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6_2023 Leseprobe

Ausgabe 5_2023 des BIOGAS Journals, herausgegeben vom Fachverband Biogas e.V.

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Fachverband Biogas e.V. | ZKZ 50073 | 26. Jahrgang<br />

www.biogas.org<br />

6_<strong>2023</strong><br />

Ab Seite 54<br />

TITELTHEMA<br />

Technik &<br />

Innovation<br />

Biogas Convention –<br />

Messeneuheiten 46<br />

Branchenzahlen<br />

2022/23 94<br />

New York will mehr<br />

Biomethan 128


INHALT Biogas Journal | 6_<strong>2023</strong><br />

30 52<br />

EDITORIAL<br />

3 „Die Biogasbranche ist innovativ“<br />

Von Horst Seide, Präsident des<br />

Fachverbandes Biogas e.V.<br />

AKTUELLES<br />

6 Meldungen<br />

10 Bücher<br />

12 Termine<br />

14 Biogas-Kids<br />

16 Strohtagung Heiden Digital<br />

Von Dipl.-Ing. agr. (FH) Martin Bensmann<br />

20 Boden: Energiepflanze Silphie reduziert<br />

Wassererosion<br />

Von Dipl.-Ing. agr. (FH) Martin Bensmann<br />

26 Vorwärts ins Ungewisse<br />

Von Thomas Gaul<br />

30 EnviTec gibt mächtig Gas<br />

Von Dierk Jensen<br />

36 10 Jahre ONERGYS – ein Hauch von<br />

Silicon Valley am Niederrhein<br />

Von EUR ING Marie-Luise Schaller<br />

40 Große Firmenfeier mit Belegschaft<br />

und Gästen<br />

Von Dipl.-Ing. agr. (FH) Martin Bensmann<br />

44 Baufortschritt auf Mega-Biogasbaustelle<br />

Beilagenhinweis: Das Biogas Journal<br />

enthält Beilagen der Firmen agrikomp,<br />

CAM Energy, CSC Carbon und wattline<br />

sowie den Ausstellerkatalog der Biogas<br />

Convention vom Fachverband Biogas.<br />

MESSENEUHEITEN<br />

46 Biogas Convention & Trade Fair<br />

POLITIK<br />

52 Gute Aussichten im Wärmesektor<br />

Von Jörg Schäfer<br />

4


Biogas Journal | 6_<strong>2023</strong><br />

INHALT<br />

Technik &<br />

Innovation<br />

54 Formaldehyd-Schnelltest gibt<br />

Sicherheit vor der jährlichen<br />

Emissionsmessung<br />

Von Thomas Gaul<br />

60 Katalysatoren in der Waschanlage<br />

Von Thomas Gaul<br />

66 Einbringtechnik muss verschiedenste<br />

Inputstoffe bewältigen können<br />

Von Dierk Jensen<br />

54<br />

TITELFOTO: THOMAS GAUL I FOTOS: ENVITEC BIOGAS AG, PICTURE ALLIANCE/DPA | PHILIPP VON DITFURTH, THOMAS GAUL, OLIVER RISTAU<br />

128<br />

PRAXIS<br />

WISSENSCHAFT<br />

VERBAND<br />

74 Grünlanddüngung: Gezielte Gaben<br />

Von Dipl.-Journ. Wolfgang Rudolph<br />

82 Interview<br />

„Es geht um 10 Millionen<br />

Tonnen Biomasse jährlich“<br />

Von Dipl.-Journ. Wolfgang Rudolph<br />

86 Vakuumverdampfer<br />

Lagerproblem behoben, Gärbiologie<br />

und Düngung verbessert<br />

Von Christian Dany<br />

94 Branchenzahlen<br />

Ist der Höhepunkt der Stromproduktion<br />

erreicht?<br />

Von Dipl.-Ing. agr. (FH) Manuel Maciejczyk<br />

98 Bränden von Stäuben vorbeugen<br />

Von Dr. Jonathan Bechem, Dr. Susanne<br />

Causemann, Dr. Florian Heuser und<br />

Dirk Pachurka<br />

104 Anlagen des Monats August<br />

und September<br />

106 Praxisversuch: Spezialenzyme für<br />

die Optimierung der Biogasproduktion<br />

aus Mist<br />

Von Dr.-Ing. Patrice Ramm, Dr.-Ing. Frank<br />

Scholwin und Philipp Liebsch<br />

INTERNATIONAL<br />

Schweden<br />

116 Abfall ist ein Schatz<br />

Von Klaus Sieg<br />

New York<br />

128 Reste vom Big Apple für Biomethan<br />

Von Dipl.-Pol. Oliver Ristau<br />

USA<br />

134 Ist der IRA eine Green Card für grüne<br />

Gastechnologien?<br />

Von EUR ING Marie-Luise Schaller<br />

Aus der Geschäftsstelle<br />

142 Stagnation oder Aufbruch?<br />

Von Dr. Stefan Rauh und<br />

Dipl.-Ing. agr. (FH) Manuel Maciejczyk<br />

148 Energiewende-Langfristszenarien<br />

der Bundesregierung: Unterschätztes<br />

Biomasse-Potenzial<br />

Von Dr. Simone Peter, BEE<br />

150 Radln für die Energiewende<br />

154 Impressum<br />

5


AKTUELLES BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2023</strong><br />

Boden: Energiepflanze Silphie<br />

reduziert Wassererosion<br />

Am 11. und 12. September fand der FNR-KTBL-Fachkongress „Biogas<br />

in der Landwirtschaft – Stand und Perspektiven“ als Hybridveranstaltung<br />

sowohl in Bonn als auch online statt. Über 220 Interessierte (80<br />

online) nahmen an der Veranstaltung teil, die einen großen thematischen<br />

Bogen schlug. Nachfolgend ein paar Vortragsschlaglichter.<br />

Von Dipl.-Ing. agr. (FH) Martin Bensmann<br />

Hätten Sie gewusst, dass für<br />

die Bildung von einem Zentimeter<br />

fruchtbaren Boden<br />

100 bis 300 Jahre vergehen<br />

müssen, damit aus dem Ausgangsgestein<br />

ein organisch-mineralischer<br />

Boden entsteht? Mit dieser Information<br />

startete Dr. Kerstin Panten vom Julius-<br />

Kühn-Institut in ihren Vortrag mit dem<br />

Thema „Gewässerschutz durch Erosionsminderung<br />

im Energiepflanzenanbau“.<br />

Vor dem Hintergrund dieser sehr langsam<br />

ablaufenden Bodenbildungsprozesse sei<br />

die Wind- und Wassererosion im Ackerbau<br />

zu vermeiden.<br />

„Ganz entscheidend für die Entstehung<br />

von Wassererosion ist die Infiltrationskapazität<br />

eines Bodens. Es geht also um<br />

die Wassermenge, die ein Boden in einer<br />

Zeiteinheit aufnehmen kann, wenn es zu<br />

einem Regenereignis kommt. Die Bodenart,<br />

auf der wir ackern, können wir nicht<br />

beeinflussen. Aber wir können das Porenvolumen<br />

beziehungsweise die Lagerungsdichte<br />

unserer Böden beeinflussen“, betonte<br />

Dr. Panten.<br />

Böden könnten so hydrophob sein, dass<br />

sie gar kein Wasser aufnehmen können.<br />

Das geschehe sehr häufig, wenn die Böden<br />

ausgetrocknet sind. Dann könne er zu<br />

Beginn des Regens gar kein Wasser aufnehmen.<br />

„Wenn der Boden dann keine<br />

Pflanzen- oder Mulchdecke hat, kommt<br />

es zum sogenannten Tropfenschlag. Geschieht<br />

dieser an einem Hang, werden<br />

die Sedimente, die sich gelöst haben,<br />

hangabwärts verlagert. Dadurch wird der<br />

Erosionsprozess in Gang gebracht“, verdeutlichte<br />

die Wissenschaftlerin.<br />

Starkregenereignisse in den<br />

Sommermonaten<br />

Einfluss darauf, ob es zur Erosion kommt<br />

oder nicht, habe der Grad der Durchwurzelung<br />

des Bodens. Seitenwurzeln würden<br />

deutlich stärker Erosion verhindern<br />

als Pfahlwurzeln. Die Durchwachsene Silphie<br />

habe beispielsweise ein ganz anderes,<br />

stärkeres Wurzelsystem als Mais. Laut<br />

statistischen Daten seien in den Jahren<br />

2001 bis 2018 von Mai bis August verstärkt<br />

Starkregenereignisse festzustellen.<br />

Das von der Fachagentur Nachwachsende<br />

Rohstoffe e.V. (FNR) geförderte Projekt<br />

„PrevEro“ hat zum Ziel, sowohl den Daueranbau<br />

von Durchwachsener Silphie als<br />

auch ein Direktsaatverfahren von Mais im<br />

Vergleich zu konventionell angebautem<br />

Mais auf die Erosionsminderung und die<br />

mit der Erosion einhergehenden Nährstoffverluste<br />

zu bewerten. Feldversuche<br />

finden dazu in Erkerode (Niedersachsen)<br />

und in Wolfberg nahe Ostrach (Baden-<br />

Württemberg) statt.<br />

Zitat aus dem Tagungsband:…„In beiden<br />

Versuchsregionen kam es im Sommer<br />

2022 zu Starkregenereignissen, die entsprechend<br />

der Klassifizierung des Deutschen<br />

Wetterdienstes in dieser Höhe nur<br />

alle 100 Jahre auftreten […]. So fielen in<br />

Erkerode am 24.06.2022 innerhalb einer<br />

Stunde 64 mm Niederschlag in Form von<br />

Regen. Ein weiteres Starkregenereignis (7<br />

mm in 15 min) folgte am 07.07.2022.<br />

Schon das erste Ereignis führte zu starken<br />

Schädigungen der Bodenstruktur und zur<br />

Bildung von Erosionsrinnen […]. Diese<br />

Schädigung führte bei allen nachfolgenden<br />

Ereignissen zu einem vermehrten<br />

Oberflächenabfluss.<br />

Silphieflächen: weniger<br />

Bodenabtrag<br />

Am Standort Wolfberg fand am<br />

05.08.2022 ein Starkniederschlag (28<br />

mm in 15 Minuten) in Form von Regen<br />

und Hagel statt, auch dieser in einer Aus-<br />

FOTO: MARTIN BENSMANN<br />

20


BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2023</strong><br />

AKTUELLES<br />

prägung, die nur alle 100 Jahre zu erwarten<br />

sind. Dieses Ereignis führte aufgrund<br />

des Hagels nicht nur zu einer Bodenschädigung,<br />

sondern auch zu einer massiven<br />

Schädigung der Pflanzenbestände […].<br />

Bei den beschriebenen extremen Niederschlagsereignissen<br />

zeigte sich, dass die<br />

Aufnahmekapazität der Messinstrumente<br />

unterhalb der Maisparzellen überschritten<br />

wurde, während unterhalb der Silphieparzellen<br />

aufgrund des wesentlich geringeren<br />

Bodenabtrags Aufzeichnungen<br />

bis zum Ende des Niederschlagsereignisses<br />

erfolgten.<br />

Der Bodenabtrag aus den Maisparzellen<br />

führte zu einer Verschlämmung der<br />

Messanlage, sodass kein Wasserdurchfluss<br />

durch die Kippapparaturen mehr<br />

möglich gewesen ist. […] In Erkerode<br />

wurden über das Sommerhalbjahr 2022<br />

im Mittel 372 ±394 kg/ha (Silphie),<br />

1.442 ±1.240 kg/ha (Direktsaat Mais)<br />

und 3.083 ±304 kg/ha (Mais konventionell)<br />

Boden verlagert. […] Am Standort<br />

Wolfberg wurden im gleichen Zeitraum<br />

im Mittel 21 ±15 kg/ha (Silphie), 413<br />

±336 kg/ha (Direktsaat Mais) und 664<br />

±701 kg/ha (Mais konventionell) an Boden<br />

verlagert. […]<br />

Ähnliche Ergebnisse zeigten sich im<br />

Oberflächenabfluss während des Sommerhalbjahres<br />

2022. Während des Starkregenereignisses<br />

in Erkerode flossen im<br />

Mittel 2,8 ±1,9 l/m² (Silphie), 5,4 ± 0,3<br />

l/m² (Direktsaat Mais) und 7,6 ± 0,6 l/m²<br />

(Mais konventionell) ab. […] Am Standort<br />

Wolfberg floss im Mittel der Einzelereignisse<br />

1,2 ±0,1 l/m² (Silphie), 2,0 ±0,6 l/m²<br />

(Direktsaat Mais) und 1,4 ±0,4 l/m² (Mais<br />

konventionell) ab. […] Es gilt jedoch zu<br />

bedenken, dass der Niederschlag aus<br />

Regen und Hagel bestand und in Summe<br />

wesentlich geringer als beim Starkregenereignis<br />

in Erkerode ausfiel. […]<br />

Besonders beim Starkregenereignis im<br />

Juni in Erkerode zeigte sich der Vorteil<br />

der zu diesem Zeitpunkt schon fast<br />

100-prozentigen Bodenbedeckung durch<br />

die Silphie. Demgegenüber befand sich<br />

der Mais nach Direktsaat noch bei einer<br />

Bodenbedeckung von 38 % und der konventionell<br />

gedrillte Mais bei 60 %.“<br />

Zum Verfahren der praktizierten Direktsaat<br />

konnte die Referentin leider keine Angaben<br />

machen. Das ist schade, weil es innerhalb<br />

der Direktsaat verschiedene Systeme<br />

beziehungsweise technische Lösungen<br />

gibt, die mehr oder weniger intensiv den<br />

Boden bei der Saat öffnen. Laut Dr. Panten<br />

machen die Niederschlags-Großereignisse<br />

die Masse des Bodenabtrags aus.<br />

Die Durchwachsene Silphie reduziert den<br />

Bodenabtrag deutlich im Vergleich zu den<br />

Maisvarianten auf beiden Versuchsstandorten.<br />

Mais in Direktsaat hat aber auch zu<br />

einem reduzierten Bodenabtrag geführt.<br />

Aufgrund des verringerten Bodenabtrags<br />

wurde nicht nur weniger Sediment, sondern<br />

auch weniger Nährstoffe vom Acker<br />

abgetragen und in angrenzende Ökosysteme<br />

eingespült.<br />

Extensives Grünland ist<br />

ökonomisch schwierig<br />

Dr. Andreas Lemmer von der Universität<br />

Hohenheim referierte zum Thema<br />

„Nutzung von Landschaftspflegematerial<br />

– Einfluss des Erntezeitpunkts und<br />

der Aufbereitung auf Methanerträge und<br />

Wirtschaftlichkeit“. Er stellte Untersuchungsergebnisse<br />

aus einem Projekt vor,<br />

in dem die Tauglichkeit von Aufwüchsen<br />

aus extensiv bewirtschafteten Grünlandflächen<br />

analysiert wird. Es gibt Kulturlandschaften,<br />

wie Dr. Lemmer ausführte,<br />

die sich durch Jahrzehnte lange extensive<br />

Bewirtschaftung etabliert haben. Bei dieser<br />

extensiven Nutzung sei das Grünland<br />

ein- bis zweimal im Jahr gemäht und das<br />

Mähgut abgefahren worden.<br />

„Durch diese extensive Nutzungsform<br />

haben sich extrem artenreiche Grünlandbestände<br />

etabliert. Beispielsweise sind<br />

die Streuobstwiesen in Baden-Württemberg<br />

die artenreichsten Biotope, die wir<br />

überhaupt in der Kulturlandschaft finden.<br />

Ein Großteil der bedrohten Tier- und<br />

Pflanzenarten lebt auf diesen Flächen“,<br />

betonte der Wissenschaftler. Die Flächen<br />

müssten aber aus Gründen der Blütenstabilisierung<br />

und des Hochwasserschutzes<br />

gepflegt werden.<br />

Grünlandflächen, die ein- bis zweimal pro<br />

Jahr gemäht würden, hätten eine bessere<br />

Infiltration von Niederschlägen, sodass<br />

bei Starkregen mehr Wasser aufgenommen<br />

werden kann. Mit folgenden Fragen<br />

haben sich die Wissenschaftler*innen in<br />

dem Forschungsprojet befasst:<br />

1. Welche Biomasse- und Methanerträge<br />

sind in Abhängigkeit vom Erntezeitpunkt<br />

zu erwarten?<br />

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AKTUELLES BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2023</strong><br />

2. Wie ist die Zusammensetzung des FFH-<br />

Schnittgutes je nach Erntezeitpunkt?<br />

3. Welchen Aufwand haben verschiedene<br />

Erntemethoden und welche Verfahrenskosten<br />

fallen an?<br />

4. Welche Lagerverluste sind zu erwarten,<br />

wenn das Material nicht siliert wird und<br />

diskontinuierlich angeliefert wird?<br />

5. Wie ändern sich die Inhaltsstoffe<br />

während der Lagerung?<br />

6. Welchen Einfluss hat die mechanische<br />

Aufbereitung auf den Methanertrag<br />

und auf die Lagerverluste?<br />

In dem Projekt wurden zwei Untersuchungsgebiete<br />

ausgewählt:<br />

I. Biosphärengebiet Schwäbische Alb,<br />

typische Streuobstwiesen, 73 Flurstücke<br />

mit einer durchschnittlichen<br />

Flächengröße von 0,109 Hektar.<br />

II. FFH-Gebiet „Nutze-Nieplitz-Niederung“<br />

und „Zarth“ in Brandenburg.<br />

Feuchtwiesen und Seggenrieden, 15<br />

Flurstücke mit einer durchschnittlichen<br />

Flächengröße von 2,4 Hektar.<br />

Insgesamt aber ein sehr großes<br />

zusammenhängendes Gebiet von über<br />

900 Hektar.<br />

3 bis 4 t Trockenmasse pro<br />

ha und Jahr<br />

Nun zu den Ergebnissen: In Baden-Württemberg<br />

fand der erste Schnitt des Grünlands<br />

Mitte bis Ende Juni statt und der<br />

zweite Schnitt von Ende August bis Anfang<br />

September. Geerntet wurden dabei<br />

insgesamt 3 bis 4 Tonnen Trockenmasse<br />

pro Hektar und Jahr. Die ersten Schnitte<br />

lieferten mit um die 2,5 Tonnen Trockenmasse<br />

pro Hektar den Hauptertrag.<br />

Die Trockensubstanzgehalte variierten im<br />

Erntegut zwischen 18 und 56 Prozent.<br />

In Brandenburg war laut Dr. Lemmer<br />

häufig nur ein Schnitt möglich. Die Trockenmasse-Erträge<br />

lagen bei 3,8 Tonnen<br />

pro Hektar und Jahr ±1,29 Tonnen. Die<br />

Trockensubstanzgehalte schwankten zwischen<br />

20,7 und 37,3 Prozent. Gemäht<br />

wurden die Flächen von Ende Juli bis Mitte<br />

September.<br />

Die Methanerträge in Baden-Württemberg<br />

unterschieden sich nur gering zwischen<br />

den Schnitt-Terminen beziehungsweise<br />

den Versuchsjahren. Sie brachten es auf<br />

rund 280 Liter (l) CH 4<br />

pro Kilogramm (kg)<br />

organische Trockensubstanz (oTS). Der<br />

Flächenspezifische Gesamt-Methanertrag<br />

schwankte zwischen 900 und 1.100<br />

Kubikmeter (m³) pro Hektar und Jahr.<br />

„Würden die Flächen im Frühjahr gemäht<br />

– was man aber nicht macht – könnten<br />

rund 320 l CH 4<br />

je kg oTS realisiert werden.<br />

Die spezifischen Methanerträge nehmen<br />

im Vegetationsverlauf ab und sinken<br />

auf 240 bis 250 l CH 4<br />

pro kg oTS“, informierte<br />

Dr. Lemmer.<br />

In Brandenburg sind die Standorte an<br />

sich deutlich variabler als in Baden-<br />

Württemberg. Es handelt sich sowohl um<br />

nährstoffreiche als auch nährstoffarme<br />

Feuchtwiesen, um Frischwiesen und um<br />

feuchte Grünlandbrache-Standorte. Dementsprechend<br />

sind die Pflanzenbestände<br />

sehr unterschiedlich und auch die Erntezeitpunkte.<br />

Eine große Variation besteht<br />

hinsichtlich der CH 4<br />

-Erträge im Bereich<br />

von 170 bis 310 l/kg oTS.<br />

In Brandenburg haben die Messungen ergeben,<br />

dass die Höhe des Ligningehaltes<br />

deutlichen Einfluss auf den spezifischen<br />

Methanertrag hat. „Der ADL-Gehalt ist<br />

dabei ein wesentlicher Parameter, aber<br />

nicht der alleinige Einflussfaktor, der die<br />

Umsetzbarkeit des Substrates bestimmt.<br />

Die Methanhektar-Erträge schwanken hier<br />

zwichen 550 und 1.580 m³ pro Hektar<br />

und Jahr. Sehr häufig wurden Methanerträge<br />

im Bereich von 800 bis 1.000 m³<br />

pro Hektar geerntet“, führte Dr. Lemmer<br />

weiter aus.<br />

Arbeitsaufwand: Mechanisierungsgrad<br />

und Flächenstruktur üben<br />

starken Einfluss<br />

Ergebnisse der Arbeitszeiterfassung: In<br />

Baden-Württemberg erreicht die Bearbeitung<br />

der Streuobstwiesen einen Zeitaufwand<br />

von 5 bis 50 Stunden pro Hektar.<br />

Sehr starken Einfluss auf den Arbeitszeitbedarf<br />

haben die eingesetzte Technik, der<br />

Bewuchs, die Flächengrößen und ob ein<br />

Lohnunternehmer eingesetzt worden ist.<br />

Kleine Flurstücke mit durchschnittlich<br />

0,109 Hektar Größe und einer hohe Anzahl<br />

an Bäumen pro Fläche (85 bis 118<br />

Bäume) mit im Durchschnitt 28 Metern<br />

Kronendurchmesser machen einen er-<br />

22


BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2023</strong><br />

AKTUELLES<br />

Streuobstwiesen sind sehr<br />

wertvolle Biotopflächen. Deren<br />

Grasnutzung in Biogasanlagen<br />

ist allerdings wirtschaftlich<br />

uninteressant.<br />

FOTO: WWW.LANDPIXEL.DE<br />

heblichen Anteil an Handarbeit notwendig.<br />

Etwa ein Viertel der Arbeitszeit entfiel<br />

auf das Mähen, drei Viertel der Arbeitszeit<br />

sind für das Schwaden und Laden zu<br />

veranschlagen. Die Kosten je Hektar und<br />

Jahr belaufen sich auf 1.800 bis 3.800<br />

Euro – für das Mähen, Schwaden und<br />

Laden bei zwei Schnitten. Im Schnitt betragen<br />

die Kosten 2.400 Euro pro Hektar<br />

und Jahr.<br />

In Brandenburg zeigt sich diesbezüglich<br />

ein ganz anderes Bild. Der Feldarbeitszeitbedarf<br />

liegt nach Dr. Lemmers Angaben<br />

zwischen 1,69 und 2,57 Stunden<br />

pro Hektar in der Erntekette vom Mähen<br />

bis einschließlich Pressen in Rundballen.<br />

Inklusive Anfahrt- und Rüstzeiten<br />

ergibt sich ein Gesamtarbeitszeitbedarf<br />

von 2,8 bis 5,2 Stunden pro Hektar. Die<br />

Bergung des Mähguts sei nicht in jedem<br />

Versuchsjahr möglich gewesen. Der<br />

Dieselverbrauch für die Erntekette liegt<br />

zwischen 14 und 18 l pro Hektar. Beim<br />

Einsatz von Scheibenmähwerken ist der<br />

Dieselverbrauch höher im Vergleich zum<br />

Doppelmesser-Mähwerk.<br />

Hohe Trockenmasse-Verluste<br />

bei offener Lagerung<br />

Die Untersuchung der Massen- und Energieverluste<br />

bei der offenen lockeren Lagerung<br />

des FFH-Schnittgutes hat gezeigt,<br />

dass pro Tag Trockenmasseverluste<br />

von 2-Prozent-Punkten<br />

im Vergleich zum Ausgangswert<br />

entstehen. Beim Methanertrag<br />

ist innerhalb von 14 Tagen nur<br />

noch die Hälfte des Biogaspotenzials<br />

vorhanden, weil das<br />

Material sehr schnell verrottet.<br />

Der potenzielle Methanertrag<br />

nimmt um 3-Prozent-Punkte<br />

pro Tag ab.<br />

Das Schnittgut erwärmt sich<br />

innerhalb von 15 Tagen auf bis<br />

zu 55 Grad Celsius. Der Zuckergehalt<br />

sinkt während der<br />

Lagerung, während der relative<br />

Lignocelluloseanteil ansteigt. In das offen<br />

gelagerte Mähgut eindringende Niederschläge<br />

beschleunigen die Verrottung<br />

beziehungsweise die Energieverluste. Die<br />

Konservierung oder die zeitnahe Verwertung<br />

des Materials sind daher sehr zu<br />

empfehlen.<br />

Wie vorstehend schon erwähnt wurde<br />

auch der Frage nachgegangen, welchen<br />

Einfluss eine mechanische Desintegration<br />

des Erntegutes auf den Methanertrag<br />

hat. Zum Einsatz kamen zum Beispiel<br />

ein Querstromzerspaner und ein Doppelschnecken-Extruder<br />

von Lehmann mit<br />

unterschiedlichen Blendeneinstellungen.<br />

Nach Dr. Lemmer war in Branden-<br />

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23


AKTUELLES BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2023</strong><br />

burg der spezifische Methanertrag im<br />

Batch-Gärtest um 1 bis 13 Prozent höher.<br />

Bei überständigem Erntegut von badenwürttembergischen<br />

Streuobstwiesen<br />

konnten sogar Steigerungen des spezifischen<br />

Methanertrages um bis zu 28<br />

Prozent gegenüber der unbehandelten<br />

Kontrolle nachgewiesen werden. „Eine<br />

Desintegration ist immer dann sinnvoll,<br />

wenn die spezifischen Methanerträge<br />

unter 200 l pro kg oTS liegen“, erklärte<br />

Dr. Lemmer. Er machte unmissverständlich<br />

deutlich, dass bei nur rund 1.000 m³<br />

Methanertrag pro Hektar die Wirtschaftlichkeit<br />

bei diesem Inputmaterial in der<br />

Regel nicht gegeben ist – auch nicht mit<br />

Inanspruchnahme diverser Förderprogramme.<br />

Grüne Elektronen und Moleküle<br />

Andreas Weber vom Bundesverband<br />

der Energie- und Wasserwirtschaft e.V.<br />

(BDEW) referierte über die „Zukünftige<br />

Rolle von Biogas zur Sicherung unserer<br />

Energieversorgung“. „Die Gaswirtschaft<br />

versteht sich als Partner von Politik und<br />

Gesellschaft bei der tiefgreifenden Transformation<br />

der Gasversorgung. Das zukünftige<br />

Energiesystem ist integrativ und resilient.<br />

Es basiert auf „grünen“ Elektronen<br />

und „grünen“ Molekülen, eröffnete er<br />

seinen Vortrag.<br />

Es werde keine reine Elektrifizierung geben.<br />

Es werde grünen Wasserstoff und<br />

Biogas ebenso geben wie erneuerbaren<br />

Strom. Wasserstoff und Biogas seien<br />

elementarer Teil eines solchen Energiesystems.<br />

Eine Erhöhung der Biomethaneinspeisung<br />

in das Gasnetz könne dazu<br />

beitragen, einen Teil der Erdgasimporte<br />

zu ersetzen.<br />

Die EU-Kommission wolle mit der RePowerEU-Strategie<br />

die Abhängigkeit von fossilen<br />

Brennstoffen weiter reduzieren. Dafür<br />

solle die Biomethanerzeugung in Europa<br />

bis 2030 verzehnfacht werden. Dies sei<br />

zwar keine verbindliche Strategie, aber<br />

eine Ausrichtung, aus der sich politische<br />

Prozesse ergeben könnten. Die potenziell<br />

erreichbare Biomethanmenge sieht Weber<br />

bei 100 Terawattstunden, was etwa 10<br />

Prozent des deutschen Erdgasverbrauchs<br />

entspreche – und dies, ohne den Anbau<br />

von Energiepflanzen zu erhöhen. Die Biomethanproduktion<br />

könne durch ungenutzte<br />

Potenziale von Rest- und Abfallstoffen<br />

ausgeweitet werden.<br />

Biomethan-Strategie notwendig<br />

Weber erwartet aktuell eher eine Stagnation<br />

beim Biomethanzubau. „Es bedarf daher<br />

dringend einer politischen Strategie<br />

und damit verlässlicher Rahmenbedingungen“,<br />

forderte Weber. Der BDEW habe<br />

einen 10-Punkte-Plan für eine nachhaltige<br />

Erhöhung der Biomethaneinspeisung<br />

vorgelegt. Maßnahmen für eine nachhaltige<br />

Erhöhung der Biomethaneinspeisung<br />

sind laut Weber:<br />

a) Eine verlässliche Bestimmung der<br />

zukünftigen Rolle von Biomethan im<br />

Rahmen der geplanten nationalen Biomassestrategie.<br />

b) Dabei sollten ambitionierte, jährliche<br />

Ausbauziele mit Fokus auf Rest- und Abfallstoffe,<br />

Klärgas sowie fortschrittliche<br />

Einsatzstoffe definiert werden.<br />

Die 10 Punkte des BDEW kurz und knapp:<br />

1. Maximale Produktionskapazität von<br />

Biomethan durch Nutzung der technischen<br />

Möglichkeiten bei Bestandsanlagen<br />

dauerhaft erhöhen.<br />

2. Umstellung von der Vor-Ort-Verstromung<br />

auf Biomethanproduktion und<br />

-einspeisung vereinfachen.<br />

3. Realisierungszeiträume durch vereinfachte<br />

und weniger aufwändige Genehmigungsverfahren<br />

verkürzen beim<br />

Neubau von Biomethananlagen.<br />

4. Biomethaneinspeisung in der Gasnetzzugangsverordnung<br />

neu regeln.<br />

5. Die Nachweisführung für die Nachhaltigkeit<br />

und Treibhausgasminderung<br />

vereinfachen.<br />

6. EU-weiten Handel mit Biomethan<br />

ermöglichen.<br />

7. Fördermodell zum Ausbau der Biomethanproduktion<br />

über Carbon Contracts<br />

for Difference (CCfD) einführen.<br />

8. Nutzungsbedingungen für Biomethan<br />

im EEG, KWKG und GEG<br />

verbessern.<br />

9. Die Vergärung von Bioabfällen<br />

inklusive Aufbereitung zu Biomethan<br />

verpflichtend machen.<br />

10. Energetische Biomassenutzung an<br />

Biomethananlagen fördern.<br />

Langfristige Anwendungsmöglichkeiten<br />

von Biomethan sieht der BDEW im nicht<br />

elektrifizierbaren Verbrauch sowie in der<br />

stofflichen Nutzung in Industrie und Mittelstand.<br />

In der chemischen Industrie<br />

könne Biomethan als Rohstoff und wertvoller<br />

Kohlenstoff-Lieferant zum Einsatz<br />

kommen, wie zum Beispiel für eine nachhaltige<br />

Ammoniak- und Wasserstoffherstellung.<br />

Zu Synthesegas umgewandelt<br />

könnten aus Biomethan verschiedene<br />

Basischemikalien entstehen.<br />

Nicht alle Gasleitungen werden<br />

weitergenutzt<br />

Als nicht-elektrifizierbare Bereiche nannte<br />

Weber beispielsweise die Luft- und<br />

Schifffahrt. Wasserstoff, Bio-CNG und<br />

Bio-LNG sowie Derivate davon würden als<br />

alternative Kraftstoffe eine unverzichtbare<br />

Rolle spielen. Darüber hinaus sei<br />

Biomethan wichtig zur Absicherung der<br />

Wärme- und Stromversorgung. Wie der<br />

BDEW-Mitarbeiter ausführte, kann die<br />

Gasinfrastruktur wie folgt transformiert<br />

werden: „Die Gasinfrastrukturen, über<br />

die heute vorwiegend Erdgas transportiert<br />

wird, bilden die Basis für die zukünftige<br />

klimaneutrale Gasversorgung. Deren notwendige<br />

Transformation besteht aus vier<br />

Komponenten:<br />

1. Herstellung der Wasserstoff-Readiness<br />

und Umstellen bestehender Infrastrukturen<br />

auf Wasserstoff.<br />

2. Bau neuer Wasserstoff-Infrastrukturen.<br />

3. Weiternutzung bestehender Infrastrukturen<br />

mit Biomethan.<br />

4. Stilllegung von Infrastrukturen, wo<br />

Gasanwendungen vollständig durch<br />

Elektrifizierung oder Wärmenetze<br />

ersetzt werden.“<br />

Wofür grüne Gase zukünftig konkret eingesetzt<br />

werden und in welchen Mengen,<br />

sei heute in Teilen noch unklar. Es gibt<br />

erhebliche Unsicherheiten hinsichtlich<br />

technologischer, wirtschaftlicher, geopolitischer<br />

und gesellschaftlicher Entwicklungen.<br />

Wegen dieser Unwägbarkeiten sei<br />

eine resiliente Gestaltung der Energiewende<br />

notwendig.<br />

Autor<br />

Dipl.-Ing. agr. (FH) Martin Bensmann<br />

Redakteur Biogas Journal<br />

Fachverband Biogas e.V.<br />

0 54 09/90 69 426<br />

martin.bensmann@biogas.org<br />

www.biogas.org<br />

24


BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2023</strong><br />

AKTUELLES<br />

BIOGAS<br />

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ENTSCHWEFELUNG<br />

BIO<br />

SPEZIALPRODUKTE<br />

BIOSIEGEL<br />

PRODUKTE<br />

25


TITELTHEMA<br />

Technik &<br />

Innovation<br />

Katalysatoren in der<br />

Waschanlage<br />

Waschen der Katalysatorscheibe.<br />

Der Katalysator ist das wichtigste Bauteil zur Abgasreinigung am Motor des Blockheizkraftwerks<br />

(BHKW). Wenn seine Leistung nachlässt und damit die Gefahr besteht, die nächste<br />

Emissionsmessung nicht zu bestehen, gibt es verschiedene Maßnahmen. Eine Reinigung<br />

kann ein guter Weg sein, die Leistungsfähigkeit wiederherzustellen.<br />

Von Thomas Gaul<br />

Ein sauberer Katalysator ist wieder leistungsfähig.<br />

Daher kann die Katalysatorwäsche<br />

ein Weg sein, die Lebensdauer dieses<br />

wichtigen Bauteils zur Abgasreinigung entscheidend<br />

zu verlängern. Doch zunächst<br />

muss erst einmal festgestellt werden, ob sich diese<br />

lebenserhaltende Maßnahme überhaupt lohnt. „Ab<br />

einer Leistung von etwa 50 Prozent lohnt sich die Wäsche“,<br />

sagt Andreas Weigand, Teamleiter Produktion<br />

und Logistik bei der Firma MIRATECH im hessischen<br />

Sinntal. Unter dem früheren Namen AIR-SONIC entwickelte<br />

das Unternehmen Schalldämpfer für BHKW-<br />

Motoren und eben die Katalysatorwaschanlage, doch<br />

dazu später mehr.<br />

„Der Katalysator muss natürlich zunächst ausgebaut<br />

werden – entweder vom Kunden selbst oder vom Servicetechniker<br />

des BHKW-Motors“, erläutert Weigand.<br />

Mit einem Paketdienst oder einer Spedition kommt<br />

das Bauteil bei MIRATECH an. Hier wird es zunächst<br />

mit einer speziellen Absaugvorrichtung von Staub<br />

und anderen groben Ablagerungen, wie zum Beispiel<br />

Ölasche, befreit. Dann wird die Katalysatorscheibe in<br />

den Messstand eingespannt.<br />

„Unser MLCTS, übersetzt Multi-Lambda-Catalyst-<br />

Test-System, ist eine Entwicklung aus den USA“, so<br />

Weigand. Sowohl Oxi-Kats als auch Drei-Wege-Katalysatoren<br />

können in dem Messstand auf ihre Funktionsfähigkeit<br />

überprüft werden. Mit dem MLCTS<br />

wird praktisch ein Abgasstrom simuliert, um so die<br />

Leistungsfähigkeit des Katalysators zu überprüfen. In<br />

einer Datenbank sind die Referenzdaten der Katalysatoren<br />

hinterlegt, sodass sich Abweichungen genau<br />

bestimmen lassen.<br />

Es beginnt mit einer Messung<br />

Der große Vorteil dieser Technik ist, dass das MLCTS<br />

schnell arbeitet – nach einer Aufheizphase von 15<br />

Minuten nimmt die eigentliche Messung nur weitere<br />

FOTOS: THOMAS GAUL<br />

60


BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2023</strong><br />

PRAXIS / TITEL<br />

ZYmaXX ®<br />

In dem Messstand werden die Katalysatorscheiben<br />

zur Untersuchung eingespannt.<br />

Bioline<br />

Mit einem mobilen Messgerät können bereits<br />

einige Parameter erfasst werden.<br />

10 bis 15 Minuten in Anspruch. Darüber hinaus arbeitet die<br />

Technik zerstörungsfrei – die Katalysatorscheibe bleibt also unversehrt<br />

erhalten.<br />

Zeigt die Messung nun, dass sich mit einer Wäsche die Leistungsfähigkeit<br />

annähernd wiederherstellen lässt, startet der eigentliche<br />

Waschvorgang. Im Zentrallager von MIRATECH stehen<br />

Waschwannen unterschiedlicher Größe. Damit können Katalysatorscheiben<br />

unterschiedlicher Größe gereinigt werden, ohne<br />

zu viel von der Waschflüssigkeit einsetzen zu müssen.<br />

Diese wird nach einem Rezept aus den USA in Deutschland hergestellt.<br />

Es handelt sich hierbei um eine spezielle Flüssigkeit,<br />

die ebenfalls Schwefelablagerungen lösen kann, ohne dabei<br />

die empfindliche Beschichtung des Katalysators anzugreifen.<br />

„Der eigentliche Waschvorgang dauert etwa ein bis zwei Tage“,<br />

erläutert Andreas Weigand. Immer wieder wird die Scheibe mit<br />

einem Hebezug angehoben und erneut in die Waschflüssigkeit<br />

getaucht. Aufsteigende Bläschen in der Waschflüssigkeit zeigen<br />

dann an, dass auch jede Wabe der Katalysatorscheibe erreicht<br />

wird.<br />

61<br />

natürlich<br />

ohne<br />

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PRAXIS / TITEL Biogas Journal | 6_<strong>2023</strong><br />

Beim Waschvorgang wird die Katalysatorscheibe<br />

wiederholt in das Becken mit der Waschflüssigkeit<br />

getaucht.<br />

Die Vorreinigung mit<br />

Absaugvorrichtung<br />

dient zum Entfernen<br />

von grobem Schmutz<br />

vor der eigentlichen<br />

Wäsche.<br />

Nach dem Waschen trocknen<br />

„Die Bewegung sorgt noch einmal für eine intensivere<br />

Reinigung – wie bei der Waschmaschine“, ergänzt<br />

Natascha Iser, Account Managerin bei MIRATECH.<br />

Ist der Reinigungsvorgang beendet, muss der Katalysator<br />

noch trocknen. Das Waschwasser wird in einem<br />

Tank aufgefangen und neutralisiert. Sollte der Kunde<br />

die Ausfallzeit nicht überbrücken können, stehen die<br />

gängigen Katalysatoren im Lager zum Tausch bereit.<br />

Nach der Reinigung und einer weiteren Messung auf<br />

dem Prüfstand, wodurch der erfolgreiche Betrieb zur<br />

Emissionsminderung von Kohlenstoffmonoxid (CO)<br />

und Formaldehyd (CH 2<br />

O) durch den gebrauchten Katalysator<br />

präzise bewertet werden kann, ist der Katalysator<br />

wieder voll einsatzbereit. „Diese Möglichkeit,<br />

den Lebenszyklus eines Katalysators zu verlängern,<br />

ist nicht nur umweltschonend, sondern bietet auch<br />

ein großes Einsparpotenzial für Anlagenbetreiber“,<br />

schreibt das Biogas Forum Bayern in einer Fachinformation.<br />

Von einer selbst durchgeführten Reinigung mittels<br />

Druckluft raten die Experten ab. Neben unweigerlich<br />

freigesetzten Stäuben besteht hier vor allem die Gefahr,<br />

dass Ascheablagerungen tief in die Poren der<br />

Beschichtung gedrückt werden und diese dauerhaft<br />

verschließen. Dadurch wird die Katalysatoroberfläche<br />

reduziert, die Aktivität nimmt ab und es wird das<br />

Gegenteil von dem erreicht, was eigentlich Ziel der<br />

Reinigungsmaßnahme war.<br />

Schwefel bringt die Gefahr<br />

Ist der Katalysator allerdings „vergiftet“, lässt sich<br />

keine Wäsche mehr durchführen. Die Vergiftung zeigt<br />

sich bereits beim Ausbau der Katalysatorscheibe als<br />

gelbliche Verfärbung. Neben Sauerstoff besitzen<br />

auch andere Elemente eine hohe Affinität zu<br />

62


BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2023</strong><br />

PRAXIS / TITEL<br />

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63


PRAXIS / TITEL Biogas Journal | 6_<strong>2023</strong><br />

Die gereinigte<br />

Katalysatorscheibe<br />

lässt wieder die<br />

Wabenstruktur klar<br />

erkennen.<br />

den Edelmetallen. So kann Schwefel, das in derselben<br />

Hauptgruppe wie Sauerstoff ist, auf der Katalysatoroberfläche<br />

adsorbiert werden.<br />

Der Katalysator kann in der Folge keine Sauerstoffmoleküle<br />

aufnehmen. Die Bindung ist zwar bei Temperaturen<br />

oberhalb von 650 Grad Celsius umkehrbar,<br />

jedoch werden solch hohe Temperaturen im<br />

Abgasstrang in der Regel nicht erreicht. Im Falle von<br />

Biogasmotoren stellen Schwefelverbindungen aus<br />

der Fermentation, insbesondere Schwefelwasserstoff,<br />

das wichtigste Katalysatorgift dar. Durch eine<br />

entsprechend ausgelegte und regelmäßig gewartete<br />

Entschwefelungseinrichtung kann dieses nahezu<br />

vollständig aus dem Brenngas entfernt werden.<br />

Weitere Katalysatorgifte stammen aus Verbrennungsrückständen<br />

von Motorenöl. Hier sollte auf die Verwendung<br />

aschearmer Motorenöle geachtet werden.<br />

Der Schwefel kann auch den Motorraum selbst angreifen.<br />

Als Schwefelsäure kann er Komponenten<br />

der Abgasstrecke korrodieren, die dem Katalysator<br />

nachgelagert sind. Die großen Mengen Schwefel, die<br />

im Biogas enthalten sind, müssen daher vor Eintritt<br />

in den Motor zunächst durch Eisenverbindungen im<br />

Fermenter gefällt und dann durch nachgelagerte Gasreinigungsverfahren<br />

aus dem Biogas entfernt werden.<br />

Auch Recycling im Angebot<br />

Dazu zählen Biowäscher und Aktivkohlefilter. Fallen<br />

diese Reinigungsverfahren auch nur wenige Stunden<br />

aus, können die Katalysatoren dauerhaft Schaden<br />

nehmen. Die Preise sind gestaffelt und betragen nur<br />

einen Bruchteil der Anschaffungskosten. Das Recycling<br />

von Katalysatoren bietet MIRATECH auch an.<br />

„Hier gibt es fixe Gutschriften für den Kunden, je<br />

nach Katalysator (Oxi- oder Drei-Wege-KAT) und Größe“,<br />

sagt Natascha Iser.<br />

Die Firma wurde an dem Standort in Hessen im Jahre<br />

1993 gegründet. Das Kerngeschäft waren wie bereits<br />

erwähnt Schalldämpfer – daher der Name AIR-<br />

Armin Dorn (links) und Andreas Weigand beim<br />

Bedienen des Katalysator-Prüfstands.<br />

SONIC. Im Jahr 2019 verkaufte der Eigentümer sein<br />

Unternehmen an die MIRATECH. Das ist ein global<br />

agierendes Unternehmen, das in mehr als 40 Ländern<br />

weltweit aktiv ist und sich auf die Abgasnachbehandlung<br />

und Lärmbekämpfung von stationären<br />

Motoren konzentriert.<br />

Die Zentrale befindet sich in Tulsa, Oklahoma. Fertigungsstätten<br />

werden in Knoxville, Tennessee; Houston,<br />

Texas; Prior Lake, Minnesota sowie im kanadischen<br />

Winnipeg unterhalten. Die Firma ist noch ein<br />

Jahr älter als die übernommene AIR-SONIC. Nach<br />

der Übernahme wurde der gewohnte Name zunächst<br />

beibehalten, erst im Sommer <strong>2023</strong> erfolgte die Umfirmierung.<br />

In den USA arbeiten 300 Beschäftigte für<br />

das Unternehmen, im hessischen Sinntal sind es 17.<br />

„Wir sind weiter auf der Suche nach Fachkräften“,<br />

erklärt Stefan Fuß, seit eineinhalb Jahren Geschäftsführer<br />

des Unternehmens. „Unsere Kunden sind alle<br />

großen Motorhersteller“, so Fuß. Daneben arbeitet<br />

die Firma mit den BHKW-Motoren-Servicedienstleistern<br />

und Packagern zusammen. Größere Kunden<br />

sind auch Stadtwerke, die mehrere BHKW betreiben.<br />

„Wenn Anfragen von Biogasanlagenbetreibern kommen,<br />

bearbeiten wir sie selbstverständlich auch“,<br />

ergänzt Natascha Iser.<br />

Autor<br />

Thomas Gaul<br />

Freier Journalist<br />

Im Wehrfeld 19a · 30989 Gehrden<br />

01 72/512 71 71<br />

gaul-gehrden@t-online.de<br />

64


BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2023</strong><br />

PRAXIS / TITEL<br />

ÜBERWACHUNG VON BIOGAS-ANLAGEN<br />

Biogas 401<br />

Mehrkanal-Gasanalysator<br />

Biogas 905<br />

Mehrkanal-Gasanalysator<br />

SENSOREN<br />

Die beiden Gas-Analysatoren Biogas 401<br />

und Biogas 905 über wachen kontinuierlich<br />

oder dis kon ti nuierlich die Qualität des<br />

Biogases auf die Gaskompo nenten hin.<br />

Optional warnen zusätzliche Umgebungsluft-Sensoren<br />

frühzeitig vor gesundheitsge<br />

fähr denden, explo sions fähigen und<br />

nichtbrenn baren Gasen und Dämpfen.<br />

❯❯❯ Biogas Know-how seit 2001 ❮❮❮<br />

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INTERNATIONAL<br />

BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2023</strong><br />

SCHWEDEN<br />

Schnipsel aus Metallen,<br />

Plastik und Verbundstoffen,<br />

häufig<br />

gelangen zu viele dieser<br />

Materialien bis in den<br />

Trockendünger.<br />

Stockholm<br />

Abfall ist ein Schatz<br />

Biogas aus organischen Reststoffen und Abwässern ist in Schweden ein<br />

wichtiger Baustein, um die ehrgeizigen Klimaziele des Landes zu erreichen.<br />

In Zukunft setzen die Skandinavier vor allem auf Bio-LNG.<br />

Von Klaus Sieg<br />

Wie ernst sie die Klimawende in Helsingborg<br />

nehmen, zeigt bereits<br />

die Fähre, die die Stadt im Süden<br />

Schwedens mit dem dänischen Helsingør<br />

verbindet. Fast geräuschlos<br />

gleitet sie über den Öresund, der an dieser Stelle nur<br />

knapp 4,9 Kilometer misst. Bei ihrer Inbetriebnahme<br />

2019 war sie die größte elektrisch angetriebene<br />

Fähre der Welt.<br />

28.000 Tonnen Treibhausgas pro Jahr erspart die<br />

Elektrifizierung des Fährverkehrs an dieser Stelle<br />

der Atmosphäre. Das ist beachtlich, aber es ist nur<br />

ein Teil in einem insgesamt sehr ambitionierten Gesamtplan.<br />

Helsingborg zählt zu den einhundert von<br />

der EU ausgewählten Städten der sogenannten Cities<br />

Mission. Diese Städte sollen bereits 2030 klimaneutral<br />

sein.<br />

Zudem ist die mit rund 150.000 Einwohnern achtgrößte<br />

Stadt Schwedens Teil des Projektes „Fossil<br />

fuel-free municipalities in Skåne 2.0“, an dem sieben<br />

Städte und Gemeinden der südschwedischen<br />

Region beteiligt sind. Zur Erreichung der Fossilfreiheit<br />

und der Null-Emission von Klimagas bis 2030<br />

hat Helsingborg ein dickes Paket an Maßnahmen geschnürt.<br />

„Biogas ist darin ein wichtiger Bestandteil“,<br />

sagt Jens Gille. Der Leiter der Strategieabteilung der<br />

Umweltbehörde Helsingborg empfängt uns im Foyer<br />

des RecoLab.<br />

Neuen Stadtteil errichtet<br />

Der geschwungene Neubau befindet sich nur wenige<br />

Hundert Meter vom Fähranleger entfernt. Der Blick<br />

durch die hohen Fensterscheiben geht auf Containerlager<br />

und brachliegende Kaianlagen. Wie alle Häfen<br />

dieser Welt hat sich der von Helsingborg in den letzten<br />

Jahrzehnten stark gewandelt. Ein Resultat davon<br />

ist hinter der Wand aus gestapelten Containern zu<br />

sehen: Oceanhamnen, ein neu gebauter Stadtteil mit<br />

350 Wohnungen, Büroflächen, Gastronomie und Gewerbebetrieben.<br />

Das Quartier voller auffälliger Architekturideen ist<br />

über eine Fußgängerbrücke mit der Innenstadt von<br />

FOTOS: MARTIN EGBERT<br />

116


BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2023</strong><br />

INTERNATIONAL<br />

Der neu gebaute Stadtteil Oceanhamnen in Helsingborg<br />

mit drei getrennten Stoffströmen.<br />

Das 1976 gebaute städtische Klärwerk hinter dem Recolab in Helsingborg,<br />

hier wird seit 2008 Biogas gewonnen.<br />

Helsingborg verbunden. Vor allem aber<br />

sind alle Gebäude mit einem so genannten<br />

Three-Pipes-Out-System ausgestattet,<br />

das Schwarzwasser, Grauwasser und<br />

organische Abfälle getrennt entsorgt.<br />

Vakuumtoiletten wie in einem Flugzeug<br />

sorgen dafür, dass die Fäkalien mit möglichst<br />

wenig Wasser abgesaugt werden.<br />

Zerkleinerer in den Küchen von Haushalten<br />

und Restaurants schreddern die<br />

Lebensmittelabfälle zu geeigneter Größe,<br />

damit sie ohne Probleme durch die Rohre<br />

gelangen.<br />

„Abwasser ist eine wertvolle Resource,<br />

von der wir möglichst viel nutzen wollen“,<br />

erklärt Jens Gille. Dafür wurde das<br />

1976 gebaute städtische Klärwerk hinter<br />

dem Recolab modernisiert und mit einem<br />

Deckel versehen, der zukünftig als<br />

Aussichtsplattform mit Gastronomie dienen<br />

soll. Die Biogasanlage des Klärwerkes<br />

speist bereits seit 2008 Biomethan<br />

ins städtische Netz. Die drei getrennten<br />

Stoffströme aus Oceanhamnen hingegen<br />

landen in der Pilot- und Forschungsanlage<br />

des 2021 eröffneten Recolab, um<br />

besonders effizient genutzt zu werden.<br />

Abwasser wird Wärme entzogen<br />

Das Dusch- und Abwaschwasser wird zunächst<br />

in einen 80 Kubikmeter großen<br />

Tank gepumpt. Ammoniak wird abgetrennt<br />

und das Abwasser mit Bakterien,<br />

mechanischen Filtern und Ozon<br />

117


INTERNATIONAL<br />

BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2023</strong><br />

Anaerober Schwarzwasser-Fermenter im Recolab, die Trennung<br />

der Stoffströme ermöglicht eine hohe Ausbeute an Biogas.<br />

wieder auf Trinkwasserqualität gereinigt. Anschließend<br />

wird ihm die Wärme entzogen, die in Zukunft<br />

für die Beheizung eines Schwimmbades genutzt werden<br />

soll. „94 Prozent des Abwassers ist Grauwasser,<br />

das in diesem Kreislauf dicht an den Verbrauchern<br />

zirkulieren kann“, erklärt Jens Gille.<br />

Schwarzwasser und Lebensmittelabfälle dagegen<br />

landen in getrennten, jeweils 10 Kubikmeter großen<br />

Tanks, um von dort aus in separate Fermenter<br />

gepumpt zu werden, mit denen Biogas produziert<br />

wird. Die Lebensmittelabfälle werden vorher noch<br />

pasteurisiert. Der Biogasertrag aus dem Schwarzwasser<br />

liegt nach Angaben von Recolab dank des Three<br />

Pipes Out-Systems fast zwei Drittel über dem in einer<br />

üblichen Kläranlage. Auch dieses Biogas wird in das<br />

städtische Netz gespeist.<br />

Aus den Gärprodukten gewinnt Recolab Stickstoff<br />

und Phosphat. Auch die Ausbeute dieser beiden Ressourcen<br />

kann sich sehen lassen. „Im Vergleich zur<br />

Gewinnung aus dem Schlamm üblicher Kläranlagen<br />

ist sie bei Phosphaten drei Mal und bei Stickstoff<br />

sogar sieben Mal höher.“ Jens Gille geht davon aus,<br />

dass diese Stoffe in Zukunft eine ebenso wichtige<br />

Einnahmequelle sein werden wie das aufbereitete<br />

Biogas. „Abwasser und organische Abfälle sind ein<br />

Schatz, der überall vorhanden ist“, betont Gille.<br />

Wie auch bei einem ähnlichen Projekt in Hamburg<br />

Jenfeld (siehe Biogas Journal 6_2019, Seiten 70-<br />

72) lässt sich eine derartige Nutzung der Stoffströme<br />

allerdings nur bei Neubauquartieren realisieren.<br />

Doch weist sie in die Zukunft. Bereits jetzt aber - und<br />

das seit drei Jahrzehnten – nutzt die Stadt Helsingborg<br />

organische Abfälle aus Haushalten und Industrie,<br />

um einen Großteil ihres öffentlichen Nahverkehrs<br />

mit komprimierten Biomethan klimaneutral zu<br />

betreiben.<br />

118


BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2023</strong><br />

INTERNATIONAL<br />

Helsingborg wichtiger Verkehrsknotenpunkt<br />

Die Fahrt zum Recyclinghof am Stadtrand führt vorbei<br />

an dem Helsingborg Campus der Lund Universität<br />

sowie an zahlreichen Logistikunternehmen und<br />

anderen Gewerbebetrieben. Dichter Lkw-Verkehr<br />

schiebt sich über die Straßen. Helsingborg wächst,<br />

in dem letzten Jahrzehnt um 40.000 Einwohner.<br />

Durch den Hafen und seine Lage an der Grenze zu<br />

Dänemark ist die Stadt ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt<br />

in Nordeuropa. Der damit verbundene Verkehr<br />

ist eine bedeutende Stellschraube zur Reduktion von<br />

Klimagas. Im Jahr verursacht Helsingborg 510.000<br />

Tonnen, knapp 200.000 Tonnen davon gehen auf<br />

den Verkehr zurück.<br />

Gegenüber des Recyclinghofes von Helsingborg, den<br />

die Region Skane mit ihrer Nordvästra Skånes Renhållnings<br />

(NSR) betreibt, verdeutlichen zwei große<br />

Biomethan-Tankstellen den Stellenwert dieses Energieträgers<br />

für die Mobilität des Landes. Eine gehört<br />

dem finnischen Staatsunternehmen Gasum, das in<br />

Schweden auch eigene Biogasanlagen betreibt. Die<br />

größte nutzt seit zwei Jahren die Abwässer der Stora<br />

Enso Papierfabrik im südschwedischen Nymölla.<br />

Gasum betreibt um die 30 Biomethan-Tankstellen<br />

für den Schwerlastverkehr in Skandinavien. Eine<br />

wachsende Zahl davon bietet neben komprimiertem<br />

Biogas auch Bio-LNG an. Neben der von Gasum befindet<br />

sich die Tankstelle des niederländischen Betreibers<br />

Orange Gas. Hier tanken alle 60 Müllfahrzeuge<br />

Helsingborgs, alle städtischen Busse, Taxen<br />

sowie auch Privat-Pkw komprimiertes Biomethan.<br />

„Wir haben im vergangenen Jahr 74,9 Gigawattstunden<br />

(GWh) Biomethan produziert, unsere maximale<br />

Kapazität sind 80 GWh, das entspricht 9 Millionen<br />

Liter Diesel pro Jahr.“ Vor der Biogasanlage des Recyclinghofes<br />

erwartet uns Mikael Bergkvist von<br />

Oben: Filter im Recolab, alle organischen Moleküle,<br />

die größer als zweiwertige Ionen sind, werden von<br />

den Membranen zurückgehalten. So werden selbst<br />

Medikamentenrückstände herausgefiltert. Das<br />

gefilterte Wasser hat Trinkwasserqualität.<br />

Unten: Die elektrisch angetriebene<br />

Fähre zwischen Helsinborg<br />

und Helsingør in Dänemark war<br />

bei ihrer Inbetriebnahme die<br />

größte der Welt.<br />

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INTERNATIONAL<br />

BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2023</strong><br />

Stadt-Modell in<br />

der Ausstellungshalle,<br />

Forscher und Besucher<br />

aus der ganzen Welt<br />

interessieren sich für<br />

das RecoLab.<br />

Jens Gille, Leiter der<br />

Strategieabteilung<br />

der Umweltbehörde<br />

Helsingborg. <br />

Biond Production Helsingborg. Biond ist nach eigenen Angaben<br />

mit 100 GWh Biogas pro Jahr und 200.000 Tonnen Biodünger<br />

einer der größten Produzenten in Schweden.<br />

Biomethan-Tankstellen,<br />

hier eine der<br />

norwegischen Gasum,<br />

sind in Schweden ein<br />

häufiger Anblick.<br />

Störstoffe bereiten Probleme<br />

„NSR ist zuständig für Sammlung und Transport der organischen<br />

Abfälle“, sagt Mikael Bergkvist, „wir konzentrieren uns auf die<br />

Produktion von Roh-Biogas, die Aufbereitung übernimmt dann<br />

ein drittes Unternehmen.“ Bereits die Herstellung von Roh-Biogas<br />

scheint genug Herausforderung zu sein. Bergkvist beginnt<br />

seinen Rundgang mit der so genannten Hall of Shame. Aus einer<br />

Glasvitrine holt er eine Kanonenkugel (sic!) von der Größe eines<br />

Handballs. „Nicht immer sind in Lebensmittelabfällen Lebensmittelabfälle“,<br />

sagt er und lächelt leicht gequält.<br />

Dann wird er ernst und zeigt auf ein verbogenes und zerkratztes<br />

Besteck-Messer. „Das hat uns acht Stunden Produktionsstopp<br />

gekostet, bis wir es aus der Schnecke des Zerkleinerers befreit<br />

hatten.“ Messer und Gabel sind leider keine Seltenheit. Meist<br />

stammen sie aus den Lebensmittelabfällen von Schulkantinen.<br />

Drei Fermenter mit insgesamt 12.000 Kubikmetern betreibt<br />

Biond in Helsingborg.<br />

Jede Woche liefern durchschnittlich 350 Lkw die Abfälle aus<br />

Haushalten, Kantinen, Schlachtbetrieben und anderen Lebensmittelindustrien.<br />

Von den insgesamt rund 150.000 Tonnen organischen<br />

Abfällen stammen 46.000 Tonnen aus den Haushalten.<br />

37.000 Tonnen sind Dung. Das Substrat verweilt 30 bis 32 Tage<br />

in den Fermentern.<br />

„Ein derartiges Substrat zu fahren, ist eine Herausforderung, die<br />

Bakterien sind empfindlich und reagieren sehr schnell, und wir<br />

wollen uns nicht mit ihnen anlegen“, so Bergkvist. Vor einem<br />

roten Container, über dem ein Schwarm krächzender Krähen<br />

kreist, aber kommt Mikael Bergkvist auf die dringlichste Herausforderung<br />

zu sprechen. Er greift in die Masse und zeigt auf<br />

die bunten Schnipsel aus Metallen, Plastik<br />

und Verbundstoffen. „Wir haben in den<br />

letzten Jahren viel in die Separation dieser<br />

Stoffe investiert, dennoch schaffen es zu<br />

viele dieser Materialien bis in den Trockendünger.“<br />

120


BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2023</strong><br />

INTERNATIONAL<br />

Mikael Bergkvist von Biond Production<br />

Helsingborg.<br />

Christian Strandberg, Projektmanager der im<br />

Bau befindlichen Anlage von Biokraft, ehemals<br />

Scandinavian Biogas in Mönsterås.<br />

Michael Wallis Olausson, Leiter für<br />

Wachstum und Entwicklung bei<br />

Biokraft.<br />

Bis 2024 will Helsingborg 75 Prozent seiner Lebensmittelabfälle<br />

in der Biogasanlage nutzen, zurzeit sind<br />

es noch 60 Prozent. Dafür müssen Gemeinde und Verbraucher<br />

die Mülltrennung verbessern. Wichtig wäre<br />

aber vor allem auch ein anderes Verpackungsdesign<br />

für Lebensmittel, das die bessere Trennung der Materialien<br />

ermöglicht. Der Aufwand würde sich lohnen.<br />

Schließlich ist der Nutzen der Biogasanlagen nicht<br />

nur der fossilfreie Betrieb von Fahrzeugen. „Wir vermeiden<br />

vor allem die Emissionen von Methan durch<br />

die Vergärung der organischen Abfälle“, sagt Mikael<br />

Bergkvist mit Nachdruck beim Abschied.<br />

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121


INTERNATIONAL<br />

BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2023</strong><br />

Bei vielen Erdgastankstellen<br />

gibt es<br />

auch komprimiertes<br />

Biogas für Lkw.<br />

Biogasanlage der<br />

Biond Production in<br />

Helsingborg.<br />

Busdepot mit 62 Tankplätzen<br />

Kristiansstad, eine andere Gemeinde in Skane, betreibt<br />

eine Biogasanlage ähnlicher Dimension mit<br />

ihren Siedlungsabfällen sowie denen der umliegenden<br />

Lebensmittelindustrie. Die Anlage ist, wie die<br />

in Helsingborg, bereits 1996 in Betrieb gegangen.<br />

Seit 1999 schon reinigt sie ihr Rohgas zu Biomethan<br />

auf. Am städtischen Busdepot gibt es mittlerweile 62<br />

Tankplätze für komprimiertes Biomethan. Nur noch<br />

sehr wenige Busse benötigen Diesel. „Das ist doch<br />

eine prima Lösung, ein lokaler, umweltfreundlicher<br />

Kraftstoff, produziert aus unseren Abfällen“, sagt einer<br />

der Angestellten des Busdepots stolz.<br />

Doch müssen sich die kommunalen Biogasanlagenbetreiber<br />

trotz dieser Erfolge einem Wandel stellen.<br />

Vor kurzem hat die EU ein schwedisches Steuerprivileg<br />

für Biogas gekippt. Dänische Anbieter drängen mit<br />

günstigem Biogas aus sehr großen Anlagen auf den<br />

Markt. Zudem bauen private Investoren in Schweden<br />

große Anlagen, in denen Biomethan zu Bio-LNG verflüssigt<br />

wird. Eine Tankstelle dafür aber kostet doppelt<br />

so viel wie eine für komprimiertes Biogas. Viele<br />

kommunale Betriebe schreckt diese Investition.<br />

Auch in Schweden setzt die Regierung auf die Elektrifizierung<br />

des Individualverkehrs. Volvo zum Beispiel<br />

stellt deshalb keine neuen Gas-Pkw mehr her.<br />

Bio-LNG dagegen bietet eine neue Markt-Perspektive:<br />

für den Schwerlastverkehr. Seit kurzem bauen<br />

Hersteller Lastwagen, die mit Bio-LNG genau so weit<br />

fahren können wie mit herkömmlichem Diesel. Flüssiges<br />

Biogas ermöglicht auch den fossilfreien Betrieb<br />

von Fähren. Können doch die wenigsten elektrifiziert<br />

werden, da sie nicht so kurze Strecken wie die über<br />

den Öresund bei Helsingborg fahren.<br />

Hälfte des verbrauchten Biogases wird<br />

importiert<br />

Nach der aktuellen Marktstudie der Swedish Gas Association<br />

stellt Gas einen Anteil von 4 Prozent des<br />

Verbrauchs an Energie in Schweden. Das meiste davon<br />

verbraucht die Industrie sowie an zweiter Stelle<br />

die Mobilität. Die meisten Heizungen des Landes<br />

heizen mit Fernwärme aus Müllverbrennungsanlagen.<br />

79 Prozent des in Schweden verbrauchten Gases<br />

stammt aus fossilen Quellen. Von den verbleibenden<br />

21 Prozent Biogas wird gut die Hälfte importiert, vor<br />

allem aus Dänemark.<br />

Der Rest stammt aus rund 280 schwedischen Biogasanlagen,<br />

die alle ausschließlich mit verschiedensten<br />

organischen Abfällen als Substrat arbeiten. Zwei<br />

Drittel des so produzierten Biogases wird aufbereitet<br />

und im Transportsektor verbraucht, wo es mit 1,6<br />

Terawattstunden (TWh) 2 Prozent des gesamten Gasverbrauchs<br />

stellt. Diese Zahl könnte dank Bio-LNG in<br />

Zukunft stark steigen.<br />

„Das Interesse an Bio-LNG ist groß, und der Markt<br />

wächst“, schreiben die Autoren der Studie. Neben<br />

dem Schwerlastverkehr fragen auch Industriebetriebe<br />

abseits des Gasnetzes Bio-LNG nach. Sie wollen<br />

damit den Einsatz von flüssigem Erdgas (LNG) reduzieren.<br />

Das Gasnetz in dem dünn besiedelten Land ist<br />

lediglich im Südwesten Schwedens gut ausgebaut.<br />

Dort ist es auch über Dänemark mit dem europäischen<br />

Netz verbunden. In den anderen Regionen gibt<br />

es zwar eine wachsende Zahl lokaler Netze, wie zum<br />

Beispiel das von Stockholm, aber eben auch die weit<br />

verbreitete Nutzung von LNG, das per Lkw transportiert<br />

wird.<br />

Neue Projekte fokussieren auf Bio-LNG<br />

Nach den Angaben der Studie wird der größte Teil der<br />

aktuell in Planung oder Bau befindlichen Biogas-An-<br />

122


BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2023</strong><br />

INTERNATIONAL<br />

Anlieferung von organischem Material bei Biond<br />

Production in Helsingborg.<br />

lagen für die Produktion von Bio-LNG gebaut, als Substrat soll<br />

überwiegend Dung dienen. So wie bei der gerade im Bau befindlichen<br />

Anlage von Biokraft, ehemals Scandinavian Biogas,<br />

in Mönsterås im östlichen Südschweden, einem Agrargebiet<br />

mit bedeutender Viehhaltung. Das sechs Hektar große Gelände<br />

der Baustelle liegt etwas abseits der Landstraße, inmitten eines<br />

Waldes aus Kiefern, Birken und hohen Farnen.<br />

Die eigene Zubringerstraße ist noch geschottert, soll aber asphaltiert<br />

werden. Große Trucks rumpeln vorbei. Sie liefern gerade<br />

den Beton für das riesige Substratlager. Pro Jahr soll in den<br />

fünf Fermentern der Anlage aus 250.000 Tonnen Dung Biogas<br />

produziert werden, das vor Ort aufbereitet und verflüssigt wird.<br />

„Ich habe in meinem Berufsleben schon 13 Anlagen gebaut,<br />

aber diese hier ist mit Abstand die größte.“ Hinter Projektmanager<br />

Christian Strandberg dreht sich der Kranausleger hoch<br />

im Himmel.<br />

Der Dung wird von etwa fünfzig Farmern aus einem Umkreis<br />

von 50 Kilometern geliefert. Rund die Hälfte von ihnen ist an<br />

der Anlage beteiligt. Die Farmer bekommen im Gegenzug Bio-<br />

Dünger zurück, aus dem vorher der Phosphor herausgetrennt<br />

wird. Wegen zu hoher Phosphorwerte im Boden dürfen die Farmer<br />

nur noch eingeschränkt unbehandelten Dung ausbringen.<br />

Deshalb hatten sie selbst dieses Projekt gestartet und einen<br />

Partner gesucht. Seit 2019 heißt dieser Biokraft.<br />

Das seit 2020 auf dem Nasdaq First North Premier Growth Market<br />

gelistete Unternehmen verfügt über das nötige Kapital und<br />

die Expertise. Unter anderem gehört auch ein Logistikbetrieb<br />

zu Biokraft. Das Unternehmen mit 140 Angestellten betreibt<br />

fünf Biogasanlagen, eine davon sogar in Südkorea. Diese wurde<br />

mehrfach vom dortigen Umweltministerium ausgezeichnet.<br />

„Die richtige Logistik macht im weitläufigen Schweden einen<br />

Großteil des Erfolges einer Biogas-Anlage aus“, erklärt Christian<br />

Strandberg. Dazu gehört zum Beispiel, Leerfahrten von Lkw<br />

zu vermeiden. Am Rande des Geländes baut Biokraft eine Verflüssigungsanlage<br />

mit einer Kapazität von 30 Tonnen Bio-LNG<br />

pro Tag. Die Investition für die gesamte Biogas-Anlage beträgt<br />

65 Millionen Euro. Davon kostet die Verflüssigungsanlage alleine<br />

10,5 Millionen Euro.<br />

123


INTERNATIONAL<br />

BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2023</strong><br />

Schnell und einfach zu bewerkstelligen: das Auftanken mit komprimiertem<br />

Biomethan im städtischen Busdepot von Kristianstad.<br />

Hammermühlen zerkleinern den organischen Abfall<br />

zum Substrat.<br />

Die im Bau befindliche Anlage von Biokraft, ehemals Scandinavian Biogas,<br />

in Mönsterås wird die erste große Anlage für Dung in Schweden.<br />

Bio-CNG-Absatz stagniert<br />

beziehungsweise ist rückläufig<br />

„Wir setzen schon seit längerem auf<br />

Bio-LNG.“ Zwar kommt Michael Wallis<br />

Olausson, Leiter für Wachstum und Entwicklung<br />

bei Biokraft, mit einem Volvo<br />

auf den Hof der Biogasanlage in Södertörn<br />

gefahren, der mit komprimiertem Biogas<br />

fährt. Doch der Absatz von komprimiertem<br />

Biogas für private Pkw stagniert beziehungsweise<br />

geht zurück in Schweden.<br />

Also müssen sich auch die privaten Anlagenbauer<br />

umstellen.<br />

Die Anlage in Södertön, südlich von Stockholm,<br />

verarbeitet in zwei 4.500 Kubikmeter<br />

großen Fermentern 110.000 Tonnen<br />

organische Abfälle pro Jahr. Die Hälfte<br />

des Substrates besteht aus Siedlungsabfällen<br />

aus dem südlichen Stockholm und<br />

umliegenden Gemeinden. Bei der Inbetriebnahme<br />

2016 war die Entsorgung der<br />

Abfälle noch eine Einnahmequelle. „Wir<br />

waren die einzigen Abnehmer und haben<br />

50 Euro pro Tonne von den Entsorgungsunternehmen<br />

bekommen“, sagt Michael<br />

Wallis Olausson. Doch das ist vorbei, seit<br />

immer mehr kommunale und private Biogasanlagen<br />

in Betrieb gehen. Zum Beispiel<br />

die ursprünglich vom schwedischen<br />

Biogas-Ableger der E.ON gebaute Anlage<br />

im Norden von Stockholm für organische<br />

Abfälle, die mittlerweile das finnische<br />

Energieunternehmen St1 betreibt.<br />

Der Anteil von Dung am Substrat beträgt<br />

in Södertörn nur 5 bis 8 Prozent. „Es gibt<br />

hier zu wenige Farmer in der Umgebung.“<br />

Michael Wallis Olausson hat ebenfalls<br />

mit Verunreinigungen zu kämpfen: „Wir<br />

haben sogar schon einen ganzen Automotor<br />

in den Abfällen gefunden.“ Auch er<br />

verzieht das Gesicht zu einem gequälten<br />

Lächeln. Für den Fall aller Fälle hält Biokraft<br />

einiges an Ersatzteilen vor, wie zum<br />

Beispiel die Schnecken der Zerkleinerer.<br />

Verpackte Lebensmittel technisch<br />

nutzbar machen<br />

Schwierigkeiten machen auch Margen abgelaufener,<br />

aufwändig verpackter Lebensmittel<br />

von Supermarktketten, wie etwa<br />

Küchenkräuter in aufwändigen Kunststoffboxen,<br />

die entpackt und entsorgt werden<br />

müssen. Dafür ist die moderne Anlage<br />

von Biokraft in der Lage, organische Reste<br />

von Plastikverpackungen zu lösen, was<br />

einen nicht unerheblichen Mehrertrag an<br />

Substrat ermöglicht. Mit der Fermentation<br />

gibt es trotz der Verschiedenartigkeit<br />

der Substrate keine Probleme. Seit ihrer<br />

Inbetriebnahme 2016 produziert die Anlage<br />

durchgehend. „Wir haben viel in die<br />

Forschung investiert und über 400 Substrate<br />

und Mischungen getestet“, führt<br />

Wallis Olausson weiter aus.<br />

Zur Verlässlichkeit scheint auch das System<br />

der von der dänischen Nature Energy<br />

nach den Vorgaben von Biokraft gebauten<br />

Fermenter beizutragen, das ohne<br />

Rührwerke auskommt. Altes und neues<br />

Substrat werden vermischt, indem das<br />

neue mit hohem Druck in den Fermenter<br />

gepumpt wird. So müssen keine beweglichen<br />

Teile von Rührwerken gepflegt werden.<br />

Und es setzen sich keine Sedimente<br />

ab. „Wir haben die Anlage in den<br />

124


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BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2023</strong><br />

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BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2023</strong><br />

Oben: Die Biogasanlage der Gemeinde<br />

Kristiansstad wird mit Siedlungsabfällen<br />

sowie mit Abfällen der umliegenden<br />

Lebensmittelindustrie betrieben.<br />

Mitte: Eine Förderschnecke transportiert<br />

Substrat in die Gärtanks, auch hier ist<br />

das größte Problem gut zu erkennen: die<br />

Verunreinigung organischer Abfälle.<br />

Unten: Das städtische Busdepot von<br />

Kristianstad verfügt über 62 Tankplätze<br />

für komprimiertes Biomethan.<br />

sieben Jahren nie öffnen müssen“, berichtet Michael<br />

Wallis Olausson.<br />

Auch in Södertörn baut Biokraft gerade eine Verflüssigungsanlage<br />

für Bio-LNG, mit einer Kapazität von<br />

250 GWh. Um die zu liefern, will das Unternehmen<br />

die Biogasanlage erweitern und auch noch das Biogas<br />

aus einem Klärwerk in der Nähe nutzen. Zurzeit plant<br />

Biokraft zudem in der Region Skåne eine Anlage für<br />

Bio-LNG, die das Äquivalent von 13 bis 25 Millionen<br />

Liter Diesel liefern soll. Zwei Anlagen sollen außerdem<br />

in Deutschland entstehen, eine davon in Hohenmölsen<br />

in Sachsen-Anhalt.<br />

Und wer wird das Bio-LNG kaufen? Biokraft liefert<br />

sein Bio-LNG an Gasum, Alternoil und Rolande, unter<br />

anderem geht es auch nach Deutschland und in die<br />

Niederlande. Im vergangenen Jahr war die Nachfrage<br />

nach flüssigem Biogas durch den vom Ukraine-Krieg<br />

ausgelösten Preisschock für fossiles Gas sehr groß.<br />

Zurzeit ist der Preis von Bio-LNG jedoch wieder doppelt<br />

so hoch wie der von LNG.<br />

Der schwedische Staat subventioniert zwar die Aufbereitung<br />

und Verflüssigung von Biogas so wie auch<br />

die Verwendung von Dung als Substrat. „Wenn die<br />

Politik aber wirklich die grüne Transformation will,<br />

müsste sie entweder fossiles Gas höher besteuern<br />

oder Biogas noch mehr unterstützen“, findet Michael<br />

Wallis Olausson. Schließlich geht es um weit mehr<br />

als um die Erträge von Biokraft. Ein mit Biomethan<br />

betriebener Lkw verursacht 60 Prozent weniger Klimagas<br />

als einer mit einem Dieseltank. Und diese Ersparnis<br />

lässt sich noch erheblich steigern durch einen<br />

höheren Anteil von Dung im Substrat. Da könnte also<br />

noch einiges gehen mit Biogas. Und das nicht nur in<br />

Schweden.<br />

Autor<br />

Klaus Sieg<br />

Freier Journalist<br />

Rothestr. 66 · 22655 Hamburg<br />

01 71/6 39 42 62<br />

klaus@siegtext.de<br />

www.siegtext.de<br />

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