigen, und der Hauptgrund ist die Beziehung zum Trainer (Filmverweis:<br />

Kempokan 4). Die Pubertät ist keine einfache Phase, aber der Grund,<br />

warum sie aufhören ist: «Mit dem Trainer komm ich nicht zurecht. Er sagt<br />

mir, was ich machen soll und schnauzt mich an!» Hier macht es tatsächlich<br />

einen Unterschied, ob ich breitensportorientiert trainiere oder<br />

ob man sagt: «Ich bin Leistungssportler, der Wettkampf best<strong>im</strong>mt mein<br />

Training!» Diese <strong>Sport</strong>ler sehen zum Großteil das Training als notwendige<br />

Voraussetzung, um die Leistung am Wochenende oder <strong>im</strong> Wettkampf zu<br />

erbringen. Sie haben eine Ruhe, fast schon eine Selbstaufgabe <strong>im</strong> Sinne<br />

von: «Ich widme den Großteil meiner Freizeit dieser Aufgabe.» Nichtsdestotrotz<br />

geht es darum, ihnen <strong>im</strong>mer wieder bewusst zu machen, warum sie<br />

das tun, was sie tun. Die Frage ist: «Warum machst du das Ganze jetzt,<br />

in diesem Moment?» Und wenn einer sagt: «Das macht mir keinen Spaß, ich<br />

mach’s nur, weil mein Vater<br />

sagt, ich soll es machen,<br />

oder weil ich einen Vertrag<br />

bekommen habe», dann wird es<br />

in der Regel scheitern.<br />

ICH GLAUBE, DASS IM FUSSBALL FÜR<br />

DEN MANNSCHAFTLICHEN ERFOLG<br />

ZWEI ASPEKTE UNHEIMLICH BEDEUT-<br />

SAM SIND: ERSTENS REGELN UND<br />

ZWEITENS TRANSPARENZ.<br />

Ich glaube, dass <strong>im</strong> Fußball<br />

für den mannschaftlichen Erfolg zwei Aspekte unhe<strong>im</strong>lich bedeutsam sind:<br />

Erstens Regeln und zweitens Transparenz. Welche Funktion hat die Regel<br />

und warum hat man sie, wann gelten die Regeln, für wen gelten die Regeln,<br />

ob in jedem Kontext, und welche Konsequenzen leiten sich daraus ab? Und<br />

dass man diese tatsächlich auch fair anwendet. Man muss nicht alle gleich<br />

behandeln, aber man muss alle gerecht behandeln! Das gilt bis in den<br />

Profibereich. Wenn die Spieler das Gefühl haben, der Trainer ist gerecht<br />

und fair, und zwar zu allen, hat das eine unhe<strong>im</strong>lich große Wirkung und<br />

Akzeptanz. Aber wenn ich das Gefühl habe, das sind Lieblingsspieler, die<br />

werden anders behandelt, wird das als unfair erlebt und erfährt keine<br />

Akzeptanz. Fußball ist da natürlich durch die Medienpräsenz nochmal anders<br />

wirksam, und deswegen muss man unterscheiden zwischen öffentlicher<br />

Kritik und interner Kritik. Das können die Spieler auch gut unterscheiden.<br />

Aber dieses interne Verhalten, da erwarten die Spieler – und das<br />

hat sich vielleicht innerhalb der letzten Jahre gewandelt – Transparenz<br />

und Ehrlichkeit. Und wenn das gegeben ist, hat man eine gute Beziehung<br />

zwischen Trainer und Athleten. Und dann wird der Trainer auch tatsächlich<br />

respektiert und wertgeschätzt und umgekehrt ebenso.<br />

Seite 76


Aber in der Kabine, wenn es nicht so gut läuft und der Trainer harte Töne<br />

anschlägt, das müssen die Spieler doch schlucken können?<br />

Genau. Es wird geschluckt, wenn man das Gefühl hat, der Nachbar, der<br />

Kapitän ist, bei dem wär das genauso, wenn er diese Leistung gebracht<br />

hätte. Nicht, dass es wenige Sündenböcke gibt, die <strong>im</strong>mer angegangen werden,<br />

sondern wenn es tatsächlich ein faires Verhalten ist, dann wird es<br />

geschluckt. Also das Schlucken verbunden mit: Das war gerechtfertigt,<br />

und es ist ok, weil es a) transparent und b) fair ist (vgl. 96f.).<br />

Es gab mal vor fünf/sechs Jahren eine Untersuchung der UEFA bei englischen<br />

Premier League-Spielern: «Was erwarten Sie von einem guten<br />

Trainer?» Der wichtigste Aspekt war Respekt und ein weiterer Fairness.<br />

Die Spieler sollten dann beschreiben, welche Eigenschaften der Trainer<br />

haben sollte. Es gab einen Spieler von Chelsea, der wollte tatsächlich<br />

klare, direkte Anweisungen, der möchte wissen, was will der Trainer und<br />

das setzt er um und auch mit einer gewissen Härte. Gleichzeitig war die<br />

Beziehung auch ein ganz wichtiger Punkt. Sie wollten eine gute Beziehung<br />

zum Trainer haben, fast ein «Vater-Sohn-Verhältnis». Wenn man das<br />

hinkriegt: toll!<br />

Gibt es Verhaltensregeln, auf die du besonderen Wert legst?<br />

Wir haben hier bei Lehrgängen, vor allem bei den jüngeren Spielern <strong>im</strong><br />

U12- oder U13-Bereich, abseits des Verhaltens auf dem Platz nur eine<br />

Verhaltensregel: «Immer wenn du denkst, es könnte Ärger geben, lass es<br />

sein!»<br />

Durch diese Regel sind sie gefordert, kurz innezuhalten und zu reflektieren?<br />

Richtig. Sie müssen kurz stoppen und überlegen, welche Konsequenzen würde<br />

mein Handeln haben. Und daran kannst du sie <strong>im</strong>mer wieder erinnern:<br />

«Überleg, was du tust!» So muss man nicht viel sagen, es braucht keine<br />

expliziten Handlungsanweisungen. Sie müssen sich der eigenen Handlungen<br />

und der Konsequenzen bewusst werden. Wir müssen nur einfordern, dass sie<br />

sich das bewusst machen. Und sie wissen in der Regel ganz gut, was sie<br />

machen dürfen und was sie besser unterlassen sollten. Wir fragen dann<br />

manchmal nur: «Was würdest du denn zu Hause tun?»<br />

Die Kinder werden von ihren Eltern gebracht, und man sieht ganz oft,<br />

dass die Mutter die <strong>Sport</strong>tasche trägt. Dann sag ich ihm: «Oh mein Gott!<br />

Mir wär das peinlich, wenn meine Mama hinter mir laufen und die <strong>Sport</strong>tasche<br />

tragen würde.» Oder eine Mutter wollte in die Kabine rein und ihrem<br />

Sohn noch die Schuhe binden. Der Sohn hat die Mutter rausgeschickt,<br />

denn da saßen 25 andere, und plötzlich ist es peinlich. Nachher kam die<br />

Mutter und sagte: «Au, das war eine gute Erfahrung, denn zuhause muss<br />

ich ihm alles hinrichten.» Nach der Sichtung, in der Abschlussrede sage<br />

ich den Spielern <strong>im</strong>mer meinen Wunsch für die Zukunft, dass ich es toll<br />

fände, wenn sie ihre <strong>Sport</strong>tasche selber richten würden. Und wenn etwas<br />

fehlt, also wenn sie ins Training kommen und es fehlen die Kickschuhe,<br />

müssen sie sich fragen, warum? Weil sie sie vergessen haben. Und ich<br />

sage ihnen, dass es eigentlich normal ist, dass sie auch die <strong>Sport</strong>tasche<br />

wieder auspacken und zumindest die Sachen vor die Waschmaschine legen.<br />

Seite 77


Das Schöne sind dann die Reaktionen der Eltern. Die sagen: «Wissen Sie<br />

was, ich hab es ihm schon hundertmal gesagt, aber jetzt macht er’s, weil<br />

Sie es gesagt haben!»<br />

Damit förderst du die Selbstdisziplin der Kinder. Dirk Nowitzki hatte einmal<br />

in einem Interview sinngemäß gesagt, dass er sich <strong>im</strong>mer wieder bewusst<br />

gemacht habe, dass gerade irgendwo irgendjemand trainiert, und deshalb ist<br />

er in die Halle gegangen und hat Extraschichten eingelegt und individuell<br />

trainiert.<br />

Vor drei Wochen hatte ich einen Lehrgang mit der U14. Wir haben Übungen<br />

gemacht, Passform. Danach hab ich sie zusammengerufen und gesagt: «Ich<br />

hätte gern eine Benotung, jeder soll sich selbst benoten.» Und dann<br />

kamen tatsächlich Noten zwischen 4 und 6 raus. Ich habe dann gefragt:<br />

«Warum ist das so, und welche Konsequenz resultiert daraus?» Ein Spieler<br />

meinte, er habe zu wenig geübt. «Ok, das st<strong>im</strong>mt, aber wie können<br />

wir das jetzt besser machen?» Die erste Aussage war: «Wir haben keine<br />

Zeit dafür <strong>im</strong> Training.» Ich frage dann: «Wie können wir es <strong>im</strong> Training<br />

trotzdem hinbekommen?» Es gibt dann <strong>im</strong>mer das Problem mit dem starken<br />

und dem schwachen Fuß. Also kann man <strong>im</strong> Training gezielt den schwachen<br />

Fuß trainieren. Man stellt sich absichtlich auf die andere Seite einer<br />

Übungsform. Und es gibt viel freie Zeit vor dem Training. Die erste<br />

Viertelstunde ist oft nicht geplant, da hast du Zeit, was zu machen,<br />

und du kannst noch 5 Minuten nach dem Training dranhängen. Wenn du 50<br />

Wiederholungen und das zwe<strong>im</strong>al in der Woche machst, dann hast du 100<br />

Wiederholungen in der Woche, <strong>im</strong> Monat 400, übers Jahr hinweg bist du bei<br />

fast 5.000 Wiederholungen. Und wenn du das 5.000 Mal machst, dann merkst<br />

du den Unterschied. Wenn man den Spielern das bewusst macht, dann sagen<br />

sie: «Aha, ok, so hab ich das noch nicht gesehen.»<br />

Es gibt die 10.000-Stunden-Regel. Es braucht bis zum Alter von 20 Jahren<br />

10.000 Übungsstunden, um eine Fertigkeit perfekt zu beherrschen. Wie viele<br />

Stunden trainiert ein Fußballspieler bis zum Alter von 20 Jahren?<br />

Lange nicht so viel! Dazu kommt, dass sich die Bewegungswelt von Kindern<br />

und Jugendlichen über die Jahre hinweg stark verändert hat. Vielleicht<br />

ist das instruierte Training und Lernen häufiger geworden. Aber die<br />

freien Phasen haben deutlich abgenommen, sodass ich glaube, dass insgesamt<br />

der Trainings- und Spielumfang weniger geworden ist. Es kommt tatsächlich<br />

nicht mehr so häufig<br />

vor, dass Kinder sich verabreden,<br />

dass sie sagen: «Wir<br />

gehen heute Nachmittag raus<br />

kicken.» Ohne das romantisieren<br />

zu wollen, aber vor 20<br />

Jahren war das so, du hast<br />

jeden Nachmittag gekickt und praktische Erfahrung mit dem Fußball gesammelt.<br />

Das ist jetzt nicht mehr so. Du hast zwe<strong>im</strong>al bis dre<strong>im</strong>al die<br />

Woche angeleitetes Training, aber diese freien Spielphasen fehlen. Was<br />

jetzt dazukommt, die Erfahrungen mit der Play Station und dem Gezocke.<br />

Da sind sie recht fit. Da hat sich sogar die Sprache verändert. Ich hab<br />

Begrifflichkeiten einführen müssen, die aus FIFA 16 stammen. Die kannte<br />

ich vorher gar nicht.<br />

OHNE DAS ROMANTISIEREN ZU WOLLEN,<br />

ABER VOR 20 JAHREN WAR DAS SO, DU<br />

HAST JEDEN NACHMITTAG GEKICKT UND<br />

PRAKTISCHE ERFAHRUNG MIT DEM FUSS-<br />

BALL GESAMMELT.<br />

Seite 78


Kannst du ein Beispiel nennen?<br />

Es war eine Situation <strong>im</strong> Spiel, in der ein Spieler zu einem anderen gesagt<br />

hat: «Sweate den Ball!» Da habe ich gefragt: «Also Entschuldigung:<br />

sweaten, was heißt sweaten?» «Kennst du das?» «Ah ja, klar!» «Kennst<br />

du das auch?» «Ja!» «Ok, dann bin ich wohl der Einzige, der das nicht<br />

kennt. Was heißt sweaten?» «Naja, den Ball vor dem Tor quer legen.»<br />

«Woher habt ihr das?» «Von FIFA 16.» «Ah ja, ok. Wenn das alle wissen,<br />

dann sag ich halt das nächste Mal nicht: spiel quer, sondern sweate und<br />

dann wissen alle, was gemeint ist.»<br />

Aber sie verbringen Stunden über Stunden damit. Kann man das positiv<br />

bewerten, weil es zumindest mit Fußball zu tun hat? Auch wenn man weiß,<br />

dass eine Spielkonsole dafür sorgt, dass die Noten in der Schule schlechter<br />

werden und dass Aufmerksamkeitsprobleme mit steigendem Medienkonsum<br />

zunehmen?<br />

Zumindest lernen sie dabei komplexere Dinge. Sie lernen zwar nicht selber<br />

mit dem Ball umzugehen, aber sie kennen die Spielsituationen und<br />

auch da wieder Muster: Überzahl, Unterzahl, wer ist frei, wer ist nicht<br />

frei, mit wem kann ich spielen, mit wem nicht? Also sie sind, glaube<br />

ich, taktisch fitter, aber tatsächlich schlechter in der Ausführung.<br />

Wie ist deine Einschätzung zur Ausbildung der Fußballtrainer?<br />

Bisher baut die Ausbildung darauf auf, dass am Anfang <strong>im</strong>mer eine stark<br />

fachliche Ausbildung erfolgt, <strong>im</strong> Sinne von Übungsanleitung. Welche Übungen<br />

muss ich aussuchen, um etwas zu erzielen und mit welcher Methodik?<br />

Je höher es in der Ausbildung geht, desto mehr wird aus dem Trainer ein<br />

Coach. Aber ich finde, es gehört andersrum. Der Coach liegt eigentlich<br />

quer oder ist die Basis für alles. Trainer ist, so ähnlich wie Lehrer,<br />

kein Beruf, sondern eine Berufung.<br />

Die Fachkompetenz ist<br />

wichtig, aber nicht das Entscheidende,<br />

weil ich sie mir<br />

aneignen kann. Als Trainer muss<br />

ich über eine große Sozialkompetenz<br />

verfügen. Ich muss die<br />

Bereitschaft haben, auf den<br />

Menschen, auf mein Gegenüber<br />

einzugehen. Das muss ich wollen und können. Und wenn auf diesen Boden<br />

der Samen der Fachkompetenz fällt, dann geht die Saat auf. Andersherum<br />

aber nicht. Deshalb frag ich in der Trainerausbildung <strong>im</strong>mer die Trainer:<br />

«Was hättet ihr gerne für einen Trainer? Wollt ihr jemanden, der fachlich<br />

überragend gut ist, aber zum Lachen in den Keller geht? Oder wollt<br />

ihr jemanden, bei dem man sagt: Das Training macht total Spaß, ich geh<br />

unhe<strong>im</strong>lich gern dorthin. Es macht so viel Fetz, aber ich lerne nichts<br />

dazu. Wenn ihr nur diese Schwarz-weiß-Möglichkeit hättet, was würdet ihr<br />

machen?» Sie sagen dann: «Ich will Spaß!», und: «Zu dem geh ich gerne,<br />

auch wenn ich nichts dazulerne.» Aber wenn zu dieser Fähigkeit dann noch<br />

die fachliche Kompetenz dazukommt, super! Umgekehrt bist du nicht lange<br />

dabei. Und das unterscheidet gute von schlechten Trainern. Du kannst<br />

methodisch, fachlich überragend sein, aber wenn der Zugang fehlt, wird<br />

TRAINER IST, SO ÄHNLICH WIE LEHRER, KEIN<br />

BERUF, SONDERN EINE BERUFUNG. DIE FACH-<br />

KOMPETENZ IST WICHTIG, ABER NICHT DAS<br />

ENTSCHEIDENDE, WEIL ICH SIE MIR ANEIG-<br />

NEN KANN. ALS TRAINER MUSS ICH ÜBER EINE<br />

GROSSE SOZIALKOMPETENZ VERFÜGEN.<br />

Seite 79


man scheitern. Und umgekehrt: Es gibt viele gute Trainer, erfolgreiche,<br />

die sind menschlich klasse, fachlich nicht so gut, aber kompensieren<br />

das, indem sie delegieren können und ein Team haben. Mir fehlt in einem<br />

Bereich die Kompetenz, aber dafür habe ich den und den und den und das<br />

geht. Sozialkompetenz zu delegieren ist schwer, man kann sie nicht kompensieren.<br />

Manche machen aber auch teilweise das, die sagen: «Ich hab<br />

einen Co-Trainer, der ist dann für das Gefühl in der Mannschaft zuständig.»<br />

Das ist aber schwer.<br />

Mit dem Gefühl sind wir bei den Emotionen. Hoch emotional ist ja <strong>im</strong>mer<br />

das Elfmeterschießen. Nach welchen Kriterien werden der oder die Schützen<br />

ausgesucht?<br />

Die Regel ist, man fragt: «Wer fühlt sich bereit, wer fühlt sich dazu in<br />

der Lage?» Dann braucht man bei den Spielern sehr viel Aufmerksamkeit<br />

auf die eigene Person: Wie fühl ich mich gerade? Fühl ich mich der Situation<br />

gewachsen? Hab ich die Grundkompetenz, und fühl ich mich jetzt<br />

augenblicklich auch in der Lage, diese umsetzen zu können? Weil es heute<br />

gut lief oder nicht gut lief, weil ich ein Wehwehchen verspür, weil ich<br />

die letzten drei Elfmeter reingeschossen habe oder verschossen habe.<br />

Dann forderst du als Trainer ganz bewusst diese Aufmerksamkeit ein und<br />

verlässt dich auch darauf. Im Training erzeugst du diese Aufmerksamkeit<br />

mit dem Prognosetraining oder mit dem Konsequenztraining (Filmverweis:<br />

Fußball 6). Aber es ist unhe<strong>im</strong>lich schwer, diese Spielsituation oder<br />

die Aufmerksamkeit in einer Spielsituation <strong>im</strong> Training zu reproduzieren.<br />

Man versucht, in der Intensität und in den Anforderungen über dem<br />

Spielniveau zu trainieren. Also, man macht kleinere Räume, erzeugt einen<br />

höheren Druck und sagt den Spielern: «Wenn du es <strong>im</strong> Training schaffst,<br />

dann kommt dir das <strong>im</strong> Spiel total leicht vor.» Dadurch erhöht man den<br />

Aufmerksamkeitsdruck. Und um noch schwierigere Situationen zu lösen,<br />

brauchst du einfach Aufmerksamkeit, <strong>Fokus</strong>sierung etc.<br />

Und wie schaffen es die Spieler, sich herunterzuregulieren?<br />

Man bildet es aus, indem man Rituale einführt. In extremer Form sieht<br />

man das bei Cristiano Ronaldo, wenn er zum Freistoß anläuft. Ohne es<br />

zu wissen, glaube ich, es ist tatsächlich ein Ritual. Er n<strong>im</strong>mt <strong>im</strong>mer<br />

den gleichen Anlauf: drei/vier Schritte nach hinten, zwei Schritte<br />

nach links, schnauft durch und dann geht’s los. Ritualisierungen bei<br />

solchen standardisierten Situationen wie Freistoß, Elfmeter, wo man<br />

die Möglichkeit dazu hat, können hilfreich sein. Viele nutzen das als<br />

Einstieg zum Spiel, ein gewisses Ritual, um sich <strong>im</strong>mer wieder in eine<br />

ähnliche St<strong>im</strong>mungslage zu bringen. Das ist eine Selbstnivellierung,<br />

also ein Selbstweckruf, um eine ähnliche St<strong>im</strong>mungslage zu bekommen und<br />

gleichzeitig sich selbst den Startschuss zu geben: «Das ist für mich der<br />

Startpunkt, jetzt bin ich <strong>im</strong> Wettkampfmodus!»<br />

Ein Profispieler aus England hat mir einen Unterschied zwischen Deutschland<br />

und England bewusst gemacht. Bei den englischen Spielern ist es so,<br />

dass sie diese lange Vorbereitungsphase vor dem Spieltag nicht hatten,<br />

sondern sie haben zu Hause übernachtet, kamen zum Spiel, und da war<br />

die Familie noch dabei, selbst bis eineinhalb Stunden vor dem Spiel war<br />

das ganz normal. Aber es war klar, 75 Minuten vorher aus, vorbei! Das<br />

Seite 80


war der Startschuss, jetzt beginnt die explizite Vorbereitung auf das<br />

Spiel. Als er in Deutschland gespielt hat, gab es schon einen Tag vorher<br />

ein gemeinsames Abendessen, dann Abreise zum Hotel, Übernachtung.<br />

Dieser frühe Startschuss zum Spiel war für ihn zu lang. Er konnte die<br />

Konzentration, die Aufmerksamkeit bis zum Spiel nicht so lange aufrechterhalten.<br />

Mit der Aufmerksamkeit be<strong>im</strong> Elfmeter ist es ähnlich. Der Elfmeter beginnt<br />

mit dem Pfiff des Schiedsrichters. Vorher, der lange Weg vom<br />

Mittelkreis bis zum Elfmeterpunkt, eine gefühlte Ewigkeit, gehört noch<br />

nicht zur unmittelbaren Vorbereitung. Hier können ritualisierte Abläufe<br />

helfen. Die Vorbereitung beginnt erst dann, wenn der Schiedsrichter den<br />

Elfmeter mit seinem Pfiff freigibt. Dann sind es bis zur Ausführung nur<br />

noch 3 Sekunden…<br />

Seite 81


„IM OKTOBER 2000 SCHAFFTEN ES<br />

FORSCHER DER DUKE UNIVERSITY MIT EINER<br />

STUDIE IN DIE NEW YORK TIMES, DIE<br />

BELEGTE, DASS<br />

KÖRPERLICHE BEWEGUNG BEI<br />

DER BEHANDLUNG VON<br />

DEPRESSIONEN BESSER IST ALS<br />

SERTRALIN (ZOLOFT).<br />

WAS FÜR EINE NACHRICHT! LEIDER WURDE<br />

SIE AUF SEITE 14 IM GESUNDHEITS- UND FIT-<br />

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Lesen Sie die gesamte Packungsbeilage sorgfältig durch,<br />

denn sie enthält wichtige Informationen für Sie.<br />

Dieses Arzne<strong>im</strong>ittel ist auch ohne Verschreibung erhältlich.<br />

Um einen bestmöglichen präventiven Schutz bzw.<br />

Behandlungserfolg zu erzielen, müssen Brainvital Vitamin<br />

B[ewegung] <strong>Sport</strong>einheiten jedoch regelmäßig angewendet<br />

werden.<br />

• Heben Sie die Packungsbeilage auf. Vielleicht möchten<br />

Sie diese später noch einmal lesen.<br />

• Fragen Sie Ihren Trainer oder Übungsleiter, wenn Sie<br />

weitere Informationen oder einen Rat benötigen.<br />

• Wenn sich vorübergehende Symptome wie aufke<strong>im</strong>ende<br />

Motivationslosigkeit einstellen, nicht aufgeben! Sie<br />

trainieren auf diese Weise Ihre Selbstregulationsfähigkeit<br />

und Willensstärke.<br />

• Wenn Sie eine Nebenwirkung wie Muskelkater oder<br />

eine Erkältung beeinträchtigt, informieren Sie Ihren<br />

Trainer, Übungsleiter oder Trainingspartner und legen<br />

Sie eine kurze Trainingspause ein.<br />

Inhalt der Packungsbeilage<br />

• Stand der Forschung<br />

• Neuroplastizität<br />

• Hippokampale Neurogenese<br />

• Wachstumsfaktor BDNF<br />

• Körperliche Aktivität und exekutive Funktionen<br />

• Effekte eines mehrmonatigen Trainings<br />

• Fitnesseffekte<br />

• Akute Belastungseffekte<br />

• Durch mehr <strong>Sport</strong> mit weniger Stress und Angst besser<br />

lernen<br />

• Serotonin. Sich laufend wohlfühlen<br />

• Soziales Lernen und soziale Integration durch den <strong>Sport</strong><br />

• Fairplay! Sonst schlägt <strong>Sport</strong> auf den Magen<br />

• Fazit<br />

Seite 82


3 DER SPORT MACHT‘S!<br />

STAND DER FORSCHUNG<br />

Mit den gesundheitlichen Wirkungen von <strong>Sport</strong> und Bewegung auf körperliche Prozesse verbindet man häufig<br />

zunächst die potenzielle Reduzierung eines zu hohen Körpergewichts. Bekannt ist auch die vorbeugende und<br />

therapeutische Wirkung von sportlichen Aktivitäten. Das gilt vor allem bei Rückenbeschwerden, Gelenkverschleiß,<br />

Stoffwechselkrankheiten und bei chronischer Herzinsuffizienz. Zum Allgemeinwissen zählt auch, dass<br />

körperliche Aktivität lebensverlängernd wirkt. In der Copenhagen City Heart Study, in die <strong>im</strong> Zeitraum von<br />

1976 bis 2003 17.589 gesunde Männer und Frauen <strong>im</strong> Alter von 20 bis 98 Jahren einbezogen wurden, konnte<br />

nachgewiesen werden, dass sich die Lebenserwartung durch regelmäßiges Joggen bei Männern um mehr als<br />

sechs Jahre und bei Frauen um mehr als fünfeinhalb Jahre erhöht. 2 Körperliche Aktivität reduziert das Risiko,<br />

von Krankheiten mit den höchsten Mortalitätsraten, wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, zerebrovaskuläre<br />

Erkrankungen, Darm- und Brustkrebs, betroffen zu werden. 3, 4, 5 Hier gilt es in der Kindheit anzusetzen, denn<br />

sie ist eine entscheidende Lebensphase, in der man das Gesundheitsverhalten nachhaltig formen kann. 6<br />

Diesen wichtigen und positiven Zusammenhängen zwischen <strong>Sport</strong>, Bewegung und körperlicher Gesundheit<br />

steht jedoch eine sehr hohe Zahl an übergewichtigen Menschen gegenüber. Davon sind in Deutschland laut<br />

Statistischem Bundesamt etwa jedes siebte Kind und jeder zweite Erwachsene betroffen. 7 Dabei profitiert<br />

nicht nur der Körper von <strong>Sport</strong> und Bewegung. Körperliche Aktivität trägt auch maßgeblich zur geistigen<br />

Gesundheit und zur kognitiven Leistungsfähigkeit bei (zur Übersicht 8 ).<br />

Welchen Einfluss <strong>Sport</strong> und Bewegung auf Gehirnprozesse ausüben, wird erst seit vergleichsweise wenigen<br />

Jahren erforscht. Das Wissen um die Möglichkeit, durch muskuläre Beanspruchung auf das Gehirn einzuwirken,<br />

ist also noch sehr jung. So wurde in der medizinischen Ausbildung bis etwa Mitte der 1980er-Jahre<br />

vermittelt, dass über körperliche Aktivität nicht einmal die Gehirndurchblutung verändert werden könne. 9<br />

Inzwischen weiß man nicht nur, dass selbst durch einfache Formen muskulärer Beanspruchung (wie spazieren<br />

gehen) die regionale Gehirndurchblutung erhöht wird, sondern man kann auch belegen, dass durch Bewegungsformen<br />

unterschiedlicher Art, Dauer und Intensität zahlreiche Anpassungen auf zellulärer, molekularer<br />

und neurochemischer Ebene verursacht werden, die emotionale, soziale und kognitive Prozesse beeinflussen.<br />

Dabei machen <strong>Sport</strong> und Bewegung auch vor den exekutiven Funktionen nicht halt, die in hohem Maße mit<br />

der schulischen Lernleistung korrelieren. 9<br />

Die Zusammenhänge zwischen körperlicher Aktivität und Gehirnprozessen, die <strong>im</strong> Folgenden beschrieben<br />

werden, belegen, dass <strong>Sport</strong> und Bewegung für verschiedene Bereiche unseres geistigen Lebens von großer<br />

Bedeutung sind und dass wir zeitlebens über muskuläre Beanspruchung die Lernleistung des Gehirns steigern<br />

sowie auf das Sozialverhalten und die psychische Gesundheit Einfluss nehmen können.<br />

NEUROPLASTIZITÄT<br />

Körperliche Aktivität fördert Gehirnprozesse, indem sie auf die Struktur und Funktionsweise des Gehirns einwirkt.<br />

Bereits <strong>im</strong> Fetalstadium wird durch die Bewegungen des Kindes und der Mutter die Bildung, Entwicklung<br />

und Vernetzung von Nervenzellen angeregt. Die Anzahl der Nervenzellen und die gezielten Verbindungen,<br />

die sie mit anderen Neuronen eingehen, ermöglichen eine große Bandbreite von Verhaltensreaktionen<br />

und fördern die Entwicklung der Intelligenz. Bewegung zählt deshalb zu den wichtigsten St<strong>im</strong>ulationen des<br />

fetalen Gehirns. 10<br />

Bei 4- bis 6-jährigen Kindern zeigte sich, dass Kinder mit höherer motorischer Leistungsfähigkeit in den Bereichen<br />

Kraft, Schnelligkeit, Beweglichkeit und Koordination auch bessere kognitive Grundfunktionen aufweisen<br />

als körperlich weniger leistungsstarke Kinder. 11 Während der Kindheit erfolgt die Bildung und Vernetzung von<br />

Nervenzellen besonders schnell. Um synaptische Verbindungen herzustellen bzw. aufrechtzuerhalten, sollten<br />

Heranwachsenden täglich Beanspruchungen von ca. 60 Prozent der individuellen körperlichen Höchstleistung<br />

ermöglicht werden. 12 Das bedeutet, dass Kinder und Jugendliche täglich mindestens einmal „ins Schwitzen<br />

kommen“ sollten. Die Bewegungs- und <strong>Sport</strong>angebote in Kindergärten, Schulen und Vereinen sind deshalb<br />

so bedeutsam, weil in einer wichtigen Entwicklungsphase des Gehirns auf die Struktur, Funktion und Vernetzung<br />

von Nervenzellen eingewirkt und dadurch das emotionale und soziale Verhalten sowie die kognitive<br />

und schulische Leistungsfähigkeit von Kindern und Jugendlichen positiv beeinflusst werden kann.<br />

Seite 83


Die Anpassungsvorgänge <strong>im</strong> Zentralnervensystem, die durch die Lebenserfahrungen best<strong>im</strong>mt werden,<br />

wodurch alle Gehirne einzigartig sind, bezeichnet man als Neuroplastizität. 13 Das Gehirn besitzt die bemerkenswerte<br />

Fähigkeit, sich beständig den Erfordernissen seines Gebrauchs anzupassen. Dieser Vorgang ist nicht<br />

auf eine best<strong>im</strong>mte Lebensphase beschränkt, sondern läuft während des gesamten Lebens eines Organismus<br />

ab, zunächst sehr schnell, später langsamer. 14 Die aktivitätsabhängige Neuroplastizität bildet die Grundlage<br />

dafür, dass körperliche Aktivität über den gesamten Lebensverlauf auf die Neuroanatomie und auf chemische<br />

Prozesse <strong>im</strong> Gehirn einwirken kann.<br />

Wenn man sich bewegt, steigt gleichzeitig die Wahrscheinlichkeit einer kognitiven Reaktion. Das Gehirn eines<br />

körperlich aktiven Menschen stellt sich auf diesen Zusammenhang ein, indem es ein erhöhtes Potenzial für<br />

strukturelle Plastizität und Anpassungsfähigkeit zur Verfügung stellt. 15 Nach einer aktuellen Metaanalyse reduziert<br />

sich das Risiko, an einer Demenz zu erkranken, durch körperliches Training um ca. 18 Prozent. 16 „Jeder<br />

hat eine Chance, die nichts kostet, und das ist Bewegung“, 17 so bringt der Gehirnforscher Gerd Kempermann<br />

die hohe Bedeutsamkeit eines körperlichen Trainings für das Gehirn auf den Punkt und bezieht sich dabei<br />

insbesondere auf die durch körperliche Aktivität bedingte Neubildung von Nervenzellen (Neurogenese) <strong>im</strong><br />

Hippokampus.<br />

HIPPOKAMPALE NEUROGENESE<br />

Diese unerwartete und zugleich bedeutende Form von Neuroplastizität wurde 1998 entdeckt. 18 Der Hippokampus<br />

ist notwendig für deklarative (verbalisiertes Wissen über Fakten und Ereignisse), episodische (Erinnerungen<br />

an persönlich erfahrene Ereignisse) und räumliche Lern- und Gedächtnisprozesse. 19,20 Zu diesem<br />

Zeitpunkt war allerdings noch nicht eindeutig geklärt, ob die hippokampale Neurogenese nicht nur von struktureller,<br />

sondern auch von funktioneller Bedeutung ist. Dabei ging es in erster Linie um die Frage nach der Integration<br />

neuer Nervenzellen in bereits bestehende Neuronenverbände und darum, ob durch die hippokampale<br />

Neurogenese Lernprozesse entscheidend verbessert werden können. 21 Im Jahr 2000 wurde schließlich<br />

der Nachweis erbracht, dass die neu gebildeten Neuronen tatsächlich mit den bestehenden neuronalen Netzwerken<br />

synaptisch verschaltet werden. Auf diese Weise spielen sie eine bedeutende Rolle be<strong>im</strong> Wiedererwerb<br />

von Fähigkeiten, die durch Neuronenuntergang verloren gegangen sind. 13,22 Im darauffolgenden Jahr<br />

hat sich gezeigt, dass die nachwachsenden Neuronen <strong>im</strong> Hippokampus für Lernprozesse wichtig sind und ein<br />

schnelleres Lernen ermöglichen als ältere Nervenzellen. 13 In Bezug auf räumliche Gedächtnisprozesse werden<br />

die neu gebildeten Neuronen bevorzugt be<strong>im</strong> Lernen und Erinnern von neuen Gedächtnisinhalten aktiviert. 23<br />

Hippokampus und Lernen<br />

Seite 84


Diese Erkenntnisse sind faszinierend, ging man doch bis in die 1990er-Jahre davon aus, dass ein Nachwachsen<br />

von Nervenzellen <strong>im</strong> erwachsenen Gehirn nicht möglich sei. Dass zudem noch eine Gehirnstruktur davon betroffen<br />

ist, der eine zentrale Rolle bei Lern- und Gedächtnisprozessen zukommt, ließ die Fachwelt erstaunen.<br />

Die Neubildung von Nervenzellen <strong>im</strong> Hippokampus wird durch körperliche Aktivität entscheidend angeregt,<br />

wodurch dem <strong>Sport</strong> ein über viele Jahre unbekannter, bedeutender Stellenwert <strong>im</strong> Hinblick auf die Förderung<br />

kognitiver Funktionen zukommt. 9 Körperliche Aktivität, vor allem in Form von Ausdauerbelastungen, fördert<br />

das Neuronenwachstum <strong>im</strong> Hippokampus, indem sich neurale Stammzellen zu neuronalen Vorläuferzellen<br />

weiterentwickeln, an ihren Zielort wandern und dort zu funktionsfähigen Neuronen werden. Die Anzahl der<br />

neu gebildeten Nervenzellen lässt sich dabei durch körperliches Training verdoppeln. 24 Neben einem körperlichen<br />

Training regt auch geistige Aktivität die hippokampale Neurogenese an. Geht der kognitiven Beanspruchung<br />

ein körperliches Training voraus, hat dies einen additiven Effekt. Rund 30 Prozent mehr Nervenzellen<br />

bilden sich in der Kombination von körperlicher und nachfolgender kognitiver Aktivität als durch eine der<br />

beiden St<strong>im</strong>ulationen für sich genommen. 25<br />

WACHSTUMSFAKTOR BDNF<br />

Der <strong>im</strong> Blutserum (flüssiger Anteil des Blutes ohne feste Bestandteile wie Blutplättchen, rote und weiße Blutkörperchen)<br />

zirkulierende neurotrophe Wachstumsfaktor BDNF (Brain-Derived Neurotrophic Factor) wird<br />

<strong>im</strong> Hippokampus und in den Thrombozyten gebildet. Der BDNF-Spiegel <strong>im</strong> Blutserum korreliert mit dem<br />

Volumen des Hippokampus. Ein niedriger Spiegel weist dabei auf eine Verkleinerung des Hippokampus hin.<br />

Erniedrigte BDNF-Spiegel zeigen sich z.B. bei Depressionen, Burnout, Schlafstörungen und chronischem<br />

Stress. 26,27 Der BDNF, der die synaptische Plastizität sowie das Wachstum und Überleben von Nervenzellen<br />

erhöht, kann die Blut-Hirn-Schranke (den Übergang vom Blut ins Gehirn) frei passieren.<br />

Neurotropher Wachstumsfaktor BDNF<br />

Körperliche Aktivität führt zu einem Ansteigen des BDNF-Spiegels. Sowohl tägliches Ausdauertraining als<br />

auch ein Training, das nur jeden zweiten Tag erfolgt, bewirken einen Anstieg des BDNF. Mit zunehmender<br />

Laufdauer steigt die BDNF-Konzentration dabei progressiv an. Selbst nach einem drei Monate andauernden<br />

täglichen Training ist noch ein Anstieg festzustellen, und noch einige Tage nach Belastungsende kann eine<br />

Erhöhung des BDNF-Proteins nachgewiesen werden. Ein weiterer Test zeigt die Langzeitwirkung des<br />

Ausdauertrainings. Zwei Wochen nach dem dre<strong>im</strong>onatigen Training wurde in einer sehr kurzen zweiten<br />

Trainingseinheit ein BDNF-Anstieg auf einem Niveau nachgewiesen, das üblicherweise ein mehrwöchiges<br />

Training erfordern würde. Daraus wird abgeleitet, dass ein molekulares Gedächtnis für die BDNF-Beeinflussung<br />

durch körperliche Belastung existiert. 28 Das molekulare Gedächtnis führt möglicherweise dazu, dass ein<br />

durch längeres Training erreichtes BDNF-Niveau zu einem späteren Zeitpunkt über eine kürzere Phase an<br />

Ausdauertraining schnell wieder erreicht werden kann.<br />

Effektives Vokabellernen wird ebenfalls mit einem BDNF-Anstieg, angeregt durch körperliche Aktivität,<br />

in Verbindung gebracht. Neurologen des Universitätsklinikums Münster konnten nachweisen, dass das<br />

Seite 85


Vokabellernen nach einer kurzen, intensiven anaeroben Belastung (zwei Sprints à drei Minuten mit steigender<br />

Geschwindigkeit bei über 10 mmol/l Laktat) 20 Prozent schneller erfolgt als nach einer längeren, wenig<br />

intensiven aeroben Belastung (40 Minuten bei 2 mmol/l Laktat) und ebenfalls schneller als nach einer Ruhebedingung<br />

(15 Minuten). Die intensive körperliche Belastung ging mit einer erhöhten BDNF-Konzentration <strong>im</strong><br />

Blut einher. Während der kurzzeitige Lernerfolg dem BDNF-Anstieg zugeschrieben wurde, wurde die verbesserte<br />

mittlere Behaltensleistung (von einer Woche) nach dem Sprint mit einer erhöhten peripheren (<strong>im</strong> Blut<br />

gemessenen) Dopaminkonzentration in Verbindung gebracht. Die verbesserte langfristige Behaltensleistung<br />

(bis zu acht Wochen) korrelierte mit einer erhöhten Adrenalinkonzentration <strong>im</strong> Blut. 29<br />

Unabhängig von einem BDNF-Anstieg konnte <strong>im</strong> Tierexper<strong>im</strong>ent gezeigt werden, dass die Kombination aus<br />

körperlicher Aktivität (Ausdauerbelastung) und kognitiver Aufgabe die Arbeitsgedächtnisleistung verbessert.<br />

Dieser Effekt wurde weder durch eine reine Ausdauerbelastung, die nur in dieser Form einen signifikanten<br />

BDNF-Anstieg bei den Tieren bewirkte, noch durch die kognitive Aufgabe allein erzielt. 30 Dass das Arbeitsgedächtnis<br />

stärker von einem kombiniert körperlich-kognitiven Training als von einem rein kognitiven Training<br />

profitiert, wurde inzwischen auch bei Menschen nachgewiesen. 31 Damit sind wir bei den exekutiven Funktionen<br />

und deren Beeinflussung durch körperliche Aktivität angelangt.<br />

KÖRPERLICHE AKTIVITÄT UND EXEKUTIVE FUNKTIONEN<br />

Man unterscheidet bei den Effekten von körperlicher Aktivität auf exekutive Funktionen zwischen akuten Trainingseffekten,<br />

die sich während der körperlichen Belastung oder unmittelbar danach einstellen, und Effekten,<br />

die durch ein regelmäßiges Training über mehrere Wochen oder Monate und eine gesteigerte körperliche<br />

Fitness erzielt werden. Durch körperliche Aktivität und Fitness geförderte exekutive Funktionen zeigen sich<br />

unter anderem <strong>im</strong> Zusammenhang mit der Aufmerksamkeitssteuerung (Flanker-Test 32,33,34 ), der Inhibition<br />

(Stroop-Test 35 ) und der Arbeitsgedächtnisleistung (N-Back-Aufgabe 36 ; zur Übersicht siehe 37 ).<br />

EFFEKTE EINES MEHRMONATIGEN TRAININGS<br />

Durch die Entwicklung der funktionellen Magnetresonanztomographie (fMRT), mit der Gehirnaktivitäten bei<br />

der Bearbeitung von kognitiven Aufgaben dargestellt werden können, wurden die wichtigsten Fortschritte<br />

in der Gehirnforschung erzielt. 13 Bislang gibt es nur sehr wenige fMRT-Studien, mit denen mögliche Effekte<br />

von körperlicher Aktivität und körperlicher Fitness auf kognitive Funktionen und Gehirnstrukturen von Heranwachsenden<br />

untersucht wurden. Im Rahmen einer solchen Studie nahmen 8- bis 9-jährige Kinder über einen<br />

Zeitraum von neun Monaten fünfmal wöchentlich an einem etwa 70-minütigen <strong>Sport</strong>programm teil, das<br />

nachmittags, zwei Stunden nach Unterrichtsende, durchgeführt wurde. Das Programm FITKIDS besteht aus<br />

motorischen Aufgaben und Kräftigungsübungen und zielt ohne Wettkampfcharakter, in spielerischer Form,<br />

insbesondere auf eine Steigerung der aeroben Leistungsfähigkeit ab. 37<br />

Bei den sportlich aktiven Kindern (Interventionsgruppe) kam es <strong>im</strong> Anschluss an das neunmonatige <strong>Sport</strong>programm<br />

<strong>im</strong> Vergleich zu den Kindern aus der Wartekontrollgruppe in der inkongruenten Testbedingung<br />

einer Flanker-Aufgabe (vgl. Kapitel 1, 23f.) zu einem Rückgang der neuronalen Aktivität <strong>im</strong> rechten vorderen<br />

(anterioren) präfrontalen Kortex. Inkongruente Flanker-Aufgaben erfordern eine hohe kognitive Kontrolle,<br />

insbesondere eine gute Aufmerksamkeitssteuerung, und dabei die Fähigkeit, Störreize effektiv ausblenden zu<br />

können. Diese Fähigkeit steht in einem engen Zusammenhang mit der schulischen Lernleistung. 37<br />

Die Gehirnaktivierung der Kinder aus der Interventionsgruppe glich sich dabei der Aktivierung junger Erwachsener<br />

an. Die Leistungsfähigkeit bzw. die Gehirnfunktionen und die Gehirnaktivität von jungen Erwachsenen<br />

gelten als Modell für ein opt<strong>im</strong>al ausgereiftes und funktionierendes Gehirn. Bei der Kontrollgruppe war dagegen<br />

keine Veränderung der neuronalen Aktivität <strong>im</strong> anterioren präfrontalen Kortex nachzuweisen. In der<br />

neutralen Testbedingung der Flanker-Aufgabe, in der keine höhere Anforderung an die kognitive Kontrolle<br />

gestellt wird, unterschied sich die Gehirnaktivität der Erwachsenen nicht von der der Kinder – weder aus der<br />

Interventions- noch aus der Kontrollgruppe. 37<br />

Seite 86


Die Auswertung der Verhaltensdaten, d.h. der Reaktionszeiten und die Fehleranalyse ergab, dass sich die Leistungsfähigkeit<br />

der Interventionsgruppe in der inkongruenten Testbedingung von Messzeitpunkt 1 (vor dem<br />

9-monatigen <strong>Sport</strong>programm) nach Messzeitpunkt 2 (nach dem 9-monatigen <strong>Sport</strong>programm) verbesserte.<br />

Dabei machten die Kinder zum 2. Messzeitpunkt nur noch vergleichbar viele Fehler wie junge Erwachsene.<br />

Die Kinder aus der Kontrollgruppe zeigten keine Verbesserung in der Aufmerksamkeitssteuerung. 37<br />

Diese Daten sprechen für neuroplastische Adaptionen des rechten anterioren präfrontalen Kortex bei<br />

Kindern, angeregt durch ein mehrmonatiges körperliches Training mit einer Bewegungszeit von etwa einer<br />

Stunde. Der anteriore präfrontale Kortex unterstützt die Fähigkeit, aufgabenrelevante Informationen über die<br />

Zeit aufrechtzuerhalten. Bei Kindern scheint sich durch ein körperliches Training die Gehirnaktivität dahingehend<br />

anzupassen, dass sich ihre kognitiven Kontrollstrategien denen von jungen Erwachsenen angleichen:<br />

von einer schnellen reaktiven Kontrolle hin zu einer flexibleren, anhaltend zielorientierten Kontrolle. 37 Dabei<br />

scheinen sich bei 8- bis 9-jährigen Kindern verstärkt höhere Belastungsintensitäten bei 55 bis 80 Prozent der<br />

max<strong>im</strong>alen Herzfrequenz <strong>im</strong> Vergleich zu mittleren Belastungsintensitäten positiv auf die exekutiven Funktionen<br />

auszuwirken. 39 (Studienergebnisse zu den Effekten von Kampfkunst siehe 166.)<br />

FITNESSEFFEKTE<br />

Fitnesseffekte wurden in einer weiteren fMRT-Studie bei 9- bis 10-jährigen Kindern untersucht. Man wollte<br />

prüfen, ob körperlich fittere Kinder <strong>im</strong> Vergleich zu weniger körperlich leistungsstarken Kindern Unterschiede<br />

in der Gehirnaktivierung bei der Bearbeitung einer Flanker-Aufgabe zeigen. Dabei waren Unterschiede zum<br />

einen zwischen den Testbedingungen (kongruent bzw. neutral vs. inkongruent) und zum anderen hinsichtlich<br />

der Testdurchgänge (frühe vs. späte Testdurchgänge) messbar. 34 Unabhängig von der körperlichen Leistungsfähigkeit<br />

zeigten die Kinder in der kongruenten Testbedingung (z.B.


Die Auswertung ereigniskorrelierter Potenziale bei C3 der Durchführung P3eines GoNogo-Flanker-Paradigmas (zur<br />

Messung von Inhibition und Aufmerksamkeitssteuerung unter Einbeziehung des Arbeitsgedächtnisses und der<br />

kognitiven Flexibilität) ergab bei körperlich leistungsstärkeren Jugendlichen <strong>im</strong> Alter zwischen 13 und 14 Jahren<br />

<strong>im</strong> Vergleich zu weniger körperlich fitten Jugendlichen zum einen eine signifikant größere CNV-Amplitude, 43 was<br />

für erhöhte vorbereitende Aufmerksamkeitsprozesse spricht. Zum anderen zeigen die leistungsstärkeren Schüler<br />

<strong>im</strong> Vergleich zu den weniger körperlich leistungsstarken Schülern eine reduzierte N2-Amplitude. 44<br />

C4<br />

N2<br />

+20µV<br />

O1<br />

höhere Fitness<br />

geringere Fitness<br />

O2<br />

CNV<br />

FLANKIERREIZ<br />

01<br />

DD DD<br />

-20µV<br />

-700 -600 -400 -200 0 200 400 600 700<br />

700 -600 -400 -200 0 200 -400 600 700 700 -600 -400 -200 0 20<br />

FLANKIERREIZ ZIELSTIMULUS<br />

T<strong>im</strong>e (ms)<br />

Zunächst besteht die Aufgabe darin,<br />

Flankerdie<br />

Aufmerksamkeit<br />

Targetauf<br />

4 identische Flankierreize (Buchstaben) zu lenken.<br />

Dabei wird die CNV-Kurve ausgewertet, um Rückschlüsse auf die Aufmerksamkeitsleistung zu ziehen.<br />

Onset Onset<br />

Die an der Elektrode O1 abgeleitete elektrische Aktivität – <strong>im</strong> Bereich der CNV-Kurve – weist darauf hin, dass<br />

die untersuchten körperlich fitteren Jugendlichen auf die Flankierreize mit einer höheren Aufmerksamkeit<br />

reagieren als die weniger körperlich fitten Jugendlichen.<br />

höhere Fitness<br />

geringere Fitness<br />

FLANKIERREIZ<br />

ZIELSTIMULUS<br />

Target<br />

DDBDD<br />

Flanker<br />

DDUDD<br />

Go<br />

F3<br />

DD DD<br />

DDVDD<br />

Nogo<br />

DDDDD<br />

-700 -600 -400 -200 0 200 400 600 700<br />

FLANKIERREIZ<br />

ZIELSTIMULUS<br />

Anschließend erscheint ein Zielst<strong>im</strong>ulus. Die Jugendlichen müssen dabei die Aufgabenstellung <strong>im</strong> Arbeitsgedächtnis<br />

aufrechterhalten und eine der beiden folgenden Aktionen ausführen: Ist der Zielst<strong>im</strong>ulus ein B oder<br />

ein U, sollten die Probanden eine Reaktionstaste so schnell wie möglich drücken (Go-Bedingung). Ist der Zielst<strong>im</strong>ulus<br />

ein D oder ein V, sollten sie die Taste nicht drücken (Nogo-Bedingung: Inhibition). Die N2 45 stellt die<br />

EKP-Komponente dar, die mit der Antwortüberwachung und der Inhibition von Reaktionen assoziiert wird.<br />

Anhand dieser Kurve lässt sich die exekutive Kontrolle bzw. die Inhibition von Antworttendenzen messen.<br />

Seite 88


Diese Studienergebnisse deuten darauf hin, dass die körperliche Fitness die Leistung des exekutiven Systems<br />

verbessert, indem die geistige Anstrengung bei Prozessen der Handlungsüberwachung reduziert wird. Eine<br />

reduzierte N2-Amplitude von körperlich leistungsstärkeren Schülern spiegelt damit eine effizientere kognitive<br />

Kontrolle wider. Daraus lässt sich folgern, dass die Gehirne von körperlich leistungsfähigeren Jugendlichen<br />

effizienter arbeiten als die von Jugendlichen mit geringerer Fitness.<br />

Körperlich fitte Jugendliche zeigen also bessere Leistungen in Flanker-Aufgaben als weniger fitte. Von einer<br />

akuten Belastung scheinen die weniger fitten Jugendlichen jedoch stärker zu profitieren als die körperlich<br />

leistungsstärkeren Jugendlichen. 46 Körperliche Fitness wirkt dabei nicht nur positiv auf die der Lernleistung<br />

zugrunde liegenden exekutiven Funktionen von Kindern ein, sondern sie korreliert ebenfalls mit einem besseren<br />

Abschneiden in Lernleistungstests.<br />

47, 48<br />

Der Zusammenhang zwischen einer gesteigerten kognitiven Leistungsfähigkeit und Fitnesseffekten geht auch<br />

aus einer Langzeitstudie hervor, die alle zwischen 1950 und 1976 geborenen schwedischen wehrpflichtigen<br />

Männer erfasst. In dieser Studie wurde nachgewiesen, dass eine Zunahme an kardiovaskulärer Leistungsfähigkeit<br />

<strong>im</strong> Alter zwischen 15 und 18 Jahren die kognitive Leistungsfähigkeit <strong>im</strong> Alter von 18 Jahren voraussagt.<br />

Die Zunahme der kardiovaskulären Leistungsfähigkeit steht dabei in einem positiven Zusammenhang mit der<br />

Intelligenz. Die körperliche Leistungsfähigkeit mit 18 Jahren wiederum sagte die Leistungsfähigkeit in Studium<br />

und Beruf sowie den sozioökonomischen Status <strong>im</strong> weiteren Lebensverlauf voraus. 49<br />

AKUTE BELASTUNGSEFFEKTE<br />

Akute Belastungseffekte auf exekutive Funktionen konnten u.a. bei jungen Erwachsenen nach einer 20-minütigen<br />

Yoga-Einheit 50 sowie bei jugendlichen Schülern nach einer 10- bis 14-minütigen Ausdauerbelastung<br />

mit 2 intensiven Belastungseinheiten, 53 nach einer 10-minütigen koordinativen 54 und einer 30-minütigen<br />

koordinativ- und ausdauerorientierten <strong>Sport</strong>unterrichtseinheit nachgewiesen werden. 55 Im Vergleich zu einer<br />

Ruhebedingung konnten diese Schüler nach dem <strong>Sport</strong>unterricht Störreize besser ausblenden. Dieser<br />

Effekt zeigte sich jedoch nicht nach einer 5-minütigen Bewegungspause <strong>im</strong> Klassenz<strong>im</strong>mer bei mittlerer Intensität.<br />

55 Nach einer 4-minütigen hochintensiven Bewegungspause (FUNtervals) jedoch wurden Verbesserungen<br />

in der selektiven Aufmerksamkeit von 9- bis 11-jährigen Schülern erzielt. 56 Die Wirksamkeit solcher<br />

kurzen, belastungsintensiven Bewegungspausen zeigt sich nicht nur auf kognitiver Ebene, sondern spiegelt<br />

sich auch <strong>im</strong> Verhalten der Schüler wider. Grundschüler sind <strong>im</strong> weiteren Verlauf der Stunde nach kurzen,<br />

belastungsintensiven Pausen weniger motorisch unruhig und abgelenkt als Schüler, die sich in Unterrichtspausen<br />

körperlich nicht belastet haben. 57<br />

Die (modifizierte) Bewegungspause „Popcorn“ aus FUNtervals wird mit einer kleinen Geschichte eingeleitet.<br />

Ziel ist es, Popcorn für ein Schul- oder <strong>Sport</strong>fest herzustellen. Alle Bewegungen sollen so schnell wie möglich<br />

und mit größtmöglichen Bewegungsumfängen ausgeführt werden. Jede der 4 Bewegungsaufgaben umfasst<br />

20 Sekunden. Nach jeder Übung folgen 10 Sekunden Pause. Die gesamte Abfolge wird einmal wiederholt,<br />

sodass das Intervalltraining vier Minuten umfasst.<br />

1.<br />

Holt den Mais aus dem obersten Regal und schüttet ihn in einen<br />

großen Topf, der vor euch auf dem Boden steht (<strong>im</strong> Wechsel nach<br />

oben strecken und runter in die Hocke gehen).<br />

2.<br />

Das Popcorn poppt in die Höhe<br />

(Hochsprünge mit gespreizten Armen und Beinen)<br />

Seite 89


3.<br />

Verladet das Popcorn in einen riesigen Sack<br />

(in die Hocke gehen, Arme in Vorhalte in Richtung Boden;<br />

anschließend aufstehen und Arme nach oben führen und<br />

seitwärts ausstrecken)<br />

4.<br />

Das Popcorn muss nun so schnell wie möglich ausgeliefert werden,<br />

damit es noch warm am Ziel ankommt (auf der Stelle sprinten).<br />

5.<br />

Oh, nein! Das Popcorn ist verbrannt. Schnell zurück und <strong>im</strong> nächsten<br />

Durchgang noch mehr Popcorn machen.<br />

In einer weiteren Studie an Schulkindern wurde nachgewiesen, dass sich nach einer 20-minütigen mittleren<br />

Ausdauerbelastung (Walking) nicht nur die Fähigkeit verbesserte, Störreize auszublenden, sondern auch bessere<br />

Ergebnisse in den Schulleistungstests erzielt wurden. 32 Diese Daten werden durch eine Metaanalyse gestützt,<br />

die belegt, dass sich die kognitive Leistungsfähigkeit von Schulkindern während und unmittelbar nach einer akuten<br />

Belastung verbessert. Verbesserungen sind auch noch nach einer Verzögerung von bis zu 20 Minuten nach<br />

der körperlichen Beanspruchung nachweisbar. 58 Aufgrund von Studienergebnissen, die eine Kausalität zwischen<br />

körperlicher Fitness bzw. körperlicher Belastung und verbesserten exekutiven Funktionen sowie Lernleistungen<br />

belegen, sollte dem <strong>Sport</strong>unterricht und dem außerunterrichtlichen <strong>Sport</strong>angebot an Schulen ein weitaus größerer<br />

Stellenwert zukommen. Will man die akuten positiven Effekte auf die Aufmerksamkeitsleistung von Schülern<br />

<strong>im</strong> Anschluss an eine körperliche Belastung nutzen, sollten der <strong>Sport</strong>unterricht und darüber hinausgehende<br />

<strong>Sport</strong>angebote nicht in den Randstunden stattfinden, sondern möglichst täglich vor anderen wichtigen Fächern<br />

sowie vor Hausaufgaben- und weiteren Lernzeiten platziert werden. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass<br />

exekutive Funktionen von Kindern und Jugendlichen sowohl von einer akuten körperlichen Belastung als auch<br />

von neurophysiologischen Adaptionen, angeregt durch ein längerfristiges körperliches Training, profitieren. Wie<br />

bereits beschrieben, zeichnet sich zudem ab, dass eine Kombination aus körperlichem und kognitivem Training<br />

für die Förderung exekutiver Funktionen <strong>im</strong> Besonderen geeignet ist. 30,31 Ein solches Training findet sich insbesondere<br />

in schnellen Mannschaftssportarten wie Handball, Fußball und Basketball (vgl. Kapitel 1).<br />

VERBESSERTE EXEKUTIVE FUNKTIONEN:<br />

• Akute Belastungseffekte: koordinative Übungen, kurze intensive Bewegungspausen, <strong>Sport</strong>unterricht, Yoga<br />

• Fitnesseffekte: gesteigerte kardiovaskuläre Leistungsfähigkeit<br />

• Trainingseffekte: <strong>Sport</strong>artspezifisches Training, spielerische <strong>Sport</strong>konzepte (z.B. FITKids, PFiFF)<br />

DURCH MEHR SPORT MIT WENIGER STRESS UND ANGST BESSER LERNEN<br />

Während, wie bereits beschrieben, körperliche Aktivität und die dadurch bedingte Steigerung neurotropher<br />

Wachstumsfaktoren die hippokampale Neurogenese st<strong>im</strong>ulieren, kann wiederholter Stress schädigend auf<br />

die Hippokampusformation einwirken. 20 So wurde die verstärkte Neubildung von Nervenzellen nur bei freiwilliger<br />

und nicht bei erzwungener körperlicher Belastung nachgewiesen. 24 Zwar scheint Stress das Überleben<br />

der neu gebildeten Neuronen nicht direkt zu beeinflussen, er führt jedoch zu einem Rückgang der<br />

Neurogenese 24 und darüber hinaus zu einem allgemeinen (interindividuell unterschiedlichen) reversiblen,<br />

aber auch irreversiblen Verlust von hippokampalen Neuronen. 20 Stresshormone bewirken zum einen, dass<br />

weniger Glukose in das Gehirn aufgenommen werden kann, wodurch sich das Energieangebot verringert.<br />

Seite 90


Zum anderen erhöhen sie die Toxizität des Neurotransmitters Glutamat. Beide Faktoren führen zu Schäden<br />

am Hippokampus und dadurch zu einer Leistungsminderung hippokampaler Funktionen. In weiterer Folge<br />

kann chronischer Stress zum Zelluntergang <strong>im</strong> Hippokampus beitragen und sich damit ungünstig auf das<br />

Lernen und Behalten auswirken. 13<br />

Es hat sich gezeigt, dass Spitzensportler auf psychischen Stress signifikant ruhiger, weniger ängstlich und<br />

in einer besseren St<strong>im</strong>mung reagieren als untrainierte Menschen. 59 Tierexper<strong>im</strong>entelle neurobiologische<br />

Studien zeigen ebenfalls, dass körperliche Aktivität einen Schutz vor den negativen Folgen von Stress darstellen<br />

kann. Umgekehrt stellt die erzwungene Bewegungslosigkeit einen besonders hohen Stressfaktor dar. Eine<br />

zweistündige Immobilisierung führt bei Tieren zu einem Anstieg des Stresshormons Corticosteron (entspricht<br />

be<strong>im</strong> Menschen dem Stresshormon Kortisol) <strong>im</strong> Hippokampus, der auch noch eine Stunde nach Beendigung<br />

der Ruhigstellung andauert. Bewegungslosigkeit bzw. mangelnde Bewegungsmöglichkeiten bedeuten also<br />

Stress für den Organismus. Der durch diesen Stress ausgelöste Rückgang des neurotrophen Wachstumsfaktors<br />

BDNF <strong>im</strong> Hippokampus ist noch zehn Stunden später nachweisbar. Eine Ausdauerbelastung bewirkt<br />

dagegen bei zuvor durch Ruhigstellung gestressten, aber auch bei nicht gestressten Tieren eine Steigerung<br />

sowohl der Corticosteron- als auch der BDNF-Konzentration. 60 Der durch Stress bedingte Corticosteronanstieg<br />

und der Corticosteronanstieg, der durch muskuläre Beanspruchung in Form von Ausdauerbelastungen<br />

verursacht wird, haben also entgegengesetzte Folgen in Bezug auf den Wachstumsfaktor BDNF. Muskuläre<br />

Beanspruchung kann auf diese Weise dem negativen Effekt von Stress entgegenwirken.<br />

Die stressfreie körperliche Aktivität ist gleichzeitig die Voraussetzung dafür, dass muskuläre Beanspruchung<br />

positiv auf den Hippokampus einwirken kann. Dies hat Konsequenzen für den Schulsport. Eine Voraussetzung<br />

dafür, dass durch den <strong>Sport</strong>unterricht die Neubildung von Nervenzellen angeregt werden kann, ist, dass die<br />

Schülerinnen und Schüler gerne am <strong>Sport</strong>unterricht teilnehmen. Von den Schülern der 4., 7. und 9. Klasse<br />

freuen sich zwei Drittel auf jede <strong>Sport</strong>unterrichtseinheit. Etwa 15 Prozent dieser Altersgruppen würden <strong>Sport</strong><br />

dagegen abwählen. Mit zunehmendem Alter geht der Spaß am <strong>Sport</strong>unterricht deutlich zurück, 61 obwohl der<br />

<strong>Sport</strong> bei Jugendlichen aller sozialen Schichten die am häufigsten betriebene und subjektiv wichtigste Freizeitaktivität<br />

darstellt. 62 Das <strong>Sport</strong>angebot der Schulen sollte sich aus diesem Grund stärker an den Wünschen<br />

der Schülerinnen und Schüler orientieren und vor allem Erfolgserlebnisse vermitteln.<br />

Obwohl mit zunehmendem Alter der Spaß am <strong>Sport</strong>unterricht abn<strong>im</strong>mt, fühlen sich die Schülerinnen und<br />

Schüler der genannten Klassenstufen <strong>im</strong> <strong>Sport</strong>unterricht deutlich wohler als in der Schule insgesamt. Während<br />

drei Viertel dieser Gruppe gerne am <strong>Sport</strong>unterricht teiln<strong>im</strong>mt, gehen nur 50 Prozent gerne in die Schule.<br />

Das Wohlbefinden der Schülerinnen und Schüler <strong>im</strong> <strong>Sport</strong>unterricht ist also höher als das allgemeine<br />

Wohlbefinden in der Schule. 61 Gleichzeitig führt ein größeres Angebot am <strong>Sport</strong>unterricht bzw. Schulsport zu<br />

einer Verbesserung des Sozialverhaltens.<br />

Von 1993 bis 1997 wurde in einem Modellversuch an einer Grundschule die tägliche <strong>Sport</strong>stunde in den Klassen<br />

eins bis vier eingeführt. Dabei hatte man mit Zust<strong>im</strong>mung der Eltern zugunsten des erweiterten <strong>Sport</strong>unterrichts<br />

die Stundenzahl anderer Fächer gekürzt. Dies betraf unter anderem den Deutschunterricht. Nach<br />

Ablauf der vier Schuljahre schnitten die Schülerinnen und Schüler dieser Schule <strong>im</strong> Vergleich zu einer Kontrollschule<br />

in den Bereichen motorische Leistungsfähigkeit, Arbeits- und Sozialverhalten besser ab. So war<br />

ein weniger starkes aggressives Verhalten um die Hälfte seltener als in der Kontrollschule, und insgesamt war<br />

mittleres aggressives Verhalten zu beobachten. Überdies kam es zu keinem Leistungsabfall in den gekürzten<br />

Fächern. 63 Das belegen inzwischen auch internationale Studien. Ein Ausbau des <strong>Sport</strong>- und Bewegungsangebots<br />

an Schulen in Form von mehr <strong>Sport</strong>unterricht, bewegtem Unterricht, Bewegungspausen <strong>im</strong> Klassenz<strong>im</strong>mer<br />

und bewegten Pausen <strong>im</strong> Schulhof, der es Kindern <strong>im</strong> Schultag wiederholt ermöglicht, körperlich aktiv zu<br />

sein, trägt zu einer Verbesserung oder zumindest zu keiner Verschlechterung der Lernleistung bei und hat zudem<br />

positive Effekte auf die Konzentrationsleistung und das Sozialverhalten der Schülerinnen und Schüler.<br />

64, 65<br />

Wie wichtig positive Emotionen be<strong>im</strong> Lernen sind, zeigt sich in bildgebenden Studien. Zwar trägt auch Angst<br />

dazu bei, dass wir unangenehme Erlebnisse sehr schnell lernen. Aber Angst verhindert gleichzeitig das, was<br />

be<strong>im</strong> Lernen erreicht werden soll: die Verknüpfung des neu zu Lernenden mit bereits bekannten Inhalten und<br />

die Anwendung des Gelernten auf andere Situationen und Beispiele. Aus diesem Grund fällt es Menschen<br />

mit Prüfungsangst schwer, einfache, aber Kreativität erfordernde Lösungen zu finden. 13 Es wurde nachgewiesen,<br />

dass der emotionale Kontext, in dem die Einspeicherung von neutralen Wörtern geschieht, einen<br />

modulierenden Einfluss auf die spätere Erinnerungsleistung hat. 66 Wörter werden dann am besten erinnert,<br />

wenn sie in einem positiven emotionalen Kontext gelernt werden. Dabei kann die Aktivierung unterschiedli-<br />

Seite 91


cher Gehirnregionen ein späteres Erinnern vorhersagen, je nachdem, in welchen emotionalen Kontext Wörter<br />

eingespeichert werden. Während das erfolgreiche Einspeichern von Wörtern in einen positiven emotionalen<br />

Kontext eine Aktivität <strong>im</strong> Bereich des Hippokampus und Parahippokampus zeigte, fand eine Aktivierung der<br />

Amygdala während des erfolgreichen Einspeicherns in einen negativen emotionalen Kontext. Die Amygdala ist<br />

es, die es uns ermöglicht, angsterzeugende Erlebnisse schnell zu lernen, um sie zu einem späteren Zeitpunkt zu<br />

vermeiden. Erfolgreiches Einspeichern in einem neutralen Kontext aktiviert dagegen den frontalen Kortex. Diese<br />

Ergebnisse machen deutlich, wie eng Emotion und Kognition (Gefühl und Denken) miteinander verbunden sind.<br />

Auf den Punkt gebracht, sagen sie aus, dass Lernen bei guter Laune am besten funktioniert. 13<br />

Überträgt man dieses Wissen auf die Schule, indem man den emotionalen Kontext be<strong>im</strong> Wörterlernen mit<br />

dem Klassenkl<strong>im</strong>a gleichsetzt, das <strong>im</strong> Wesentlichen von der Unterrichtsführung des Lehrers und einer positiven<br />

Lehrer-Schüler-Beziehung best<strong>im</strong>mt wird, so gilt Folgendes: Soll erfolgreich gelernt werden, indem<br />

der Hippokampus be<strong>im</strong> Lernen zum Zuge kommt, muss eine positive Grundst<strong>im</strong>mung be<strong>im</strong> Lernen erzeugt<br />

werden, was beispielsweise durch ein gezieltes Lob vom Lehrer erfolgen kann. Was für das Lernen von Wörtern<br />

gilt, gilt <strong>im</strong> Übrigen auch für die sportliche Leistungsfähigkeit und damit auch für den <strong>Sport</strong>unterricht.<br />

Eine Untersuchung von 92 Hauptschülerinnen und Hauptschülern aus 9 Klassen des 5. und 6. Schuljahres<br />

hatte ergeben, dass vor allem sehr ängstliche Schülerinnen und Schüler ihre sportliche Leistungsfähigkeit<br />

nicht nur durch Training, sondern allein durch wenige gezielte, ermutigende Äußerungen der <strong>Sport</strong>lehrerin/<br />

des <strong>Sport</strong>lehrers deutlich steigern konnten. Dies betraf die Leichtathletikleistung be<strong>im</strong> Schlagballwurf, be<strong>im</strong><br />

Weitsprung und am stärksten be<strong>im</strong> 50-Meter-Lauf. 67 Lob kann also „Beine machen“! Dieses Ergebnis zeigt,<br />

wie stark die Lernleistung der Schülerinnen und Schüler von der Person der Lehrerin bzw. des Lehrers abhängt.<br />

Das gilt für die sportliche Leistungsfähigkeit ebenso wie für die Lernleistung in anderen Unterrichtsfächern.<br />

68 Der Einfluss von körperlicher Aktivität ist auf affektiver Ebene abhängig von der Dosis der Belastung.<br />

In einer EEG-Studie wurden 20 Versuchspersonen einer 30-minütigen Fahrradergometer-Belastung bei 55<br />

bzw. 70 Prozent der max<strong>im</strong>alen Sauerstoffaufnahme (VO2max) sowie einer Ruhebedingung unterzogen. 69<br />

Vor der Belastung und zu mehreren Messzeitpunkten nach der Ausdauerbelastung wurden die St<strong>im</strong>mung<br />

und die Zustandsangst gemessen und mit den Ergebnissen der EEG-Ableitung in Beziehung gesetzt. Während<br />

Ruhe und Ausdauerbelastung bei 55 Prozent VO2max keine affektiven Veränderungen bewirkten, sagte eine<br />

größere linksfrontale Gehirnaktivierung vor der Belastungsbedingung bei 70 Prozent eine gesteigerte St<strong>im</strong>mung<br />

und verringerte Zustandsangst voraus. Sieben Probandinnen und Probanden, die nach der Ausdauerbelastung<br />

eine starke relative linksfrontale Aktivierung <strong>im</strong> EEG aufwiesen, berichteten nach der Ausdauerbelastung<br />

damit übereinst<strong>im</strong>mend von einem Rückgang der Angst. Dagegen führte die Ergometerbelastung<br />

bei sieben Probandinnen und Probanden mit anschließender starker relativer rechtsseitiger frontaler Aktivierung<br />

zu einem Anstieg der Angst. Diese Untersuchungsergebnisse deuten zum einen darauf hin, dass die<br />

affektive Reaktion nach Ausdauerbelastungen von der Ruheaktivität frontaler Gehirnregionen beeinflusst<br />

wird; zum anderen zeigt diese EEG-Studie, dass affektive Veränderungen durch körperliche Aktivität dosisabhängig<br />

sind. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Wirkung von Ausdauerbelastungen hinsichtlich des<br />

Wohlbefindens individuell unterschiedlich ausfällt. In Bezug auf die Belastungsintensität haben Ausdauerbelastungen<br />

von 70 Prozent der individuellen Leistungsfähigkeit eine höhere Wirkung als mittlere Belastungsintensitäten.<br />

An Eiweiß gebundenes<br />

Tryptophan.<br />

Fettverbrennung wird durch<br />

<strong>Sport</strong> angeregt. Es kommt zu<br />

einem Anstieg freier Fettsäuren.<br />

Die freien Fettsäuren<br />

lösen das Eiweiß<br />

vom Tryptophan.<br />

Es befindet sich 75% mehr<br />

freies Tryptophan <strong>im</strong> Blut.<br />

Im Blut<br />

Auch andere Aminosäuren wollen<br />

den Transporter besetzen, werden<br />

aber durch die körperliche Belastung<br />

von der Muskulatur aufgenommen.<br />

Seite 92


SEROTONIN – SICH LAUFEND WOHLFÜHLEN<br />

<strong>Sport</strong>liche Aktivität bewirkt einen Anstieg des Botenstoffs Serotonin <strong>im</strong> Gehirn. Der Neurotransmitter<br />

Serotonin beeinflusst auf struktureller Ebene die Bildung neuronaler Netzwerke in seinen weitreichenden<br />

Zielgebieten. Obwohl prozentual gesehen dem zentralen serotonergen System des menschlichen Gehirns<br />

nur eine geringe Rolle zukommt (über 90 Prozent des <strong>im</strong> Körper befindlichen Serotonins sind <strong>im</strong> Magen-<br />

Darm-Trakt, weitere fast 10 Prozent sind in den Thrombozyten nachweisbar; auf das Gehirn entfällt lediglich<br />

etwa 1 Prozent des <strong>im</strong> gesamten Körper befindlichen Serotonins), 70 ist die funktionsgebende Relevanz des<br />

serotonergen Systems nicht zu unterschätzen. Man geht davon aus, dass es <strong>im</strong> Zentralnervensystem kaum<br />

eine Nervenzelle gibt, die nicht in ihrer Funktion durch Serotonin beeinflusst wird. 70 Der Neurotransmitter<br />

Serotonin beeinflusst praktisch alle zentralnervös gesteuerten Funktionen und ist so beteiligt an der Regulation<br />

von St<strong>im</strong>mung, Appetit, Schlaf, Schmerzverarbeitung, neuroendokrinen Funktionen, Angst, Gedächtnis,<br />

Aggression, Stressverarbeitung, motorischer Aktivität und der zirkadianen Rhythmik. 70 Serotonin ist deshalb<br />

bei den unterschiedlichsten psychiatrischen und neurologischen Erkrankungen, wie Parkinson, Chorea<br />

Huntington, Restless-legs- und Gilles-de-la-Tourette-Syndrom, bei Multipler Sklerose, Migräne, Depressionen,<br />

Zwangs-, Angst- und Persönlichkeitsstörungen, Schizophrenien, Suchterkrankungen, bei Schlaf- und<br />

Essstörungen, Demenz und be<strong>im</strong> kindlichen hyperkinetischen Syndrom, von Bedeutung. 70 Kann das Serotoninsystem<br />

aufgrund genetischer oder nachteiliger frühkindlicher Entwicklungsbedingungen nicht opt<strong>im</strong>al<br />

ausreifen, besteht, so vermutet man, schon früh die Prädisposition für <strong>im</strong>pulsives, antisoziales, aggressives<br />

und/oder melancholisches Verhalten, woraus in der weiteren Folge neurologisch-psychiatrische Erkrankungen<br />

entstehen können. 70<br />

Ausgangsstoff für die Serotoninbiosynthese ist die Aminosäure Tryptophan. 70 Bei Ausdauerbelastungen geht<br />

das an das Plasmaeiweiß gebundene Tryptophan (TRP) durch den Anstieg freier Fettsäuren in eine freie Form<br />

(f-TRP) über und kann damit die Blut-Hirn-Schranke passieren. 71 Die Transportrate an diesem Übergang hängt<br />

von der relativen Größe der peripheren Plasmaspiegel ab. Da die verzweigtkettigen Aminosäuren, die mit<br />

der gesteigerten Konzentration an freiem Tryptophan um den Eintritt in das Gehirn konkurrieren, verstärkt<br />

von der Muskulatur aufgenommen werden, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass das f-TRP an der Blut-Hirn-<br />

Schranke einen Transporter besetzen und auf diese Weise in das Gehirn gelangen kann. Aus Tryptophan wird<br />

schließlich Serotonin synthetisiert. 71<br />

= Eiweiß<br />

= Tryptophan<br />

= freie Fettsäure<br />

= Carrier (Transporter)<br />

= andere Aminosäuren<br />

= Serotonin<br />

Das freie Tryptophan besetzt<br />

einen Carrier und kann damit die<br />

Blut-Hirn-Schranke passieren.<br />

Das freie Tryptophan<br />

befindet sich damit <strong>im</strong><br />

Gehirn.<br />

Das freie Tryptophan wird<br />

in Serotonin umgewandelt.<br />

In den ersten<br />

10 Erholungsminuten steigt<br />

die Serotoninkonzentration<br />

nochmals an.<br />

Im Gehirn<br />

Blut-Hirn-Schranke<br />

Seite 93


<strong>Sport</strong>liche Belastungen können über die Steigerung der Serotoninbiosynthese eine Zunahme der zentralen<br />

serotonergen Aktivität bewirken. Die nachgewiesene st<strong>im</strong>mungssteigernde und angstlösende Wirkung des<br />

<strong>Sport</strong>s sowie die Verbesserung geistiger Funktionen, wie der exekutiven Funktionen, 72 nach körperlicher<br />

Belastung werden unter anderem auf Mechanismen zurückgeführt, die letztlich dazu führen, vermehrt Serotonin<br />

bereitzustellen. An gesunden Probandinnen und Probanden wurde nachgewiesen, dass eine Erhöhung<br />

der Serotoninkonzentration durch die Verabreichung eines serotoninsteigernden Antidepressivums über<br />

einen Zeitraum von ein bis vier Wochen zu positiven Effekten hinsichtlich Persönlichkeit und Verhalten (wie<br />

Reizbarkeit, beleidigendes Verhalten, negativer Affekt und Zugehörigkeitsgefühl) 73 führt. Regelmäßiges sportliches<br />

Training lässt folglich positive Effekte (u.a. auf die Selbstregulationsfähigkeit) bei Menschen sowohl mit<br />

als auch ohne psychopathologische Beeinträchtigungen erwarten.<br />

SOZIALES LERNEN UND SOZIALE INTEGRATION DURCH DEN SPORT<br />

Während das Abspeichern von Fakten und Ereignissen durch den Hippokampus erfolgt, findet soziales Lernen<br />

weitgehend <strong>im</strong> Stirnhirn statt, das erst mit ca. 30 Jahren vollständig entwickelt ist und allgemeine Regeln<br />

lernt. 13 Für das Lernen von allgemeinen Regeln gilt Folgendes: Die Regeln, die wir in einem best<strong>im</strong>mten Kontext<br />

lernen, können wir auf andere Kontexte übertragen. Von sozialen Kompetenzen und Werten, die über<br />

den <strong>Sport</strong> vermittelt und erlebt werden, wie Teamfähigkeit, Leistungsbereitschaft und Disziplin, können wir<br />

folglich in anderen Bereichen profitieren.<br />

Wenn Kinder und Jugendliche <strong>Sport</strong> treiben, lernen sie Selbstwirksamkeit, d.h., sie lernen: „Ich kann es!“,<br />

und sie lernen: „Wenn ich mir Mühe gebe, werde ich besser.“ Wenn man trainiert, lernt man, und allmählich<br />

beherrscht man einen Bewegungsablauf, den man vorher noch nicht konnte, und das macht unmittelbar<br />

Freude und bedeutet Erfolg. Auf diese Weise lernen die Heranwachsenden, dass Lernen Freude macht und<br />

zum Erfolg führen kann. Und wenn sie zudem in einem Wettkampf bestehen oder an einer Aufführung teilnehmen,<br />

dann lernen sie, dass sie in der Lage sind, eigene Ängste zu überwinden. Somit lernen sie auf eine<br />

allgemeine Art wichtige Kompetenzen. Das Gehirn ist nicht dazu geeignet, Einzelheiten zu lernen. Im Gehirn<br />

speichert man allgemeines Wissen über die Welt. Einzelne Fakten sind vergleichsweise unwichtig. 13 Wichtig<br />

ist das, was man an Fertigkeiten, Fähigkeiten, Einstellungen und Haltungen erlernt. Und dies gilt es in<br />

der Schule und <strong>im</strong> <strong>Sport</strong> zu vermitteln, weil man diese Kompetenzen <strong>im</strong> Leben ständig benötigt. Über den<br />

<strong>Sport</strong> ist es möglich, die Leistungsbereitschaft von Kindern und Jugendlichen sowie die adäquate Ausformung<br />

sozialer Umgangsregeln und damit die Selbstregulation zu fördern, die auch in anderen Lebensbereichen<br />

wichtig sind. Gerade der <strong>Sport</strong> in der Gemeinschaft, in der soziale Interaktion stattfindet, ist deshalb ein idealer<br />

Ort, an dem Kinder und Jugendliche „für das Leben lernen“. Auch auf Grundlage dieser Erkenntnisse sollte<br />

dem <strong>Sport</strong>unterricht an Schulen und den Vereinsangeboten eine größere Bedeutung zugesprochen werden.<br />

Bereits eine frühe motorische St<strong>im</strong>ulation von Kleinkindern führt später, <strong>im</strong> Alter von vier bis sechs Jahren,<br />

zu einer höheren sozialen Kontaktbereitschaft und Selbstständigkeit. Kinder mit geringeren motorischen Fähigkeiten<br />

weisen dagegen eine geringere Kontaktbereitschaft sowie einen niedrigeren Beliebtheitsgrad auf<br />

als motorisch geschickte Kinder. 74 Vor allem übergewichtige Kinder sind sozialen Stigmatisierungen und damit<br />

dem Risiko einer ungünstigen psychosozialen Entwicklung ausgesetzt. 75 Soziale Ausgrenzung erfahren auch<br />

Kinder und Jugendliche aus bildungsfernen Schichten oder Kinder mit Migrationshintergrund in besonderem<br />

Maße. Diese gesellschaftlichen Gruppen weisen in <strong>Sport</strong>vereinen eine erheblich niedrigere Mitgliederquote<br />

auf als deutsche Kinder. 70 Vergleicht man den erteilten <strong>Sport</strong>unterricht in den verschiedenen Schulformen,<br />

sind Kinder aus bildungsfernen Schichten aber nicht nur <strong>im</strong> Vereinssport, sondern auch hinsichtlich des Schulsports<br />

benachteiligt, denn sie erhalten auch weniger <strong>Sport</strong>unterricht. 61<br />

Selbst milde Formen sozialer Ausgrenzung verursachen Schmerz <strong>im</strong> Gehirn. Dies bestätigen bildgebende Studien,<br />

mit denen nachgewiesen werden konnte, dass bereits soziale Ausgrenzung durch eine ballspielende<br />

77, 78<br />

Gruppe zu einem vergleichbaren Aktivitätsmuster <strong>im</strong> Gehirn führt, wie physisch empfundener Schmerz.<br />

An diesen beiden Empfindungen ist der anteriore cinguläre Kortex beteiligt (vgl. 48). Bei dieser Hirnstruktur<br />

handelt es sich um ein Alarmsystem, das in Konfliktsituationen aktiviert wird. Dabei macht es für das Gehirn<br />

offenbar keinen Unterschied, ob ihm durch körperlich oder psychisch wahrgenommenen Schmerz signalisiert<br />

wird: Hier ist etwas nicht in Ordnung!<br />

Seite 94


VORDERER CINGULÄRER KORTEX<br />

BLAU<br />

ACC-Aktivierungen findet man bei sozialer Ausgrenzung, unter körperlichem Schmerz und in der inkongruenten Bedingung einer Stroop-Aufgabe.<br />

Somit steht der <strong>Sport</strong> vor einer zentralen Herausforderung. <strong>Sport</strong> hat eine wichtige Integrationsfunktion. Er sollte<br />

so organisiert sein, dass Kinder und Jugendliche Erfolgserlebnisse erfahren und eine Position einnehmen können,<br />

die sie zu einem wichtigen Bestandteil der Gruppe bzw. der Mannschaft macht. In jeder <strong>Sport</strong>einheit sollte<br />

deshalb das Ziel verfolgt werden, kooperatives Verhalten von Kindern und Jugendlichen zu fördern. Kooperation<br />

bedeutet dabei vor allem auch Rücksichtnahme gegenüber untrainierteren oder körperlich Schwächeren. Das<br />

erfordert Verhaltensweisen, die man von Kindern nicht uneingeschränkt erwarten kann, sondern die <strong>im</strong> Laufe<br />

der Entwicklung erlernt werden müssen. 13 Wertgeleitetes Handeln wird über das Frontalhirn gesteuert, dessen<br />

Verbindungen zu anderen Gehirnbereichen als Letztes mit einer isolierenden Myelinschicht versehen werden.<br />

Nicht myelinisierte Nervenfasern können Informationen (Aktionspotenziale) nur langsam weiterleiten und sind<br />

deshalb nicht voll funktionsfähig. Das bedeutet aber nicht, dass wertgeleitetes Handeln erst nach Abschluss der<br />

Myelinisierung erlernt werden kann. Heranwachsende benötigen dafür ausreichend Zeit und Raum zum Probehandeln.<br />

Unterstützt wird dieser Prozess durch gute Vorbilder und klare Regeln. Diese sind <strong>im</strong> <strong>Sport</strong> eindeutig<br />

definiert und werden bei Nichteinhaltung sanktioniert. Aus diesem Grund sollten durch den <strong>Sport</strong>, neben Leistungsbereitschaft<br />

und Durchsetzungsvermögen, sowohl wichtige sportspezifische als auch sportübergreifende<br />

Werte wie Teamgeist, Toleranz, Verantwortungsbewusstsein und Fairness bis in die letzte Jahrgangsstufe nicht<br />

nur theoretisch vermittelt, sondern auch <strong>im</strong> Spiel regelmäßig erprobt werden. Es gibt sie also, die Möglichkeit,<br />

über <strong>Sport</strong> soziale Kompetenzen zu erlernen. Aber dies geschieht in erster Linie durch eigenes Handeln <strong>im</strong> <strong>Sport</strong>.<br />

Seite 95


FAIRPLAY! SONST SCHLÄGT SPORT AUF DEN MAGEN<br />

77 Prozent der Schülerinnen und Schüler und 79 Prozent der Lehrerinnen und Lehrer sehen eine wichtige Aufgabe<br />

des <strong>Sport</strong>unterrichts darin, den fairen Umgang miteinander zu üben und zu fördern. Für Schulleiterinnen<br />

und Schulleiter, Lehrerinnen und Lehrer stellt Fairness damit das wichtigste Ziel des <strong>Sport</strong>unterrichts dar. 61<br />

Für das Gehirn ist faires Verhalten gleichzusetzen mit einem Sieg. Auf unfaires Verhalten reagiert es dagegen<br />

mit Schmerz und körperlichem Unwohlsein über die Aktivierung des Gehirnabschnitts, der den Magen<br />

repräsentiert. Verhält sich ein <strong>Sport</strong>ler fair, werden be<strong>im</strong> Beobachter das gehirneigene Belohnungssystem<br />

und, damit verbunden, das ventrale Striatum und der orbitofrontale Kortex aktiviert. 79 Die Aktivierung dieses<br />

Belohnungssystems bei kooperativem Verhalten verstärkt dieses Verhalten und motiviert den Beobachter<br />

selbst zur Kooperation. 13 Aus diesem Grund sind gute Vorbilder <strong>im</strong> <strong>Sport</strong> so wichtig. Durch faires Verhalten<br />

des <strong>Sport</strong>lers reagiert das Gehirn des Beobachters aufgrund der gesteigerten Aktivierung <strong>im</strong> ventralen Striatum<br />

und <strong>im</strong> orbitofrontalen Kortex mit Zust<strong>im</strong>mung und Empathie. Das faire Verhalten motiviert den Beobachter<br />

auf diese Weise dazu, sich ebenfalls kooperativ und fair zu verhalten. Fairness bekommt dem Gehirn<br />

also ebenso gut wie ein Sieg, denn in beiden Fällen wird das Belohnungssystem über dieselben neuronalen<br />

Mechanismen aktiviert. Unfaires Verhalten quittiert das Gehirn dagegen über die Aktivierung der rechten<br />

Insel mit körperlichem Unwohlsein. 80<br />

FAIRPLAY<br />

VENTRALES STRIATUM<br />

ORBITOFRONTALER KORTEX<br />

UNFAIRNESS<br />

RECHTE INSEL<br />

Seite 96


Damit der <strong>Sport</strong> uns nicht auf den Magen schlägt, gibt es Regeln und Schiedsrichter bzw. <strong>Sport</strong>lehrer, Übungsleiter<br />

und Trainer, aber auch die <strong>Sport</strong>ler selbst, die auf die Einhaltung der Regeln achten. Bei Nichteinhaltung<br />

der Regeln wird der <strong>Sport</strong>ler über eine dritte und neutrale Instanz, den Schiedsrichter bzw. das Kampf- oder<br />

Schiedsgericht, bestraft. Für das Gehirn ist es nicht bedeutend, dass die geschädigte Person selbst die Sanktionierung<br />

durchführt. Bildgebende Studien haben gezeigt, dass es, neurobiologisch betrachtet, ausreicht, wenn<br />

Recht durch einen Dritten gesprochen wird, dann nämlich wird das ventrale Striatum des Belohnungssystems<br />

aktiviert. 81 Der <strong>Sport</strong> schafft ideale Rahmenbedingungen dafür, sich gemäß den Spielregeln zu verhalten und<br />

auf diese Weise faires bzw. kooperatives und damit selbstreguliertes Verhalten zu erlernen.<br />

Filmverweis:<br />

• Fechten 5<br />

FAZIT<br />

Das Gehirn ist anpassungsfähiger als ein trainierter Muskel; es gilt als das anpassungsfähigste Organ des<br />

menschlichen Körpers überhaupt. Die Neuroplastizität schafft die Voraussetzung dafür, dass über <strong>Sport</strong> und<br />

Bewegung auf die Gehirnstrukturen und deren Funktionen eingewirkt werden kann. Dieser Prozess, der<br />

bereits <strong>im</strong> Fetalstadium einsetzt, hält über die gesamte Lebensspanne an und ist damit von der Kindheit bis<br />

ins hohe Alter von Bedeutung.<br />

Auf struktureller Ebene fördert körperliche Aktivität die Neubildung, das Wachstum, die Aufrechterhaltung<br />

und Vernetzung von Nervenzellen. Diese Adaptionen erfolgen unter anderem auf der Grundlage einer belastungs-<br />

und trainingsbedingten Erhöhung neurotropher Wachstumsfaktoren und über die gesteigerte Konzentration<br />

von Neurotransmittern wie Serotonin. Die Anzahl der Nervenzellen und die Verbindung, die sie mit<br />

anderen Neuronen eingehen, beeinflussen dabei kognitive, emotionale und soziale Funktionen. Insbesondere<br />

exekutive Funktionen und die Fähigkeit zur Selbstregulation, die für die Lernleistung von Kindern und<br />

Jugendlichen, aber auch für deren sozial-emotionale Entwicklung wichtig sind, können <strong>im</strong> <strong>Sport</strong> und durch<br />

den <strong>Sport</strong>unterricht gefördert werden. Soziales Lernen findet <strong>im</strong> Stirnhirn statt, in dem allgemeine Regeln<br />

repräsentiert sind. Es erfolgt am günstigsten durch eigenes Handeln in der Gruppe. Dabei können soziale<br />

Werte, die über den <strong>Sport</strong> vermittelt werden, auf andere Kontexte übertragen werden. Wer durch den <strong>Sport</strong><br />

lernt, Erfolge zu erarbeiten und Niederlagen zu bewältigen, wird von diesen Kompetenzen auch in anderen<br />

Lebensbereichen profitieren. Ist das <strong>Sport</strong>angebot in Kindergärten, Schulen und Vereinen also darauf ausgerichtet,<br />

die Selbstregulation von Kindern und Jugendlichen zu fördern, kann die dort erlernte Selbstregulationsfähigkeit<br />

auf andere Bereiche und Lernsituationen übertragen werden. Dabei gilt es zu beachten, dass<br />

das Erlernen der Selbstregulation nicht von heute auf morgen und nicht allein aufgrund von Einsicht erfolgt.<br />

Da der präfrontale Kortex sich langsam entwickelt und vergleichsweise langsam lernt, benötigen Kinder und<br />

Jugendliche <strong>im</strong> Laufe ihrer Entwicklung sehr viele Situationen, in denen sie selbstreguliertes Verhalten üben<br />

und auf diese Weise lernen können. Ein <strong>Sport</strong>angebot, das auf die Förderung der exekutiven Funktionen und<br />

der Selbstregulation ausgerichtet ist, kann einen wichtigen Beitrag dazu leisten. 9<br />

Das psychische Wohlbefinden steht ebenfalls in einem engen Zusammenhang mit körperlicher Aktivität.<br />

„Verbrennt“ der Körper durch sportliche Aktivität Fett, bewirkt dies einen Anstieg von Serotonin <strong>im</strong> Gehirn,<br />

der sich positiv auf das Wohlbefinden auswirkt, indem die St<strong>im</strong>mung gesteigert und aggressives Verhalten<br />

reduziert wird. Die durch körperliche Aktivität angeregte Serotoninbiosynthese unterstützt auf diese Weise<br />

die Selbstregulationsfähigkeit. Serotonin hat zudem einen st<strong>im</strong>ulierenden Einfluss auf den Wachstumsfaktor<br />

BDNF, der die Neurogenese anregt. Über die durch muskuläre Beanspruchung induzierte Neubildung von<br />

Nervenzellen <strong>im</strong> Hippokampus werden Lern- und Gedächtnisprozesse gefördert. Voraussetzung dafür ist,<br />

dass man ohne Stress, d.h. freiwillig und mit Freude seine körperliche Leistungsfähigkeit trainiert. Gleichzeitig<br />

schützt körperliche Aktivität vor den negativen Folgen von Stress und damit vor einem Rückgang neurotropher<br />

Wachstumsfaktoren. Für die Förderung von Lernprozessen ist es weiterhin wichtig, dass ohne Angst und<br />

damit ohne die Aktivierung der Amygdala, also in einem positiven emotionalen Kontext über den Hippokampus<br />

gelernt wird. Es gilt daher also, über muskuläre Beanspruchung Angst abzubauen und das Wohlbefinden<br />

zu steigern, damit über positive Emotionen die Lernleistung verbessert werden kann. Durch <strong>Sport</strong> und Bewegung<br />

läuft Lernen also leichter!<br />

Seite 97


ENTWICKLUNGSGESCHICHTEN - TEIL 3<br />

EXEKUTIVE FUNKTIONEN<br />

VOM ANFÄNGER ZUM PROFI<br />

EXEKUTIVE FUNKTIONEN ENTWICKELN SICH FORTLAUFEND VON DER FRÜHEN KINDHEIT<br />

(AB CA. 1 JAHR) BIS INS ERWACHSENENALTER (VON CA. 30 JAHREN). DIE ENTWICKLUNG<br />

DER EXEKUTIVEN FUNKTIONEN VERLÄUFT PARALLEL ZUR ENTWICKLUNG DES PRÄFRON-<br />

TALEN KORTEX. JE WEITER DER PRÄFRONTALE KORTEX ENTWICKELT IST, DESTO BESSER<br />

ARBEITEN DIE EXEKUTIVEN FUNKTIONEN. MIT ZUNEHMENDEM ALTER KÖNNEN SICH<br />

EXEKUTIVE FUNKTIONEN WIEDER ZURÜCKBILDEN.<br />

EXEKUTIVE FUNKTIONEN ÜBER DIE LEBENSSPANNE<br />

EXEKUTIVE FUNKTIONEN<br />

Leistungszunahme<br />

mit zunehmendem<br />

Alter<br />

Höchstwert <strong>im</strong> jungen<br />

Erwachsenenalter<br />

Möglicher Rückgang<br />

<strong>im</strong> höheren Alter<br />

1 3 5 12 20 30 60<br />

ALTER (JAHRE)<br />

NEBEN DER GENETISCH VORPROGRAMMIERTEN STRUKTURELLEN<br />

REIFUNG DES GEHIRNS WIRD DIE ENTWICKLUNG DER EXEKUTI-<br />

VEN FUNKTIONEN DURCH DIE KOGNITIVEN HERAUSFORDERUN-<br />

GEN IM ALLTAG UND BEIM LERNEN (IMPLIZITES TRAINING ÜBER<br />

JAHRE) BEEINFLUSST. EIN GEZIELTES (EXPLIZITES) TRAINING –<br />

AB EINEM ZEITRAUM VON MEHREREN WOCHEN – KANN DIESEN<br />

ENTWICKLUNGSPROZESS ENTSCHEIDEND UNTERSTÜTZEN UND<br />

ZUR ERFAHRUNGSABHÄNGIGEN REIFUNG DES GEHIRNS UND<br />

DAMIT ZUR FÖRDERUNG DER EXEKUTIVEN FUNKTIONEN WESENT-<br />

LICH BEITRAGEN. 82<br />

OFFENE FORSCHUNGSFRAGEN BESTEHEN ZUR INTER-<br />

AKTION VON GENEN UND UMWELT SOWIE ZU<br />

EINFLUSSFAKTOREN WIE ERNÄHRUNG, STRESS, MOTI-<br />

VATION, EMOTIONEN UND SOZIALEN PROZESSEN AUF<br />

DIE ENTWICKLUNG EXEKUTIVER FUNKTIONEN.


ENTWICKLUNG<br />

EXEKUTIVER<br />

FUNKTIONEN<br />

STÄRKERE<br />

VERNETZUNG<br />

INNERHALB EINES<br />

LOKALEN<br />

NETZWERKES<br />

STRUKTURELLE<br />

UND FUNKTIONELLE<br />

VERNETZUNG<br />

VERSCHIEDENER<br />

GEHIRNREGIONEN<br />

• Zunehmende<br />

Myelinisierung von<br />

Axonen.<br />

• Der Abbau von<br />

weniger genutzten<br />

synaptischen<br />

Verbindungen, der bis<br />

nach der Pubertät anhält,<br />

bewirkt eine effizientere<br />

Informationsverarbeitung.<br />

• Zunahme an<br />

Neurotransmitterkonzentrationen.<br />

GEZIELTES<br />

KOGNITIVES<br />

TRAINING<br />

über mehrere<br />

Wochen/Monate<br />

KOGNITIVE<br />

HERAUS-<br />

FORDERUNGEN<br />

IM ALLTAG<br />

UND BEIM LERNEN<br />

über Jahre<br />

GENETISCH<br />

VORPROGRAMMIERTE<br />

REIFUNG<br />

UMWELTEINFLÜSSE<br />

Interaktion des<br />

Organismus mit seiner<br />

Umwelt


DIE KOMBINIERTE WIRKUNG DER FORTSCHREITENDEN MYELINISIERUNG<br />

UND DER REDUZIERTEN SYNAPTISCHEN DICHTE KANN DEN HÄUFIG BEOB-<br />

ACHTETEN AKTIVITÄTSRÜCKGANG FRONTALER REGIONEN BEI KOGNITI-<br />

VEN AUFGABEN MIT ZUNEHMENDEM ALTER ERKLÄREN.<br />

KINDER ZEIGEN IM VERGLEICH ZU JUGENDLICHEN UND ERWACHSENEN<br />

EINE WEITRÄUMIGERE UND DIFFUSERE AKTIVITÄT IM FRONTALEN<br />

KORTEX. MIT ZUNEHMENDEM ALTER WIRD BEI DER BEARBEITUNG EINER<br />

KOGNITIVEN AUFGABE DIE AKTIVIERUNG RÄUMLICH BEGRENZTER.<br />

DIESE FOKALE AKTIVIERUNG STEHT FÜR EINE EFFIZIENTERE INFORMA-<br />

TIONSVERARBEITUNG. MAN SPRICHT IN DIESEM ZUSAMMENHANG AUCH<br />

VON EINEM „FEINTUNING“ DER FÜR DIE AUFGABE ENTSCHEIDENDEN<br />

NEURONALEN SYSTEME. 83<br />

Pass!<br />

He, das nervt!<br />

Hör auf!<br />

ENTWICKLUNGSBEDINGTE VERÄNDERUNG IN<br />

DER GEHIRNAKTIVIERUNG BEI EINER GONOGO-<br />

AUFGABE ZU ZWEI MESSZEITPUNKTEN INNER-<br />

HALB EINER STICHPROBE – GEMESSEN IM ALTER<br />

VON 9 UND EIN WEITERES MAL IM ALTER VON<br />

11 JAHREN. BLAU HERVORGEHOBEN SIND DIE<br />

KORTEXBEREICHE, BEI DENEN EIN RÜCKGANG<br />

IN DER GEHIRNAKTIVIERUNG IM VERLAUF DER<br />

ZWEI JAHRE GEMESSEN WURDE. NUR IM VEN-<br />

TRALEN PRÄFRONTALEN KORTEX WURDE EINE<br />

ZUNAHME AN AKTIVIERUNG NACHGEWIESEN<br />

(ORANGE/ROT DARGESTELLT). WISSENSCHAFT-<br />

LER GEHEN DAVON AUS, DASS EINE AKTIVIE-<br />

RUNG IN DIESEM BEREICH ENTSCHEIDEND FÜR<br />

DIE AUFGABENBEARBEITUNG IST. 83<br />

Was macht ihr am<br />

Wochenende?<br />

GLEICHZEITIG NIMMT, UNABHÄNGIG VOM ALTER,<br />

DIE AKTIVIERUNG IM PRÄFRONTALEN KORTEX<br />

MIT ZUNEHMENDER EXPERTISE UND AUTOMATI-<br />

SIERUNG AB. EXPERTEN ZEIGEN IM VERGLEICH<br />

ZU ANFÄNGERN EINE ALLGEMEIN GERINGERE<br />

GEHIRNAKTIVIERUNG, VERBUNDEN MIT EINER<br />

ZUNAHME AN AKTIVIERUNG IN STARK AUFGA-<br />

BENRELEVANTEN GEHIRNBEREICHEN.<br />

BEI JUNGEN SPORTLERN, DEREN PRÄFRONTA-<br />

LER KORTEX UND EXEKUTIVE FUNKTIONEN<br />

SICH NOCH IN DER ENTWICKLUNGSPHASE


Kopf<br />

hoch be<strong>im</strong><br />

Prellen!<br />

Wenn ich den<br />

Ball nach dem<br />

Prellen in beide<br />

Hände nehme...<br />

Lass<br />

dir Zeit!<br />

3 Sekunden sind<br />

ganz schön lang<br />

lang!<br />

Pass genau und<br />

nicht zu stark.<br />

Dein Mitspieler<br />

muss den Ball auch<br />

fangen können.<br />

... darf<br />

ich den Ball<br />

nicht länger als<br />

3 Sekunden<br />

halten...<br />

Du kannst auch<br />

einen Schlagwurf<br />

aus dem Stand<br />

spielen.<br />

Und denk an den<br />

langen Arm!<br />

... darf ich<br />

noch einen, zwei<br />

oder drei Schritte<br />

machen und<br />

dann aufs Tor<br />

werfen...<br />

... kann<br />

ich den Ball zu<br />

einem Mitspieler<br />

passen...<br />

1 2 3<br />

BEFINDEN UND BEI DENEN MOTORISCHE ABLÄUFE<br />

NOCH NICHT AUTOMATISIERT ABLAUFEN, AR-<br />

BEITET DAS GEHIRN ALSO AUF HOCHTOUREN,<br />

ABER NOCH NICHT EFFIZIENT. IHR EXEKUTIVES<br />

SYSTEM IST DAMIT IN VIELEN TRAININGS-<br />

ABLÄUFEN NICHT SELTEN STARK GEFORDERT<br />

BIS ÜBERFORDERT. KLARE REGELN UND RITUA-<br />

LISIERTE ABLÄUFE ENTLASTEN DAS EXEKUTIVE<br />

SYSTEM DER JUNGEN ATHLETEN UND UNTER-<br />

STÜTZEN SO IHRE AUFMERKSAMKEITS- UND<br />

IMPULSKONTROLLE, IHR ARBEITSGEDÄCHTNIS<br />

UND IHRE UMSTELLUNGSFÄHIGKEIT.<br />

... darf ich<br />

den Ball nicht<br />

mehr prellen.<br />

WERDEN DIE GRUNDTECHNIKEN BEHERRSCHT UND SIND DIE SPIEL-<br />

REGELN VERINNERLICHT, BLEIBT MEHR KOGNITIVE KAPAZITÄT, UM<br />

IN KOMPLEXEN SPIELSITUATIONEN FOKUSSIERT ZU BLEIBEN, DIE<br />

RICHTIGEN ENTSCHEIDUNGEN ZU TREFFEN UND HANDLUNGS-<br />

SCHNELL REAGIEREN ZU KÖNNEN. AUCH DABEI UNTERSTÜTZEN<br />

DEN SPIELER GUT ENTWICKELTE BZW. GEZIELT TRAINIERTE EXE-<br />

KUTIVE FUNKTIONEN.


NACHGEFRAGT: DER SPORT MACHT‘S!<br />

Neuroplastizität<br />

• Was versteht man unter Neuroplastizität?<br />

• Auf welche Gehirnprozesse n<strong>im</strong>mt körperliche Aktivität Einfluss?<br />

• Nennen Sie zwei Beispiele, die deutlich machen, dass <strong>Sport</strong> und Bewegung über die gesamte Lebensspanne<br />

für die kognitive Leistungsfähigkeit förderlich ist.<br />

Hippokampale Neurogenese<br />

• Erläutern Sie die Bedeutung des Hippokampus für Lernprozesse.<br />

• Was versteht man unter Neurogenese?<br />

• Welchen Einfluss übt ein körperliches Training auf den Hippokampus aus?<br />

• Warum sollte man sich vor dem Lernen körperlich belasten?<br />

Wachstumsfaktor BDNF<br />

• Wofür steht die Abkürzung BDNF?<br />

• Welchen Einfluss übt ein Ausdauertraining auf den BDNF aus?<br />

• Welche anderen körperlichen Belastungsformen beeinflussen die BDNF-Konzentration und in weiterer<br />

Form Lernleistungen?<br />

Exekutive Funktionen<br />

• Nennen Sie je zwei Beispiele für Effekte<br />

* eines mehrmonatigen körperlichen Trainings,<br />

* einer gesteigerten körperlichen Fitness und<br />

* von akuten Belastungen auf exekutive Funktionen.<br />

• Beschreiben Sie einen Übungsablauf für ein 4-minütiges Intervalltraining, mit dem auf die selektive Aufmerksamkeit<br />

und die Verhaltenssteuerung positiv eingewirkt werden kann.<br />

Weitere Einflussbereiche von <strong>Sport</strong> und Bewegung<br />

• Erklären Sie die aggressions- und stressreduzierende, st<strong>im</strong>mungssteigernde sowie angstlösende Wirkung<br />

von <strong>Sport</strong> bzw. körperlicher Aktivität.<br />

• Was unterscheidet den Hippokampus vom präfrontalen Kortex in Bezug aufs Lernen?<br />

• Welche Auswirkungen hat soziale Ausgrenzung auf das Gehirn?<br />

• Worauf kommt es be<strong>im</strong> Lernen sozialer Kompetenzen <strong>im</strong> <strong>Sport</strong> an?<br />

• Was bewirkt unfaires Verhalten <strong>im</strong> Gehirn?<br />

• Was aktiviert faires Verhalten <strong>im</strong> Gehirn?<br />

Entwicklungsgeschichten Teil 3 – Exekutive Funktionen<br />

• Beschreiben Sie einen normalen Entwicklungsverlauf exekutiver Funktionen <strong>im</strong> Lebensverlauf.<br />

• Welche Faktoren beeinflussen die Entwicklung exekutiver Funktionen?<br />

• Welche Chance besteht in einem gezielten Training exekutiver Funktionen?<br />

• Wie erklärt man sich <strong>im</strong> Verlauf der Gehirnentwicklung den Rückgang an neuronaler Aktivität bei einer<br />

Aufgabe?<br />

• Durch welche (weiteren) Faktoren wird der Aktivitätsrückgang beeinflusst?<br />

• Erklären Sie eine mögliche kognitive Überforderung von Kindern und Jugendlichen in komplexeren Spielsituationen.<br />

Seite 102


Seite 103


IM INTERVIEW: MARIE OTTILIE FRENKEL<br />

Dr. Marie Ottilie Frenkel ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für <strong>Sport</strong> und<br />

<strong>Sport</strong>wissenschaft, Universität Heidelberg, angewandte <strong>Sport</strong>psychologin und Lehrerin<br />

für Psychologie, <strong>Sport</strong> und Französisch an einem Heidelberger Gymnasium.<br />

«DAS, WAS WIR IM KOPF AUS DER SITUATION MACHEN,<br />

ERMÖGLICHT ES HINTERHER, ZU GEWINNEN ODER ZU VERLIEREN.»<br />

Sabine Kubesch: Warum sucht ein Athlet einen <strong>Sport</strong>psychologen auf?<br />

Marie Ottilie Frenkel: Die Gründe dafür sind vielfältig. Einmal kann es<br />

sein, dass die Person Leistungseinbußen z.B. in der Form hat: Im Training<br />

bringe ich Bestleistung, da breche ich meine eigenen Rekorde. Aber<br />

<strong>im</strong> Wettkampf, in dem Moment, in dem es eigentlich drauf ankommt, gelingt<br />

mir der Leistungsabruf nicht. Das heißt, in einer Drucksituation, wie es<br />

ein Wettkampf darstellt, ist die Person nicht mehr in der Lage, normale<br />

Leistungen zu erbringen. In der <strong>Sport</strong>psychologie spricht man in so einem<br />

Fall vom Trainingsweltmeister. Das ist so eine klassische Situation.<br />

Es kann aber auch sein, dass der <strong>Sport</strong>ler den <strong>Sport</strong>psychologen aufsucht,<br />

weil er sagt: Ich bin eigentlich ganz gut in meiner <strong>Sport</strong>art. Ich merke,<br />

dass ich motorisch an der Spitze bin, mit den besten Athleten konkurrieren<br />

kann, dass ich also, was das körperliche Training angeht, alles<br />

ausreize. Aber ich möchte jetzt gerne wissen, ob ich auf der mentalen<br />

Seite noch etwas machen kann, was ich bislang übersehen habe. Man sucht<br />

also auch dann einen <strong>Sport</strong>psychologen auf, wenn man körperlich nicht<br />

mehr rausholen kann, wenn man <strong>im</strong> Kader ist und international mitmischt<br />

und zu den Top 10 gehört. Wenn ein Athlet also den Wunsch hat, zu prüfen,<br />

ob er mental alles richtig macht. Ob er auf der psychologischen Seite<br />

die psychologische Flexibilität, um die es in der <strong>Sport</strong>psychologie geht,<br />

und die Selbstregulation, die er hat, auch voll ausschöpft.<br />

Du sprichst von Flexibilität und Selbstregulation, da sind wir ja genau bei<br />

unserem Thema. Sie beeinflussen also die sportliche Leistungsfähigkeit?<br />

<strong>Sport</strong>liche Leistung wird durch viele Faktoren bedingt. Zum Beispiel: wie<br />

oft trainiere ich, wie gut trainiere ich, was habe ich für einen Trainer<br />

und was für ein Trainingsumfeld, das mich unterstützt. Und dann mein eigener<br />

Körper: Wie fit bin ich <strong>im</strong> Moment, wie verletzungsfrei war ich in<br />

den letzten Monaten und in den letzten Jahren. Dann das soziale Umfeld,<br />

das mich unterstützt. Schließlich die Psyche. Und interessant ist das<br />

Verhältnis. Jede dieser vier Faktoren kann ein Viertel ausmachen und in<br />

dem Moment, wo ich Druck habe, in dem Moment, wo ich <strong>im</strong> Wettkampf bin, wo<br />

ich Leistung unter Druckbedingungen abrufen muss, verändert sich dieses<br />

Verhältnis. Dann kann es sein, dass quasi dem mentalen, dem psychischen<br />

Faktor eine viel größere Rolle zukommt als nur ein Viertel.<br />

UMFELD<br />

UMFELD<br />

PSYCHE<br />

SPORTLICHE<br />

LEISTUNG<br />

KÖRPER<br />

PSYCHE<br />

LEISTUNG<br />

UNTER DRUCK<br />

KÖRPER<br />

Einflussfaktoren<br />

sportlicher<br />

Leistungsfähigkeit 84<br />

TRAINING<br />

TRAINING<br />

Seite 104


Prof. Hans Eberspächer, der als Gründungsvater der angewandten <strong>Sport</strong>psychologie<br />

gilt, hat <strong>im</strong>mer gesagt, das Mentale kann 100 Prozent einer<br />

Leistung ausmachen. 85 Damit hat er gemeint, dass das Mentale eben eine<br />

Leistung auch zum Kippen bringen kann. Wie be<strong>im</strong> Trainingsweltmeister <strong>im</strong><br />

Wettkampf, der nicht mehr in der Lage ist, aufgrund von Versagensängsten,<br />

von Druck, von negativen Erlebnissen, von Stress seine normale<br />

Leistung abzurufen. Das Mentale sollte in der Regel die Leistung unterstützen.<br />

Es ist das Ziel, das man zusammen mit dem <strong>Sport</strong>psychologen<br />

erarbeitet, dass unsere Kognitionen und Emotionen, also die Art, wie<br />

wir denken und fühlen, die Leistung opt<strong>im</strong>al unterstützen. Damit man die<br />

Leistung auch unter Stressbedingungen dann, wenn die Psyche einen größeren<br />

Anteil hat, abrufen kann.<br />

Dazu kommt eine Komponente, die eine ganz besondere Bedeutung hat, nämlich<br />

die Bewertung. Man darf nicht vergessen, dass wir Menschen sind,<br />

die Dinge ständig bewerten. Wenn ich in einer entscheidenden Situation<br />

bin, z.B. wenn ich einen Elfmeter schießen soll, dann ist meine eigene<br />

Sicht auf die Situation, meine Bewertung unglaublich entscheidend. Wenn<br />

mir der Torwart übergroß erscheint, er besondere Fähigkeiten hat, wenn<br />

ich davon ausgehe, dass er meinen Schuss ganz sicher halten wird, dann<br />

habe ich schlechte Startvoraussetzungen. Dann werde ich geprägt von dieser<br />

negativen Bewertung. Wenn ich aber die Einstellung habe: Der Torwart<br />

ist gut, aber ich bin es ebenfalls. Mein Schuss ist sicher, ich habe die<br />

Fähigkeiten, den Ball jetzt ins Tor zu versenken, das richtig gut zu<br />

machen, mein Bestes zu geben. Mit dieser Bewertung gehen ganz andere Gedankengänge<br />

einher, darauf stellt sich ein Gefühl von Selbstwirksamkeit<br />

ein, was natürlich den opt<strong>im</strong>alen Leistungsabruf wesentlich erleichtert.<br />

Also eine ganz wichtige Komponente ist die Bewertung der Situation. Wie<br />

nehme ich die Situation wahr? Welches Label gebe ich der Situation?<br />

Das, was wir <strong>im</strong> Kopf aus der Situation machen, ermöglicht es hinterher,<br />

zu gewinnen oder zu verlieren. Andre Agassi hat mal gesagt: „Ich habe<br />

W<strong>im</strong>bledon 10.000-mal <strong>im</strong> Kopf gewonnen.“ Ein <strong>Sport</strong>ler, der einen siegreichen<br />

Ausgang <strong>im</strong> Kopf hat und<br />

diesen <strong>im</strong>mer wieder durchspielt,<br />

geht mit einer positiven Bewertung<br />

in den Wettkampf, und das gewünschte<br />

Ergebnis kann sich viel<br />

eher einstellen. Wenn man dagegen<br />

z.B. be<strong>im</strong> Golf kurz vor dem Putten<br />

denkt, ich treffe best<strong>im</strong>mt nicht,<br />

dann ist die Wahrscheinlichkeit,<br />

dass man nicht trifft, viel größer.<br />

Dann haben die Gedanken eine<br />

gewisse Macht über uns bzw. einen<br />

gewissen Einfluss auf unser Tun.<br />

Die spannende Frage, die die angewandte<br />

<strong>Sport</strong>psychologie versucht<br />

zu beantworten, ist: Was gibt es<br />

für Methoden, mit denen ich arbeiten<br />

kann, um den Leistungsabruf zu erleichtern, um die Gedanken und<br />

Gefühle so zu steuern, dass sie die Leistungen unterstützen und nicht,<br />

dass sie den Leistungsabruf verhindern? Darum geht es in der <strong>Sport</strong>psychologie!<br />

DIE SPANNENDE FRAGE, DIE DIE<br />

ANGEWANDTE SPORTPSYCHOLOGIE<br />

VERSUCHT ZU BEANTWORTEN, IST:<br />

WAS GIBT ES FÜR METHODEN, MIT<br />

DENEN ICH ARBEITEN KANN, UM DEN<br />

LEISTUNGSABRUF ZU ERLEICHTERN,<br />

UM DIE GEDANKEN UND GEFÜHLE<br />

SO ZU STEUERN, DASS SIE DIE LEIS-<br />

TUNGEN UNTERSTÜTZEN UND NICHT,<br />

DASS SIE DEN LEISTUNGSABRUF<br />

VERHINDERN? DARUM GEHT ES IN<br />

DER SPORTPSYCHOLOGIE!<br />

Seite 105


Du besprichst als <strong>Sport</strong>psychologin also mit dem <strong>Sport</strong>ler die Gedanken, die<br />

ihn oder sie in einer Wettkampfsituation begleiten?<br />

Genau! Das Vorgehen ist ganz strukturiert. Man hat zunächst ein Erstgespräch<br />

und legt mit dem <strong>Sport</strong>ler dessen Ziele fest. Dann folgen diagnostische<br />

Maßnahmen. Mit dieser Eingangsdiagnostik stellt man dann<br />

das Profil des <strong>Sport</strong>lers fest: Was hat er für Schwächen, was sind seine<br />

Stärken. Das ermöglicht dann eine gezieltere Intervention und eine<br />

genaue Zielformulierung. Wichtig dabei ist, dass die Intervention die<br />

Stärken nutzt, die der <strong>Sport</strong>ler mitbringt, um die gegebenen Schwächen<br />

zu überwinden. Man versucht heute ressourcenorientiert vorzugehen. Und<br />

wirklich erst ausführlich <strong>im</strong> Vorfeld zu klären, was ist da, was funktioniert<br />

schon ganz gut <strong>im</strong> Training und auch <strong>im</strong> Wettkampf. Und wie kann<br />

man dabei den <strong>Sport</strong>ler noch mehr unterstützen.<br />

Es gibt ein Modell, das von drei Ebenen ausgeht. 86 Das unterscheidet einmal<br />

das sportpsychologische Grundlagentraining auf der niedrigsten Ebene,<br />

dann das Fertigkeitstraining auf der zweiten Ebene und auf der dritten<br />

Ebene eine Krisenintervention. Diese kann für <strong>Sport</strong>ler, die bereits<br />

die sportpsychologischen Grundlagen und die Fertigkeiten beherrschen,<br />

z.B. <strong>im</strong> Fall einer Verletzung oder in einem Reha-Fall notwendig sein.<br />

Dabei gibt es eine Art von Überwachung – das nennt man Monitoring –,<br />

mit der ich dann in regelmäßigen Zeitabständen prüfe: Was haben wir gemacht,<br />

was hat die Intervention verändert, hat es was gebracht oder muss<br />

man eventuell die Maßnahmen entsprechend anpassen? Wenn wir nachher über<br />

einzelne Fälle sprechen, wird das noch einmal konkreter.<br />

GRUNDLAGENTRAINING<br />

Atemübungen<br />

Progressive<br />

Muskelentspannung<br />

Autogenes<br />

Training<br />

Teambuilding<br />

FERTIGKEITSTRAINING<br />

Zielsetzung<br />

Entwicklung des<br />

Bewegungsgefühls<br />

KRISENINTERVENTION<br />

Rehabilitation<br />

nach Verletzungen<br />

Selbstgesprächsregulation<br />

Selbstwirksamkeitsüberzeugung<br />

Aufmerksamkeitsregulation<br />

Vorstellungsregulation<br />

Misserfolgsverarbeitung<br />

Psychotherapie<br />

Karriereende<br />

Konflikte in der<br />

Mannschaft<br />

<strong>Sport</strong>psychologische Interventionen und Einsatzbreiche 87<br />

Lass uns doch gleich einmal konkret werden. Kannst du am Beispiel eines<br />

<strong>Sport</strong>lers beschreiben, wie eine sportpsychologische Diagnostik aussehen<br />

kann?<br />

Einer meiner <strong>Sport</strong>ler, mit dem ich zusammenarbeite, ist Speedskifahrer.<br />

Er gehört zur Weltspitze. Mit ihm hat sich <strong>im</strong> Gespräch herausgestellt,<br />

dass er über eine sehr gute Selbstregulationsfähigkeit verfügt. Es gelingt<br />

ihm gut, seine Gedanken so zu formulieren oder so zu steuern,<br />

dass sie seine Leistungen unterstützen. Er führt hauptsächlich positive<br />

Seite 106


Selbstgespräche mit sich, seine Ziele waren ihm klar, auch die Zwischenziele,<br />

um das langfristige Ziel zu erreichen. Er war eingeladen zu einem<br />

Wettkampf, zu dem nur die 10 Besten der Welt eingeladen waren. Es ging<br />

darum, einen Weltrekordversuch zu starten. Es war für ihn eine große<br />

Ehre, dabei sein zu dürfen. Bei diesem Wettkampf war sein Ziel, seine<br />

persönliche Bestzeit zu verbessern. Er war motorisch auf der Höhe, er<br />

war körperlich topfit trainiert. Er kam auf mich zu mit dem Wunsch, auf<br />

der mentalen Seite noch etwas rauszuholen, um sicher zu sein, dass er<br />

seine Bestleistung in diesem Wettkampf abrufen kann. Er hatte auch von<br />

sportpsychologischen Methoden eine Ahnung. Er hatte einige Bücher dazu<br />

gelesen und Erfahrung mit Entspannungsmethoden, wie der progressiven<br />

Muskelrelaxation und Atmungsentspannung. Das sind klassische Methoden,<br />

die man mit <strong>Sport</strong>lern oft macht und die zu einer Aktivationsregulation<br />

beitragen. Er hatte auch schon mentales Training <strong>im</strong> Sinne eines „Fahrplans“<br />

seiner Bewegung gemacht und die Knotenpunkte dazu erarbeitet.<br />

Mit den klassischen sportpsychologischen Maßnahmen wäre man bei ihm also<br />

nicht besonders weit gekommen. Die hatte er bereits erprobt. Deshalb war<br />

die Frage: Was können wir darüber hinausgehend machen?<br />

In der Eingangsdiagnostik, wir haben den Erholungs-Belastungs-Fragebogen<br />

88 eingesetzt, stellte sich heraus, dass er bei sieben Punkten dieses<br />

Fragebogens Verbesserungsbedarf hatte. Und diese sieben Punkte des Fragebogens,<br />

bestehend aus 53 Items, haben wir uns rausgepickt und haben<br />

sie in sehr regelmäßigen Zeitabständen <strong>im</strong>mer wieder erfragt. Zum Beispiel,<br />

wie ist sein Schlafverhalten kurz vor dem Wettkampf und kurz nach<br />

dem Wettkampf, wie ist es nach einer psychologischen Intervention? Und<br />

wie ist es mit der Nachhaltigkeit der psychologischen Intervention? Das<br />

Gleiche haben wir zur emotionalen Erschöpfung gemacht. Die beeinflusst<br />

auch die Selbstregulationsfähigkeit und die Selbstwirksamkeitsüberzeugung.<br />

Wir haben dann mit diesem Monitoring, mit dem diagnostischen Instrument<br />

des Erholungs-Belastungs-Fragebogens, <strong>im</strong>mer wieder begleitend<br />

geschaut und nicht nur <strong>im</strong> Gespräch herausgefunden, wie die Maßnahme, die<br />

er täglich ausgeführt hat, <strong>im</strong> Vergleich zu den Ausgangswerten wirkt. Wir<br />

haben also versucht, die Effekte der Intervention zu quantifizieren, um<br />

nicht nur eine qualitative Aussage zu bekommen.<br />

Dieser Erholungs-Belastungs-Fragebogen fragt also auch nach der Selbstregulationsfähigkeit.<br />

Wie konkret misst er sie?<br />

Ein Item bezieht sich auf die Selbstregulation, bei dem man auf einer<br />

Skala von 0 („nie“) bis 6 („<strong>im</strong>mer“) einschätzen muss, wie gut man sich,<br />

jeweils bezogen auf die letzten drei Tage und Nächte,<br />

1. mental auf eine sportliche Leistung vorbereiten,<br />

2. während einer sportlichen Leistung selbst antreiben,<br />

3. vor einer sportlichen Leistung voll motivieren und<br />

4. vor einer sportlichen Leistung klare Ziele setzen konnte.<br />

Es gibt dann weitere Items, die die somatische, also die körperliche<br />

Erholung bzw. Belastung und die emotionale Erholung bzw. Erschöpfung<br />

erfragen.<br />

Seite 107


Lass uns noch einmal zu den Gründen zurückkehren, weshalb sich ein <strong>Sport</strong>ler<br />

an einen <strong>Sport</strong>psychologen wendet. Du hattest den Trainingsweltmeister<br />

genannt und den Speedskifahrer, der körperlich topfit ist, aber prüfen<br />

möchte, ob es bei ihm mental noch ein Verbesserungspotenzial gibt. Kannst<br />

du weitere Gründe nennen?<br />

Es gibt <strong>Sport</strong>ler, die kommen und sagen: „Ich musste aus Verletzungsgründen<br />

pausieren und starte jetzt einen Wiedereinstieg“ oder: „Ich bin <strong>im</strong> Moment<br />

nur Ersatzspieler und möchte wieder Stammspieler werden.“ Ein Skifahrer,<br />

der einen schl<strong>im</strong>men Sturz hatte und ihn bewältigen möchte, oder jemand,<br />

der in ein Motivationsloch fällt, der z.B. sagt: „Ich habe so viele Jahre<br />

täglich meine sechs bis sieben Stunden Schw<strong>im</strong>mtraining absolviert, wie<br />

soll es jetzt weitergehen? Will ich das weitermachen oder sollte ich mich<br />

neu orientieren?“ Ein anderer steht nahe am Karriereende. Es kann auch<br />

sein, dass ein Trainer auf einen <strong>Sport</strong>psychologen zukommt. Zum Beispiel<br />

bei Unst<strong>im</strong>migkeiten in Mannschaftsportarten. Wenn der Trainer nicht mehr<br />

klarkommt, kann es sinnvoll sein, eine externe Person einzubeziehen. Dann<br />

kann ein <strong>Sport</strong>psychologe mit dem Team und mit dem Trainer arbeiten. Bei<br />

jugendlichen oder kindlichen Athleten können es auch schulische Probleme<br />

sein oder wenn es <strong>im</strong> sozialen Umfeld Probleme gibt, die das Training<br />

negativ beeinflussen. Dann wenden sich auch Eltern mit ihren Kindern an<br />

einen <strong>Sport</strong>psychologen. Zum Beispiel, wenn der Druck so groß ist, dass<br />

das Kind nicht alles auf die Reihe kriegt: das Kadertraining und die<br />

schulischen Anforderungen. Es kommt zu vielen Fehltagen in der Schule,<br />

weil viele Auswärtswettkämpfe oder Trainingslager <strong>im</strong> Ausland anstehen.<br />

Wie intensiv begleitet ein <strong>Sport</strong>psychologe einen Athleten?<br />

Am Anfang ist die Anleitung des <strong>Sport</strong>psychologen groß, aber man möchte<br />

dahin kommen, dass der <strong>Sport</strong>ler lernt, die Methoden, die ihm der<br />

<strong>Sport</strong>psychologe beigebracht hat, selbst anzuwenden, und dass er selbst<br />

einschätzen kann, in welcher Situation welche sportpsychologische Trainingsform<br />

den größeren Nutzen hat. Man wandert somit <strong>im</strong>mer mehr hin zu<br />

einer Individualisierung, bei der der <strong>Sport</strong>ler <strong>im</strong>mer mehr Verantwortung<br />

bekommt und der <strong>Sport</strong>psychologe <strong>im</strong>mer weniger begleiten muss – bis der<br />

<strong>Sport</strong>psychologe dann als Supervisor fungiert und nur noch in gewissen<br />

Zeitabständen zurate gezogen wird. Zuvor müssen aber ein Wissensaufbau<br />

und eine Ist-Analyse erfolgen. Und erst dann, wenn die sportpsychologische<br />

Maßnahme <strong>im</strong> Training funktioniert, wendet man sie auch <strong>im</strong> Wettkampf<br />

an. Die Annahme, dass man z.B. ein Training der Vorstellungsregulation<br />

direkt auf den Wettkampf anwenden kann, ist eine falsche. Es geht eine<br />

lange Übungsphase <strong>im</strong> Training voraus, bevor man in der Lage ist, sie <strong>im</strong><br />

Wettkampf anzuwenden.<br />

1.Edukation<br />

2.Ist Analyse<br />

3.Üben<br />

4.Anwenden<br />

Wissensaufbau<br />

(Warum ist das<br />

wichtig für eine<br />

opt<strong>im</strong>ale Leistung?)<br />

Wie wende ich diese<br />

Technik <strong>im</strong> <strong>Sport</strong> an?<br />

Was mache ich schon?<br />

Was hat sich<br />

bewährt?<br />

Was nicht?<br />

Training<br />

Wettkampf<br />

Individualisierung<br />

<strong>Sport</strong>psychologische Begleitung 89<br />

Anleitung durch den <strong>Sport</strong>psychologen<br />

Seite 108


Nehmen wir einen Handballspieler, der Schwierigkeiten hat, einen Siebenmeter<br />

sicher zu verwandeln. Er sollte also Techniken wie Selbstinstruktion<br />

und Vorstellungsregulation bereits <strong>im</strong> Training üben. Wie kann man sich das<br />

konkret vorstellen?<br />

Verschiedene sportpsychologische Trainingsformen beziehen sich auf Kognitionen.<br />

Eine davon ist die Überprüfung der Selbstgespräche. Selbstgespräche<br />

kann man regulieren, zunächst gilt es aber, negative Selbstgespräche<br />

zu identifizieren. Wenn ich die gefunden habe, versuche ich,<br />

sie in positive Monologe umzuformulieren und <strong>im</strong> Training einzuüben, um<br />

sie später <strong>im</strong> Wettkampf anwenden zu können (vgl. 184f.).<br />

Es ist den <strong>Sport</strong>lern also gar nicht <strong>im</strong>mer bewusst, dass sie negative<br />

Selbstgespräche führen?<br />

Genau! Es ist ganz menschlich, dass wir auch mal sch<strong>im</strong>pfen und negativ<br />

denken. Aber es ist wichtig, dass man sich bewusst macht, welche Gespräche<br />

führe ich denn typischerweise mit mir? Bin ich vom Typ her eher<br />

einer, der <strong>im</strong>mer denkt, das Glas ist schon halb leer, oder sehe ich in<br />

dem halbvollen Glas, dass da durchaus noch einiges drin ist. Und wenn<br />

man dann die Neigung identifiziert hat, best<strong>im</strong>mte Arten von Selbstgesprächen<br />

zu führen, die aber ungünstig für den Leistungsabruf sind,<br />

dann ist das eine Thematik, die man bearbeiten kann. 90 Das fällt dann in<br />

die kognitive-behaviorale Interventionsschiene, weil man versucht, eine<br />

Kognition, wie sie gerade vorhanden ist, zu verändern und günstiger zu<br />

machen, damit sie die Leistung unterstützt.<br />

Eine andere sportpsychologische Trainingsform ist die Aktivationsregulation<br />

(Filmverweis: Fechten 6), die in zwei Richtungen gehen kann. Wenn ich zu<br />

angespannt oder zu aufgeregt bin, dann muss ich mich beruhigen und kann dafür<br />

Entspannungsmethoden einsetzen. Beliebte Methoden sind die Atemregulation<br />

oder die progressive Muskelrelaxation nach Jacobson. Es kann aber auch<br />

Autogenes Training sein oder eine achtsamkeitsbasierte Übung zum Atemgewahrsein.<br />

Es gibt aber auch den Fall, dass der <strong>Sport</strong>ler zu wenig erregt ist, er<br />

ein zu geringes Aktivationsniveau vor dem entscheidenden Wettkampf,<br />

wie dem 100-Meter-Lauf, hat. Bei dem <strong>Sport</strong>ler müsste man dann Maßnahmen<br />

anwenden, die mobilisierend wirken, die den <strong>Sport</strong>ler puschen. Das<br />

können beispielsweise schnelle, schwunghafte Bewegungen wie Hocksprünge<br />

sein, das Anhören einer energetisierenden Musik oder das Einstellen auf<br />

Herausforderung durch entsprechende Selbstgepräche. Das ist der zweite<br />

Themenblock, der in der <strong>Sport</strong>psychologie wichtig ist.<br />

Man kann eine Zielanalyse mit dem <strong>Sport</strong>ler machen, d.h. über die Motivation<br />

mit dem <strong>Sport</strong>ler sprechen, über seine Zwischenziele. Man kann Ziele<br />

planen und festlegen und schauen, wie man die Ziele am besten erreicht.<br />

Dabei wendet man das Smart-Prinzip aus der Psychologie an. Die Ziele<br />

müssen realistisch, terminiert und kurz und präzise formuliert sein. Man<br />

kann auch mit einer Mannschaft Mannschaftsziele formulieren. Das ist ein<br />

ganz wichtiges Tool, wenn man nicht mit Individualsportlern, sondern mit<br />

Teamsportlern arbeitet.<br />

Seite 109


Eine weitere Methode der <strong>Sport</strong>psychologie ist das Mentale Training. 91<br />

Dabei geht es darum, eine best<strong>im</strong>mte Bewegung planmäßig und wiederholt<br />

<strong>im</strong>mer wieder vor dem inneren Auge wie einen Film ablaufen zu lassen. Das<br />

kann eine Handlung sein, wie z.B. das Siegen bei einem Wettkampf oder<br />

auch ein best<strong>im</strong>mter Bewegungsablauf, ein Technikmerkmal, eine Schlüsselstelle<br />

in einer rhythmischen <strong>Sport</strong>gymnastik, in einer Bodenkür oder<br />

die Bodenkür selbst. Um eine innere Landkarte von der Bewegung zu bekommen,<br />

muss man zunächst ganz detailliert eine Bewegungsbeschreibung<br />

erarbeiten, die Knotenpunkte extrahieren und sie dann sprachlich markieren.<br />

Anschließend vollzieht man anhand der Kurzinstruktion mental<br />

die Bewegung. Das verlangt ganz viel Arbeitsgedächtnis, weil man den<br />

Abgleich mit dem Langzeitgedächtnis hat. Und es verlangt ein gewisses<br />

Maß an kognitiver Umschaltfähigkeit. Das verlangt auch Inhibition oder<br />

kognitive Kontrolle. Wenn ich nämlich merke, mein innerer Film bricht<br />

ab, und ich fange <strong>im</strong>mer wieder von neuem mit dem Bewegungsablauf an<br />

oder ich habe eine Störung <strong>im</strong> Film, sodass ich Teile der Bewegung überspringe,<br />

dann muss ich mich kontrollieren und den Bewegungsfluss fehlerfrei<br />

reproduzieren. Das ist ein wesentliches Tool in der klassischen<br />

<strong>Sport</strong>psychologie, das man vielfältig einsetzen kann, z.B. um best<strong>im</strong>mte<br />

Techniken zu verbessern, aber auch, um neue Situationen <strong>im</strong> Vorfeld zu<br />

antizipieren und zu trainieren. Das kann man auch gut in verletzungsbedingten<br />

Pausen einsetzen oder wenn man sich in einer Situation befindet,<br />

in der man nicht trainieren kann, z.B. die Skifahrer, die <strong>im</strong> Lift sitzen<br />

und die Abfahrtsroute vor der eigentlichen Abfahrt mental noch einmal<br />

genau durchgehen. Das Mentale Training ist eine Technik, zu der es viele<br />

empirische Studien gibt und die in den meisten <strong>Sport</strong>arten und bei den<br />

meisten <strong>Sport</strong>lern auf großen Anklang stößt.<br />

Lässt sich das Mentale Training auch in Mannschaftssportarten, bei einem<br />

ganzen Team einsetzen?<br />

Manche <strong>Sport</strong>psychologen üben mit Mentalem Training taktische Spielzüge<br />

ein, so etwa Jan Mayer in Hoffenhe<strong>im</strong> mit Kindern oder auch Hans-Dieter<br />

Hermann mit der Nationalelf <strong>im</strong> Fußball. Da wird auch mit Gruppen gearbeitet,<br />

in Gruppensituationen. Die Spieler liegen auf dem Boden und<br />

stellen sich gemeinsam eine best<strong>im</strong>mte Spielsituation vor. Das ist eine<br />

Möglichkeit, mit Teamsportlern mental zu trainieren.<br />

Mentales Training <strong>im</strong> weiteren Sinne kann alles umfassen, alle sportpsychologischen<br />

Trainingsformen. Unter Mentales Training kann auch die<br />

Selbstgesprächsregulation fallen. Und Mentales Training <strong>im</strong> engeren Sinn<br />

kann sich auf die Vorstellungsregulation beziehen. Damit ist dann wirklich<br />

nur das reine Visualisieren von Bewegungsabläufen gemeint. Deshalb<br />

spreche ich auch lieber von Vorstellungsregulation als von Mentalem<br />

Training, um so eine Begriffsverwirrung zu vermeiden.<br />

Ein anderer Bereich wäre der Bereich des Trainings der Kompetenzüberzeugung.<br />

91 Da wären wir bei deinem Handballspieler, der den Siebenmeter<br />

übt. Be<strong>im</strong> Kompetenzüberzeugungstraining gibt es zwei Varianten: einmal<br />

das Prognosetraining, bei dem ich vor dem Wurf eine Prognose abgeben<br />

muss, z.B.: In welche Ecke des Tores habe ich vor zu werfen, oder wie<br />

viele von zehn Würfen werde ich verwandeln.<br />

Seite 110


Eine weitere Variante ist das Training der Nichtwiederholbarkeit. Da<br />

habe ich nur einen alles entscheidenden Wurf. Wenn meine Prognose nicht<br />

eintrifft, erfolgt eine Strafe. Das kann zum Beispiel eine Strafaufgabe<br />

<strong>im</strong> Trainingslager sein, wie z.B. das Geschirr abräumen oder spülen oder<br />

eine sportliche Zusatzaufgabe, die ich machen muss, wie Extrarunden laufen<br />

oder etwas zum Wohle der Mannschaft machen.<br />

Und man darf den missglückten Wurf nicht wiederholen und muss das Training<br />

vielleicht sogar verlassen?<br />

Das wäre die Hardcore-Variante, die man durchaus mit den <strong>Sport</strong>lern ausmachen<br />

kann, wenn man das so möchte. Das Kompetenzüberzeugungstraining<br />

kann nach einer Einweisung durch den <strong>Sport</strong>psychologen auch sehr gut von<br />

Trainern selbstständig durchgeführt werden.<br />

Mit dem positiven Nebeneffekt, dass ich dabei auch <strong>im</strong>mer die Aufmerksamkeit<br />

der <strong>Sport</strong>ler schule. Wenn mein Verhalten eine Konsequenz hat, dann lenke<br />

ich viel bewusster und gezielter meine Aufmerksamkeit auf die anstehende<br />

Aufgabe.<br />

Das finde ich einen schönen Einwurf. In dem Moment, wo die Situation<br />

für mich subjektiv bedeutsam ist, ist der Druck ja auch höher. Oder es<br />

gibt eine objektive Bedeutsamkeit, beispielsweise einen Qualifikationswettkampf.<br />

Bin ich erfolgreich, kann ich in der nächsten Runde oder be<strong>im</strong><br />

nächsten internationalen Wettkampf dabei sein. Aber <strong>im</strong>mer dann, wenn die<br />

objektive oder subjektive Bedeutsamkeit besonders hoch ist, dann ist der<br />

Kopf anfälliger für das, was wir Monkey Mind nennen, den Affengeist. Die<br />

Affen stehen in dieser Metapher für die einzelnen Gedanken. Die Gedanken<br />

können bei sehr hoher Bedeutsamkeit eines Ereignisses sehr schnell hin<br />

und her springen. Wie die Äffchen von einem Baum zum anderen. Wenn die<br />

Gedanken so hin und her springen, ist die Wahrscheinlichkeit größer,<br />

dass die Leistung versagt. Es geht also darum, sich bewusst zu machen:<br />

was sind meine typischen Gedanken, die mich <strong>im</strong> Wettkampf beschäftigen:<br />

• zum Ergebnis,<br />

• zur Sinnhaftigkeit,<br />

• zu irrelevanten Details,<br />

• in der Vergangenheit,<br />

• zu negativen Emotionen und<br />

• zu negativen Konsequenzen.<br />

Monkey Mind<br />

Seite 111


Was können solche Gedanken sein?<br />

Es kann sein, dass ich typischerweise <strong>im</strong> Wettkampf <strong>im</strong>mer den Vergleich<br />

mit anderen <strong>Sport</strong>lern suche. Dass ich anstatt mit der Aufmerksamkeit,<br />

bei mir zu bleiben, bei meiner Vorbereitung, bei meiner Einst<strong>im</strong>mung auf<br />

die Leistung <strong>im</strong> Wettkampf, darauf konzentriert bin, was die anderen machen.<br />

Dann können Gedanken kommen wie: „So gut wie der bin ich heute best<strong>im</strong>mt<br />

nicht.“ Man beginnt, sich mit anderen zu vergleichen, obwohl der<br />

MAN BEGINNT, SICH MIT ANDE-<br />

REN ZU VERGLEICHEN, OBWOHL<br />

DER VERGLEICH IM MOMENT GAR<br />

NICHTS ZUR SACHE TUT, WEIL ER<br />

SICH AUF DIE ZUKUNFT BEZIEHT.<br />

DIESER GEDANKE IST HINFÄLLIG.<br />

ES WIRD SICH IM WETTKAMPF<br />

HERAUSSTELLEN, WER DER BES-<br />

SERE IST.<br />

Vergleich <strong>im</strong> Moment gar nichts zur Sache<br />

tut, weil er sich auf die Zukunft bezieht.<br />

Dieser Gedanke ist hinfällig. Es wird sich<br />

<strong>im</strong> Wettkampf herausstellen, wer der Bessere<br />

ist. Das ist so ein typischer Affengeist.<br />

Mit dem Speedskifahrer, von dem ich vorhin<br />

sprach, hatte ich die Affengeist-Metapher<br />

auch in einer der ersten Sitzungen besprochen.<br />

Wir hatten uns für eine achtsamkeitsbasierte<br />

Intervention entschieden und den<br />

Bodyscan 92 eingeführt. Den Bodyscan habe ich<br />

aufs Band gesprochen, und er hatte die Aufgabe, dieses Band täglich anzuhören<br />

und den Bodyscan durchzuführen (vgl. 180f.). Er hat berichtet,<br />

dass seine Gedanken oder Affen am Anfang des Bodyscans häufig ganz wild<br />

und laut waren. Nach einer Weile ist es ihm aber gelungen, seine vollkommene<br />

Aufmerksamkeit auf die Instruktionen des Bodyscans zu legen -<br />

weg von seinen Gedanken, die ihn <strong>im</strong> Alltag beschäftigen, die mit der Arbeit,<br />

mit der Familie oder dem Training zu tun haben. Es können Gedanken<br />

sein, die sich auf die Vergangenheit oder auf die Zukunft beziehen, auf<br />

die nächste Wettkampfherausforderung zum Beispiel. Bei Achtsamkeit ist<br />

es wichtig zu lernen, Herr zu werden über diese Gedanken, aber auch zu<br />

realisieren, dass diese Gedanken normal sind und dazugehören, dass wir<br />

oft eins mit unseren Gedanken oder Gefühlen sind. Aber in dem Moment,<br />

in dem ich mir bewusst mache, was mich beschäftigt, habe ich einen entscheidenden<br />

Schritt getan. Erst dann bin ich nämlich in der Lage, Herr<br />

über diese Gedanken zu werden und sie ruhiger werden zu lassen.<br />

Auch hier haben wir wieder einen engen Bezug zu den exekutiven Funktionen.<br />

Sie ermöglichen die zielgerichtete und bewusste Steuerung von Aufmerksamkeit,<br />

Verhalten und Emotionen. Selbstregulation erfordert Aufmerksamkeit,<br />

und mit Achtsamkeitsübungen lässt sich also Aufmerksamkeit schulen und die<br />

Selbstregulationsfähigkeit unterstützen.<br />

Ja, und es geht darum, den <strong>Sport</strong>ler in die Lage zu versetzen, sehr<br />

schnell <strong>im</strong> Training oder <strong>im</strong> Wettkampf zu merken, wenn seine Gedanken<br />

woanders sind, wenn ihn Gedanken beschäftigen, die mit der eigentlichen<br />

sportlichen Handlung nichts zu tun haben.<br />

Seite 112


Und wenn er die ablenkenden Gedanken wahrn<strong>im</strong>mt, wie gelingt es ihm, diese<br />

zu unterbrechen?<br />

Man kann sich ein Stoppschild vor das innere Auge führen und zu sich<br />

sagen: Stopp! Der Gedanke hat <strong>im</strong> Augenblick hier nichts zu suchen, den<br />

betrachte ich später. Das kann eine Sorge sein, die mich beschäftigt,<br />

oder bei Kinderathleten die Vorfreude auf<br />

MAN MUSS UMSCHALTEN UND SICH<br />

INHIBIEREN KÖNNEN. MAN MUSS<br />

ALSO LERNEN, GEDANKEN ODER<br />

TÄTIGKEITEN, DIE FÜR DIE AKTUELLE<br />

SITUATION, DAS TRAINING ODER<br />

DEN WETTKAMPF NICHT RELEVANT<br />

SIND, ZU UNTERDRÜCKEN.<br />

den kommenden Geburtstag am Wochenende,<br />

die <strong>im</strong> Training <strong>im</strong>mer wieder auftaucht.<br />

Das ist ein großer Schritt, den das Kind<br />

selbst machen muss und der es befähigt,<br />

aufmerksamer zu sein. Der Trainer sieht<br />

vielleicht an dem Verhalten des Kindes,<br />

dass es <strong>im</strong> Moment verträumt wirkt, abwesend<br />

erscheint, er kann aber nicht in den<br />

Kopf des Kindes reinschauen. Es erfordert<br />

gleichzeitig eine gewisse kognitive Flexibilität. Man muss umschalten<br />

und sich inhibieren können. Man muss also lernen, Gedanken oder Tätigkeiten,<br />

die für die aktuelle Situation, das Training oder den Wettkampf<br />

nicht relevant sind, zu unterdrücken. Das alles sind Teilmechanismen,<br />

die bei der Achtsamkeit mit reinspielen.<br />

Welche Rolle spielt die Achtsamkeitsschulung innerhalb der <strong>Sport</strong>psychologie?<br />

Das Konstrukt stammt ursprünglich aus der Klinischen Psychologie. Achtsamkeitstraining<br />

als psychotherapeutische Interventionsmethode dient<br />

der Stressregulation, dem Schmerzmanagement oder dem Umgang mit schwierigen<br />

Emotionen. In den letzten fünf bis zehn Jahren hat es ins Bildungswesen<br />

Einzug gehalten. In der <strong>Sport</strong>psychologie verstehen wir unter<br />

Achtsamkeit eine best<strong>im</strong>mte Form der Aufmerksamkeitslenkung. Und diese<br />

Form der Aufmerksamkeitslenkung hat drei Merkmale. Erstens, die Aufmerksamkeit<br />

ist bewusst auf den gegenwärtigen Moment gerichtet und damit<br />

gegenwartszentriert. Zweitens, man n<strong>im</strong>mt eine Haltung ein, die nicht<br />

wertend ist. Und diese nicht wertende Haltung geht einher mit einer<br />

nicht wertenden Akzeptanz: Ich akzeptiere, dass ich best<strong>im</strong>mte Gefühle<br />

habe und dass diese auch da sein dürfen. Sie sind ein Teil von mir. Ich<br />

bin aber nicht das Gefühl, das ich habe, oder der Gedanke, den ich habe,<br />

sondern ich löse mich von ihnen. Sie sind Konstrukte unseres Geistes,<br />

und auf diese Weise gewinnen wir Abstand zu unseren Gedanken. Das Ziel<br />

ist also, körperliche Empfindungen, Gedanken und Gefühle wahrzunehmen<br />

und diese zu akzeptieren. In einer Situation, in der ich nicht achtsam<br />

bin, ruft ein Reiz automatisch eine best<strong>im</strong>mte Reaktion hervor. In der<br />

gleichen Situation würde ich durch eine achtsame Haltung eine Lücke zwischen<br />

Reiz und Reaktion schalten und nicht automatisiert, <strong>im</strong>pulsartig,<br />

reflexartig „reagieren“, sondern reflektiert und situationsangepasst<br />

„antworten“. Und da Achtsamkeit eine Fertigkeit ist, kann man Achtsamkeit<br />

üben und auf diese Weise lernen. Das ist die Grundlage, von der wir<br />

erstmal ausgehen.<br />

Seite 113


Und was ist der Nutzen für den <strong>Sport</strong>ler? Mit welchem Ziel setzt man Achtsamkeit<br />

in der <strong>Sport</strong>psychologie ein?<br />

EIN SPORTLER, DER PSYCHOLOGISCH<br />

FLEXIBEL BLEIBT, IST AUCH IN DER LAGE,<br />

SEINE SPORTLICHE LEISTUNG ABZU-<br />

RUFEN. EIN SPORTLER, DER SICH IM<br />

FALSCHEN MOMENT ÄRGERT UND IM<br />

FALSCHEN MOMENT ZU SEHR FREUT,<br />

IM FALSCHEN MOMENT DEN STIMULUS<br />

EXTERNER ART ZU SEHR FOKUSSIERT,<br />

STATT BEI SICH, BEI DER BEWEGUNG,<br />

BEI DER SPORTLICHEN HANDLUNG<br />

ZU BLEIBEN, HAT KEINE GELUNGENE<br />

PSYCHOLOGISCHE FLEXIBILITÄT. ER IST<br />

NICHT IN DER LAGE, SEINE MENTALE<br />

LEISTUNG ZU UNTERSTÜTZEN.<br />

Die <strong>Sport</strong>ler können dadurch eine psychologische Flexibilität gewinnen.<br />

Und jetzt sind wir wieder bei den exekutiven Funktionen. Das oberste<br />

Ziel ist es, mit achtsamem Verhalten und der achtsamen Haltung psychologisch<br />

flexibler zu reagieren. Und ein <strong>Sport</strong>ler, der psychologisch<br />

flexibel bleibt, ist auch in der Lage, seine sportliche Leistung abzurufen.<br />

Ein <strong>Sport</strong>ler, der sich <strong>im</strong> falschen<br />

Moment ärgert und <strong>im</strong> falschen Moment zu<br />

sehr freut, <strong>im</strong> falschen Moment den St<strong>im</strong>ulus<br />

externer Art zu sehr fokussiert,<br />

statt bei sich, bei der Bewegung, bei<br />

der sportlichen Handlung zu bleiben, hat<br />

keine gelungene psychologische Flexibilität.<br />

Er ist nicht in der Lage, seine<br />

mentale Leistung zu unterstützen.<br />

Im <strong>Sport</strong> ist es ganz wichtig, <strong>im</strong>mer wieder<br />

festzustellen, wo mein <strong>Fokus</strong> liegt.<br />

Ist er in der Gegenwart, liegt er auf<br />

der sportlichen Handlung, die ich gerade<br />

ausführe? Wenn ich wahrnehme, ich beschäftige<br />

mich gerade mit Dingen aus der<br />

Vergangenheit, das stehen zu lassen, das<br />

zu akzeptieren, dass dies der Fall ist,<br />

aber, und das ist der dritte Schritt, seine Wahrnehmung und Aufmerksamkeit<br />

dann wieder zurück auf den gegenwärtigen Moment zu richten. Darauf<br />

kommt es an! Und das ist, was Kindern in der Regel sehr schwerfällt.<br />

Merkmale achtsamkeitsbasierter Aufmerksamkeitslenkung<br />

1. Die Aufmerksamkeit ist bewusst auf den gegenwärtigen Moment gerichtet<br />

und damit gegenwartszentriert.<br />

2. Man n<strong>im</strong>mt eine Haltung ein, die nicht wertend ist. Die nicht wertende<br />

Haltung geht einher mit einer nicht wertenden Akzeptanz.<br />

3. Die Wahrnehmung und Aufmerksamkeit wieder zurück auf den gegenwärtigen<br />

Moment lenken. 93<br />

Für kleinere Kinder ist bereits der erste Schritt, das Wahrnehmen, nicht<br />

einfach. Man kann von einem 5- oder 6-Jährigen, der noch nicht über eine<br />

kognitive innere Landkarte verfügt, der die Gedanken noch nicht gut in<br />

Worte fassen kann, verlangen, dass er von sich aus merkt, wann er den<br />

gegenwärtigen Moment verlässt und ob er sich mit seinen Gedanken in der<br />

Vergangenheit oder in der Zukunft befindet. Dabei können aber der Trainer<br />

oder die Eltern <strong>im</strong> Alltag dem Kind eine Hilfestellung geben, indem<br />

sie <strong>im</strong>mer wieder fragen: Wo bist du gerade mit deiner Aufmerksamkeit?<br />

Man bekommt so <strong>im</strong> Gespräch viele Rückmeldungen darüber, was das Kind<br />

eigentlich beschäftigt. Dann kann man entsprechend eingreifen.<br />

Seite 114


Eine schöne Übung heißt „Blätter auf den Fluss legen“. Man kann sich<br />

mit so einer bildlichen Metapher an einem Fluss befinden. Und für jeden<br />

Gedanken, für jede Sorge, die man hat und die nichts mit dem sportlichen<br />

Event zu tun hat, ein Blatt zurechtlegen und diesen Gedanken auf das<br />

Blatt legen, in den Fluss werfen und durch das fließende Wasser wegziehen<br />

lassen. Ob es Blätter auf einem Fluss sind oder Gedanken, die in<br />

einem Kästchen eingesperrt sind, das ich beiseitelege und dann rausholen<br />

kann, wenn es Raum dafür gibt, ist nicht entscheidend. Wichtig ist es,<br />

ins Gespräch zu kommen und zu merken, was meinen Athleten gerade beschäftigt.<br />

Im Training kann man z.B. regelmäßig kurze Atemgewahrseins-<br />

Übungen einsetzen: „Wenn du merkst, dass deine Gedanken woanders sind,<br />

dann gehe in eine Ecke der Turnhalle oder gehe an die Wand, drehe dich<br />

um und n<strong>im</strong>m zehn tiefe Atemzüge. Besinne dich auf deinen Atemzyklus.<br />

Versuche deine Aufmerksamkeit nur auf das Einströmen des Atems durch<br />

die Nase, das tiefe Wandern des Atems in den Bauchbereich und das Ausatmen<br />

durch den Mund zu legen. Dann merkst du, wie sich dein Körper<br />

beruhigt, wie dein Puls langsamer wird und deine Gedanken sich wieder<br />

auf die sportliche Handlung richten. Dann gehst du wieder zurück zur<br />

Gruppe und versuchst, konzentrierter weiterzuturnen.“ Das könnte auch<br />

der Trainer <strong>im</strong> Training veranlassen und entsprechend fördern, indem er<br />

solche Atemgewahrseins-Übungen <strong>im</strong> Liegen, <strong>im</strong> Stehen oder bei best<strong>im</strong>mten<br />

Bewegungen, wie Dehnbewegungen, ins Training einbaut.<br />

Mit dem Ziel, Aufmerksamkeit zu fokussieren und dadurch Aufmerksamkeit zu<br />

gewinnen, aber auch um zu entspannen?<br />

Die Entspannung ist ein Nebeneffekt, die sich von alleine einstellen<br />

kann. Sie ist nicht das vorrangige Ziel. Das vorrangige Ziel ist die<br />

<strong>Fokus</strong>sierung auf den Moment. Damit erhöht sich die kognitive Kapazität,<br />

um die wichtigen Bestandteile der sportlichen Handlung gut ausüben und<br />

den Anweisungen des Trainers folgen zu können. Das ist der Mehrwert auf<br />

der Ebene der Aufmerksamkeit.<br />

Bei der Kunstturngemeinschaft Heidelberg (KTG) hast du das von dir<br />

entwickelte Achtsamkeitstraining 8-sam 94 eingeführt. Die Trainer setzen<br />

Atemgewahrseins-Übungen dann <strong>im</strong> Training ein, wenn sie feststellen, dass die<br />

Aufmerksamkeit der jungen Turner nachlässt.<br />

ICH GLAUBE, ES BEDARF SEHR VIEL FEIN-<br />

GEFÜHL VON SEITEN DES TRAINERS. ER<br />

MUSS ERKENNEN, DASS SEINE SCHÜTZ-<br />

LINGE GERADE KOGNITIV ÜBERLASTET<br />

UND NICHT MEHR AUFNAHMEBEREIT<br />

SIND, DASS SIE EIN KURZES REFRESH-<br />

MENT FÜR DIE AUFMERKSAMKEIT, FÜR<br />

DIE KOGNITIVE KAPAZITÄT BENÖTIGEN.<br />

Ich glaube, es bedarf sehr viel Feingefühl<br />

von Seiten des Trainers. Er<br />

muss erkennen, dass seine Schützlinge<br />

gerade kognitiv überlastet und nicht<br />

mehr aufnahmebereit sind, dass sie<br />

ein kurzes Refreshment für die Aufmerksamkeit,<br />

für die kognitive Kapazität<br />

benötigen. Das könnte so eine<br />

Atemübung sein, wie sie Christian<br />

Berberich (Filmverweis: Turnen 4,<br />

Kempokan 5) macht. Aber auch das<br />

setzt eine Flexibilität des Trainers<br />

voraus.<br />

Seite 115


Ich habe mir für das Training diese oder jene Ziele gesetzt. Dann merke<br />

ich <strong>im</strong> Laufe des Trainings, dass ich <strong>im</strong> Rückstand bin mit der Zeit, dass<br />

ich nicht hinkomme, weil die <strong>Sport</strong>ler länger brauchen, als ich eingeplant<br />

habe. Das erfordert Flexibilität und den Mut zu sagen, ich mache<br />

jetzt dennoch eine Achtsamkeitsübung und kreiere so eine Lücke, weil ich<br />

hinterher einen Mehrwert davon habe, weil <strong>Sport</strong>ler mit einem aufgetankten<br />

Aufmerksamkeitsakku besser trainieren können.<br />

Und ich glaube auch, dass der Trainer eine gewisse eigene Erfahrung in<br />

der Achtsamkeit mitbringen sollte, um die Kinder gut anzuleiten und die<br />

Übungen frei an ihre Bedürfnisse und ihr kognitives Niveau anzupassen.<br />

Das ist sicherlich etwas, was durch Übung besser wird. Da würde ich jedem<br />

Trainer, jedem Lehrer Mut machen, es zunächst auszuprobieren, aber<br />

auch Fortbildungen zur Achtsamkeit zu besuchen und sich mit anderen<br />

Trainern dazu auszutauschen. Am Anfang kann es hilfreich sein mit Instruktionen<br />

auf Arbeitsblättern zu arbeiten und Achtsamkeitsübungen bei<br />

verschiedenen Klassen und <strong>Sport</strong>gruppen einzusetzen. Irgendwann wird man<br />

<strong>im</strong>mer freier in der Gestaltung der Anweisungen und kann sportartspezifische<br />

Komponenten in die Achtsamkeitsübung einfließen lassen.<br />

Damit Achtsamkeit und damit die Selbstregulation auch in emotionalen Situationen<br />

gelingt, wäre es sicherlich hilfreich, Achtsamkeit <strong>im</strong>mer wieder <strong>im</strong><br />

Alltag zu üben.<br />

Das ist ein ganz, ganz wichtiger Punkt. Und ich bin froh, dass du es<br />

direkt ansprichst. Ich glaube nicht, dass es sinnvoll ist, diese Achtsamkeitssequenzen<br />

nur <strong>im</strong> sportlichen Training einzubauen, sie sollten<br />

überall in den Alltag einfließen. Man kann achtsam gehen, man kann achtsam<br />

laufen und sogar achtsam hetzen. Man kann auch Sorgen und Ängste<br />

achtsam wahrnehmen.<br />

Im <strong>Sport</strong> kann man fragen: Was ist dein Monster, was ist deine Angst, was<br />

ist deine Grundsorge? Hier gibt es das Bild eines Wanderers, der einen<br />

best<strong>im</strong>mten Weg gehen möchte, zur Insel mit der strahlenden Sonne, wo ihn<br />

Entspannung und Wohlbefinden erwarten. Wenn dich dann aber eine Angst,<br />

ein Monster woanders hinleiten möchte, wie gehst du damit um? Auf diese<br />

Frage geben auch Kinder ganz unterschiedliche Antworten. Die einen wollen<br />

das Monster bekämpfen, das sind diejenigen, die ganz aktiv reingehen<br />

und einen großen Kontrolldrang haben. Ich muss es in den Griff kriegen,<br />

ich muss dieses Monster überwältigen, ich muss versuchen, es zu verjagen,<br />

damit ich meinen Weg zur Insel gehen kann. Und es gibt welche, die<br />

dann einen ganz anderen Weg als den geplanten einschlagen. Es gibt ganz<br />

unterschiedliche Arten, damit umzugehen mit diesen inneren Monstern.<br />

Aber das, was die Akzeptanz vorgibt, wäre zu sagen: „Das Monster darf<br />

da sein, aber ich verliere mein Ziel nicht aus den Augen. Ich nehme es<br />

einfach mit auf meine Reise zu meiner Insel, die das Ziel darstellt.“<br />

Dieses Bild kann man auch bei Kindern einsetzen und auf den sportlichen<br />

Kontext übertragen. Man kann es auch mit einer Schulklasse, beispielsweise<br />

zum Leistungsdruck, <strong>im</strong> Schulkontext besprechen. Ich finde, das ist<br />

eine ganz wundervolle Art, um mit Kindern ins Gespräch zu kommen.<br />

Seite 116


Achtsamkeitsbasierter Umgang mit dem „inneren Monster“ 95<br />

Und wie ist nun die Achtsamkeit innerhalb der <strong>Sport</strong>psychologie einzuordnen?<br />

Da hilft ein Rückblick auf die Entwicklung aus der Klinischen Psychologie.<br />

Es gab in der Verhaltenstherapie zunächst mal die Einsicht, dass<br />

die vorherrschenden klinischen Verfahren verworfen wurden. Das nennt<br />

man die erste Welle der Verhaltenstherapie. Da hat man angenommen, dass<br />

man schädliches Verhalten, wie z.B. eine Angstattacke oder eine Panikattacke,<br />

durch ein günstiges Verhalten, z.B. durch das Einsetzen von<br />

Entspannungsverfahren, ersetzen muss.<br />

Dann ging die Einsicht weiter, dass man das soziale Lernen und die Kognition<br />

in den Vordergrund gestellt hat. Die zweite Welle ist also dadurch<br />

gekennzeichnet, dass man das problematische Verhalten, wie z.B. ein ungünstiger<br />

Gedanke, ein ungünstiges Selbstgespräch durch eine günstige,<br />

eine positive Selbstgesprächsformulierungen ersetzt. Also man ändert<br />

irrationale Gedanken, die die Leistung nicht unterstützen. In diese<br />

zweite Welle der Verhaltenstherapie, bei der die kognitiven Prinzipien<br />

<strong>im</strong> Vordergrund stehen, fallen dann auch die Methoden der klassischen<br />

<strong>Sport</strong>psychologie rein. Man schaut sich die Kognitionen dabei genau an<br />

und verändert diese.<br />

Bei der dritten Welle der Verhaltenstherapie geht man davon aus, dass<br />

die Gedanken und Gefühle funktionale psychologische Phänomene sind.<br />

Dass nicht der Gedanken an sich in seiner Eigenheit verändert wird,<br />

sondern die Relation von mir zu dem Gedanken. Ich verändere, indem ich<br />

sage: „Der Gedanke darf sein, aber meine Beziehung zu ihm ist eine andere.<br />

Der Gedanke beherrscht mich nicht, ich bin nicht der Gedanke, oder<br />

ich bin nicht eins mit dem Gedanken, sondern ich habe einen Gedanken,<br />

er ist ein Teil von mir und ich akzeptiere ihn.“ Hier setzen die achtsamkeitsbasierten<br />

Ansätze an. Meiner Ansicht nach ergänzen sich beide<br />

Bereiche sehr gut: die klassischen Tools der <strong>Sport</strong>psychologie und die<br />

achtsamkeitsbasierten Methoden.<br />

Man kann in der <strong>Sport</strong>psychologie beide einsetzen. Man kann mit dem <strong>Sport</strong>ler<br />

ein Training der Vorstellungsregulation machen und gleichzeitig sein<br />

Atemgewahrsam, sein Körpergewahrsam mit achtsamkeitsbasierten Übungen<br />

schulen. Ich glaube, wichtig ist eine Kombination aus beiden zu finden.<br />

Und nicht alle <strong>Sport</strong>ler springen auf eine Methode an. Man muss schauen,<br />

welche Methode passt zu welchem <strong>Sport</strong>ler und zu welcher Aufgabenstellung,<br />

zu welcher Problemstellung, die ich mit der Intervention bearbeiten will.<br />

Seite 117


1.Welle: Vorherrschende klinische Verfahren werden verworfen.<br />

Schädliches Verhalten wird durch konstruktives Verhalten ersetzt<br />

(z.B. Angstattacken durch Entspannung).<br />

2.Welle: Soziales Lernen und kognitive Prinzipien <strong>im</strong> Vordergrund.<br />

Problematisches Verhalten wird durch Ändern der Kognitionen bekämpft<br />

(z.B. ändern irrationaler Gedanken).<br />

KLASSISCHE SPORTPSYCHOLOGISCHE METHODEN<br />

3.Welle: Gedanken und Gefühle sind funktionale psychologische Phänomene.<br />

Verändert wird nicht der Inhalt der Gedanken, sondern die Beziehungen zu ihnen.<br />

ACHTSAMKEITSBASIERTE ANSÄTZE<br />

Die drei Wellen der Verhaltenstherapie 95<br />

Ab welchem Alter beginnt man, mit Kindern sportpsychologisch zu arbeiten?<br />

Bei den Spitzenathleten ist es möglich, ab einem Alter von ca. 10 Jahren<br />

sinnvoll klassische sportpsychologische Methoden, wie das Mentale Training<br />

und die Selbstgesprächsregulation, einzusetzen. Dabei macht es Sinn,<br />

in der Gruppe vorzugehen, weil die Kinder das aus der Schule kennen. In<br />

kleineren Gruppen mit vier bis sechs Kindern ist es opt<strong>im</strong>al. Hier kann<br />

man Grundlagen aufbauen, die <strong>im</strong> Jugendalter dann opt<strong>im</strong>iert werden. 96<br />

In unsere Achtsamkeitsstudie bei der Kunstturngemeinschaft Heidelberg<br />

haben wir mit Kindern <strong>im</strong> Alter zwischen fünf und zehn Jahren gearbeitet.<br />

Die Herausforderung war, ein Programm zu konzipieren und es sprachlich<br />

so zu gestalten, dass sowohl die Zehnjährigen sich angesprochen fühlen<br />

als auch die Fünfjährigen mitkommen. Es war also eine altersinhomogene<br />

Gruppe. Mit fünf- oder sechsjährigen Kindern kann man sehr einfache Vorformen<br />

der Achtsamkeit machen, z.B. kurz gestaltete Atemübungen. Dabei<br />

ist es wichtig, die Instruktionen auf den Punkt zu bringen, nicht zu<br />

viel reinzupacken, nicht zu komplex zu werden und von den Kindern nicht<br />

zu viel zu erwarten. Sie können keine Selbstgespräche analysieren und<br />

Gedanken klar in Sprache formulieren. Ein 10-Jähriger kann das eher,<br />

weil er kognitiv reifer ist.<br />

Kurz zu einem ganz anderen Punkt: Welche Ausbildung durchläuft ein <strong>Sport</strong>psychologe?<br />

Von allen <strong>Sport</strong>psychologen, die Coaching anbieten, haben die meisten einen<br />

psychologischen Background. Deutlich weniger machen zum Beispiel die<br />

asp-Curriculum-Ausbildung bei der Arbeitsgemeinschaft für <strong>Sport</strong>psychologie;<br />

97 sie haben ursprünglich <strong>Sport</strong>wissenschaft studiert. Ein sehr geringer<br />

Teil der <strong>Sport</strong>psychologen haben Psychologie studiert und zusätzlich eine<br />

vier- bis fünfjährige Ausbildung in Verhaltenstherapie absolviert. Sie<br />

sind damit befugt, auch klinische Maßnahmen einzuleiten. Ein <strong>Sport</strong>psychologe<br />

ist in aller Regel also kein Therapeut. In dem Moment, wenn er z.B.<br />

den Eindruck hat, der <strong>Sport</strong>ler leide unter einer Depression, muss er den<br />

<strong>Sport</strong>ler an einen Psychotherapeuten oder Psychiater verweisen.<br />

Seite 118


Ich glaube, <strong>im</strong> Interview wurde ganz deutlich, dass die Förderung der Selbstregulation<br />

ein zentraler Bestandteil der <strong>Sport</strong>psychologie ist. Die Selbstregulationsfähigkeit<br />

basiert auf den exekutiven Funktionen, auf die du auch<br />

<strong>im</strong>mer wieder eingegangen bist. Aber sind die exekutiven Funktionen tatsächlich<br />

auch schon in der <strong>Sport</strong>psychologie angekommen? Die Neuropsychologie<br />

befasst sich ja intensiv mit den exekutiven Funktionen. Wie intensiv befassen<br />

sich die <strong>Sport</strong>psychologen mit diesen Gehirnfunktionen und exekutiven<br />

Fähigkeiten? Sie stehen ja in einem engen Zusammenhang mit der sportlichen<br />

Leistungsfähigkeit, wie zum Beispiel <strong>im</strong> Fußball.<br />

Ich glaube, bislang ist es ein Randbereich, in den sich jemand einliest,<br />

wenn er daran Interesse hat. Interessant ist zum Beispiel die Frage,<br />

wann der präfrontale Kortex so weit entwickelt ist, dass Selbstregulationsfähigkeit<br />

möglich ist. Hier gibt es ein Modell von Phil Zelazo, der<br />

sagt, <strong>im</strong> Alter von fünf bis sechs Jahren beginnt sich die Selbstreflexionsfähigkeit<br />

zu entwickeln. 98 Der präfrontale Kortex ist zwar noch nicht<br />

ausgereift, aber man kann best<strong>im</strong>mte Top-down- und Bottom-up-Prozesse<br />

der Informationsverarbeitung durch ein Training der Reflexionsfähigkeit<br />

oder auch konkret durch ein Training der Achtsamkeit verbessern. Neurowissenschaftliche<br />

Erkenntnisse sind aber nicht Teil der Ausbildung,<br />

z.B. des asp-Curriculums für <strong>Sport</strong>psychologie.<br />

Noch nicht!<br />

Ja, noch nicht, das wäre hier wohl die richtige Formulierung. Man hat<br />

sich damit mal <strong>im</strong> Studium befasst. In der Neuropsychologie als Grundlagenfach,<br />

aber nicht auf die <strong>Sport</strong>psychologie spezifisch zugeschnitten.<br />

Die Neurowissenschaft hat innerhalb der Angewandten <strong>Sport</strong>psychologie noch<br />

nicht Einzug gehalten. Auch<br />

nicht in Bezug auf die Konzepte,<br />

die sprachlichen<br />

Begriffe und die Arbeitsdefinitionen.<br />

Ihr redet ja<br />

von exekutiven Funktionen,<br />

wir benutzen die Begriffe<br />

in der <strong>Sport</strong>psychologie gar<br />

nicht. Ich kenne sie nur,<br />

weil ich die Studie mit<br />

Kindern gemacht habe, und<br />

aus der Entwicklungspsychologie.<br />

Da hat die Begrifflichkeit<br />

eine gewisse Tradition, nicht aber in der <strong>Sport</strong>psychologie. Aber<br />

wenn man genau hinschaut, was eigentlich die unterschiedlichen Methoden<br />

der <strong>Sport</strong>psychologie machen, dann zielen die ja oft genau auf die Unterstützung<br />

des Arbeitsgedächtnisses, die Opt<strong>im</strong>ierung der kognitiven Flexibilität<br />

und manchmal auch auf die Verbesserung der Inhibition ab. Aber<br />

sie werden nicht explizit geschult. Die Methode des Vorstellungstrainings<br />

<strong>im</strong>pliziert ja viele Komponenten der exekutiven Funktionen, aber man würde<br />

in der <strong>Sport</strong>psychologie nicht mit diesen Begriffen hantieren. Das liegt<br />

wohl in den zwei unterschiedlichen Forschungstraditionen begründet. Aber<br />

ich glaube, dass die Disziplinen voneinander viel lernen könnten.<br />

DIE METHODE DES VORSTELLUNGSTRAININGS<br />

IMPLIZIERT JA VIELE KOMPONENTEN DER<br />

EXEKUTIVEN FUNKTIONEN, ABER MAN WÜRDE<br />

IN DER SPORTPSYCHOLOGIE NICHT MIT DIESEN<br />

BEGRIFFEN HANTIEREN. DAS LIEGT WOHL IN<br />

DEN ZWEI UNTERSCHIEDLICHEN FORSCHUNGS-<br />

TRADITIONEN BEGRÜNDET. ABER ICH GLAUBE,<br />

DASS DIE DISZIPLINEN VONEINANDER VIEL<br />

LERNEN KÖNNTEN.<br />

Seite 119


Es macht <strong>im</strong>mer Sinn, über die Grenzen der eigenen Disziplin zu blicken.<br />

Und das ist es, was ich in den letzten fünf Jahren auf den Kongressen<br />

beobachtet habe, auf nationalen und internationalen sportpsychologischen<br />

Tagungen. Da sind plötzlich Kollegen aus der Klinischen Psychologie,<br />

Kollegen aus der Neurowissenschaft, Kollegen, die stärker exper<strong>im</strong>entell<br />

arbeiten (Filmverweis: <strong>Sport</strong>psychologie TSG 1899 Hoffenhe<strong>im</strong>).<br />

KLASSISCHE METHODEN DER SPORTPSYCHOLOGIE 91,99<br />

• Selbstgesprächsregulation<br />

• Mentales Training oder Vorstellungsregulation<br />

• Aufmerksamkeitsregulation<br />

• Aktivationsregulation (entspannen/mobilisieren)<br />

• Zielanalyse<br />

• Motivationsanalyse<br />

• Prognosetraining<br />

• Training der Nichtwiederholbarkeit<br />

NEUE METHODEN DER SPORTPSYCHOLOGIE<br />

• Achtsamkeitsschulung 100<br />

• Kognitives Training (u.a. der exekutiven Funktionen)<br />

Abschließend interessiert uns natürlich noch, wie die achtsamkeitsbasierte<br />

Intervention bei dem Speedskifahrer, den du betreut hast, gewirkt hat. Hat<br />

er sie <strong>im</strong> Wettkampf eingesetzt? Hat sie seine Leistung unterstützt und vor<br />

allem, konnte er seine Bestzeit unterbieten?<br />

Dass er sie wochen-, gar monatelang täglich angewendet hat, hat sich für<br />

ihn gelohnt. Im entscheidenden Wettkampf kam es zwischen den einzelnen<br />

Durchläufen direkt vor seiner letzten Fahrt zu Trubel und zu einer längeren<br />

Zeitverzögerung. Anstatt sich von der Nervosität anstecken zu lassen,<br />

hat er von den Übungen profitiert: Er blieb ganz bei sich und steuerte<br />

seine Aufmerksamkeit ganz gezielt und fokussierte nur auf die Linie, die<br />

er fahren wollte. Als er das „Go“ bekam, war er, wie er selbst sagte,<br />

„eins mit der Piste“ und hat „die Linie aufgefressen“. Er ist einfach<br />

gefahren. Und hat seine bisherige Rekordzeit deutlich unterboten.<br />

Seite 120


Seite 121


4 SELBSTREGULATION<br />

FÖRDERUNG DER SELBSTREGULATION (SELBSTKONTROLLE) = FÖRDERUNG<br />

MENTALER STÄRKE (WILLENSSTÄRKE) = FÖRDERUNG DER SELBSTDISZIPLIN<br />

Wenn man als <strong>Sport</strong>ler die Fähigkeit verliert, seine Emotionen zu regulieren und sein Verhalten <strong>im</strong> Griff zu<br />

haben, wenn man nicht die Selbstdisziplin aufbringt, regelmäßig, motiviert und konzentriert am Training teilzunehmen,<br />

wenn man den Willen verliert, sich dem Mannschaftsgedanken unterzuordnen, Anstrengungsbereitschaft<br />

zu zeigen und Leistung zu erbringen, dann bleiben auch die sportlichen Erfolge aus.<br />

Aufgaben, die Selbstdisziplin und Willenskraft erfordern, lassen sich in vier Bereiche einteilen:<br />

1. Kontrolle der Gedanken,<br />

2. Kontrolle der Emotionen,<br />

3. Impulskontrolle be<strong>im</strong> Widerstehen von Versuchungen und<br />

4. Leistungskontrolle. 1<br />

Damit wird deutlich, dass Willenskraft, mentale Stärke, Selbstkontrolle, Selbstregulation und Selbstdisziplin in<br />

einem engen Zusammenhang stehen und <strong>im</strong> Grunde dieselben Kompetenzen umschreiben.<br />

In einer großangelegten Studie zur Erhebung persönlicher Charakterstärken wurde Selbstdisziplin <strong>im</strong> Vergleich<br />

zu anderen Tugenden wie Ehrlichkeit, Humor, Güte und Kreativität an letzter Stelle genannt. Dagegen stand bei<br />

den persönlichen Schwächen der weltweit zwei Millionen Befragten mangelnde Selbstdisziplin ganz oben auf<br />

der Liste. 1 Gleichzeitig ist bei Studierenden Selbstdisziplin die einzige von über 30 Persönlichkeitseigenschaften,<br />

die <strong>im</strong> direkten Zusammenhang mit den Noten gemessen wurde. Mit einer hohen Selbstdisziplin nehmen Erfolge<br />

und, in weiterer Folge, Selbstbewusstsein und Zufriedenheit zu. 1<br />

DIE BAUSTEINE DES ERFOLGS<br />

Um Zufriedenheit zu erlangen, blickt man auf das Erreichte zurück. Verfügt man über einen starken Willen, eine<br />

hohe Selbstregulationsfähigkeit und Selbstdisziplin, erreicht man <strong>im</strong> Leben mehr. Um sich weiter zu motivieren,<br />

sollte man den Blick nach vorne, in die Zukunft lenken und zunächst ein klares und realistisches Ziel formulieren.<br />

Bei Kindern sind kurzfristige Ziele, wie z.B. heute <strong>im</strong> Training bei Ansagen konzentriert zuzuhören, wirkungsvoller<br />

als langfristige Ziele. Bei Jugendlichen haben sich dagegen langfristige Ziele als wirksamer erwiesen, 1 z.B. am<br />

Ende der Saison ein best<strong>im</strong>mtes Element turnen zu können, als Torschützenkönig in die Winterpause zu gehen,<br />

den Aufstieg zu schaffen oder die Meisterschaft zu gewinnen. Je älter die Heranwachsenden, desto besser sind<br />

sie in der Lage zu erkennen, dass sie mit jeder Trainingseinheit ihrem Ziel näher kommen können, wenn sie sich<br />

<strong>im</strong> Training entsprechend verhalten, wozu sie Selbstdisziplin aufbringen müssen und diese dabei ausbilden. Dafür<br />

sollten sich die <strong>Sport</strong>ler ihre Ziele <strong>im</strong>mer wieder vor Augen führen bzw. diese <strong>im</strong> Arbeitsgedächtnis präsent<br />

halten. Übungsleiter und Trainer können sie dabei unterstützen, indem sie mit ihnen über die Ziele sprechen<br />

und sie ihnen <strong>im</strong>mer wieder bewusst machen. Bei der Zielsetzung gilt: Je weniger und je klarer die Ziele definiert<br />

sind, desto besser! 1<br />

Nachdem das Ziel oder die Ziele feststehen, sollte man in regelmäßigen Abständen das eigene Verhalten kontrollieren<br />

bzw. beobachten (Verhaltensmonitoring) und prüfen, ob man sich zieladäquat verhält (Bin ich bei<br />

der Anweisung des Trainers tatsächlich konzentriert? Versuche ich gerade, die Übung in dem höchstmöglichen<br />

Tempo durchzuführen? Sind die Knie und Fußspitzen gestreckt?). Die Selbstbeobachtung wird dadurch unterstützt,<br />

indem man andere daran teilnehmen lässt. 1 Als Trainer kann man auf ein Zeichen die Trainingssituation<br />

kurz unterbrechen, und die <strong>Sport</strong>ler sollen prüfen, ob sie sich gerade gemäß ihren Zielen oder den Vorgaben<br />

des Trainers verhalten. Die Selbstbeobachtung unterstützt die Motivation, die durch das Feedback des Trainers,<br />

einer zeitlich verzögerten sozialen (z.B. einer gemeinsamen Unternehmung) oder materiellen Belohnung (zur<br />

Meisterschaft gibt es ein Meister-Shirt) weiter gestärkt wird.<br />

Seite 122


MENTALE STÄRKE TRAINIEREN<br />

Selbstdisziplin und Willensstärke lassen sich wie ein Muskel trainieren. Sie wachsen mit ihren Aufgaben 2 und<br />

lassen sich durch die Änderung gewohnheitsmäßiger Verhaltensweisen stärken. Gerade zu sitzen, in vollständigen<br />

und grammatikalisch richtigen Sätzen zu sprechen, Sch<strong>im</strong>pfwörter zu vermeiden, auf den Tonfall, eine<br />

deutliche Aussprache und auf Tischmanieren zu achten – diese und unzählige weitere erzieherische Verhaltensübungen<br />

tragen bei regelmäßigem Einsatz dazu bei, die Willensstärke zu trainieren und Selbstdisziplin auszubilden.<br />

1 Übertragen auf das Training sind das Verhaltensweisen wie pünktlich zum Training zu erscheinen,<br />

Kritik des Trainers anzunehmen, Schiedsrichterentscheidungen zu akzeptieren, nicht zu foulen, be<strong>im</strong> Auf- und<br />

Abbau der Geräte ohne Aufforderung zu helfen, Ordnung in der Umkleidekabine zu halten u.v.m. Werden diese<br />

Verhaltensweisen mit der Zeit zur Gewohnheit, erfordern sie keine Willenskraft mehr. Sie werden allmählich zu<br />

automatisierten Verhaltensweisen, die keiner bewussten Kontrolle mehr bedürfen. 1<br />

Willenskraft und Selbstdisziplin sind auch notwendig, um die Aufmerksamkeit zielgerichtet zu steuern, sich<br />

nicht ablenken zu lassen, an einer Aufgabe dranzubleiben, ohne dabei das Ziel aus dem Blick zu verlieren. Hobbys,<br />

die diese Fähigkeiten und somit exekutive Funktionen, Aufmerksamkeit und Disziplin erfordern, eignen<br />

sich daher auch zu deren Ausbildung. Dazu zählt nicht zuletzt das Training <strong>im</strong> <strong>Sport</strong>, in dem auf die Ausbildung<br />

dieser Kompetenzen Wert gelegt wird.<br />

Probanden, die in Studien ihre Willensstärke entweder durch regelmäßige Fitnessübungen, durch Veränderung<br />

ihrer Lerngewohnheiten oder durch Finanzplanung trainiert haben, konnten zu einem späteren Zeitpunkt<br />

ihre Aufmerksamkeit gezielter steuern und Versuchungen besser widerstehen, insbesondere in Situationen, in<br />

denen ihre Willenskraft bereits reduziert war. Die Probanden wurden in den trainierten Bereichen besser (die<br />

<strong>Sport</strong>ler wurden fitter, die Lerner und Haushaltsplaner effizienter), sie verbesserten sich aber auch in anderen<br />

Bereichen. Diejenigen, die planvoll gelernt hatten, trieben öfter <strong>Sport</strong> und gaben weniger Geld aus, und die<br />

Haushaltsplaner und <strong>Sport</strong>ler lernten besser. Willensanstrengungen in einem Bereich fördern also die Willenskraft<br />

in anderen Bereichen. 1 Trainieren Kinder und Jugendliche ihre Willensstärke, Selbstkontrolle und Selbstdisziplin<br />

<strong>im</strong> <strong>Sport</strong>, profitieren sie davon somit auch in anderen Lebens- und Lernbereichen.<br />

Filmverweis<br />

• Handball 10<br />

• Kempokan 6 und 7<br />

• Handball-ExF 2<br />

WENN DIE WILLENSKRAFT SCHWINDET<br />

Wir verfügen nicht über ein unerschöpfliches Reservoir an Willensstärke. Viele Tätigkeiten des Alltags zehren<br />

an derselben Ressource, die uns für Willenskraft, Selbstkontrolle und Selbstdisziplin zur Verfügung steht. 1 Bis<br />

Kinder und Jugendliche am späten Nachmittag/Abend zum Training kommen, haben bereits viele Situationen<br />

ihre Willenskraft und so auch ihre Selbstdisziplin geschwächt. Dazu gehören z.B. Schlafmangel nach einem ereignisreichen<br />

Wochenende, ein langer Schultag, Hausaufgaben und Klassenarbeitsvorbereitung, Konflikte mit<br />

Lehrern, Freunden, Eltern oder Geschwistern und, mehr denn je, die Entscheidungsvielfalt <strong>im</strong> Internet.<br />

Symptome begrenzter Willenskraft zeigen sich in einer intensiveren Wahrnehmung (alles erscheint lauter), einer<br />

erhöhten Reizbarkeit und Impulsivität, einer reduzierten Frustrationstoleranz und geringeren Kompromissbereitschaft.<br />

Die Urteilsfähigkeit leidet ebenso wie der Gerechtigkeitssinn, und je erschöpfter der Wille, desto<br />

schwerer fallen Entscheidungen. 1 Das sollte vor allem Trainern und <strong>Sport</strong>lern bewusst sein, die in <strong>Sport</strong>arten<br />

aktiv sind, die viele und schnelle Entscheidungen erfordern.<br />

Seite 123


DIE GRUNDLAGE FÜR EINEN STARKEN WILLEN: GLUKOSE<br />

Das Gehirn macht bei Erwachsenen nur zwei Prozent des Körpergewichts aus, verbraucht aber 20 Prozent seiner<br />

Energie. Willensstärke (mentale Stärke), Selbstkontrolle (Selbstregulation) und Selbstdisziplin erfordern sehr viel<br />

Energie; ihr Treibstoff ist Glukose, weshalb <strong>im</strong> Umkehrschluss Unterzucker den Willen, die Selbstkontrolle und<br />

Selbstdisziplin schwächt. 2 Mit einem niedrigen Blutzuckerspiegel fällt es also schwerer, konzentriert bei der Sache<br />

zu bleiben, die richtigen Entscheidungen zu treffen und herausfordernde Aufgaben erfolgreich zu meistern.<br />

Filmverweis<br />

• Turnen 5<br />

Glukose ist ein Einfachzucker, den der Körper aus den unterschiedlichsten Nahrungsmitteln bei der Verdauung<br />

bildet. Um Willensstärke über einen möglichst langen Zeitraum zu erhalten, sollte man Nahrungsmittel ohne<br />

oder mit einem niedrigen glykämischen Index zu sich nehmen. Dazu gehören u.a. Gemüse, Obst, Nüsse, Käse,<br />

Fisch und Fleisch. Diese Nahrungsmittel werden langsamer in Glukose umgewandelt als die Kohlenhydrate in<br />

Kartoffeln, Weißbrot und Süßigkeiten. Diese Kohlenhydrate mit einem hohen glykämischen Index werden zwar<br />

schnell in Glukose umgewandelt, sie haben aber auch einen schnellen Rückgang des Blutzuckerspiegels zur Folge.<br />

1 Der Rückgang erfolgt durch eine hohe Insulinausschüttung, die eine gesteigerte Aufnahme von Glukose in<br />

Muskel- und Fettzellen bewirkt. Während Glukose den Körper direkt mit Energie versorgt, muss sie für die Energieversorgung<br />

des Gehirns zunächst in Neurotransmitter umgewandelt werden. Da Schlaf die Glukoseverwertung<br />

und die Selbstbeherrschung verbessert, sollte zur Unterstützung der Selbstdisziplin auch auf ausreichend<br />

Schlaf geachtet werden. 1<br />

EINFLUSSFAKTOREN<br />

POSITIV<br />

• Obst, Gemüse, Nüsse, Fisch,<br />

Fleisch, Käse<br />

• Ausreichend langer Nachtschlaf<br />

• Echte Ruhephasen am Tag<br />

• Reizarme Umgebung<br />

• Selbstreguliertes (planvolles)<br />

Lernen (dadurch weniger Stress)<br />

• Freundschaften, Familie<br />

NEGATIV<br />

• Süßigkeiten, Weißbrot<br />

• Schlafmangel<br />

• Reizüberflutung, Internet<br />

• Stress<br />

• Konflikte<br />

WILLENSSTARK<br />

WILLENSSCHWACH<br />

Seite 124


GESUNDHEITSVERHALTEN FÜR DAS GEHIRN<br />

Als Trainer sollte man die Eltern bei der Ausbildung der Selbstdisziplin und der mentalen Stärke der Kinder<br />

und Jugendlichen mit ins Boot nehmen, denn sie können die Selbstdisziplin ihrer Kinder in täglichen Situationen<br />

fördern und durch ein entsprechendes Gesundheitsverhalten weiter unterstützen. Dazu eignen sich z.B.<br />

Elternabende zu Beginn der Saison. Hilfreiche Empfehlungen für Eltern (die gleichermaßen den sportlichen wie<br />

schulischen Erfolg stützen) sind:<br />

• Achten Sie auf eine gesunde Ernährung und vor dem Training auf einen gesunden Snack.<br />

• Schlafmangel reduziert die Selbstdisziplin und Selbstregulationsfähigkeit. Die Schlafdauer sollte bei Kindern<br />

und Jugendlichen zwischen 9 und ca. 11 Stunden liegen.<br />

• Ein kurzer Mittagsschlaf ist förderlich, sowohl für das Training am Abend als auch für die Wissenskonsolidierung<br />

nach der Schule. Nichts verfestigt das Gelernte nach dem Lernen (ohne selbst aktiv zu lernen) so gut wie<br />

der Schlaf; und wenn dafür keine Zeit bleibt – eine Ruhephase.<br />

• Vereinbaren Sie deshalb während und nach dem Lernen, aber auch vor dem Schlafengehen feste Zeiten, in<br />

denen das Handy, der Computer und der Fernseher ausgeschaltet bleiben. Machen Sie dazu in einer ruhigen<br />

Situation ihrem Kind ein paar wissenschaftliche Fakten bewusst:<br />

* Die häufige Nutzung des Smartphones beeinträchtigt nachweislich die Gehirnentwicklung, die Aufmerksamkeitsleistung<br />

in Form von Konzentrationsstörungen und führt zu einer geringeren Lebenszufriedenheit<br />

und zu Stress.<br />

* Je mehr Zeit dem Smartphone-Gebrauch gewidmet wird, desto weniger Zeit bleibt zum Lernen und für<br />

aktive, sinnstiftende, ausgleichende und entwicklungsfördernde Aktivitäten wie dem <strong>Sport</strong>.<br />

* Nachgewiesen ist auch, dass die Nutzung von Smartphones süchtig machen kann und die Willensstärke<br />

schwächt, da die Nutzer daran gewöhnt werden zu reagieren, sobald eine Nachricht eingeht, und somit<br />

abgelenkt werden. Lässt man sich ständig durch das Smartphone ablenken, reduziert sich das Durchhaltevermögen.<br />

Man verlernt nach und nach die Fähigkeit, unabgelenkt an einer Sache dranzubleiben.<br />

* Rund 90 Prozent der Jugendlichen nutzen eine Stunde vor dem Schlafengehen ihr Smartphone, spielen<br />

Spiele, verwenden Facebook und WhatsApp, schreiben SMS oder E-Mails. Dieser späte Medienkonsum<br />

führt nachweislich zu Schlafstörungen und einem gestörten Tag-Nacht-Rhythmus, der in einer erhöhten<br />

Müdigkeit in der Schule resultiert, was die Aufmerksamkeits- und Lernleistung beeinträchtigt. 3<br />

• Hält sich ihr Kind nicht an die Vereinbarung, nehmen Sie das Handy, die Spielkonsole oder den Laptop für eine<br />

best<strong>im</strong>mte Zeit an sich. Bleiben Sie dabei unbedingt konsequent, auch wenn Ihr Kind protestiert. Berufen Sie<br />

sich auf die wissenschaftlichen Erkenntnisse und Ihre Erziehungspflicht. 4<br />

• Seien Sie selbst Vorbild für eine gelungene Selbstdisziplin, für Willensstärke und fokussierte Aufmerksamkeit,<br />

und lassen Sie Ihr Handy auf den Zuschauerrängen bei <strong>Sport</strong>ereignissen Ihrer Kinder ausgeschaltet oder in<br />

der Tasche.<br />

Die Ausbildung der Persönlichkeit von Heranwachsenden erfordert sehr viel Energie. Kann man sich diese Aufgabe<br />

teilen, wirkt sich das positiv auf die Entwicklung der Selbstdisziplin aus. So gilt bei Jugendlichen mangelnde<br />

elterliche Aufsicht als wichtigste Ursache für spätere Straftaten. Wie entscheidend die Aufsicht der Eltern<br />

ist, belegt auch eine Studie, in der der Drogenkonsum von Jugendlichen untersucht wurde. Die Untersuchung<br />

von 35.000 Jugendlichen zeigt einen eindeutigen Zusammenhang zwischen elterlicher Kontrolle und Marihuana-Missbrauch.<br />

Wenn Eltern wissen, was ihre Kinder in der Freizeit machen und mit wem sie diese verbringen,<br />

ist die Wahrscheinlichkeit geringer, dass diese Jugendlichen Drogen konsumieren als schlechter beaufsichtigte<br />

Jugendliche. 1<br />

An diesem Beispiel wird deutlich, welch große Bedeutung einem regelmäßigen Training <strong>im</strong> <strong>Sport</strong>verein zukommt.<br />

Als Trainer und Übungsleiter unterstützen Sie entscheidend die Erziehung und die Entwicklung der<br />

Kinder und Jugendlichen (vgl. 77f.).<br />

Seite 125


FÖRDERUNG DER SELBSTREGULATION DURCH BEWEGUNG, SPORT UND SPIEL<br />

In einer Studie mit 5- bis 11-jährigen Schülern wurde für einen Zeitraum von drei Monaten der <strong>Sport</strong>unterricht<br />

durch traditionelles Taekwondo ersetzt. Dies führte bei den teilnehmenden Schülern (insbesondere<br />

bei den Jungen), die <strong>im</strong> traditionellen Taekwondo unterrichtet wurden, <strong>im</strong> Vergleich zur Kontrollgruppe mit<br />

normalem <strong>Sport</strong>unterricht zu stärkeren Verbesserungen auf kognitiver (weniger ablenkbar/stärker fokussiert)<br />

und auf affektiver Ebene (verbessertes Durchhaltevermögen). Die Kinder der Taekwondo-Gruppe wurden auch<br />

<strong>im</strong> Kopfrechnen besser, das das Arbeitsgedächtnis erfordert. 5<br />

Traditionelle Kampfkünste legen großen Wert auf die Persönlichkeitsentwicklung, indem sie auf Disziplin und<br />

Selbstkontrolle achten. Zur Schulung der Selbstkontrolle wurden die Kampfkunststunden mit drei Reflexionsfragen<br />

eingeleitet:<br />

1. Wo bin ich?<br />

2. Was mache ich gerade?<br />

3. Was sollte ich gerade machen? 5<br />

Die Kinder übten mit diesen Fragen, ihre Aufmerksamkeit auf den gegenwärtigen Moment zu lenken, ihr Verhalten<br />

zu überwachen, es mit dem Ziel abzugleichen und es ggf. anzupassen (vgl. 114f.).<br />

Filmverweis:<br />

• Hockey 8 und 9<br />

• Fechten 7<br />

Bei jugendlichen Straftätern hatte die Ausübung von traditionellem Taekwondo <strong>im</strong> Vergleich zur Teilnahme an<br />

modernen Kampfkünsten einen Rückgang von Aggression und Angst sowie eine Verbesserung der sozialen Fähigkeiten<br />

und des Selbstwertgefühls zur Folge. In den Trainingseinheiten <strong>im</strong> traditionellen Taekwondo lagen die<br />

Trainingsschwerpunkte auf der Vermittlung von Respekt, Verantwortung, Ausdauer, Konzentration, Selbstkontrolle<br />

und Selbstverteidigung. 6 Traditionelle Kampfkünste beinhalten in der Regel Achtsamkeitsübungen, die eine<br />

Verbesserung der exekutiven Funktionen bewirken, vor allem bei den Kindern, die zuvor schwächere exekutive<br />

Funktionen aufgewiesen haben. 7<br />

Filmverweis:<br />

• Kempokan<br />

Je früher und gezielter man an der Ausbildung selbstregulatorischer Fähigkeiten und deren zugrundeliegenden<br />

exekutiven Funktionen arbeitet, desto effektiver kann die Förderung erfolgen – mit weitreichenden Folgen,<br />

denn die kindliche Selbstregulation hat weit über die Schulzeit hinaus Einfluss auf Bildung, Gesundheit, Wohlstand<br />

und soziale Sicherheit. 8 Mit PFiFF hat der Verein Spiel und <strong>Sport</strong> plus ein <strong>Sport</strong>konzept entwickelt, das<br />

auf die spielerische Förderung der Selbstregulation von Kindern <strong>im</strong> Kindergarten- und Grundschulalter abzielt.<br />

Seite 126


FÖRDERUNG DER SELBSTREGULATION MIT PFIFF<br />

Filmverweis:<br />

• PFiFF/Grundschule<br />

Bei PFiFF 9 steht das spielerische Training exekutiver Funktionen <strong>im</strong> Vordergrund, insbesondere die Ausbildung<br />

der Impulskontrolle, der fokussierten Aufmerksamkeit, des Arbeitsgedächtnisses, der Umstellungs- und Reflexionsfähigkeit<br />

sowie das Einüben von regelgeleitetem Verhalten. Mit PFiFF lernen Übungsleiter und Trainer<br />

in einer zweitägigen zertifizierten Schulung die wichtige Bedeutung der exekutiven Funktionen und der<br />

Selbstregulation kennen. Sie erfahren, wie sie die wissenschaftlichen Erkenntnisse mit Kindern <strong>im</strong> sportlichen<br />

Spiel umsetzen können.<br />

PFiFF kann innerhalb eines Landessportbundes <strong>im</strong> Verein, <strong>im</strong> Rahmen einer Kooperation Kindergarten-<strong>Sport</strong>verein<br />

und/oder in einer Kooperation Grundschule-<strong>Sport</strong>verein erfolgen. Das Zertifikat darf nur an Personen<br />

vergeben werden, die über eine entsprechende Grundqualifikation verfügen (also mindestens eine C-Lizenz<br />

besitzen). Ausnahmen stellen Personen dar, die sich in einem Freiwilligendienst befinden. Diese müssen allerdings<br />

zeitgleich zum Zertifikat, spätestens jedoch innerhalb von 12 Monaten, eine Lizenz erwerben.<br />

Grundlage für die Schulungen ist das PFiFF-Lehrwerk, 10 das in zwei Teile gegliedert ist. Der erste Teil des Lehrwerks<br />

vermittelt anschaulich und leicht verständlich neuronale Grundlagen zum Lernen. Dabei wird die große<br />

Bedeutung von körperlicher Aktivität und körperlicher Fitness für Lernprozesse deutlich. Die neurobiologischen<br />

Grundkenntnisse tragen dazu bei, die <strong>im</strong> zweiten Teil beschriebenen wissenschaftlichen Erkenntnisse<br />

zu den exekutiven Funktionen und ihren Einfluss auf die Selbstregulationsfähigkeit von Kindern besser einordnen<br />

und verstehen zu können. Die theoretischen Erkenntnisse werden am Ende des Zertifizierungslehrgangs<br />

mit einer Lernzielkontrolle geprüft.<br />

In den Praxiseinheiten des PFiFF-Lehrgangs werden mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern zunächst vielfältige<br />

Spiele gespielt, die explizit auf das Training der exekutiven Funktionen ausgerichtet sind. Dabei werden<br />

eindeutige (Verhaltens-)Regeln definiert, auf deren Einbezug und Einhaltung in der Praxiseinheit beständig<br />

geachtet wird. Unmittelbar nach jedem Spiel werden die einzelnen Spielvarianten bzw. Schwierigkeitsstufen<br />

gemeinsam reflektiert, indem die verschiedenen exekutiven Funktionen und deren Training für jede Schwierigkeitsstufe<br />

herausgearbeitet und so bewusst gemacht werden. Nach dieser ersten Praxiseinheit sollen die<br />

Teilnehmer in Kleingruppen eigene Spielideen zur Förderung exekutiver Funktionen entwickeln und anleiten.<br />

Be<strong>im</strong> Anleiten sollen ebenfalls Regeln sowie Rituale definiert, eingeführt und sinnvoll integriert werden, da<br />

diese die Kinder be<strong>im</strong> Erlernen der Selbstregulation wesentlich unterstützen. Eine Übungs- und Spielesammlung<br />

11 liefert weitere Spielideen für die PFiFF-Stunden in Kindergärten, Schulen und <strong>im</strong> <strong>Sport</strong>verein.<br />

Ein wichtiges Ziel der PFiFF-Schulung ist es, die Übungsleiter, Trainer und Pädagogen in ihrem Umgang mit Kindern<br />

zu unterstützen, die noch größere Schwierigkeiten haben, ihr Verhalten, ihre Emotionen und ihre Aufmerksamkeit<br />

zu steuern. Kinder mit Problemen in der Selbstregulation zeigen häufig beeinträchtigte exekutive Funktionen.<br />

Diese können u.a. auf kognitive Defizite wie Arbeitsgedächtnis- und/oder Aufmerksamkeitsprobleme<br />

zurückgeführt werden sowie auf den mangelnden Fähigkeiten beruhen, sich schnell umzustellen oder sich zu<br />

organisieren. Manche Kinder zeigen vermehrt Schwierigkeiten in der Stress- bzw. Emotions- und Motivationsregulation<br />

und somit <strong>im</strong> Bereich der sogenannten heißen exekutiven Funktionen (vgl. Kapiel 1, 28ff.).<br />

Selbstregulationsprobleme können sich also ganz unterschiedlich darstellen, z.B. in Form von:<br />

• Unaufmerksamkeit: andere ablenken, selbst leicht ablenkbar sein, sich nicht fokussieren können etc.<br />

• Impulsivität: nicht warten können, mit Antworten „herausplatzen“, vor dem Startsignal loslaufen etc.<br />

• Hyperaktivität: bei Ansagen nicht ruhig und still stehen oder sitzen können etc.<br />

• Motivationsprobleme: geringe Anstrengungsbereitschaft, Lustlosigkeit etc.<br />

• Schwierigkeiten bei der Regeleinhaltung: Verletzung von Spielregeln, Missachtung von Anweisungen,<br />

ständiges Diskutieren etc.<br />

Seite 127


• Aggressivität: schubsen, schlagen, kicken, Verbreiten von Gerüchten, andere bloßstellen etc.<br />

• Negative Emotionalität: leicht erregbar, sehr zurückhaltend, geringes Schuldbewusstsein, geringe<br />

Empathiefähigkeit etc.<br />

• Beeinträchtigte St<strong>im</strong>mung: launenhaft, St<strong>im</strong>mungsschwankungen, schnell entmutigt, hoffnungslos, euphorische<br />

Aufgeregtheit, leicht reizbar, depressive Traurigkeit etc.<br />

• Ängste: starke psychische und körperliche Anspannung, Meidungsverhalten aufgrund von Nervosität etc.<br />

• Soziale Schwierigkeiten: Streitigkeiten mit Freunden, mangelnde Fähigkeiten, sich einordnen zu können, in<br />

Gruppensituationen verschlossen, sehr schüchtern, zurückgezogen etc. 12<br />

Die meisten Kinder und Jugendlichen erwerben selbstregulatorische Kompetenzen mehr oder weniger <strong>im</strong>plizit<br />

zu Hause, <strong>im</strong> Kindergarten, in der Schule und <strong>im</strong> Freizeitbereich. Unterstützt wird dieser langjährige<br />

Lernprozess durch ritualisierte Abläufe und indem die Heranwachsenden <strong>im</strong>mer wieder daran erinnert oder<br />

dazu direkt oder situationsbedingt aufgefordert werden, sich an geltende Regeln zu halten, leiser, achtsamer<br />

oder langsamer zu werden, erst eine Aufgabe zu Ende zu führen, bevor sie mit einer neuen beginnen, zu warten,<br />

sich zu beruhigen etc. Der Alltag mit Kindern und Jugendlichen – und auch jede Spiel-, Bewegungs- und<br />

<strong>Sport</strong>einheit – liefert unzählige Möglichkeiten, Selbstregulation zu üben. Und tatsächlich bedarf es wohl tausender<br />

solcher alltäglichen Übungsmöglichkeiten, damit die Heranwachsenden lernen können, ihr Verhalten,<br />

ihre Aufmerksamkeit und ihre Emotionen bewusst, zielgerichtet und erfolgreich zu steuern – insbesondere<br />

in emotionalen und motivationalen Situationen, die ja gerade den <strong>Sport</strong> und das Spiel auszeichnen und diese<br />

für die Förderung der Selbstregulation so wertvoll machen. Bei Kindern und Jugendlichen mit größeren<br />

Schwierigkeiten in der Selbstregulation ist diese <strong>im</strong>plizite Förderung oftmals nicht ausreichend. Sie benötigen<br />

eine gezielte Förderung, von der aber auch Kinder ohne Entwicklungsverzögerungen in der Selbstregulation<br />

stark profitieren.<br />

Kinder und Jugendliche mit Defiziten <strong>im</strong> Bereich der Selbstregulation versuchen selbst <strong>im</strong>mer wieder, sich gut<br />

zu verhalten. Auch sie wollen, wie alle anderen Kinder und Jugendlichen, wertgeschätzt und gelobt werden<br />

(wer will das nicht?). 13 Viel häufiger als andere Gleichaltrige scheitern sie jedoch dabei und werden so <strong>im</strong>mer<br />

wieder ermahnt oder bestraft. Oftmals registrieren wir als Erwachsene nicht, wenn Kinder sich angemessen<br />

verhalten, weil wir das als normal und daher nicht als bemerkenswert ansehen. Für Kinder mit selbstregulatorischen<br />

Schwierigkeiten kann ein angemessenes Verhalten aber bereits eine sehr große Leistung sein. Noch<br />

seltener erkennen wir, wenn diese Kinder versuchen, sich gut zu verhalten, es ihnen aber nicht gelingt – und<br />

versäumen dadurch die Möglichkeit, sie für ihre Anstrengungsbereitschaft und Bemühungen zu loben. 4<br />

Wie ein Kind, das Schwierigkeiten be<strong>im</strong> Lesen, Schreiben oder Rechnen hat, nicht bestraft wird bzw. nicht<br />

bestraft werden sollte, sondern regelmäßig üben muss, um sich in den entsprechenden Lernbereichen zu verbessern<br />

(was eine hohe Selbstregulation erfordert), so müssen auch Kinder mit Selbstregulationsproblemen<br />

die Möglichkeit erhalten, die damit verbundenen Kompetenzen <strong>im</strong>mer und <strong>im</strong>mer wieder üben zu können.<br />

Aus diesem Grund sollten Situationen, in denen es Kindern, aber auch Jugendlichen nicht gelingt, sich gut zu<br />

steuern, als Chance wahrgenommen werden, die Selbstregulationsfähigkeit mit ihnen zu üben.<br />

Diese Fähigkeit kann den Kindern nicht allein in der Theorie vermittelt und bewusst gemacht werden, sondern<br />

sie müssen Selbstkontrolle in den heißen Situationen, in denen sie gefordert ist, mit Unterstützung von<br />

Erwachsenen und gemeinsam mit anderen Kindern üben – und dabei auch scheitern dürfen. 4 Was nicht bedeutet,<br />

dass wiederholtes Fehlverhalten ohne Konsequenz bleibt. Nicht nur, aber gerade für diese Kinder und<br />

Jugendlichen sind eindeutige Regeln und das Erfahren von Konsequenzen wichtige unterstützende Elemente,<br />

um selbstregulatorische Kompetenzen erlernen zu können. Dieser Lernprozess vollzieht sich nicht von einer<br />

Trainingsstunde zur anderen, sondern kann Wochen, Monate oder auch Jahre dauern. Hier sind also vor allem<br />

Ausdauer und eine positive und wertschätzende Haltung der Lehrpersonen gefordert! Die Entwicklung<br />

einer positiven Haltung gegenüber Kindern mit Selbstregulationsschwierigkeiten ist deshalb ein zentrales<br />

Ausbildungsziel in den PFIFF-Schulungen.<br />

Seite 128


AUF DIE HALTUNG KOMMT ES AN!<br />

In den allermeisten Fällen, in denen sich Kinder herausfordernd verhalten, liegt ein Kompetenzdefizit (siehe Abschnitt:<br />

Verhalten analysieren, 130) vor, weshalb sie nicht in der Lage sind, sich so zu verhalten, wie man sich das<br />

als Erwachsener wünschen würde. Sehr häufig erwarten wir von Kindern ein „erwachsenes“ Verhalten. Dabei<br />

vergisst man leicht, dass Kinder viele Fähigkeiten wie aufmerksames Zuhören, Pünktlichkeit, nicht unruhig zu<br />

sein, warten zu können und eigene Bedürfnisse hintanzustellen erst vielfältig üben und lernen müssen. Verhaltensprobleme<br />

sollten also als Ausdruck fehlender Kompetenz wahrgenommen werden, die nicht nach Strafe,<br />

sondern nach Unterstützung verlangen. 14 Es geht demnach nicht um die Sanktionierung eines Verhaltens, weil<br />

das Kind sich nicht selbstreguliert verhalten möchte, sondern es braucht Unterstützung, weil es sich noch nicht<br />

selbstreguliert verhalten kann. Es macht einen großen Unterschied, ob man einem verhaltensauffälligen Kind<br />

mit der Annahme bzw. Haltung gegenübersteht: Es will nicht – oder es kann nicht. 13<br />

Er will sich<br />

nicht in die<br />

Gruppe<br />

einordnen<br />

So ein<br />

Scheiß!<br />

Das ist<br />

total<br />

unfair!<br />

Mit euch<br />

spiel ich<br />

nicht!<br />

Er kann sich<br />

noch nicht<br />

in die Gruppe<br />

einordnen<br />

NICHT IMPULSIV, SONDERN BEDACHT REAGIEREN<br />

Wenn Kinder in der Selbstregulationsfähigkeit eine verlangsamte Entwicklung aufweisen, ist dabei nicht selten<br />

auch die Selbstregulationsfähigkeit der Lehrpersonen aufs Höchste gefordert. Je emotionaler eine Situation<br />

ist, desto besonnener sollte man reagieren. Man muss selbst einen kühlen Kopf bewahren, um herausfordernde<br />

Situationen <strong>im</strong> Training und <strong>im</strong> Unterricht bestmöglich meistern zu können. Es gilt also nicht nur<br />

für die Kinder, sondern zunächst vor allem auch für den Übungsleiter, Trainer und Pädagogen, nicht <strong>im</strong>pulsiv<br />

und reaktiv, sondern bedacht zu handeln. So schwer diese Aufgabe manchmal auch sein kann, so wichtig ist<br />

sie: Als Erwachsene sollten wir <strong>im</strong>mer wieder anstreben, den Kindern und Jugendlichen ein Vorbild für eine<br />

gelingende Impulskontrolle bzw. Selbstregulationsfähigkeit zu sein. 4 Das Führen von Selbstgesprächen kann<br />

dafür eine hilfreiche Strategie sein.<br />

Stopp!<br />

Ich bleibe<br />

ganz ruhig!<br />

Seite 129


VERHALTEN ANALYSIEREN – KOMPETENZDEFIZITE ERKENNEN<br />

Hat man die eigene Selbstregulation <strong>im</strong> Griff, helfen dem Trainer und Übungsleiter nachfolgende W-Fragen, 15<br />

das Verhalten der Kinder zu analysieren. Die Übungsleiter und Trainer sollten zunächst erkennen, an welchen<br />

kognitiven Defiziten bzw. Entwicklungsverzögerungen sie mit dem Kind konkret arbeiten sollten.<br />

1) WELCHES FEHLVERHALTEN ZEIGT DAS KIND?<br />

Zum Beispiel:<br />

Es hört mir nicht zu.<br />

Es sollte laufen, schleicht aber nur lustlos durch die Halle.<br />

Es lenkt andere Kinder ab.<br />

Es ärgert ein anderes Kind.<br />

Für eine genauere Analyse des Verhaltens ist es sinnvoll, nicht nur nach der Art des Fehlverhaltens, sondern<br />

auch nach dem „Wann“ und „Wer“ zu fragen. 13, 15 Es geht also nicht nur darum zu erkennen:<br />

Welches Problem zeigt sich mir?<br />

Es hört mir nicht zu, lenkt andere Kinder ab etc. (siehe oben)<br />

Sondern auch:<br />

Wann tritt das Problem verstärkt auf?<br />

Zum Beispiel: zum Stundenbeginn, in Wettbewerbssituation oder bei einem Situationswechsel<br />

Wer ist ggf. noch daran beteiligt?<br />

Zum Beispiel: <strong>im</strong>mer wenn T<strong>im</strong> in der gegnerischen Mannschaft spielt.<br />

2) WARUM VERHÄLT SICH DAS KIND SO?<br />

Zum Beispiel:<br />

Es hat Schwierigkeiten, die Aufmerksamkeit zu steuern.<br />

Es hat Schwierigkeiten, die Motivation zielführend zu steuern.<br />

Es hat Schwierigkeiten, sich umstellen zu können.<br />

Es hat Schwierigkeiten, die Emotionen zu regulieren.<br />

3) WAS SOLLTE DAS KIND LERNEN?<br />

Zum Beispiel:<br />

Be<strong>im</strong> Warten in der Reihe leise zu sein, ruhig zu stehen und aufmerksam zuzuhören.<br />

Bei einer Anweisung, sich schneller umstellen zu können.<br />

Andere Kinder nicht abzulenken.<br />

Andere Kinder nicht zu ärgern.<br />

Seite 130


Beruhig<br />

dich jetzt<br />

mal und<br />

geh zurück<br />

zu deiner<br />

Mannschaft!<br />

EINE VERBINDUNG HERSTELLEN<br />

Da in emotions- und motivationsreichen Situationen die vom<br />

präfrontalen Kortex gesteuerte Top-down-Kontrolle des l<strong>im</strong>bischen<br />

Systems und so die der Emotionen und der Motivation<br />

erschwert ist, 16 sollte man zunächst mit dem Kind in Verbindung<br />

treten und auf dessen Gefühle eingehen, damit es<br />

diese leichter regulieren kann. 15<br />

Ich kann<br />

verstehen, dass<br />

du verärgert<br />

bist, zu verlieren<br />

ist ja auch<br />

wirklich nicht<br />

einfach!<br />

Wenn es die Situation zunächst nicht erlaubt, tiefergehend<br />

auf das Problem einzugehen, kann ein klärendes Gespräch<br />

zu einem späteren Zeitpunkt vereinbart werden. Dabei ist es<br />

wichtig, freundlich, aber auch entschieden und konsequent<br />

zu reagieren. 4<br />

Lass uns nach<br />

der Stunde noch<br />

einmal in Ruhe<br />

darüber reden.<br />

Geh jetzt erst<br />

einmal zurück<br />

zu deiner Mannschaft,<br />

sonst<br />

kannst du bei<br />

dieser Spielrunde<br />

nicht mitspielen.<br />

So ist unsere<br />

Regel.<br />

Erst <strong>im</strong> darauffolgenden Schritt und in einer entspannten Atmosphäre<br />

werden die herausfordernden Situationen in den<br />

<strong>Sport</strong>stunden ein weiteres Mal und nun gemeinsam mit dem<br />

Kind analysiert.<br />

GEMEINSAM EINE LÖSUNG SUCHEN<br />

Es gibt nicht die eine richtige Lösung für ein Verhaltensproblem. Die Probleme und Lösungsansätze sind so<br />

vielfältig wie die Kinder selbst. Es ist deshalb wichtig, die Kinder in die Problemlösung mit einzubeziehen 13<br />

und ggf. auch mit den Eltern (bei PFiFF <strong>im</strong> Verein), den Pädagogen des Kindergartens (bei Kooperation Kindergarten-Verein)<br />

oder der Schule (bei Kooperation Schule-Verein) das Gespräch zu suchen. Zuvor sollte der<br />

Übungsleiter bzw. der Trainer jedoch die Perspektive des Kindes vor Augen haben.<br />

Ihr arbeitet gar<br />

nicht an eurer<br />

Seilübung,<br />

sondern albert<br />

nur herum – was<br />

ist denn los?<br />

Ich war vorhin bei Ole und<br />

Justus in der Gruppe. Da hat es gut<br />

geklappt. Mit Max wollte niemand<br />

in einer Gruppe sein, weil er nicht<br />

gut Seilspringen kann. Das hat mir<br />

leidgetan, deshalb bin ich zu ihm.<br />

Wir haben es wirklich versucht,<br />

aber die Übung einfach nicht hinbekommen.<br />

Seite 131


DAS KIND NEUTRAL AUF DAS PROBLEM ANSPRECHEN UND INFORMATIONEN EINHOLEN<br />

„Mir ist aufgefallen, dass...<br />

• es für dich nicht leicht ist zu verlieren.“<br />

• es häufiger zum Streit kommt, wenn du mit T<strong>im</strong> in einer Mannschaft spielst.“<br />

• es ziemlich lange dauert, bis du bei Ansagen an der Linie stehst.“<br />

„Mich interessiert, was du darüber denkst?“<br />

DAS KIND FRAGEN, WIE MAN DAS PROBLEM LÖSEN KÖNNTE<br />

„Ich weiß aber, dass du das auch hinbekommst. Hast du eine Idee, wie es dir gelingen kann…<br />

• dich schneller zu beruhigen?“<br />

• weniger mit T<strong>im</strong> zu streiten?“<br />

• schneller an die Linie zu kommen?“<br />

Weitere Fortbildungsinhalte in den PFiFF-Zertifizierungslehrgängen sind in diesem Zusammenhang die Reflexionsausbildung,<br />

der Perspektivenwechsel und die Achtsamkeitsschulung.<br />

KONKRET WERDEN<br />

Hat man einen Lösungsweg gemeinsam vereinbart, muss dieser konkretisiert werden. Dazu eignen sich Zielvereinbarungen<br />

und Wenn-dann-Pläne.<br />

1) Ziele definieren, z.B.:<br />

• bei einem Streit ruhig zu reagieren;<br />

• weniger oft mit T<strong>im</strong> zu streiten;<br />

• bei Ansagen schneller an die Linie zu kommen.<br />

2) Wenn-dann-Plan erstellen, z.B.:<br />

• Wenn ich wütend werde, blicke ich ganz schnell in eine andere Richtung.<br />

• Wenn ich wütend werde, dann denke ich: „Wut ist nur ein Gefühl, das vergehen kann“, und atme die Wut<br />

mit 10 tiefen Atemzügen weg.<br />

• Wenn ich in einem Spiel verliere, dann sage ich in Gedanken zu mir: „Selbst Ronaldo verliert mal ein Spiel.“<br />

• Wenn ich wütend auf T<strong>im</strong> bin, dann gehe ich zur Trainerin und sage es ihr.<br />

ZIELÜBERPRÜFUNG<br />

Nach einzelnen <strong>Sport</strong>stunden oder nach Ablauf einer vereinbarten Zeit wird überprüft, ob die <strong>im</strong> Wenn-dann-<br />

Plan vereinbarten Handlungsschritte umgesetzt bzw. das gesetzte Ziel erreicht wurden.<br />

Wichtig dabei ist, dass nicht nur das erreichte Ziel gelobt wird, sondern auch kleine Teilerfolge auf dem Weg<br />

zum Ziel sowie das Bemühen darum. Wurde das Ziel erreicht, kann ein neues Ziel vereinbart werden. Ist das<br />

Verhalten noch nicht gefestigt, wird an der Erreichung des bisherigen Ziels weitergearbeitet. 17<br />

UMSETZUNG IN DIE PRAXIS<br />

In einer E-Mail an die Autorin beschreibt Johanna von Seggern, Leiterin der Kindersportschule (KiSS) des<br />

VfL Sindelfingen, wie sie die Fortbildungsinhalte aus dem PFiFF-Zertifizierungslehrgang zur Förderung von<br />

Kindern mit erhöhtem Förderbedarf in der Selbstregulation in ihren KiSS-Stunden umgesetzt hat und weiter<br />

umsetzen möchte.<br />

Seite 132


Von einfach nur Warten – ganz ohne Handy.<br />

Seite 133


An: sabine.kubesch@bildungplus.org<br />

Betreff: Paul<br />

10.10.2016<br />

Guten Morgen Sabine,<br />

also bei Paul läuft es folgendermaßen:<br />

Er hat das Problem, dass er sich nicht lange konzentrieren kann – außerdem vermute ich, dass er oft nicht<br />

einschätzen kann, wie sein Verhalten auf andere Kinder wirkt. Er wird zum Beispiel bei einem Mannschaftsspiel<br />

abgetroffen und ärgert sich dann, sodass er oft sagt: Ich will ja auch verlieren – meine Mannschaft soll<br />

verlieren! Die anderen Kinder haben das natürlich nie verstanden.<br />

Nachdem ich sehr oft mit ihm gesprochen habe und ihm versucht habe zu erklären, dass die anderen Kinder<br />

das blöd finden und das ja auch nicht Sinn der Sache ist, hatte er mir irgendwann erzählt, dass er das in der<br />

Schule aber auch so macht. Danach hatte ich mit seiner Mutter gesprochen und auch sie sagte mir, dass es<br />

ähnliche Probleme zu Hause gibt und sich Paul auch in der Schule <strong>im</strong>mer wieder gegen die ganze Klasse stellt<br />

und er deshalb <strong>im</strong>mer mehr zum Außenseiter wird. Interessant war, dass – als er bei uns eine Woche lang<br />

für jeweils 8 Stunden <strong>im</strong> Camp war – wir deutlich gemerkt haben, dass er mit Kindern, die ihn nicht kannten,<br />

viel besser zurechtkam und er dort auch eine andere Rolle übernommen hat – als <strong>im</strong>mer der Störer zu sein.<br />

Nachdem mir Pauls Mama, mit der ich in einem engen Austausch stehe (und die bei unseren Gesprächen sehr<br />

oft geweint hatte), mir sagte, dass sie nicht verstehen kann, warum die Lehrer ihn <strong>im</strong> Unterricht <strong>im</strong>mer wieder<br />

nur raussetzen und ihn sogar aus AGs ausschließen, wollte ich einfach mal einen anderen Weg einschlagen.<br />

Deshalb suchte ich das Gespräch dieses Mal ganz anders: Ich fragte Paul, was ihm Spaß macht, was er gut<br />

findet <strong>im</strong> <strong>Sport</strong> und was er glaubt, wie wir manche Situationen umgehen können, ohne dass es die Kinder<br />

mitbekommen – da ich sehr stark glaube, dass das sein Problem ist, nicht nur die Aufmerksamkeitssteuerung,<br />

sondern auch <strong>im</strong>mer wieder das Bloßstellen vor der ganzen Gruppe, was er täglich in der Schule erlebt.<br />

Er war sehr offen. Dann haben wir eine Gehe<strong>im</strong>sprache vereinbart – was er toll fand, weil es ja etwas Besonderes<br />

ist, wenn er das alleine mit der <strong>Sport</strong>lehrerin hat. Wir starteten zunächst mit einem Zeichen, das er<br />

sich aussuchen durfte, da ich das einfacher für ihn fand, weil er sich das Zeichen so besser merken konnte.<br />

Das war ein normales Schnippen. Damit hat er mir gezeigt, dass er gerade ein Problem hat. Außerdem darf<br />

auch ich schnippen, wenn er nicht zuhört, stört oder in einer anderen Form negativ auffällt. Paul sollte dann<br />

kurz überlegen, ob er weiß, was ich meine oder ob er es nicht versteht – dann hat er die Faust gezeigt. Das<br />

war dann das Zeichen für: „Ich weiß nicht weiter!“ Daraufhin hab ich ihn trinken gehen lassen und kurz das<br />

Gespräch mit ihm gesucht, während die Gruppe weitermachte. Wenn er die Faust nicht zeigt, dann weiß er,<br />

was gemeint ist, und er versucht selbst sich zu regulieren (z.B. aufmerksamer zu werden, einem Konflikt aus<br />

dem Weg zu gehen oder sich in die Gruppe zu integrieren).<br />

Anfangs kam es selten vor, dass er geschnippt hat. Aber mittlerweile schnippt auch er und zeigt mir auf diese<br />

Weise, dass er sich unwohl fühlt. Ich warte dann ab, ob er auch die Faust zeigt oder nicht. Manchmal erkläre<br />

ich das Spiel einfach nochmal, und er hat es dann vielleicht verstanden oder es ist, dass er nicht mit manchen<br />

Jungs zusammen spielen möchte. Dann betone ich nochmals, dass wir alle eine Gruppe sind und jeder mit<br />

jedem einmal spielen sollte.<br />

Ich habe wirklich das Gefühl, er ist wesentlich ruhiger geworden, und auch die Kinder nehmen ihn viel besser<br />

wahr, nämlich auch mit seinen Stärken – da er z.B. ein sehr guter Ballsportler ist und die Kinder ihn sogar als<br />

Wächter bei Spielen auswählen, was ihn dann ganz stolz macht.<br />

Seite 134


Natürlich weiß ich, es ist noch lange nicht geschafft, aber ich merke, wie er sich besser kontrollieren kann,<br />

wenn er kurz auch die Chance erhält zu überlegen, was los ist. Seine Mama war bei diesen Gesprächen <strong>im</strong>mer<br />

dabei und weiß von unserer Gehe<strong>im</strong>sprache. Sie hat dies dann <strong>im</strong> Elternabend vertreten und der Klassenlehrerin<br />

von Paul erzählt. Die Klassenlehrerin hatte sich daraufhin mit mir in Verbindung gesetzt, und ich hatte<br />

ihr das Buch 13 und auch euer Konzept 17 empfohlen. Sie war zum Glück sehr offen. Somit wurde die Gehe<strong>im</strong>sprache<br />

auch in der Schule übernommen.<br />

Ich finde es selbst erstaunlich, wie s<strong>im</strong>pel es manchmal sein kann – obwohl die Lage mit Paul anfangs so<br />

aussichtslos und anstrengend war. Nun macht er das in der Schule bereits seit Mai und wurde nun eben <strong>im</strong><br />

September sogar als Klassensprecher gewählt. In der zweiten Klasse finde ich das sehr beachtlich, weil die<br />

anderen Kinder ihn ja bereits gut kennen. Das gibt ihm einen großen Schub!<br />

Außerdem kommt Paul jetzt zusätzlich zum normalen <strong>Sport</strong> auch ins Schw<strong>im</strong>men – hier klappt das leider nicht<br />

mit dem Schnippen. Ich habe ihm deshalb erklärt, dass wir uns hier ein anderes Zeichen überlegen müssen,<br />

da ich das Schnippen nicht höre bzw. er ja nasse Finger hat. Er meinte sofort: „Johanna, das ist nicht schl<strong>im</strong>m,<br />

wenn du es nicht hörst, ich kann ja einfach mit der flachen Hand auf meinem Kopf tippen.“ Somit war das<br />

dann auch geregelt! Die Faust gilt trotzdem.<br />

Diese kleinen Auszeiten helfen Paul, <strong>im</strong>mer wieder neu am Ball zu bleiben. Ich hoffe, dass ich da auch weiterhin<br />

dranbleiben kann – und er, wenn er älter wird, das dann nicht doof findet. Aber das werden wir ja sehen.<br />

Jetzt, wo ich so ausführlich dir berichtet habe, merke ich selbst, wie gut es doch manchmal ist, nicht <strong>im</strong>mer<br />

nur zu sehen, dass jemand stört, sondern die Ursache zu finden. Ich würde Paul nicht anders kennen wollen<br />

und finde es beeindruckend, wie toll die PFiFF-Ausbildungsinhalte bei ihm greifen. Das ist wirklich eure Arbeit,<br />

denn ohne euch hätte ich nie den Denkanstoß gewagt, das Ganze einfach mal anders anzugehen.<br />

Im Übrigen starten wir ab nächster Woche mit den Haargummis (zwei pro Kind) erstmal in meinen Gruppen,<br />

da ich schauen möchte, wie es klappt. Die Wutwolke und Reflexions-Auszeit mit Brause, Flatter und Flexi wollen<br />

wir auch aufnehmen. Ich halte dich auf dem Laufenden.<br />

Ganz liebe Grüße und bis bald!<br />

Johanna<br />

Seite 135


Ich habe hier zwei (Haar-)Gummis. Die zieht ihr euch<br />

über die Hand. Wer gegen eine unserer Regeln verstößt,<br />

muss ein Gummi abgeben. Die Kinder, die am<br />

Ende der <strong>Sport</strong>stunde noch die meisten Gummis<br />

haben, dürfen sich gemeinsam für die nächste Stunde<br />

ein Spiel aussuchen. 18<br />

Ihr wisst ja, dass Brause manchmal ganz schön<br />

wütend wird – besonders dann, wenn er in einem<br />

Spiel verliert. 17<br />

Dann kommt es schon mal vor,<br />

dass er richtig explodiert.<br />

Seite 136


Aber Brause ist nicht die Wut. Die Wut ist nur ein<br />

Gefühl, das vergehen kann.<br />

Was kann Brause machen oder denken, damit die<br />

Wut schneller vergeht?<br />

Was wirst du das nächste Mal denken oder machen,<br />

wenn du be<strong>im</strong> Spiel in der Verlierermannschaft bist<br />

und wütend wirst?<br />

Wen ich bereits zwe<strong>im</strong>al verwarnen musste, der muss<br />

sich bei der dritten Störung in den passenden Brauseoder<br />

Flatter-Reifen stellen. Wenn ihr merkt, ihr werdet<br />

wieder aufmerksamer oder weniger ärgerlich, dann<br />

dürft ihr einen oder zwei Reifen weitergehen. Wenn<br />

ihr euch wieder gut umstellen könnt und flexibel wie<br />

Flexi seid, dann steigt ihr in den grünen Flexi-Reifen.<br />

So weiß ich, dass ihr wieder beruhigt und aufmerksam<br />

mitmachen könnt. Ihr wartet so lange <strong>im</strong> grünen Reifen,<br />

bis ich euch herwinke.<br />

Seite 137


WIRKSAMKEITSANALYSE<br />

In einem Evaluationsprojekt der Universität Karlsruhe 18 wurden die Effekte von PFiFF untersucht. Der Untersuchungszeitraum<br />

umfasste ein halbes Jahr. Die PFiFF-Stunden fanden einmal in der Woche mit einer Unterrichtsdauer<br />

von jeweils 45 Minuten statt. Nachfolgend sind die Ergebnisse der Studie aufgeführt.<br />

BRIEF-P<br />

Die PFiFF-Kindergartenkinder haben sich <strong>im</strong> Gesamtwert „exekutive Funktionen“ (untersucht mit dem Verhaltensinventar<br />

BRIEF-P 19 zur Beurteilung exekutiver Funktionen von Kindern <strong>im</strong> Kindergartenalter) <strong>im</strong> Vergleich<br />

zu den Kontrollkindern (aus Kindergärten ohne PFiFF-Kooperation) hochsignifikant verbessert: PFiFF-Kinder<br />

um fast 10 Prozent; Kinder aus der Kontrollgruppe um 2,5 Prozent.<br />

Die größten Unterschiede <strong>im</strong> BRIEF-P wurden <strong>im</strong> Bereich der kognitiven Flexibilität gemessen. Hier verbesserten<br />

sich die PFiFF-Kinder um über 14 Prozent, die Kontrollkinder lediglich um etwas mehr als 1 Prozent.<br />

Des Weiteren haben sich die Kinder aus den untersuchten PFiFF-Kindergärten in ihrer metakognitiven Entwicklung<br />

stärker verbessert als die Kinder aus den Kontrollkindergärten. Während sich bei den PFiFF-Kindern<br />

die gemessenen Werte um gut 8,5 Prozent verbessert haben, wurde bei der metakognitiven Entwicklung der<br />

Kinder aus der Kontrollgruppe eine min<strong>im</strong>ale Verschlechterung gemessen.<br />

Bei der Inhibition verbesserte sich die Interventionsgruppe zwar nicht signifikant, aber prozentual gesehen<br />

um nahezu das Doppelte <strong>im</strong> Vergleich zur Kontrollgruppe.<br />

Vergleicht man die Ergebnisse des Verhaltensinventars BRIEF-P mit den Normwerten, so zeigt sich, dass zum<br />

ersten Messzeitpunkt (vor der 6-monatigen Intervention) sowohl die PFiFF-Kinder als auch die Kinder aus den<br />

Kontrollkindergärten in allen Werten signifikant schlechter als die mit BRIEF erhobenen Normwerten abgeschnitten<br />

haben. Nach der 6-monatigen Intervention lagen die Kinder aus den PFiFF-Kooperationen (nicht<br />

aber die Kinder aus den Kontrollgruppen) über den Normwerten. 18<br />

HTKS<br />

Die Head-Toes-Knees-Shoulders-Aufgabe (HTKS) 20 ist eine motorischen Aufgabe, die die Selbstregulationsfähigkeit<br />

und die exekutiven Funktionen von Kindern <strong>im</strong> Alter von 4 bis 8 Jahren misst. Dabei werden die<br />

Komponenten Inhibition, Aufmerksamkeit, Arbeitsgedächtnis und kognitive Flexibilität getestet. Die Kinder<br />

müssen die Aufmerksamkeit auf die Instruktionen lenken und die geltende Spielregel <strong>im</strong> Arbeitsgedächtnis<br />

aufrechterhalten. Inhibitorische Kontrolle ist gefordert, da die Kinder eine andere Aktion einleiten müssen,<br />

als es die Instruktionen vorgeben. Wenn sich die Spielregeln verändern, sind das Arbeitsgedächtnis und die<br />

kognitive Flexibilität und damit auch die Inhibition <strong>im</strong> Einsatz.<br />

Bei dem Testverfahren werden die Schwierigkeitsstufen allmählich gesteigert, aber nur dann, wenn bei der<br />

vorangegangenen Schwierigkeitsstufe eine vorgegebene Anzahl von richtig ausgeführten Bewegungen bzw.<br />

Entscheidungen erfolgt ist. Die Kinder der Kontrollgruppe kamen größtenteils nicht über die zweite Schwierigkeitsstufe<br />

hinaus, während nahezu alle PFiFF-Kinder die dritte und höchste Schwierigkeitsstufe erzielten.<br />

Seite 138


HEAD-TOES-KNEES-SHOULDERS-AUFGABE<br />

Schwierigkeitsstufe 1<br />

Berühre deinen Kopf!<br />

Kinder sollen ihre Zehen berühren usf.<br />

… Zehen!<br />

Schwierigkeitsstufe 2<br />

… Kopf!<br />

… Zehen!<br />

… Knie!<br />

… Schultern!<br />

Seite 139


Schwierigkeitsstufe 3<br />

Berühre deine Knie!<br />

… Schultern!<br />

… Kopf!<br />

… Zehen!<br />

Bei der Head-Toes-Knees-Shoulders-Aufgabe verbesserten sich die Kinder aus der Interventionsgruppe mit<br />

PFiFF um mehr als 60 Prozent, die Kinder aus den Kontrollgruppen um weniger als 6 Prozent. 18 Die Ergebnisse<br />

in der HTKS-Aufgabe korrelieren mit dem Lernerfolg. Innerhalb der untersuchten Altersgruppe sagt sie den<br />

Lernerfolg <strong>im</strong> mathematischen und sprachlichen Bereich über mehrere Jahre voraus. 21 In den PFiFF-Stunden<br />

werden zum Training exekutiver Funktionen regelmäßig Spiele 11 integriert, die nach dem Prinzip von HTKS<br />

aufgebaut sind und auf diese Weise die exekutiven Funktionen trainieren.<br />

Filmverweis:<br />

• PFiFF/Grundschule 1, 3, 4 und 5<br />

Seite 140


AKZEPTANZ<br />

Die Beurteilung der Akzeptanz von PFiFF durch die Übungsleiter fiel sehr positiv aus. Dabei wurden die Zufriedenheit<br />

mit den theoretischen und praktischen Ausbildungsinhalten, die Umsetzung der PFiFF-Stunden<br />

und Fragen zur Organisation und „Ökonomie“ erfasst. Der Anteil an Übungen, die explizit auf die Förderung<br />

der exekutiven Funktionen und der Selbstregulation ausgerichtet sind, liegt bei knapp 60 Prozent. Rund 77<br />

Prozent der Übungsleiter wenden Inhalte aus den PFiFF-Schulungen auch in anderen Bereichen außerhalb<br />

von PFiFF an (z.B. in anderen <strong>Sport</strong>einheiten, in der Familie, in weiteren pädagogischen Arbeitsfeldern). Die<br />

Mehrzahl der Übungsleiter schätzt den Verwaltungsaufwand als gering ein. 18<br />

Da die exekutiven Funktionen und die selbstregulatorischen Kompetenzen, die mit PFiFF ausgebildet werden,<br />

auch für die sportliche Leistungsfähigkeit entscheidend sind, stellt PFiFF ein sehr gutes „Grundlagentraining“<br />

für jede <strong>Sport</strong>art dar. Gleichzeitig lässt sich PFiFF einfach, kreativ und vielfältig in andere bewährte und wertvolle<br />

<strong>Sport</strong>konzepte und -programme, wie z.B. in die KiSS und in die Ballschule Heidelberg, integrieren.<br />

Seite 141


DER PFIFF-LEITFADEN<br />

Positive und wertschätzende Haltung bewahren<br />

„Kinder verhalten sich gut, wenn sie können“<br />

Jedes Kind braucht Lob!<br />

Vorbild sein für eine gelungene Selbstregulation<br />

Selbst nicht <strong>im</strong>pulsiv, sondern bedacht reagieren!<br />

Verhalten analysieren – Kompetenzdefizite erkennen<br />

Welches Defizit verbirgt sich hinter der Verhaltensauffälligkeit?<br />

An welcher Fähigkeit sollte gezielt gearbeitet werden?<br />

Mit dem Kind in Verbindung treten<br />

Auf die Gefühle des Kindes wertschätzend eingehen.


Entschieden und konsequent reagieren<br />

Auf die Einhaltung geltender Regel achten.<br />

Das Kind in die Problemlösung einbeziehen<br />

Perspektive des Kindes kennen.<br />

Lösungsvorschläge des Kindes aufgreifen.<br />

Ziel definieren<br />

Gemeinsam ein realistisches Verhaltensziel best<strong>im</strong>men.<br />

Wenn-dann-Plan erstellen<br />

Gemeinsam mit dem Kind erarbeiten, wie es sich ganz konkret in<br />

einer best<strong>im</strong>men Situation verhalten soll.<br />

Zielüberprüfung<br />

Prüfen, ob das erarbeitete Ziel erreicht wurde.<br />

Wenn ja: neues Ziel definieren.<br />

Wenn nein: am bereits definierten Ziel weiterarbeiten.


NACHGEFRAGT: SELBSTREGULATION<br />

Förderung der Selbstregulation (Selbstkontrolle) = Förderung mentaler Stärke (Willensstärke)<br />

= Förderung der Selbstdisziplin<br />

• Welche Fähigkeiten erfordern Willenskraft?<br />

• In welchem Zusammenhang stehen Selbstregulation/Selbstkontrolle, mentale Stärke/Willensstärke und<br />

Selbstdisziplin?<br />

• Welche Persönlichkeitseigenschaft beeinflusst direkt die Noten von Studierenden?<br />

Bausteine des Erfolgs<br />

• Worauf sollte man die Aufmerksamkeit lenken, um Zufriedenheit zu erlangen?<br />

• Wohin sollte man die Aufmerksamkeit lenken, um sich zu motivieren?<br />

• Welche Arten von Zielen gibt es?<br />

• In welcher Altersgruppe sind welche Arten von Zielen vor allem wirkungsvoll?<br />

• Worauf kommt es be<strong>im</strong> Setzen von Zielen an?<br />

• Welche Strategien unterstützen das Erreichen von Zielen?<br />

Mentale Stärke trainieren<br />

• Mit welch anderem Training ist das Training mentaler Stärke vergleichbar?<br />

• Wie lässt sich Willensstärke trainieren?<br />

• Welche Auswirkungen hat das Training der Willensstärke?<br />

Wenn die Willenskraft schwindet<br />

• Was reduziert Willensstärke?<br />

• Nennen Sie Symptome begrenzter Willenskraft.<br />

Die Grundlage für einen starken Willen: Glukose<br />

• Wie groß ist das erwachsene Gehirn <strong>im</strong> Verhältnis zum Körper?<br />

• Wie viel Energie verbraucht das Gehirn <strong>im</strong> Verhältnis zum Körper?<br />

• Welche Folgen hat Unterzucker auf die kognitiven Fähigkeiten und Selbstregulation?<br />

• Was ist Glukose?<br />

• Aus was wird Glukose gebildet?<br />

• Nennen Sie Nahrungsmittel mit keinem oder niedrigem glykämischen Index.<br />

• Nennen Sie Nahrungsmittel mit hohem glykämischen Index.<br />

• Welche Nahrungsmittel sind für Aufrechterhaltung bzw. Steigerung der Willensstärke sinnvoll?<br />

• Wie bewirkt der Körper einen Rückgang des Blutzuckerspiegels?<br />

• Welche Rolle spielen Fett- und Muskelzellen be<strong>im</strong> Rückgang des Blutzuckerspiegels?<br />

• Wie wird Glukose dem Gehirn zur Verfügung gestellt?<br />

Gesundheitsverhalten für das Gehirn<br />

• Nennen Sie drei Empfehlungen, die Sie als Trainer/Übungsleiter Eltern geben können, mit denen diese die<br />

Willensstärke und Selbstregulationsfähigkeit ihrer Kinder unterstützen können.<br />

• Nennen Sie vier wissenschaftliche Erkenntnisse zu den negativen Folgen eines zu hohen Medienkonsums.<br />

• Auf welche Weise können Eltern bei <strong>Sport</strong>ereignissen ihren Kindern ein Vorbild für gelungene Selbstdisziplin<br />

und fokussierte Aufmerksamkeit sein?<br />

• Auf welche Weise unterstützen Trainer und Übungsleiter die Erziehung und gesunde Entwicklung von Kindern<br />

und Jugendlichen?<br />

Förderung der Selbstregulation durch Bewegung, <strong>Sport</strong> und Spiel<br />

• Wodurch zeichnen sich traditionelle Kampfkünste aus?<br />

• Nennen Sie drei Studienergebnisse, die die Wirksamkeit traditioneller Kampkunst auf die Selbstregulationsfähigkeit<br />

belegen.<br />

Seite 144


Von Eltern bei einem Hockeyturnier von ihren Kindern,<br />

einem armen, kleinen Schiedsrichter<br />

und dem Gefühl, dass es um deutlich mehr geht als um ein Spiel.<br />

Seite 145


IM INTERVIEW: HEINZ JANALIK<br />

Dipl.-Pädagoge Heinz Janalik war Akademischer Direktor am Institut<br />

für Gesellschaftswissenschaften <strong>im</strong> Fach <strong>Sport</strong>wissenschaft/<strong>Sport</strong>pädagogik<br />

der Pädagogischen Hochschule Heidelberg. Nach 16-jähriger<br />

Amtszeit als Präsident des Badischen <strong>Sport</strong>bundes Nord e.V. wurde er<br />

2016 zum Ehrenpräsidenten des BSB ernannt. Heinz Janalik ist Träger<br />

des Bundesverdienstkreuzes und der Ehrennadel des DOSB.<br />

«ICH WEISS AUS INTERVIEWS, WAS IN KINDERN UND<br />

JUGENDLICHEN VOR SICH GEHT, WENN SIE STÄNDIG<br />

ERSATZLEUTE SIND, NICHT ZUM EINSATZ KOMMEN,<br />

WEIL IHNEN BESSERE VORGEZOGEN WERDEN. »<br />

Sabine Kubesch: Herr Janalik, bevor wir gleich den Trainer, Übungsleiter<br />

und <strong>Sport</strong>pädagogen und deren methodische und didaktische Fähigkeiten in<br />

den <strong>Fokus</strong> nehmen, lassen Sie uns mit den Kindern beginnen und der Frage:<br />

Haben sich Kinder Ihrer Ansicht nach <strong>im</strong> Laufe der Jahre verändert?<br />

Heinz Janalik: Ja, Kinder haben sich verändert, sowohl in eine erfreuliche<br />

als auch in eine fragwürdige Richtung. Stellen wir das Lobenswerte<br />

einmal hintan und wenden uns dem Bedenklichen zu. Beispielsweise ist<br />

es auffallend, dass viele von ihnen nicht mehr über längere Zeit bei<br />

einer Sache bleiben können. Diese Fähigkeit, Aufmerksamkeit anhaltend<br />

auf etwas zu zentrieren, ist letztlich die Voraussetzung für Erkennen<br />

und Erkenntnis. Wenn wir die<br />

MAN ERKENNT, WELCH ÜBERRAGENDE BE-<br />

DEUTUNG DIE SELEKTIVE ODER FOKUSSIERTE<br />

AUFMERKSAMKEIT, ALSO DIE FÄHIGKEIT, SICH<br />

NICHT STÄNDIG ABLENKEN ZU LASSEN, FÜR<br />

DAS LERNEN UND ERKENNEN HAT. ICH GLAU-<br />

BE, DASS ES HEUTE ZU DEN SCHWIERIGSTEN,<br />

ABER AUCH WICHTIGSTEN AUFGABEN IN DER<br />

ERZIEHUNG UND BILDUNG VON KINDERN GE-<br />

HÖRT, IHNEN ZU DIESER KOMPETENZ, DIE IN<br />

DER WISSENSCHAFTSSZENE IM RAHMEN DER<br />

THEMEN SELBSTREGULATION UND INHIBITION<br />

BETRACHTET WERDEN, ZU VERHELFEN.<br />

Dinge, mit denen wir uns auseinandersetzen,<br />

nicht mehr<br />

durchdringen, nur noch oberflächlich<br />

betrachten, handeln<br />

wir uns ein intellektuelles<br />

Defizit ein. Und dieses<br />

An-der-Oberfläche-Bleiben resultiert<br />

fast zwangsläufig aus<br />

dem ständigen Wechsel der Aufmerksamkeit,<br />

man könnte auch<br />

sagen, aus unkontrollierter<br />

Ablenkung.<br />

Mit schnellem „Überfliegen“<br />

von Themen und Sachverhalten<br />

wird zwar eine hohe Quantität der Eindrücke erzielt, die Qualität der<br />

Auseinandersetzung bleibt jedoch auf der Strecke. Man erkennt, welch<br />

überragende Bedeutung die selektive oder fokussierte Aufmerksamkeit,<br />

also die Fähigkeit, sich nicht ständig ablenken zu lassen, für das Lernen<br />

und Erkennen hat. Ich glaube, dass es heute zu den schwierigsten,<br />

aber auch wichtigsten Aufgaben in der Erziehung und Bildung von Kindern<br />

gehört, ihnen zu dieser Kompetenz, die in der Wissenschaftsszene <strong>im</strong><br />

Rahmen der Themen Selbstregulation und Inhibition betrachtet werden, zu<br />

verhelfen (Filmverweis: Turnen 6 und 7). Dabei werden wir uns zwangsweise<br />

mit dem Medienkonsum unserer Kinder auseinandersetzen müssen, der<br />

durch die Gewöhnung an beschleunigte und ständig wechselnde Bilder zweifelsohne<br />

eine Mitschuld bei der deutlich zu beobachtenden nachlassenden<br />

Konzentrationsfähigkeit trägt.<br />

Seite 146


Damit Kinder Selbstregulation erlernen können, benötigen sie die Unterstützung<br />

der Trainer, Übungsleiter und Lehrer.<br />

Das ist richtig! Trainer, Übungsleiter und Lehrkräfte sind geradezu<br />

verpflichtet, in ihren jeweiligen Handlungsfeldern den Kindern diese<br />

Fähigkeit zu vermitteln. Zusätzlich benötigt dieses großartige Konzept<br />

der Selbstregulation zur Verwirklichung aber auch den veränderungsbereiten<br />

Partner. Ich sage bewusst Partner. Erziehung ist <strong>im</strong>mer Selbsterziehung<br />

und Bildung <strong>im</strong>mer Selbstbildung in einem partnerschaftlichen<br />

Beziehungsgefüge. Der Erwachsene oder die Lehrkraft kann niemals verordnen,<br />

was <strong>im</strong> Kopf – ich sage gerne <strong>im</strong> Hinblick auf die ganzheitliche<br />

Verfasstheit des Menschen – <strong>im</strong> Leib der Kinder geschehen soll. Es<br />

können <strong>im</strong>mer nur Veränderungs<strong>im</strong>pulse, Lerngelegenheiten arrangiert und<br />

angeboten werden, die eine erzieherische Zielperspektive beinhalten.<br />

Wenn die Intervention, der Impuls vom angesprochenen Individuum nicht<br />

angenommen und verwirklicht wird, müssen wir das akzeptieren und neue<br />

Versuche starten.<br />

Bei PFiFF versuchen wir, über den Ansatz des gemeinschaftlichen Problemlösens<br />

13 einer solchen Abwehrhaltung entgegenzuwirken. Bis aber Selbstregulation<br />

in herausfordernden Situationen gelingt, ist es ein längerer<br />

Lernprozess, der durch die Reflexionsausbildung unterstützt wird. Die Kinder<br />

sollen ja lernen, sich bewusst und zielgerichtet steuern zu können.<br />

Je emotionaler, je „heißer“ eine Situation, desto schwieriger gelingt die<br />

Selbstregulation.<br />

Man muss an einer<br />

Sache längere Zeit<br />

dranbleiben, um sie<br />

zu internalisieren.<br />

Das Oberflächliche:<br />

Da mal ein Spielchen,<br />

da mal Regeleinhaltung<br />

üben oder<br />

Aufmerksamkeit,<br />

ERFOLGREICHES ÜBEN UND AUTOMATISIEREN<br />

VON BEWEGUNGSFERTIGKEITEN SETZT NEBEN<br />

AUSDAUERNDER KONZENTRATION AUCH EI-<br />

GENSCHAFTEN WIE STETIGKEIT, BEHARRUNGS-<br />

VERMÖGEN, FRUSTRATIONSTOLERANZ UND<br />

SELBSTDISZIPLIN VORAUS BZW. UNTERSTÜTZT<br />

DEREN NACHHALTIGE ENTWICKLUNG.<br />

Fairness und Disziplin einfordern – das reicht nicht. In diesem Zusammenhang<br />

kommt die Bedeutung des Übens ins Spiel. In der Zeit der<br />

Leibeserziehung wurde zu Recht dem Üben von Erlerntem ein hoher Wert<br />

beigemessen, nicht zuletzt, weil <strong>im</strong> Übungsprozess der Übende sich ganz<br />

auf die zu übende Sache konzentrieren und ablenkende Störfaktoren ausblenden<br />

muss. Erfolgreiches Üben und Automatisieren von Bewegungsfertigkeiten<br />

setzt neben ausdauernder Konzentration auch Eigenschaften wie<br />

Stetigkeit, Beharrungsvermögen, Frustrationstoleranz und Selbstdisziplin<br />

voraus bzw. unterstützt deren nachhaltige Entwicklung.<br />

Aus dem Erlernen und Üben allein, aber vor allem in der Gemeinschaft<br />

und aus dem gemeinsamen Reflektieren und Austauschen entwickelt sich<br />

ein Erfahrungsschatz, der wiederum die Chance zur Gestaltung eröffnet.<br />

Kreatives Gestalten, wie es beispielsweise in einem <strong>Sport</strong>spiel oder in<br />

den kompositorischen <strong>Sport</strong>arten eingefordert wird, ist ohne das Vorhandensein<br />

von erlernten und geübten Basics <strong>im</strong> Denken und Handeln nicht<br />

möglich.<br />

Die Fähigkeit, kreativ mit Bewegung, Spiel und <strong>Sport</strong> umgehen zu können<br />

ist nicht einfach zu erreichen. Es ist ein schwerer Weg mit Höhen und<br />

Seite 147


Tiefen, mit Erfolgen und Rückschlägen, wie es <strong>Sport</strong>lerinnen und <strong>Sport</strong>ler,<br />

die über eine solche Kreativitätsqualität verfügen, <strong>im</strong>mer berichten.<br />

Und es ist sicherlich nachvollziehbar, dass ein solcher Entwicklungsprozess<br />

best<strong>im</strong>mte anspruchsvolle Vorgehensweisen der <strong>Sport</strong>lehrkräfte/<br />

Bewegungsvermittler voraussetzt und andere wieder ad absurdum führt.<br />

Wenn sich das Vermittlungshandeln darauf beschränkt, lediglich vorbereitete<br />

Spiel- und Übungsformen Schritt für Schritt reproduzieren zu<br />

lassen, Fehleranalyse und Fehlerkorrektur in das Zentrum der Kommunikation<br />

zu stellen und ab und zu ein Pauschallob zu verteilen, dann<br />

kann nicht erwartet werden, dass eine solche produktorientierte Lehrweise<br />

selbstregulative Kräfte, autonomes Reflektieren und letztlich<br />

Selbstständigkeit der Kinder hervorbringt. Wer die zuletzt genannten<br />

Fähigkeiten und Entwicklungen wünscht, darf nicht die Sache zum Referenzpunkt<br />

machen, sondern muss die Kinder und deren Gegebenheiten als<br />

Ausgangs- und Mittelpunkt seines Handelns sehen. Dann ergibt sich Raum<br />

für das Initiieren von Denkprozessen, für Warum-Fragen, für gemeinsames<br />

Reflektieren, für den Austausch kontroverser Sichtweisen, das Ringen um<br />

Konsens notwendig machen, für Exper<strong>im</strong>entieren und Lösungssuche usw. In<br />

diesem Bereich müssen wir noch intensiv arbeiten und nachbessern. Wir<br />

brauchen charismatische Vermittler!<br />

Was zeichnet einen charismatischen Vermittler aus?<br />

Bei allen Vorbehalten gegen das Wort „charismatisch“ und wohl wissend,<br />

dass es sich dabei um Zuschreibungen von außen handelt – ich möchte<br />

damit verdeutlichen, dass Vermittler, die Kindern mehr als technische<br />

und taktische Elemente nahebringen wollen, also die oft zitierte Persönlichkeitsentwicklung<br />

von Heranwachsenden zu ihrer Aufgabe machen,<br />

selbst Persönlichkeiten mit speziellen Eigenschaften sein müssen. Dazu<br />

zählen beispielsweise Geduld, Empathie und Authentizität. Solche Vermittler<br />

können zuhören, nehmen Kinder ernst, greifen deren Sichtweisen<br />

auf und integrieren sie in eine adressatenspezifische Dialogkultur,<br />

schaffen eine vertrauensvolle, lernfördernde Atmosphäre, motivieren zum<br />

selbstständigen Problemlösen, ermutigen bei Misserfolgen und erkennen,<br />

wann sie sich auf die Hinterbühne zurückziehen müssen. Es sind – kurz<br />

gesagt – nachahmenswerte Vorbilder, die sich verantwortlich fühlen,<br />

dass die ihnen anvertrauten Kinder als die zukünftigen Erwachsenen das<br />

Rüstzeug bekommen, um ihr Leben bewältigen zu können.<br />

Das ist eine große Aufgabe, die man sich als Übungsleiter, Trainer, Pädagoge<br />

und Eltern <strong>im</strong>mer wieder bewusst machen sollte. Wir müssen die Kinder<br />

stark machen für die Herausforderungen, die sich ihnen <strong>im</strong> Leben stellen<br />

werden. Sie sollten Herausforderungen gerne annehmen, um an ihnen wachsen<br />

zu können. Dazu gehört aber auch, dass sie Fehler machen und scheitern<br />

dürfen.<br />

Voraussetzung für Lernen ist Differenzwahrnehmung, und eine auffällige,<br />

deutliche Differenz ist der Fehler. Differenzwahrnehmung, also<br />

das Feststellen von Unterschieden, beispielsweise <strong>im</strong> sozialen Umgang,<br />

gehört zum pädagogischen Arrangement. Der Fehler war lange Zeit unzulässig,<br />

verboten, nicht erlaubt. Wenn er auftrat – man erinnere sich<br />

z.B. an erlebte <strong>Sport</strong>stunden – wurde mit allen Mitteln versucht, ihn<br />

zu beheben/el<strong>im</strong>inieren. Ließ er sich mittels Korrektur nicht ausmerzen,<br />

Seite 148


diente er in Form schlechter Noten als Signal des Versagens. Das führte<br />

dazu, regelrecht Angst vor einer Fehlerproduktion zu entwickeln, eine<br />

denkbar schlechte Grundlage für die Auseinandersetzung mit neuen, unbekannten<br />

Herausforderungen. Kompetente <strong>Sport</strong>vermittler betrachten den<br />

Fehler als normale Zwischenstation auf dem Weg zum Können. Wer Fehler<br />

macht, schafft sich und anderen identifizierbare Differenzen. Sie wahrzunehmen<br />

und an ihnen zu arbeiten, ist eine motivierende, wirkungsvolle<br />

Forms des Lernens. Fazit: Wir brauchen eine Aufwertung des Fehlers<br />

(Filmverweis: Tanzen 7).<br />

Das ist übrigens für mich eine der schwierigsten Aufgaben in der Trainerfortbildung<br />

– den Umgang mit Fehlern gewissermaßen zu kultivieren.<br />

Im Regelfall sehen Übungsleiter ihre Aufgabe <strong>im</strong> störungsfreien Erreichen<br />

von Sollwerten. Deshalb wird Fehlerhaftes als Störgröße für den Lern- und<br />

Entwicklungsprozess empfunden und entsprechend ungeschickt behandelt.<br />

Der DOSB hat sich <strong>im</strong> Breitensport ausdrücklich die Stärkung der Integrationsfunktion<br />

des <strong>Sport</strong>s in allen gesellschaftlichen Bereichen zur Aufgabe<br />

gemacht. Gleichzeitig zeigen neurowissenschaftliche Studien mit modernen<br />

bildgebenden Verfahren, dass selbst milde Formen sozialer Ausgrenzung<br />

durch eine ballspielende Gruppe 22 bei dem Ausgegrenzten eine vergleichbare<br />

Gehirnaktivierung verursacht wie körperlich wahrgenommener Schmerz. Aber<br />

selbst <strong>im</strong> Breitensport kommt es nicht selten vor, dass einem <strong>Sport</strong>ler nahegelegt<br />

wird, den Verein zu wechseln oder eine Trainingsmöglichkeit nicht<br />

wahrzunehmen, weil er nicht die gewünschte Leistung erbringt, oder aber er<br />

wird <strong>im</strong> Wettkampf nicht eingesetzt.<br />

Jede Form von Ausgrenzung tut weh, das gilt für alle sportlichen Handlungsfelder.<br />

Die Betroffenen leiden „tief drinnen“, wenn sie den Eindruck<br />

gewinnen müssen, dass sie nicht dazugehören. Ich weiß aus Interviews,<br />

was in Kindern und Jugendlichen vor sich geht, wenn sie ständig<br />

Ersatzleute sind, nicht zum Einsatz kommen, weil ihnen Bessere vorgezogen<br />

werden. Viele resignieren und steigen aus. Andere wiederum trainieren<br />

trotzdem fleißig weiter und geben ihr Bestes. Dennoch stellen sie<br />

sich natürlich auch irgendwann die Frage: Wozu trainiere ich eigentlich?<br />

Was ist der Sinn meines Trainings?<br />

Erfahrene Jugendtrainer wissen es – je jünger die Kinder sind, desto<br />

unangebrachter ist eine Ausgrenzung nach Leistungskriterien. Kindgemäßes<br />

Training orientiert sich nicht pr<strong>im</strong>är an der Sache <strong>Sport</strong>, sondern<br />

stellt das Kind mit seinen individuellen Gegebenheiten ins Zentrum aller<br />

Interventionen. Vielfältige, freudbetonte und ganzheitliche Grundlagenausbildung<br />

schafft Motivation zum lebenslangen <strong>Sport</strong>treiben und auch zur<br />

späteren anspruchsvollen Leistung in einer oder in mehreren <strong>Sport</strong>arten.<br />

Zu frühe Selektion nach Leistungskriterien zerstört die Freude vieler<br />

Kinder am eigenen Bewegen, führt zu Selbstzweifel und nicht selten zum<br />

Abbruch der sportbezogenen Aktivitäten. Deshalb müssen die Übungsleiter<br />

mit Geduld und Geschick ihre Vermittlungsarbeit so gestalten, dass<br />

Kinder sich möglichst oft in Situationen gelingender Anstrengung erleben<br />

und erfahren und auf diese Weise ein positives Selbstwertgefühl<br />

entwickeln. Auf dieser stabilisierten emotionalen Grundlage sind sie<br />

dann auch bereit und in der Lage, die Einheit der Gegenpole Erfolg und<br />

Misserfolg zu akzeptieren und sinnvoll zu verarbeiten.<br />

Es ist nicht die Aufgabe pädagogisch sensibel agierender Übungsleiter<br />

und Trainer, über Leistungsselektion „Ungeeignete“ zu identifizieren,<br />

Seite 149


um diese aus best<strong>im</strong>mten Fördereinrichtungen zu entfernen und in ihren<br />

ursprünglichen Bewegungskontext, sprich He<strong>im</strong>atverein, zurückzuschicken.<br />

Dort kann es passieren, dass ihnen der Makel des „Losers“ anhaftet,<br />

eine Kennzeichnung, die schon häufiger unerfreuliche Reaktionen hervorgerufen<br />

hat. Verantwortungsvoll denkende Eltern müssen gut überlegen,<br />

wann sie ihr Kind aus seinem gewohnten sozialen Kontext herauslösen und<br />

ihm Selbstverantwortung übertragen dürfen. Es gibt in diesem besagten<br />

Rahmen der Leistungsförderung von Kindern und Jugendlichen noch viele<br />

Aspekte, die es wert sind, diskutiert zu werden. Leider ist die Bereitschaft<br />

dazu nicht <strong>im</strong>mer gegeben, auch nicht bei manchen Eltern.<br />

Also sollten auch Trainer und Übungsleiter ihr Handeln <strong>im</strong> <strong>Sport</strong> reflektieren.<br />

<strong>Sport</strong> ist per se weder gut noch schlecht.<br />

Sie müssen ihr Handeln permanent reflektieren. <strong>Sport</strong> wirkt nicht automatisch<br />

positiv, also allein über seine Ausübung. <strong>Sport</strong> muss, um Wertvolles<br />

und Positives zu bewirken, mit Sinn belegt und entsprechend gestaltet<br />

werden. Das ist Aufgabe derer, die ihn ausüben, vermitteln und<br />

organisieren. Wer beispielsweise die gegenwärtige Hochleistungssportszene<br />

betrachtet, erkennt deutlich, dass diese wert- und wertevolle<br />

Gestaltung oft nicht gelingt oder bewusst negiert wird. Umso wichtiger<br />

ist es, dass <strong>Sport</strong>vermittler gemeinsam mit denjenigen, die als Aktive<br />

<strong>Sport</strong> ausüben und ihn als Funktionäre organisieren, sich dieser Aufgabe<br />

widmen. <strong>Sport</strong> ist ein Kulturgut, muss aber auch als solches gepflegt<br />

werden. Das heißt letztlich, dass jede und jeder von uns zum positiven<br />

oder negativen Image des <strong>Sport</strong>s beitragen kann und soll. Wir müssen uns<br />

nur ins Gedächtnis rufen, wie manche <strong>Sport</strong>aktive oder auch <strong>Sport</strong>vermittler<br />

oder Funktionäre den <strong>Sport</strong> repräsentieren und damit sein Bild<br />

in der Öffentlichkeit prägen. Es sind höchst gegensätzliche Bilder von<br />

<strong>Sport</strong>, denen wir in solchen Situationen begegnen: Vorbildliches, Nachahmenswertes,<br />

Wertvolles, aber auch Abstoßendes, Schockierendes und<br />

Abgründiges.<br />

Wir können nicht verhindern, dass Heranwachsende dieses höchst gegensätzliche<br />

Bild von <strong>Sport</strong> erleben und erfahren. Wir können auch nicht<br />

verhindern, dass so mancher Jugendliche ein sehr fragwürdiges Vorbild<br />

<strong>im</strong> <strong>Sport</strong> attraktiv findet und es <strong>im</strong>itiert. Aber schon deshalb können und<br />

müssen diejenigen, die den <strong>Sport</strong> ausüben, vermitteln und organisieren,<br />

dafür sorgen, dass Heranwachsende möglichst bald erkennen, dass auch<br />

sie für die Erscheinungsweise des <strong>Sport</strong>s mitverantwortlich sind und zu<br />

dessen positivem Bild beitragen können. Um diesem Auftrag gerecht werden<br />

zu können, müssen logischerweise die Menschen, die für Jugendliche<br />

Bezugspersonen sind, ihre eigenen, subjektiven Sichtweisen auf <strong>Sport</strong><br />

und sein Handlungsfeld auf den Prüfstand stellen und gegebenenfalls korrigieren<br />

– keine leichte Aufgabe. Wer bei anderen Menschen authentisch<br />

das <strong>Sport</strong>bild und damit auch den Umgang mit <strong>Sport</strong> positiv beeinflussen<br />

will, muss gewissermaßen mit dem eigenen <strong>Sport</strong>bild <strong>im</strong> Reinen sein. Es<br />

passt nicht und verhindert ethische Interventionsarbeit, wenn ich beispielsweise<br />

Betrug <strong>im</strong> <strong>Sport</strong> innerlich toleriere und gleichzeitig seine<br />

ethische Erneuerung propagiere. Vor diesem Hintergrund gebe ich Ihnen<br />

vollkommen Recht, dass Trainer und Übungsleiter ihr Handeln <strong>im</strong> <strong>Sport</strong><br />

ständig reflektieren müssen, um gute Erziehungs- und Bildungsarbeit<br />

leisten zu können.<br />

Seite 150


Kommt es nicht vor allem auf das „Wie“ an? Wie gestalte ich meine Trainingseinheit,<br />

damit Kinder- und Jugendliche nicht nur sportlich, sondern<br />

auch hinsichtlich ihrer Persönlichkeitsentwicklung gestärkt werden? Hier<br />

helfen meiner Ansicht nach wissenschaftliche Erkenntnisse, die in die<br />

Übungsleiter-, Trainer-, aber auch in die <strong>Sport</strong>lehreraus- und -weiterbildung<br />

einfließen müssen – nicht zuletzt diejenigen zur Förderung und<br />

Ausbildung der exekutiven Funktionen, der Selbstregulation und damit der<br />

mentalen Stärke.<br />

Die Gestaltung einer<br />

Trainingssequenz<br />

bezieht sich <strong>im</strong>mer<br />

auf drei Ebenen des<br />

Handelns: auf die<br />

Sachebene, auf die<br />

Methodenebene und<br />

auf die Beziehungsebene.<br />

Auf diesen<br />

drei Handlungsebenen,<br />

die sich gegenseitig<br />

bedingen,<br />

interagieren Trainer<br />

mit ihren Trainingsgruppen<br />

bzw.<br />

UMSO ERFREULICHER IST ES, DASS MIT DER<br />

VERSTÄRKTEN FÖRDERUNG UND AUSBILDUNG<br />

DER EXEKUTIVEN FUNKTIONEN SOWIE DER<br />

SELBSTREGULATION BEDEUTENDE ELEMENTE<br />

DER GANZHEITLICHEN PERSÖNLICHKEITSENT-<br />

WICKLUNG IN DIE KINDERGÄRTEN, SCHULEN<br />

UND SPORTVEREINE AUFGENOMMEN UND<br />

IN SPEZIFISCHEN BEGLEITVERANSTALTUNGEN<br />

THEORETISCH UND PRAXISBEZOGEN BEAR-<br />

BEITET WERDEN. DAMIT ERFÄHRT DIE HAND-<br />

LUNGSKOMPETENZ DER SPORTVERMITTLER<br />

UND SPORTVERMITTLERINNEN EINE GROSSAR-<br />

TIGE ERWEITERUNG UND VERBESSERUNG.<br />

Schüler und Schülerinnen<br />

mit ihren<br />

Lehrkräften. Auf diesen drei Ebenen entscheidet sich der Erfolg oder<br />

Misserfolg des jeweiligen pädagogisch-didaktischen Arrangements. Nun<br />

gibt es aus meiner Sicht eine interessante Parallele bei den Ausbildungs-<br />

und Weiterbildungsstrukturen der Fachverbände des organisierten<br />

<strong>Sport</strong>s und der Universitäten und Hochschulen. Beide Organisationen vermitteln<br />

eine sehr hohe Qualität <strong>im</strong> Hinblick auf die Sach- und Methodenkompetenz<br />

der Trainer bzw. Lehrkräfte. Die dritte Ebene, nämlich die der<br />

Beziehungsvorgänge, wird nur begrenzt behandelt. Verlässt man sich hier<br />

auf natürliche Begabungen <strong>im</strong> Miteinander von Menschen? Wer die Probleme<br />

kennt, die sich in einem kommunikativen Vorgang ergeben können, ist<br />

zumindest verwundert darüber, dass man in der Aus- und Weiterbildung<br />

dieser Handlungskompetenz relativ wenig Lern- und Übungsmöglichkeiten<br />

zugesteht. Umso erfreulicher ist es, dass mit der verstärkten Förderung<br />

und Ausbildung der exekutiven Funktionen sowie der Selbstregulation bedeutende<br />

Elemente der ganzheitlichen Persönlichkeitsentwicklung in die<br />

Kindergärten, Schulen und <strong>Sport</strong>vereine aufgenommen und in spezifischen<br />

Begleitveranstaltungen theoretisch und praxisbezogen bearbeitet werden.<br />

Damit erfährt die Handlungskompetenz der <strong>Sport</strong>vermittler und <strong>Sport</strong>vermittlerinnen<br />

eine großartige Erweiterung und Verbesserung.<br />

Und wie bewerten Sie die Bedeutung der Disziplin? Diese erfordert Selbstregulation<br />

und unterstützt den Trainingserfolg <strong>im</strong> Breiten- wie <strong>im</strong> Leistungssport.<br />

Mit dieser Aussage identifiziere ich mich absolut. Leider ist der Begriff<br />

der Disziplin in Teilen unserer Gesellschaft aus unterschiedlichen<br />

Gründen negativ konnotiert. Vielleicht sind das noch Nachwirkungen aus<br />

Seite 151


ALLE ERFOLGREICHEN SPORTLERINNEN UND<br />

SPORTLER BZW. ERFOLGREICHEN MENSCHEN<br />

NENNEN AUF DIE FRAGE NACH DEN QUELLEN<br />

IHRES GELINGENDEN TUNS LEISTUNGSBEREIT-<br />

SCHAFT UND SELBSTDISZIPLIN. SIE VERSTE-<br />

HEN DARUNTER UNTER ANDEREM DIE BEREIT-<br />

SCHAFT, VERPFLICHTUNGEN EINZUGEHEN,<br />

SICH VERANTWORTUNGSBEWUSST IN DIE ORD-<br />

NUNG EINER SOZIALEN GRUPPE EINZUFÜGEN,<br />

ZUR ERREICHUNG EINES GESETZTEN ZIELS DEN<br />

EIGENEN WILLEN ZU BEHERRSCHEN UND ZU-<br />

MINDEST EINE ZEIT LANG ZIELZENTRIERT EIGE-<br />

NE BEDÜRFNISSE HINTANZUSTELLEN.<br />

der Zeit der antiautoritären Erziehung oder weil Disziplin oft mit Zucht<br />

und fremdgesteuertem Gehorsam verbunden wird. Dabei können wir ständig<br />

<strong>im</strong> eigenen Alltag und in den wichtigen gesellschaftlichen Systemen erkennen,<br />

dass Disziplin – vielleicht sollten wir besser von Selbstdisziplin<br />

sprechen – ein bedeutendes<br />

Korrektiv gegen Chaos und<br />

Unordnung sowie eine wichtige<br />

Voraussetzung für erfolgreiches<br />

Handeln darstellt. Alle<br />

erfolgreichen <strong>Sport</strong>lerinnen<br />

und <strong>Sport</strong>ler bzw. erfolgreichen<br />

Menschen nennen auf die<br />

Frage nach den Quellen ihres<br />

gelingenden Tuns Leistungsbereitschaft<br />

und Selbstdisziplin.<br />

Sie verstehen darunter<br />

unter anderem die<br />

Bereitschaft, Verpflichtungen<br />

einzugehen, sich verantwortungsbewusst<br />

in die Ordnung<br />

einer sozialen Gruppe<br />

einzufügen, zur Erreichung<br />

eines gesetzten Ziels den eigenen Willen zu beherrschen und zumindest<br />

eine Zeit lang zielzentriert eigene Bedürfnisse hintanzustellen.<br />

Dazu gehört auch die Regeleinhaltung. Der <strong>Sport</strong> ist regelgeleitet, was dem<br />

Gehirn entgegenkommt, denn das Gehirn sucht alles Wahrgenommene nach Regeln<br />

ab, weshalb man es auch als einen Regelextraktor bezeichnet. Gleichzeitig<br />

scheint es für viele Übungsleiter und Trainer so schwierig zu sein,<br />

Regeln einzuführen und auf deren Einhaltung beständig zu achten. Sie haben<br />

oft das Gefühl, sich für Regeln und die daraus entstehenden Konsequenzen<br />

rechtfertigen zu müssen.<br />

Ein Übungsleiter muss sich für eine getroffene und abgesprochene Regelung,<br />

die sich aus der sachlichen Notwendigkeit ergibt, nicht rechtfertigen.<br />

Regeln sind notwendig, um in einem geordneten Rahmen agieren zu<br />

können. Und Regeleinhaltung ist eine wesentliche Grundlage des <strong>Sport</strong>handelns,<br />

beispielsweise, um Chancengleichheit zu gewährleisten. Regeln<br />

und Rituale bieten Sicherheit, reduzieren die überfordernde Komplexität<br />

unserer Umwelt und schaffen Klarheit <strong>im</strong> sozialen Miteinander. Äußere<br />

Ordnung schafft innere.<br />

Besonders für Kinder ist es wichtig, sich allmählich durch Einverleibung<br />

von sinnvollen Regeln und Ritualen das Verhältnis zu sich und anderen in<br />

eine Ordnung zu bringen, die Sicherheit und Vertrauen schafft. Kinder<br />

brauchen und wollen auch Rahmungen durch Regeln, die Überschaubarkeit<br />

gewährleisten und helfen, sich in komplexen Situationen zurechtzufinden.<br />

Soziale Regeln ermöglichen es, wohltuende, ungestörte Gemeinsamkeit<br />

zu erfahren und die Gefahr sozialer Anarchie zu unterbinden, die<br />

<strong>im</strong>mer den Stärkeren belohnt und den Schwächeren bestraft.<br />

Vor diesem Hintergrund bekommen auch kleine organisatorische Regelungen,<br />

wie beispielsweise der Ordnungsrahmen am Anfang jeder Trainingssequenz<br />

oder das Abschlussritual am Ende der Übungsstunde, das Aufmerksamkeitszeichen<br />

vor einer Aufgabenstellung oder die Konzentrationsspiele<br />

Seite 152


zur Bildung von Betriebsformen, große Bedeutung. Auch sie sind wichtige<br />

Schritte zur Selbstregulation (Filmverweis: Tanzen 8, Turnen 8, 9 und<br />

10, Kempokan 8, PFiFF/Grundschule 6)<br />

Klare Regeln und in diesem Zusammenhang das Erfahren von Konsequenzen, das<br />

brauchen Kinder und Jugendliche für ihre Entwicklung. Aber sie brauchen<br />

auch Wertschätzung und Lob.<br />

Nicht wenige Lehrkräfte und Übungsleiter versäumen es zu loben, oder<br />

sie wählen Formen des Lobs, die auf Dauer ihre Wirkung verlieren. Es<br />

gibt nämlich sehr unterschiedliche D<strong>im</strong>ensionen des Lobens. Ein verbales<br />

Pauschallob, womöglich noch mit überzogenem Inhalt, z.B.: „Das war<br />

Weltklasse, phänomenal!“ verliert bei häufiger Anwendung seine motivierende<br />

Wirkung, auch, weil sich der Empfänger angesichts der eigenen<br />

Leistung auf den Arm genommen fühlt. Die beste und beständige Wirkung<br />

hat das sogenannte begründete Lob. „Das war viel besser als be<strong>im</strong> ersten<br />

Schussversuch, weil du jetzt die Position des Standbeinfußes der Schussrichtung<br />

angepasst hast.“ Diese Form des begründeten Lobs muss jedoch<br />

gelernt werden, weil sie <strong>im</strong> Alltag wenig gebräuchlich und zusätzlich mit<br />

Anstrengung des Lobenden verbunden ist, z.B. mit genauer Beobachtung der<br />

Bewegungsabläufe seiner Schützlinge. Zusätzlich unterstützt diese Form<br />

des Lobes allmählich die Fähigkeit einer wirkungsvollen Selbstbeobachtung<br />

(vgl. 122). Nicht vergessen werden darf, dass es auch andere Formen<br />

der Wertschätzung gibt. Kinder sind auch für ein lächelndes Kopfnicken<br />

oder für einen hochgereckten Daumen dankbar, weil sie die damit signalisierte<br />

Zuneigung und Wertschätzung ihres Trainers spüren.<br />

Bilanziert man die ausgetauschten Gedanken, dann wird deutlich, dass<br />

Bewegung, Spiel und <strong>Sport</strong> bestens geeignet sind, zur ganzheitlichen<br />

Entwicklung von Kindern und Jugendlichen maßgeblich beizutragen. Allerdings<br />

müssen wir, die wir Bewegungs-, Spiel- und <strong>Sport</strong>kultur vermitteln,<br />

uns <strong>im</strong>mer dessen bewusst sein, dass dieses an sich wertneutrale Phänomen<br />

<strong>Sport</strong> erst durch unsere Sinnzuweisungen und positive Gestaltung zu etwas<br />

Wert- und Wertevollem wird. Es ist, wenn man so will, ein sich <strong>im</strong>mer<br />

wieder erneuernder Schöpfungsakt, der bahnbrechende Impulse durch die<br />

Hinzunahme der wissenschaftlich nachgewiesenen Wirkungen <strong>im</strong> Bereich der<br />

Selbstregulation und der exekutiven Funktionen erhalten hat. Die Förderung<br />

und Entwicklung der damit verbundenen Fähigkeiten ist insbesondere<br />

für Kinder und Jugendliche unersetzlich. Sie gewinnen dadurch Kompetenzen,<br />

die ihnen zahlreiche Vorteile und großen Nutzen in der Schule,<br />

<strong>im</strong> Rahmen ihrer Freizeitaktivitäten, in der Berufsausbildung und auch<br />

bei der Alltagsbewältigung bringen. Durch den Erwerb dieser Fähigkeiten<br />

können weitere bedeutsame Elemente zur erfolgreichen, selbstsicheren<br />

Bewältigung von Komplexität und verunsichernden Orientierungsproblemen<br />

in unserer modernen Gesellschaft einverleibt werden. Nun gilt<br />

es, möglichst viele charismatische Multiplikatoren für diese spezielle<br />

Entwicklungsförderung in Kindergärten, Schulen, Ausbildungsstätten und<br />

Vereinen auszubilden.<br />

Seite 153


Seite 154


5 SPIELE UND ÜBUNGEN<br />

Nachfolgend finden Sie eine Auswahl an Spiel- und Übungsbeschreibungen zu Praxisbeispielen aus den <strong>Sport</strong><strong>im</strong>-<strong>Fokus</strong>-Filmen<br />

und dem <strong>Sport</strong>psychologie-Interview. Das entscheidende Kriterium für die Auswahl der<br />

Übungs- und Spielformen ist deren Übertragbarkeit in unterschiedliche <strong>Sport</strong>arten.<br />

Eingeleitet wird die Übungssammlung mit dem Verhaltenskodex der Junglöwen, den Leistungsmannschaften der<br />

SG Kronau/Östringen. Der Verhaltenskodex der Handballtalente ist ein Beispiel dafür, wie Verhaltensregeln formuliert<br />

werden können, die ein opt<strong>im</strong>ales Training unterstützen und die Selbstregulation fördern. An den Verhaltenskodex<br />

schließen sich Spiel- und Übungsformen an, die sportartübergreifend angewendet werden können. Das<br />

Lehrwerk endet mit einer klassischen und mit achtsamkeitsbasierten sportpsychologischen Übungen.<br />

Filmverweis:<br />

• Handball 11<br />

Seite 155


VERHALTENSKODEX DER JUNGLÖWEN<br />

Das Handball-Förderzentrum bietet euch als Spielern der SG Kronau/Östringen Leistungsmannschaften opt<strong>im</strong>ale<br />

Möglichkeiten zur individuellen sportlichen, sozialen und gesellschaftlichen Weiterentwicklung. Wir möchten<br />

euch bei der Umsetzung eurer individuellen Ziele unterstützen. Ein entspanntes, vertrauensvolles Kl<strong>im</strong>a <strong>im</strong><br />

Förderzentrum und in allen Mannschaften ist die Grundlage für gute Lern- und Entwicklungsergebnisse.<br />

In diesem Sinne verstehen wir uns als sozial- und leistungsorientierte Gemeinschaft. Wie in jeder Gemeinschaft<br />

gibt es auch bei der SG Kronau/Östringen klare Regeln. Diese Regeln stehen in diesem Leitfaden.<br />

Neben diesen Regeln findet ihr nachfolgend unser Junglöwen-Leitbild. Ein echter Junglöwe identifiziert sich mit<br />

unserem Leitbild und versucht es zu verinnerlichen. Junglöwen sind starke, ehrliche und leistungsorientierte<br />

Typen, die ihren Weg in <strong>Sport</strong>, Schule und Beruf gehen.<br />

Trainer, Betreuer und Vereinsführung arbeiten jeden Tag mit hoher Motivation daran, für euch die bestmöglichen<br />

Rahmenbedingungen zu schaffen. Es liegt also an euch, diese opt<strong>im</strong>al zu nutzen und euren Weg selbstbewusst<br />

zu gehen.<br />

Die Trainer der SG Kronau/Östringen<br />

ALLGEMEIN<br />

* Wir repräsentieren die SG Kronau/Östringen nach innen und außen (u.a. bei Auswahlmaßnahmen des BHV<br />

und DHB) vorbildlich.<br />

* Wir sind Jugendleistungssportler und halten uns an eine entsprechende Lebensweise (u.a. ausreichend<br />

schlafen, sportgerechte Ernährung). Zu Drogen und Alkohol sagen wir Nein.<br />

* Wir sind Vorbilder für jüngere Spieler in unserem Verein und der Region.<br />

* Unser Umgang ist von Freundlichkeit, Rücksichtnahme und Respekt geprägt, auch <strong>im</strong> Alltag.<br />

* Wir begrüßen alle Spieler, Trainer und Verantwortliche mit Handschlag.<br />

TRAININGS- UND SPIELBETRIEB<br />

* Wir legen großen Wert auf Pünktlichkeit und sind rechtzeitig zum Trainingsbeginn trainingsbereit in der Halle.<br />

* Wir entschuldigen uns be<strong>im</strong> jeweiligen Trainer persönlich (SMS nur, wenn der Trainer nicht erreichbar war).<br />

* Wir organisieren unseren Alltag so, dass wir möglichst keine Trainingseinheit verpassen (z.B. frühzeitiges<br />

Lernen für Klassenarbeiten, Arzttermine usw.)<br />

* Wir sind auch bei Verletzungen <strong>im</strong> Training (Ausnahmen nach Rücksprache, z.B. Fahrstrecke, Art der Verletzung)<br />

anwesend.<br />

* Wir tragen vor und nach Spielen keine Caps und Sonnenbrillen (Mützen <strong>im</strong> Winter erlaubt).<br />

* Wir legen keine Musik mit obszönen, rassistischen und menschenverachtenden Texten auf.<br />

* Wir verlassen Trainings- und Spielstätten sowie Kabinen und Duschräume sauber und aufgeräumt (Geräte,<br />

leere Flaschen, Müll).<br />

* Wir gehen mit Schiedsrichtern, Gegnern und Mitspielern respektvoll um, freuen uns am Erfolg und sind fair<br />

nach der Niederlage.<br />

* Unsportliches Verhalten und Kraftausdrücke gegenüber Spielkameraden, Gegnern, Schiedsrichtern,<br />

Zuschauern und Betreuern sind tabu.<br />

Seite 156


SCHULE/AUSBILDUNG<br />

* Unserem Leitbild entsprechend verhalten wir uns auch <strong>im</strong> persönlichen Umfeld, in der Schule bzw. der Berufsausbildung.<br />

* Über alle persönlichen Probleme (z.B. schlechte Schulnoten usw.) informieren wir vertrauensvoll und zügig<br />

den jeweiligen Trainer.<br />

VERFEHLUNGEN<br />

* Bei entsprechendem Fehlverhalten eines Spielers entscheidet der jeweilige Trainer über Sanktionen.<br />

* Bei wiederholtem oder schwerwiegendem Fehlverhalten entscheiden alle Trainer gemeinsam über die<br />

Sanktionen.<br />

ELTERN<br />

* Wir machen uns mit diesem Verhaltenskodex vertraut und unterstützen das erzieherische Wirken der Trainer.<br />

* Wir pflegen guten Kontakt mit den Trainern und Betreuern und respektieren ihre Arbeit.<br />

* Wir sorgen dafür, dass die Trainer über persönliche Probleme (Schule, Alltag usw.) informiert werden.<br />

JUNGLÖWEN-WERTE<br />

ERFOLG<br />

TEAMGEIST DISZIPLIN VORBILDER SPASS<br />

ZUSAMMENHALT EHRGEIZIG FAIRNESS<br />

RESPEKT SELBSTSTÄNDIG HÖFLICHKEIT<br />

VERTRAUEN<br />

ZIELSTREBIG<br />

POSITIVES<br />

AUFTRETEN<br />

LEIDENSCHAFT<br />

UND WILLE<br />

ZUSAMMENHALT ÜBER DIE MANNSCHAFTEN HINWEG<br />

„EIN VEREIN – EIN LÖWENRUDEL“<br />

Seite 157


KOMMANDO-BALL<br />

Michael Weber (DHB-B-Lizenz) TSV Birkenau<br />

Filmverweis: Handball 5<br />

VORBEREITUNG<br />

Alle Spielerinnen haben einen Ball.<br />

Die Spielerinnen stehen nebeneinander in Reihe und werden einer Zahl bzw.<br />

einer von drei Gruppen zugeteilt:<br />

Gruppe 1, 2 oder 3. Die Spielerinnen zählen dafür durch: 1, 2, 3, 1, 2, 3 etc.<br />

1 2 3 1 2 3 1 2<br />

GRUNDÜBUNG/VARIANTE 1<br />

Den Zahlen 1 bis 3 werden Aufgaben zugeordnet, z.B.<br />

1. Ball be<strong>im</strong> Laufen prellen,<br />

2. Ball be<strong>im</strong> Rückwärtslaufen mit „schwacher“ Hand prellen,<br />

3. Ball mit dem Fuß führen.<br />

Der Trainer zeigt mit den Fingern einer Hand eine der drei Zahlen an. Die Spielerinnen führen die<br />

entsprechende Aufgabe so lange durch, bis der Trainer eine andere Aufgabe anzeigt.<br />

SCHWIERIGKEITSSTUFE 1<br />

Der Trainer führt zwei verbale Kommandos (A und B) ein.<br />

KOMMANDO A:<br />

Die Spielerinnen sollen sich so schnell wie möglich in 3er-Gruppen<br />

zusammenfinden. Die ersten 3 Spielerinnen der Reihe bilden Gruppe 1, die<br />

nächsten Spielerinnen Gruppe 2, alle weiteren Spielerinnen bilden in dieser<br />

Form ebenfalls 3er-Gruppen.<br />

KOMMANDO B:<br />

Bei diesem Kommando sollen alle 1er sich als Gruppe zusammenfinden,<br />

alle 2er bilden eine Gruppe und alle 3er bilden ebenfalls eine Gruppe.<br />

Die Gruppe, die nach dem Kommando als letzte zusammengekommen ist,<br />

bekommt eine Strafaufgabe (z.B. 10 Liegestütze)<br />

KOMMANDO A:<br />

GRUPPE 1 GRUPPE 2<br />

KOMMANDO B:<br />

GRUPPE 1 GRUPPE 2<br />

VARIANTE 2<br />

Jede Gruppe (geordnet nach Kommando B) erhält einen Ball.<br />

Aufgabe ist es, den Ball in einer festgelegten Reihenfolge zu spielen, d.h., jede Spielerin muss sich<br />

merken, wem sie den Ball zuspielt und von wem sie selbst den Ball erhält.<br />

Nach jedem Pass läuft die Spielerin schnell zu einer Seitenauslinie, um anschließend wieder<br />

schnellstmöglich anspielbar zu sein.<br />

SCHWIERIGKEITSSTUFE 1<br />

Auf ein akustisches Signal (z.B. Pfiff) oder auf ein visuelles Signal (z.B. Arm heben) sollen die<br />

Spielerinnen in Gruppen zusammenkommen (entsprechend KOMMANDO A oder B aus Spielvariante 1).<br />

Ist das Signal erfolgt, sind keine Absprachen erlaubt. Die Spielerinnen müssen sich lautlos organisieren.<br />

Die Gruppe, die sich am langsamsten zusammenfindet, muss erneut eine Strafaufgabe ausführen.<br />

TRAINIERTE EXEKUTIVE FUNKTIONEN<br />

Arbeitsgedächtnis be<strong>im</strong> Aufrechterhalten und be<strong>im</strong> Umsetzen der Aufgabenstellung.<br />

Aufmerksamkeitslenkung be<strong>im</strong> Prellen, Dribbeln, Passen und Fangen des Balles auf die<br />

Mitspielerinnen, die Laufwege sowie auf die optischen und verbalen Kommandos des Trainers.<br />

Inhibition mit Wahrnehmung der akustischen und optischen Signale<br />

(zum Einleiten der Aufgabenausführung).<br />

Kognitive Flexibilität be<strong>im</strong> Ausführen der wechselnden Kommandos.<br />

Seite 158


PFIFF-PASS<br />

Michael Weber (DHB-B-Lizenz), TSV Birkenau<br />

Filmverweis: Handball 3<br />

VORBEREITUNG<br />

Das Handballfeld wird entlang der Mittellinie in 2 Felder unterteilt (A u. B).<br />

Die Spielerinnen verteilen sich gleichmäßig auf die Eckpunkte der Außenlinien (A2, A3, B2, B3)<br />

sowie (doppelbesetzt) an den Außenpunkten der Mittellinie (A1, A4, B1, B4).<br />

Die Spielerinnen stellen sich in Reihen an den Eckpunkten auf.<br />

In jedem Feld (A u. B) ist jeweils 1 Ball <strong>im</strong> Spiel.<br />

A3<br />

A4<br />

B4<br />

B3<br />

A<br />

B<br />

A2<br />

A1<br />

B1<br />

B2<br />

GRUNDÜBUNG<br />

Die vorderste Spielerin an Eckpunkt A1 spielt einen Pass zur vordersten Spielerin von A2 und läuft<br />

anschließend ihrem Ball hinterher, um sich hinter die letzte Spielerin an Eckpunkt A2 zu stellen.<br />

Entsprechend passt die vorderste Spielerin von Reihe A2 den Ball zur vordersten Spielerin von A3.<br />

Auch sie folgt ihrem Ball und stellt sich hinter die letzte Spielerin von A3. Die Spielerinnen von A3 spielen<br />

zu A4, die von A4 spielen zu A1.<br />

Dieser Ablauf erfolgt auch in Feld B. An der Mittellinie laufen sich die Spielerinnen von A4 (nach A1)<br />

und die Spielerinnen von B1 (nach B4) entgegen, da in Feld B der Ball von B1 nach B4, B3, B2 und wieder<br />

zu B1 gespielt wird.<br />

SCHWIERIGKEITSSTUFE 1<br />

Der Trainer hat zwei Pfeifen mit gut unterscheidbaren Tönen.<br />

Pfeife 1: signalisiert einen Passwechsel, d.h., ab dem Pfeifsignal muss der Ball in die andere Richtung<br />

gespielt werden. Die Laufrichtung ändert sich dabei aber nicht.<br />

Pfeife 2: signalisiert einen Laufwechsel, d.h., ab dem Pfeifsignal läuft die Spielerin in die andere<br />

Richtung. Der Passweg ändert sich dabei aber nicht.<br />

TRAINIERTE EXEKUTIVE FUNKTIONEN<br />

Arbeitsgedächtnis be<strong>im</strong> Aufrechterhalten und be<strong>im</strong> Umsetzen der Aufgabenstellung und<br />

bei der Zuordnung der Pfeiftöne.<br />

Aufmerksamkeitslenkung be<strong>im</strong> Werfen und Fangen (u.a. auf die technische Ausführung),<br />

auf den Ball, die Mitspielerinnen, den Lauf- und Passweg sowie auf die Pfeifsignale.<br />

Inhibition be<strong>im</strong> Abstoppen am Ende des Laufweges und insbesondere bei der Wahrnehmung<br />

des Pfeifsignals (damit ein Richtungswechsel eingeleitet werden kann).<br />

Kognitive Flexibilität be<strong>im</strong> Lauf- und Passwechsel sowie be<strong>im</strong> gezielten Aufmerksamkeitswechsel.<br />

Seite 159


RECHEN-WURF<br />

Michael Weber (DHB-B-Lizenz), TSV Birkenau<br />

Filmverweis: Handball 1<br />

VORBEREITUNG<br />

Die Spielerinnen werden in zwei Gruppen eingeteilt. Die Gruppen stehen, einander den Rücken zugewandt,<br />

am Mittelkreis und blicken auf ihr jeweiliges Tor.<br />

In jedem Tor steht eine Torhüterin.<br />

Alle Feldspielerinnen haben einen Ball.<br />

Der Trainer steht auf Höhe der Mittellinie.<br />

13- 8<br />

+17<br />

: 2 ...<br />

GRUNDÜBUNG<br />

Die vorderste Spielerin einer Gruppe läuft prellend in Richtung Tor und wirft den Ball auf das Tor (je<br />

nach Vorgabe des Trainers, z.B. zum Aufwärmen der Torhüterinnen). Nach dem Torwurf stellt sich die<br />

Spielerin bei der eigenen Gruppe hinten an.<br />

Bevor die vordersten Spielerinnen einer jeden Gruppe mit dem Laufen und Prellen beginnen, nennt<br />

der Trainer eine Rechenaufgabe (z.B. 7 + 9). Die beiden Spielerinnen rufen laut das Ergebnis und<br />

müssen wie folgt reagieren:<br />

Bei einem geraden Ergebnis: Lauf in Richtung Tor und Wurf.<br />

Bei einem ungeraden Ergebnis tauschen beide Gruppen ihre Position. Lauf und Torwurf erfolgen dann<br />

auf das gegenüberliegende Tor.<br />

TRAINIERTE EXEKUTIVE FUNKTIONEN<br />

Arbeitsgedächtnis be<strong>im</strong> Aufrechterhalten und be<strong>im</strong> Umsetzen der Aufgabenstellung<br />

sowie be<strong>im</strong> Lösen der Kopfrechenaufgaben (vgl. 13).<br />

Aufmerksamkeitslenkung auf die Rechenaufgabe bzw. auf die Lösung der Aufgabe,<br />

auf die Torhüterin sowie auf die technische Ausführung be<strong>im</strong> Prellen und be<strong>im</strong> Torwurf.<br />

Inhibition vor dem Einleiten eines Positions- bzw. Richtungswechsels der Gruppe.<br />

Kognitive Flexibilität be<strong>im</strong> Richtungswechsel (bei ungeradem Rechenergebnis).<br />

Seite 160


ENTSCHEIDUNGSPASS<br />

Michael Weber (DHB-B-Lizenz), TSV Birkenau<br />

Filmverweis: Handball 7<br />

VORBEREITUNG<br />

An der 6-m-Linie werden 4 Korridore mit Schaumstoffbalken abgegrenzt.<br />

Die Spielerinnen besetzen mit Ball beide Halbpositionen (etwa bei 11 m). Auf beiden Seiten steht<br />

auf 8 m jeweils eine Spielerin mit Blick in Richtung Rückraumspielerinnen.<br />

Ebenfalls auf beiden Seiten besetzt jeweils eine Abwehrspielerin einen der beiden Korridore.<br />

GRUNDÜBUNG<br />

Immer auf beiden Halbpositionen <strong>im</strong> Wechsel:<br />

Die vorderste Spielerin auf einer Halbposition passt zur Spielerin auf 8 m. Diese dreht sich schnell um<br />

und muss sofort und in hohem Tempo durch den freien Korridor laufen und aufs Tor werfen.<br />

Die Passgeberin besetzt die Position auf 8 m, die Werferin besetzt die Abwehrposition (und entscheidet sich<br />

<strong>im</strong>mer neu für einen der beiden Korridore), die Abwehrspielerin holt den Ball und stellt sich hinten an.<br />

SCHWIERIGKEITSSTUFE 1<br />

Immer auf beiden Halbpositionen <strong>im</strong> Wechsel:<br />

1 Abwehrspielerin in einem Korridor und 1 Kreisläuferin (mit Leibchen) <strong>im</strong> anderen Korridor.<br />

Erneut Pass und bei 8 m umdrehen. Entscheidung je nach Aktion der Abwehrspielerin:<br />

1) Bleibt sie in ihrem Korridor: Pass zum Kreis und Wurf.<br />

2) Verschiebt sie in den anderen Korridor und deckt die Kreisläuferin: in hohem Tempo durch den<br />

freien Korridor und Torwurf.<br />

TRAINIERTE EXEKUTIVE FUNKTIONEN<br />

Arbeitsgedächtnis be<strong>im</strong> Aufrechterhalten und Umsetzen der Aufgabenstellung sowie be<strong>im</strong><br />

Entscheidungsprozess.<br />

Aufmerksamkeitslenkung auf die verschiedenen Aufgaben auf den unterschiedlichen Positionen,<br />

auf die Torhüterin und den Torwurf.<br />

Inhibition (bei Schwierigkeitsstufe 1) eines Passes, wenn Kreisläuferin gedeckt ist.<br />

Kognitive Flexibilität be<strong>im</strong> flexiblen Durchgehen oder Passspiel.<br />

Seite 161


JUBEL-SCHNICK-SCHNACK-SCHNUCK<br />

Michael Weber (DHB-B-Lizenz), TSV Birkenau<br />

Filmverweis: Handball 12<br />

VORBEREITUNG<br />

Die Spielerinnen gehen paarweise zusammen.<br />

ABLAUF<br />

Immer 2 Spielerinnen spielen gegeneinander Schnick-Schnack-Schnuck (Schere-Stein-Papier;<br />

max<strong>im</strong>al 3 Mal, wenn der Gewinner vorher feststeht nur 2 Mal). Es gelten die Regeln: Faust gewinnt<br />

gegen Schere und verliert gegen Papier. Schere gewinnt gegen Papier. Die Verliererin stellt sich jeweils<br />

sofort nach der Niederlage hinter die Siegerin und feuert diese be<strong>im</strong> nächsten Durchgang an.<br />

Dieser Ablauf wiederholt sich, bis die letzten 2 Spielerinnen gegeneinander spielen, von ihren<br />

beiden Teams lautstark angefeuert werden und die Siegerin feststeht.<br />

TRAINIERTE EXEKUTIVE FUNKTIONEN<br />

Arbeitsgedächtnis bei der Entscheidung, ob Schere, Stein oder Papier mit der Hand angezeigt wird.<br />

Geteilte Aufmerksamkeit auf die Hand des Gegners und auf die eigene Hand.<br />

Frustration nach Niederlage kontrollieren.<br />

Umstellungsfähigkeit be<strong>im</strong> Wechsel der Schere-Stein-Papier-Handhaltungen, vom Spiel<br />

bzw. der Niederlage auf Anfeuerung, vom Sieg auf das Spiel gegen die nächste Spielerin,<br />

von Emotionen be<strong>im</strong> Jubel-Schnick-Schnack-Schnuck auf Konzentration für die nächste<br />

Übung <strong>im</strong> Trainingsablauf.<br />

Seite 162


SPRINTWETTKAMPF<br />

Michael Weber (DHB-B-Lizenz), TSV Birkenau<br />

Filmverweis: Handball 13<br />

VORBEREITUNG<br />

Links und rechts vom Tor wird jeweils für ein Team eine Sprintstrecke abgesteckt: Bei etwa 7 m<br />

werden auf einer Höhe <strong>im</strong> Abstand von jeweils etwa 3 Schritten links ein Hütchen, in der Mitte eine<br />

Slalomstange und rechts ein weiteres Hütchen aufgebaut. Unterhalb der Slalomstange ist auf Höhe von<br />

3 bis 4 m eine weitere Slalomstange platziert. Jeweils auf Höhe des inneren Hütchens (also rechts <strong>im</strong><br />

linken Feld und links <strong>im</strong> rechten Feld) wird auf der Grundlinie ein weiteres Hütchen platziert. An der<br />

Mittellinie wird für jeden Sprintdurchgang ein Ball bereit gelegt. Die beiden Teams stellen sich an der<br />

Grundlinie hinter ihrem Sprintfeld auf, eine Torhüterin geht in das gegenüberliegende Tor.<br />

6 6<br />

3 4 3<br />

4<br />

5 5<br />

1 2 2 1<br />

GRUNDÜBUNG<br />

Auf Pfiff sprinten jeweils 2 Spielerinnen gegeneinander und versuchen als Erstes, den Ball an der<br />

Torlinie zu erreichen und aufs Tor zu werfen.<br />

Sprintablauf :<br />

Laufweg 1: schräg nach vorne<br />

Laufweg 2: diagonal zurück<br />

Laufweg 3: Slalom nach vorne und zurück<br />

Laufweg 4: diagonal nach vorne<br />

Laufweg 5: gerade zurück<br />

Laufweg 6: Sprint zum Ball<br />

Auf Pfiff (z.B. sobald die Spielerinnen gerade zurücksprinten [Laufweg 5]) starten die nächsten<br />

2 Spielerinnen.<br />

SCHWIERIGKEITSSTUFE 1<br />

Die Sprintabfolge kann durch den Trainer variiert werden.<br />

TRAINIERTE EXEKUTIVE FUNKTIONEN<br />

Willensstärke be<strong>im</strong> Zweikampf um den Ball, insbesondere dann, wenn das Sprinttraining nach<br />

einem körperlich und kognitiv herausfordernden Training erfolgt.<br />

Arbeitsgedächtnis be<strong>im</strong> Aufrechterhalten und Umsetzen der Aufgabenstellung.<br />

Aufmerksamkeitslenkung auf die unterschiedlichen Sprintrichtungen.<br />

Inhibition (bei Schwierigkeitsstufe 1) der vorherigen Laufwege.<br />

Emotionskontrolle für einen fairen Zweikampf um den Ball, Frustration nach<br />

Niederlage regulieren.<br />

Kognitive Flexibilität bei Richtungswechsel in der Sprintabfolge.<br />

Seite 163


INHIBITIONSFALLE<br />

Michael Weber (DHB-B-Lizenz), TSV Birkenau<br />

Filmverweis: Handball 4<br />

VORBEREITUNG<br />

Alle Spielerinnen stellen sich nebeneinander mit Ball auf die Grundlinie.<br />

ABLAUF<br />

Der Trainer gibt eine eindeutige Anweisung, z.B.: „Ihr rollt den Ball nach vorne. Wenn er über die<br />

schwarze Linie gerollt ist, sprintet ihr dem Ball hinterher, nehmt ihn auf und prellt bis zur Mittellinie.“<br />

Diese Anweisung, wird mit der Nachfrage, ob alles verstanden wurde, mehrfach wiederholt (ca. 6 bis 8<br />

Mal). Unmittelbar vor dem Startsignal erfolgt der zusätzliche Hinweis: „Wer als Erste an der Mittellinie<br />

ist, hat gewonnen“.<br />

TRAINIERTE EXEKUTIVE FUNKTIONEN<br />

Arbeitsgedächtnis be<strong>im</strong> Aufrechterhalten und Umsetzen der Aufgabenstellung.<br />

Aufmerksamkeit auf die Aufgabenstellung und das Startsignal des Trainers.<br />

Inhibition be<strong>im</strong> Warten, bis der Ball die schwarze Linie überrollt hat.<br />

Seite 164


ENTSCHEIDUNGSSPRINT<br />

Marco Göckel (DFB A-Lizenz), TSG 1899 Hoffenhe<strong>im</strong> und Claus Wendt (DHB B-Lizenz),<br />

SG Heidelberg-Kirchhe<strong>im</strong><br />

Filmverweis: Handball-ExF 3<br />

VORBEREITUNG<br />

An der Mittellinie werden parallel zwei Quadrate mit jeweils ca. 6 Schritten Seitenlänge abgesteckt und<br />

mit Schaumstoffbalken oder einfarbigen Hütchen markiert.<br />

Es werden zwei Mannschaften gebildet: eine für das rechte und eine für das linke Quadrat. Jeder Spieler<br />

erhält einen Ball. Je Tor ein Torwart.<br />

Der Trainer gibt die Farben für die 4 Ecken des Sprintfeldes vor, z.B. vorne rechts = rot, vorne links = grün,<br />

hinten rechts = gelb, hinten links = blau (Farben des 2. Sprintfeldes werden spiegelverkehrt zugeordnet).<br />

Trainer mit 4 Tüchern, Leibchen, Hütchen oder Parteibändern in unterschiedlichen Farben.<br />

10 Schritte hinter den Sprintfeldern steht in der Mitte ein Kastenoberteil mit Bällen.<br />

GRUNDÜBUNG<br />

Trainer 1 steht vor dem Ballkasten mit Tüchern in den Farben rot, gelb, grün und blau. Die Spieler stellen<br />

sich in die Mitte ihres jeweiligen Sprintfeldes. Mit Beginn der Übung zeigt Trainer 1 schnell nacheinander<br />

3 Tücher. Die Spieler sprinten auf beiden Feldern zu den angezeigten Ecken (Start be<strong>im</strong> ersten Signal<br />

(Farbtuch), be<strong>im</strong> Sprint müssen die beiden anderen Signale (Farbtücher) <strong>im</strong> Auge behalten werden).<br />

Danach Anschlusshandlung: Sprint zum Kastenoberteil. Der Spieler, der zuerst einen Ball hat, prellt auf<br />

direktem Weg zum Tor und macht den Torabschluss.<br />

Der zweite Spieler muss zunächst mit dem Ball zur Seitenauslinie und von dort zum Tor prellen, dann<br />

Torabschluss.<br />

Immer direkt nach dem Torabschluss: Ball wieder in das Kastenoberteil legen, ohne die Abläufe der<br />

anderen Spieler zu stören. Danach wieder an der eigenen Gruppe anstellen.<br />

SCHWIERIGKEITSSTUFE 1<br />

Wie Grundübung. Hinter dem ersten Tor steht ein weiterer Trainer (2) oder ein Spieler. Die Spieler<br />

müssen be<strong>im</strong> Prellen die Farbe rufen, die Trainer 2 schnell nacheinander anzeigt.<br />

SCHWIERIGKEITSSTUFE 2<br />

Den Schaumstoffbalken/Hütchen <strong>im</strong> Sprintfeld werden neue Farben zugeordnet.<br />

TRAINIERTE EXEKUTIVE FUNKTIONEN<br />

Arbeitsgedächtnis be<strong>im</strong> Aufrechterhalten und Umsetzen der Aufgabenstellung.<br />

Aufmerksamkeitslenkung auf die Signale und Laufwege.<br />

Kognitive Flexibilität bei wechselnden Farben und Aufgabenstellungen.<br />

Seite 165


2-BALL-SPIEL<br />

Torsten Althoff, Mannhe<strong>im</strong>er Hockeyclub, Landestrainer Hockey Baden-Württemberg<br />

Filmverweis: Hockey 10<br />

VORBEREITUNG<br />

Spiel mit 2 Mannschaften auf 2 Tore und mit 2 Bällen.<br />

Trainer gibt Hinweise, die die Sicherheit betreffen (Aufmerksamkeit auf beide Bälle lenken, <strong>im</strong><br />

Kreis offensiv verteidigen). Bei dem Spiel mit 2 Bällen kommt es darauf an, dass die Spieler einer<br />

Mannschaft intensiv miteinander kommunizieren.<br />

Der Trainer hat zwei Pfeifen, deren Töne sich deutlich voneinander unterscheiden und die jeweils<br />

einem der beiden Bälle zugeordnet werden.<br />

GRUNDÜBUNG<br />

Spiel mit 2 Mannschaften auf 2 Tore und mit 2 Bällen.<br />

SCHWIERIGKEITSSTUFE 1<br />

3-Sekunden-Regel: Freistöße müssen in 3 Sekunden ausgeführt werden, sonst erhält die andere<br />

Mannschaft den Ball.<br />

TRAINIERTE EXEKUTIVE FUNKTIONEN<br />

Arbeitsgedächtnis bei der Entscheidung unter Zeitdruck durch die 3-Sekunden-Regel, bei<br />

der Verarbeitung der zahlreichen wahrzunehmenden Informationen (z.B.: Welche Mannschaft<br />

ist aktuell bei welchem Ball <strong>im</strong> Ballbesitz bzw. wer verteidigt gerade welchen Ball?).<br />

Aufmerksamkeitslenkung auf beide Bälle.<br />

Impulskontrolle bei den sich schnell verändernden Spielsituationen.<br />

Kognitive Flexibilität be<strong>im</strong> häufigen Umstellen von Abwehr auf Angriff (und umgekehrt)<br />

be<strong>im</strong> Spiel mit 2 Bällen.<br />

Seite 166


SCHNICK-SCHNACK-SCHNUCK-SPRINT<br />

Torsten Althoff, Mannhe<strong>im</strong>er Hockeyclub, Landestrainer Hockey Baden-Württemberg<br />

Filmverweis: Hockey 4<br />

VORBEREITUNG<br />

Es werden zwei Teams gebildet. Immer die ersten Spieler eines Teams spielen gegeneinander Schnick-<br />

Schnack-Schnuck (Schere-Stein-Papier; max<strong>im</strong>al 3 Mal, wenn der Gewinner vorher feststeht, nur 2 Mal).<br />

Der Gewinner läuft weg, der Verlierer muss ihn einholen (abschlagen oder überholen).<br />

In einem Abstand von ca. 5 bis 10 m werden auf beiden Seiten ein gelbes und rotes Hütchen,<br />

weitere 5 bis 10 m oberhalb ein blaues Hütchen aufgestellt.<br />

SCHNICK<br />

SCHNACK<br />

SCHNUCK<br />

GRUNDÜBUNG<br />

Spieler spielen Schnick-Schnack-Schnuck. Gewinner läuft weg, Verlierer muss ihn einholen. Laufweg ist<br />

vorgegeben: erst gelbes, dann rotes, dann blaues Hütchen anlaufen.<br />

SCHWIERIGKEITSSTUFE 1<br />

Trainer sagt parallel zu Schnick-Schnack-Schnuck <strong>im</strong>mer die Farbe rot oder gelb (z.B.: „1, 2, gelb –<br />

1, 2, rot – 1, 2, rot“). Die letzte Farbe muss be<strong>im</strong> Sprint zuerst angelaufen werden, erst dann erfolgt der<br />

Sprint zum anderen Hütchen, abschließend zum blauen Hütchen.<br />

SCHWIERIGKEITSSTUFE 2<br />

Als weitere Schwierigkeitsstufen können weitere Hütchen z.B. in den Farben weiß und grün, dazugenommen<br />

werden. Auch hier kann der Trainer jeweils die Farbe nennen, die zuerst erreicht werden<br />

muss. Der Sprintweg zu den weiteren Hütchen ist dann vorgegeben (<strong>im</strong>mer in der Reihenfolge gelb,<br />

rot, grün, weiß und zum Schluss blau).<br />

SCHWIERIGKEITSSTUFE 3<br />

Nun werden für 4 Hütchenfarben Laufwege vorgegeben (plus Schlusssprint zum blauen Hütchen),<br />

z.B. rot = rot, gelb, grün, weiß; gelb = gelb, rot, grün, weiß; grün = grün, weiß, gelb, rot; weiß = weiß, rot,<br />

gelb, grün.<br />

TRAINIERTE EXEKUTIVE FUNKTIONEN<br />

Arbeitsgedächtnis be<strong>im</strong> Aufrechterhalten und Umsetzen der Aufgabenstellung. Mit steigender<br />

Schwierigkeitsstufe n<strong>im</strong>mt auch die Belastung bzw. das Training des Arbeitsgedächtnisses<br />

an Intensität zu.<br />

Geteilte Aufmerksamkeit auf die eigene Hand, die Hand des Gegners und den Zuruf des Trainers.<br />

Inhibition (vor allem bei Schwierigkeitsstufe 3) der ursprünglichen Zuordnungen.<br />

Umstellungsfähigkeit be<strong>im</strong> Wechsel der Schere-Stein-Papier-Handhaltungen; bei veränderter<br />

Reihenfolge der Farben.<br />

Seite 167


LAUF-ABC-MEMORY<br />

Torsten Althoff, Mannhe<strong>im</strong>er Hockeyclub, Landestrainer Hockey Baden-Württemberg<br />

Filmverweis: Hockey 2<br />

VORBEREITUNG<br />

Die Spieler stehen entlang einer Linie. Der Trainer erläutert und demonstriert unterschiedliche<br />

Elemente der Laufschule (z.B. Hopserlauf, Fußgelenklauf, Kniehebelauf, Sprunglauf). Anschießend<br />

ordnet der Trainer den einzelnen Übungen Zahlen zu (z.B. 1 = Hopserlauf; 2 = Fußgelenklauf;<br />

3 = Kniehebelauf; 4 = Sprunglauf).<br />

GRUNDÜBUNG<br />

Der Trainer zeigt durch die Anzahl der Finger die entsprechende Laufübung an, die die Spieler auf<br />

einer vorgegebenen Strecke ausführen.<br />

SCHWIERIGKEITSSTUFE 1<br />

Es kommen weitere Elemente des Lauf-ABC hinzu, z.B. 5 = Sprunglauf, 6 = Rückwärtslaufen.<br />

SCHWIERIGKEITSSTUFE 2<br />

Die Zahlen werden den Laufübungen neu zugeordnet, erst mit 4, dann mit 5 und 6 Elementen.<br />

SCHWIERIGKEITSSTUFE 3<br />

Der Trainer zeigt nicht nur eine Zahl an, sondern ruft gleichzeitig eine Zahl, die einen anderen Wert als<br />

die gezeigte Zahl haben kann. Der Trainer kann <strong>im</strong>mer wieder neu best<strong>im</strong>men, welche die dominante<br />

Zahl sein soll (die angezeigte oder die genannte), deren zugeordnete Aufgabe ausgeführt werden soll.<br />

TRAINIERTE EXEKUTIVE FUNKTIONEN<br />

Arbeitsgedächtnis be<strong>im</strong> Aufrechterhalten und Umsetzen der Aufgabenstellung.<br />

Aufmerksamkeitslenkung auf die jeweilige Übung bzw. korrekte technische Ausführung.<br />

Inhibition der ursprünglichen Zuordnung bzw. der nicht dominanten Zahl<br />

(in Schwierigkeitsstufe 2 und 3).<br />

Kognitive Flexibilität be<strong>im</strong> Wechsel der Bewegungsaufgaben, bei Änderung der Zuordnung von<br />

Zahlen und Übungen, be<strong>im</strong> Wechsel vom dominanten Zuruf zum dominanten Handzeichen.<br />

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FEUER-WASSER-STURM<br />

Stefanie Weiß (C-Lizenz Leichtathletik),<br />

<strong>Sport</strong>pädagogin Karl-Friedrich-Schule Eutingen<br />

Filmverweis: Pfiff/Grundschule 3<br />

VORBEREITUNG<br />

Die Lehrerin zeigt den Kindern 4 Bildkarten (idealerweise doppelseitig identisch bedruckt), die mit<br />

Bewegungsaufgaben verbunden werden, z.B. Feuer = auf den Boden legen; Wasser = hochklettern;<br />

Sturm = in eine Ecke laufen; Eis = sofort still stehen (einfrieren). Die Übung wird als Musik-Stopp-Spiel<br />

durchgeführt; hierfür ist eine Musikanlage mit Fernbedingung hilfreich. Damit die Kinder bei der Signalkarte<br />

„Wasser“ auf einen Gegenstand klettern bzw. steigen können, ggf. Bänke, Matten etc. in der Halle<br />

verteilen oder eine Sprossenwand dafür verwenden.<br />

GRUNDÜBUNG<br />

Die Kinder laufen kreuz und quer durch die Halle. Die Lehrerin zeigt in unterschiedlichen Zeitabständen<br />

eine der 4 Bildkarten kurz in die Höhe. Die Kinder müssen be<strong>im</strong> Laufen die Aufmerksamkeit auf<br />

die Bildkarte lenken, sich das Symbol und die damit verbundene Aufgabe merken. Erst wenn die Musik<br />

(zeitverzögert) stoppt, soll die entsprechende Bewegungsaufgabe ausgeführt werden.<br />

SCHWIERIGKEITSSTUFE 1<br />

Be<strong>im</strong> Hochhalten der Karten werden andere Aufgaben ausgeführt, z.B. wird die ursprüngliche Bewegungsaufgabe<br />

zu „Wasser“ (hochklettern) in dieser Schwierigkeitsstufe der Bildkarte „Feuer“ zugeordnet<br />

(und umgekehrt); die Bewegungsaufgabe zu „Sturm“ (in eine Ecke laufen) wird nun die Aufgabe bei<br />

Bildkarte „Eis“ (sofort still stehen) (und umgekehrt).<br />

SCHWIERIGKEITSSTUFE 2<br />

Zusätzlich mit „Wikingerhut“ – symbolisiert z.B. durch einen Moosgummiring aus dem Ringtennis. Zeigt<br />

die Lehrerin eine Bildkarte, ohne dass sie sich den Wikingerhut aufsetzt, gelten die Regeln aus der<br />

Grundübung. Trägt die Lehrerin be<strong>im</strong> Zeigen der Bildkarte den Hut, sollen die Kinder die Bewegungen<br />

aus Schwierigkeitsstufe 1 ausführen.<br />

TRAINIERTE EXEKUTIVE FUNKTIONEN<br />

Arbeitsgedächtnis be<strong>im</strong> Aufrechterhalten und be<strong>im</strong> Umsetzen der Aufgabenstellung bzw.<br />

der Bewegungsaufgaben.<br />

Aufmerksamkeitslenkung auf die Musik, die Bildkarten und den „Hut“ der Lehrerin.<br />

In Schwierigkeitsstufe 1 und 2: Inhibition be<strong>im</strong> Nichtausführen einer vertrauteren<br />

Aufgabenstellung, be<strong>im</strong> Musik-Stopp und insbesondere be<strong>im</strong> abrupten Abstoppen<br />

(bei „Eis“), wenn andere Kinder eine falsche Bewegungsaufgabe ausführen.<br />

Kognitive Flexibilität be<strong>im</strong> Aufgabenwechsel.<br />

Seite 169


FROSCH FÄNGT HAI<br />

Stefanie Weiß (C-Lizenz Leichtathletik),<br />

<strong>Sport</strong>pädagogin Karl-Friedrich-Schule Eutingen<br />

Filmverweis: Pfiff/Grundschule 4<br />

VORBEREITUNG<br />

Jeweils 1/3 der Kinder erhalten ein rotes, grünes oder blaues Parteiband. Den Farbbändern werden<br />

folgenden Tiere zugeordnet: blau = Hai; grün = Frosch; rot = Ameise. Die Kinder legen sich, paarweise<br />

verteilt, in Bauchlage auf den Boden. 1 Kind (z.B. mit blauem Band) ist Fänger, 1 Kind (z.B. mit grünem<br />

Band) ist der Gejagte. Zur Unterstützung des Arbeitsgedächtnisses kann ein flexibles Bildmaterial<br />

eingesetzt werden.<br />

GRUNDÜBUNG<br />

Es gilt folgende Regel: Hai fängt Frosch (blau fängt grün), Frosch fängt Ameise (grün fängt rot), Ameise<br />

fängt Hai (rot fängt blau). Auf ein Startsignal der Lehrerin beginnt das Fangspiel. Der Gejagte kann sich<br />

neben ein anderes Kind auf den Boden legen und sich so in Sicherheit bringen. Das Kind, das jeweils<br />

auf der anderen Seite liegt, springt auf und vergleicht die Farbe seines Parteibandes mit der des<br />

Fängers. Durch diesen Abgleich entscheidet sich, wer in der neuen Paarung Fänger und Gejagter ist.<br />

Haben die Parteibänder die gleiche Farbe, wird aus dem ursprünglichen Fänger der Gejagte und das<br />

„neue“ Kind wird zum Fänger.<br />

SCHWIERIGKEITSSTUFE 1<br />

Die Aufgabenstellung ändert sich: Frosch fängt Hai, Hai fängt Ameise, Ameise fängt Frosch.<br />

SCHWIERIGKEITSSTUFE 2<br />

Gleicher Ablauf mit 2 Fängern und 2 Gejagten, wobei die Zuordnung von Fänger und Gejagtem nicht<br />

verändert werden darf (d.h. ein Fänger darf nur den ihm zugordneten Gejagten fangen).<br />

TRAINIERTE EXEKUTIVE FUNKTIONEN<br />

Arbeitsgedächtnis be<strong>im</strong> Aufrechterhalten und Umsetzen der Aufgabenstellung.<br />

Aufmerksamkeitslenkung auf die Farben der zu vergleichenden Parteibänder,<br />

bei Schwierigkeitsstufe 2 auf die Unterscheidung der Fänger-Gejagten-Paare.<br />

Inhibition der alten Aufgabenstellung.<br />

Kognitive Flexibilität be<strong>im</strong> Aufgabenwechsel, bei der Umstellung vom Fänger zum Gejagten und<br />

vom passiven (auf dem Boden liegenden) zum aktiven Spieler.<br />

Seite 170


HINDERNISLAUF<br />

Stefanie Weiß (C-Lizenz Leichtathletik),<br />

<strong>Sport</strong>pädagogin Karl-Friedrich-Schule Eutingen<br />

Filmverweis: Pfiff/Grundschule 1<br />

VORBEREITUNG<br />

Entsprechend der Anzahl der Kinder werden auf der Längsseite der Halle kleine Turnmatten mit etwa<br />

2 m Abstand in einer Reihe auf dem Boden ausgelegt. Hinter jeder Matte stehen ca. 3 bis 5 Kinder. In der<br />

Mitte der Halle sind als langes Hindernis nebeneinander Langbänke aufgebaut.<br />

Die Lehrerin hat 3 verschiedenfarbige Parteibänder, ein Stoppschild und eine Pfeife.<br />

GRUNDÜBUNG<br />

Die Lehrerin steht in einem etwas größeren Abstand den Kindern gegenüber. In einer Hand hält sie ein<br />

blaues, in der anderen Hand ein rotes Parteiband. Wenn sie das blaue Band fallen lässt, macht das<br />

vorderste Kind jeder Gruppe eine Rolle vorwärts auf der Matte, läuft nach vorne über die Bank bis zur<br />

anderen Hallenseite. Danach läuft es am Rand der Halle wieder zurück und stellt sich in seiner Gruppe<br />

wieder hinten an. Lässt die Lehrerin das rote Band fallen, macht das Kind auf der Matte einen Strecksprung<br />

mit ganzer Drehung. Der weitere Ablauf erfolgt wie be<strong>im</strong> blauen Band.<br />

VARIANTE 1/SCHWIERIGKEITSSTUFE 1<br />

Der Ablauf wie in der Grundübung. Pfeift die Lehrerin be<strong>im</strong> Fallenlassen eines Parteibandes, sollen<br />

die Kinder nicht über die Bank laufen, sondern robben unter der Sitzfläche der Bank hindurch, also:<br />

blaues Band = Rolle vorwärts; rotes Band = Strecksprung ganze Drehung; ohne Pfiff = über die Bank<br />

laufen; 1 Pfiff = unter der Bank hindurch.<br />

VARIANTE 1/SCHWIERIGKEITSSTUFE 2<br />

Gleicher Ablauf wie in Schwierigkeitsstufe 1. Nun kommt ein gelbes Band hinzu. Wenn die Lehrerin das<br />

gelbe Band über dem Kopf kreisen lässt, legen sich die Kinder quer in Bauch- oder Rückenlage auf die<br />

Matte und rollen wie ein Baumstamm schnell über sie hinweg, also:<br />

blaues Band = Rolle vorwärts; rotes Band = Strecksprung ganze Drehung; gelbes Band = Baumstamm-Rollen;<br />

ohne Pfiff = über die Bank laufen; 1 Pfiff = unter der Bank hindurch.<br />

VARIANTE 1/SCHWIERIGKEITSSTUFE 3<br />

Gleicher Ablauf wie in Schwierigkeitsstufe 2. Es können jedoch auch 2 Pfiffe erfolgen, dann sollen die<br />

Kinder eine Hockwende über die Bank ausführen, also:<br />

ohne Pfiff = über die Bank laufen; 1 Pfiff = unter der Bank hindurch; 2 Pfiffe = Hockwende über die<br />

Bank; blaues Band = Rolle vorwärts; rotes Band = Strecksprung ganze Drehung; gelbes Band = Baumstamm-Rollen.<br />

VARIANTE 2 MIT TRAINING DER INHIBITION<br />

Ablauf und Spielsteigerung wie in Spielvariante 1. Zusätzlich kann die Lehrerin ein Stoppschild<br />

hochhalten. Zeigt sie das Stoppschild, dürfen die Kinder nach dem Startsignal erst dann starten, wenn<br />

das Stoppschild wieder abgesenkt bzw. fallengelassen wurde.<br />

TRAINIERTE EXEKUTIVE FUNKTIONEN<br />

Arbeitsgedächtnis be<strong>im</strong> Aufrechterhalten und be<strong>im</strong> Umsetzen der Aufgabenstellung.<br />

Aufmerksamkeitslenkung auf die Farbe des Bandes, das Pfeifsignal und die<br />

Bewegungsausführung; in Variante 2 auf das Stoppschild.<br />

Bei Spielvariante 2 mit Stoppschild: Warten, bis das Stoppschild nicht mehr gezeigt wird.<br />

Kognitive Flexibilität durch den ständigen Aufgabenwechsel.<br />

Seite 171


FLEXI-BALL<br />

Stefanie Weiß (C-Lizenz Leichtathletik),<br />

<strong>Sport</strong>pädagogin Karl-Friedrich-Schule Eutingen<br />

Filmverweis: Pfiff/Grundschule 5<br />

VORBEREITUNG<br />

Die Halle wird in zwei Hälften geteilt und an der Mittellinie mit Langbänken abgetrennt. Es werden<br />

2 gleich große Teams gebildet. Jedes Team wird einer Hallen- oder Spielfeldhälfte zugeordnet. Die Kinder<br />

verteilen sich in ihren Spielfeldern. Etwa 16 (Gymnastik-)Bälle in 4 Farben (z.B. blau, weiß, gelb und rot)<br />

werden gleichmäßig in den beiden Spielfeldern verteilt.<br />

GRUNDÜBUNG<br />

Auf ein Startsignal der Lehrerin sollen die Bälle so schnell wie möglich in die andere Hallenhälfte<br />

gespielt werden. Die Bälle können beliebig gespielt (z.B. geworfen, gekickt) werden. Bei einem Pfiff der<br />

Lehrerin darf kein Ball mehr bewegt werden. Die Mannschaft mit den wenigsten Bällen erhält einen<br />

Punkt. Es werden mehrere Runden gespielt.<br />

VARIANTE 1/SCHWIERIGKEITSSTUFE 1<br />

Den verschiedenen Ballfarben werden nach und nach best<strong>im</strong>mte Spielarten zugeordnet. In Schwierigkeitsstufe<br />

1 soll der weiße Ball z.B. gekickt werden.<br />

VARIANTE 1/SCHWIERIGKEITSSTUFE 2<br />

Die weißen Bälle dürfen nur gekickt und die gelben Bälle nur geköpft werden.<br />

VARIANTE 1/SCHWIERIGKEITSSTUFE 3<br />

Die weißen Bälle dürfen nur gekickt, die gelben nur geköpft und die roten nur geworfen werden.<br />

VARIANTE 1/SCHWIERIGKEITSSTUFE 4<br />

Die weißen Bälle dürfen nur gekickt, die gelben nur geköpft, die roten nur geworfen und die blauen nur<br />

geschlagen werden.<br />

VARIANTE 2 MIT ERHÖHTER SCHWIERIGKEIT<br />

Spielsteigerung wie in Spielvariante 1, nur mit dem Unterschied, dass die Zuordnung der Spielart mit<br />

jeder Schwierigkeitsstufe verändert wird (weißer Ball in Schwierigkeitsstufe 1 = kicken; in Schwierigkeitsstufe<br />

2 = werfen; in Schwierigkeitsstufe 3 = köpfen etc.).<br />

TRAINIERTE EXEKUTIVE FUNKTIONEN<br />

Arbeitsgedächtnis be<strong>im</strong> Aufrechterhalten und be<strong>im</strong> Umsetzen der Spielart.<br />

Aufmerksamkeitslenkung auf die jeweiligen Aufgaben bei den jeweiligen Ballfarben.<br />

Inhibition der falschen Ausführung (z.B. kicken statt werfen) und der vorangegangenen<br />

Aufgabenstellung.<br />

Emotionsregulation be<strong>im</strong> Siegen und Verlieren.<br />

Kognitive Flexibilität be<strong>im</strong> Aufgabenwechsel.<br />

Seite 172


SCHAKADI<br />

Waheed Shafiq (C-Lizenz Fechten), TSG Rohrbach<br />

Filmverweis: Fechten 8<br />

VORBEREITUNG<br />

Die Fechter stehen dem Trainer in einer Reihe gegenüber.<br />

GRUNDÜBUNG<br />

Der Trainer nennt abwechselnd eine der folgenden Anweisungen:<br />

Schritt vor,<br />

Schritt zurück,<br />

Ausfallschritt,<br />

aufstehen.<br />

Die Fechter sollen die Bewegungsaufgabe nur dann ausführen, wenn der Trainer unmittelbar vor der<br />

Anweisung das Signalwort „Schakadi“ nennt. Nennt er eine Anweisung ohne das Signalwort, sollen die<br />

Fechter in ihrer Position verharren.<br />

SCHWIERIGKEITSSTUFE 1<br />

Der Trainer kann zusätzlich zur Anweisung selbst auch eine Bewegung ausführen, die die Fechterschüler<br />

aber idealerweise ausblenden, weil sie mit der genannten Anweisung – und diese gilt es weiterhin<br />

mit Signalwort zu berücksichtigen – entweder nicht übereinst<strong>im</strong>mt oder aber, weil er zur Bewegung<br />

nicht das Signalwort nennt.<br />

TRAINIERTE EXEKUTIVE FUNKTIONEN<br />

Arbeitsgedächtnis be<strong>im</strong> Aufrechterhalten und Umsetzen der Aufgabenstellung.<br />

<strong>Fokus</strong>sierte/selektive Aufmerksamkeit bei Konzentration auf die Anweisung mit Signalwort<br />

und be<strong>im</strong> Ausblenden der Bewegungen des Trainers;<br />

Daueraufmerksamkeit bei zunehmender Übungsdauer ohne Unterbrechung.<br />

Inhibition bei Nichtausführung einer Bewegung ohne Signalwort.<br />

Kognitive Flexibilität be<strong>im</strong> Aufgabenwechsel und be<strong>im</strong> Umstellen von Bewegung auf Stillstehen<br />

(und umgekehrt).<br />

Seite 173


STÄBE WERFEN<br />

Arne Schneider, Leiter des Instituts für Stabfechten, Stuttgart<br />

Filmverweis: Stabfechten 1<br />

VORBEREITUNG<br />

Gruppe in zwei Reihen mit Abstand von ca. 2 m aufstellen lassen. Jeder hat einen gegenüberstehenden<br />

Partner. Reihe A hat einen Stab, Reihe B hat noch keinen Stab.<br />

GRUNDÜBUNG<br />

Übung mit einem Stab.<br />

Der Stab wird senkrecht in der Mitte, (beginnend) mit der rechten Hand, in Fausthaltung gehalten und<br />

auch senkrecht geworfen. Auf die senkrechte Wurfhaltung ist aus Sicherheitsgründen stets zu achten.<br />

Den Stab <strong>im</strong>mer parallel in die gegenüberliegende Hand des Partners werfen, d. h. von der rechten<br />

Hand in die linke Hand des Partners und wieder zurück (werden bei Übungen mit 2 Stäben die Stäbe<br />

diagonal geworfen, prallen sie aufeinander).<br />

Vor und be<strong>im</strong> Werfen laut auf 3 zählen. Auf 3 wird der Stab geworfen.<br />

Be<strong>im</strong> Zählen wird der Stab mit einer Impulsbewegung mit der Wurfhand (Unterarm geht vor und<br />

zurück) unterstützt.<br />

Nach mehreren Durchgängen wird die Hand gewechselt.<br />

Nach einer Schwierigkeitsstufe wird der Partner gewechselt, indem alle <strong>im</strong> Uhrzeigersinn auf den Platz<br />

des Nebenmannes gehen (die Außenstehenden stellen sich auf der anderen Seite an).<br />

SCHWIERIGKEITSSTUFE 1<br />

Übung mit einem Stab.<br />

Laut auf 3 zählen, mit Impulsbewegung.<br />

Der Werfer darf nach eigener Entscheidung mit der rechten oder linken Hand werfen (Wurfrichtung<br />

bleibt aber parallel) und dabei auch einen Schritt vor- oder zurückgehen (veränderte Distanz).<br />

SCHWIERIGKEITSSTUFE 2<br />

Jeder hat einen Stab und hält ihn in der rechten Hand.<br />

Laut auf 3 zählen, mit Impulsbewegung.<br />

Die Stäbe werden gleichzeitig geworfen (Partner A wirft den Stab in die linke Hand von Partner B, Partner<br />

B wirft den Stab in die linke Hand von Partner A).<br />

Seite 174


SCHWIERIGKEITSSTUFE 3<br />

Jeder hat einen Stab. Die Stäbe werden gleichzeitig geworfen.<br />

Nicht laut zählen, nur Impulsbewegung.<br />

Gemeinsam das Tempo ändern, ohne zu sprechen (einstellen auf den Partner bei veränderter<br />

Geschwindigkeit).<br />

SCHWIERIGKEITSSTUFE 4<br />

Jeder hat einen Stab.<br />

Nicht laut zählen, nur Impulsbewegung.<br />

Die Aufmerksamkeit <strong>im</strong>mer wieder bewusst vom Stab weglenken, z.B. zur Decke, zum Boden, zum<br />

Nebenmann oder auf Sinneseindrücke, wie hören [z. B. Geräusche in der Halle oder <strong>im</strong> Freien], fühlen<br />

[wie sich der Stab anfühlt, die Kleidung, <strong>im</strong> Freien die Luft], riechen etc.<br />

SCHWIERIGKEITSSTUFE 5<br />

Übung mit 2 Stäben.<br />

Laut auf 3 zählen, mit Impulsbewegung.<br />

Die Stäbe werden gleichzeitig mit beiden Händen geworfen und gefangen.<br />

SCHWIERIGKEITSSTUFE 6<br />

Jeder hat einen Stab.<br />

Nicht laut zählen, keine Impulsbewegung.<br />

Alle Aufgaben der Schwierigkeitsstufen 1 bis 5 flexibel einsetzen und die Entscheidung für jede einzelne<br />

Aktion bewusst treffen.<br />

TRAINIERTE EXEKUTIVE FUNKTIONEN<br />

Arbeitsgedächtnis be<strong>im</strong> Aufrechterhalten und be<strong>im</strong> Umsetzen der Aufgabenstellung, zum<br />

Zeitpunkt der Entscheidung (z.B.: Werfe ich einen oder zwei Stäbe, den linken oder rechten,<br />

schnell oder langsam, stärker oder schwächer, aus größerer oder geringerer Distanz?).<br />

<strong>Fokus</strong>sierte/selektive Aufmerksamkeit bei der Konzentration auf den Stab und be<strong>im</strong> Ausblenden<br />

von Störreizen (z.B. die Nachbarpaare); Geteilte Aufmerksamkeit be<strong>im</strong> Werfen und Fangen mit<br />

2 Stäben; visuell-räumliche Aufmerksamkeit, indem die Aufmerksamkeit auf eine neue Quelle<br />

gerichtet wird (z.B. auf Sinneseindrücke, Gedanken, Emotionen oder den Nebenmann);<br />

Daueraufmerksamkeit bei andauernder Konzentration auf das Werfen und Fangen der Stäbe.<br />

Inhibition be<strong>im</strong> Weglassen einer Hilfestellung (z.B. laut zu zählen, Impulsbewegung auszuführen),<br />

be<strong>im</strong> Warten, Verzögern, langsamer werden und Fintieren etc.<br />

Emotionsregulation, wenn der Partner die Stäbe noch nicht technisch sauber zuspielen kann<br />

oder wenn er zu schnell wirft.<br />

Kognitive Flexibilität be<strong>im</strong> Wechsel der Wurfarten (werfen rechts, links, beidhändig);<br />

bei wechselnder Distanz und verändertem Tempo, be<strong>im</strong> Partner-, Aufmerksamkeits- und<br />

Blickwechsel etc.<br />

Seite 175


FALLENDER STAB<br />

Arne Schneider, Leiter des Instituts für Stabfechten, Stuttgart<br />

Filmverweis: Stabfechten 2<br />

VORBEREITUNG<br />

Gruppen in zwei Reihen mit geringem Abstand aufstellen lassen. Jeder hat einen gegenüberstehenden<br />

Partner. Reihe A hat einen Stab, Reihe B hat keinen Stab.<br />

GRUNDÜBUNG<br />

Partner A und B stehen sich gegenüber und schauen sich in die Augen.<br />

Partner A hält in Brusthöhe den Stab quer in beiden Händen. Partner B hält seine geöffneten Hände<br />

10 bis 20 cm oberhalb des Stabes. Ohne Vorankündigung lässt Partner A den Stab fallen. Partner B soll<br />

den Stab mit einer oder mit beiden Händen fangen, bevor dieser auf dem Boden aufschlägt.<br />

VARIANTE 1<br />

Nach mehreren Durchgängen soll der Partner mit Stab be<strong>im</strong> Fallenlassen des Stabes denken: „Jetzt!“ oder<br />

„Los!“. Der Partner, der fängt, soll versuchen, das gedachte Startsignal des Partners wahrzunehmen.<br />

TRAINIERTE EXEKUTIVE FUNKTIONEN<br />

Arbeitsgedächtnis be<strong>im</strong> Aufrechterhalten und be<strong>im</strong> Umsetzen der Aufgabenstellung;<br />

zum Zeitpunkt der Entscheidung (Stab loslassen, nach Stab greifen).<br />

<strong>Fokus</strong>sierte/selektive Aufmerksamkeit bei Konzentration auf den Stab und be<strong>im</strong> Ausblenden<br />

von Störreizen (z.B. die anderen Paare); visuell-räumliche Aufmerksamkeit, indem die<br />

Aufmerksamkeit auf eine neue Quelle gerichtet wird, ohne den Blick darauf zu lenken (gedachtes<br />

Startsignal des Partners); Daueraufmerksamkeit je länger der Stab gehalten wird.<br />

Inhibition be<strong>im</strong> Warten, bis der Stab fällt.<br />

Emotionskontrolle (Frustrationstoleranz), wenn wiederholt der Stab nicht gefangen wurde.<br />

Seite 176


IN DECKUNG<br />

Thomas Schmidt-Herzog und Catrin Franzen, Kempokan Kampfkunstschule Heidelberg, TSG Rohrbach<br />

Filmverweis: Kempokan 9<br />

VORBEREITUNG<br />

Die Kempokan-Schüler verteilen sich <strong>im</strong> Raum, der Trainer/die Trainerin bewegen sich in der Gruppe.<br />

GRUNDÜBUNG<br />

Auf ein Startsignal des Trainers bzw. der Trainerin laufen die Schüler kreuz und quer durch den Raum.<br />

Die Aufgabe besteht darin, niemand anderen zu berühren. Wenn sich zwei Schüler be<strong>im</strong> Laufen<br />

berühren, müssen sie am Rand des Raumes 10 Partnerliegestützen ausführen. Berührt ein jugendlicher<br />

Schüler den Trainer, sind es (<strong>im</strong> Filmbeispiel) 100 normale Liegestützen.<br />

Partnerliegestütze<br />

Bei dieser Form der Liegestütze gehen beide Schüler mit Blick zueinander in die Liegestützposition (in<br />

einer Entfernung von knapp 2 Armlängen) und klatschen sich mit beiden Händen diagonal nach vorne ab<br />

(zunächst mit der rechten Hand, anschließend mit der linken Hand). Danach gehen beide Schüler in die<br />

Bauchlage, der Kopf wird angehoben mit Blick nach vorne. Die Schüler klatschen sich mit beiden Händen<br />

(Arme in Vorhalte) ab, führen anschließend die gestreckten Arme hinter ihren Rücken, bis sich die eigenen<br />

Hände berühren bzw. abklatschen. Daraufhin wiederholt sich derselbe Ablauf weitere 9 Mal.<br />

SCHWIERIGKEITSSTUFE 1<br />

Ablauf wie in Grundübung – nur wird der Raum, in dem sich die Schüler bewegen, begrenzt/<br />

kleiner abgesteckt.<br />

SCHWIERIGKEITSSTUFE 2<br />

Die Schüler und der Trainer laufen durcheinander. Auf ein Signalwort sollen die Schüler schnellstmöglich<br />

mit Blick zum Trainer stehenbleiben und die Hände zur Deckung hochnehmen.<br />

SCHWIERIGKEITSSTUFE 3<br />

Ablauf wie in Schwierigkeitsstufe 2. Nun soll be<strong>im</strong> Laufen durch den Raum die Aufmerksamkeit verstärkt<br />

auf die anderen Schüler gelenkt werden. Die Schüler sollen wahrnehmen, wer sich vor, neben<br />

oder hinter ihnen befindet. Dabei sollen sie die Hände zur Deckung hochnehmen und sich mit Sitesteps<br />

frontal zu den jeweiligen Schülern ausrichten, die sich in der unmittelbaren Nähe befinden (mit<br />

dem fiktiven Ziel, von keiner Seite ohne Deckung angegriffen werden zu können).<br />

Es gelten die Regeln zum Berühren und zu den Liegestützen wie in der Grundübung beschrieben.<br />

SCHWIERIGKEITSSTUFE 4<br />

Ablauf wie in Schwierigkeitsstufe 2. Ziel ist es, niemanden hinter den eigenen Rücken kommen zu<br />

lassen bzw. be<strong>im</strong> Laufen durch den Raum kurz zwischen die Schulterblätter eines anderen Schülers zu<br />

tatschen. Wer auf diese Weise getroffen wurde, muss 10 Kniebeugen am Rand ausführen. Die bekannten<br />

Liegestütz-Regeln gelten weiter.<br />

TRAINIERTE EXEKUTIVE FUNKTIONEN<br />

Arbeitsgedächtnis be<strong>im</strong> Aufrechterhalten und Umsetzen der Aufgabenstellung.<br />

Geteilte Aufmerksamkeit auf mehrere Schüler <strong>im</strong> engeren eigenen Umfeld<br />

(insbesondere in Schwierigkeitsstufe 3).<br />

Inhibition be<strong>im</strong> Stoppen nach einem Signalwort (ab Schwierigkeitsstufe 2).<br />

Kognitive Flexibilität be<strong>im</strong> Aufgabenwechsel und ständigen gezielten Aufmerksamkeitswechsel<br />

auf die eigene Person bzw. die eigenen Aktionen, den Trainer/die Trainerin und die anderen<br />

Schüler <strong>im</strong> Raum.<br />

Seite 177


ATEMGEWAHRSEIN 1<br />

Dr. Dipl.-Psych. Marie Ottilie Frenkel, Institut für <strong>Sport</strong> und <strong>Sport</strong>wissenschaft, Universität Heidelberg<br />

VORBEREITUNG<br />

Bequeme Sitzmöglichkeiten für die <strong>Sport</strong>ler bereitstellen (z.B. Weichbodenmatte, Bänke oder Kästen)<br />

Filmverweis: Turnen 4<br />

ERKLÄRUNG<br />

Mit dieser Übung werdet ihr lernen, wie ihr es schafft, mithilfe eures Atems <strong>im</strong> Training oder <strong>im</strong> Wettkampf<br />

Ablenkungen auszublenden oder negative/leistungshemmende Gedanken zu unterbrechen, um<br />

mit der Aufmerksamkeit wieder ganz bei euch selbst zu sein. Dazu werden wir gleich gemeinsam unseren<br />

Atem genauer beobachten. Bei mir passiert etwas Interessantes, wenn ich das tue, und vielleicht<br />

passiert das auch bei euch. Wenn ich meinen Atem einfach nur beobachte, kann es sein, dass er sich<br />

verändert. Oft wird mein Atem dadurch tiefer und langsamer, und der Abstand zwischen dem Einatmen<br />

und dem Ein- und Ausatmen wird länger.<br />

Dann passiert meist noch etwas. Wenn mein Atem anfängt, langsam und tief zu werden, beginnen mein<br />

Körper und mein Kopf, sich anders anzufühlen. Denn wenn mein Atem langsamer und ruhiger wird und<br />

ich es schaffe, meine Aufmerksamkeit nur auf meinen Atem zu lenken, entspannt sich normalerweise<br />

auch mein Körper. Wenn mein Körper sich entspannt, fühle ich oft, dass mein „Kopfchaos“ sich legt und<br />

beruhigt, sodass ich am Ende wieder einen klaren Kopf habe.<br />

Be<strong>im</strong> Atmen schweifen meine Gedanken manchmal ab, und ich kann mich nicht mehr so gut auf meinen<br />

Atem konzentrieren. Wenn das bei dir auch passiert, mach dir keine Sorgen. Es ist ganz normal,<br />

dass du über etwas nachdenkst, was dich dann ablenkt. N<strong>im</strong>m die Gedanken offen wahr und, kehre<br />

dann mit deiner Aufmerksamkeit zu deinem Atem zurück.<br />

Für unsere Übung setzt du dich am besten auf eine Bank oder auf eine Weichbodenmatte. Setz dich<br />

mit dem Rücken aufrecht hin wie ein Indianer, lass deine Schultern locker nach unten fallen und lege<br />

deine Hände mit den Handflächen auf deine Oberschenkel. Solange es für dich angenehm ist, schließe<br />

deine Augen. Das erleichtert es dir, deine Aufmerksamkeit mehr auf den Atem zu richten. Wenn du dich<br />

dabei nicht wohlfühlst, kannst du bei der Übung auch einfach auf den Boden schauen.<br />

Lass uns anfangen!<br />

INSTRUKTION<br />

N<strong>im</strong>m jetzt erst einmal wahr, wie deine Füße den Boden berühren. Spüre den Kontakt deiner Fußsohlen<br />

mit dem Boden. N<strong>im</strong>m wahr, wie sich für dich das Sitzen gerade anfühlt. (Pause) Spüre, wie der Stuhl<br />

dein Körpergewicht trägt. (Pause) Bringe dann deine Aufmerksamkeit zu deinem Oberkörper. N<strong>im</strong>m<br />

wahr, wie deine Wirbelsäule deinen ganzen Oberkörper hält. (Pause)<br />

Spüre nun deinen Atem, wie er <strong>im</strong> Moment ist und versuche, ihn nicht zu beeinflussen. Vielleicht ist<br />

er langsam und ruhig, vielleicht schnell, und kurz, vielleicht regelmäßig, vielleicht auch nicht. Ob er so<br />

oder so ist, spielt keine Rolle. Wie fühlt sich dein Atem an? Versuche wahrzunehmen, wie dein Atem<br />

durch die Nase, den Mund, durch deinen Rachen bis in deinen Bauch strömt. (Pause) Achte darauf, wie<br />

sich dein Bauch be<strong>im</strong> Ein- und Ausatmen wie ein Ballon hebt und senkt. Du kannst deine Hände auch<br />

auf den Bauch legen, um das Heben und Senken am Bauch zu spüren. (längere Pause)<br />

Egal, was später zu tun ist, egal, was jetzt um dich herum ist, das Einzige, was zählt, ist der jetzige<br />

Augenblick der Ruhe. Du musst jetzt nirgendwo anders sein. Du musst jetzt nichts Anderes tun. Es gibt<br />

jetzt niemanden, dem du gefallen musst. Jetzt kannst du einfach nur in dich hineinhören.<br />

N<strong>im</strong>m nun bewusst dein Ausatmen wahr, wie sich der Bauch senkt und dein Atem durch den Hals und<br />

die Nase strömt. (längere Pause) Bemerkst du genau den Moment, wenn du beginnst, auszuatmen.<br />

Den Moment, wenn du die ganze Atemluft ausatmest? (Pause)<br />

Seite 178


Es kann sein, dass du mit deinen Gedanken abschweifst oder dass du dich unwohl fühlst. Versuche,<br />

den Gedanken oder das Gefühl, das da ist, einfach nur wahrzunehmen. Jetzt, in diesem Moment, geht<br />

es nur um deinen Atem. Spüre den Atem in deinem Körper. Wie die Einatmung kommt und die Ausatmung<br />

geht. (längere Pause)<br />

Erlaube dir, so bei dir anzukommen. (Pause) Vielleicht spürst du, dass du inzwischen schon ein wenig<br />

ruhiger geworden bist. Möglicherweise fühlst du wie jetzt, wie deine Schultern weich und entspannt nach<br />

unten sinken. (Pause) Lass deinen Atem kommen und wieder gehen. Spüre dabei noch mal, wie sich dein<br />

Bauch be<strong>im</strong> Ein- und Ausatmen wie ein Ballon hebt und senkt. (längere Pause)<br />

Atme nun noch drei Mal durch die Nase ein und durch den leicht geöffneten Mund wieder aus.<br />

Öffne dann behutsam die Augen, schaue dich in deiner Umgebung um, und n<strong>im</strong>m die Umgebung<br />

wieder bewusst wahr.<br />

REFLEXION<br />

Wie war die erste Achtsamkeitsübung für dich? Was hat sich in den letzten Minuten in deinem Körper<br />

und in deinem Kopf verändert?<br />

Ist es dir leicht gefallen, mit der Aufmerksamkeit dabeizubleiben? Oder warst du vielleicht auch noch<br />

etwas abgelenkt?<br />

Wenn du es nicht geschafft hast, dich die ganze Zeit auf den Atem zu konzentrieren, dann ist das ganz normal.<br />

Wenn du erkannt hast, dass du mit deinen Gedanken abschweifst, bist du schon achtsam gewesen.<br />

TRAINIERTE EXEKUTIVE FUNKTIONEN<br />

Geteilte Aufmerksamkeit auf die Anleitung und auf alle gegenwärtig wahrgenommenen<br />

körperlichen Empfindungen, Gedanken und den Atem.<br />

Aufmerksamkeitswechsel, z. B. von körperlichen Empfindungen be<strong>im</strong> Sitzen auf den Atem.<br />

Inhibition von Ablenkungen und negativen oder leistungsl<strong>im</strong>itierenden Gedanken.<br />

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BODYSCAN2, 3, 4, 5<br />

Dr. Dipl.-Psych. Marie Ottilie Frenkel, Institut für <strong>Sport</strong> und <strong>Sport</strong>wissenschaft, Universität Heidelberg<br />

VORBEREITUNG<br />

Bequeme Liegemöglichkeiten für die <strong>Sport</strong>ler bereitstellen (z.B. Turn-, Yoga- oder Judomatten)<br />

ERKLÄRUNG<br />

In dieser Übung geht es darum, den Körper und alle aufkommenden Empfindungen mit einer wachen,<br />

interessierten und annehmenden inneren Haltung zu erkunden.<br />

Folge der Anleitung, so gut du kannst, und erlaube dir, zu fühlen, was <strong>im</strong>mer du <strong>im</strong> jeweiligen Moment<br />

fühlst. Es ist wichtig, dass du dich bei dieser Übung nicht zu sehr bemühst, Entspannung zu erreichen.<br />

Das würde nur das Gegenteil bewirken.<br />

Versuche vielmehr, wach und aufmerksam zu sein für alles, was du hier und jetzt wahrn<strong>im</strong>mst. Versuche,<br />

alle aufkommenden Empfindungen von Moment zu Moment anzunehmen, ohne zu werten und<br />

ohne zu vergleichen. Lass alle wertenden und kritischen Gedanken los. Es gibt bei dieser Übung nichts<br />

zu erreichen oder zu leisten. Es geht noch nicht einmal darum, alles richtig zu machen.<br />

Der Bodyscan wird <strong>im</strong> Liegen durchgeführt. Entscheidend ist dabei nicht, wie du liegst, sondern deine<br />

innere Haltung und der Grad der Aufmerksamkeit, mit der du diese Übung durchführst. Führe die<br />

Übung am besten mit geschlossenen Augen durch. Wenn du während der Übung müde wirst, dann<br />

kannst du deine Augen zwischendurch für einen Moment auch wieder öffnen. Atme während der gesamten<br />

Übung ruhig und tief und, wenn möglich, durch die Nase.<br />

INSTRUKTION<br />

Leg dich auf den Rücken und schließe deine Augen. Deine Hände liegen seitlich am Körper entlang, mit<br />

den Handflächen auf dem Boden. Leg die Beine ein wenig auseinander und lass die Füße nach außen fallen.<br />

Schließe die Augen, um deine Aufmerksamkeit nach innen zu richten. Mach es dir zunächst einmal so<br />

bequem wie möglich, und n<strong>im</strong>m dir die Zeit, in dieser Haltung anzukommen. Es gibt nichts zu tun, nichts<br />

zu erreichen. Erlaube dir ganz einfach, hier zu sein.<br />

Richte nun allmählich deine Aufmerksamkeit auf deinen Atem. Atme zu Beginn drei Mal in deinem<br />

eigenen Tempo tief ein und aus. Folge dabei deinem Atem. Wo spürst du den Luftzug be<strong>im</strong> Einatmen<br />

und Ausatmen? In der Nase? Im Mund? (Pause) N<strong>im</strong>m wahr, wie dein Atem von selbst kommt und geht,<br />

wie er in deinen Körper einströmt und aus dem Körper wieder herausströmt. (Pause) Beobachte, wie sich<br />

dein Brustkorb be<strong>im</strong> Ein- und Ausatmen hebt und senkt. Beobachte, wie sich auch deine Bauchdecke<br />

<strong>im</strong> Rhythmus deiner Atmung auf- und abbewegt. (Pause)<br />

Spüre all die Stellen, an denen dein Körper Kontakt mit dem Boden hat: am Rücken (Pause), an deinem<br />

Gesäß, an deinen Armen und Händen (Pause) und an deinen Beinen und Fersen (Pause). Gib mit jeder<br />

kommenden Ausatmung mehr und mehr Körpergewicht an die Matte oder den Boden ab.<br />

Lenke nun die Aufmerksamkeit auf deine Füße. N<strong>im</strong>m alle Empfindungen hier wahr. Wie fühlt sich die<br />

Berührung der Fersen mit dem Boden an? Richte nun deine Aufmerksamkeit auf deine Zehen. Achte auf<br />

jeden einzelnen Zeh. Achte dabei auf alles, was du dort wahrnehmen kannst. Was spürst du dort? Kribbelt<br />

etwas, oder fühlt es sich warm oder kalt an? (Pause) Wenn du bemerkst, dass deine Gedanken abschweifen,<br />

hole deine Aufmerksamkeit zum Atem und zur jeweiligen Körperregion zurück. Jetzt,<br />

in diesem Moment, zu deinen Zehen.<br />

Dehne nun die Aufmerksamkeit auf deine Beine aus, deine Waden (Pause), deine Schienbeine (Pause),<br />

deine Knie (Pause) und deine Oberschenkel (Pause). Vielleicht n<strong>im</strong>mst du eine Anspannung in deinen<br />

Beinen wahr oder du bemerkst irgendwo ein Kribbeln oder Jucken. Wenn du an irgendeiner Stelle etwas<br />

spürst oder ein unangenehmes Gefühl entdeckst, n<strong>im</strong>m es einfach nur wahr.<br />

Seite 180


Gleite jetzt mit deiner Aufmerksamkeit hinauf zu deinem Becken (Pause) und weiter hoch zu deinem<br />

Bauch (Pause). Spüre deinen Atem, wie er die Bauchdecke anhebt und sie wieder sinken lässt. Vielleicht<br />

kannst du nachempfinden, wie es sich tief drinnen in deinem Bauch anfühlt. Möglicherweise<br />

spürst du, wie dein Magen noch Essen verdaut. Wenn du an irgendeiner Stelle Anspannung oder ein<br />

unangenehmes Gefühl entdeckst, n<strong>im</strong>m es einfach nur wahr.<br />

Gehe mit deiner Aufmerksamkeit zum Brustkorb. Kannst du dein Herz schlagen spüren? N<strong>im</strong>m einen<br />

tiefen Atemzug. Und nun spüre, wie dein Brustkorb sich be<strong>im</strong> Einatmen ausdehnt und be<strong>im</strong> Ausatmen<br />

wieder zusammenzieht. Und nochmal: N<strong>im</strong>m einen tiefen Atemzug, fühle, wie sich der Brustkorb be<strong>im</strong><br />

Einatmen ausdehnt und be<strong>im</strong> Ausatmen wieder zusammenzieht.<br />

Richte jetzt deine Aufmerksamkeit auf die Schultern. Wandere mit der Aufmerksamkeit von den Schultern<br />

beide Arme entlang hinunter bis zu deinen Händen. Was berühren deine Hände gerade? Gehe<br />

weiter mit deiner Aufmerksamkeit zu den Fingern. Spüre jeden einzelnen Finger, ohne ihn zu bewegen.<br />

(Pause) Vielleicht beobachtest du jetzt, in diesem Moment, eine best<strong>im</strong>me Empfindung oder unterschiedliche<br />

Empfindungen, vielleicht aber auch gar keine. Lass alle aufkommenden Empfindungen und<br />

Gedanken los und auch alle Impulse, sich zu bewegen oder etwas anderes zu tun.<br />

Richte dann deine Aufmerksamkeit auf den Nacken und auf deine Schultern. Fühle dein Gesicht (Pause),<br />

deine Stirn (Pause), die Augen (Pause), deine Nase (Pause), deine Wangen (Pause), deinen Mund<br />

(Pause), deine Zunge (Pause) und dein Kinn (Pause). Vielleicht kannst du spüren, wie jetzt all deine<br />

Gesichtsmuskeln entspannt sind.<br />

Richte nun deine ganze Aufmerksamkeit auf die höchste Erhebung deines Kopfes, den Scheitelpunkt.<br />

Stell dir vor, dass du durch den Scheitelpunkt einatmen und wieder ausatmen kannst. Und lass nun<br />

mit der Einatmung den Atem durch den Scheitelpunkt in den Körper einströmen, durch den ganzen<br />

Körper hindurch und über die Fußsohlen wieder ausströmen. Der Atem strömt dann durch die Fußsohlen<br />

wieder ein, durch den Körper hindurch und über den Scheitelpunkt wieder heraus. Atme nun einige<br />

Atemzüge in dieser Weise. Vom Scheitelpunkt ein, durch den ganzen Körper hindurch und hinaus über<br />

die Fußsohlen. Dann wieder durch die Fußsohlen einatmen und durch den Scheitelpunkt ausatmen.<br />

(Pause) Beobachte den Atem und lass ihn die ganze Länge deines Körpers durchströmen. Atme jetzt<br />

tief ein, und aus, und n<strong>im</strong>m wahr, wie dein ganzer Körper schwerer geworden ist. Gib all dein Gewicht<br />

an die Matte oder den Boden ab.<br />

REFLEXION<br />

Wie hast du dich vor der Reise durch den Körper gefühlt? Wie fühlst du dich jetzt?<br />

Was ist dir bei dieser Übung noch aufgefallen?<br />

TRAINIERTE EXEKUTIVE FUNKTIONEN<br />

Geteilte Aufmerksamkeit auf die Anleitung und auf alle gegenwärtig wahrgenommenen<br />

körperlichen Empfindungen, Gedanken und den Atem.<br />

Aufmerksamkeitswechsel von einem Körperteil zum nächsten.<br />

Inhibition von Ablenkungen und negativen oder leistungsl<strong>im</strong>itierenden Gedanken.<br />

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SCHMELZENDES EIS 1<br />

Dr. Dipl.-Psych. Marie Ottilie Frenkel, Institut für <strong>Sport</strong> und <strong>Sport</strong>wissenschaft, Universität Heidelberg<br />

VORBEREITUNG<br />

2 Eiswürfel pro Athlet, Servietten; die Übung am besten <strong>im</strong> Freien durchführen<br />

VORBEREITENDE ERKLÄRUNG<br />

Bei diesem Exper<strong>im</strong>ent sollt ihr auf 3 Dinge besonders achten, nämlich darauf:<br />

1. wie euer Körper reagiert,<br />

2. was ihr dabei genau denkt und<br />

3. was ihr genau fühlt.<br />

Jedem von euch werde ich einen Eiswürfel in die Hand legen. Wenn es anfängt, sehr stark zu brennen,<br />

könnt ihr kurz den Eiswürfel auf die Serviette legen. Versucht aber, den Würfel nicht sofort wegzuwerfen,<br />

wenn es unangenehm wird. (Servietten und Eiswürfel verteilen)<br />

INSTRUKTION RUNDE 1<br />

Konzentrier dich und sprich während des Exper<strong>im</strong>ents nicht. Lenke deine Aufmerksamkeit auf deine<br />

Hand. Spüre die Kälte des Eiswürfels. Überlege spontan, wie sich das Halten des Eiswürfels anfühlt.<br />

Ist es angenehm, unangenehm oder neutral?<br />

Beobachte, womit sich deine Gedanken beschäftigen. Vielleicht denkst du darüber nach, den Eiswürfel<br />

fallen zu lassen. Oder vielleicht befürchtest du, dass das Wasser auf deine Klamotten tropft. Vielleicht<br />

fragst du dich auch, was diese Übung eigentlich soll. Oder vielleicht denkst du darüber nach, was die<br />

Anderen machen. (längere Pause)<br />

Was spürst du gerade? Spürst du die Nässe des Eiswürfels? Vielleicht tropft etwas Wasser herunter.<br />

Überlege nun erneut, wie das Halten des Eiswürfels für dich ist. Ist es angenehm, unangenehm oder<br />

neutral? (Pause; Eiswürfel entsorgen)<br />

REFLEXION RUNDE 1<br />

Wie war es für euch, den Eiswürfel so lange zu halten?<br />

Gibt es <strong>im</strong> Training Momente, die ähnlich schmerzhaft oder unangenehm sind? Wie reagiert ihr normalerweise<br />

darauf?<br />

Was kann man machen, um nicht auf den vom Eis verursachten Schmerz zu reagieren, weder körperlich,<br />

noch <strong>im</strong> Kopf? (Meinungen sammeln; gängige Antworten: ablenken, sich zusammenreißen, rationalisieren,<br />

z.B. „Davon fällt meine Hand schon nicht ab.“, Handlungsabbruch, d.h. Eiswürfel wegwerfen etc.)<br />

INSTRUKTION RUNDE 2<br />

Ich möchte mit dir in der zweiten Runde eine neue Strategie ausprobieren, die dir helfen könnte, auf<br />

das Eis nicht oder weniger zu reagieren. Sie hat etwas mit dem Beobachten zu tun. (Eiswürfel verteilen)<br />

Konzentrier dich und folge meiner Anweisung, so gut es geht! Versuche, dabei einen „offenen und<br />

neugierigen Kopf“ einzunehmen!<br />

Lenke deine Aufmerksamkeit auf deine Hand. Spüre die Kälte des Eiswürfels in der Handfläche.<br />

Beobachte die Empfindung, die spontan in dir entsteht. Ist die Empfindung der Kälte am Anfang vielleicht<br />

erfrischend oder neutral? (Pause) Wird es nach einer Weile anders? Fühlt sich deine Hand schon<br />

frostig an? Vielleicht kommt langsam schon ein leicht unangenehmes Gefühl auf? Wenn dies passiert,<br />

versuche, die unangenehme Empfindung von Anfang an zu beobachten. Bleib mit deiner Aufmerksamkeit<br />

ganz bei diesem Gefühl. Wird es stärker? Was passiert, wenn du deine Aufmerksamkeit ganz auf<br />

das unangenehme Gefühl lenkst? Wird es nach einer Weile vielleicht sogar wieder schwächer?<br />

Seite 182


Es könnte dir auch helfen, deine Gedanken einfach zu beobachten. Auch sie kommen und gehen nach<br />

einer Weile, wenn du dich nicht weiter mit ihnen beschäftigst. Wenn du einen Gedanken entdeckst, lass<br />

ihn gehen, und lenke deine Aufmerksamkeit zurück auf deinen Atem.<br />

Atme noch drei Mal in deinem Tempo ein und aus.<br />

REFLEXION RUNDE 2<br />

Wie war es für euch in der zweiten Runde, den Eiswürfel so lange zu halten?<br />

Fiel es euch schwer, die Gedanken einfach nur zu beobachten und ihnen nicht nachzugeben?<br />

Hat es dir geholfen, den Atem als Aufmerksamkeitsanker zu nutzen?<br />

ABSCHLIESSENDE ERKLÄRUNG<br />

Im Training gibt es vielleicht ähnlich Unangenehmes wie die Kälte des Eiswürfels. Zum Beispiel kann<br />

es sein, dass bei einer intensiven Übung deine Kraft oder deine Dehnfähigkeit extrem beansprucht<br />

wird oder dass du eine Ausdauerübung als richtig anstrengend empfindest und du am liebsten aufgeben<br />

würdest (alternativ von den <strong>Sport</strong>lern genannte Beispiele aufgreifen). Es ist wichtig, einen Weg zu<br />

finden, damit umzugehen. Eine Möglichkeit ist, Unangenehmes oder sogar Schmerzhaftes so neugierig<br />

zu beobachten, als hättest du es noch nie gesehen. Wenn wir Schmerzhaftes einfach nur ignorieren,<br />

hält der Schmerz länger an oder wird schl<strong>im</strong>mer. Daher wenden wir uns ihm zu und somit kann der<br />

Schmerz abklingen oder wird zumindest leichter erträglich. Falls der Schmerz stark bleibt, kannst du<br />

deine Aufmerksamkeit gezielt auf deinen Atem lenken. Das hilft, länger durchzuhalten.<br />

HINWEIS<br />

Du musst nicht <strong>im</strong>mer das tun, was ein Gedanke oder ein Gefühl dir sagt. Jeder Gedanke bzw. jedes Gefühl<br />

verschwindet irgendwann von alleine wieder. Oft hilft es, den Gedanken oder das Gefühl genauer<br />

zu beobachten, sie anzunehmen und dann loszulassen. Be<strong>im</strong> Losenlassen hilft es dir, dich bewusst auf<br />

deinen Atem zu fokussieren.<br />

TRAINIERTE EXEKUTIVE FUNKTIONEN<br />

<strong>Fokus</strong>sierte Aufmerksamkeit auf die eigenen Gedanken, Gefühle und sensorischen Empfindungen.<br />

Aufmerksamkeitswechsel auf den Atem.<br />

Inhibition, um den Eiswürfel nicht sofort spontan wegzuwerfen.<br />

Seite 183


SELBSTGESPRÄCHE UMFORMULIEREN –<br />

ZWEI-SPALTEN-TECHNIK 3<br />

Dr. Dipl.-Psych. Marie Ottilie Frenkel, Institut für <strong>Sport</strong> und <strong>Sport</strong>wissenschaft, Universität Heidelberg<br />

VORBEREITUNG<br />

DIN A4-Papier und Stifte für die/den <strong>Sport</strong>ler bereitlegen.<br />

HINTERGRUND<br />

In herausfordernden Situationen <strong>im</strong> Training und <strong>im</strong> Wettkampf spielen Gedanken und Bewertungen,<br />

die ein <strong>Sport</strong>ler hat, eine besondere Rolle. Zum Beispiel löst der Gedanke: „Jetzt geht’s gleich los!“<br />

andere Gefühle aus, als der Gedanke: „Hoffentlich schaff ich es!“ Die hier vorgestellte Übung identifiziert<br />

leistungshemmende und angstauslösende Gedanken in best<strong>im</strong>mten Situationen. Anschließend<br />

werden alternative, leistungsförderliche Gedanken und Sichtweisen entwickelt. Diese gilt es zu trainieren,<br />

damit sie automatisiert abgerufen werden können.<br />

ZWEI-SPALTEN-TECHNIK<br />

Nach einer kurzen Einführung zum Thema „Selbstgesprächsregulation“ durch den <strong>Sport</strong>psychologen<br />

oder den Trainer werden zunächst typische Selbstgespräche zunächst gesammelt. Dazu faltet man ein<br />

Blatt Papier und schreibt in die rechte Spalte die Inhalte positiver Selbstgespräche (A). Wenn einem<br />

nichts mehr einfällt, notiert man unterhalb der positiven Aussagen in die andere Spalte auf der linken<br />

Seite des Blattes die negativen Selbstgespräche (B). Auf den freien Teil der rechten Seite schreibt man<br />

dann die dazugehörigen neutralen oder positiven Umformulierungen (C).<br />

Heute gewinnen wir!<br />

A<br />

Wir haben die letzten<br />

3 Spiele gewonnen und<br />

schaffen es wieder!<br />

Wir haben super trainiert!<br />

Der Torwart ist ja riesig!<br />

B<br />

Ich spring von außen weit in<br />

den Kreis; den Ball muss er<br />

erstmal kriegen.<br />

C<br />

Die Abwehr ist ganz schön<br />

brutal!<br />

Schon wieder der<br />

Schiedsrichter!<br />

Der hat uns das letzte Mal<br />

verpfiffen.<br />

Wenn wir schnell spielen,<br />

kommen wir durch.<br />

Es kommt auf uns an -<br />

nicht auf den Schiedsrichter.<br />

Seite 184


BEISPIELE FÜR DIE UMWANDLUNG VON LEISTUNGSHINDERLICHE IN<br />

LEISTUNGSFÖRDERLICHE SELBSTGESPRÄCHE<br />

Leichtathletik:<br />

Ein Athlet ist gelegentlich vor Wettkämpfen von Selbstzweifeln geplagt. Sein typischer Gedanke: „Ich<br />

bin mir nicht sicher, ob ich meine gute Zeit aus dem Training <strong>im</strong> Wettkampf laufen kann“, ist leistungshinderlich,<br />

denn er führt dazu, dass der <strong>Sport</strong>ler sich unter Druck gesetzt fühlt und seine Gedanken<br />

um die Sorge kreisen, zu scheitern. Ein positives Selbstgespräch, wie zum Beispiel: „Ich habe mich so<br />

gut, wie ich nur konnte, vorbereitet und werde mein Bestes <strong>im</strong> Wettkampf geben!“, wird dem <strong>Sport</strong>ler<br />

helfen, selbstbewusst in den Wettkampf zu gehen.<br />

Eislaufen:<br />

Eine Eisläuferin hat bei der Kür eine Schlüsselstelle, die ihr <strong>im</strong> Training meistens gelingt. Allerdings<br />

denkt sie sich <strong>im</strong> Wettkampf davor oft: „Mist, gleich kommt die Stelle wieder. Hoffentlich klappt es auch<br />

jetzt!“ Statt sich mit der Befürchtung unnötig zu beschäftigen und zu belasten, sollte sie besser ihre<br />

Aufmerksamkeit durch konkrete Handlungsanweisungen auf die Technik richten. Diese könnten lauten:<br />

„Tief anlaufen, Eindrehen des Schwungbeins, explosives Einlenken der Rotation“. Um das parallel zum<br />

schnellen Sprung sprechen zu können, verwendet sie dafür die nachfolgenden individuellen Kurzbefehle:<br />

„Tief – ein – zack“.<br />

Skifahren:<br />

Ein Slalomfahrer hat nach einer Verletzung am Knie und einer längeren Rehabilitationsphase das<br />

Training wieder aufgenommen. Ein Gedanke beschäftigt ihn <strong>im</strong>mer wieder: „Hoffentlich schmerzt mein<br />

Knie bei der Abfahrt heute nicht!“ Er fokussiert seine Aufmerksamkeit eng nach innen gerichtet und<br />

n<strong>im</strong>mt unbewusst in Rechtskurven eine Schonhaltung ein. Dadurch fährt er langsamer als sonst. Seine<br />

Quintessenz lautet: „Ich kann mein Knie <strong>im</strong>mer noch nicht voll belasten.“ Seine Angst und Selbstzweifel<br />

führen zu einem Teufelskreislauf der Gedanken, und er denkt sich schließlich: “Mein Bein wird nie<br />

wieder voll belastbar sein.“ Ein wichtiger Schritt, um besonders negative Gedanken zu „entkatastrophisieren“<br />

und diesen Kreislauf zu durchbrechen ist, die Aussage umzuformulieren und zu denken: „Ich<br />

werde in den nächsten Wochen mein Bein langsam stärker belasten!“<br />

FAZIT<br />

Das Aufschreiben der Selbstgespräche führt dazu, dass sich <strong>Sport</strong>ler mit den Inhalten ihrer Selbstgespräche<br />

auseinandersetzen. Werden die aufgeschriebenen Umwandlungen der Selbstgespräche wiederholt<br />

bewusst gemacht, übernehmen sie eine positiv handlungsunterstützende, automatisierte Funktion.<br />

TRAINIERTE EXEKUTIVE FUNKTIONEN<br />

Leistungsförderliche Gedanken und Sichtweisen z.B. in Wettkampfsituationen aufrechterhalten.<br />

Inhibition leistungshemmender und angstauslösender Gedanken.<br />

Seite 185


LITERATUR UND HINWEISE<br />

Kapitel 1<br />

1 Jäncke, L. (2013). Lehrbuch Kognitive Neurowissenschaften. Bern: Huber<br />

2 Drechsel, R. (2007). Exekutive Funktionen. Übersicht und Taxonomie. Zeitschrift für<br />

Neuropsychologie, 18(3): 233-248<br />

3 Kubesch, S. (Hrsg.) (2016). Exekutive Funktionen und Selbstregulation. Neurowissenschaftliche<br />

Grundlagen und Transfer in die pädagogische Praxis. Bern: Hogrefe<br />

4 Baddeley, A.D. u. Hitch, G.J. (1974). Working memory. In: G.A. Bower (Hrsg.).<br />

The Psychology of Learning and Motivation, Vol. 8 (47-90). New York: Academic Press<br />

5 Buchner, A. u. Brandt, M. (2011). Gedächtniskonzeptionen und Wissensrepräsentation.<br />

In: J. Müsseler (Hrsg.). Allgemeine Psychologie (429-464). Berlin: Springer<br />

6 Maurach, J. u. Bauer, R. (2016). Exekutive Funktionen <strong>im</strong> offenen Mathematik- und Deutschunterricht<br />

in Grundschulen – am Beispiel von Einstern und Einsterns Schwester. In: S. Kubesch (Hrsg.).<br />

Exekutive Funktionen und Selbstregulation. Neurowissenschaftliche Grundlagen und Transfer in die<br />

pädagogische Praxis (357-368). Bern: Hogrefe<br />

7 Kiefer, M. (2011). Bewusstsein. In: J. Müsseler (Hrsg.). Allgemeine Psychologie (155-188). Berlin: Springer<br />

8 Gathercole, S.E. u. Alloway, T.P. (2008). Working Memory & Learning. A Practical Guide for Teachers.<br />

London: Sage<br />

9 Alloway, T.P. (2011). Improving Working Memory: Supporting Students‘ Learning. London: Sage<br />

10 Au, J., Sheehan, E., Tsai, N., Duncan, G.J., Buschkuehl, M., Jaeggi, S.M. (2015). Improving fluid intelligence<br />

with training on working memory: a meta-analysis. Psychonomic Bulletin & Review, 22: 366-377<br />

11 Kundu, B., Sutterer, D.W., Emrich, S.M., Postle, B.R. (2013). Strengthened effective connectivity<br />

underlies transfer of working memory training to tests of short-term memory and attention.<br />

Journal of Neuroscience, 33(20): 8705-8715<br />

12 García-Madruga, J.A., Elosúa, M.R., Gil, L., Gómez-Veiga, I., Vila, J.O., Orjales, I., Contreras, A.,<br />

Rodríguez, R., Melero, M.A., Duque, G. (2013). Reading Comprehension and Working Memory‘s<br />

Executive Processes: An Intervention Study in Pr<strong>im</strong>ary School Students. Reading Research Quarterly,<br />

48(2): 155-174<br />

13 Jaeggi, S.M., Buschkuehl, M., Shah, P., Jonides, J. (2014). The role of individual differences in cognitive<br />

training and transfer. Memory & Cognition, 42(3): 464-480<br />

14 Loosli, S.V., Buschkuehl, M., Perrig, W.J., Jaeggi, S.M. (2012). Working memory training <strong>im</strong>proves<br />

reading processes in typically developing children. Child Neuropsychology, 18(1): 62-78<br />

15 Studer-Luethi, B., Bauer, C., Perrig, W.J. (2016). Working memory training in children:<br />

Effectiveness depends on temperament. Memory & Cognition, 44(2): 171-186<br />

16 Gathercole, S.E. u. Alloway, T.P. (2016). Arbeitsgedächtnis verstehen. Ein Leitfaden fürs Klassenz<strong>im</strong>mer.<br />

In: S. Kubesch (Hrsg.). Exekutive Funktionen und Selbstregulation. Neurowissenschaftliche Grundlagen und<br />

Transfer in die pädagogische Praxis (323-336). Bern: Hogrefe<br />

17 Furley, P.A. u. Memmert, D. (2012). Working Memory Capacity as Controlled Attention in Tactical Decision<br />

Making. Journal of <strong>Sport</strong> & Exercise Psychology, 34(3): 322-344<br />

18 Theill, N., Schumacher, V., Adelsberger, R., Martin, M., Jäncke L. (2013). Effects of S<strong>im</strong>ultaneously<br />

Performed Cognitive and Physical Training in Older Adults. BMC Neuroscience, 14: 103<br />

19 Unter „Mein Fußball“ (http://www.dfb.de/mein-fussball/), dem Serviceportal des Deutschen Fußball-<br />

Bundes, finden sich zahlreiche, nach Altersklassen sortierte Trainingseinheiten und Trainingstipps<br />

20 Wendt, C., Göckel, M., Kubesch, S., Hansen, S. (2015). ExF-Trainingshandbuch Fußball. Heidelberg:<br />

Verlag Bildung plus<br />

21 Weitere Informationen zu ExF: www.exf-sport.com<br />

22 Maraver, M.J., Bajo, M.T., Gomez-Ariza, C.J. (2016). Training on Working Memory and Inhibitory Control<br />

in Young Adults. Frontiers in Human Neuroscience, 10: 588-??<br />

23 Vgl. Lexikon der Psychologe zum Stroop-Effekt: www.spektrum.de/lexikon/psychologie/stroop-effekt/14982<br />

Seite 186


24 Berkman, E.T., Kahn, L.E., Merchant, J.S. (2014). Training-induced changes in inhibitory control network<br />

activity. The Journal of Neuroscience, 34(1): 149-157<br />

25 Verburgh, L., Scherder, E.J.A., van Lange, P.A., Oosterlaan, J. (2014). Executive Functioning in Highly Talented<br />

Soccer Players. PLoS ONE 9(3): e91254. doi:10.1371/journal.pone.0091254<br />

26 Deutscher Baseball & Softball Verband (Hrsg.) (2014). Regelheft Baseball. Aachen: Meyer & Meyer<br />

27 Kida, N., Oda, S., Matsumura, M. (2005). Intensive Baseball Practice Improves the Go/Nogo<br />

Reaction T<strong>im</strong>e, but not the S<strong>im</strong>ple Reaction T<strong>im</strong>e. Cognitive Brain Research, 22: 257-264<br />

28 Chan, J.S.Y., Wong, A.C.N., Liu, Y., Yu, J., Yan, J.H. (2014). Fencing expertise and physical fitness enhance<br />

action inhibition. Psychology of <strong>Sport</strong> and Exercise, 12(5): 509-514<br />

29 Hijazi, M.M.K. (2013). Attention, Visual Perception and their Relationship to <strong>Sport</strong> Performance in Fencing.<br />

Journal of Human Kinetics, 39: 195-201<br />

30 Zinke, K., Einert, M., Pfennig, L., Kliegel, M. (2012). Plasticity of Executive Control through Task Switching<br />

Training in Adolescents. Frontiers in Human Neuroscience, 6: 41. doi: 10.3389/fnhum.2012.00041<br />

31 Minear, M., Shah, P. (2008). Training and transfer effects in task switching. Memory & Cognition,<br />

36(8): 1470-1483<br />

32 Karbach, J., Kray, J. (2009). How useful is executive control training? Age differences in near and far<br />

transfer of task-switching training. Developmental Science, 12: 978-990<br />

33 Kubesch, S. (2013). Förderung exekutiver Funktionen und der Selbstregulation <strong>im</strong> <strong>Sport</strong>.<br />

PFiFF Lehrwerk. Heidelberg: Verlag Bildung plus<br />

34 Kubesch, S. (2016). Entwicklung, Testung und neuronale Korrelate „kalter“ und „heißer“ exekutiver<br />

Funktionen. In: S. Kubesch (Hrsg.). Exekutive Funktionen und Selbstregulation. Neurowissenschaftliche<br />

Grundlagen und Transfer in die pädagogische Praxis (75-85). Bern: Hogrefe<br />

35 Prencipe, A., de Haan, M., Thomas, K.M. (2011). Development of hot and cool executive function during<br />

the transition to adolescence. Journal of Exper<strong>im</strong>ental Child Psychology, 108: 621-637<br />

36 Zelazo, P.D., Lyons, K.E. (2016). Das Potenzial frühkindlichen Achtsamkeitstrainings: Neurowissenschaftliche<br />

Perspektive auf entwicklungsbezogene und sozial-kognitive Prozesse. In: S. Kubesch (Hrsg.) Exekutive<br />

Funktionen und Selbstregulation. Neurowissenschaftliche Grundlagen und Transfer in die pädagogische<br />

Praxis (103-115). Bern: Hogrefe<br />

37 Vorabdruck in: S. Kubesch (Hrsg.) (2016). Exekutive Funktionen und Selbstregulation.<br />

Neurowissenschaftliche Grundlagen und Transfer in die pädagogische Praxis (393-400). Bern: Hogrefe<br />

38 Bezieht sich auf: Brunsting, M. (2016). Exekutive Funktionen und Lernschwierigkeiten oder:<br />

Wo ist denn hier der Regisseur? In: S. Kubesch (Hrsg.). Exekutive Funktionen und Selbstregulation.<br />

Neurowissenschaftliche Grundlagen und Transfer in die pädagogische Praxis (337-356). Bern: Hogrefe<br />

Seite 187


Kapitel 2<br />

1 Abbildung modifiziert nach: Stroth, S., Kubesch, S., Dieterle, K., Ruchsow, M., He<strong>im</strong>, R., Kiefer, M. (2009).<br />

Physical fitness, but not acute exercise modulates event-related potential indices for executive control in<br />

healthy adolescents. Brain Research, 1269: 114-124<br />

2 Quelle: Siemens<br />

3 Kubesch, S. (2013). Förderung exekutiver Funktionen und der Selbstregulation <strong>im</strong> <strong>Sport</strong>. PFiFF Lehrwerk.<br />

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21 Toering, T.T., Elferink-Gemser, M.T., Jordet, G., Visscher, C. (2009). Self-regulation and performance level of<br />

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Kapitel 3<br />

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2 Schnohr, P., Marott, J.L., Lange, P., Jensen, G.B. (2013). Longevity in male and female joggers: the Copenhagen<br />

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28 Berchtold, N.C., Chinn, G., Chou, M., Kesslak, J.P., Cotman, C.W. (2005). Exercise pr<strong>im</strong>es a molecular memory<br />

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36 Kamjio, K., Pontifex, M.B., O’Leary, K.C., Scudder, M.R., Wu, C., Castelli, D.M., et al. (2011). The effects of<br />

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37 Chaddock-Heyman, L., Erickson, K.I., Voss, M.W., Knecht, A.M., Pontifex, M.B., Castelli, D.M., Hillman,<br />

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39 Castelli, D.M., Hillman, C.H., Hirsch, J., Hirsch, A., Drollette, E. (2011). FIT Kids: T<strong>im</strong>e in target heart zone and<br />

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40 Chaddock, L., Hillman, C.H., Pontifex, M.R., Johnson, C.R., Raine, L.B., Kramer, A.F. (2012b). Childhood<br />

aerobic fitness predicts cognitive performance one year later. Journal of <strong>Sport</strong>s Sciences, 30(5): 421-430<br />

41 Mit dem Elektroenzephalogramm (EEG) wird die elektrische Aktivität des Gehirns gemessen, vergleichbar<br />

dem EKG, das die elektrische Aktivität des Herzens aufzeichnet.<br />

42 EKP: Ereigniskorrelierter Potentiale<br />

43 CNV: Contingent Negative Variation<br />

44 Stroth, S., Kubesch, S., Dieterle K., Ruchsow M., He<strong>im</strong> R., Kiefer M. (2009). Physical fitness, but not acute<br />

exercise modulates event-related potential indices for executive control in healthy adolescents. Brain<br />

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45 Die N2 bzw. N200 erreicht ihren (<strong>im</strong> negativen [N] Bereich gelegenen) Höhepunkt zwischen 150 und 300<br />

Millisekunden nach Präsentation eines St<strong>im</strong>ulus.<br />

46 Hogan, M., Kiefer, M., Kubesch, S., Collins, P., Kilmartin, L., Brosnan, M. (2013). The interactive effects of<br />

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Seite 191


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76 Schmidt, W. (2003). Kindheiten, Kinder und Entwicklung: Modernisierungstrends, Chancen und Risiken.<br />

In: Schmidt, W., Hartmann-Tews, I., Brettschneider, W.D. (Hrsg). Erster Deutscher Kinder- und Jugendsportbericht<br />

(19-42). Schorndorf: Karl Hofmann<br />

77 Eisenberger, N.I., Lieberman, M.D., Williams, K.D. (2003). Does rejection hurt? An fMRI study of social<br />

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79 Singer, T., Kraft, U. (2004). Zum Mitfühlen geboren. Geist und Gehirn, 4: 32-37<br />

80 Sanfey, A.G., Rilling, J.K., Aronson, J.A., Nystrom, L.E., Cohen, J.D. (2003). The neural basis of economic<br />

decision-making in the ult<strong>im</strong>atum game. Science, 300(5626): 1755-1758<br />

81 Singer, T., Seymour, B., O’Doherty, J.P., Stephan, K.E., Dolan, R.J., Frith, C.D. (2006). Empathic neural<br />

responses are modulated by the perceived fairness of others. Nature, 439: 466-469<br />

82 Klingberg, T. (2014). Childhood cognitive development as a skill. Trends in Cognitive Sciences, 18(11):<br />

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83 Durston, S., Davidson, M.C., Tottenham, N., Galvan, A., Spicer, J., Fossella, J.A., Casey, B.J. (2006).<br />

A shift from diffuse to focal cortical activity with development. Developmental Science 9(1): 1-8<br />

84 Abbildung modifiziert nach: www.sportsdrive.de<br />

85 Eberspächer, H. (2009). Ressource Ich – Stressmanagement in Beruf und Alltag (3. Aufl.). München: Hanser<br />

86 Beckmann, J., Elbe, A.M. (2008). Praxis der <strong>Sport</strong>psychologie. Mentales Training <strong>im</strong> Wettkampf- und<br />

Leistungssport. Balingen: Spitta<br />

87 Engbert, K., Frenkel, M.O. (2010). Gut sein, wenn‘s drauf ankommt. Anwendung sportpsychologischer<br />

Trainingsformen <strong>im</strong> (Leistungs-)<strong>Sport</strong>, Proseminar an der Universität Heidelberg, Sommersemester 2010<br />

88 Kellmann, M., Kallus, K.W. (2000). Der Erholungs-Belastungs-Fragebogen (EBF); Handanweisung.<br />

Frankfurt am Main: Swets Test Services<br />

89 Engbert, K., Frenkel, M.O. (2010). Gut sein, wenn‘s drauf ankommt. Anwendung sportpsychologischer<br />

Trainingsformen <strong>im</strong> (Leistungs-)<strong>Sport</strong>, Proseminar an der Universität Heidelberg, Sommersemester 2010<br />

90 Vgl. Kapitel 5 (184f.): Selbstgespräche umformulieren – Zwei-Spalten-Technik<br />

91 Eberspächer, H. (2012). Mentales Training: Das Handbuch für Trainer und <strong>Sport</strong>ler (8. Aufl.). München:<br />

Copress <strong>Sport</strong><br />

92 Vgl. Kapitel 5 (180f.): Bodyscan<br />

93 Kabat-Zinn, J. (1990). Full catastrophe living: Using the Wisdom of Your Body and Mind to Face Stress, Pain,<br />

and Illness. The program of the Stress Reduction Clinic at the University of Massachusetts Medical Center.<br />

New York: Delta<br />

94 Der Name des Achtsamkeitstrainings „8-sam“ stellt ein Wortspiel dar und wird „achtsam“ gelesen.<br />

95 Abbildung modifiziert nach Birrer, D., Röthlin, P. (2015). Riding the third wave: Mindfulness and ACT based<br />

interventions in elite sports. Workshop at the 14th European Congress of <strong>Sport</strong> Psychology (FEPSAC),<br />

18.7.2015<br />

96 Engbert, K. (2011). Mentales Training <strong>im</strong> Leistungssport. Ein Übungsbuch für den Schüler- und<br />

Jugendbereich. Stuttgart: Neuer <strong>Sport</strong>verlag<br />

97 Die Arbeitsgemeinschaft für <strong>Sport</strong>psychologie (asp) hat eine Fort- und Ausbildungsstruktur für den<br />

Fachbereich <strong>Sport</strong>psychologie entwickelt. Es gibt zwei Curricula mit unterschiedlichen Themenschwerpunkten:<br />

1. Modulserie: <strong>Sport</strong>psychologisches Training <strong>im</strong> Leistungssport und 2. Modulserie: <strong>Sport</strong>psychologisches<br />

Coaching <strong>im</strong> Leistungssport.<br />

98 Zelazo, P.D., Lyons, K.E. (2016). Das Potenzial frühkindlichen Achtsamkeitstrainings: Neurowissenschaftliche<br />

Perspektive auf entwicklungsbezogene und sozial-kognitive Prozesse. In: S. Kubesch (Hrsg.). Exekutive<br />

Funktionen und Selbstregulation. Neurowissenschaftliche Grundlagen und Transfer in die pädagogische<br />

Praxis (103-115). Bern: Hogrefe<br />

Seite 192


99 Mayer, J., Hermann, H.-D. (2009). Mentales Training. Grundlagen und Anwendung in <strong>Sport</strong>, Rehabilitation,<br />

Arbeit und Wirtschaft. Berlin/Heidelberg: Springer<br />

100 Frenkel, M.O. (2016). Achtsamkeitstraining in der Schule. In: Kubesch, S. (Hrsg.). Exekutive Funktionen und<br />

Selbstregulation. Neurowissenschaftliche Grundlagen und Transfer in die pädagogische Praxis (231-246).<br />

Bern: Hogrefe<br />

Kapitel 4<br />

1 Baumeister, R., Tierney, J. (2012). Die Macht der Disziplin. Wie wir unseren Willen trainieren können.<br />

Frankfurt a.M.: Campus<br />

2 Baumeister, R.F. (2016). Wo ein Wille ist… In: S. Kubesch (Hrsg.). Exekutive Funktionen und Selbstregulation.<br />

Neurowissenschaftliche Grundlagen und Transfer in die pädagogische Praxis (67-73). Bern: Hogrefe<br />

3 Spitzer, M. (2016). Smart Sheriff gegen Smombies. Nervenheilkunde, 3: 95-102<br />

4 Hofer, V., Kubesch, S., (2016). Weit entfernt von Bullerbü. Förderung der Selbstregulation – Tipps für<br />

Eltern. In: S. Kubesch (Hrsg). Exekutive Funktionen und Selbstregulation. Neurowissenschaftliche<br />

Grundlagen und Transfer in die pädagogische Praxis (279-294). Bern: Hogrefe<br />

5 Lakes, K.D, Hoyt, W.T. (2004). Promoting self-regulation through school-based martial arts training.<br />

Applied Developmental Psychology, 25: 283-302<br />

6 Trulson, M.E. (1986). Martial arts training: a novel “cure” for juvenile delinquency. Human Relations,<br />

39: 1131-1140<br />

7 Flook, L., Smalley, S.L., Kitil, M.J., Galla, B.M., Kaiser-Greenland, S., Locke, J. (2010). Effects of Mindful<br />

Awareness Practices on Executive Functions in Elementary School Children. Journal of Applied School<br />

Psychology, 26:70-95<br />

8 Moffitt, T.E., Arseneault, L., Belsky, D., Dickson, N., Hancox, R.J., Harrington, H.L., Houts, R., Poulton, R.,<br />

Roberts, B.W., Ross, S., Sears, M.R, Thomson, W.M., Caspi, A. (2011). A gradient of childhood self-control<br />

predicts health, wealth, and public safety. Proceedings of the National Academy of Sciences of the United<br />

States of America,108(7): 2693-2698<br />

9 Weitere Informationen zu PFiFF unter: www.spielsportplus.de<br />

10 Kubesch, S. (2013). Förderung exekutiver Funktionen und der Selbstregulation <strong>im</strong> <strong>Sport</strong>. PFiFF Lehrwerk.<br />

Heidelberg: Verlag Bildung plus<br />

11 Posawatz, T., Kubesch, S., Hansen, S. (2017). <strong>Sport</strong>liche Spiele mit PFiFF. Heidelberg: Verlag Bildung plus<br />

12 Bloomquist, M.L. (2013). The Practitioner Guide to Skills Training for Struggling Kids.<br />

New York: The Guilford Press<br />

13 Greene, R.W. (2012). Verloren in der Schule. Wie wir herausfordernden Kindern helfen können. Bern: Huber<br />

14 Karr, M. (2016). ADHS und ADS in der Schule. Informationen und Empfehlungen eines Kinder- und Jugendpsychiaters.<br />

In: S. Kubesch (Hrsg.) Exekutive Funktionen und Selbstregulation. Neurowissenschaftliche<br />

Grundlagen und Transfer in die pädagogische Praxis (205-216). Bern: Hogrefe<br />

15 Siegel, D.J., Bryson, T.P. (2015). Disziplin ohne Drama. Achtsame Kommunikation mit Kindern.<br />

Freiburg: Arbor<br />

16 Zelazo, P.D., Lyons, K.E. (2016). Das Potenzial frühkindlichen Achtsamkeitstrainings: Neurowissenschaftliche<br />

Perspektive auf entwicklungsbezogene und sozial-kognitive Prozesse. In: S. Kubesch (Hrsg.) Exekutive<br />

Funktionen und Selbstregulation. Neurowissenschaftliche Grundlagen und Transfer in die pädagogische<br />

Praxis (103-115). Bern: Hogrefe<br />

17 Kubesch, S., Lenz, D., Hansen, S. (2017). Selbstregulation fördern, exekutive Funktionen trainieren.<br />

Kopiervorlagen für Unterricht und Therapie. Heidelberg: Verlag Bildung plus<br />

18 Z<strong>im</strong>pfer, S.C. (2016). Förderung der exekutiven Funktionen bei Kindern <strong>im</strong> Vorschulalter durch das <strong>Sport</strong>konzept<br />

„PFiFF“. Masterarbeit. Karlsruher Institut für Technology (KIT)<br />

19 Daseking, M., Petermann, F. (2013). BRIEF-P. Verhaltensinventar zur Beurteilung exekutiver Funktionen für<br />

das Kindergartenalter. Bern: Huber<br />

20 McClelland, M.M., Cameron, C.E., Connor, C.M., Farris, C.L., Jewkes, A. M., Morrison, F.J. (2007).<br />

Links between behavioral regulation and preschoolers’ literacy, vocabulary, and math skills. Developmental<br />

Psychology, 43: 947-959<br />

Seite 193


21 McClelland, M.M., Cameron, C.E., Duncan, R., Bowles, R.P., Acock, A.C, Miao, A, Pratt, M.E. (2014).<br />

Predictors of early growth in academic achievement: the head-toes-knees-shoulders task. Frontiers in<br />

Psychology, 5: 599. doi: 10.3389/fpsyg.2014.00599<br />

22 Eisenberger, N.I., Lieberman, M.D., Williams, K.D. (2003). Does Rejection Hurt? An fMRI study of social<br />

exclusion. Science, 302, 290-292<br />

Kapitel 5<br />

1 Kaiser Greenland, S. (2011). Wache Kinder: Wie wir unseren Kindern helfen, mit Stress umzugehen und<br />

Glück, Freude und Mitgefühl zu erleben. Freiburg <strong>im</strong> Breisgau: Arbor<br />

2 Albert, A. (2013). Stressbewältigung durch Achtsamkeit, MBSR-Kurs in Heidelberg<br />

3 Biegel, G. M. (2009). The stress reduction workbook for teens: Mindfulness skills to help you deal with<br />

stress. Oakland: Instant Help Books<br />

4 Altner, N. (2006). Achtsamkeit und Gesundheit. Auf dem Weg zu einer achtsamen Pädagogik. Immenhausen:<br />

Prolog<br />

5 Kabat-Zinn, J. (1999). Stressbewältigung durch die Praxis der Achtsamkeit . Freiburg: Arbor<br />

6 Engbert, K. (2011). Mentales Training <strong>im</strong> Leistungssport – Ein Übungsbuch für den Schüler- und Jugendbereich.<br />

Stuttgart: Neuer <strong>Sport</strong>verlag<br />

Seite 194


Vom neuen Platzwart.


€ 21,90<br />

ISBN 978-3-95637-000-7<br />

verlag-bildungplus.org

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