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Diese Lust auf Farben

Josef Georg Miller Retrospektive zum 40ten Todestag

Josef Georg Miller
Retrospektive zum 40ten Todestag

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Josef Georg Miller


Impressum:<br />

ISBN: 978-3-98219-377-9<br />

Galerie und Kunsthandel<br />

Martin Mayer<br />

Bergsteig 1<br />

93183 Kallmünz<br />

info@bergsteig1.de<br />

www.bergsteig1.de<br />

Tel.: 0176 306 83747 (Martin Mayer)<br />

Satz und Druck:<br />

Hofmann Druck & Verlag<br />

Werner-von-Siemens-Straße 1<br />

93128 Regenst<strong>auf</strong><br />

www.beeindrucken.com<br />

Mit Unterstützung vom Landkreis Regensburg


<strong>Diese</strong> <strong>Lust</strong> <strong>auf</strong> <strong>Farben</strong><br />

Josef Georg Miller<br />

Retrospektive zum 40. Todestag<br />

Katalog zur Ausstellung im Alten Rathaus in Kallmünz<br />

25.11. – 17.12.2023<br />

Layout: Martin Mayer<br />

Texte: Martin Mayer (Galerist und Kurator)<br />

Maya Brückl (Studium der Kunstgeschichte)<br />

Satz: Lillian Zellmer


Inhalt<br />

1. Inhalt 7<br />

2. Vorbemerkung 9<br />

3. Kurzbiographie 10<br />

4. Biographie 12<br />

· Kindheit und Lehre 12<br />

· Der Weg zur Kunst 13<br />

· In der Zeit des Nationalsozialismus 15<br />

· Miller in Kallmünz 18<br />

· Der verschollene Künstler 21<br />

5. Selbstportrait und Portrait 23<br />

6. Kallmünz und Landschaft 29<br />

7. Stillleben 51<br />

8. Kinder, Kinder, Kinder 67<br />

9. Mutter und Kind 83<br />

10. Menschen im Alltag 95<br />

11. Akte 115<br />

12. Experimente 123<br />

13. Das Ende 127<br />

14. Literatur und Bildnachweise 130


8


Vorbemerkung<br />

Am 6. November 1983 abends wollte Josef Georg Miller entgegen seiner Gewohnheit noch einmal ums Haus gehen.<br />

Es war Nacht und Nebel. Wegen seiner Schwerhörigkeit konnte er das Auto nicht bemerken, als er die Straße überquerte.<br />

Er war sofort tot.<br />

Die Ausstellung „<strong>Diese</strong> <strong>Lust</strong> <strong>auf</strong> <strong>Farben</strong>“ erinnert zum 40. Todestag an einen der bedeutendsten Künstler der Region.<br />

Fritz Gebhardt, heute bekannt als Eugen Oker, besucht als Redakteur der Mittelbayerischen Zeitung 1948 Josef Georg<br />

Miller in seinem Atelier in Kallmünz. Er rückt noch respektvoll seine Krawatte zurecht und glättet seine Haare, bevor er ins<br />

Atelier eintritt und einen Maler in Lederschürze trifft. Über den Künstler schreibt er:<br />

„Jedes einzelne (Bild) ein Kunstwerk und wert, in einer Ausstellung zu hängen… In der Ausdrucksform möchten wir ihn<br />

zwischen Van Gogh und Schmidt-Rottluff festlegen, doch sprengt seine Eigenwilligkeit jeden Rahmen. Ein Expressionist mit<br />

einem unerhörten Können… Wir glauben nicht falsch zu urteilen, wenn wir ihn neben XAVER FUHR als den bedeutendsten<br />

Maler in unserem Heimatgebiet betrachten.“<br />

Dem können wir uns ohne Einschränkung anschließen. Die aktuelle Ausstellung ergänzt und erweitert das Bild von Miller,<br />

das 2019 im Alten Rathaus in Kallmünz in der Präsentation „Unser Miller“ gezeigt wurde. Jetzt zeigen wir in einer Retrospektive<br />

einen Querschnitt von Millers Schaffens. Die Themenbereiche seiner künstlerischen Tätigkeit in verschiedenen<br />

Arbeitstechniken und Schaffensphasen: Portrait und Selbstportrait, Stillleben, Landschaft, Kinder, Mütter mit Kindern,<br />

Menschen in ihrem Alltag, Akte und das Ende durch den Autounfall.<br />

„<strong>Diese</strong> <strong>Lust</strong> <strong>auf</strong> <strong>Farben</strong>“ spiegelt einen meist heiteren, frohen, sehr lebendigen Maler. Lassen Sie sich von seiner <strong>Lust</strong> anstecken!<br />

Martin Mayer<br />

Galerie Bergsteig 1<br />

9


Kurzbiographie<br />

14.10.1905 in Augsburg geboren<br />

Volksschule in Augsburg<br />

1924 – 26 Lehre als Zimmerer<br />

1925 – 29 Studium an Akademie der bildenden Künste Stuttgart und<br />

an der Staatlichen Akademie in Leipzig<br />

1930 – 31 Studium in Stuttgart bei Prof. Altherr und Prof. Spiegel,<br />

zwei erste Preise an der Akademie<br />

Ab 1932<br />

Ab 1933<br />

freier Maler in Leipzig<br />

Broterwerb vermutlich als Zimmermann<br />

1937 Vernichtung von drei „entarteten“ Arbeiten von Miller,<br />

die im Museum der bildenden Künste in Leipzig ausgestellt waren<br />

1941 Freistellung vom Kriegsdienst wegen Schwerhörigkeit<br />

Ab 1941<br />

Keramikstudium an der Akademie für angewandte Kunst in<br />

München<br />

1944 Übernahme der Kunsttöpferei Glötzl in Kallmünz zusammen<br />

mit Erna Brückner<br />

1946 Beitritt zum Berufsverband der Bildenden Künstler<br />

Regensburg<br />

1945 - 49 hauptsächlich keramische Arbeiten<br />

Ab 1950<br />

Maler und Zeichner in Kallmünz<br />

06.11.1983 Tod durch Verkehrsunfall<br />

10


Kat. 1<br />

Selbst mit Malerpinseln,<br />

Öl <strong>auf</strong> Hartfaserplatte,<br />

78,5 x 60 cm, 1957


Kindheit und Lehre<br />

Josef Georg Miller wurde am 14. Oktober 1905 in Augsburg geboren. Der Vater war Eisendreher. Die Familie wohnte in der<br />

Reisingerstraße 25. Zwei Brüder und eine Schwester gehörten mit zur Familie.<br />

Als Kind hat man ihn während eines Besuches bei einem Onkel<br />

einmal vermisst. Er wurde überall gesucht und schließlich <strong>auf</strong> dem<br />

Dachboden gefunden, wo er so in seine Zeichentätigkeit vertieft<br />

war, dass er das Schreien nach ihm nicht gehört hatte.<br />

Sein Zeichentalent wurde schon früh erkannt. Ein Lehrer lobte einmal<br />

eine Zeichnung von ihm und zeigte sie als Musterbeispiel in<br />

der Klasse herum. Er gab ihm aber nur die Note zwei, weil die Ausführung<br />

„schlampig“ sei.<br />

Wer aus der Arbeitswelt kommt, legt Wert <strong>auf</strong> eine gute berufliche<br />

Ausbildung. Josef Georg Miller machte zuerst von 1921 bis 1924<br />

eine Lehre als Zimmerer im Betrieb seines Onkels, die er mit der<br />

Gesellenprüfung abschloss. Abb. 1: Gesellenbrief 1924<br />

12


Der Weg zur Kunst<br />

Ein Stipendium ermöglichte Josef Georg Miller 1925 das Studium<br />

an der Akademie der bildenden Künste in Stuttgart. Dort war Alexander<br />

Eckener der Direktor und wahrscheinlich auch einer seiner<br />

Lehrer. Er bescheinigte Miller: „Er ist ein begabter und fleißiger<br />

Student.“<br />

Ab 1926 studierte Miller an der Staatlichen Akademie in Leipzig.<br />

Von seiner Heimatstadt Augsburg hatte er ein weiteres Stipendium<br />

bekommen, das ihm das Studium ermöglichte. Er musste abwechselnd<br />

ein Semester als Zimmerer arbeiten, das nächste Semester<br />

konnte er studieren.<br />

Abb. 2: Studienbescheinigung Stuttgart 1924<br />

Seine Lehrer in Leipzig waren der Graphiker und Zeichner Prof. Hans Soltmann<br />

und ab 1927 Prof. Willi Geiger. Wahrscheinlich kam Miller 1929 zurück<br />

nach Stuttgart, wo er 1931 zwei erste Preise an der Akademie der bildenden<br />

Künste erhielt, einen für einen Wettbewerb, den anderen für seine Jahresleistung.<br />

Wie lange er genau dort studiert hat, ist nicht bekannt.<br />

Anfang der 30er Jahre kehrte er nach Leipzig zurück. Miller bekam eines der<br />

acht sehr begehrten Ateliers im Künstlerhaus am Nikischplatz. Das Haus war<br />

Anfang des 20ten Jahrhunderts im Jugendstil vom Kunstverein Leipzig erbaut<br />

worden und Zentrum der zeitgenössischen Kunst in Leipzig. Unter anderen<br />

waren dort Ausstellungen von Emil Nolde, Lovis Corinth und Edvard Munch<br />

zu sehen, und Miller war buchstäblich mittendrin in der Kunstavantgarde der<br />

1930er Jahre.<br />

Abb. 3: Künstlerhaus am Nikischplatz ca. 1930<br />

13


Die Räume boten neben Versammlungs- und Festsälen auch Ateliers und Wohnungen für Künstler.<br />

1933 entstand ein Band mit 70 Holz- und Linolschnitten, den Miller seinem Lehrer Professor Willi Geiger widmete. Ein<br />

Exemplar bei einem Kunstsammler in Berlin ist bekannt. Von der geplanten Auflage von 20 Stück sind wahrscheinlich nur<br />

drei Probeexemplare gedruckt worden.<br />

Die politischen Äußerungen von Willi Geiger gegen Partei und Führer, er bezeichnete Hitler schon 1926 als den „größten<br />

Desperado des Jahrhunderts“, führten zu politischen Denunziationen. Geiger wurde gleich nach der Machtübernahme<br />

Hitlers 1933 fristlos aus seinem Lehramt entlassen. Dass er gerade diesem Lehrer seine Publikation widmet, lässt auch <strong>auf</strong><br />

Millers politische Haltung Rückschlüsse ziehen.<br />

Abb. 4: Beispielseite aus dem Buch mit Holz- und Linolschnitten, gewidmet Prof. Willi Geiger<br />

14


In der Zeit des Nationalsozialismus<br />

Aus den 1930er Jahren sind nur wenige Zeichnungen und einzelne Holzschnitte<br />

bekannt.<br />

Vor allem seine frühen Arbeiten haben einen stark expressionistischen<br />

Charakter.<br />

Das Stillleben zeigt einen schön gestalteten Korbstuhl vor einem kleinen<br />

Tischchen, <strong>auf</strong> dem drei Vasen und ein Topf stehen. Im Hintergrund ist<br />

ein verzierter Bilderrahmen angeschnitten, der beim Betrachter die Fantasie<br />

weckt, was dort wohl zu sehen sein könnte und zu immer neuen<br />

Betrachtungen einlädt.<br />

Abb. 5: Stillleben, Holzschnitt, ca. 1932<br />

Als Hitlers Kunstvorstellung durch die deutschen Museen wütete,<br />

war Miller persönlich betroffen. Auf der Liste der „entarteten<br />

Kunst“ finden sich auch drei Arbeiten von ihm, die aus<br />

dem Museum der bildenden Künste in Leipzig entfernt und vernichtet<br />

wurden.<br />

Abb.6: Ausschnitt aus der Liste der „entarteten Kunst“<br />

15


Die Situation für die Künstler, die der neuen Kunst<strong>auf</strong>fassung<br />

nicht folgen wollten, war aussichtslos geworden. Viele gingen ins<br />

Exil, erhielten Malverbot oder zogen sich komplett zurück. Über<br />

Miller in den 30er Jahren, ist zu vermuten, dass er zu seinem<br />

Brotberuf als Zimmerer zurückkehrte. Eine Lohnsteuerbescheinigung<br />

einer Zimmerei in Leipzig von 1940 ist erhalten geblieben.<br />

Miller wollte keine „rosaroten Akte malen“, wie er es formulierte.<br />

Hitler war ihm verhasst.<br />

Vom Militär- und Kriegsdienst wurde er wegen seiner Schwerhörigkeit<br />

freigestellt. 1941 kam Miller schließlich nach München<br />

und begann das Studium der Keramik. Professor Richard Klein,<br />

dem er Zeichnungen vorlegte, soll ihn gefragt haben: „Was wollen<br />

Sie bei mir noch lernen?“ Miller wollte Töpfern lernen und<br />

kam als Gaststudent in die Keramikklasse der Akademie für Angewandte<br />

Kunst in München. Hier lernte er Erna Brückner kennen,<br />

mit der er zusammen 1944 eine Töpferei zum Betreiben suchte.<br />

Abb. 7: Lohnsteuerkarte 1940, 28.12.39 – 2.8.40,<br />

Arbeitslohn 1208,51 Reichsmark<br />

1941 sehen wir den Maler vor einer Leinwand in Augsburg.<br />

Das Bild, das er gerade malt, hat die Zeiten überdauert. Es zeigt seinen<br />

expressiven Gestus in der Darstellung des Platzes mit den harten<br />

schwarzen Linien, die die Konturen sichtbar machen und die <strong>Farben</strong><br />

abgrenzen.<br />

Abb. 8: Miller beim Malen in Augsburg<br />

16


17<br />

Kat. 2<br />

Augsburg – Imhofstraße, Öl <strong>auf</strong> Hartfaserplatte, 49 x 62 cm, 1941


Miller in Kallmünz<br />

Als Josef Georg Miller im April 1944 in den Ferienort Kallmünz kam, konnte von „Ferien“ keine Rede sein. Er hatte an der<br />

Akademie in München Erna Brückner kennengelernt. Dem Kriegsbombardement und vermutlich einer politischen Verfolgung<br />

wollten sie entkommen und suchten eine Töpferei, die sie übernehmen konnten. Neugründungen waren in Kriegszeiten<br />

nicht erlaubt.<br />

Der Regensburger Autor Josef Berlinger hat einen Bericht über Miller überschrieben mit: „Der Maler, der Hitler zum ‚Sauhund‘<br />

machte“. Miller soll sich in München im Umfeld der „Weißen Rose“ bewegt haben und auch deshalb eine „politikfreie<br />

Zone“ <strong>auf</strong> dem Land gesucht haben. Erna Brückner musste als Sanitätshilfe mit ansehen, wie ihre Studienkolleginnen<br />

im BMW-Werk, das regelmäßig bombardiert wurde, zu Tode kamen.<br />

Nach langem Suchen in ganz Bayern wurden sie schließlich in Kallmünz fündig und konnten die Töpferei Glötzl übernehmen,<br />

in der übrigens Wassily Kandinsky während seines Aufenthalts im Sommer 1903 schon getöpfert hatte.<br />

In ihrem berührenden Buch „Mehr als 50 Kallmünzer Jahre“ beschreibt Erna Miller die Anreise: „Auf halbem Weg (von<br />

Burglengenfeld) kam uns dann die Burgruine von Kallmünz über dem Naabtal entgegen, und alle Mühe war in Freude<br />

verwandelt. Es war ein herrlicher Frühlingstag, der 4.4.44.<br />

Wir waren wieder froh, unsere Schritte wurden länger und unser<br />

Freuen immer größer. Häuser duckten sich geborgen an den<br />

Felsen, wie eine Henne ihre Kücklein zusammenhält. Die Kirche<br />

thronte etwas erhöht vor dem Felsen…“ (S. 5). Im Gasthaus Walter<br />

fand das Paar Unterkunft und war freudig überrascht, dass<br />

man hier auch in Kriegszeiten Fleisch und Wurst k<strong>auf</strong>en konnte.<br />

Das Haus und den Ofen der Töpferei konnten sie nicht k<strong>auf</strong>en.<br />

Zumindest hatten sie aber die Betriebsgenehmigung für<br />

600 Mark erhalten. Jetzt standen sie da mit der Konzession aber<br />

ohne Möglichkeit zu arbeiten. „ Wir legten das Geld hin und verließen<br />

recht kleinlaut das Glötzl-Haus“ (S. 6). Das Paar schaffte<br />

es trotz der Kriegszeiten einen Brennofen zu organisieren, einen<br />

Bauplatz zu finden und schließlich konnten sie ein Haus bauen.<br />

Abb. 9: Erlaubnis zur Weiterführung der Töpferei, 15.04.1944<br />

18


Sie begannen ihr Leben in Kallmünz; zuvor verlangte<br />

aber der Pfarrer noch, dass sie ihr Verhältnis in Ordnung<br />

brachten. Also heirateten sie am Josefitag 1945. „Nach<br />

all dem furchtbaren Geschehen in München bis April<br />

1944 waren wir hier im Paradies“ (S. 22).<br />

Die Töpferarbeiten, die Erna und Sepp Miller herstellten,<br />

waren sehr gefragt und wurden bis nach München<br />

verk<strong>auf</strong>t. Dank Ihres großen Fleißes konnten die Millers<br />

an das kleine Häuschen, das sie noch 1944 bauten, bald<br />

einen größeren Anbau anschließen. Jetzt war Platz für<br />

Wohnen und Arbeiten!<br />

Abb. 10: „Unser Haus am 16.Nov. 1947“<br />

Die Wohnungsnot nach dem 2. Weltkrieg war groß und Millionen Flüchtlinge strömten aus den ehemaligen deutschen<br />

Ostgebieten ins zerstörte Land. Josef und Erna Miller sollten Flüchtlinge in ihrem Haus beherbergen, das für nur zwei Personen<br />

als zu groß erachtet wurde. Erna Miller, die einen Erzieherinnenabschluss hatte, bot deshalb an, lieber Waisenkinder<br />

<strong>auf</strong>zunehmen in der Hoffnung, dass die Kinder nach einigen Jahren das Haus wieder verlassen würden. Es kam anders,<br />

mit 71 Jahren übergab sie nach 30 Jahren die Leitung des Kinderheims an ihre Schwiegertochter. Das Kinderheim sicherte<br />

den Lebensunterhalt und Sepp Miller konnte wieder Malen. Sein Leben in Kallmünz ist schnell erzählt: Er bleibt hier und<br />

ist nicht mehr wegzubringen. Nur ganz selten kann ihn seine Frau Erna zu einem Verwandtenbesuch an einen anderen Ort<br />

bewegen. Vor Autos hat er panische Angst und will nirgends hinfahren. Von der Umgebung wird Miller eher skeptisch betrachtet<br />

und als Sonderling beurteilt. Auf angemessene Kleidung legt er keinen Wert.<br />

Miller arbeitet, malt wie ein Besessener. Erna Miller schreibt: „Man sieht, er wollte nicht malen, er musste“ (S. 30). Es<br />

entstehen viele Ölgemälde, Hunderte von Arbeiten <strong>auf</strong> Papier in Aquarell- oder Temperafarben und Tausende von Zeichnungen<br />

und Skizzen. Miller vergisst selten seine Arbeiten mit einem „M“ zu monogrammieren, weggeworfen wird kein<br />

Stück Papier.<br />

19


Den Alltag gestaltet er sehr strukturiert. Er erstellt für jeden Tag<br />

einen Arbeitsplan. (Schönschrift ist nicht seine Stärke.)<br />

Alle, die Miller näher kennengelernt haben, beschreiben ihn als<br />

liebenswürdigen Menschen. Die Kommunikation ist allerdings<br />

schwierig, man behilft sich mit Notizzetteln, <strong>auf</strong> die man die Fragen<br />

schreibt.<br />

Abb. 11: Tagesplan<br />

Mittwoch d. 30. Mai 50<br />

4 ½ - 6 Malen, 6-7 Zeichnen<br />

7-8 Anatomie, 8-11 Keramik<br />

11-12 Kartoffel<br />

12 – 1 Mittag, 1- 3 Kartoffel<br />

3-6 Keramik, 6 – 8 Zeichnen<br />

Die Künstlerkollegen schätzen ihn. Regelmäßig besucht ihn Erik Mailick,<br />

der DDR-Maler, der zum Angeln nach Kallmünz kommt oder Rupert<br />

Preißl, ein großer Freund von Kallmünz. Mit Hermann Böbel, der sein<br />

Atelier in Burglengenfeld hat, pflegt er freundschaftlichen Austausch.<br />

Constantin Gerhardinger, der seit 1924 bis 1969 jedes Jahr zum Malen<br />

nach Kallmünz kam, besuchte ihn wahrscheinlich nur einmal. Die Kunstvorstellungen<br />

und Lebensentwürfe sind zu unterschiedlich. Immerhin<br />

konstatierte dieser: „Bist a Moderner, aber gut“.<br />

Miller ist viel im Ort zu sehen. Er zeichnet, malt Skizzen vom Ort, Gassen,<br />

Häuser, Kinder beim Baden, Spielen usw. Wie er malt, entspricht noch<br />

nicht den Sehgewohnheiten der Zeit. Wegen seiner Schwerhörigkeit ist<br />

es schwer, mit ihm in Kontakt zu treten. Aber er scheint das auch nicht zu<br />

brauchen. Die Welt ist sowieso voll von zuviel Geschwätz.<br />

Abb. 12: Miller links mit Künstlerkollegen Hermann<br />

Böbel (Mann mit Augenbinde), und Friedrich<br />

Graf, ca. 1950 im Fotoatelier von Böbel<br />

20


Der verschollene Künstler<br />

Die Vorgaben der Kulturpolitik des Hitlerregimes, der Krieg und schließlich die Not nach dem Krieg, behinderten den Weg<br />

des Künstlers, aber sie konnten ihn nicht verhindern. Die Kunstgeschichte hat den Begriff der „verschollenen Generation“<br />

geprägt, zu der auch Josef Georg Miller zu rechnen ist.<br />

Der Kunsthistoriker Rainer Zimmermann besucht nach dem 2.<br />

Weltkrieg Kurt von Unruh, der sich nach Roding zurückgezogen<br />

hatte. In dem Buch „Die Kunst der verschollenen Generation“<br />

erzählt er davon, genauso gut hätte er Miller in Kallmünz besuchen<br />

können. Die Künstler dieser Generation waren von 1933<br />

bis 1945 in ihrer freien Entwicklung zumindest behindert. Malund<br />

Ausstellungsverbote gehörten zum Alltag, Bilder wurden<br />

als entartet verhöhnt und zum Teil vernichtet.<br />

Die Stilrichtungen der Moderne, Expressionismus, neue Sachlichkeit,<br />

Dadaismus, Surrealismus, Symbolismus, konnten nicht<br />

weiterentwickelt werden. Erst nach dem 2. Weltkrieg wurden<br />

sie von den Malern wieder <strong>auf</strong>gegriffen und fortgeführt.<br />

Abb. 13: Erna und Sepp Miller ca. 1950<br />

Der Mensch, das Menschenbild ist das große Thema der Nachkriegskunst. Die Barbarei des Krieges und die Verbrechen<br />

des Rassenwahns hatten auch bei den Künstlern ein tiefes Trauma hinterlassen. Nach dem Verlust der humanistischen<br />

Werteordnung musste das Thema neu bearbeitet werden.<br />

Nach Ausschwitz sei es barbarisch, Gedichte zu schreiben, formulierte provozierend der Philosoph und Soziologe Theodor<br />

W. Adorno. Das hat auch die bildende Kunst beeinflusst. Es war nicht mehr möglich unbefangen zu malen wie vor der Zeit<br />

des Nationalsozialismus. Der Weg in die Abstraktion (von Kandinsky und anderen vorbereitet) bot sich als eine Möglichkeit<br />

an, weiterzuarbeiten.<br />

21


An Miller ist diese Diskussion nicht vorbeigegangen. Im Nachlass finden sich Experimente mit verschiedenen Kunststilen.<br />

Er probiert abstrakte Bilder, die er meistens durch einen Titel festlegt („Streit, Aufbäumen, verschiedene Zustände, Regierung“<br />

usw.), kubistische Darstellungen, die in der Komposition an Paul Klee oder Lyonel Feininger erinnern. Er malt aber<br />

auch surrealistische Bilder. All diese Arbeiten scheinen ihn nicht zu überzeugen. Er geht den Weg nicht weiter. Es geht<br />

Miller nicht darum, das Gesehene oder das Erlebte künstlerisch zu reproduzieren, wie es die Kunstideologie der Nationalsozialismus<br />

forderte. Kunst ist für ihn nicht, was aussieht wie die Wirklichkeit. Wichtig für ihn ist es, ein lebensnahes Bild<br />

der Menschen und der Welt zu zeigen, so wie er sie wahrnimmt.<br />

„Wir brauchen keine Dichter mit guter Grammatik. Zu guter<br />

Grammatik fehlt uns Geduld. Wir brauchen die mit dem heißen<br />

heiser geschluchzten Gefühl. Die zu Baum Baum sagen und zu<br />

Weib Weib sagen und ja sagen und nein sagen: laut und deutlich<br />

und dreifach und ohne Konjunktiv“, forderte Wolfgang Borchert<br />

für die Nachkriegsautoren.<br />

Miller übersetzt diese Forderung an die Schriftsteller für seine<br />

Bilder: Sie sind ungekünstelt, deutlich, klar. Sie brauchen keine<br />

Erklärung, sie sprechen für sich. Die Kunstgeschichte hat dafür<br />

den Begriff der autonomen Kunst geprägt. Miller konzentriert<br />

sich <strong>auf</strong> die klassischen Themen und Motive der Malerei: Portrait<br />

und Selbstportrait, Landschaft, Stillleben, Akte und Menschen.<br />

Er malt ohne Umschweife (vgl. Titel der Ausstellung des<br />

Lenbachhauses zu Gabriele Münter).<br />

Abb. 14: Miller in seinem Atelier, ca. 1965<br />

22


Selbstportrait und Portrait


Portraits und Selbstportraits sind ein fester Bestandteil<br />

der akademischen Bildung eines Künstlers. Für Miller<br />

und andere Künstler seiner Zeit, mit zwei erlebten<br />

Weltkriegen, sind Portraits sicherlich auch ein Mittel<br />

um in der Kunst den Menschen, das sich wandelnde<br />

Menschenbild und sich selbst zu erforschen.<br />

Wer bin ich? Nach den Erfahrungen der Nazidiktatur<br />

und des Krieges geht es beim Selbstbildnis auch um<br />

Selbstvergewisserung. Interessant ist in diesem Zusammenhang,<br />

dass seit 1960 keine Selbstportraits<br />

mehr entstehen. Miller hat zu sich selbst gefunden. Er<br />

ist Maler.<br />

Kat. 3<br />

Selbst, Öl <strong>auf</strong> Malerpappe, 77 x 35 cm<br />

24


Den Weg dorthin zeigt Miller in diesem Dreifachportrait, <strong>auf</strong> dem der Künstler in drei verschiedenen Lebensabschnitten zu<br />

sehen ist. In der Mitte der junge Maler, der mit frischem, fragendem Blick in die Zukunft schaut. Auf der linken Seite blickt<br />

der Maler den Betrachter direkt an. Er trägt nun Brille und seine Wollmütze schief über die linke Stirn gezogen. Zufrieden, so<br />

als hätte er sich Selbst und seinen künstlerischen Ausdruck gefunden. Miller hat tatsächlich eine zeitlang Brille getragen. Auf<br />

der rechten Seite blickt ein etwas älterer Miller aus der rechten Bildhälfte heraus, er schaut jetzt ernst, er hat ja auch schon<br />

viel erlebt. Er modelliert sein Gesicht mit tiefen Furchen und mischt viel Gelb, Grün und Grau, um ihm Farbe zu geben. Sein<br />

Hauptton ist nun weniger grünlich und sieht somit wieder etwas gesünder aus. Miller hat zu sich selbst gefunden.<br />

Kat. 4<br />

Selbst im Wandel, Öl <strong>auf</strong> Malerpappe, 50 x 70 cm<br />

25


Kat. 5<br />

Selbstbildnis, Bleistift <strong>auf</strong> Papier, 29,5 x 21 cm, 1949<br />

Mit dicht gesetzten Bleistift-Schraffuren<br />

modelliert der Künstler sein Portrait. Auf<br />

diesem schaut er mit ernstem wachsamem<br />

Blick aus der rechten Bildhälfte heraus.<br />

<strong>Diese</strong> Art Seitenblick hat auch etwas<br />

schelmisches, der portraitierte Künstler<br />

weist den Betrachter mit seinem Blick<br />

<strong>auf</strong> etwas hin, das außerhalb der Zeichnung<br />

liegt und somit in der Realität des<br />

Betrachters.


27<br />

Kat. 6<br />

Selbstportrait, Öl <strong>auf</strong> Hartfaserplatte, 44,5 x 36,5 cm


Kat. 7<br />

Erna Miller, Öl <strong>auf</strong> Papier, 39,5 x 36,5<br />

28


Kallmünz und Landschaft


Kallmünz und seine Landschaft hat die Maler spätestens seit Anfang des 20ten Jahrhunderts angezogen. Charles Palmié<br />

hatte 1901 den Ort für die Künstler entdeckt. Die Landschaft, das intakte Landleben und das besondere Licht hat die Künstler<br />

hierher gelockt. Nicht nur Kandinsky und Münter, auch Karl Schmidt-Rottluff und viele andere haben die Variationen<br />

der Landschaft bei verschiedenen Lichtverhältnissen gesehen und gemalt. Wir haben bisher knapp 300 Maler dokumentiert,<br />

die in Kallmünz waren und gemalt haben.<br />

Miller hat die Besonderheiten von Kallmünz mit seinem akademisch geschulten Auge erkannt. Er hat den Ort in allen nur<br />

denkbaren Licht- und Farbkompositionen gemalt. Als er seine Frau Erna während der Kur nach Bad Wörishofen begleiten<br />

sollte, ging er dort spazieren und taxierte die Gegend. „Ich sehe da nichts“, kommentierte er und fuhr am gleichen Abend<br />

wieder in sein Kallmünz zurück. Seine frühen Ortsansichten sind von eher monochromer Farbigkeit und noch von einer<br />

realistischen Darstellung mit starken Konturen gezeichnet. Die <strong>Farben</strong> entsprechen der realen Wahrnehmung und spiegeln<br />

die Stimmung einer Jahreszeit. Bei späteren Darstellungen werden die Konturen deutlicher, stärker, die schwarzen Umrandungen<br />

dicker, die Formen flächiger, kantiger und die <strong>Farben</strong> orientieren sich nicht mehr am Gesehenen. „Die <strong>Farben</strong><br />

sind uns nicht gegeben, um die Natur nachzuahmen, sondern um das Eigenleben des Malers darzustellen“, wird er zitiert.<br />

Kallmünz ist „sein“ Motiv: er malt es aus allen Perspektiven und in allen <strong>Farben</strong>. Je älter er wird, umso freier komponiert<br />

er die Gassen im <strong>Farben</strong>spiel der Natur und der eigenen Empfindungen.<br />

<strong>Diese</strong>s Werk Millers wurde nicht ohne Grund, als Titelmotiv für die Ausstellung „<strong>Diese</strong> <strong>Lust</strong> <strong>auf</strong> <strong>Farben</strong>“ gewählt. Es repräsentiert<br />

Millers Kunstschaffen und verdeutlicht, wie wichtig leuchtende, ungetrübte <strong>Farben</strong> für seine Werke waren. Die<br />

strahlend rote Brücke fängt den Blick des Betrachters sofort ein und lässt ihn weiter über das tiefblaue Wasser gleiten. In<br />

diesem spiegeln sich die bunten <strong>Farben</strong> der Umgebung und vermengen sich zu einem besonderen <strong>Farben</strong>spiel.<br />

30


31<br />

Kat. 8<br />

Rote Brücke, Temperafarben, 49,5 x 72,5 cm


<strong>Diese</strong>s frühe Aquarell von Miller zeigt Kallmünz<br />

im Herbstlicht. Die dezente Farbgebung<br />

spiegelt eindrucksvoll die herbstliche<br />

Stimmung.<br />

Kat. 9<br />

Kallmünz im Herbstlicht, Aquarell, 57 x 48 cm<br />

32


33<br />

Kat. 10<br />

Kallmünz im Herbst, Aquarell, 47,5 x 71,5


Kat. 11<br />

Kallmünz, Öl <strong>auf</strong> Hartfaserplatte, 66 x 84 cm<br />

34


35<br />

Kat. 12<br />

Kallmünz, Aquarell, 49 x 65 cm


Kat. 13<br />

Kallmünz im Abendrot, Temperafarben, 49,5 x 76 cm<br />

36


Kat. 14<br />

Kallmünz, Temperafarben, 49,5 x 71,5 cm<br />

Kat. 15<br />

Kallmünz, Temperafarben, 50 x 73 cm<br />

37


Kat. 16<br />

Alte Regensburger Straße, Temperafarben, 51 x 73 cm<br />

38


Kat. 17<br />

Krachenhausener Weg, Temperafarben, 50,5 x 70,5 cm<br />

Kat. 18<br />

Krachenhausener Weg, Temperafarben, 50,5 x 73 cm<br />

39


Miller malt die gleichen Motive in<br />

unterschiedlichen Farbvarianten,<br />

je nach Wetter oder Stimmungslage.<br />

<strong>Diese</strong>s Motiv wurde vom<br />

Künstler in zwei sehr ähnlichen<br />

Ausführungen gemalt, was recht<br />

ungewöhnlich ist. Zu sehen ist ein<br />

sonnenbeschienener Hinterhof an<br />

einem Sommertag. Weiße Wäsche<br />

trocknet zwischen Schuppen und<br />

Häusern mit ziegelroten Dächern<br />

und tiefgrünen Bäumen. Miller verwendete<br />

für das eine Werk Tempera-<br />

und für das andere Ölfarben.<br />

Bei beiden ist es ihm gelungen ein<br />

wohlig-warmes Gefühl einzufangen<br />

und abzubilden.<br />

Kat. 19<br />

Hinterhof mit Wäsche, Temperafarben, 65 x 50 cm<br />

40


Kat. 20 Hinterhof mit<br />

Wäsche, Öl <strong>auf</strong><br />

Hartfaserplatte,<br />

84 x 67,5 cm


Für das Bild „Dorf im Winter“ verwendete der Künstler weniger leuchtende <strong>Farben</strong> wie gewohnt, um die durch den Schnee<br />

gedämpfte Landschaft abzubilden. Die dunkelrot und gelb gestrichenen Häuser, heben sich vom tiefblauen Himmel ab. Die<br />

warmen Farbtöne erzeugen eine ruhige, fast heimelige Atmosphäre, trotz der kalten Jahreszeit. Man fühlt sich zurückversetzt<br />

in Winterzeiten in denen noch tiefer Schnee lag. Man möchte den Schnee in die Hand nehmen, so weich wirkt er.<br />

Kat. 21<br />

Dorf im Winter, Öl <strong>auf</strong> Hartfaserplatte, 67,5 x 67,5 cm<br />

42


43<br />

Kat. 22<br />

Haus im Grünen (Schöberlhaus), Öl <strong>auf</strong> Hartfaserplatte, 60 x 80 cm


<strong>Diese</strong>s vor <strong>Farben</strong> leuchtende Werk Millers fängt die beeindruckende Atmosphäre eines Sonnen<strong>auf</strong>gangs in der Oberpfälzer<br />

Landschaft ein. Das Bild lädt den Betrachter dazu ein, <strong>auf</strong> den Horizont zu wzugehen und dem verträumten Feldweg<br />

folgen zu wollen. Durch die schweren blauen Wolken schiebt sich kraftvoll das zuhelle Licht des Sonnen<strong>auf</strong>gangs und<br />

verdrängt die Wolkenmasse Stück für Stück. Dabei fällt das Sonnenlicht bereits <strong>auf</strong> Teile der grünen Wiesen und des von<br />

Steinen gesäumten Feldwegs, wobei der linke untere Teil des Bildes noch im dunklen liegt, und dar<strong>auf</strong> wartetet auch gleich<br />

vom frischen, neuen, Tageslicht durchflutet zu werden. „Morgen in der Oberpfalz“ hat Miller das Bild selbst bezeichnet.<br />

Christlich sozialisierte Menschen assoziieren vielleicht auch das Osterlied: „Der Morgen erwacht!“<br />

Kat. 23<br />

„Morgen in der Oberpfalz“, Öl <strong>auf</strong> Hartfaserplatte, 68 x 98 cm, 1947<br />

44


Kat. 24<br />

Wolken über Kallmünz, Temperafarben: 50 x 72 cm<br />

Kat. 25 Gewitterstimmung, Temperafarben, 48,5 x 70,5 cm<br />

45


Kat. 26<br />

Die Sonne bricht durch, Temperafarben, 50 x 70 cm<br />

46


47<br />

Kat. 27<br />

An der Naab, Aquarell, 47 x 60 cm


Kat. 28<br />

Grünes Tal, Aquarell, 38 x 57,5 cm<br />

Kat. 29 Felsige Landschaft, Aquarell, 46 x 71 cm<br />

48


In den für ihn so typisch bunten <strong>Farben</strong>, gelingt dem Künstler die harmonische Abbildung einer Landschaftsszene, die sich<br />

im Wasser spiegelt. Miller verwendet Komplementärkontraste, wie Rot und Grün oder Blau und Orange, die die Leuchtkraft<br />

der <strong>Farben</strong> zusätzlich steigern. Dazu konturiert er die Objekte mit dicken schwarzen Linien, die im Expressionismus<br />

häufig verwendet werden.<br />

49<br />

Kat. 30<br />

Turm am Wasser, Temperafarben, 51 x 72,5 cm


50


Stillleben


Kat. 31<br />

Stillleben mit Äpfeln, Aquarell, 48,5 x 67,5 cm, 1947<br />

52


53<br />

Kat. 32<br />

Tisch mit Apfelschüssel, Temperafarben, 49 x 64 cm


Kat. 33<br />

Stillleben mit Äpfel und grüner Decke, Aquarell, 49 x 76 cm<br />

54


55<br />

Kat. 34<br />

Stillleben mit Orangen und bunter Tischdecke, Temperafarben, 49 x 64 cm


Kat. 35<br />

Stillleben mit roter Keramik, Temperafarben, 49 x 72,5 cm<br />

56


Keramik in einem Stillleben ist vielleicht nichts Ungewöhnliches für einen Künstler, hat bei Miller aber trotzdem einen<br />

besonderen Bezug zu seinem Leben. Er studierte in den 1940er Jahren Keramik und übernahm kurze Zeit später die Kunsttöpferei<br />

Götzl in Kallmünz. In dieser Ölmalerei bildet er ausschließlich blaue Gefäße ab und setzt sie vor einen gelblichen<br />

Hintergrund, vor dem sie wunderbar zur Geltung kommen. Gekonnt arbeitet er mithilfe wohl gesetzter Pinselstriche und<br />

Lichtreflexen plastisch die runden Formen der Objekte heraus.<br />

57<br />

Kat. 36<br />

Blaue Keramik, Öl <strong>auf</strong> Malerplatte, 49 x 41 cm


Kat. 37<br />

Farbige Keramik, Temperafarben, 48,5 x 62,5 cm<br />

58


Kat. 38<br />

Stillleben mit Glaskrügen, Temperafarben, Temperafarben, 48 x 72 cm<br />

Kat. 39 Äpfel und Glasvasen, Temperafarben, 50,5 x 71,5 cm<br />

59


Prächtig quellen die roten Tulpen aus der kleinen dunkelblauen Vase und werden von ihren satt-grünen Blättern eingerahmt.<br />

Durch den abgebildeten Blickwinkel scheint es als würden sie aus dem Bild herausragen und als könnte man nach<br />

ihnen greifen und sich am Blumenduft erfreuen. Wünscht man sich nicht den Blumenschmuck ins Wohnzimmer?<br />

Kat. 39<br />

Stillleben mit Mohn, Temperafarben, 49 x 72,5 cm<br />

60


61<br />

Kat. 40<br />

Stillleben mit Tulpen, Öl <strong>auf</strong> Hartfaserplatte, 58,5 x 78,5 cm


Kat. 41<br />

Mohn in gelber Vase, Temperafarben, 49 x 67,5 cm<br />

62


Kat. 42<br />

Chrysanthemen in Glasvase,<br />

Temperafarben, 79 x 48 ,5 cm


<strong>Diese</strong>s frühe Stillleben stammt noch aus Millers Zeit von in Leipzig. Es ist bei einer Auktion dort <strong>auf</strong>getaucht.<br />

Kat. 43<br />

Stillleben, Linolschnitt, 48 x 48 cm, ca. 1932<br />

64


Kat. 44<br />

Korb-Stillleben, Bleistiftzeichnung, 20 x 29 cm, 1949<br />

Kat. 45 Bettstatt, Bleistiftzeichnung, 28 x 36 cm, 1945<br />

65


66


Kinder, Kinder, Kinder


In seinem Alltag war Miller ständig von Kindern<br />

umgeben. Kein Wunder also, dass Darstellungen<br />

von Kindern eines seiner häufigsten<br />

Motive sind. In dem Kinderheim, das zum<br />

Teil bis zu 50 Buben und Mädchen <strong>auf</strong>nahm,<br />

fand er sie jederzeit: Buben beim Lesen,<br />

Mädchen beim Spiel, Kinder ins Gespräch vertieft,<br />

beim Stricken, Spielen oder über Haus<strong>auf</strong>gaben<br />

brütend.<br />

Die Bilder sind stark fokussiert <strong>auf</strong> eine Haltung,<br />

Pose oder Geste. Miller erreicht mit Mitteln<br />

der Reduktion <strong>auf</strong> eine Handlung ohne<br />

störende Nebeneffekte eine starke Wirkung.<br />

Mit perspektivischen Übertreibungen und oft<br />

auch Körpern und Körperteilen, die von natürlichen<br />

Proportionen abweichen, schafft er<br />

es, den Blick des Betrachters zu fokussieren.<br />

Seine Bilder sprechen eine Sprache der liebevollen<br />

Zuwendung und Anteilnahme.<br />

Kat. 46<br />

Kind mit Puppen, Temperafarben, 72 x 48 cm, 1957<br />

68


In di esem Werk stellt Miller ein Mädchen und einen Jungen im ungefähr selben Alter dar. Die beiden sitzen sommerlich<br />

gekleidet <strong>auf</strong> einer Bank. Das Mädchen blickt etwas schüchtern zum rechten Bildrand, wobei der Junge den Betrachter<br />

direkt ansieht. Das Bild wird dominiert von einem leuchtend roten Roller mit blauen Schutzblechen, den der Junge stolz<br />

festhält. „Der gehört mir“, oder ist er doch bereit zu teilen?<br />

69<br />

Kat. 49<br />

Kinder mit Roller, Öl <strong>auf</strong> Malerplatte, 98 x 102 cm


Erna Miller erzählt in ihren Erinnerungen über Weihnachten im Kinderheim: „Horst, der Älteste wünschte sich so sehr eine<br />

Eisenbahn und fragte mich immer wieder, ob ich nicht zum Eink<strong>auf</strong>en fahren muss. Er verzweifelte fast, als ich einfach nicht<br />

fahren musste. Am Schluss meinte er, aber neue Farbstifte wünsche ich mir <strong>auf</strong> jeden Fall.“ Frau Miller hatte die Eisenbahn<br />

schon besorgt und Horst konnte sich schließlich doch über das richtige Geschenk freuen. Und Miller hatte ein weiteres<br />

Motiv: Ganz versunken sind die beiden in ihr Spiel.<br />

Kat. 48<br />

Eisenbahn spielende Kinder, Holzschnitt, 39,5 x 50 cm, Posthumer Druck<br />

70


71<br />

Kat. 47<br />

Kinder mit Eisenbahn, Öl <strong>auf</strong> Malerplatte, 69 x 100 cm 1957


Kat. 50<br />

„Spielende“, Temperafarben, 43 x 61 cm, 1956<br />

72


Kat. 51<br />

Spielender Junge, Temperafarben, 42 x 59 cm<br />

Kat. 52 „Spielende“, Temperafarben, 42 x 59 cm<br />

73


Darstellungen von Kindern, finden häufig Einzug in Millers Oeuvre. Der hier abgebildete Junge ist konzentriert in ein<br />

Schulheft vertieft. Miller lässt im Bild die drei Grundfarben, Rot, Gelb und Blau dominieren und rundet die Komposition<br />

mit schwarzen Konturen und weißen Akzenten ab.<br />

Kat. 53<br />

Haus<strong>auf</strong>gaben, Temperafarben, 59,5 x 42 cm, 1957<br />

74


Kat. 54<br />

Lesender Junge, Bleistiftzeichnung, 21 x 30 cm<br />

Kat. 55 Ganz schön schwer, die Haus<strong>auf</strong>gabe, Bleistiftzeichnung, 21 x 30 cm, 1948<br />

75


Kat. 56<br />

Lesende, Bleistiftzeichnung, 30 x 21 cm, 1949<br />

Kat. 57 Schlafendes Mädchen, Bleistiftzeichnung, 30 x 41,5 cm, 1948<br />

76


Mit neugierig-kritischem Blick beäugt ein junger Mann in gelber Jacke eine kleine Katze mit schwarz-weißem Fell. Mit<br />

sichtbaren und dynamischen Pinselstrichen modelliert Miller die Szene gekonnt. Beim Betrachten ist man gespannt, was<br />

wohl als nächstes passieren wird. Wird sich die Katze wehren oder ist es der Beginn einer Freundschaft?<br />

77<br />

Kat. 58<br />

Beißt die?, Öl <strong>auf</strong> Malerpappe, 52 x 50 cm


Kat. 59<br />

Sitzender Junge, Temperafarben, 74 x 47,5 cm<br />

78


79<br />

Kat. 60<br />

Junge mit Stock, Temperafarben, 74 x 47,5 cm


Kat. 61<br />

Junge mit Hase, Bleistiftzeichnung, 30,5 x 21 cm<br />

80


81<br />

Kat. 62<br />

Junge am Tisch, Temperafarben, 75 x 50 cm


82


Mutter und Kind


Erna Miller zitiert in ihren Erinnerungen einen<br />

Brief ihrer Mutter. Sie hatte ihr geschrieben,<br />

dass sie ein Kinderheim <strong>auf</strong>machen wolle. „Ich<br />

wünsch Dir Glück, wenn ihr schon selber keine<br />

Kinder bekommen könnt. Sei von einer Natürlichkeit,<br />

Religiosität, Intelligenz und Energie<br />

mit mütterlicher Liebe gepaart.“ Viele schlimme<br />

Berichte über Kinderheime, auch in Kallmünz<br />

haben die Runde gemacht, nicht so über<br />

das Millersche. Sepp und Erna Miller haben<br />

wohl den Rat der Mutter beherzigt. Und der<br />

Maler vermittelt in seinen Bildern oft genau<br />

das: die liebevolle, zärtliche Zuwendung der<br />

Eltern zum Kind. Mit expressivem Ausdruck,<br />

der die Gesten manchmal überzeichnet entsteht<br />

ein Bild, das eine enge, zärtliche und oft<br />

schützende Beziehung beschreibt.<br />

Die Darstellung von Maria mit dem Kinde hat<br />

eine lange Tradition in der christlichen Malerei.<br />

Maria und das Jesuskind werden in verschiedensten<br />

Varianten abgebildet. Besonders<br />

das typisch blaue Gewand der Dargestellten<br />

lässt die Verbindung zu. Die Mutter küsst das<br />

nackte Kind und so verschmelzen die Köpfe<br />

der beiden und bilden eine Einheit. Auffällig ist<br />

zudem, dass die äußeren Konturen der Mutter<br />

dick und kräftig gestaltet wurden, wie eine Art<br />

Schutzschild. Die inneren Konturen zum Kind<br />

hin, sind feiner und bilden eine schützende<br />

Einheit um dieses.<br />

Kat. 63<br />

Innige Verbindung, Temperafarben, 49 x 33,5 cm<br />

84


Kat. 64<br />

Mutter mit Kind am Schoß, Bleistiftzeichnung, 28 x 20 cm, 1950<br />

Kat. 65 Mutter mit am Arm, Bleistiftzeichnung, 28 x 20 cm, 1948<br />

85


Kat. 66<br />

Zuwendung, Bleistiftzeichnung, 28 x 20 cm, 1954<br />

86


Kat. 67<br />

Zärtliche Mutter, Öl <strong>auf</strong> Hartfaserplatte, 52 x 24 cm


Kat. 68<br />

Mutter mit Kind, Öl <strong>auf</strong> Hartfaserplatte, 53 x 30 cm<br />

88


89<br />

Kat. 69<br />

Mutter mit Kind, 80 x 60 cm, Holzschnitt, posthumer Druck


Kat. 70<br />

Vater mit Kind, Bleistiftzeichnung, 21,5 x 30,5 cm, 1952<br />

90


Die Zeichnung zeigt eine nackte <strong>auf</strong> dem Rücken liegende Frau, die entspannt die Arme hinter dem Kopf verschränkt. Sie<br />

blickt <strong>auf</strong> ihr Kind das fröhlich von ihren angewinkelten Beinen <strong>auf</strong> ihren Bauch rutscht. Interessant ist, dass der Künstler es<br />

mit wenigen Strichen schafft die runden Formen der Mutter und ihres Kindes einzufangen und ein inniges Gefühl zwischen<br />

den beiden zu vermitteln.<br />

91<br />

Kat. 71<br />

Mutter mit Kind, Bleistiftzeichnung, 21,5 x 30,5 cm, 1952


Kat. 72<br />

Mutter mit Kind, Bleistiftzeichnung, 21,5 x 30,5 cm, 1954<br />

Kat. 73 Mutter mit Kind, und Katzenskizzen, Bleistift und Filzstift, 20 x 28 cm, 1948<br />

92


Kat. 74<br />

Zwei Mütter mit Kindern<br />

Öl <strong>auf</strong> Hartfaserplatte,<br />

60 x 40 cm


94<br />

Kat. 75<br />

Ich will zur Tante, Holzschnitt, 80 x 60 cm, posthumer Druck


Menschen im Alltag


Menschen im Alltag<br />

„Der Menschenfreund aus Kallmünz“ hat der Regensburger Journalist Ulrich Kelber die Besprechung einer Miller-Ausstellung<br />

betitelt. Die Kinderheimszenen, die Bilder mit Müttern mit Kindern sprechen da eine eindeutige Sprache: Miller stellt<br />

aber auch Menschen in ihrem Umfeld in ihrem täglichen Arbeiten dar. Oft bildet er sie in ihrer Gefühlswelt ab, als „Streitende,<br />

Denkende, Sinnende“ usw.<br />

Die Bilder sprechen von Nöten, Ängsten, Sorgen, aber immer vermitteln sie seinen „menschenfreundlichen“, verständni<br />

vollen Blick <strong>auf</strong> die dargestellten Personen.<br />

Miller portraitiert <strong>auf</strong> dieser Malerei mit Ölfarbe eine Frau vor rotem Hintergrund. Die Frau Blick selbstsicher aus dem<br />

linken Bildrand, dabei wird ihr rundliches Gesicht von einem blauen Hut mit breiter Krempe eingerahmt. Dazu trägt sie<br />

ein dunkelgrünes Gewand. Miller kommt wie so oft, mit wenigen aber kräftigen <strong>Farben</strong> aus und komponiert mit Hilfe der<br />

schwarzen Konturierung ein stimmiges Bild.<br />

Kat. 76<br />

Frau mit blauem Hut, Öl <strong>auf</strong> Hartfaserplatte, 43 x 47 cm<br />

Kat. 77<br />

Frau mit weißem Hut, Öl <strong>auf</strong> Hartfaserplatte, 43 x 47 cm<br />

96


97<br />

Kat. 78<br />

Die Zuhörer, Öl <strong>auf</strong> Hartfaserplatte, 47,5 x 63,5 cm


Kat. 79<br />

Frauen, Temperafarben, 42 x 58,5 cm<br />

98


Kat. 80<br />

„Unterhaltung“, aquarellierte Bleistiftzeichnung, 21 x 28 cm, 1948<br />

Kat. 81 Mienenspiel, Bleistiftzeichnung, 20 x 29 cm<br />

99


Kat. 82<br />

Gespräch am Tisch, Temperafarben, 48 x 76 cm<br />

100


101<br />

Kat. 83<br />

Neuigkeiten, Temperafarben, 45 x 60 cm


Der Künstler bildet in diesem Gemälde<br />

einen Mann in einem Innenraum<br />

mit Temperafarben ab. <strong>Diese</strong>r blickt<br />

aus einem Fenster und hält seinen<br />

rechten Arm abgewinkelt über sein<br />

Gesicht, vielleicht um besser nach<br />

draußen sehen zu können. Von dem<br />

Geschehen im Außenbereich sieht<br />

der Betrachter nur den blauen Himmel<br />

und ein strahlend gelbes Gebäude.<br />

Im Innenraum dominieren zwei<br />

verschiedene Brauntöne, die der<br />

Künstler für die Haare und die Jacke<br />

des Mannes und die Holzverkleidung<br />

verwendet. Der mit einem Komplementärkontrast<br />

gestaltete Vorhang<br />

in Rot und Grün, wurde zur Seite geschoben<br />

und gibt dem Zimmer einen<br />

Farbakzent. Das Bild verleitete dazu,<br />

sich Geschichten zu überlegen, was<br />

der Mann vor dem Fenster wohl sehen<br />

könnte.<br />

Kat. 84<br />

Blick aus dem Fenster, Temperafarben, 49 x 63 cm<br />

102


103<br />

Kat. 85<br />

Wartende, Öl <strong>auf</strong> Hartfaserplatte, 64 x 49 cm


Zu sehen ist ein Mann zwischen zwei starken Pferden, die sich ästhetisch-dynamisch bewegen, so als würde der Mann sie<br />

vorführen und anpreisen. Die Energie der vor Kraft strotzenden Pferde wird durch die gewählten <strong>Farben</strong>, Rot und Orange<br />

repräsentiert. Die Malweise macht die Gefühlswelt sichtbar, so dass der Betrachter sie durch die Übersetzung in der Malerei<br />

spüren kann. Das ist einer der wichtigsten Bestandteile des Expressionismus. Josef Georg Miller gelingt das ungemein<br />

gut. Mancher mag <strong>auf</strong>grund der Farbigkeit an die Pferdedarstellungen von Franz Marc denken, die Miller sicher bekannt<br />

waren.<br />

Kat. 86<br />

Mann mit zwei Pferden, Aquarell, 32,5 x 39 cm, 1948<br />

104


105<br />

Kat. 87<br />

Mann mit scheuendem Pferd, Temperafarben, 46,5 x 34,5 cm


Durch die Aquarellierung des Bildes entstehen Verwischungen und Farbübergänge, die die Dynamik der gewählten Szene<br />

betonen. Die galoppierenden Pferde erscheinen dadurch in Bewegung und weniger starr, trotz der schwarzen, dicken, expressiven<br />

Konturen. Die Szene wird in eine Landschaft gebettet, die vor <strong>Farben</strong> nur so leuchtet. Der strahlende Himmel in<br />

lila und gelb, gibt dem Bild eine angenehme Atmosphäre, fast romantisch und ein wenig heroisch bahnen sich die Reiter<br />

den Weg durchs Bild.<br />

Kat. 88<br />

Reiter, Aquarell, 47,5 x 72 cm<br />

106


107<br />

Kat. 89<br />

Torjubel, Temperafarben, 49 x 74 cm


Kat. 90<br />

Schwimmerinnen, Temperafarben, 47 x 72 cm<br />

108


Kat. 91<br />

Bei der Wäsche, Bleistiftzeichnung, 29 x 20 cm<br />

Kat. 92<br />

Beim Pflanzen setzen, Bleistiftzeichnung, 26 x 22 cm, 1952<br />

109


Kat. 93<br />

Beim Schweine Füttern, Bleistiftzeichnung, 26 x 22 cm, 1951<br />

110


Kat. 94<br />

Sich Kämmende, Mischtechnik,<br />

29 x 20,5 cm


Kat. 95<br />

Mann mit Katze, Holzschnitt, 49,5 x 36 cm, Posthumer Druck<br />

112


Gerade in den frühen Arbeiten, so wie bei dem Linolschnitt hier, kommt der expressive Charakter der Werke von MIller<br />

wunderbar zum Vorschein.<br />

Ein Liebespaar bei der Umarmung: Sie schlingt ihre Arme um seinen Nacken und streckt sich zum Kuss zu ihm hoch. Er<br />

umfasst sie mit seinen groben Händen und zieht sie an sich. Trotz der groben Gestaltung spricht eine große Zärtlichkeit<br />

aus dem Bild.<br />

113<br />

Kat. 96<br />

Umarmung, Linolschnitt, 47 x 47 cm, ca. 1933


Kat. 97<br />

Ratlosigkeit, Linolschnitt, 47 x 47 cm, rechts unten signiert 1932<br />

114


Akte


Miller beschäftigt sich mit allen Genres<br />

der klassischen Künstlerausbildung, zu<br />

der die Aktdarstellung gehört. Im Vergleich<br />

zu Landschaften oder Stillleben ist<br />

sie in seinem Werk eher unterrepräsentiert.<br />

Dennoch entwickelt er eine ganz<br />

eigenständige Darstellung des Aktes.<br />

Die Frauen sind bei sich, scheu und<br />

ungekünstelt. Der Betrachter sieht die<br />

Akte in ihrer Natürlichkeit, beim Baden<br />

in der Naab, beim Waschen, sinnierend<br />

<strong>auf</strong> dem Bett liegend, in Gespräch versunken<br />

oder eher ganz natürlich im<br />

Wasser schwimmend, oder schlafend<br />

<strong>auf</strong> dem Bett.<br />

Kat. 98<br />

Sich Waschende, Temperafarben,<br />

73 x 49 cm


117<br />

Kat. 99<br />

Drei Badende, Temperafarben, 49 x 71,5 cm


Kat. 100<br />

Roter und blonder Akte, Öl <strong>auf</strong><br />

Hartfaserplatte, 56,5 x 34 cm


119<br />

Kat. 101<br />

Liegender Akt mit Blumen, Öl <strong>auf</strong> Hartfaserplatte, 46,5 x 55 cm


Kat. 102<br />

Sitzender Akt, Tempera <strong>auf</strong> Buchseite, 28,5 x 22 cm<br />

Die hiervorliegende Skizze ist in einen<br />

interessanten Malgrund integriert,<br />

eine Seite aus einem Buch, respektive<br />

einer Satire-Zeitschrift namens<br />

„Punch Almanack“ aus dem Jahr<br />

1944. Auf der Rückseite des bemalten<br />

Blattes sind kritische Cartoons<br />

abgebildet. Miller nutzt die andere<br />

Seite, um <strong>auf</strong> die gedruckten Buchstaben<br />

mit schwungvollen rot-schwarzen<br />

Pinselstrichen einen weiblichen<br />

Akt darzustellen. Die Dame sitzt im<br />

Schneidersitz und blickt etwas melancholisch<br />

zum Boden herab.


121<br />

Kat. 103<br />

Liegender Akt, Temperafarben, 50 x 69 cm


Kat. 104<br />

Akt <strong>auf</strong> Sofa, Zeichnung, Aquarell, 21 x 30 cm, 1953<br />

Kat. 105 Zwei Badende, Tempera, 22 x 31,5 cm, 1953<br />

122


Experimente


Miller war in Leipzig mit der Kunst-Avantgarde der Zeit zusammen und mit den aktuellen Kunststilen vertraut. Die Menschendarstellungen<br />

der Holzschnitte Anfang der 30er Jahre zeigen ihn als stark expressionistisch geprägten Künstler, der<br />

die Gesten kantig überzeichnet. Die Landschaften sind geprägt von einer Sachlichkeit, die an Lyonel Feininger erinnert. Er<br />

kennt den Stil der Neuen Sachlichkeit, die Arbeiten der Kubisten und die Anfänge des Surrealismus.<br />

Mit der von Hitler durchgesetzten Kunstpolitik verschwanden diese Stilrichtungen in Deutschland aus der öffentlichen<br />

Wahrnehmung. Die Entwicklung der Künstler wurde beschnitten. Zwölf verlorene Jahre für die Kunst und für die Künstler.<br />

Wie weitermalen nach der Katastrophe musste sich auch Miller fragen? Er hat immer wieder experimentiert, Stilrichtungen<br />

ausprobiert. Im Nachlass befinden sich eine Vielzahl von Skizzen und Zeichnungen mit Versuchen verschiedenster Art.<br />

Miller hat wohl gespürt, dass es seine Kunst ist, sich <strong>auf</strong> das Bild und die Komposition zu beschränken, nicht <strong>auf</strong> eine Bildaussage,<br />

die gedeutet werden will. Er ist ein Vertreter der autonomen Kunst.<br />

Dass dem Künstler die Experimente außerhalb seiner gewohnten Malweise gelingen, kann man wunderbar an diesem<br />

Werk erkennen. Auf surrealistische Weise setzt er den Oberkörper und den Unterkörper eines weiblichen Akts mit blonden<br />

Haaren zusammen. Dabei lässt Miller dennoch vertraute Elemente seiner Malerei einfließen, wie die schwarzen Konturen,<br />

die er hier jedoch reduziert. Oder das leuchtende Rot und Grün im Hintergrund, die sich komplementär gegenüberstehen.


Kat. 106<br />

Akt mit goldenem<br />

Blumen,<br />

Temperafarben,<br />

50 x 70 cm, 1969


Kat. 107<br />

Zwei Frauen, kubistische Zeichnung aquarelliert, 41 x 32 cm<br />

126


Das Ende


Lange vor seinem Tod hat Miller immer wieder Unfallszenen skizziert, gezeichnet, gemalt, ja sogar ein großes Bild in Öl<br />

ausgeführt. Auch Begräbnisszenen und Leichenzüge sind in seinem Nachlass zu finden.<br />

Nur äußerst ungern und selten stieg Miller in ein Auto, er hasste Autos. Auf seinen späteren Bildern nehmen Straßen immer<br />

mehr Platz ein, teilweise sind sie von vielen Verkehrszeichen dominiert.<br />

Kurz vor seinem Tod ist er noch <strong>auf</strong> dem Friedhof gesehen worden. „Ich will sehen, wo ich beerdigt werde“, soll er gesagt<br />

haben. Sein ganzes Leben zuvor ist er nicht <strong>auf</strong> Friedhöfe gegangen.<br />

Josef Georg Miller kam bei einem Autounfall am 6. November 1983 ums Leben. Der schwerhörige Maler wollte am Abend<br />

noch einmal „ums Haus“ gehen. Er hatte im Nebel ein Auto nicht gesehen und gehört. Er wurde überfahren und war sofort<br />

tot.


Trotz der leuchtend bunten <strong>Farben</strong> kommen die Tragik und das Chaos der dargestellten Szene zur Geltung. Die Rückenfiguren<br />

verdeutlichen dem Betrachter hier könnte auch ich stehen. Die anderen abgebildeten Personen zeigen alle verzweifelte<br />

oder erschrockene Gesichter, einer guckt gen Himmel, vielleicht um den Herrn zu fragen: Wieso? Der Künstler<br />

kam bei einem Autounfall ums Leben.<br />

Kat. 108<br />

Unfall, Öl <strong>auf</strong> Hartfaserplatte, 70 x 99 cm


Quellen u.a.<br />

Erna Miller: Mehr als 50 Kallmünzer Jahre<br />

Josef Berlinger: Der Maler, der Hitler zum „Sauhund“ machte, Mittelbayerische Zeitung 19.04.1997<br />

Berta Rathsam: Josef Georg Miller, in „Die Oberpfalz“ 1957<br />

Ulrich Kelber: Der Menschenfreund aus Kallmünz, Mittelbayerische Zeitung 11.09.2017<br />

Martin Mayer: Josef Georg Miller, Katalog zur Ausstellung „unser Miller“ 2018<br />

Rainer Zimmermann: Die Kunst der verschollenen Generation. Deutsche Malerei des expressiven Realismus von 1925 bis 1975<br />

Bildnachweis<br />

Dokumente und Fotos aus dem Nachlass: Michael Miller: Martin Mayer, Bergsteig1.de<br />

Bilder aus dem Katalog Josef Georg Miller, 2019: Wolfram Schmidt, wsfoto.de<br />

Alle anderen Bilder der Ausstellung: Martin Mayer, bergsteig1.de<br />

Künstlerhaus am NIkischplatz<br />

https://mapio.net/pic/p-43012556/<br />

Beschlagnahmeinventar<br />

http://emuseum.campus.fu-berlin.de/eMuseumPlus?service=RedirectService&sp=Scollection&sp=SfieldValue&sp=0&sp=1&sp=3&sp=SdetailList&sp=0&sp=Sdetail&sp=0&sp=F


ISBN: 978-3-98219-377-9<br />

9 783982 193779

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