2023-10_knw-journal_A4_03-barrierefrei
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<strong>knw</strong> <strong>journal</strong><br />
des Kindernetzwerk e.V.<br />
Dachverband der Selbsthilfe von Familien mit Kindern<br />
und jungen Erwachsenen mit chronischen Erkrankungen<br />
und Behinderungen<br />
Ausgabe 02 <strong>2023</strong>
Unser <strong>knw</strong>-<strong>journal</strong><br />
Liebe Leser:innen,<br />
Sie öffnen hiermit die fünfte Ausgabe und Jubiläumsausgabe unseres digitalen<br />
Journals. Diese ist etwas länger als sonst, zur Feier unseres 30. Jahrestages.<br />
Hinter uns liegen eine gut besuchte Pressekonferenz anlässlich der Verabschiedung<br />
unseres aktualisierten Berliner Appells, unser vielseitiges Symposium zum Thema<br />
Resilienz in Erkner sowie natürlich unsere Jubiläumsveranstaltung und die Mitgliederversammlung.<br />
Zu allem folgt weiter unten ein ausführlicher Bericht mit<br />
Eindrücken vom Tag.<br />
Wir freuen uns, dass aus den Reihen unserer Mitglieder viel Beteiligung beim<br />
Berliner Appell und auch bei der Erstellung des <strong>knw</strong> <strong>journal</strong> kam - danke, dass wir<br />
Sie und Euch an unserer Seite haben! Teilen Sie dieses Journal auch bitte weiter<br />
unter Ihren Mitgliedern und Freunden und senden Sie uns bitte auch weiter Ihre<br />
Themenvorschläge direkt an jackel@kindernetzwerk.de – lieben Dank!<br />
In diesem Journal finden Sie eine Reihe von Interviews mit Wegbegleiter:innen des<br />
Kindernetzwerk e.V. Natürlich waren es aber viel mehr Menschen, die das Kindernetzwerk<br />
e.V., kurz <strong>knw</strong>, auf seinem Weg geprägt und begleitet haben. Wir sind<br />
unseren Mitgliedern dankbar für die gemeinsame Zeit und alles, was nun noch<br />
folgt. Wir geben unser Bestes, um gut aufgestellt zu sein und mit unseren Angeboten<br />
möglichst vielen Betroffenen und ihren Angehörigen und Lieben bestmöglich<br />
Unterstützung zu leisten.<br />
Nun hoffen wir, dass Sie wieder eine Reihe von Artikeln finden, die Sie und Euch<br />
interessieren!<br />
Alles Liebe für Sie und Ihre Familien!<br />
Ihr <strong>knw</strong> <strong>journal</strong>-Redaktionsteam
Inhaltsverzeichnis<br />
3 Aus dem Kindernetzwerk<br />
44 Aus Politik & Gesellschaft<br />
66 Buchtipps<br />
68 Für unsere „Very Special Children“: Unsere Kinderseiten<br />
79 Unsere Glosse „zu guter Letzt“<br />
81 Impressum
Aus dem Kindernetzwerk
4<br />
Aus dem Kindernetzwerk<br />
Wir sind 30 Jahre alt!<br />
Rückblick unserer Jubiläumsveranstaltung<br />
mit Symposium zum Thema Resilienz<br />
vom 15.-17.09.<strong>2023</strong><br />
Das Kindernetzwerk ist als Dachverband der Selbsthilfe<br />
von und für Familien mit Kindern und Jugendlichen<br />
mit chronischen Erkrankungen und Behinderungen<br />
schon lange bekannt: Seit drei Jahrzehnten<br />
hilft und verbindet das <strong>knw</strong> betroffene Familien mit<br />
krankheitsübergreifenden Unterstützungsangeboten.<br />
Auf der Jahrestagung wurde darüber hinaus<br />
deutlich, dass es auch ein Netzwerk der aktiven<br />
Selbsthilfe ist, das Austausch und Stärkung ermöglichen<br />
möchte.<br />
Beginn der Tagung mit der Pressekonferenz zum „Berliner Appell“<br />
Die Liste der Versorgungsprobleme für betroffene<br />
Familien ist lang. Dazu kommt, dass die Inklusion<br />
in Schule, Ausbildung, Universität und auf dem<br />
Arbeitsmarkt bisher nicht ausreichend gelingt.<br />
Deswegen hat das Kindernetzwerk zusammen mit<br />
seinen betroffenen Mitgliedern die dringendsten<br />
Forderungen für die aktuelle Gesundheits-, Sozialund<br />
Familienpolitik formuliert. Diesen „Berliner<br />
Appell“ haben wir auf einer Pressekonferenz am<br />
15.09.<strong>2023</strong> in Berlin (Haus der Bundespressekonferenz)<br />
im Rahmen unserer 30jährigen Jubiläumstagung<br />
vorgestellt.
Aus dem Kindernetzwerk<br />
5<br />
Berliner Appell: Der politische Forderungskatalog des Kindernetzwerks<br />
Die medizinische Versorgung gerade bei Kindern<br />
mit chronischen, seltenen Erkrankungen und Behinderungen<br />
ist immer mehr der Ökonomisierung<br />
unterworfen. Neben fehlendem Geld und Personal<br />
sind auch strukturelle Probleme dafür verantwortlich,<br />
dass die medizinische Versorgungslage in den<br />
verschiedenen Bereichen immer schlechter wird.<br />
Mittlerweile ist es keine Seltenheit, dass Kinder und<br />
Jugendliche zum Abklären ihrer Symptome lange<br />
Wartezeiten in Kauf nehmen müssen. Insbesondere<br />
die fachmedizinische Diagnostik und Begleitung<br />
verzögert sich durch den Mangel an qualifiziertem<br />
Personal. In der Folge kann es zu irreversiblen Gesundheitsstörungen<br />
kommen.<br />
Auch im Bereich der Kinderarzneimittel gibt es Probleme<br />
und Versorgungsengpässe. Häufig werden<br />
Medikamente verabreicht, die für Kinder offiziell<br />
nicht zugelassen und/oder schwer zu beziehen<br />
sind.<br />
Die medizinische Versorgung junger Erwachsener,<br />
für die deren Pädiater:innen nicht mehr zuständig<br />
sein können, weil ihre Patient:innen zu alt geworden<br />
sind, stellt eine weitere spezielle Herausforderung<br />
dar (Transition als Herausforderung).<br />
Kinder und Jugendliche mit chronischen Erkrankungen<br />
und Behinderungen sehen sich zudem auf allen<br />
Ebenen des gesellschaftlichen Lebens vor Herausforderungen<br />
gestellt, für die mehr Unterstützung<br />
wichtig wäre: Schule, Freundschaft, Sexualität, Berufswahl,<br />
Wohnen. Hier warten besondere Herausforderungen,<br />
bei denen mehr Unterstützung wichtig<br />
wäre.<br />
Deshalb hat das Kindernetzwerk die wichtigsten<br />
Forderungen an Politik und Öffentlichkeit zusammengetragen:<br />
Konstruktive Lösungsvorschläge, mit<br />
denen die politischen Entscheidungsträger:innen die<br />
rechtliche und soziale Situation verbessern sollen.<br />
Unsere aktuellen politischen Forderungen wurden<br />
auf der Pressekonferenz von betroffenen Eltern,<br />
selbst betroffenen jungen Erwachsenen und von<br />
den Vorsitzenden des Kindernetzwerks erläutert.<br />
Sie finden den Appell in ganzer Länge weiter unten<br />
im Politikteil abgedruckt.<br />
Die politische Seite beleuchtete Nina Stahr, bildungspolitische<br />
Sprecherin der Grünen im Bundestag<br />
und Mitglied im Familien-Ausschuss und<br />
(stellv.) in der Kinderkommission.<br />
Hier finden Sie die Personenvorstellungen als pdf...<br />
Alle Fotos und Informationen rund um die Pressekonferenz<br />
finden Sie hier:<br />
https://www.kindernetzwerk.de/de/agenda/Poli<br />
tikportal/<strong>2023</strong>/Unser-politischer-Forderungskata<br />
log.php<br />
Die Pressekonferenz war gut besucht und u.a. das<br />
Deutsche Ärzteblatt hat über die Veranstaltung<br />
berichtet, siehe hier:<br />
https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/1460<strong>03</strong>/<br />
Selbsthilfe-chronisch-kranker-Kinder-beklagt-lan<br />
ge-Wartezeiten-und-fehlende-Arzneimittel<br />
Hier finden Sie den Berliner Appell...<br />
Hier finden Sie den Berliner Appell in leichter<br />
Sprache...
6<br />
Aus dem Kindernetzwerk<br />
Unser Jubiläum<br />
Das Kindernetzwerk<br />
– seit 30 Jahren ein Netzwerk der Selbsthilfe<br />
Wir konnten 30 Jahre Kindernetzwerk e.V. mit Ihnen<br />
und Euch gebührend in Berlin und Erkner feiern.<br />
Seit nunmehr drei Jahrzehnten setzt sich das<br />
Kindernetzwerk als Dachverband der Selbsthilfe<br />
von Familien mit betroffenen Kindern oder jungen<br />
Erwachsenen für Ihre und Eure Belange ein.<br />
Vom 15.-17.09.<strong>2023</strong> hatten wir in Berlin und Erkner<br />
mit Hilfe unseres Vorstandes und unseres tollen<br />
Teams sowie natürlich mit Unterstützung unserer<br />
Mitglieder und Förderung durch den AOK Bundesverband<br />
ein interessantes, interaktives Angebot<br />
rund um das Thema Resilienzstärkung vorbereitet.<br />
Geboten waren ein wissenschaftliches Symposium<br />
und Workshops für die Teilnehmenden selbst sowie<br />
schöne Angebote für die begleitenden Kinder und<br />
Jugendlichen. Zwei Abende konnten wir im geselligen<br />
Austausch zu 30 Jahre <strong>knw</strong> verbringen.<br />
Hier können Sie unser gesamtes Programm noch<br />
einmal im Überblick sehen:<br />
https://www.kindernetzwerk.de/de/aktiv/<br />
Termine/2022/30.-Jubilaeum:-Jahrestagung-Kindernetzwerk-Save-the-date.php<br />
https://www.kindernetzwerk.de/de/agenda/<br />
News/<strong>2023</strong>/30-Jahre-Kindernetzwerk.php<br />
Symposium zum Thema Resilienz und Festabend am 16.09.<strong>2023</strong><br />
Am Samstag, den 16. September <strong>2023</strong>, führten wir<br />
das Symposium zum Thema „Resilienz stärken“<br />
durch. In seinem Festvortrag ging Prof. Dr. med.<br />
Dr. h.c. Hubertus von Voß, Ehrenvorsitzender des<br />
Kindernetzwerks und nun Träger der <strong>knw</strong>-Ehrenmedaille,<br />
auf die Aufgabe der Pädiater:innen ein,<br />
beweglich und kreativ in den Diagnosen zu sein,<br />
weiterzuforschen, auch unkonventionelle Wege zu<br />
gehen, um zu einer Diagnose einer seltenen Erkrankung<br />
bei Kindern zu kommen.<br />
Dr. Isabella Helmreich erläuterte das Thema des<br />
Symposiums „Gemeinsam Krisen bewältigen – Resilienz-Stärkung<br />
im Familiensetting“ wissenschaftlich.<br />
Dabei ging sie vor allem auf das noch junge<br />
Feld „Familien-Resilienz“ ein.
Aus dem Kindernetzwerk<br />
7<br />
Danach gab es ein Panel mit sehr emotionalen und<br />
Mutmachenden Berichten aus erster Hand von<br />
Betroffenen:<br />
Die Inkluencerin Natalie Dedreux lebt mit Down-<br />
Syndrom und hat ein Buch geschrieben, dass wir in<br />
dieser Ausgabe unter unserer Rubrik „Buchtipps“<br />
vorstellen. Sie setzt sich für mehr Sichtbarkeit von<br />
Menschen mit Behinderung und deren Rechte<br />
ein. Das Down-Syndrom dürfe nicht ausradiert<br />
werden.<br />
Die Speakerin Sabrina Lorenz beeindruckte durch<br />
ihre sehr emotionalen Einblicke in ihren Alltag als<br />
Schwerkranke. Mit ihrer mutigen Offenheit zeigte<br />
sie Resilienz in vielen Bereichen ihres schwierigen<br />
Alltags und machte so den Anwesenden viel Mut.<br />
Auf ihrem Blog Fragments of Living leistet sie Aufklärungsarbeit,<br />
schreibt über Disability-Empowerment<br />
und erreicht so tagtäglich über 23.000<br />
Personen.<br />
Viele Eltern von kranken bzw. nichterkrankten Geschwisterkindern<br />
im Plenum konnten sich in dem<br />
Bericht von Naomi Miller wiederfinden: Sie ist erwachsene<br />
Schwester eines behinderten Bruders<br />
und erzählte von ihren Problemen, diese Situation<br />
gut zu meistern, dankte aber auch den Eltern für<br />
ihre unermüdliche Kraft. Naomi Miller hat BLICK |<br />
PUNKT | GESCHWISTER mitbegründet, eine Initiative<br />
von vier Frauen, die sich für erwachsene Geschwister<br />
von Menschen mit Behinderung engagieren.
8<br />
Aus dem Kindernetzwerk<br />
Als Mutter eines behinderten Jungen und eines<br />
nicht-beeinträchtigten Mädchens sprach Nicole<br />
Wrede vor allem die Schwierigkeiten und Belastungen<br />
an, die die Partnerschaft betreffen, und forderte<br />
eine gleichberechtigte Aufteilung in der Pflegearbeit,<br />
auch wenn dies immer wieder zu sehr viel<br />
Streit führe. Mit ihrem Instagram-Profil @hibbel<br />
mors_inklusive gibt sie Einblicke in das Leben als<br />
pflegende Mutter und engagiert sich auf diesem<br />
Wege für mehr Inklusion.<br />
Dem konnte Heiner Fischer nur beipflichten. Sichtlich<br />
gerührt teilte er die Ansicht, dass der geteilte<br />
Versorgungsalltag zu viel Streit und Krisen führen<br />
könne, aber enorm wichtig für eine gesunde Familienaufstellung<br />
sei. Um anderen Vätern zu helfen,<br />
hat er die „Plattform für Aktive Vaterschaft und<br />
Neue Vereinbarkeit“ entwickelt.<br />
Das Kindernetzwerk wurde dadurch zu einem Ort,<br />
an dem alle unter Gleichgesinnten sind, an dem<br />
man loslassen kann, sich verstanden fühlt.<br />
Ein besseres Geburtstagsgeschenk zum 30. Jubiläum<br />
hätte sich das Kindernetzwerk kaum wünschen<br />
können: Das <strong>knw</strong> als Plattform, auf der nicht nur<br />
der Selbsthilfe geholfen wird, sondern auf der auch<br />
Selbsthilfe stattfindet.<br />
Angebote zur Selbstwahrnehmung, aktivierenden<br />
Entlastung - Erkennen von Belastungssituationen<br />
und Resilienzschwächen<br />
Mit einem breiten Programm versuchten wir jeweils<br />
morgens und nachmittags, Resilienz stärkende<br />
Techniken zu vermitteln und Angebote zur aktivierenden<br />
Entlastung zu machen.<br />
Hier können Sie sich zu den einzelnen Angeboten<br />
informieren, auf unserer Homepage werden wir<br />
dazu außerdem noch ein „Infopaket“ zusammenstellen<br />
und hierzu auch bald in den sozialen Medien<br />
und Kanälen des <strong>knw</strong> berichten – wie natürlich<br />
im nächsten <strong>knw</strong> <strong>journal</strong>.<br />
Zum Sketchnoting gab die stellv. <strong>knw</strong>-Vorsitzende<br />
Susann Schrödel Workshops. Hier können Sie sich<br />
über Ihre Techniken informieren:<br />
Link zu social media<br />
Viele nickende Köpfe, weinende Augen, tiefe Berührtheit<br />
und Verbundenheit machten sich breit,<br />
als die Podiumsteilnehmer:innen aus ihrem Alltag<br />
berichteten. Für die „Zuschauer:innen“ war<br />
es ergreifend dabei zu sein, wie die Betroffenen<br />
krankheitsübergreifend eine ganz eigene gemeinsame<br />
Dynamik entwickelten und ihr Herz ausschütteten.<br />
Und auch wenn viele der Anwesenden<br />
selbst betroffen waren und die Probleme kannten:<br />
Man spürte, wie Jeder die Bestätigung brauchte:<br />
„Du bist nicht allein.“<br />
Einen Impro Theater-Workshop gab Deniz Döhler:<br />
Link zu social media<br />
Zu „Positiver Kommunikation“ gab Klaus Vogelsänger<br />
einen Input: Link zu social media<br />
Als Morgenangebote gab es Lachyoga mit Heidi<br />
Janetzky, TaiChi und Qigong mit Mirko Lorenz<br />
(Keep Moving) und Gehmeditation mit Isabell<br />
Braun (WILD AND SILENT).
Aus dem Kindernetzwerk<br />
9<br />
Zu unserem Festabend schließlich konnten wir die<br />
wundervolle Musik von Manou-Musik genießen.<br />
Hier wurden von der Kindernetzwerk-Vorsitzenden<br />
und Moderatorin des Abends Dr. Annette Mund die<br />
Ehrungen mit der Ehrennadel des Kindernetzwerks<br />
durchgeführt.<br />
Wir danken den Trägern der <strong>knw</strong>-Ehrennadel:<br />
dem Ehrenvorsitzenden und Gründer des Kindernetzwerk<br />
e.V. Prof. Dr.med. Dr. h.c. Hubertus von<br />
Voß, auch für seinen ergreifenden Festvortrag am<br />
Vormittag.<br />
Danke auch an Raimund Schmid, den früheren<br />
Kindernetzwerk-Geschäftsführer, der dieses über<br />
Jahrzehnte auf die Spur gebracht hat. Herr Schmid<br />
hielt einen wunderbaren Rückblick auf dem Festsymposium,<br />
welchen Sie weiter unten auch noch in<br />
dieser Ausgabe finden.<br />
Danken konnten wir auch dem langjährigen<br />
Vorsitzenden des ärztlichen Beraterkreises Herrn<br />
Dr. Jürgen Seeger (siehe Foto). Auch er erhielt die<br />
<strong>knw</strong>-Ehrennadel sowie eine Urkunde, ebenso wie<br />
die anderen Mitglieder des Beraterkreises (die wie<br />
auch Prof. von Voss abends nicht anwesend sein<br />
konnten, die Ehrennadeln aber erhalten werden).<br />
Wir konnten viele neue Impulse, wertvolle Eindrücke<br />
und berührende Momente aus diesem<br />
Wochenende mitnehmen und hoffen, dass es auch<br />
für alle anderen eine unvergessliche Veranstaltung<br />
war.<br />
Danke allen, die dabei waren, und Ihnen allen<br />
Danke für Ihre Treue!<br />
Pressekonferenz und Jubiläumssymposium wurden<br />
gefördert durch
<strong>10</strong><br />
Aus dem Kindernetzwerk<br />
30 Jahre Kindernetzwerk<br />
– ein Rückblick auf<br />
ereignisreiche und bewegende<br />
3 Jahrzehnte<br />
Von Raimund Schmid<br />
Eltern, die Anfang der Neunziger Jahre nach einer<br />
Geburt oder durch eine Neuerkrankung ihres Kindes<br />
mit einer chronischen Erkrankung oder anderweitigen<br />
lebensbeeinträchtigten Erkrankung konfrontiert<br />
wurden, waren weitgehend auf sich allein<br />
gestellt. Es gab für sie über die ärztliche Betreuung<br />
hinaus so gut wie keine weiterführende Unterstützung<br />
oder brauchbare Informationen über die jeweiligen<br />
Erkrankungen. Ratsuchende Angehörige<br />
konnten allenfalls auf – für Eltern nicht geeignete –<br />
wissenschaftliche Nachschlagewerke (Olbricht/Laiber)<br />
oder fremdsprachige Elterninformationen aus<br />
England (contact a family) oder den USA (NORD)<br />
zurückgreifen. Es gab jedoch<br />
1992/1993-1997<br />
Höchste Zeit also, dass ein Kindernetzwerk gegründet<br />
wurde. Das war dann schließlich am 15. Dezember<br />
1992 in Frankfurt der Fall, so dass die neue<br />
Organisation direkt Anfang 1993 mit ihrer Arbeit<br />
beginnen konnte.<br />
• kein Internet<br />
• keine Datenbanken<br />
• keine Austauschforen<br />
• keine elterngerechte Informationen<br />
• keine spezialisierten Zentren für<br />
Seltene Erkrankungen<br />
• wenige spezialisierte Ärzt:innen<br />
• kaum diagnostische Zentren für Kinder<br />
und es gab vor allem<br />
• kein Kindernetzwerk!<br />
Maßgeblich initiiert wurde die Gründung von ärztlicher/wissenschaftlicher<br />
Seite von Prof. Dr. Dr. h.c.<br />
Hubertus von Voss aus München, vom gesundheitspolitischen<br />
Fach<strong>journal</strong>isten Raimund Schmid<br />
und von Gerd Thomas, der über die Fresenius-<br />
Stiftung die Anschubfinanzierung sicherstellte. Für<br />
diese drei Köpfe standen dann zusammen mit den<br />
anderen dreißig Gründungsmitgliedern im Wesentlichen<br />
diese drei Ziele im Fokus:<br />
Ziel Nr.1: Eine Datenbank für chronische und seltene<br />
Erkrankungen, damit neu betroffene Eltern – im<br />
Vor-Internet-Zeitalter – rasch zu Infos und Adressen<br />
kommen
Aus dem Kindernetzwerk<br />
11<br />
Ziel Nr. 2: Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen<br />
Ärzt:innen und nichtärztlichen Fachkräften<br />
mit ihrem erlernten Wissen und Eltern/der Eltern-<br />
Selbsthilfe mit ihrer erlebten Kompetenz<br />
Ziel Nr.3: Neue und bisher kaum beachtete Themen<br />
aus dem Schatten herausführen und medial<br />
wie politisch publik machen<br />
Der erste Vorstand (zwei Pädiater, ein Kinder-Psychologe,<br />
ein Kinder- und Jugendpsychiater und zwei<br />
Eltern-Selbsthilfe-Vertreterinnen) musste sich aber<br />
zusammen mit weiteren Unterstützern gegen heftige<br />
Widerstände wehren. Denn von ärztlicher Seite<br />
wurde die Gefahr gesehen, dass das Kindernetzwerk<br />
als ideologisiert aufgeladener bundesweiter<br />
Eltern-Selbsthilfeverband gegen die Pädiater:innen<br />
und deren Verbände agieren könnte. Eine Befürchtung,<br />
die sich später als genauso haltlos herausstellte<br />
wie der Vorwurf von Finanzierungsträgern<br />
wie den Krankenkassen, dass das Kindernetzwerk<br />
zu stark von Medizinern und der Industrie als den<br />
ersten Förderern abhängig wäre. Doch auch aus der<br />
Selbsthilfe selbst kamen Vorbehalte, insbesondere<br />
von den bereits bestehenden Dachverbänden, die<br />
zunächst glaubten, dass eine spezielle übergeordnete<br />
Plattform für chronisch kranke und andere gesundheitlich<br />
stark beeinträchtigte Kinder gar nicht<br />
erforderlich sei. Und auch das war ein Trugschluss,<br />
wie sich schon recht bald herausstellen sollte.<br />
Es war also eine durchaus komplexe Ausgangssituation,<br />
als das Kindernetzwerk seinen langen Weg<br />
Anfang 1993 begann. Los ging alles mit dem Bezug<br />
der ersten Geschäftsstelle mit drei Räumen in der<br />
Hanauerstr. 15 in Aschaffenburg. Die Schwerpunkte<br />
in den ersten fünf Jahren waren unter anderen:<br />
• Auf- und Ausbau der Datenbank: zunächst mit<br />
450 Krankheiten mit schnell steigender Tendenz.<br />
• Beantwortung von Anfragen von Seiten betroffener<br />
Eltern. Allein bis 1995 gingen bereits <strong>10</strong>.000<br />
Anfragen ein.<br />
• Öffentlichkeitsarbeit, Interviews, Medienberichte<br />
• Erste größere Veranstaltungen, etwa zu Seltenen<br />
Erkrankungen, bereits 8 Jahre vor Gründung der<br />
ACHSE<br />
1998-2002<br />
Bereits nach fünf Jahren konnte das Kindernetzwerk<br />
eine bemerkenswerte Bilanz vorlegen. Dabei<br />
stand zunächst der Servicecharakter im Vordergrund,<br />
was die bis 1998 eingegangen 25.000 Anfragen<br />
belegen.<br />
Doch auch politisch konnte das Kindernetzwerk ab<br />
1998 erste markante Akzente setzen. So fand die<br />
5-Jahres-Jubiläumsfeier unter dem Titel „Wer kennt<br />
schon unsere Sorgen und Nöte?“ mit dem damaligen<br />
Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer<br />
(CSU) in Bonn statt. Der Minister positionierte sich<br />
dabei klipp und klar und legte ein eindeutiges Bekenntnis<br />
zum Kindernetzwerk ab: „Das Kindernetzwerk<br />
hat seit seiner Gründung vor fünf Jahren wahre<br />
Pionierarbeit geleistet. Es bietet den betroffenen<br />
Eltern Hilfe zur Selbsthilfe. … Sie wollen selbst anpacken<br />
und das Schicksal ihrer Kinder erleichtern. Sie<br />
müssen nur wissen, wie das geht und wo sie Hilfe<br />
bekommen, die sie brauchen, um ihren Kindern zu<br />
helfen. Ich sehe hier auch eine politische Ausgabe!“<br />
Wer dieses politische Mandat am besten ausfüllen<br />
konnte, darauf hatte der Kindernetzwerk-Vorsitzende<br />
Prof. Hubertus von Voß sogleich diese prompte<br />
Antwort parat: „Unser Gesundheitssystem muss<br />
mehr denn je diejenigen unterstützen, die für
12<br />
Aus dem Kindernetzwerk<br />
Kinder mit besonderem Bedarf wie Eltern-Selbsthilfegruppen<br />
etwas tun. Ohne sie wäre der hohe<br />
Standard der Kinderversorgung nicht mehr möglich.“<br />
Dort konnte dann auch eine eindrucksvolle <strong>10</strong>-Jahres-Bilanz<br />
vorgelegt werden: 80.000 Anfragen/Aussendungen<br />
in <strong>10</strong> Jahren, 2.000 Schlagworte, 130<br />
Mitgliedsorganisationen.<br />
Bis 2002 standen dann folgende Aktivitäten im<br />
Fokus:<br />
• Herausgabe von drei bundesweiten Wegweisern<br />
in Form von Büchern unter dem Titel „Wer hilft<br />
weiter?“ für Eltern und Ärzt:innen. Herausragend<br />
dabei der Band 1 „Eltern-Selbsthilfegruppen,“ der<br />
bis 2004 in drei weiteren Auflagen mit zuletzt 1.044<br />
Seiten und 5.000 Adressen erschien.<br />
• Immer neue Charity-Aktionen wie die mit der<br />
spektakulär nachgebauten <strong>knw</strong>-Spenden-Box des<br />
SAS-Radisson-Hotels in Frankfurt.<br />
• Seit November 1999 (bis Dezember 2019) 65<br />
Ausgaben von Kinder Spezial, einer Zeitschrift mit<br />
Themen über Kinder mit besonderen Bedürfnissen,<br />
die sonst in der Medienlandschaft untergehen.<br />
Hohe Auflage (20.000) und weite Verbreitung etwa<br />
auch bei den Pädiater:innen durch die feste Einbindung<br />
in die „Kinderärztliche Praxis“.<br />
• Gründung einer CP-Initiative mit dem Ergebnis<br />
einer <strong>knw</strong> Materialiensammlung (130 Seiten) über<br />
Therapieverfahren im Kindes- und Jugendalter.<br />
2002 dann das <strong>10</strong>jährige Jubiläum in Berlin (Schirmherrin<br />
Christina Rau) mit der Verabschiedung des<br />
1. Berliner Appells und der Entscheidung, künftig in<br />
der Hauptstadt Berlin-Beauftragte für das Kindernetzwerk<br />
zu ernennen. Dabei wurde die Gründung<br />
von sechs bundesweiten Arbeitskreisen (“Seltene<br />
Erkrankungen”, “Kooperation Fachleute-Betroffene“,<br />
“Psychosoziale Nachsorge”, “Junge Erwachsene”,<br />
“Pflege und psychosoziale Versorgung” und<br />
“Bündnis für Kinder”) beschlossen.<br />
Ab 20<strong>03</strong> (bis 2009/20<strong>10</strong>) initiierte das Kindernetzwerk<br />
große Messestände bei der Rehacare<br />
in Düsseldorf, der Rehab in Karlsruhe oder auch<br />
bei bundesweiten Kinderärzt:innen-Kongressen.<br />
Dies erfolgte durch die Planung und die Organisation<br />
von Gemeinschaftsständen für gut 20 Eltern-<br />
Selbsthilfeorganisationen. Ziel des <strong>knw</strong> dabei war,<br />
ein breites Netzwerk zu spannen und die speziellen<br />
Kinderbedürfnisse auf der großen Messebühne in<br />
den Fokus zu rücken. Enger Kooperationspartner<br />
war dabei rehakind.<br />
Ab Anfang der 2000er Jahre bot das Kindernetzwerk<br />
Krankheitsübersichten an, die über einen<br />
Zeitraum von gut 20 Jahren unter Federführung<br />
von Katharina Maidhof-Schmid weite Verbreitung<br />
fanden. Die Ziele dabei waren:<br />
• Beschreibungen von Krankheiten aktuell, kompakt<br />
sowie verständlich aufzubereiten, was über<br />
den zehn Mitglieder starken Pädiatrischen Beraterkreis<br />
vorwiegend durch Prof. Gerhard Neuhäuser<br />
aus Gießen und Dr. Hans-Joachim Landzettel aus<br />
Darmstadt erfolgte.
Aus dem Kindernetzwerk<br />
13<br />
• Beschreibungen mit einer einheitlichen Struktur<br />
zu versehen: Kurzbeschreibung, Symptome,<br />
Formen, Diagnostik, Ursachen, Häufigkeiten, Verwandte<br />
Krankheiten, Therapien, Prognose, Beratung<br />
der Familien<br />
Ab 2007 dann ein neues Angebot des Kindernetzwerks:<br />
Die Wochenend-Auszeiten „Mütter im Mittelpunkt“,<br />
von Beginn an maßgeblich von Birgit<br />
Fuchs initiiert, organsiert und umgesetzt: Erholungs-Wochenenden<br />
für erschöpfte Mütter, die jahre-<br />
oder jahrzehntelang ohne eine einzige Auszeit/<br />
Urlaub Kinder und Jugendliche mit schwerwiegenden<br />
Krankheiten betreuen, mit ganz individuellen<br />
Angeboten: von intensiven Gesprächen und Beratungen<br />
bis hin zu völliger Ruhe und Entspannung.<br />
• die individuelle medizinisch/medikamentöse<br />
Situation der Kinder<br />
• neue therapeutische Potenziale (u.a. Ergo-/<br />
Physiotherapie)<br />
• früh- und sozialpädagogische Maßnahmen<br />
• Situation/Überforderung der Eltern<br />
• Unterstützungsmöglichkeiten durch die<br />
Selbsthilfe<br />
2008-2012<br />
Ab dem Jahr 2008 (bis 2011) fanden die legendären<br />
<strong>knw</strong> Familienseminare statt. Legendär deshalb,<br />
weil sie höchst aufwändig, aber auch höchst effektiv<br />
waren. Zielgruppe dieses gänzlich neuen <strong>knw</strong><br />
Angebots waren Familien, die in jüngster Zeit (nicht<br />
länger als vor 18 Monaten) eine schwerwiegende<br />
Diagnose für ihr Kind erhalten haben. An den<br />
insgesamt fünf Seminaren konnten jeweils zwölf<br />
Familien und 60 Personen pro Familienseminar<br />
teilnehmen. Dies waren betroffene Kinder, Geschwisterkinder,<br />
Fachleute mit erlernter und erlebter<br />
Kompetenz, vereinzelt auch Großeltern und<br />
Erzieherinnen für die Kinderbetreuung. Initiator<br />
hierfür war der <strong>knw</strong> AK 2 „Pflege und psychosoziale<br />
Versorgung,“ Kooperationspartner und Förderer<br />
waren der AOK-Bundesverband sowie die AOK-Baden-Württemberg.<br />
Die Veranstaltungen bestanden aus sechs eineinhalbstündigen<br />
Blöcken verteilt über Tage mit diesen<br />
Schwerpunkten:<br />
Ab 20<strong>10</strong> wurde auch die politische Arbeit weiter<br />
forciert. Zum einen über die Gesundheitspolitik in<br />
Berlin quer über alle Parteien und insbesondere<br />
über die Mitglieder in der Kinderkommission. Zentrale<br />
Ansprechpartnerin war acht Jahre lang Marlene<br />
Rupprecht von der SPD. Zum anderen über<br />
den AK „Junge Erwachsene,“ deren Sprecher:innen<br />
zunehmend in politische (Hintergrund)-Gespräche<br />
mit einbezogen wurden. Und schließlich auch über<br />
die anderen AK, etwa zum Thema Pflege und Pflegebegutachtung<br />
bei Kindern.<br />
Ab 20<strong>10</strong> bezog das Kindernetzwerk dann in der Hanauer<br />
Str. 8 in Aschaffenburg seine neue Geschäftsstelle,<br />
von der in den Folgejahren vielfältige Aktivitäten<br />
ausgingen. Zum Beispiel:
14<br />
Aus dem Kindernetzwerk<br />
Neue Angebote:<br />
• Humangenetisches Glossar (Katharina<br />
Maidhof-Schmid)<br />
• Neue Internet-Präsenz mit Kindernetzwerk-<br />
Lotse (Ursula Stein, Birgit Fuchs)<br />
• Gerichtsurteile-Datenbank (Martin Wortmann)<br />
Neue Themen für Eltern-Selbsthilfegruppen:<br />
• Öffentlichkeitsarbeit ist mehr als Pressearbeit,<br />
Lobbyarbeit (Dr. Winfried Kösters)<br />
Neue Veröffentlichungen:<br />
• ADHS – Ergänzungen zur medikamentösen<br />
Therapie<br />
• Neue Morbiditäten im Kindes- und Jugendalter<br />
• Unsere Mitgliedsvereine<br />
Ein neuer Kindernetzwerk-Preis „Gute Kooperationen“,<br />
der im Folgenden jährlich an Elterninitiativen<br />
vergeben wurde, die vorbildhaft mit Kooperationspartnern<br />
zusammenarbeiteten<br />
2012 dann die Jubiläumsveranstaltung „20 Jahre<br />
Kindernetzwerk“ in der Charité in Berlin mit dem<br />
2. Berliner Appell: Themen u.a. Pflege, Transition,<br />
Teilhabe und Inklusion, Professionalisierung der<br />
Selbsthilfe, Lotsen für Familien mit hohem Versorgungsbedarf,<br />
Neue Reha-Förderkonzepte. In <strong>10</strong><br />
Punkten wird begründet, warum die erlebte Kompetenz<br />
von Eltern als ein integraler Bestandteil der<br />
Gesundheitspolitik gestärkt werden muss.<br />
ein reich bebildertes Buch (Chronik) zu 20 Jahren<br />
<strong>knw</strong>. Verabschiedung auch von Erika Davies-Klemm,<br />
die von 2000 bis 2012 die erste stellvertretende<br />
Bundesvorsitzende des Kindernetzwerks war. Ihr<br />
besonderes Präsent: Sammlung von 20 Fallbeispielen<br />
aus 20 Jahren <strong>knw</strong>-Arbeit.<br />
2013-2017<br />
2013 gab es eine Zäsur im Beraterkreis: Altgediente<br />
und hochverdiente Berater wie Dr. Renate Köberich,<br />
Prof. Ulrich Wemmer und Dr. Hans-Joachim<br />
Landzettel machten Platz für neue Experten - Prof.<br />
Hans-Michael Straßburg, Prof. Andreas Warnke und<br />
Prof. Klaus-Peter Zimmer. Dr. Jürgen Seeger wurde<br />
Beraterkreis-Sprecher.<br />
Bis 2015 fanden immer wieder gut besuchte Veranstaltungen,<br />
Jahrestagungen und Workshops (z.B.<br />
“Train the Trainer”) statt. Es gab neue Publikationen<br />
(“Wahrnehmungsstörungen bei Kindern und<br />
Jugendlichen”, Doku „20 Jahre <strong>knw</strong>: Eine Zukunft<br />
für vergessene Kinder“), die 50. Jubiläumsausgabe<br />
von Kinder Spezial. Dem Ehrenvorsitzenden Prof.<br />
Hubertus von Voss wurde das Bundesverdienstkreuz<br />
verliehen. Erneut stark im Fokus: “Mütter im<br />
Mittelpunkt” und – erstmals - Väter-Auszeiten mit<br />
Rene Fugger und Vätern aus der <strong>knw</strong> Familie.<br />
Und Ende 2012 dann die Verabschiedung von Prof.<br />
von Voß als Vorsitzender im Rahmen der MV 2012<br />
in Mainz und Staffelübergabe an Prof. Knut Brockmann<br />
aus Göttingen. Dabei Ernennung von von<br />
Voß zum Ehrenvorsitzenden. Geschenk hierfür:
Aus dem Kindernetzwerk<br />
15<br />
Starke Beachtung seitens der Politik und der Krankenkassen<br />
fand die große bundesweite <strong>knw</strong> Umfrage<br />
mit 1.570 Eltern zur „Lebens- und Versorgungssituation<br />
von Familien mit chronisch kranken und<br />
behinderten Kindern in Deutschland“. Kooperationspartner<br />
dabei waren der AOK-Bundesverband<br />
und Wissenschaftler:innen der Uni Hamburg.<br />
Zentrales Ergebnis beim Thema Beratung und Information<br />
(“Wer hat am meisten geholfen?”): das<br />
Kindernetzwerk und Selbsthilfegruppen an 1. Stelle<br />
vor den Klinikärzt:innen. 72 Prozent der Befragten<br />
waren mit Infos sehr oder zumindest teils zufrieden.<br />
Alle Ergebnisse sind als <strong>knw</strong>/AOK-Publikation<br />
„Familie im Fokus“ erschienen.<br />
2016-2017 wurden neue Meilensteine gesetzt<br />
– Seit April 2016 – neue <strong>knw</strong> Koordinierungsstelle<br />
in Berlin zur Intensivierung der politischen Arbeit<br />
in der Hauptstadt. Auf- und Ausbau in den folgenden<br />
Jahren unter der Leitung von Margit Golfels<br />
– Neue Publikationen: u.a. “Sind Arzneimittel<br />
kindgerecht?”- “Kinder psychisch kranker Eltern”<br />
- “Selbsthilfe 2020 – Fit für die Zukunft” - “Flüchtlingskinder<br />
und psychische Krankheiten”.<br />
– MV 2016: Mit Dr. Annette Mund wird erstmals<br />
eine Expertin aus der Selbsthilfe und eine Frau an<br />
die Spitze des <strong>knw</strong> gewählt<br />
– 2017: <strong>knw</strong> Homepage in neuem Gewand. Aufund<br />
Ausbau von Social-Media-Kanälen. Weiter<br />
volles Engagement in AK und bei den MV/Jahrestagungen.<br />
2018-2022<br />
Im Jahr 2018 bis 2019 wächst die Berliner Koordinierungsstelle<br />
– personell und inhaltlich. Die Orientierung<br />
nach Berlin und die „Politisierung“ des <strong>knw</strong><br />
setzt sich weiter fort. Die <strong>knw</strong> Akademie mit Themen<br />
von “Geschwisterkinder” über “Sozialgesetze”<br />
bis hin zu “Transitionscoach” kommt voll ins Rollen.<br />
2018 die nächste Jubiläumsveranstaltung - 25 Jahre<br />
Kindernetzwerk. Erneut in der Charité und wieder<br />
ein Berliner Appell mit 8 Handlungsfeldern – erstmals<br />
auch mit Unterstützung der neuen Schirmherrin<br />
Elke Büdenbender.<br />
2019: Raimund Schmid geht – eine neue <strong>knw</strong> Ära<br />
beginnt…<br />
Margit Golfels übernimmt die Geschäftsführung<br />
und führt ab 2019 die Dienststellen in Berlin und<br />
Aschaffenburg enger zusammen. Dabei bleibt eine<br />
klare und bis heute gültige Aufgabenteilung bestehen:<br />
Die Mitgliederbetreuung und Anfragenbearbeitung<br />
wird von der Servicestelle in Mainaschaff<br />
bei Aschaffenburg übernommen. Die Geschäftsleitung,<br />
die Akademie sowie die Öffentlichkeitsarbeit<br />
und die politische Arbeit wird von Berlin aus<br />
gesteuert.<br />
Seit 2020 haben Dr. Henriette Högl und Kathrin<br />
Jackel-Neusser als Doppelspitze die Geschäftsführung<br />
beim <strong>knw</strong> inne. Unterstützt werden beide von<br />
• Pia Rosenthal (Büroleiterin),<br />
• Benita Eisenhardt<br />
(Referentin für Projekte und Entwicklung) (2022),<br />
• Birte Struntz<br />
(Presse- und Öffentlichkeitsarbeit)<br />
• Yeliz Kidis (Projektarbeit) (<strong>2023</strong>)<br />
• Dr. Verena Popp<br />
(Koordination Netzwerke) (<strong>2023</strong>)<br />
• Birgit Fuchs<br />
(Telefonberatung und Elternauszeiten)<br />
• Ursula Stein<br />
(Mitgliederbetreuung und Datenbankpflege).<br />
• Lisa Warmo und Hannah Görg<br />
(studentische Mitarbeiterinnen) (2022)
16<br />
Aus dem Kindernetzwerk<br />
Bis heute werden dabei mit der <strong>knw</strong> agenda und<br />
dem jüngsten Berliner Appel <strong>2023</strong> die Kontakte zur<br />
Politik verstetigt.<br />
Zudem bietet das <strong>knw</strong> nun viele krankheitsübergreifende<br />
Weiterbildungs- und Unterstützungsangebote<br />
an. Dabei werden unter anderem Jugendliche<br />
in ihrer Selbstwirksamkeit gefördert sowie<br />
Transitionscoaches und Peers ausgebildet. Diese<br />
Peers sind Berater:innen, die Familien mit einem<br />
chronisch kranken oder behinderten Kind dabei<br />
unterstützen, ihre mitunter schwierige Lebenssituation<br />
bis hin ins junge Erwachsenenalter besser<br />
zu bewältigen. Dieses Ziel verfolgt auch die Junge<br />
Selbsthilfe im <strong>knw</strong>. Besondere Aufmerksamkeit erlangte<br />
sie, als die jungen Menschen im Jahr 2022<br />
Petitionspapiere mit politischen Forderungen an<br />
Entscheidungsträger:innen adressierten.<br />
Mit der Kampagne „MittenImLeben“ konnte insbesondere<br />
über die relevanten Social-Media-Kanäle<br />
das Bild einer starken Selbsthilfe vermittelt und geteilt<br />
werden. Dazu zählt auch Unrare.me, die App<br />
für Seltene Erkrankungen. Bei dieser App handelt<br />
es sich um einen digitalen datengeschützten Gesundheitscampus,<br />
der die unterschiedlichen Player<br />
aus der Medizin, der Pflege, von Betroffenen und<br />
aus der Selbsthilfe zusammenbringt. Wieder ein<br />
Schritt in eine neue Zukunft der (Eltern)-Selbsthilfe.<br />
Das Kindernetzwerk ist in 30 Jahren als Dachverband<br />
der Selbsthilfe von Familien mit Kindern<br />
und jungen Erwachsenen mit chronischen Erkrankungen<br />
und Behinderungen anerkannt und fest<br />
etabliert. Die Vernetzung ist weit fortgeschritten,<br />
das Verständnis füreinander ausgeprägt. Zudem ist<br />
die Einsicht gewachsen, dass medizinische Fachkompetenz<br />
allein zur Krankheitsbewältigung und<br />
für eine stabile psychosoziale Lebenssituation ohne<br />
die Erlebniskompetenz der Selbsthilfe längst nicht<br />
mehr ausreicht. Die Datenbanken - insbesondere<br />
die einmalige Eltern-Datenbank - haben auch heute<br />
noch große Bedeutung trotz der vielfachen Informationen<br />
im Internet.<br />
Alle Themen, die das Kindernetzwerk seit langem<br />
bewegen, werden ständig weiterentwickelt und<br />
zeitgemäß – insbesondere digital - angepasst.<br />
Doch der nun erneuerte Berliner Appell zeigt, dass<br />
es noch viele ungelöste Probleme gibt im Bereich<br />
der chronischen Erkrankung und Behinderung von<br />
Kindern und jungen Erwachsenen. Das Kindernetzwerk<br />
wird daher auch in den nächsten 30 Jahren<br />
gebraucht und genügend Herausforderungen zu<br />
meistern haben.<br />
Der Autor Raimund Schmid war von 1993 bis 2019<br />
Geschäftsführer von Kindernetzwerk e.V.<br />
Die Fotos stammen von Hartmut Kreutz, der von<br />
1994 bis 2019 das Kindernetzwerk aktiv unterstützt<br />
und dabei ein großes Bildarchiv angelegt hat.
Aus dem Kindernetzwerk<br />
17<br />
Interview<br />
mit Dr. Annette Mund<br />
Liebe Frau Dr. Mund, Sie sind nun seit über sieben Jahren Vorsitzende des Kindernetzwerk e.V.,<br />
kurz <strong>knw</strong>. Erst einmal herzlichen Dank dafür, dass Sie dieses wichtige Amt ehrenamtlich schon<br />
so lange ausfüllen und uns so viel Ihrer persönlichen Zeit und Ihres Herzbluts geschenkt haben!<br />
Wie sind Sie eigentlich zur Selbsthilfe und wie zum<br />
<strong>knw</strong> gekommen?<br />
Wir haben einen Sohn, der sich seit seiner etwas<br />
zu frühen Geburt mit eventuellem Sauerstoffmangel<br />
während der Geburt verzögert entwickelte. Ein<br />
anderer Sohn litt unter einer Eiweißunverträglichkeit<br />
und konnte nicht gestillt werden. In diesen<br />
Jahren – wir sprechen von den späten 80er Jahren<br />
des letzten Jahrhunderts – gab es in der ländlichen<br />
Region, in der wir damals lebten, wenig Wissen zu<br />
speziellen Kindern. Also wurde ich meine eigene<br />
Spezialistin und begann mich zu Entwicklungsverzögerungen<br />
und Ernährungsbesonderheiten fit zu<br />
machen. Bald hielt ich Vorträge in Kindergärten<br />
und an Elternabenden. Irgendwann entdeckte mich<br />
dann die örtliche Selbsthilfe und „kaschte” mich.<br />
Über mehrere bundesweit agierenden Selbsthilfeorganisationen,<br />
die ich leitete, bin ich schließlich<br />
2014 zum Kindernetzwerk gekommen.<br />
Was bedeutet Selbsthilfe heute für Sie, was hat<br />
sich im Laufe der Jahre und Jahrzehnte geändert?<br />
Selbsthilfe ist die wunderbare Möglichkeit zu erkennen,<br />
dass keine Situation in meinem Leben oder<br />
in dem eines anderen Menschen ausweglos ist.<br />
Immer ist es möglich, sich bei den Menschen, die<br />
mit ähnlichen Situationen umgehen mussten und<br />
müssen, Tipps und Hilfe zu holen. Mit dem Austausch<br />
wächst dann häufig das vielfach verschüttete<br />
Gefühl „Ich kann etwas” oder „vielleicht ist die<br />
Situation doch gar nicht so ausweglos”. Selbsthilfe<br />
ist im besten Sinn eine Melange aus Maria Montessoris<br />
Satz „Hilf mir, es selbst zu machen” und<br />
dem Niehbur’schen Gelassenheitsgebet „Gott, gib<br />
mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich<br />
nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die<br />
ich ändern kann, und die Weisheit, dass eine vom<br />
anderen zu unterscheiden.”<br />
So wie ich es wahrnehme, sind die Menschen in<br />
der Masse heute weniger bereit, für sich selbst einzustehen<br />
und „es selbst zu machen”. Der Servicegedanke<br />
festigt sich immer mehr, so dass es nicht<br />
mehr heißt, „ich ändere, was ich ändern kann”, sondern<br />
„Du - ändere mein Leben” und „Du, mache es<br />
für mich!”<br />
Sie haben viele wesentliche Projekte des <strong>knw</strong> mit<br />
angestoßen und durchgeführt. Welches waren<br />
bislang „Glanzlichter” für Sie ganz persönlich?<br />
Sehr hat mich unser Peer-Projekt gefreut und inspiriert.<br />
Ich glaube, dass wir hier ein Feld entdeckt<br />
haben, das noch sehr reichlich abgeerntet werden<br />
kann. All die Mütter und Väter, die jahrelang ein<br />
behindertes oder chronisch krankes Kind begleiten,<br />
haben eine unfassbar große Menge an erlebter
18<br />
Aus dem Kindernetzwerk<br />
Kompetenz angehäuft, ein so großes Wissen erlangt,<br />
dass sie ganz wunderbare Peers werden können.<br />
Hier sehe ich noch viele „ungeschliffene Diamanten”,<br />
die nur geschult zu werden brauchen.<br />
Ein weiteres Glanzlicht sind unsere Mütter- und Väterauszeiten.<br />
Erziehenden von behinderten/chronisch<br />
kranken Kindern und Jugendlichen einmal<br />
die Möglichkeit zu geben, ein Wochenende lang es<br />
sich gut gehen zu lassen, einmal nur für sich sein<br />
zu können, einmal wieder die oft tief verschütteten<br />
Wünsche und Möglichkeiten zu sehen und zu<br />
beleben – das halte ich für essenziell und ich hoffe<br />
sehr, dass weitere Förderer uns hier unterstützen.<br />
An alle bislang bestehenden Unterstützer:innen<br />
möchte ich an dieser Stelle meinen besonderen<br />
Dank aussprechen.<br />
Sie haben auch in Innovationsfondprojekten mitgearbeitet.<br />
Wie aufwändig ist das und was sind<br />
die Chancen?<br />
Innovationsfondprojekte dienen dazu, noch nicht<br />
fest etablierte Möglichkeiten der medizinisch-therapeutischen<br />
Versorgung zu erproben. Das finde<br />
ich ein sehr gutes Konzept. Die Antragsstellung ist<br />
allerdings ein Kapitel für sich. Wer sich nicht auskennt<br />
in bürokratischen Abläufen, Finanzplanungen<br />
oder Projektdarstellungen, ist verloren. Wer<br />
sich in diesen Dingen allerdings auskennt und die<br />
vorgegeben Richtlinien – auch die inhaltlichen,<br />
also welcher inhaltliche Förderschwerpunkt vorgegeben<br />
ist – beachtet, hat gute Chancen, sich bzw.<br />
sein Team, seine Ideengroup auszuprobieren. Die<br />
Durchführung von Innovationsfondprojekten eröffnet<br />
einen Einblick in die Schwierigkeit, komplexe<br />
Projekt erfolgreich abschließen zu können. Aus diesem<br />
Grund würde ich jeder Organisation raten, einmal<br />
ein Projekt im Innovationsfond zu etablieren.<br />
Was denken Sie, könnte das Kindernetzwerk noch<br />
besser machen, was sollten wir noch erreichen?<br />
In meinen Augen hat <strong>knw</strong> schon sehr viel erreicht,<br />
sehr viel für die bessere Sichtbarkeit betroffener<br />
Familien und für die Verkürzung bürokratisch notwendiger<br />
Wege zur Versorgung dieser Familien geschafft.<br />
In diesen sehr unsicheren Zeiten ist es mir darüber<br />
hinaus ein großes Anliegen, die Vernetzung von<br />
ähnlichen Strukturen auf internationaler Ebene<br />
fortzuschreiben. Die Kinder aller Länder sind gleich,<br />
Behinderungen und chronische Erkrankungen gibt<br />
es in allen Ländern. Kriege und Armut zerstören viele<br />
Strukturen, doch wenn wir uns zusammenschließen,<br />
können auch in schweren Zeiten betroffene<br />
Familien gehalten werden und müssen weniger<br />
befürchten, gänzlich ohne Hilfen dazustehen.<br />
Und was läuft besonders gut, worauf sind Sie<br />
persönlich stolz, bzw. womit zufrieden?<br />
Der französische Philosoph Voltaire schrieb den<br />
allseits gültigen Satz „Man muss seinen Garten<br />
bestellen” und das ist es, was <strong>knw</strong> gut macht. Wir<br />
schauen uns in der Öffentlichkeit, der Politik, der<br />
Medizin und Therapie um, wir hören betroffenen<br />
Familien, Jugendlichen und Kindern zu, die chronisch<br />
krank und/oder behindert sind, wir erkennen<br />
Diskrepanzen und zu behebende Schwachstellen<br />
und arbeiten dann an der Verbesserung der Situationen<br />
und Gegebenheiten. Das ist manchmal<br />
zeitaufwändig und mühsam, teilweise frustrierend,<br />
aber immer auch inspirierend, denn unser Garten –<br />
die Schaffung einer inklusiven Gesellschaft – treibt<br />
seit Jahren an allen Ecken und Enden die schönsten<br />
Blüten.
Aus dem Kindernetzwerk<br />
19<br />
Wenn man die Berliner Appelle der letzten Jahrzehnte<br />
vergleicht, so bleiben einige Forderungen<br />
leider nach wie vor offen, z.B. zur Barrierefreiheit<br />
und zu guter Inklusion in Kitas und Schulen. Was<br />
meinen Sie, warum dauert dies so lang, und woran<br />
liegt das?<br />
Werden Gebäude oder ganze Städte gebaut, werden<br />
lange Jahre nur Pläne erstellt und dann beginnt<br />
der Bau. Die Pläne der Gebäude und Städte, die gerade<br />
gebaut werden, sind Jahre alt – da dachte man<br />
noch nicht an Barrierefreiheit.<br />
Gut funktionierende Inklusion bedeutet die Umsetzung<br />
vollständiger, in alle Richtungen bedachter<br />
Konzepte. So wie die Geschichte es uns in Bildungsangelegenheiten<br />
eigentlich immer lehrt, werden<br />
in Deutschland Dinge angedacht, aber nicht vollständig<br />
durchdacht, und dann fängt man einfach<br />
mal an. Wir scheinen Menschen zu sein, die Dinge<br />
erforschen möchten und deshalb Ideen aufgreifen<br />
und „mal laufen lassen”. Danach weiß man dann,<br />
ob die erforschten Prozesse gut oder schlecht waren.<br />
Meiner Ansicht nach brauchten wir eine „Stunde<br />
Null”, einen „Cut”, ein Innehalten. Dann sollten wir<br />
Kinder und besonders behinderte/chronische Kinder<br />
zum Dreh- und Angelpunkt aller Überlegungen<br />
machen. Was braucht ein solches Kind in Hinsicht<br />
Gebäude-, Städtebau? Wie müssen Wege und<br />
Straßen beschaffen sein, denken wir von einem<br />
behinderten Kind aus? Was kann Inklusion bestenfalls<br />
bedeuten? Natürlich - vom Kind aus gedacht<br />
– jegliche Möglichkeit zur Teilhabe am spielerischen,<br />
kindlichen, jugendlichen, gesellschaftlichen<br />
und politischen Leben. Möglichkeiten, an allen<br />
Bildungsoptionen teilhaben zu können - wenn gewünscht<br />
und wenn sie passend sind.<br />
Kinder sind „Lebensbeginner”, sie sind Startpunkte<br />
jeglicher Entwicklung. Daher sollten wir ihre Welt<br />
zur Basis der Entwicklung unserer Gesellschaft machen.<br />
Mit unserem letzten großen Empowerment-Projekt<br />
wollten wir das Image der Selbsthilfe moderner<br />
machen, diese bekannter machen auch bei<br />
Vätern, Menschen mit Einwanderungsgeschichte<br />
und jungen Leuten.<br />
Was meinen Sie: Erreichen wir diese Gruppen nun<br />
etwas besser z.B. durch unsere sozialen Medien,<br />
mit denen wir sie gezielt ansprechen?<br />
Ein schöner Charakterzug unserer Geschäftsführung,<br />
den beiden Damen Kathrin Jackel-Neusser<br />
und Dr. Henriette Högl, ist ihre Offenheit für Modernisierung;<br />
beide haben immer mindestens „einen<br />
Finger“ am Puls der Zeit. So werden nun alle wesentlichen<br />
Fragen, Meinungen und Punkte, die zur<br />
Diskussion stehen, aber auch ganze Projekteideen<br />
mittels der sozialen Medien „in die Welt gegeben”.<br />
Damit erleichtern wir den Menschen wieder ein<br />
wenig den Weg zu „Hilf mir, es selbst zu tun”, denn<br />
so können sie sich beteiligen und mitdiskutieren.<br />
Wir erreichen auf diesem Weg zumindest diejenigen,<br />
die sich Gedanken machen wollen. Wer nicht<br />
mitdenken möchte, den werden wir sicherlich wenig<br />
dazu motivieren können.<br />
Derzeit setzt das <strong>knw</strong> ein Professionalisierungsprojekt<br />
um, mit dem unsere Mitglieder sich mit<br />
allen offenen Fragen rund um Finanzierung, Projektförderung,<br />
Satzungsfragen etc. an uns wenden<br />
können. Wo brennt es aus Ihrer Sicht besonders<br />
bei den Mitgliedern?<br />
Ein wesentlicher Punkt in der ganzen Diskussion ist<br />
die Frage, ob Selbsthilfe weiterhin dem Wohl und<br />
Wehe der politikgesteuerten Finanzierung durch<br />
die Krankenkassen ausgesetzt sein muss.<br />
Selbsthilfe übernimmt einen wesentlichen Anteil<br />
der in einer Gesellschaft aufzufangenden<br />
Sozial„last” - und dies ist nicht in finanzieller<br />
Hinsicht gemeint. In Zeiten weggebrochener
20<br />
Aus dem Kindernetzwerk<br />
Familienstrukturen, ausgedünnter Kirchenbezirke,<br />
wegrationalisierter (kirchlicher) Seelsorger:innen<br />
und minimal vorhandener therapeutischer Strukturen<br />
steht Selbsthilfe für Zuhören, für Mal-Reden-<br />
Können, sich auskotzen können, weinen können,<br />
eine starke Schulter bereitstellen können, Tipps erhalten<br />
können, in eigener Erfahrung getestete Ratschläge<br />
weitergeben können. Selbsthilfe ist ein Ort<br />
der Psychohygiene für eine große Zahl belasteter<br />
Menschen geworden. Dies sollte geschätzt werden,<br />
was meint, dauerhaft und verlässlich finanziert<br />
werden. Es kann nicht sein, dass die gleiche Arbeit<br />
und mehr davon jedes Jahr gefordert wird, die Finanzierung<br />
derselben aber mehr als wackelig und<br />
unsicher ist. Hier muss Abhilfe geschaffen werden.<br />
Liebe Frau Dr. Mund, was ist Ihnen persönlich für<br />
die Zukunft des <strong>knw</strong> besonders wichtig?<br />
Ich wünsche mir, dass es stets als offenes Ohr für<br />
die Belange betroffener Familien, das differenzierte<br />
Durchdenken der an <strong>knw</strong> herangetragenen<br />
Wünsche und Forderungen und die tatkräftige Umsetzung<br />
der als richtig erkannten Wege weiterhin<br />
bestehen bleibt. Ich wünsche mir, dass <strong>knw</strong> und<br />
“wir machen den Weg frei”, um diesen bekannten<br />
Slogan mal auszuleihen, ein Synonym für Familien<br />
mit einem chronisch kranken und/oder behinderten<br />
Kind und Jugendlichen ist und bleibt.<br />
Danke Ihnen für das Gespräch!<br />
Das Interview führte Kathrin Jackel-Neusser.<br />
Interview mit dem<br />
<strong>knw</strong>-Ehrenvorsitzenden<br />
Prof. Dr.med. Dr. h.c.<br />
Hubertus von Voß<br />
Sehr geehrter Herr Professor von Voß, Sie sind<br />
Gründer und Ehrenvorsitzender des Kindernetzwerk<br />
e.V., kurz <strong>knw</strong>. Sie selbst bringen sich noch<br />
immer mit wertvollen Ratschlägen ein, wofür wir<br />
Ihnen herzlich danken. Welche gesellschaftlichen<br />
und politischen Themen treiben Sie derzeit am<br />
meisten um?<br />
Ich kann mich nicht erinnern, dass das „Thema Kind“<br />
weltweit so große Beachtung gefunden hat wie<br />
gerade in unserer Zeit: Klimakrise, Bildungskrise,<br />
Überforderung, Konfrontation mit anderen Kulturen<br />
etc. Es fehlen Lehrer, es fallen Unterrichtstunden<br />
(Sport, Musik, Kunst) aus, immer weniger<br />
Kinder lernen kompetent Deutsch, Armut, Gewalt<br />
an Kindern, Deportation von sicherlich mehr<br />
als 25.000 Kinder der Ukraine, Gehirnwäsche bei<br />
Kindern, Zusammenleben deutscher Kinder mit<br />
Migrationskindern, erhebliche Verbesserung der<br />
Vernetzung von Zentren, die seltene Krankheiten<br />
erforschen, Finanzierungsprobleme bei Medikamenten<br />
für seltene Krankheiten, Vernetzung von
Aus dem Kindernetzwerk<br />
21<br />
KNW mit Unicef, Europaparlament, Defizite bei der<br />
Rehabilitation von Kindern mit globalen Entwicklungsstörungen,<br />
eindeutige Übergangskonzepte zu<br />
Hilfen für das Transitionsalter (18-24 Jahre) usw.<br />
Wir leben in einer Zeit, in der Kinder bedroht sind<br />
wie nie zuvor im letzten Jahrhundert und nun aktuell.<br />
Noch etwas traurig Aktuelles: Sie bringen sich<br />
auch politisch weiter intensiv ein, unter anderem<br />
haben Sie dafür plädiert, den russischen Präsidenten<br />
anzuschreiben, und machen sich für die Kinder<br />
aus der Ukraine stark. Was ist hier Ihre Botschaft?<br />
Die deutsche Kinder- und Jugendmedizin hat seit<br />
Beendigung des Zweiten Weltkrieges fachlich und<br />
menschlich überaus enge Beziehungen zu Ärzten<br />
und Ärztinnen in Russland aufgebaut und einen gegenseitigen<br />
Austausch von Wissen um Krankheiten<br />
bei Kindern und Jugendlichen als große Bereicherung<br />
empfunden. Viele schwer kranke Kinder und<br />
Jugendliche aus Russland und Staaten der ehemaligen<br />
Sowjetunion (z. B. Belarus) wurden in Deutschland<br />
in prominenten Zentren der Kinder- und Jugendmedizin<br />
zu einem großen Anteil erfolgreich<br />
untersucht und behandelt. Zusätzlich unterstützten<br />
deutsche Experten und Expertinnen russische Ärztinnen<br />
und Ärzte beim Aufbau z. B. der Onkologie<br />
bei Kindern und Jugendlichen in Perm. Diese Zusammenarbeit<br />
konnte der russische Präsident nicht<br />
zerstören. Jetzt erfolgen weiterhin Videokonferenzen<br />
zu schwer kranken Patienten. Es entwickelten<br />
sich enge Freundschaften zwischen deutschen und<br />
russischen Ärztinnen und Ärzten, die trotz des russisch–ukrainischen<br />
Krieges fortbestehen. Das nun<br />
seit 30 Jahren bestehende „Kiew- Projekt“ – initiiert<br />
von dem Bayerischen Sozialministerium – besteht<br />
auch weiterhin (Koordinator über diese Zeit v.<br />
Voß, München Anm. D. Red.). Rund <strong>10</strong>0 Sozialpädiatrische<br />
Zentren wurden in der gesamten Ukraine<br />
aufgebaut, die weiterhin arbeiten.<br />
So wie viele andere Menschen verurteile ich auf<br />
das Schärfste die Verschleppung von Kindern und<br />
Jugendlichen von der Ukraine nach Russland unter<br />
dem Vorwand, dass sie geschützt werden sollen vor<br />
den Folgen dieses Krieges und vor der Ukraine generell,<br />
die als Naziland vom russischen Präsidenten<br />
bezeichnet wird. Diese Sichtweise galt auch als Begründung<br />
für den Überfall. Eltern, Müttern, Vätern,<br />
Familien werden ihre Kinder entrissen, ein Teil von<br />
ihnen wird von russischen Personen ohne Zustimmung<br />
der leiblichen Eltern adoptiert. Die freie Welt<br />
hat erfahren, dass weit mehr als 15.000 Kinder in<br />
der Ukraine elternlos wurden. Diese Zahlen sind<br />
geschönt. Die Trennung von Kindern von ihren Eltern<br />
stellt ein strafrechtlich zu verfolgendes Verbrechen<br />
dar. Die Liste der Verbrechen durch Russen ist<br />
schon heute unüberschaubar.<br />
Bereits im Jahr 1940 hat die weltweit anerkannte<br />
Psychotherapeutin Anna Freud zusammen mit<br />
Dorothy Tiffany Burlingham mit der Grünung der<br />
„Hampstead Nurseries“ eine Kinderkolonie für<br />
hilfsbedürftige und verwaiste bzw. von ihren Eltern<br />
getrennte Kinder bei sich in London aufgebaut und<br />
sie bei sich aufgenommen. Sie konnte feststellen,<br />
welch bleibender Schaden am Seelenleben dieser<br />
verwaisten Kinder durch den II. Weltkrieg angerichtet<br />
worden war, aber auch, dass ihre körperliche<br />
und geistige Entwicklung mit einer gewaltsamen<br />
Trennung der Kinder von ihren leiblichen Eltern<br />
geschädigt wird. Russischen Kinderärztinnen und<br />
Kinderärzten ist diese Arbeit bekannt.<br />
Die UN- Kinderrechtskonvention hat mit Artikel 9<br />
„Trennung von den Eltern; persönlicher Umgang“<br />
folgende Forderungen aufgestellt:<br />
“(1) Die Vertragsstaaten stellen sicher, dass ein Kind<br />
nicht gegen den Willen seiner Eltern von diesen getrennt<br />
wird…” Diese Konvention gilt weltweit, da<br />
sie sich dem Kindeswohl und dessen Sicherung verpflichtet<br />
fühlt. Ich fordere den russischen Präsidenten<br />
nachdrücklich auf, die Deportation zu stoppen
22<br />
Aus dem Kindernetzwerk<br />
und die Kinder ihren leiblichen Eltern wieder in<br />
Obhut zu geben. Es gibt nicht eine einzige stichhaltige<br />
Begründung, Kinder und Jugendliche durch die<br />
Deportation ihren leiblichen Eltern zu entreißen,<br />
ihnen ihre Identität zu rauben durch gewaltsame<br />
Entwendung von Ausweisen, sie damit zu misshandeln<br />
und Gewalt und Willkür auszusetzen. Wir werden<br />
noch weitere Gräueltaten an diesen Kindern<br />
und auch Jugendlichen kennenlernen müssen.<br />
Danke für dieses leidenschaftliche und bewegende<br />
Plädoyer!<br />
Wo hat sich aus Ihrer Sicht der Einsatz der Pädiatrie<br />
und der Selbsthilfe gelohnt, was hat sich<br />
verbessert für die Kinder in Deutschland und was<br />
insbesondere für Kinder mit chronischen Erkrankungen<br />
und Behinderungen?<br />
Die medizinische Versorgung von kranken Kindern<br />
und Jugendlichen in Deutschland erfolgt noch auf<br />
hohem Niveau. Die Sozialgesetzbücher V und IX<br />
bestätigen, dass diese Gesetze Kinder und Jugendliche<br />
schützen und Krankheiten wie auch Behinderungen<br />
ernst nehmen. Das Bedauerliche ist, dass<br />
diese Gesetzbücher Ärzten meist in vollem Umfang<br />
nicht bewusst sind. Ärzte müssen wissen, welche<br />
Anträge zum Grad einer Behinderung gestellt werden<br />
können, welche Hilfen auch gerade Kinder und<br />
Jugendliche mit Behinderungen erhalten können.<br />
Die Elternselbsthilfe hat bewiesen, dass Eltern sehr<br />
oft mehr zu einer „seltenen Krankheit wissen“ als<br />
Ärzte. Die Elternselbsthilfe des <strong>knw</strong> hat bisher 30<br />
Jahre lang alles getan, die Kommunikation zwischen<br />
Ärzten und Eltern zu verbessern. Sie hat dabei auch<br />
Jugendliche und Berater in solche Arbeit einbezogen.<br />
Zu fordern ist, dass zu neu erkannten „Seltenen<br />
Krankheiten“ das Deutsche Ärzteblatt eine<br />
Rubrik einrichtet, in der regelmäßig neu erkannte<br />
Krankheiten in verständlicher Sprache vorgestellt<br />
werden incl. Wegen der Diagnostik, Therapie und<br />
Rehabilitation.<br />
Wenn Sie einen großen Wunsch an die Politik<br />
richten könnten, der sofort umgesetzt würde, was<br />
wäre das?<br />
Die derzeitige Regierung ist innenpolitisch und vor<br />
allem sozialpolitisch inaktiv und inkonsequent. Wir<br />
stehen vor einer Krise oder befinden uns bereits in<br />
dieser. Nur über die Grundsicherung von Kindern<br />
zu streiten, dies reicht nicht aus. Mehr als 2 Millionen<br />
Menschen sind chronisch krank, 70% von ihnen<br />
sind Kinder und Jugendliche. Die Bundesregierung<br />
muss mit den Bundesländern dafür sorgen, dass<br />
Transitionsprobleme verschwinden, also weiterhin<br />
kranke Jugendliche und dann Erwachsene nicht in<br />
ein Loch der Unterversorgung stürzen.<br />
Kindernetzwerk e. V. beunruhigt aber auch die<br />
Debatte um die Krankenhausreform. Nur einige wenige<br />
Themen seien hier genannnt:<br />
1. Der Beraterkreis zur Krankenhausreform besteht<br />
aus Funktionären. Wo sind die Experten der Kinder-<br />
und Jugendmedizin, Psychologen, Psychotherapeuten,<br />
Ärzte mit Wissen um Seniorenprobleme,<br />
Experten der Pflege von Kranken, Vertreter von<br />
Elternverbänden etc.?<br />
2. „Kleine Kliniken“ zu schließen muss als Fehlentscheidung<br />
bezeichnet werden. Der Bayerische<br />
Gesundheitsminister hat die Vorschläge der Kommission<br />
zurecht abgelehnt.<br />
3. Eltern das Recht abzusprechen, bei der Entscheidung,<br />
wann und warum sie ein nach ihrer Ansicht<br />
krankes Kind in einer Klinik vorstellen müssen,
Aus dem Kindernetzwerk<br />
23<br />
diese Idee ist verwerflich. Hinter einem „Pickel“<br />
am Po kann sich eine Krankheit verbergen, was zu<br />
einer gesundheitlichen Katastrophe führen kann.<br />
Dass Notfallambulanzen auch ausgenutzt werden,<br />
dies ist nicht neu!<br />
4. Der Sachverständigenrat muss sich im Klaren<br />
sein, dass Notfalltransporte von akut Erkrankten<br />
diese innerhalb kürzester Zeit u. U. in eine Schwerpunktklinik<br />
transportieren müssen (z. B. Schwangere<br />
mit vorzeitiger Plazentalösung, ein Kleinkind<br />
mit akuter Epiglottitis (akute Entzündung des Kehlkopfes<br />
etc.) oder ein Kind mit Epilepsie etc. Und<br />
dann muss sichergestellt sein, dass nicht ein hohes<br />
Verkehrsaufkommen solche Transporte unmöglich<br />
macht und Patienten noch zusätzlich in eine<br />
Schwerpunktklinik wegen fehlender freier Betten<br />
nicht unverzüglich aufgenommen werden können.<br />
5. Der „Numerus clausus“ für junge Menschen, die<br />
Ärzte werden wollen, war schon immer eine gravierende<br />
Fehlentscheidung, eigentlich ein Debakel.<br />
Was sagt eine Abiturnote von 1 bis 1,2 über einen<br />
Adoleszenten aus. Kultusministerien in Deutschland<br />
müssen diese Entscheidung zurücknehmen<br />
wegen des hohen Ärztebedarfs mit weit mehr als<br />
15.000 unbesetzten Arztstellen in Kliniken und<br />
Praxen.<br />
6. Das Abitur sichert jungen Menschen den Zugang<br />
zum Studium. Dieses Recht darf nicht beschnitten<br />
werden.<br />
7. Als Debakel muss bezeichnet werden, dass Notfallambulanzen<br />
in Kliniken kein eigenes Personal<br />
und die Kliniken dafür auch kein Budget haben. Im<br />
Gegenteil, Ärzte werden verantwortlich gemacht<br />
für stationäre Patienten und gleichzeitig für Notfallambulanz-Patienten.<br />
Dass hier Wartezeiten für<br />
Notfallpatienten von weit mehr als fünf Stunden<br />
entstehen können, ist nicht die Seltenheit, sondern<br />
die Regel, selbst mehrfach erlebt.<br />
8. Es stellt sich die Frage, was unter “kleinen Kinderkliniken”<br />
verstanden wird. Ohne diese könnten<br />
Kinder- und Jugendärzte gar nicht in ausreichender<br />
Zahl ausgebildet werden. In den “großen” Univ. Kliniken<br />
und kommunalen Kliniken erlernen z. B. Kinderärzte<br />
bei der hohen Spezialisierung nicht mehr<br />
die Feinheiten des Fachgebietes kennen. Man gewinnt<br />
den Eindruck, dass der Sachverständigenrat<br />
den Patienten aus dem Auge verloren hat. Und nur<br />
um ihn darf es bei jeglicher Reform gehen.<br />
9. Kindernetzwerk fordert Gesundheitspolitiker<br />
und so genannte Sachverständige auf, eine Anhörung<br />
im Parlament in Berlin vor Verabschiedung<br />
eines Gesetzes zur Krankenhausreform einzuberufen.<br />
Dass es hier auch um Kinder und Jugendliche<br />
mit seltenen Krankheiten, um schwer chronisch<br />
erkrankte Patienten aller Altersstufen gehen muss,<br />
dies muss das Ziel einer solchen Anhörung sein.<br />
Kontakt:<br />
Univ. Prof. i.R. Dr.med. Dr. h. c. Hubertus von Voß<br />
Ehrenvorsitzender von Kindernetzwerk e.V.<br />
Ehemaliger Ordinarius für Soziale Pädiatrie und<br />
Jugendmedizin- Rehabilitationswesen und Ärztlicher<br />
Direktor des Kinderzentrum München<br />
E-Mail: hubertus.vonvoss@t-online.de<br />
Hartwaldstrasse 5, 81377 München<br />
Das Interview führte Kathrin Jackel-Neusser.
24<br />
Aus dem Kindernetzwerk<br />
Workshop der Jungen Selbsthilfe<br />
zur Inklusiven Lösung und zum Berliner Appell<br />
und Ausblick zu Treffen im Bundestag<br />
Die im Kindernetzwerk zusammengeschlossenen<br />
Jugendlichen und jungen Erwachsenen haben in<br />
Workshops erneut zahlreiche Forderungen an die<br />
Politiker:innen entwickelt, die dann in den Berliner<br />
Appell aufgenommen wurden.<br />
Außerdem konnten wir zwei Workshops zur Inklusiven<br />
Lösung durchführen, bei dem die Forderungen<br />
junger Menschen zum Gesetzesreformprozess Inklusive<br />
Kinder- und Jugendhilfereform gesammelt<br />
wurden. Diese fließen auch in unserem Think Tank<br />
ein.<br />
Außerdem nahmen Sarah Brandsmeier und Leonie<br />
Welsch als Vertreterinnen der Jungen Selbsthilfe an<br />
unserer Pressekonferenz zum Berliner Appell teil –<br />
dankeschön!<br />
Zusammen mit Lilith Fendt konnte außerdem ein<br />
Gespräch mit Stefan Schwartze, dem Patientenbeauftragten<br />
der Bundesregierung, durchgeführt<br />
werden.<br />
Bald ist die Junge Selbsthilfe übrigens im Bundestag<br />
uns trifft die inklusionspolitischem Sprecher:innen<br />
– wir werden berichten!<br />
Ihr möchtet bei der Jungen Selbsthilfe mitmachen?<br />
Alle zwei Monate, in der Regel am letzten Dienstag<br />
im Monat ab 19 Uhr und digital, treffen sich die<br />
Mitglieder unserer Jungen Selbsthilfe aus unseren<br />
Mitgliedsorganisationen.<br />
Organisiert werden diese Treffen von unserer Assistentin<br />
Lisa Warmo (Studierende der sozialen Arbeit)<br />
und unserem Vorstandsmitglied Volker Koch,<br />
der die Junge Selbsthilfe im Kindernetzwerk ins Leben<br />
gerufen hatte.<br />
Unsere Junge Selbsthilfe dient dabei als gemeinsame<br />
Plattform zum Vernetzen und Austauschen,<br />
bringt aber immer auch gemeinsame Forderungspapiere<br />
hervor, wo es Schnittmengen aller gibt.<br />
Ihr wollt bzw. Sie wollen Mitglied unserer Signal-<br />
Chatgruppe werden?<br />
Bitte melden unter warmo@kindernetzwerk.de<br />
Hier mehr:<br />
https://www.kindernetzwerk.de/de/aktiv/Junge-<br />
Selbsthilfe/Junge-Selbsthilfe-im-<strong>knw</strong>.php
Aus dem Kindernetzwerk<br />
25<br />
Unsere Projekte<br />
Das Kindernetzwerk realisiert viele bewährte, aber auch neue Projekte,<br />
die wir mit Hilfe unserer Förderer:innen verwirklichen konnten.<br />
Sie finden die aktuelle Übersicht wie gehabt auf unserer Homepage:<br />
http://kindernetzwerk.de/de/aktiv/News/Projekt_Uebersicht.php<br />
Die Kindernetzwerk-Vorsitzende Dr. Annette<br />
Mund stellt unser Projekt KoCoN vor<br />
KoCoN – ITgestützte sektorenübergreifende Patientenpfade<br />
für die Versorgung von Kindern mit<br />
KOmplex-ChrOnischen Neurologischen Erkrankungen<br />
Kinder mit komplex-chronischen, neurologischen<br />
Erkrankungen sind oft angewiesen auf medizinische<br />
Hilfen bis hin zu einer Beatmung im heimischen<br />
Umfeld. Ihre Versorgung ist äußerst anspruchsvoll<br />
und aufwändig; es fehlen Strukturen<br />
für eine sektorenübergreifende, interdisziplinäre<br />
und multiprofessionelle Versorgung, die Bedarfe<br />
der jungen Menschen und ihrer Familien berücksichtigen.<br />
Hier setzt das Projekt KoCoN an. Ein ITgestützter<br />
Patientenpfad soll die Versorgung für<br />
Betroffene, deren Eltern sowie stationäre und<br />
ambulante Versorger verbessern.<br />
In prästationären Videokonferenzen mit den Familien<br />
gewinnt das KoCoN-Team einen Überblick.<br />
Ist keine Einweisung angezeigt, wird mit den niedergelassenen<br />
Hauptversorgern und der Familie<br />
ein ambulanter Diagnostik- und Behandlungsplan<br />
erstellt. Bei einer stationären Aufnahme koordiniert<br />
ein engmaschiges Case-Management den<br />
Patientenpfad. Eine vorausschauende Versorgungsplanung<br />
unterstützt die Eltern. Multiprofessionelle<br />
Fallkonferenzen mit externen Spezialisten<br />
erlauben weitreichende Diagnostik- und Therapieentscheidungen.<br />
Für den bedarfsgerechten Übergang<br />
wird frühzeitig zur Weiterversorgung ein<br />
ambulantes Versorgungsnetzwerk aktiviert und<br />
die elektronische Patientenakte genutzt. Wiedereinweisungen<br />
werden vermieden.<br />
Die Wirksamkeit der neuen Versorgungsform Ko-<br />
CoN wird im Vergleich zu einer Kontrollgruppe ermittelt.<br />
Es werden die Lebensqualität, Krankheitssymptomlast,<br />
Handlungskompetenz der Familien<br />
und Versorgungsqualität untersucht. Gesundheitskosten<br />
werden über Krankenkassendaten und<br />
Selbstauskunft der Familien erfasst. Betroffene<br />
und das KoCoN-Team werden zur Akzeptanz von<br />
KoCoN befragt. Das Projekt wird für drei Jahre mit<br />
ca. 8,1 Millionen Euro gefördert.<br />
Im Erfolgsfall wird die Versorgungsqualität komplex-chronisch,<br />
neurologisch erkrankter Kinder<br />
und Jugendlicher verbessert sowie die Lebensqualität<br />
der Familien erhöht. Die Übertragung der Erkenntnisse<br />
auf andere Bereiche der Gesundheitsversorgung<br />
ist möglich.<br />
Mehr hier:<br />
https://innovationsfonds.g-ba.de/projekte/<br />
neue-versorgungsformen/kocon-it-gestuetztesektorenuebergreifende-patientenpfade-fuerdie-versorgung-von-kindern-mit-komplex-chronischen-neurologischen-erkrankungen.505<br />
Gefördert durch:
26<br />
Aus dem Kindernetzwerk<br />
Unsere neue App<br />
für Seltene Erkrankungen<br />
unrare.me<br />
Wir sind sehr stolz auf die von uns entwickelte neuartige<br />
App unrare.me. Diese neue App versteht sich<br />
als eine neue, datensichere, gesundheitsbezogene<br />
Form der Social Media App, in der die unterschiedlichsten<br />
Player – z.B. Betroffene, Angehörige, Medizin,<br />
Pflege, Betroffene, Selbsthilfe – zusammengebracht<br />
werden. Sie wurde in einem Konsortium aus<br />
dem Zentrum für Seltene Erkrankungen Bonn, Prof.<br />
Lorenz Grigull und der Medizinischen Hochschule<br />
Hannover, Dr. Gundula Ernst unter der Leitung von<br />
Kindernetzwerk e.V. entwickelt. Sie ist für Menschen<br />
mit chronischen und seltenen Erkrankungen<br />
eine echte Chance. Es dauert im Schnitt fünf Jahre,<br />
bis eine seltene Erkrankung diagnostiziert wird<br />
– zu lange für die Entwickler:innen von unrare.me.<br />
Deswegen werden über die App von den gleichen<br />
Symptomen, Problemen oder Krankheiten Betroffene<br />
zusammengebracht, die sich nach dem Anlegen<br />
eines Profils über die App finden und austauschen<br />
können. Dabei kann man frei entscheiden,<br />
wieviel man von den Symptomen und von der<br />
Krankheit und allem, was in Bezug auf die Krankheit<br />
wichtig ist, veröffentlicht wird – man kann auch<br />
anonym bleiben. Auf Basis des Profils findet unrare.me<br />
andere User:innen mit ähnlichen Merkmalen<br />
und durch das eigene Feedback werden die Suchergebnisse<br />
immer weiter verbessert.<br />
Mehr Infos zur App unter<br />
www.unrare.me<br />
Unser neues Beratungsangebot<br />
Der Mehrsprachige Selbsthilfe-Kummerkasten<br />
Von der Herausforderung Einzelner zur Hilfe für<br />
viele<br />
Im <strong>knw</strong> Kummerkasten können sich betroffene<br />
Eltern, ältere Jugendliche und junge Erwachsene<br />
mit ihren ganz individuellen Fragestellungen ganz<br />
niedrigschwellig online an das <strong>knw</strong> wenden. Die<br />
Anfragen können mehrsprachig und online über<br />
die <strong>knw</strong> Homepage gestellt werden. Nach der Beantwortung<br />
durch die <strong>knw</strong> Beratung werden sie<br />
– vollständig anonymisiert – veröffentlicht. So profitieren<br />
nicht nur die Anfragenden selbst, sondern<br />
auch weitere Betroffene mit dem gleichen Problem<br />
anhand der veröffentlichten Antworten zu den bereits<br />
gestellten Fragen.<br />
Wie der <strong>knw</strong> Kummerkasten funktioniert<br />
Die Ratsuchenden können über ein mehrsprachiges<br />
Anfrageformular ihre Frage an das <strong>knw</strong> stellen.<br />
Sie können von diesen bereits nach Kategorien und<br />
Unterkategorien eingeteilt werden. Die Übertragung<br />
der Anfrage an das Beratungsteam des <strong>knw</strong><br />
erfolgt Datenschutz sicher über ein Webformular.
Aus dem Kindernetzwerk<br />
27<br />
Die Anfragenden erhalten eine Bestätigungsmail<br />
über den Eingang ihrer Anfrage.<br />
Im <strong>knw</strong> Beratungsteam wird anschließend geprüft,<br />
wer im Team die Anfrage am besten betreuen kann.<br />
Die recherchierten Empfehlungen werden wiederum<br />
über das Webformular erfasst und vollständig<br />
anonymisiert im Kummerkasten veröffentlicht. Die<br />
Anfragenden erhalten wiederum eine Mail, in der<br />
sie darüber informiert werden, dass die Antworten<br />
auf ihre Anfrage im Kummerkasten nachgelesen<br />
werden können. Aufgrund der Anonymisierung der<br />
Anfrage erfolgt die Zuordnung über eine Identifikationsnummer.<br />
Im Kummerkasten können dann Anfragen mit den<br />
dazugehörigen Antworten und Empfehlungen<br />
nachgelesen werden. Die Informationen können<br />
bei der Bewältigung eigener, ähnlicher Herausforderungen<br />
helfen. Eine Suche ist auch nach Beiträgen<br />
zu den Kategorien und Unterkategorien, wie<br />
z.B. Teilhabe, Nachteilsausgleich, Schwerbehindertenausweis,<br />
Kurzzeitpflege u.v.m. möglich.<br />
Zusätzlich kann man im Anfrageformular zusätzlich<br />
um eine persönliche telefonische Beratung bitten.<br />
Wer das <strong>knw</strong> Beratungsteam ist<br />
Die laufende Bearbeitung der Anfragen übernimmt<br />
Birgit Fuchs, die langjährige Beratungskraft des<br />
<strong>knw</strong>. Bei der Beantwortung der Anfragen wird sie<br />
von den <strong>knw</strong> Kompetenz-Peers und den <strong>knw</strong> Transitionscoaches<br />
unterstützt. Sie sichtet die Anfragen<br />
und entscheidet nach Rücksprache mit dem Team,<br />
wer den Fall übernehmen kann und möchte. Ggf.<br />
wird es auch ein Austausch unter den Beratenden<br />
geben, wenn es um komplexe Fragestellungen geht.<br />
Ukrainisch, Arabisch, Russisch und Französisch.<br />
Weitere Sprachen werden folgen.<br />
Dadurch ist dieses Eingabesystem besonders niedrigschwellig<br />
- ein großer Mehrwert für die Betroffenen<br />
mit Einwanderungsgeschichte!<br />
<strong>knw</strong> Beratung – eine runde Sache<br />
Um alle (online) Beratungsangebote des <strong>knw</strong> miteinander<br />
zu verzahnen, wurde der Kummerkasten in<br />
die Beratungsseite des <strong>knw</strong> eingebaut. So können<br />
Ratsuchende über die Eingabe eines Schlagwortes<br />
alle (online) Unterstützungsangebote des <strong>knw</strong><br />
finden: andere betroffene Eltern, passende Selbsthilfeorganisationen,<br />
Krankheitsbeschreibungen, Erklärungen<br />
im humangenetischen Glossar und eben<br />
auch Kummerkastenbeiträge.<br />
Ihr Weg zum Kummerkasten<br />
Unter den folgenden Links sind die jeweils übersetzten<br />
Seiten des Kummerkastens zu finden.<br />
Deutsch:<br />
https://www.kindernetzwerk.de/de/lotse/kummerkasten.php?language=deutsch<br />
Ukraine:<br />
https://www.kindernetzwerk.de/de/lotse/kummerkasten.php?language=ukrain<br />
Arabisch<br />
https://www.kindernetzwerk.de/de/lotse/kummerkasten.php?language=arabic<br />
Englisch<br />
https://www.kindernetzwerk.de/de/lotse/kummerkasten.php?language=english<br />
Französisch:<br />
https://www.kindernetzwerk.de/de/lotse/kummerkasten.php?language=french<br />
Ein Angebot mit großer Reichweite durch Mehrsprachigkeit<br />
Von Anfang an wollen wir mit dem Kummerkasten<br />
möglichst viele Betroffene erreichen. Daher übersetzen<br />
wir ihn in die Sprachen Deutsch, Englisch,<br />
Dieser Beitrag wurde verfasst von Hannah Görg<br />
und Henriette Högl.<br />
Gefördert durch mhplus
28<br />
Aus dem Kindernetzwerk<br />
„Abstand, Entspannung, Begleitung, Entlastung<br />
– die <strong>knw</strong> Auszeiten“<br />
Unser Ziel ist seit langem, eigene Entlastungsangebote<br />
für die betroffenen Familien anzubieten.<br />
Den Ausbau und die Verstetigung dieser Angebote<br />
halten wir für den Empowerment-Ansatz für außerordentlich<br />
wichtig. Wir freuen uns daher, dass<br />
wir auch dieses Jahr wieder einen Geschwisterkinder-Workshop<br />
und zwei Eltern-Auszeiten anbieten<br />
konnten. Gerade der krankheitsübergreifende Austausch<br />
stellt einen wesentlichen Mehrwert dieses<br />
<strong>knw</strong> Angebotes für die betroffenen Familien dar.<br />
Dies spiegelt sich regelmäßig in den sehr positiven<br />
Rückmeldungen von unseren Mitgliedern und Teilnehmenden<br />
wider.<br />
Auch kann das Wissen von Unterstützungsangeboten<br />
der Selbsthilfe auf institutioneller und persönlicher<br />
Ebene erweitert werden. Hierdurch wird auch<br />
die Vernetzung von Betroffenen mit Ratsuchenden<br />
und Fachleuten vorangebracht.<br />
Durch unsere Entlastungsangebote soll so insgesamt<br />
ein Beitrag zur Selbstpflege von Eltern, für die<br />
Pflege von Partnerschaften und für den Fokus auf<br />
die gesunden Geschwisterkinder geleistet werden.<br />
Somit wird das gesamte Familiensystem auf der<br />
biopsychosozialen Ebene entlastet.<br />
<strong>knw</strong> Mütterauszeit<br />
Selbstfürsorge und Unterstützung für Eltern mit<br />
chronisch erkrankten Kindern standen im Mittelpunkt<br />
des Seminars „Mütterauszeit“, das im Rahmen<br />
des Projekts „Entlastungsangebote für Eltern<br />
mit Kindern mit chronischen Erkrankungen und Behinderungen“<br />
durchgeführt wurde. Das verlängerte<br />
Wochenendseminar, das vom 31. März bis 2. April<br />
<strong>2023</strong> im Tagungszentrum des Klosters Schmerlenbach<br />
stattfand, bot eine wertvolle Gelegenheit für<br />
Mütter aufzutanken.
Aus dem Kindernetzwerk<br />
29<br />
Die erfahrene psychologische Beraterin Frau Kerstin<br />
Wilke führte als Referentin durch das Seminar.<br />
Als Mutter einer Tochter mit Behinderung konnte<br />
sie nicht nur fachliche Expertise bieten, sondern<br />
auch ihre persönlichen Erfahrungen teilen. Mit einer<br />
Mischung aus Gruppengesprächen, Einzelberatungen<br />
und Entspannungsübungen schaffte Frau<br />
Wilke einen Raum, in dem die Teilnehmerinnen<br />
sowohl praktische Ratschläge als auch emotionale<br />
Unterstützung erhielten.<br />
Birgit Fuchs vom <strong>knw</strong> begleitete die Mütter und<br />
bot Antworten auf alltägliche Fragen wie Pflege,<br />
sozialrechtliche Aspekte und die Betreuung von<br />
Geschwisterkindern.<br />
Die Veranstaltung, die aufgrund hoher Nachfrage<br />
von 12 auf 13 Teilnehmerinnen erweitert wurde,<br />
verdeutlicht das Interesse und den Bedarf solcher<br />
Unterstützungsangebote. Neben dem Wissensaustausch<br />
standen auch kreative Elemente auf dem<br />
Programm, darunter die Gestaltung eines Traumfängers<br />
als Symbol für die kostbare Auszeit.<br />
Die Auswirkungen der anhaltenden Corona-Pandemie<br />
wurden ebenfalls diskutiert, da Familien mit<br />
chronisch kranken Kindern in dieser Zeit oft besonders<br />
herausgefordert waren.<br />
Die Teilnehmerinnen betonten einstimmig die<br />
Bedeutung des Seminars für ihre Erholung, den<br />
Stressabbau und die praktische Anleitung für den<br />
Umgang mit den Herausforderungen des Alltags.<br />
Sie sprachen sich deutlich dafür aus, dass das <strong>knw</strong><br />
dieses Entlastungsangebot weiterführen sollte,<br />
und wünschten sich sogar eine begleitende Nachbetreuung.<br />
Die „Mütterauszeit“ erwies sich nicht<br />
nur als dringend benötigte Pause, sondern auch<br />
als wichtiger Schritt in Richtung langfristiger Unterstützung<br />
für Eltern, die täglich Herausforderungen<br />
bewältigen.<br />
<strong>knw</strong> Väterauszeit<br />
Der Workshop „Väterauszeit in der Natur“ fand<br />
vom 19. bis 21.Mai <strong>2023</strong> statt und beinhaltete Naturübungen,<br />
Reflexion der Vaterrolle und Impulse
30<br />
Aus dem Kindernetzwerk<br />
zur persönlichen Entwicklung und wurde mit dem<br />
Ziel konzipiert, Vätern von chronisch kranken Kindern<br />
und Kindern mit Behinderungen eine wertvolle<br />
Möglichkeit zu bieten, dem Alltagsstress zu<br />
entkommen und eine tiefe Verbindung zur Natur<br />
herzustellen. In Kooperation mit Gunter Beetz und<br />
Martin Noack als Väter- und Familienberater wurden<br />
Aktivitäten gestaltet wie Holzhacken, Schnitzen<br />
und Selbstreflexionen. Ziel war es zudem, Stärken<br />
zu nutzen und persönliches Wachstum zu fördern,<br />
sowohl für die Väter, als auch ihre Familien. Die<br />
Veranstaltung wurde vom <strong>knw</strong> organisiert und Herr<br />
Beetz hat gemeinsam mit Herrn Noack den Ablaufplan<br />
des Wochenendseminars entworfen.<br />
Das Projekt wurde erfolgreich abgeschlossen. Der<br />
Workshop fand am 29. und 30. April <strong>2023</strong> in Fulda<br />
statt und unterstützte gesunde Geschwister in einem<br />
kindgerechten Umfeld. Anhand von Aktivitäten<br />
wie dem Basteln eines „Krankheitskoffers“ und<br />
dem Austausch über persönliche Herausforderungen<br />
wurde ihre Situation thematisiert.<br />
Der zweite Tag konzentrierte sich auf Stärkung, individuelle<br />
Ressourcen und den Umgang mit Gefühlen.<br />
Eltern erhielten spezifische Unterstützung in<br />
der Bewältigung familiärer Belastungen. Der Workshop<br />
stärkte das Selbstbewusstsein der Kinder und<br />
vermittelte den Eltern hilfreiche Strategien.<br />
Der Workshop ermöglichte es sechs Vätern, sich<br />
auszutauschen, vielseitige und erholsame Naturerfahrungen<br />
zu machen und persönlich zu wachsen.<br />
Durch Naturübungen, Gruppendiskussionen, gemeinsame<br />
Mahlzeiten und individuelles Coaching<br />
wurden Selbstreflexion und neue Perspektiven gefördert.<br />
Diese Auszeit half den Vätern, ihre Stärken<br />
als Eltern von besonderen Kindern zu nutzen.<br />
Feedback der Teilnehmer:innen zeigte, dass der<br />
Workshop einen nachhaltigen Effekt erzielte und<br />
geschwisterliche Beziehungen sowie Familienbeziehungen<br />
stärkte. Zudem erhielten die Kinder Teilnahmezertifikate,<br />
um ihre Bemühungen zu würdigen<br />
und ihr Selbstvertrauen zu stärken.<br />
Dieser Artikel wurde verfasst von Birgit Fuchs.<br />
Das Projekt strebt zusätzlich an, eine Plattform für<br />
Väter zu schaffen, um Unterstützung und Gemeinschaft<br />
zu finden. Ein niederschwelliges Angebot ermöglicht<br />
den Austausch und die Entwicklung von<br />
Lösungsansätzen in ähnlichen Situationen.<br />
<strong>knw</strong> Geschwisterworkshop<br />
Der Geschwisterkinder-Workshop „Fit und Stark“<br />
bot gesunden Geschwistern von chronisch kranken<br />
oder behinderten Kindern Unterstützung. Ziel<br />
war es, sie über die Erkrankung zu informieren,<br />
Selbststärkung zu fördern und einen Austausch zu<br />
ermöglichen. Parallel erhielten Eltern gezielte Hilfestellungen.
Aus dem Kindernetzwerk<br />
31<br />
Knw-Projekte<br />
im Bereich Öffentlichkeitsarbeit – eine Auswahl<br />
Gemeinsam unschlagbar<br />
Die Special Olympics World Games <strong>2023</strong> in Berlin<br />
Das Vorurteil, dass Sport und eine chronische Erkrankung<br />
nicht vereinbar sind, ist auch heute noch<br />
allgegenwärtig. Da Eltern, Lehrer:innen und auch<br />
Ärzt:innen mitunter von jeglicher körperlichen Belastung<br />
abraten, verzichten viele chronisch kranke<br />
Kinder und Jugendliche von sich aus auf den Sport.<br />
Dies beeinträchtigt aber nicht nur ihre körperliche<br />
Aktivität, sondern auch ihr Selbstwertgefühl und<br />
Konzentrationsfähigkeit.<br />
„Es gibt rein rechtlich gesehen überhaupt keine<br />
Hemmnisse, dass Kinder mit chronischen Erkrankungen<br />
am Schulsport teilnehmen könnten“, sagt<br />
Kathrin Jackel-Neusser, Geschäftsführerin des <strong>knw</strong>.<br />
Dort sind viele Kinderorganisationen zusammengeschlossen,<br />
die für eine bessere Gesundheitsversorgung<br />
kämpfen.<br />
Wie viel Energie und Spaß Behindertensport macht,<br />
hat das <strong>knw</strong> im Juli <strong>2023</strong> auf den Special Olympics<br />
in Berlin in einem Video eingefangen.<br />
https://youtu.be/LtNaQ5rR0AM<br />
7000 Athlet:innen mit geistiger und mehrfacher<br />
Behinderung aus 190 Nationen traten eine Woche<br />
lang miteinander in 26 Sportarten an. Es war die<br />
größte inklusive Sportveranstaltung weltweit.<br />
Das internationale Event versteht sich als Botschafter<br />
für mehr Anerkennung und gesellschaftliche Teilhabe<br />
von Menschen mit geistiger und mehrfacher<br />
Behinderung. Damit möglichst viele Menschen die<br />
Weltspiele wahrnehmen konnten, die sonst keine<br />
Berührung mit inklusivem Sport haben, fanden die<br />
Spiele in Berlin über die ganze Stadt verteilt statt.<br />
Auch rund elf Medienpartner:innen haben sich zu<br />
einer einzigartigen Presseallianz zusammengefunden,<br />
um mehr Aufmerksamkeit in der Bevölkerung<br />
zu schaffen.<br />
Im Alltag muss sich etwas ändern, auch das <strong>knw</strong><br />
fordert mehr Teilhabe in den Sportvereinen, denn<br />
diese Zahl ist erschreckend: Laut Sven Albrecht,<br />
Geschäftsführer von Special Olympics Deutschland<br />
und des Organisationskomitees der Weltspiele,<br />
hatten vor Corona nur 8 Prozent der geistig und<br />
mehrfach Behinderten Zugang zum Sport. Es wird<br />
vermutet, dass sich die Zahl in der Pandemie noch<br />
weiter verschlechtert hat.<br />
Bund, Länder, Stiftungen und „Aktion Mensch“ haben<br />
deswegen rund 130 Millionen Euro bereitgestellt,<br />
um mit dieser Sportveranstaltung Barrieren<br />
abzubauen und Begegnungen zu schaffen, Inklusion<br />
in die Mitte der Gesellschaft zu bringen.<br />
Bei zahlreichen chronischen Erkrankungen im Kindes-<br />
und Jugendalter gelten Bewegung, Spiel und<br />
Sport als wichtige Säule der Therapie. Angebote für<br />
inklusiven Sport gibt es viele. Unsere Mitgliedsorganisationen<br />
bieten viele Möglichkeiten:<br />
https://www.kindernetzwerk.de/de/agenda/<br />
Themenportal/2020/0124-Sport-mit-chronischkranken-Kindern.php
32<br />
Aus dem Kindernetzwerk<br />
Europäischer Protesttag<br />
- Das <strong>knw</strong> hat mitdemonstriert<br />
Am 5. Mai, dem Europäischen Protesttag zur<br />
Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen,<br />
demonstrierte das Kindernetzwerk in Berlin. Die<br />
Demoroute verlief prominent vom Brandenburger<br />
Tor zum Roten Rathaus. Der „bunte“ Demozug setzt<br />
sich aus verschiedenen Behinderten-, Wohlfahrtsund<br />
Sozialverbänden sowie vielen Einzelpersonen<br />
zusammen. Wir kritisieren die noch immer fehlende<br />
<strong>10</strong>0prozentige Umsetzung der Barrierefreiheit.<br />
Dieses Jahr gingen aber auch vermehrt Eltern mit<br />
Kindern mit Behinderungen auf die Straße, um ihren<br />
Ärger bei einem weiteren Thema kundzugeben:<br />
Die Inklusion an den Berlinern Schulen ist nach wie<br />
vor ungenügend umgesetzt.<br />
hat an diesem Tag Öffentlichkeit für die Belange<br />
von Menschen mit Behinderungen geschaffen: Eigentlich<br />
haben Menschen mit Behinderungen umfangreiche<br />
Rechte, zum Beispiel Inklusion in allen<br />
Lebensbereichen. Aber wenn man sich umguckt, ist<br />
das in keinem Lebensbereich erreicht. „Uns stinkt<br />
das langsam wirklich“, so Geschäftsführerin Kathrin<br />
Jackel-Neusser auf der Demonstration.<br />
Hier geht es zu unserem Film von der Demo:<br />
https://www.youtube.com/watch?v=vePArxBcwxM<br />
„Man stelle sich vor: Jede achte Person in Deutschland<br />
hat eine Behinderung und wird durch die<br />
vielerorts fehlende Barrierefreiheit im Alltag massiv<br />
eingeschränkt. Das betrifft nicht nur Reisen,<br />
sondern fängt gleich in der Förderung der Kinder<br />
in Schulen und Kindergärten an. <strong>2023</strong> haben viele<br />
Eltern mit ihren Kindern die schlechte Inklusion<br />
an den Schulen und Kindergärten beklagt. Das <strong>knw</strong><br />
„Wir werden uns weiterhin laut und stark für eine<br />
gleichberechtigte Teilhabe an Schulen einsetzen.<br />
Gerade dieses Thema war an dem Tag der Grund für<br />
viele Familien mit behinderten Kindern teilzunehmen.<br />
Ihre Wut war laut. Bei ungefähr gleichbleibender<br />
Teilnehmerzahl (rund 500 Demontrant:innen)<br />
wie im letzten Jahr, waren dieses Jahr drei Mal so<br />
viele Kameras dabei: Der Europäische Protesttag<br />
zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen<br />
sorgte für viele Stories, Filme, Interviews, also<br />
für eine breite Medienwirkung.”
Aus dem Kindernetzwerk<br />
33<br />
Mehr Videos über unsere Arbeit, krankheitsübergreifende<br />
Themen und Interviews mit Betroffenen<br />
gibt es auf unseren Youtube-Kanal<br />
Hier unsere weiteren Kanäle im Überblick:<br />
Facebook: kindernetzwerkev<br />
https://www.facebook.com/kindernetzwerkev<br />
Kindernetzwerk711<br />
https://www.youtube.com/channel/UC3IS2JT<br />
1p1ntUVJR7IvJpHg<br />
Twitter: kindernetzwerk1<br />
https://twitter.com/Kindernetzwerk1<br />
Instagram: kindernetzwerk_ev<br />
https://www.instagram.com/kindernetzwerk_ev/<br />
Wissen weitertragen<br />
- Aktive Väter in der Selbsthilfe<br />
„Ich bin ein Helfertyp“<br />
Länderübergreifend vernetzen<br />
Das Kindernetzwerk hat durch Interviews mit Vätern<br />
in der Selbsthilfe herausfinden wollen, wie<br />
sich Väter genau in der Selbsthilfe einbringen, was<br />
andere Väter davon abhält und was ihre politischen<br />
Wünsche für eine funktionierende Selbsthilfe sind.<br />
Einer von den Vätern ist Nicolas Lorente von SCN2A<br />
Germany e.V. und SCN2A Europe. Mit ihm führte<br />
Birte Struntz ein Interview.<br />
Herr Lorente, wie kamen Sie zur Selbsthilfe?<br />
Unser Sohn Erik hatte schon im ersten Lebensjahr<br />
Entwicklungsprobleme, mit zwei Jahren gab es dann<br />
Verdacht auf Autismus, auf die SCN2A-Genmutation<br />
wurde er aber erst mit fünf Jahren diagnostiziert.<br />
Oft löst die Genmutation schwer verlaufende<br />
und schwierig zu therapierende Krampfanfälle (Epilepsien)<br />
aus. Auch werden andere neurologische<br />
Störungen wie Entwicklungsverzögerungen, Autismus,<br />
Schlafstörungen, Muskelspannungsveränderungen<br />
und Magen-Darm-Störungen diagnostiziert.<br />
Bis Erik fünf Jahre alt war, hatte ich noch nicht über<br />
Selbsthilfe nachgedacht, aber dann kam bei unserem<br />
Sohn die Epilepsie hinzu. Traurig, aber wahr:<br />
Die Genetiker haben uns empfohlen, selbst bei<br />
Google zu schauen, was die Krankheit genau bedeutet<br />
und ob es noch andere Betroffene gibt.<br />
So bin ich auf eine Stiftung in Amerika und einen<br />
Verein in Australien gestoßen, während die Selbsthilfe<br />
in Europa noch ganz am Anfang stand. Es haben<br />
vielleicht je <strong>10</strong>0 bis 200 Familien aus den USA,
34<br />
Aus dem Kindernetzwerk<br />
Australien und Europa diesen diagnostizierten Gendefekt.<br />
Eine Koordination gleich auf europäischer<br />
Ebene ist also wichtig, da die Zahl der Betroffenen<br />
so klein ist. Ich bin Spanier, habe in Frankreich studiert,<br />
bin also sehr europäisch orientiert, so dass<br />
für mich dann klar war: Es braucht eine Struktur,<br />
der europaweit aufgestellt ist und alle miteinander<br />
vernetzt. Und so habe ich die anderen Familien<br />
europaweit kontaktiert und eine geschlossene<br />
FB-Gruppe erstellt mit dem Ziel, irgendwann einen<br />
‚europäischen‘ Verein zu gründen. Letztes Jahr wurde<br />
dann der Verein im deutschsprachigen Raum<br />
gegründet (SCN2A Germany e.V.). Auch weitere<br />
nationale Vereine wurden in den letzten Jahren<br />
gegründet – das zeigt, dass SCN2A auch in Europa<br />
immer relevanter wird.<br />
Was machen Sie in Ihrer Selbsthilfe-Organisation?<br />
Ich bin ein Helfertyp: Da es so wenig diagnostizierte<br />
Kinder gibt, müssen wir alle betroffenen Familien<br />
zusammenbringen, damit sie sich an Studien beteiligen,<br />
um Medikamente zu entwickeln. In den<br />
USA wurden Studien gestartet, aber leider gibt es<br />
Probleme, genügend Kinder für die Studien zu rekrutieren.<br />
Wir kennen diese Situation leider nur zu gut: Es<br />
gäbe eigentlich ausreichend betroffene Fälle, aber<br />
sie werden erstens zu spät – als junge Erwachsene<br />
– diagnostiziert, wenn überhaupt, zweitens, die<br />
betroffenen Familien wissen nichts von möglichen<br />
Studien. Ihnen muss geholfen werden! Ich will so<br />
viele Familien wie möglich vernetzen. Das dritte<br />
Problem sind die fehlenden Übersetzungen der Dokumentation<br />
über Studien. Die Folge: Viele Familien,<br />
die die Fragebögen nur auf Englisch bekommen<br />
und die Sprache nicht verstehen, nehmen dann<br />
nicht teil. Bürokratische Hürden dürfen kein Ausschlusskriterium<br />
sein. Wir brauchen mehrsprachige<br />
Ansprachen! Hier zu helfen, darin sehe ich eine<br />
meiner Hauptaufgaben.<br />
Wie wirkt sich die Beteiligung der Väter in der<br />
Selbsthilfe auf die Kinder aus?<br />
Ich bin Ingenieur und eher pragmatisch: In der<br />
Krankheitsdiagnose geht es immer wieder um das<br />
Thema Forschung, um Studien, warum wir mit den<br />
Pharmakonzernen kooperieren sollten. Das ist eher<br />
meine Schiene. Mütter sind eher in der Unterstützung<br />
der Familien, Väter eher in der medizinischen<br />
Recherche, in der Diagnostik. Das sind meiner Meinung<br />
nach die beiden Schienen und eine gute Aufteilung.<br />
Einer allein kann nicht alles abdecken. Ich<br />
frage mich auch, ob es gesund für eine Beziehung<br />
ist, wenn sich die Mutter um alles kümmert? Wenn<br />
sich die Väter komplett abschirmen?<br />
Wie bekommt man mehr Männer in die Selbsthilfe?<br />
Das ist eine gute Frage. Ich sehe, dass sich die Väter<br />
oft außerhalb der Krankheit bewegen und nicht<br />
in den Verein involviert werden wollen. Es wäre<br />
schön, wenn sich mehr Väter engagieren würden,<br />
aber jede Familie hat genug mit ihrem besonderen<br />
Alltag zu tun, es ist sehr schwierig sie zu locken, oft,<br />
weil die Väter die (alleinigen) Hauptverdiener der<br />
Familie sind. Hinzu kommt die Sprachbarriere: Da<br />
der Gendefekt so selten ist, gibt es viele Sprachen,<br />
in denen man sich austauscht.<br />
In unseren regen geschlossenen FB-Gruppen allerdings<br />
sind alle Geschlechter gut vertreten: Hier fragen<br />
alle Gleichgesinnte frei nach Medikamenten,<br />
Verhaltensauffälligkeiten. Es gibt dort viele Informationen<br />
zu Studien, Krankheit, Veranstaltungen,<br />
Konferenzen.<br />
Und auch in der WhatsApp-Gruppe unseres deutschen<br />
Vereins tauschen sich die Familien ideenreich<br />
aus. Das ist sensationell. Denn das größte Problem<br />
ist ja nicht nur die geistige Behinderung und<br />
Epilepsie der Kinder, sondern vor allem die schwere<br />
Dauerbelastung der Familien. Der Austausch genau<br />
darüber ist für die Familien wahnsinnig wichtig.
Aus dem Kindernetzwerk<br />
35<br />
Was wünschen Sie sich als Vater in der Selbsthilfe<br />
von der Politik?<br />
Mein Thema ist die Diagnostik. Es ist noch viel zu<br />
unbekannt, dass die Gen-Diagnostik seit 2021 von<br />
der gesetzlichen Krankenkasse bezahlt wird. Das ist<br />
eine wichtige Information für die Familien, die noch<br />
keine Diagnose haben. Die Patientenaufklärung<br />
muss besser laufen: Auch, dass es erlaubt ist, eine<br />
zweite Meinung zu erhalten, und dass sich betroffene<br />
Eltern an Zentren für seltene Erkrankungen<br />
wenden können.<br />
Nur so können mehr Kinder diagnostiziert werden.<br />
Es gibt rund 8000 seltene Erkrankungen, davon<br />
sind rund 50 Prozent neurologisch. Viele davon<br />
kann man mit Gentests feststellen! Das ist manchmal<br />
eine lebensrettende Information, die breiter<br />
veröffentlicht werden muss.<br />
Nehmen Sie Kontakt auf:<br />
Nicolas Lorente,<br />
SCN2A Germany e.V.<br />
https://www.scn2a.de<br />
Hochdahler Str. <strong>10</strong>0<br />
40724 Hilden<br />
E-mail: info@scn2a.de<br />
SCN2A Europe<br />
https://www.scn2a.eu<br />
Geitauer Str. 2<br />
81379 München<br />
E-mail: scn2a@web.de<br />
Dieses Interview entstand mit Förderung des GKV<br />
im Rahmen der Empowerment-Kampagne<br />
Wissen weitertragen<br />
Alexander Exner ist ein weiterer engagierter Vater,<br />
der lange im Vorstand des „Bundesverband<br />
Angeborene Gefäßfehlbildungen e.V.“ tätig war, da<br />
seine Tochter mit einer arterio-venösen Gefäßfehlbildung<br />
geboren wurde. Es ist eine seltene Erkrankung<br />
mit rund 6000 Betroffenen. Erkrankungen<br />
werden als selten bezeichnet, wenn nicht mehr als<br />
5 von <strong>10</strong>.000 Menschen daran erkrankt sind. Durch<br />
Exners Erfahrungen und sein angereichertes Wissen<br />
hat er in dem Selbsthilfeverein bis heute vielen<br />
anderen betroffenen Eltern weiterhelfen können.<br />
In dem Interview mit dem <strong>knw</strong> verrät er, warum es<br />
wichtig ist, als Vater aktiv in der Selbsthilfe tätig zu<br />
sein …
36<br />
Aus dem Kindernetzwerk<br />
Herr Exner, was hat Sie dazu angespornt, sich aktiv<br />
in der Selbsthilfe zu engagieren?<br />
Die Erkrankung meiner Tochter wurde erst nach der<br />
Geburt festgestellt. Der Arzt in der Uniklinik kannte<br />
selbst nur zwei Fälle und hatte daher über diese Art<br />
der Gefäßfehlbildung sehr wenig Fachwissen. Und<br />
das Internet brachte zu der damaligen Zeit auch nur<br />
wenig Informationen. Klar, dass wir als Familie – das<br />
ganze familiäre Umfeld – sehr schnell resignierten.<br />
Dann hörte ich vom Kindernetzwerk, das mir eine<br />
zusammengestellte Infomappe über diese spezielle<br />
seltene Erkrankung zuschickte. Nach einiger Zeit<br />
ergab sich der Kontakt zu weiteren betroffenen Eltern<br />
mit speziell dieser Erkrankung und darüber zur<br />
Selbsthilfegruppe, die jetzt schon sehr lange der<br />
Bundesverband Angeborene Gefäßfehlbildungen<br />
e.V. ist.<br />
Damals war die Selbsthilfegruppe noch recht klein,<br />
aber schon so gut strukturiert, dass etliche Erfahrungs-<br />
und Behandlungsberichte von Ärzt:innen<br />
geteilt werden konnten. Um die Lebenssituation<br />
meiner Tochter und die von anderen Kindern mit<br />
angeborenen Gefäßfehlern weiter zu verbessern,<br />
entschloss ich mich, der Selbsthilfe beizutreten<br />
und Wissen über diese seltene Erkrankung anzureichern.<br />
Warum braucht es mehr aktive Väter in der Selbsthilfe?<br />
Um bei allen ärztlichen Entscheidungen mit dem<br />
behandelten Arzt oder der Ärztin auf Augenhöhe<br />
sprechen zu können, ist es für betroffene Eltern<br />
sehr wichtig, ausführliches Wissen über die Erkrankung<br />
ihres Kindes zu erlangen. Deswegen war es für<br />
mich wichtig, mein erlangtes Wissen mit anderen<br />
betroffenen Eltern zu teilen. Sollte die chronische<br />
oder auch seltene Erkrankung schon im Kleinkindalter<br />
auftreten, können Väter in der Selbsthilfegruppe<br />
aktiv zur Verbesserung der Lebenssituation ihrer<br />
Kinder und des Alltags in der Familie beitragen.<br />
Was gibt Ihnen die Selbsthilfe?<br />
Aktive Väter bekommen eine sehr große Selbstbestätigung,<br />
zum Beispiel wenn sie hören, wie durch<br />
ihr Wissen auch anderen Kindern weitergeholfen<br />
werden konnte. Auch Anfragen sogar von Kliniken<br />
und Therapeut:innen, die Hilfe von der jeweiligen<br />
Selbsthilfegruppe benötigen, bestätigen uns, dass<br />
deren Arbeit eine wertvolle Aufgabe in der Gesellschaft<br />
ist.<br />
Für mich als Mitglied der Selbsthilfegruppe ist es<br />
deshalb sehr bedeutsam, mich in diesem Netzwerk<br />
einzubringen, um maßgebend an der Entwicklung<br />
der Selbsthilfe mitzuwirken.<br />
Wichtig ist aber, dass man sich nicht übernimmt.<br />
Man muss die Aktivität in einer Selbsthilfegruppe<br />
sehen wie zum Beispiel in einem Sportverein. Jeder<br />
aktive Vater sollte nur so viel Zeit investieren, wie<br />
es sich noch gut anfühlt. Damit das Miteinander<br />
der betroffenen Väter nicht zu kurz kommt, pflegen<br />
wir jährliche Treffen, auf denen sich alle austauschen<br />
können.<br />
Die Selbsthilfe wird zum Großteil von betroffenen<br />
Müttern gestemmt. Wie wirkt sich die Beteiligung<br />
der Väter in der Selbsthilfe auf die Kinder aus?<br />
Das betroffene Kind respektiert seinen Vater noch<br />
mehr, wenn die Last der Behinderung nicht nur auf<br />
die Mutter verteilt ist. Auf unseren Treffen, auf denen<br />
sich Väter aktiv durch verschiedene Aktionen<br />
wie zum Beispiel gemeinsames Lagerfeuer, sportlichen<br />
Angeboten usw. einbringen, haben die Kinder<br />
sehr viel Spaß und vergessen für einige Zeit ihre<br />
Erkrankung. Sie sehen, dass der Vater, der sich engagiert<br />
und sich mit der Erkrankung seines Kindes<br />
auseinandersetzt, nicht nur die Rolle des „Brotgebers“<br />
in der Familie hat.
Aus dem Kindernetzwerk<br />
37<br />
Was wünschen Sie sich als Vater in der Selbsthilfe<br />
der Politik?<br />
Gerade für aktuelle Informationen von neuen Kliniken,<br />
neuen spezialisierten Ärzt:innen und neuen<br />
Therapien ist es erforderlich, zu bundesweiten Kongressen<br />
und ähnlichen Tagungen zu fahren. Dafür<br />
bedarf es immer einiger Tage Urlaub, die Teilnahme<br />
kann nicht in der Freizeit erfolgen. Ich weiß<br />
von weiteren aktiven Vätern aus der Selbsthilfe,<br />
die dafür gern mehr Zeit investieren würden. Deswegen<br />
ist mein Vorschlag, den betroffenen Vätern<br />
von chronisch kranken Kindern mehr Selbsthilfe-<br />
Urlaubstage zu gewähren, natürlich unter der Bedingung,<br />
dass sich die Väter auch wirklich aktiv in<br />
der Selbsthilfe einbringen.<br />
Mehr Starke Väter in der Selbsthilfe gibt es hier:<br />
https://www.kindernetzwerk.de/de/agenda/The<br />
menportal/<strong>2023</strong>/Starke-Vaeter.php
38<br />
Aus dem Kindernetzwerk<br />
Seminare und Auszeiten<br />
Betroffene Kinder und Jugendliche mit seltenen, chronischen Erkrankungen und<br />
Behinderungen, ihre Angehörigen sowie Selbsthilfevereine benötigen im besonderen Maß<br />
speziell auf ihre Belange ausgerichteter Unterstützung - sozial, strukturell, rechtlich.<br />
Deswegen bietet die Akademie des Kindernetzwerks viele verschiedene krankheitsübergreifende<br />
Weiterbildungs- und Unterstützungsseminare an - immer mit dem Bezug der Selbsthilfe.<br />
Hier geht es zum Überblick unserer Akademie...<br />
Weitere Termine:<br />
Am 27.<strong>10</strong>. findet eine Fotoausstellung des Paulinchen<br />
e.V. anlässlich des 30. Jubiläums statt. Der<br />
Verein ist eine bundesweite Anlaufstelle, an die<br />
sich Familien mit brandverletzten Kindern und Jugendlichen<br />
jederzeit wenden können, um für jedes<br />
brandverletzte Kind die bestmögliche Versorgung<br />
zu erreichen und präventiv auf Unfallursachen hinzuweisen.<br />
Die Fotoausstellung unter dem Namen: „Ein Teil<br />
von mir – Narben machen (k)einen Unterschied“<br />
findet um 14.00 Uhr in der Circle Culture Gallery,<br />
Bismarckstrasße 98, 20253 Hamburg statt.<br />
Das Kindernetzwerk und der Verband forschender<br />
Arzneimittelhersteller e.V. (vfa) laden am<br />
22.11.<strong>2023</strong> zur Onlineveranstaltung „Passend für<br />
die jungen Patient:innen – Herausforderungen und<br />
Lösungsansätze bei Klinischen Studien“ ein.<br />
Die Junge Selbsthilfe trifft Politik am 29.11.<strong>2023</strong>.<br />
Es findet ein Austausch mit der Politik und jungen<br />
Betroffenen.<br />
Das Treffen findet auf Einladung von Corinna Rüffers<br />
statt. Sie ist die behindertenpolitische Sprecherin<br />
der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen<br />
und seit 2013 im Bundestag. Sie hat zahlreiche<br />
Vorerfahrungen in unserem Bereich: So hatte sie<br />
zum Beispiel Arbeitskontakt zu Menschen mit Beeinträchtigungen,<br />
ist im Bundestag Sprecherin für<br />
Behindertenpolitik und Bürgerangelegenheiten der<br />
Grünen-Bundestagsfraktion sowie Mitglied im Ausschuss<br />
für Arbeit und Soziales des Bundestages und<br />
im Petitionsausschuss und dort auch Obfrau ihrer<br />
Fraktion sowie stellvertretendes Mitglied im Gesundheits-<br />
und im Bildungsausschuss. Gemeinsam<br />
mit ihr organisieren wir ein Treffen der inklusionspolitischen<br />
Sprecher:innen der Parteien im Bundestag,<br />
um mit ihnen allen zu diskutieren.<br />
Weitere Seminare auch aus unserem Netzwerk<br />
finden Sie in unseren Terminen...<br />
Spenden an das Kindernetzwerk<br />
Wenn Sie unsere Arbeit für die Betroffenen unterstützen<br />
wollen, freuen wir uns sehr über Spenden,<br />
auf die wir dringend angewiesen sind. Vielleicht<br />
könnte eine Firma in Ihrem Umfeld für das Kindernetzwerk<br />
spenden oder Fördermitglied werden?
Aus dem Kindernetzwerk<br />
39<br />
Ausgleich zwischen „mir und meinen Bruder“<br />
- Leben mit einem betroffenen Geschwisterkind<br />
Chronische Krankheiten oder Behinderungen bei<br />
Kindern belasten die ganze Familie, denn die Versorgung<br />
des kranken oder behinderten Kindes ist<br />
mit einem hohen zeitlichen Aufwand verbunden.<br />
Da muss oft das gesunde Geschwisterkind zurückstecken.<br />
Wie auf den Eltern lastet der Druck, dass<br />
alles zu schaffen, auch auf den Geschwisterkindern.<br />
Wie sich das Leben mit einem kranken Geschwisterkind<br />
gestaltet, erzählt Matti Schrödel, 18 Jahre,<br />
vom Netzwerk Hypophysen- und Nebennierenerkrankungen<br />
e.V. in einem Interview mit dem <strong>knw</strong>.<br />
ist dafür da, Stress abzubauen. Seit der Diagnosestellung<br />
nimmt mein Bruder daher Hydrocortison-<br />
Tabletten und das ist für ihn lebensnotwendig. In<br />
besonderen Stress-Situationen und bei nicht ausreichender<br />
Hydrocortison-Ausschüttung kann es zu<br />
einer sogenannten Addison-Krise kommen: Dabei<br />
verschlechtert sich der Allgemeinzustand bis hin<br />
zum Schock. Ohne schnelle Hilfe ist das lebensgefährlich.<br />
Weil wir aber nach dem Unfall erst einmal herausfinden<br />
mussten, was er überhaupt hatte, ging es<br />
in den Jahren nach seinem Unfall natürlich sehr<br />
viel um ihn. Das erste Jahr nach dem Unfall konnte<br />
und wollte mein Bruder nicht in die Schule gehen.<br />
Danach ging er auf eine zweimonatige Kur. Meine<br />
Eltern haben in der Zeit versucht, mich gleich zu<br />
behandeln, trotzdem stand er im Mittelpunkt. Ich<br />
habe zu dieser Zeit mitansehen müssen, wie traurig<br />
meine Eltern waren. Ich war in der Zeit, in der mein<br />
Bruder mit meiner Mutter auf Kur war, oft allein.<br />
Dennoch habe ich mich von meinen Eltern gesehen<br />
gefühlt. Das liegt bestimmt daran, dass meine<br />
Eltern auch sehr viel Wert auf den Ausgleich zwischen<br />
mir und meinem Bruder gelegt haben.<br />
Matti, beschreibe einmal deine Familienkonstellation.<br />
Als mein Bruder 13 Jahre alt war, wurde er bei einem<br />
Fußballspiel gegen den Kopf getreten. Durch<br />
das Trauma wurde seine Hypophyse, eine Hirnanhangsdrüse,<br />
beeinträchtigt. Die sich in seinem Fall<br />
daraus ergebende Erkrankung nennt sich „Hypophyseninsuffizienz“.<br />
Mein Bruder kann nicht mehr<br />
genügend Kortisol ausschütten. Dieses Hormon<br />
Was ist für Dich als Geschwisterkind belastend?<br />
Meine Eltern engagieren sich in Organisationen und<br />
Vereinen, die sich mit der Krankheit meines Bruders<br />
befassen. Dadurch fühle ich mich manchmal<br />
etwas benachteiligt: Manchmal finde ich es schon<br />
blöd, dass mein Bruder oft im Mittelpunkt steht,<br />
dass sich viel um ihn dreht. Ich weiß aber, dass er<br />
diese Aufmerksamkeit braucht und, wie beschrieben,<br />
seine Krankheit ja nicht zu unterschätzen ist.<br />
Das zu erkennen, hat bei mir aber auch gedauert:
40<br />
Aus dem Kindernetzwerk<br />
Nach dem Unfall habe ich lange nicht verstanden,<br />
wie schwer seine Krankheit ist, weil man sie nicht<br />
sah. Ich konnte nicht glauben, dass er wirklich beeinträchtigt<br />
ist. Das führte dazu, dass ich nicht auf<br />
seine Krankheit geachtet habe und manchmal unnötigen<br />
Stress verursacht habe. Nun fühle ich mich<br />
schon verantwortlich, auf ihn achtzugeben.<br />
Wie ist Deine Geschwisterbeziehung?<br />
Streit gibt es ja zwischen allen Geschwistern. Da<br />
mein Bruder diesen Streit aber nicht immer so gut<br />
verkraftet, versuchen wir, ihn so - gut es geht - zu<br />
vermeiden. Trotz Krankheit ist die Beziehung nicht<br />
anders als die zwischen anderen Geschwistern.<br />
Du bist mit Deiner Mutter in der Selbsthilfe aktiv,<br />
warum?<br />
Es fing damit an, die Krankheit besser zu verstehen,<br />
um meinem Bruder zu helfen und ihm im Notfall<br />
zur Seite zu stehen. Dafür hat sich meine Mutter<br />
schlau gemacht. Auch ich bin in der Selbsthilfe aktiv,<br />
um meinem Bruder zu helfen. Wir setzen uns<br />
nun für Betroffene mit der gleichen Erkrankung ein.<br />
Ich als Geschwisterkind bin weniger in der Selbsthilfe<br />
aktiv, da ich mich nicht so beeinträchtigt fühle.<br />
Ich konnte meine eigenen Wege ohne die Probleme,<br />
die von der Behinderung meines Bruders ausgehen,<br />
gehen. Meine Eltern geben auch ihr Bestes,<br />
uns beide gleich zu behandeln und mich und meinen<br />
Bruder bei unseren Träumen zu unterstützen.<br />
Viele Jugendliche wollen sich nicht mit der Erkrankung<br />
auseinandersetzen. Wie ist es bei Euch?<br />
Ich probiere, meinen Bruder bei seiner Behinderung<br />
zu unterstützen. Da sich meine Mutter sehr<br />
viel mit der Krankheit auseinandergesetzt hat, bekomme<br />
ich auch schon Einiges mit und probiere<br />
auch, selbst etwas dafür zu tun, dass es meinem<br />
Bruder gut geht. Ich habe auch schon einmal eine<br />
Ersthilfeschulung mitgemacht, um meinem Bruder<br />
im Notfall besser helfen zu können. Sonst habe ich<br />
mich genau über seine Krankheit und die Folgen informiert,<br />
so dass ich im Notfall weiß, was zu tun ist<br />
und wie ich zu reagieren habe.<br />
Welche Hilfen als Geschwisterkind hast Du in Anspruch<br />
genommen und wie haben sie geholfen?<br />
Bisherige Angebote für Geschwisterkinder sind<br />
nicht so gut auf mich abgestimmt gewesen: Ein<br />
Geschwisterkinder-Workshop, den ich mal mitgemacht<br />
habe, war gar nicht für mich, sondern für<br />
jüngere Geschwister ausgelegt. Und irritiert hat<br />
mich, dass manche Geschwister, die auch dort waren,<br />
gar nichts über die Krankheit ihrer Geschwister<br />
wussten. Mich hat das sehr verwirrt, da die Krankheit<br />
bei uns ein großes Thema ist. Um sich besser<br />
zu helfen, muss man sich mit der Krankheit auskennen.<br />
Erst dann entwickelt man ein Verständnis dafür.<br />
Warum ist Selbsthilfe wichtig?<br />
Ich finde Selbsthilfe wichtig, weil sich verschiedene<br />
Gruppen über ihre Situation untereinander austauschen<br />
können. Selbsthilfe ist ein guter Weg, mit<br />
dem sich Betroffene und betroffene Angehörige<br />
untereinander finden und helfen können.<br />
Der Alltag einer betroffenen Familie ist nicht einfach,<br />
was hat es dir aber vielleicht auch an positiven<br />
Aspekten gebracht?<br />
Eines, was er mich gelehrt hat, ist, stark zu bleiben<br />
und dass es immer eine Lösung gibt. Ich habe mir<br />
auch etwas mehr Selbständigkeit angeeignet. Ich<br />
weiß nicht genau, ob es darauf zurückzuführen<br />
ist, aber durch diese Selbständigkeit habe ich auch<br />
Träume, die ich erreichen will.<br />
Die Fragen stellte Birte Struntz, Kindernetzwerk.
Aus dem Kindernetzwerk<br />
41<br />
Unsere Mitglieder im<br />
Kindernetzwerk<br />
Hier stellen wir zwei neue Mitgliedsorganisationen<br />
aus unseren Reihen vor.<br />
Netzwerk Goldenhar-Syndrom und<br />
Ohrmuscheldysplasie e.V.<br />
Wer wir sind<br />
Der Verein „Netzwerk Goldenhar-Syndrom und<br />
Ohrmuscheldysplasie e.V.“ wurde im Mai 2005<br />
als Selbsthilfegruppe gegründet. Sein Anliegen ist<br />
der Informations- und Erfahrungsaustausch im<br />
deutschsprachigen Raum zwischen Kindern und<br />
Erwachsenen mit Goldenharsyndrom und deren<br />
Familien und Angehörigen.<br />
Bei dem Goldenhar-Syndrom handelt es sich um<br />
eines der zahlreichen Kiemenbogenfehlbildungs-<br />
Syndrome: Es wird auch manchmal als Hemifaziale<br />
Mikrosomie oder Okulo-Aurikulo-Vertebrales Spektrum<br />
(OAVS) bezeichnet. Das Syndrom zeigt sich in<br />
seinem Erscheinungsbild sehr variabel, doch treten<br />
ganz charakteristische Fehlbildungskomplexe im<br />
Bereich der Augen, der Ohren, des Gesichtsschädels,<br />
des Kiefers, der Wirbelkörper und der inneren<br />
Organe auf. Meist ist jedoch nur eine Körperhälfte<br />
betroffen und die Fehlbildungen zeigen sich in stark<br />
unterschiedlichen Ausprägungen. Das Goldenhar-<br />
Syndrom tritt sehr selten auf und die Erforschung<br />
der Ursachen für die auftretenden Fehlbildungen<br />
ist längst nicht abgeschlossen.<br />
Wir wollen erreichen, dass möglichst alle Betroffenen<br />
Chancen auf bestmögliche Versorgung<br />
haben. Wie bei allen selten auftretenden Krankheitsbildern<br />
sind die Betroffenen vielfach auf Eigeninitiative<br />
angewiesen, um umfassende Informationen<br />
über das Krankheitsbild und entsprechende<br />
Behandlungsmethoden bzw. -alternativen zu erschließen.<br />
Dieses wollen wir gemeinsam ermöglichen.<br />
Was wir machen<br />
Die Familien treffen sich einmal jährlich am Himmelfahrt-Wochenende<br />
zur Informationsveranstaltung<br />
und zum praktischen Austausch zwischen<br />
den Familien. Hierzu werden Spezialist:innen<br />
(Therapeut:innen, Mediziner:innen, Psycholog:innen<br />
etc.) eingeladen. Die Referent:innen halten Vorträge<br />
und Diskussionsrunden zu aktuellen, die<br />
Krankheit betreffenden Themen. Vor allem „neue“<br />
Familien finden hier die Gelegenheit, den psychosozialen<br />
Ausnahmezustand aufzufangen, in dem<br />
man sich als betroffene Familie oft wiederfindet.<br />
Wir als Verein unterstützen wissenschaftliche Forschungsvorhaben<br />
zu Ursachen, Diagnostik und Behandlung<br />
des Goldenhar-Syndroms bzw. der Ohrmuscheldysplasie.<br />
Der Verein arbeitet zusammen mit Mediziner:innen,<br />
Therapeut:innen und Pädagog:innen, mit kommunalen<br />
und staatlichen Institutionen, Forschungseinrichtungen,<br />
Medien, Unternehmen, Stiftungen<br />
und Verbänden, um das Krankheitsbild bei<br />
Ärzt:innen,Therapeut:innen und Pädagog:innen<br />
sowie in der Öffentlichkeit bekannter zu machen.
42<br />
Aus dem Kindernetzwerk<br />
Ein weiterer und wesentlicher Fokus liegt auf den<br />
Geschwisterkindern. Vor allem in der ersten Zeit<br />
nach der Diagnosestellung nehmen diese “Schattenkinder”<br />
einen Platz im Hintergrund der Familie<br />
ein. Bei uns treffen betroffene und nicht betroffene<br />
Kinder Geschwister mit ähnlichen Konstellationen.<br />
Der Erfahrungsaustausch der Kinder untereinander<br />
bringt viele positive Effekte mit sich. Hier werden<br />
vielfach Freundschaften geschlossen, die auch außerhalb<br />
der Treffen weiter gepflegt werden.<br />
Mehr Informationen & Kontakt<br />
www.goldenhar.de<br />
verein@goldenhar.de<br />
Telefonnummern für regionale Kontakte sind zu<br />
finden unter http://goldenhar.de/pages/kontakt.php<br />
Von Eltern für Eltern von Kindern<br />
mit Lichen sclerosus<br />
Lichen sclerosus (LS) ist eine chronische, entzündliche, nicht ansteckende Hauterkrankung des<br />
äußeren Genitalbereichs (Vulvahaut und Haut um den Anus wie eine 8), die Scheide ist nie<br />
betroffen. Bei Jungs äußert sich LS in einer Phimose. Werden die Jungs schnellstmöglich total<br />
beschnitten, haben sie eine große Chance, danach geheilt zu sein.<br />
Symptome<br />
Bei Kindern mit Juckreiz und Brennen im Anal- und<br />
Genitalbereich wird oft zuerst an einen Pilz gedacht.<br />
Pilzinfektionen bei Kindern vor der Pubertät<br />
sind aber eher selten. Bei kleinen Kindern sollte in<br />
solchen Fällen auch an LS gedacht werden.<br />
Es zeigen sich oft auch Risse und blutige Stellen am<br />
äußeren Genitale sowie am Anus. Viele Kinder leiden<br />
begleitend an einer Verstopfung. Ein Hinweis<br />
ist auch eine weißliche porzellanartige Vulvahaut.<br />
Diagnostik<br />
Die Diagnosestellung erfolgt durch den fachkundigen<br />
Arzt mittels einer Blickdiagnose. Eine Gewebeentnahme<br />
sollte bei Kindern möglichst nicht gemacht<br />
werden und ist auch nicht nötig.<br />
Therapie<br />
Die Therapie erfolgt mit hochdosiertem Kortison<br />
der Wirkstoffklasse III oder IV und sehr guter Fettpflege<br />
des anogenitalen Bereichs.<br />
Bei Jungen empfiehlt es sich, nach einer Beschneidung<br />
eine feingewebliche Untersuchung der<br />
Vorhaut machen zu lassen, um die Diagnose LS<br />
aus- oder einzuschließen. Eventuell ist eine Nachbehandlung<br />
mit Kortison nötig.<br />
Hilfe zur Selbsthilfe - Angebote<br />
Wir begleiten die Eltern, die durch die chronische<br />
Erkrankung ihres Kindes stark herausgefordert werden.<br />
Der Austausch mit betroffenen Eltern ist sehr<br />
hilfreich, um mit der Erkrankung und der Diagnoseverarbeitung<br />
nicht allein zu sein.
Aus dem Kindernetzwerk<br />
43<br />
Wir führen dazu regelmäßig virtuelle Treffen mit Eltern<br />
durch, oftmals sind auch die Kinder dabei. Es<br />
hilft den Kindern zu sehen, dass auch andere Kinder<br />
die Erkrankung haben. Die virtuellen Treffen sind<br />
eine gute Gelegenheit, sich auch von zuhause aus<br />
mit anderen Eltern auszutauschen. Es ist dafür keine<br />
Reisetätigkeit nötig.<br />
Beratungstelefonate mit einer Mutter eines betroffenen<br />
Mädchens gehören als wichtiger Pfeiler zur<br />
Selbsthilfe.<br />
Virtuelle Workshops zu Themen wie Pflege,<br />
Schwimmen, Baden, Reiten, Fahrradfahren helfen<br />
dabei, die Eltern und Kinder darin zu bestärken,<br />
dass trotz LS alles möglich ist: „Was dem Lichen<br />
nicht schadet und mir guttut, werde ich weiterhin<br />
machen!“<br />
In unserem daten- und persönlichkeitsgeschützten<br />
Mitgliederbereich geben wir den Eltern viele<br />
nützliche Dokumente an die Hand. Dort stellen wir<br />
auch Foren zur Verfügung, in denen die Eltern sich<br />
austauschen und über PN (Persönliche Nachricht)<br />
vernetzen können.<br />
Es gibt auch schon viele regionale Betroffenen-<br />
Austauschgruppen in ganz Deutschland, zu denen<br />
natürlich selbstverständlich auch Mütter jederzeit<br />
willkommen sind!<br />
Mitgliedschaft<br />
Die Mitgliedschaft in unserem Verein kostet € 30,00<br />
im Kalenderjahr. Ab 1. Dezember gilt die Mitgliedschaft<br />
für das gesamte Folgejahr. Die Treffen sind<br />
alle kostenlos, auch die virtuellen Workshops, die<br />
aus unseren Reihen bestritten werden.<br />
Mehr Informationen<br />
Webseite www.lichensclerosus.de<br />
E-Mail kontakt@lichensclerosus.de
Aus dem Kindernetzwerk<br />
Aus Politik & Gesellschaft
Aus Politik & Gesellschaft<br />
45<br />
Politischer Forderungskatalog<br />
„Berliner Appell“<br />
– nun unsere Agenda für<br />
kommende Politikgespräche<br />
Unseren „Berliner Appell“ stellten wir im September<br />
<strong>2023</strong> zunächst der Expertin für Bildung<br />
und Inklusion MdB Nina Stahr (GRÜNE) vor.<br />
Außerdem sendeten wir diesen allen Bundestagsabgeordneten<br />
zu.<br />
Auch dem Patientenbeauftragten der Bundesregierung<br />
Stefan Schwartze konnten Mitglieder<br />
unserer Junge Selbsthilfe im Kindernetzwerk die<br />
Forderungen des Appells erläuterten.<br />
Im Oktober <strong>2023</strong> bewerben wir die einzelnen Forderungsteile<br />
des „Berliner Appells“ nun per social<br />
media und in einzelnen politischen Gesprächen,<br />
wobei wir uns immer auf die jeweiligen Gebiete<br />
des jeweiligen Gesprächspartners bzw. der -partnerin<br />
konzentrieren werden.<br />
Hier abgedruckt und auf der Homepage finden<br />
Sie den Appell in der gesamten Länge. Nutzen Sie<br />
diesen Forderungskatalog bitte für Ihre Politikarbeit,<br />
teilen Sie diesen, zitieren Sie aus diesem<br />
und senden sie diesen sehr gerne an Ihre Bundestagsabgeordneten<br />
– zusammen sind wir stark!<br />
<strong>knw</strong> Forderungskatalog<br />
Der Berliner Appell <strong>2023</strong><br />
Anlässlich unseres 30jährigen Jubiläums haben wir mit unseren Mitgliedern den „Berliner<br />
Appell“ aktualisiert. In diesem bündeln wir die wichtigsten Forderungen betroffener Kinder,<br />
Jugendlicher und junger Erwachsener mit chronischen Erkrankungen und Behinderungen sowie<br />
deren Familien. Wir bitten Politik und Leistungsträger um die Umsetzung dieser Forderungen.<br />
Handlungsfeld 1:<br />
Entlastung und Unterstützung im Alltag sicherstellen<br />
Die hohen Belastungen der Familien durch die tagtäglichen<br />
Anforderungen der Versorgung des erkrankten<br />
oder behinderten Kindes ist den Verantwortlichen<br />
hinreichend bekannt. Die vorgesehenen<br />
entlastenden Leistungen insbesondere der Pflegeversicherung<br />
können jedoch nicht im notwendigen<br />
Umfang abgerufen oder in Anspruch genommen<br />
werden, denn in nahezu allen unterstützenden Bereichen<br />
führt fehlendes Personal zu strukturellen<br />
Mängeln. Darüber hinaus wird häufig die besondere
46<br />
Aus Politik & Gesellschaft<br />
Lebensphase „Kindheit“ nicht ausreichend berücksichtigt.<br />
Hier braucht es Leistungen und Angebote,<br />
die mehr auf den Personenkreis fokussieren.<br />
Arbeiten lässt. Damit einhergehend fordern wir<br />
eine angemessene Vergütung aller in der Versorgung<br />
tätigen Menschen, die der Bedeutung dieser<br />
Aufgabe und den damit verbundenen Belastungen<br />
gerecht wird. Insbesondere für Pflegefachkräfte,<br />
Inklusionspädagog:innen, spezialisierte<br />
Therapeut:innen und Assistenzkräfte sowie pädiatrische<br />
Fachärzt:innen muss das Arbeitsfeld attraktiver<br />
werden. Denn ohne Unterstützung und Anerkennung<br />
des hierfür notwendigen Fachpersonals<br />
wird sich die Versorgungsmisere in den nächsten<br />
Jahren noch erheblich verschlimmern.<br />
→ eine wirkungsvolle Imagekampagne zur<br />
Aufwertung dieser Berufe im öffentlichen Bewusstsein,<br />
die auch die Notwendigkeit einer professionellen<br />
Ausbildung und einer besonderen<br />
menschlichen Haltung gerade für eine den Alltag<br />
stärkende Versorgung deutlich macht.<br />
Deshalb fordern wir<br />
→ dass jedes Kind mit einer chronischen Erkrankung<br />
oder Behinderung sein Recht wahrnehmen<br />
kann, in seiner Familie aufzuwachsen. Dazu<br />
braucht es niederschwellige Entlastungen der betreuenden<br />
und pflegenden Angehörigen z.B. durch<br />
Kurzzeitwohnen, Tagespflege und familienunterstützende<br />
Dienste und einen leichteren Zugang zu<br />
notwendigen Therapien und Gesundheitsleistungen.<br />
Es ist eine flächendeckende bedarfsorientierte<br />
Versorgung mit diesen Leistungen notwendig.<br />
→ eine gute Personalausstattung aller unterstützenden<br />
Dienste und Einrichtungen, die genügend<br />
Zeit für ein professionelles, den Alltag<br />
von Kindern und ihren Familien entlastendes<br />
→ entlastende Angebote, die auf die Lebensphase<br />
„Kindheit und Jugend“ fokussieren und dabei<br />
immer auch die Bedürfnisse und Handlungsspielräume<br />
von Eltern, Geschwisterkindern sowie der<br />
Familie als Ganzes berücksichtigen. 1 Hier sei insbesondere<br />
auf die niederschwellige Entlastung durch<br />
Tagespflege- und Kurzzeitwohnangebote für Kinder<br />
und Jugendliche und durch ambulante und stationäre<br />
Kinder- und Jugendhospize hingewiesen, um<br />
Not- und Krisensituationen vorzubeugen und die<br />
Resilienz der Familie zu stärken.<br />
→ einen Abbau der Bürokratie durch Dauerverordnungen,<br />
um eine niedrigschwellige Inanspruchnahme<br />
der notwendigen medizinischen Produkte<br />
und gesundheitsbezogenen oder Teilhabeleistungen<br />
zu ermöglichen. Dies betrifft insbesondere das<br />
immer wieder erneut nötige Einholen von Verordnungen<br />
für Therapien, die aufgrund einer lebenslangen<br />
chronischen Erkrankung oder Behinderung<br />
eines Kindes dauerhaft benötigt werden. 2
Aus Politik & Gesellschaft<br />
47<br />
→ Wohnformen, die eine bedarfsentsprechende<br />
Versorgung sowie entwicklungsfördernde und die<br />
soziale Teilhabe sichernde Betreuung von Kindern<br />
und Jugendlichen sowie von jungen Erwachsenen<br />
mit intensivem Gesundheits- und Pflegebedarf sicherstellen.<br />
Die jungen Menschen haben einen Anspruch<br />
auf medizinische Versorgung, Pflege, Förderung<br />
und soziale Teilhabe, auch wenn sie außerhalb<br />
ihrer Familien leben und aufwachsen (müssen).<br />
Alle Bedarfe müssen gleichermaßen berücksichtigt<br />
und finanziert werden. Dies gilt auch für selbstbestimmtes<br />
Wohnen außerhalb von Heimen. Anträge<br />
der Betroffenen (z.B. auf persönliches Budget)<br />
müssen von den zuständigen Kassen im Rahmen<br />
gesetzlich vorgegebener Fristen bearbeitet und<br />
bewilligt werden, um die für das selbstbestimmte<br />
Leben in den eigenen vier Wänden benötigte Hilfestellung<br />
zu ermöglichen.<br />
→ ein bundesweit einheitliches Konzept der<br />
Nachbarschaftshilfe, das nur niederschwellige Vorgaben<br />
macht: ein erweitertes Führungszeugnis und<br />
ein Erste-Hilfe-Kurs. Bisher sind die Regelungen zur<br />
Nachbarschaftshilfe in jedem Bundesland unterschiedlich.<br />
Der Entlastungsbetrag von monatlich<br />
125,- € für Pflegebedürftige kann für pflegebedürftige<br />
Kinder oft nicht genutzt werden. Die Dienste<br />
und Kurse sind auf die Zielgruppe älterer pflegebedürftiger<br />
Menschen ausgerichtet und oft haben sie<br />
keine ausreichenden Kapazitäten. Für Familien ist<br />
hier insbesondere eine hauswirtschaftliche Unterstützung<br />
hilfreich, aber dies wird in manchen Bundesländern<br />
ausgeschlossen bzw. an teure Dienstleister<br />
geknüpft. Nachbarschaftshilfe sollte auch<br />
durch Großeltern und Geschwister geleistet werden<br />
können und auch durch Personen ab 16 Jahren. 3<br />
→ eine Verbesserung der Vereinbarkeit von Pflege<br />
und Beruf für pflegende Angehörige von Kindern<br />
mit chronischen Erkrankungen und Behinderungen.<br />
Hierfür sollte §45 SGB V „Krankengeld bei<br />
Erkrankung des Kindes“ angepasst werden und für<br />
Eltern mit pflegebedürftigen Kindern die Begrenzung<br />
auf 20 Tage und die Altersstufe auf 18 Jahre<br />
erhöht werden. Auch die Dauer der Familienpflegezeit<br />
und die Möglichkeit, die Familienpflegezeit<br />
in mehreren Etappen zu nehmen, und die Reduzierung<br />
der zu leistenden Mindestanzahl von 15 Wochenarbeitsstunden<br />
sollte umgesetzt werden. 4<br />
→ eine bessere Förderung ehrenamtlicher Arbeit<br />
durch kontinuierliche finanzielle Unterstützung<br />
von Gremienarbeit und dauerhaften Ausgaben<br />
wie Raummiete etc., denn sie ist Ausdruck bürgerschaftlichen<br />
Engagements.<br />
→ einen leichteren Zugang zu Hilfsmitteln und<br />
notwendigen Verbrauchsmaterialien. Menschen<br />
mit Behinderungen müssen häufig jahrelang mit<br />
der gesetzlichen Krankenkasse um passende Hilfsmittel<br />
streiten. Trotz ärztlicher Verordnung werden<br />
Hilfsmittel von Krankenkassen oftmals abgelehnt.<br />
1<br />
Siehe Forschungsbericht 613 des Bundesministeriums für Arbeit und<br />
Soziales (November 2022) S.15<br />
2<br />
Beispiel: Verordnungen müssen vom SPZ ausgestellt werden, die<br />
Verordnung für das SPZ muss aber jedes Quartal von Kinder- und<br />
Jugendärzt:innen (bspw. Ketonstreifen aufgrund von ketogener Ernährungstherapie)<br />
ausgestellt werden, die Schulassistenz muss jedes<br />
Schuljahr neu beantragt werden trotz lebenslanger Erkrankung und<br />
Behinderung.<br />
3<br />
Denn, so ein Beispiel einer Mutter: „Es ist doch irgendwie nicht einzusehen,<br />
dass die 17jährige Schwester bei Fremden Babysitten geht,<br />
um sich das Taschengeld aufzubessern, der 23jährige Bruder in einem<br />
Pflegeheim jobbt, um das Studium zu finanzieren oder die Oma ihre<br />
Rente bei Aldi an der Kasse aufbessert, während für die behinderte<br />
Schwester/Enkelin kein Betreuungsdienst zu finden ist.“<br />
4<br />
siehe dazu das Familienpflegezeitgesetz – FPfZG: https://www.geset<br />
ze-im-internet.de/fpfzg/BJNR2564<strong>10</strong>011.html
48<br />
Aus Politik & Gesellschaft<br />
Handlungsfeld 2:<br />
Deshalb fordern wir<br />
Pädiatrische Versorgung sicherstellen und die<br />
Ökonomisierung in der Kinder- und Jugendmedizin<br />
stoppen<br />
Trotz vielfacher Bemühungen seitens der Politik<br />
und enormer Entwicklungen in der medizinischen<br />
Forschung stehen aufgrund personeller, struktureller<br />
und finanzieller Engpässe nicht automatisch<br />
auch bessere Behandlungsoptionen für Kinder<br />
und Jugendliche mit chronischen und seltenen Erkrankungen<br />
oder Behinderungen zur Verfügung.<br />
So ist vielerorts der Zugang zu einer zeitnahen<br />
medizinischen Versorgung durch niedergelassene<br />
pädiatrische Ärztinnen und Ärzte sowie durch pädiatrische<br />
Zentren nicht gegeben. Termine für die<br />
Abklärung von Symptomen bei entsprechenden<br />
Spezialist:innen werden oft erst nach Monaten<br />
ermöglicht und selbst die stationäre Aufnahme intensivpflegebedürftiger<br />
Kinder zur Therapiekontrolle<br />
und -optimierung wird immer wieder verschoben.<br />
Für Kinder und Jugendliche mit chronischen<br />
Erkrankungen und Behinderungen können diese<br />
Verzögerungen jedoch eklatante Folgeschäden verursachen,<br />
die am Ende in ihrer Summe auch hohe<br />
Folgekosten für die Gesellschaft beinhalten.<br />
→ die flächendeckende Sicherstellung der pädiatrischen<br />
Versorgung, indem die Behandlungskapazitäten<br />
so auszubauen sind, dass der Versorgungsauftrag<br />
einer Region sichergestellt ist (ambulante<br />
pädiatrische Versorgung, spezialisierte pädiatrische<br />
Zentren, Fachambulanzen und stationäre pädiatrische<br />
Versorgung). Chronisch kranke und behinderte<br />
Kinder sind durch den derzeitigen strukturellen<br />
Mangel an Behandlungsmöglichkeiten besonders<br />
betroffen, da zeitkritisch kranke Kinder zuerst versorgt<br />
werden müssen und die Bedarfe chronisch<br />
kranker Kinder aufgrund knapper Ressourcen hinten<br />
anstehen. 5 Insbesondere für junge Menschen,<br />
die auf außerklinische Intensivpflege angewiesen<br />
sind, ist es zunehmend schwieriger, eine bedarfsgerechte<br />
Versorgung zu erhalten, da aufgrund geänderter<br />
gesetzlicher Regelungen höhere Anforderungen<br />
an die Qualifikation der behandelnden<br />
Fachärzt:innen gestellt wurden. Gleichzeitig konnten<br />
die notwendigen Versorgungsstrukturen nicht<br />
flächendeckend zur Verfügung gestellt werden.<br />
→ Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel sowohl<br />
im pflegerischen als auch zunehmend im ärztlichen<br />
Bereich nicht nur im Krankenhaus, sondern<br />
auch in der kinder- und jugendärztlichen ambulanten<br />
Versorgung. Es gibt Familien, die monatelang<br />
nach einer betreuenden Kinder- und Jugendarztpraxis<br />
und teilweise über Jahre nach einer adäquaten<br />
fachärztlichen Versorgung suchen. Selbst<br />
Rettungsstellen und Notfallambulanzen stehen am<br />
Rande ihrer Kapazitätsgrenzen. 6<br />
→ eine Neuordnung der Finanzierung der Krankenhäuser.<br />
Kommerzielle Interessen sind nicht mit
Aus Politik & Gesellschaft<br />
49<br />
einer sachgerechten Versorgung der Patient:innen,<br />
insbesondere von Kindern und Jugendlichen, vereinbar.<br />
Die Finanzierung über DRG ist gescheitert<br />
und hat besonders Kliniken für Kinder- und Jugendliche<br />
hart getroffen: Hier muss ein anderes System<br />
etabliert werden.<br />
→ dass sich die deutsche Gesundheitspolitik<br />
nicht die wirtschaftliche, sondern die bestmögliche<br />
Versorgung von Kindern zum Ziel nimmt, wie<br />
es in der von Deutschland unterzeichneten UN-Kinderrechtskonvention<br />
7 festgeschrieben ist.<br />
→ dass die medikamentöse Versorgung der Kinder<br />
flächendeckend sichergestellt ist. Insbesondere<br />
für Kinder mit chronischen Erkrankungen und<br />
Behinderungen können auch vorübergehende Lieferengpässe<br />
für Medikamente fatale Auswirkungen<br />
auf die Gesundheit haben. 8<br />
→ mehr ganzheitliche Ansätze in der Kinder- und<br />
Jugendmedizin. Statt bereits im Studium nur auf<br />
maximale Kostensenkung gerichtetes Arbeiten und<br />
reine Organfächer den Fokus zu richten, brauchen<br />
wir mehr finanziell abgesicherte Versorgungsstrukturen,<br />
in denen auch nicht ärztliche Berufe und<br />
das Erfahrungswissen der Eltern-Selbsthilfe stärker<br />
zum Tragen kommen. Dafür braucht es auch eine<br />
bessere und proaktive Beratung der Eltern durch<br />
Kinder- und Jugendärzt:innen, um sie zu gleichberechtigten<br />
gemeinsamen medizinischen Entscheidungen<br />
zu befähigen.<br />
→ dass die Versorgung von chronisch kranken<br />
und behinderten Kindern und Jugendlichen ethische<br />
Mindeststandards erfüllen muss und diese<br />
nicht nur die fachlichen bzw. wissenschaftlich evidenten<br />
Vorgaben von Leitlinien (der AWMF) im<br />
Blick hat. Gerade diese Patient:innen benötigen<br />
verlässliche Behandlungsstrukturen und eine ausreichende<br />
Fachexpertise, die nicht von Refinanzierungsbedingungen<br />
abhängig gemacht werden dürfen.<br />
Deshalb darf auch das Nationale Programm für<br />
Menschen mit seltenen Erkrankungen – der sog.<br />
NAMSE-Prozess – keinesfalls zur Disposition gestellt<br />
werden. Die Verknüpfung von wohnortnaher<br />
Behandlung mit spezialisierter Expertise ist ausschlaggebend<br />
für eine bedarfsgerechte Versorgung<br />
der Kinder.<br />
→ den Ausbau der Medizinischen Zentren für erwachsene<br />
Menschen mit Behinderungen (MZEB)<br />
und eine strukturierte Überleitung junger Erwachsener<br />
mit chronischen Erkrankungen und Behinderungen<br />
dorthin, damit es nicht zu Versorgungsabbrüchen<br />
bei Volljährigkeit der jungen Patien:innen<br />
kommt.<br />
5<br />
DIVI-Warnung vor Engpässen in Kinderkliniken (aerztezeitung.de) sowie<br />
https://www.rnd.de/politik/warum-der-kinderaerzte-berufsverbandeine-gefaehrdung-von-kindern-sieht<br />
sowie https://www.ardmedia<br />
thek.de/video/panorama-3/dramatisch-kindermedizin-zunehmendam-limit/<br />
sowie auch der Parallelbericht der Zivilgesellschaft weist auf<br />
die Gefahren intensivpflegebedürftiger Kinder durch das GKV-IPReG hin:<br />
https://www.vdk.de/deutscher-behindertenrat/mime/00134312D<br />
1692<strong>03</strong>4122.pdf<br />
6<br />
ZDF, 37° “Notfall Kinderklinik”: https://www.zdf.de/dokumentation<br />
/37-grad/37-notfall-kinderklinik-<strong>10</strong>0.html<br />
7<br />
https://www.unicef.de/informieren/ueber-uns/fuer-kinderrechte/un<br />
-kinderrechtskonvention<br />
8<br />
Herbst: Kinderärzte rechnen wieder mit Arzneimittelknappheit - ZDF<br />
heute
50<br />
Aus Politik & Gesellschaft<br />
Handlungsfeld 3<br />
die sonst nur Pflegekräfte tätigen dürfen. Die pflegenden<br />
Angehörigen sollten die Wahl einer formellen<br />
Anstellung als Pflegekraft mit Recht auf<br />
Auszeiten und bezahlten Urlaub im Sinne eines<br />
Care-Gehalts haben. Bisher wird die Pflegetätigkeit<br />
von Angehörigen nur im Rahmen des Pflegegeldes<br />
(SGB XI) bezüglich der Grundpflege berücksichtigt.<br />
– Pflegende Angehörige dürfen nicht aufgrund der<br />
Pflegetätigkeit in Armut fallen.<br />
Für finanzielle Sicherheit sorgen<br />
Nach wie vor tragen Mütter die Hauptlast der familiären<br />
Betreuung und Pflege von Kindern und Jugendlichen<br />
mit besonderen Bedürfnissen. Viele von<br />
ihnen leben aufgrund der Schwierigkeit, Pflege und<br />
Berufsleben in Einklang zu bringen, über Jahrzehnte<br />
in finanzieller Unsicherheit und steuern am Ende<br />
auf die Altersarmut zu. 9 Hier bedarf es weiterer<br />
gesetzlicher Regelungen, damit die Pflege und Versorgung<br />
eines chronisch kranken oder behinderten<br />
Kindes nicht zu dauerhafter Armut führen und sich<br />
die Chancenungleichheit immer weiter vergrößert.<br />
Deshalb fordern wir<br />
→ eine ausreichende finanzielle Kompensation<br />
für Angehörige, die freiwillig eine umfassende Behandlungspflege<br />
im Sinne des SGB V übernehmen,<br />
→ eine finanziell auskömmlichere Berücksichtigung<br />
der Pflege durch Angehörige in der Rente und<br />
die Schaffung weiterer gesetzlicher Voraussetzungen,<br />
damit finanzielle Nachteile beseitigt und ausreichende<br />
Rentenbeiträge entrichtet werden, um<br />
Altersarmut zu vermeiden und sehr stark belastete<br />
Familien in besonderer Weise zu unterstützen.<br />
→ die Abschaffung der Kürzung des Pflegegeldes<br />
nach 28 Tagen bei stationärer Unterbringung des<br />
pflegebedürftigen Kindes – vor allem bei Versorgung<br />
durch die Angehörigen bei längeren Krankenhausaufenthalten<br />
und Rehamaßnahmen. Hier entstehen<br />
beispielsweise durch die Begleitung in die<br />
Klinik zusätzliche Ausgaben für die Familie.<br />
9<br />
Famber-Studie: https://www.uke.de/extern/famber/index.html<br />
Handlungsfeld 4<br />
Inklusion im Bereich Bildung voranbringen<br />
Eltern behinderter und chronisch kranker Kinder<br />
und Jugendlicher können sich nicht auf die regelmäßige<br />
Betreuung in Kindergarten und Schule verlassen,<br />
da oftmals die Versorgung und Betreuung<br />
nicht ausreichend gesichert ist. Viele Kinder mit<br />
chronischen Erkrankungen und Behinderungen<br />
können daher diese Institutionen nicht kontinuierlich<br />
besuchen. Teils fahren die Eltern in die Schule,
Aus Politik & Gesellschaft<br />
51<br />
um dort medizinisch-pflegerische Maßnahmen<br />
(z.B. Katheterisieren, Diabetesversorgung) umzusetzen,<br />
teils können die Kinder nur verkürzt oder an<br />
bestimmten Tagen am Kita- und Schulalltag teilnehmen,<br />
weil die Assistenz nur für eine geringe Anzahl<br />
an Stunden vor Ort ist. Andere wiederum sind aufgrund<br />
struktureller und personeller Begebenheiten<br />
vor Ort ganz ausgeschlossen. Auch der Parallelbericht<br />
zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention<br />
zeigt auf, dass Deutschland noch weit von<br />
einer umfassenden Teilhabe entfernt ist: „Kinder<br />
und Jugendliche werden wegen ihrer chronischen<br />
Erkrankung oder Behinderung noch immer ausgegrenzt<br />
und bekommen nicht die gleichen Chancen<br />
im Bereich der Bildung wie Kinder und Jugendliche<br />
ohne chronische Erkrankung oder Behinderung.“ <strong>10</strong><br />
Deshalb fordern wir<br />
→ die Schaffung von besseren Rahmenbedingungen<br />
für die Inklusion in Kindergarten und Schule<br />
durch die Bereitstellung von finanziellen und personellen<br />
Ressourcen. Inklusion muss von Anfang<br />
an in der Lehramtsausbildung integraler Bestandteil<br />
sein und es braucht ausreichend Weiterbildung<br />
zum Umgang mit Heterogenität im Klassenverband.<br />
Zu den Rahmenbedingungen gehören:<br />
→ Multiprofessionelle Teams einschließlich einer<br />
ausreichenden Anzahl an Inklusionserzieher:innen,<br />
Schulbegleiter:innen und Schulgesundheitskräften 11 ,<br />
um den erhöhten Aufwand an Betreuung und Versorgung<br />
sowie medikamentöse Therapien und Notfälle<br />
zu meistern. Die medizinische und pflegerische<br />
Versorgung und Betreuung von chronisch kranken,<br />
pflegebedürftigen und betreuungsintensiven Kindern<br />
ist auch in Kita und Schule sicherzu-stellen.<br />
→ Länderübergreifend vereinheitlichte Regularien<br />
für den Nachteilsausgleich in Schulen und<br />
Ausbildungsstätten z.B. durch das Einbinden von<br />
Theorie und Praxis des Nachteilsausgleichs in die<br />
Aus- und Fortbildung von Lehrkräften. Hierfür ist<br />
die Einrichtung einer bundesweiten Fachstelle<br />
sinnvoll, an die sich Schulen und Ausbildungsstellen<br />
sowie Eltern gleichermaßen wenden können.<br />
→ Umsetzung eines digitalen Wissensmanagements.<br />
Das Wissen rund um die Förderung bei<br />
bestimmten Herausforderungen bezüglich der Inklusion<br />
von Kindern mit gesundheitlichen oder<br />
behinderungsbedingten Bedarfen sollte frei zugänglich<br />
für pädagogisches Fachpersonal auf einer<br />
digitalen Plattform geteilt werden. Auch sollte die<br />
Möglichkeit des Austauschs geboten werden. Beispiel:<br />
„Wie fördere ich ein Kind mit Glasknochenkrankheit<br />
am besten? Welche Hilfen gibt es? Wie<br />
können Fehlzeiten flexibel und individuell angepasst<br />
werden? Worauf ist im Kindergarten- oder<br />
Schulalltag zu achten?“ Dadurch würde das pädagogische<br />
Personal entsprechend der realen Bedarfslagen<br />
geschult und handlungsfähig.<br />
→ einen festen Betreuungsplatz für jedes Kind<br />
mit Behinderung, chronischer Erkrankung und<br />
Pflegebedarf, wenn Kindergarten, Schule und Hort<br />
nicht verlässlich die Tagesbetreuung übernehmen<br />
können.<br />
→ ein gleichwertiges und alle Schulformen umfassendes<br />
Angebot an digitalen Schulen neben<br />
der Präsenzschule. Dieses digitale Angebot sollte<br />
Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen,<br />
die aufgrund einer chronischen Erkrankung oder<br />
Behinderung nicht (regelmäßig) am Präsenzunterricht<br />
teilnehmen können, gleichwertige Abschlüsse<br />
und die Vorbereitung darauf ermöglichen und im<br />
besten Fall mit den Präsenzschulen kooperieren. 12
52<br />
Aus Politik & Gesellschaft<br />
→ die Möglichkeit modularer Abschlussprüfungen.<br />
Schüler:innen mit Lernschwierigkeiten und dem<br />
Förderschwerpunkt geistige Entwicklung hätten<br />
dadurch einen Nachweis, dass die Leistungen in<br />
Teilbereichen erbracht wurden. Dies würde dann<br />
wieder Türen für Ausbildungsstätten und den ersten<br />
Arbeitsmarkt eröffnen.<br />
→ eine Fachberatungsstruktur zum Themenfeld<br />
„Unterstützte Kommunikation“. Kommunikation<br />
ist ein Grundbedürfnis des Menschen und vielfach<br />
eine Voraussetzung für gelingende Teilhabe. Daher<br />
muss es Ziel jeder Kita und Schule sein, Kindern<br />
und Jugendlichen, die nicht verbal kommunizieren<br />
können, eine entsprechende Förderung<br />
zukommen zu lassen. Unterstütze Kommunikation<br />
muss allerdings angebahnt und begleitet werden.<br />
Die Bildungs- und Betreuungseinrichtungen können<br />
mit dieser Aufgabe nicht alleingelassen werden,<br />
daher ist ihnen eine Fachstelle mit entsprechender<br />
Expertise zur Seite zu stellen.<br />
<strong>10</strong><br />
Deutscher Behindertenrat - Parallelbericht zur Umsetzung der UN-<br />
Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) <strong>2023</strong> (deutscher-behindertenrat.de)<br />
11<br />
Gerade aufgrund des Fachkräftemangels in der Pflege wird es zunehmend<br />
schwieriger, Pflegedienste mit freien Kapazitäten für einzelne<br />
Maßnahmen der Behandlungspflege zu finden. Eine Schulgesundheitsfachkraft<br />
käme allen Kindern zu Gute.<br />
12<br />
Es gibt bereits digitale Schulen, aber z.B. im Abitur muss in allen (!)<br />
Fächern eine Prüfungsleistung nachgewiesen werden.<br />
Handlungsfeld 5<br />
Beratung und Begleitung familienorientiert ausrichten,<br />
mehr Lotsen bereitstellen und die Selbstvertretung<br />
stärken<br />
Eltern von Kindern und Jugendlichen mit hohem<br />
Versorgungsbedarf sind häufig durch die vielen<br />
unübersichtlichen Vorschriften und Bestimmungen<br />
überfordert und scheitern an bürokratischen<br />
Hürden, ihre Rechte und Ansprüche zu erfahren<br />
und durchzusetzen. „Man sollte keine SGB-Experte<br />
sein müssen!“ So oder ähnlich melden es Eltern aus<br />
der Selbsthilfe zurück. Meist wissen sie erst nach<br />
Jahren, dass es für alle Anliegen rund um ein Kind<br />
mit chronischen Erkrankungen und Behinderungen<br />
jeweils unterschiedliche Ansprechpartner gibt.<br />
Man geht zum SPZ, wenn es um Fragen zu Therapie<br />
und medizinischer Versorgung geht. Bei Fragen<br />
zur Entwicklung geht man zur Frühförderung. Bei<br />
Fragen zu Pflegeleistungen geht man zum Pflegestützpunkt<br />
(und hat Glück, wenn sich dort jemand<br />
mit den besonderen Lebenslagen von Kindern auskennt).<br />
Hat man Fragen zur Teilhabe, geht man<br />
zur Ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung<br />
(EUTB). Eigentlich muss man schon vorher wissen,<br />
wo die eigene Frage sozialrechtlich einsortiert werden<br />
muss, damit man die richtige Stelle findet. Das<br />
ist umso anstrengender, je mehr Sozialrechtsbereiche<br />
bei einem Kind eine Rolle spielen. Aber eine<br />
ganz allgemeine Beratung, die versucht alles thematisch<br />
abzudecken, hilft meist nicht weiter. Beratung<br />
muss familienorientiert und spezifisch genug<br />
sein, damit sie hilft. Ansonsten ist es nur ein frustrierender<br />
Weg mehr für die Familie.
Aus Politik & Gesellschaft<br />
53<br />
Deshalb fordern wir<br />
→ fest verankerte Lotsen, die betroffene Familien<br />
in den Jahren nach der Diagnosestellung durch<br />
den Dschungel der Systeme ganzheitlich und familienorientiert<br />
führen. Sie kennen sich mit speziellen<br />
Krankheitsbildern und Versorgungsstrukturen<br />
aus und können bei der Inanspruchnahme von<br />
Unterstützungsleistungen aller sozialrechtlichen<br />
Sektoren unterstützen. Bei Familien mit Migrationshintergrund<br />
sind hierzu zusätzlich Sprachmittler<br />
erforderlich, die auch ein besseres Verständnis<br />
für die kulturell unterschiedlichen Sichtweisen der<br />
Betroffenen ermöglichen.<br />
→ die finanzielle Absicherung von bereits bestehenden<br />
erfolgreichen Lotsenmodellen durch<br />
deren Überführung in die Regelversorgung und Bekanntmachung.<br />
→ ein überregionales und moderiertes Inklusions-<br />
und Versorgungsnetzwerk, welches (gerade<br />
auch im ländlichen Raum) die vielen unterschiedlichen<br />
Akteure einer Versorgungsregion unter Einbeziehung<br />
der Elternselbsthilfe miteinander vernetzt.<br />
Die Netzwerkstrukturen dienen zum einen der<br />
Qualitätssicherung der Versorgung und der Unterstützung<br />
der Teilhabe von Kindern, Jugendlichen<br />
und jungen Erwachsenen mit Behinderungen und<br />
chronischen Erkrankungen, zum anderen aber auch<br />
der partizipativen Beteiligung der Selbsthilfe.<br />
→ die Bereitstellung einer niedrigschwelligen,<br />
aber spezifischen Beratung für Eltern chronisch<br />
kranker und behinderter Kinder, Jugendlicher und<br />
junger Erwachsener. Neben Informationen und Beratung<br />
zu den unterschiedlichen Versorgungsstrukturen<br />
können psychosoziale Gespräche zur Entlastung<br />
der Eltern und Angehörigen führen (z.B. zur<br />
Verarbeitung einer Diagnose), damit sie ihr Kind<br />
im weiteren Verlauf der Erkrankung gut begleiten<br />
können. Die Ergänzende unabhängige Teilhabeberatung<br />
(EUTB) ist ein sehr guter Ansatz: niedrigschwellig,<br />
Peer-Beratung und auf der Seite der<br />
Ratsuchenden positioniert. Hier sollte es aber auf<br />
die jeweilige Lebensphase Kindheit, Jugend und<br />
den Übergang ins Erwachsenenalter spezialiserte<br />
Stellen geben, die auch mit den entsprechenden<br />
regionalen gesundheitsbezogenen Versorgungsstrukturen<br />
vernetzt sind.<br />
→ eine spezielle Beratung für Kinder und Jugendliche<br />
und junge Erwachsene mit Behinderung, am<br />
besten mit einer angebundenen Peerberatung,<br />
also jungen Menschen mit Behinderung, die in die<br />
Beratung anderer junger Menschen einbezogen<br />
werden.<br />
Handlungsfeld 6<br />
Ausbildung und Arbeitswelt inklusiv gestalten<br />
Jungen Menschen mit chronischen Erkrankungen<br />
oder Behinderungen wird der Einstieg in den ersten<br />
Arbeitsmarkt oft verwehrt, indem beispielsweise<br />
die Arbeit in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung<br />
als einzige Option vorgeschlagen wird.<br />
Individuelle Stärken und Interessen werden dabei<br />
selten berücksichtigt. Da die Werkstätten außerhalb
54<br />
Aus Politik & Gesellschaft<br />
des regulären Arbeitsmarkts betrieben werden, gelten<br />
ihre Beschäftigten nicht als Arbeitnehmer:innen<br />
und haben somit keine Arbeitnehmer:innenrechte<br />
und auch keinen Anspruch auf den Mindestlohn.<br />
In Deutschland betrifft das 320.000 Menschen mit<br />
Behinderung 13 . Im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention<br />
fordern wir eine Öffnung des ersten Arbeitsmarktes,<br />
Hilfestellungen für junge Menschen<br />
mit chronischen Erkrankungen und Behinderungen<br />
für einen guten Einstieg ins Berufsleben und eine<br />
höhere Wertschätzung der Arbeitnehmer:innen in<br />
Werkstätten für Menschen mit Behinderungen.<br />
Deshalb fordern wir<br />
→ den Ausbau einer spezifischen Berufsberatung<br />
für junge Menschen mit chronischen Erkrankungen<br />
und Behinderungen, die an ihren individuellen<br />
Stärken und Interessen ausgerichtet ist.<br />
→ die Möglichkeiten für modulare und theoriereduzierte<br />
Abschlussprüfungen für die Berufsausbildung.<br />
Dies würde es jungen Menschen mit<br />
Lernschwierigkeiten ermöglichen, ebenfalls einen<br />
Nachweis für eine Teilleistung zu erwerben, mit der<br />
sich Chancen auf dem ersten Arbeitsmarkt eröffnen<br />
können. 14<br />
→ die Einführung von Arbeitnehmer:innenrechten<br />
in Werkstätten für Menschen mit Behinderung<br />
sowie eine faire Bezahlung in Anlehnung an den<br />
gesetzlichen Mindestlohn. Wer in Werkstätten arbeitet,<br />
soll einen Lohn bekommen statt Grundsicherung<br />
(„Basis-Geld”- gute Leistung, gutes Geld.) 15<br />
→ eine bessere Unterstützung zur Teilhabe am<br />
ersten Arbeitsmarkt, damit das Recht von Menschen<br />
mit Behinderung auf eine selbstbestimmte<br />
Arbeit, von der sie leben können, umgesetzt werden<br />
kann. Hierfür braucht es weitere Anreize für<br />
Unternehmen, Menschen mit Behinderung einzustellen,<br />
und die entsprechende Weiterbildung der<br />
Mitarbeitenden in Arbeitsämtern, um bessere Unterstützung<br />
auch für Menschen mit Behinderungen<br />
zu gewährleisten.<br />
13<br />
https://www.tagesschau.de/wirtschaft/unternehmen/behinderten<br />
werkstaetten-lohndumping.<br />
14<br />
Aus dem ThinkTank „Inklusives Kinder- und Jugendhilfegesetz aus<br />
Perspektive der Selbsthilfe“ (#1)<br />
15<br />
https://www.xn--werkstattrte-deutschland-zbc.de/sites/default/files<br />
/download-dokumente/basisgeldposition-juni-2019_0.pdf<br />
Handlungsfeld 7<br />
Kinderrechte stärken<br />
„Immer noch werden Gesetze verabschiedet, die<br />
der UN-BRK widersprechen“, bemängelt Prof. Dr.<br />
Sigrid Arnade, Vorsitzende des Sprecher:innenrats<br />
des Deutschen Behindertenrats (DBR). Als Beispiel<br />
nennt sie das Intensivpflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetz,<br />
das mit seiner zugehörigen<br />
Richtlinie das Menschenrecht auf freie Wahl von
Aus Politik & Gesellschaft<br />
55<br />
Wohnort und Wohnform konterkariere und dazu<br />
geeignet sei, die betroffenen Menschen gegen ihren<br />
Willen in Heime zu zwingen. 16 Gerade das GKV-<br />
IPReG und dessen nachfolgende Richtlinien zeigen,<br />
dass die Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen<br />
in der Politik einen besonderen Fokus brauchen,<br />
damit deren Rechte im Sinne der UN-Kinderrechtskonvention<br />
berücksichtigt werden. Dies trifft im besonderen<br />
Maße auf Kinder, Jugendliche und junge<br />
Erwachsene mit chronischen Erkrankungen und<br />
Behinderungen zu.<br />
→ dass Kinder und Jugendliche vor den Folgen<br />
der Klimakrise geschützt werden (Hitze inkl. UV-<br />
Strahlung, chron. Umweltbelastung, Ernährungsdefizite<br />
etc. Die Folgen der Klimakrise werden immer<br />
häufiger sichtbar: Unwetter mit Starkregen<br />
und Überschwemmungen, Waldbrände, Hitzetote.<br />
Kinder und Jugendliche leiden besonders unter<br />
diesen sich ändernden Lebensbedingungen. Auch<br />
der Katastrophenschutz muss daher die besondere<br />
Lage von jungen Menschen mit Behinderungen im<br />
Blick haben (siehe Überflutung im Ahrtal ). 20<br />
Deshalb fordern wir<br />
→ das Verankern der Kinderrechte im Grundgesetz<br />
und die vollständige Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention<br />
hin zu einer bestmöglichen<br />
(und nicht nur ausreichenden) gesundheitlichen<br />
Versorgung von Kindern, Jugendlichen und jungen<br />
Erwachsenen mit chronischen Erkrankungen und<br />
Behinderungen, insbesondere, wenn sie in Armut<br />
oder mit Migrationshintergrund leben. 17 Jedes Kind<br />
hat das Recht bei höchstmöglicher Gesundheit in<br />
der Familie aufzuwachsen. 18<br />
→ die Einsetzung einer/s Kinderbeauftragten in<br />
der Bundesregierung. Ein(e) Kinderbeauftragte(r)<br />
der Bundesregierung soll die vielen Gesetzesvorhaben<br />
im Interesse der Kinder in den Blick nehmen<br />
und kindlichen Bedürfnissen in der Politik mehr<br />
Gewicht zukommen lassen.<br />
→ die Implementierung von Kinder- und Jugendbeauftragten<br />
als Interessenvertretung für weitere<br />
wichtige Gremien, z.B. im Gemeinsamen Bundesausschuss<br />
(G-BA), damit dort eine stärkere Berücksichtigung<br />
kinder- und jugendspezifischer Belange<br />
bei der Nutzenbewertung erfolgt. Die Lebensphase<br />
Kindheit und Jugend muss in allen politischen Entscheidungen<br />
berücksichtigt werden, wenn diese das<br />
Leben von Kindern und Jugendlichen betreffen. 19<br />
16<br />
Deutscher Behindertenrat - Parallelbericht zur Umsetzung der UN-<br />
Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) <strong>2023</strong> (deutscher-behindertenrat.de)<br />
17<br />
Die UNICEF hat die ausführliche Version der 54 Artikel der Kinderrechts-Konvention<br />
mit ihren drei Zusatzprotokollen in zehn Punkten zusammengefasst.<br />
Einige davon behandeln spezielle Gesundheitsaspekte.<br />
Alle Kinder haben demnach das Recht auf Gesundheit, Freizeit, Spiel<br />
und Erholung, Bildung und Ausbildung, eine Familie, elterliche Fürsorge<br />
und ein sicheres Zuhause, Betreuung bei Behinderung, sich zu informieren,<br />
sich mitzuteilen, gehört zu warden, zu versammeln.<br />
18<br />
Gem. 3 Artikel 23, Abs. 3 UN-BRK: Die Vertragsstaaten gewährleisten,<br />
dass Kinder mit Behinderungen gleiche Rechte in Bezug auf das Familienleben<br />
haben. Zur Verwirklichung dieser Rechte und mit dem Ziel,<br />
das Verbergen, das Aussetzen, die Vernachlässigung und die Absonderung<br />
von Kindern mit Behinderungen zu verhindern, verpflichten sich<br />
die Vertragsstaaten, Kindern mit Behinderungen und ihren Familien<br />
frühzeitig umfassende Informationen, Dienste und Unterstützung zur<br />
Verfügung zu stellen.<br />
19<br />
In der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Art. 24, Abs.<br />
2) wurde bereits im Jahr 2000 von Deutschland unterzeichnet, dass<br />
„bei allen Kinder betreffenden Maßnahmen öffentlicher und privater<br />
Einrichtung das Wohl des Kindes eine vorrangige Erwägung sein muss“.<br />
20<br />
https://www.focus.de/politik/deutschland/ahrtal-12-menschen-star<br />
ben-weil-das-land-keine-zweite-nachtwache-zahlte_id_167021130.<br />
html
56<br />
Aus Politik & Gesellschaft<br />
Handlungsfeld 8:<br />
gesundheits- und teilhabebezogenen Forschungsprojekten<br />
zum Personenkreis chronisch kranker<br />
und behinderter Kinder, Jugendlicher und junger<br />
Erwachsener. Auch müssen die Folgen der Klimakrise<br />
in die gesundheitsbezogene Forschung zur<br />
Entwicklung geeigneter Maßnahmen einbezogen<br />
werden. Kinderund Jugendschutzaspekte sind dabei<br />
immer zu berücksichtigen.<br />
Datenlage erweitern, Forschung stärken<br />
Die Datenlage zu Themen der Kinder- und Jugendgesundheit<br />
und Teilhabe von Kindern, Jugendlichen<br />
und jungen Erwachsenen mit chronischen<br />
Erkrankungen und Behinderungen ist dürftig und<br />
reicht oftmals nicht aus, um daraus politische und<br />
gesellschaftliche Handlungsschritte abzuleiten. So<br />
gibt es in Deutschland beispielsweise keine ausreichenden<br />
Forschungsaktivitäten zur Kinder- und<br />
Jugendgesundheit, obwohl in Kindheit und Jugend<br />
viele, auch seltene Erkrankungen auftreten. Auch<br />
zu Fragen der Teilhabe und Exklusionsgründe von<br />
Kindern und Jugendlichen mit chronischen Erkrankungen<br />
und Behinderungen gibt es nur relativ<br />
wenige Erkenntnisse. Dies muss sich ändern und<br />
dafür braucht es eine staatliche Förderung von<br />
Deshalb fordern wir<br />
→ eine staatliche Förderung von gesundheitsund<br />
teilhabebezogenen Forschungsprojekten zum<br />
Personenkreis chronisch kranker und behinderter<br />
Kinder, Jugendlicher und junger Erwachsener.<br />
→ staatlich finanzierte Forschungsstrukturen,<br />
die bestehende medizinische Zentren vernetzen,<br />
alle relevanten Erkenntnisse und Informationen<br />
bündeln und die Forschung in Hinsicht auf Qualitäts-<br />
und Ausbildungsstandards in der Medizin für<br />
Kinder und Jugendliche sicherstellen.<br />
→ eine Verbesserung der gesetzlichen Rahmenbedingungen,<br />
damit Arzneimittelhersteller Kinderarzneimittel<br />
besser mit eigenen Studien entwickeln<br />
können und diese Medikamente ausreichend lieferbar<br />
sind.<br />
Handlungsfeld 9:<br />
Deutschland muss <strong>barrierefrei</strong> werden<br />
Gerade in öffentlichen Verkehrsmitteln wird Menschen<br />
mit Beeinträchtigungen eine selbstständige<br />
Lebensführung und soziale Teilhabe erschwert. Es<br />
fehlt an inklusiven Verkehrsangeboten, wodurch<br />
Menschen mit Beeinträchtigungen - wenn überhaupt<br />
- nur mit einer langen Planung verreisen können<br />
Damit alle Menschen sich in ihrem Alltag frei
Aus Politik & Gesellschaft<br />
57<br />
bewegen und entfalten können, ist Barrierefreiheit<br />
eine Grundbedingung, die im Übrigen allen Menschen<br />
zugutekommt.<br />
Deshalb fordern wir<br />
→ einen Ausbau der Barrierefreiheit im ÖPNV.<br />
Es braucht mehr inklusive Verkehrsangebote, die<br />
es Menschen mit Beeinträchtigungen ermöglichen,<br />
auch spontan zu verreisen. Dazu zählt der<br />
Ausbau an Fernverkehr-, Regionalverkehr- und<br />
ÖPNV- Haltestellen ebenso wie mehr <strong>barrierefrei</strong>e<br />
uhrzeitunabhängige Toiletten an Bahnhöfen und in<br />
Zügen. Die Angebote von Transportdienstleistern<br />
in Deutschland (z. B. Deutsche Bahn und viele andere)<br />
müssen so ausgestaltet sein, dass Menschen<br />
mit Behinderungen rund um die Uhr (24/7) reisen<br />
und ihre Tickets online buchen können, wie alle anderen<br />
Bürger auch.<br />
→ den weiteren <strong>barrierefrei</strong>en Ausbau von öffentlichen<br />
Gebäuden, Diensten und Einrichtungen,<br />
insbesondere von Arztpraxen, Kindergärten<br />
und Schulen.<br />
→ die Einbeziehung von Menschen mit Behinderung<br />
in die Gestaltungsprozesse von stadtplanerischen<br />
Maßnahmen öffentlicher Flächen und<br />
Einrichtungen, insbesondere von Parkanlagen, <strong>barrierefrei</strong>en<br />
Spielplätzen und bei der Umgestaltung<br />
von öffentlichen Verkehrsmitteln.<br />
→ die finanzielle Förderung von bereits bestehenden<br />
inklusiven Freizeitangeboten, um einen<br />
Anreiz zu schaffen, diese weiter auszubauen oder<br />
neue Angebote zu gestalten. Insbesondere braucht<br />
es auch hier geschultes Personal, um alle Menschen<br />
mit Behinderung miteinbeziehen zu können.<br />
Handlungsfeld <strong>10</strong>:<br />
Die Transition strukturell und finanziell regeln<br />
Mit Erreichen der Volljährigkeit sind junge Menschen<br />
für ihr Handeln und ihr Leben selbst verantwortlich.<br />
Je nachdem, welche Versorgungserfordernisse die<br />
Krankheit oder Behinderung mit sich bringen, gibt<br />
es eine ganze Reihe von Dingen zu regeln. So erfolgt<br />
der Übergang von der Kinder- und Jugendmedizin<br />
zur Erwachsenenmedizin und meist auch die<br />
Anbindung an die Behörden, die für die Leistungen<br />
der Teilhabe zuständig sind. Da alle Veränderungen<br />
und rechtlichen Ansprüche sehr vom individuellen<br />
Fall abhängig sind und. damit gerade die ärztliche<br />
Versorgung nicht abbricht, sollte der Übergangsprozess<br />
(Transition) rechtzeitig begonnen und begleitet<br />
werden. Bisher werden junge Menschen mit<br />
einer chronischen oder seltenen Erkrankung oder<br />
Behinderung beim Übergang ins Erwachsenenleben<br />
ungenügend unterstützt.
58<br />
Aus Politik & Gesellschaft<br />
Deshalb fordern wir<br />
→ einen Rechtsanspruch für alle betroffenen Jugendlichen<br />
auf Teilnahme an einem bundesweit<br />
strukturierten Transitionsprogramm sowie dessen<br />
Finanzierung. Dieses sollte jungen Erwachsenen<br />
innerhalb einer flexiblen Altersgrenze (16 bis mindestens<br />
27 Jahre) für die Transitionsprozesse begleitend<br />
zur Seite stehen. Neben der medizinischen<br />
Transition (ärztliche Versorgung) soll auch die soziale<br />
Transition (Teilhabe und Pflege, Berufsausbildung<br />
und Einstieg ins Berufsleben) begleitet werden.<br />
→ mehr Informationen, Beratungen und Hilfen<br />
beim Erwachsenwerden, welche flächendeckend<br />
finanziert werden.<br />
Bleiben Sie informiert:<br />
Das Kindernetzwerk ist der Dachverband der Selbsthilfe<br />
von Familien mit Kindern und Jugendlichen mit<br />
chronischen Erkrankungen und Behinderungen.<br />
Wir informieren rund um den Versorgungsalltag<br />
der Selbsthilfe mit aktuellen Nachrichten. Für unsere<br />
rund 250 Mitgliedsorganisationen / Institutionen<br />
und 650 Einzelmitglieder sowie 220 Kliniken und<br />
Einrichtungen bieten wir ein starkes Netz, teilen<br />
Informationen, Nachrichten und Termine, bereiten<br />
wichtige Themen auf und stellen sie zur Diskussion.<br />
Sie finden uns unter<br />
www.kindernetzwerk.de<br />
Facebook: kindernetzwerkev<br />
https://www.facebook.com/kindernetzwerkev<br />
Twitter: kindernetzwerk1<br />
https://twitter.com/Kindernetzwerk1<br />
Instagram: kindernetzwerk_ev<br />
https://www.instagram.com/kindernetzwerk_ev<br />
YouTube: Kindernetzwerk<br />
https://www.youtube.com/channel/UC3IS2JT<br />
1p1ntUVJR7IvJpHg
60<br />
Aus Politik & Gesellschaft<br />
Unser politischer Einsatz<br />
für unsere Mitglieder<br />
Umsetzungsprobleme geben Anlass zur Sorge<br />
Außerklinische Intensivpflege<br />
Von Benita Eisenhardt<br />
Das Kindernetzwerk fordert gemeinsam mit rund<br />
20 anderen Verbänden umgehend Nachbesserungen<br />
am GKV-IPReG: Mit unserem veröffentlichten<br />
Positionspapier machen wir auf Probleme<br />
bei der Umsetzung des Intensivpflege- und<br />
Rehabilitationsstärkungsgesetzes (GKV-IPReG)<br />
aufmerksam und fordern den Gesetzgeber zu<br />
Nachbesserungen auf. Wir fordern, die vorgeschlagenen<br />
Gesetzesänderungen umgehend umzusetzen,<br />
um die Versorgung von Menschen mit<br />
Bedarf an AKI sicherzustellen.<br />
Das sehr umstrittene GKV-IPReG ist bereits 2020<br />
in Kraft getreten. Ab dem 31. Oktober <strong>2023</strong><br />
entfaltet es jedoch erst seine volle Wirkung:<br />
Ab diesem Zeitpunkt entfällt der Anspruch auf<br />
häusliche Krankenpflege für die betroffenen Versicherten<br />
endgültig und sie haben dann nur noch<br />
einen Anspruch auf außerklinische Intensivpflege<br />
(AKI). Bereits heute zeigt sich, dass das Gesetz zu<br />
Rechtsunklarheit sowie zu Fehlentwicklungen,<br />
Leistungsverschiebungen und Versorgungsproblemen<br />
führt. Unter anderem verkleinert sich der<br />
bislang leistungsberechtigte Personenkreis und<br />
die rechtssichere Verordnung von AKI wird durch<br />
unklare Voraussetzungen gefährdet. Auch ist die<br />
Leistungserbringung von AKI im Rahmen eines<br />
Persönlichen Budgets künftig nicht mehr gewährleistet.<br />
Die Änderungen der Außerklinischen<br />
Intensivpflege-Richtlinie, die am 15. September<br />
<strong>2023</strong> in Kraft getreten sind, lösen diese Probleme<br />
nicht und führen teilweise zu neuer Rechtsunklarheit.<br />
Deshalb ist jetzt der Gesetzgeber gefragt.<br />
Mit ihrem gemeinsamen Positionspapier<br />
fordern die Verbände daher, die vorgeschlagenen<br />
Gesetzesänderungen umgehend umzusetzen,<br />
um die Versorgung von Menschen mit Bedarf an<br />
AKI sicherzustellen.<br />
Weiterführende Informationen:<br />
Positionspapier der Verbände<br />
vom 19. September <strong>2023</strong><br />
Pressemitteilung als pdf...<br />
Ansprechpartner:innen:<br />
Katja Kruse, Bundesverband für körper- und<br />
mehrfachbehinderte Menschen e.V. (bvkm);<br />
Henriette Cartolano, Intensivkinder zuhause e.V.;<br />
Thomas Koritz, Interessenvertretung Selbstbestimmt<br />
Leben in Deutschland e.V. (ISL);<br />
Markus Behrendt, IntensivLeben – Verein für beatmete<br />
und intensivpflichtige Kinder und Jugendliche<br />
e.V
Aus Politik & Gesellschaft<br />
61<br />
Neues zum ThinkTank Inklusive Lösung?<br />
Bitte hier lang…<br />
Um das wertvolle Wissen der Familien chronisch<br />
kranker und behinderter Kinder und Jugendlicher<br />
in den Gesetzesreform-Prozess einzubringen, setzt<br />
das Kindernetzwerk als Selbsthilfe-Dachverband<br />
das Projekt „ThinkTank: Inklusives Kinder- und Jugendhilfegesetz<br />
aus Perspektive der Selbsthilfe“<br />
um. Im ThinkTank, einem virtuellen Forum, können<br />
sich die Selbsthilfeorganisationen dazu austauschen,<br />
was aus ihrer Sicht bei der Gesetzesreform<br />
unbedingt beachtet werden muss, damit Kinder<br />
mit chronischen Erkrankungen und Behinderungen<br />
künftig bestmöglich am gesellschaftlichen<br />
Leben teilhaben können. Die Selbsthilfestrukturen<br />
erhalten alle wesentlichen Informationen zum Thema<br />
und können eine Haltung dazu finden, was die<br />
vorgeschlagenen Änderungen an den gesetzlichen<br />
Regelungen ganz konkret für die Kinder, Jugendlichen<br />
und ihre Familien bedeuten.<br />
Hier unten (und immer auf unseren social media<br />
Kanälen) finden Sie die Ergebnisse der letzten Runden.<br />
Ein langer Bericht folgt im nächsten Journal.<br />
https://www.kindernetzwerk.de/de/agenda/Po<br />
litikportal/<strong>2023</strong>/Kinder--und-Jugendhilfegesetz-<br />
Thinktank.php<br />
Sachlage: Das GKV-IPReG<br />
Darstellung der neuen AKI-Regelungen aus Perspektive des <strong>knw</strong><br />
Von Benita Eisenhardt<br />
AKI – das bedeutet Außerklinische Intensivpflege.<br />
Diese benötigen Menschen dann, wenn der<br />
Gesundheitszustand aufgrund einer chronischen<br />
Erkrankung oder Behinderung rund um die Uhr<br />
beobachtet werden muss, damit im Falle von<br />
unvorhersehbar eintretenden lebensbedrohlichen<br />
Zwischenfällen jederzeit ein rettender Eingriff<br />
durch eine geschulte Pflegeperson möglich ist.<br />
Diese Leistung war vorher als spezielle Krankenbeobachtung<br />
Bestandteil in der „Häuslichen Krankenpflege<br />
Richtlinie“ nach § 37 SGB V. Jetzt greifen<br />
allerdings die gesetzlichen Änderungen, die durch<br />
das GKV-IPReG, also das Intensivpflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetz,<br />
am 23. Oktober 2020<br />
vom Bundestag beschlossen wurden.<br />
Das Gesetz ist damals trotz vieler Proteste und<br />
fachlicher Einwände verabschiedet worden und<br />
beinhaltet ein schrittweises Inkrafttreten der neuen<br />
Regelungen. Betroffen von dem Gesetz sind<br />
etwa 22.500 Menschen mit einem besonders hohen<br />
Bedarf an medizinischer Behandlungspflege. 21<br />
Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene machen<br />
nur einen kleinen Anteil der Betroffenen aus. Genaue<br />
Zahlen gibt es bisher nicht. Die Mehrheit der
62<br />
Aus Politik & Gesellschaft<br />
gesamten Patient:innengruppe ist beatmete oder<br />
trachealkanüliert. Bei Kindern, Jugendlichen und<br />
jungen Erwachsenen gibt es jedoch eine Patientengruppe<br />
mit anderen heterogenen Funktionsbeeinträchtigungen,<br />
bei denen es ebenfalls mit hoher<br />
Wahrscheinlichkeit täglich zu lebensbedrohlichen<br />
Situationen kommen kann (z.B. therapieresistente<br />
Epilepsien mit hoher Krampfanfall-Frequenz).<br />
Aus Perspektive des <strong>knw</strong> sind die Belange der Kinder,<br />
Jugendlichen und jungen Erwachsenen und der<br />
Pädiatrie nicht ausreichend berücksichtigt. So wurde<br />
keine eigene Richtlinie für Kinder und Jugendliche<br />
erstellt, obwohl deren besondere Berücksichtigung<br />
durch den Gesetzgeber vorgesehen war.<br />
Daher passen die Vorgaben nicht zu den Bedarfslagen<br />
junger intensivpflegebedürftiger Menschen.<br />
Statt zu einer Verbesserung der Versorgung, wie es<br />
das GKV-IPReG vorgesehen hatte, könnte es nun für<br />
die jungen Menschen zu einer dramatischen Verschlechterung<br />
der Versorgung kommen.<br />
21<br />
Laut Gesetzentwurf der Bundesregierung zum GKV-IPReG vom<br />
Personenkreis die Außerklinische Intensivpflege in<br />
Frage kommt (§ 4 AKI-RL), welche Ärzt:innen die<br />
Leistung verordnen dürfen (§ 9 AKI-RL) und welche<br />
Ärzt:innen zur sogenannten Potenzialerhebung befugt<br />
sind (§ 8 AKI-RL).<br />
→ Die Rahmenempfehlungen nach § 132l SGB V<br />
zur Versorgung mit außerklinischer Intensivpflege<br />
(im Folgenden: AKI-RE): 24 Die Rahmenempfehlungen<br />
sind seit 1. Juli <strong>2023</strong> in Kraft. Sie regeln die Qualifikation<br />
der Pflegefachkräfte und die Grundsätze<br />
für die Bemessung des Personalschlüssels.<br />
→ Die Begutachtungsanleitung des Medizinischen<br />
Dienstes zur außerklinischen Intensivpflege (BGA-<br />
AKI): 25 Sie wurde am 2.Juni <strong>2023</strong> vom Medizinischen<br />
Dienst (MD) verabschiedet und regelt die<br />
Umsetzung der verpflichtenden Begutachtung, die<br />
bei jeder AKI-Versorgung ansteht. Geregelt werden<br />
die Kriterien, Maßstäbe sowie Arbeits- und Bewertungsschritte<br />
für die Begutachtung, damit die Anspruchsvoraussetzungen<br />
für eine ambulante Intensivpflege<br />
geprüft werden können.<br />
20.05.2020, BT-Drs. 19/19368, S. 21, verzeichneten die GKV-Statistiken<br />
für das Jahr 2018 ca. 19.<strong>10</strong>0 Leistungsfälle in der ambulanten und ca.<br />
3.400 Leistungsfälle in der stationären Intensivpflege.<br />
Untergesetzliche Vorgaben, die bestimmend für<br />
die AKI sind<br />
Für die Umsetzung der ambulanten Intensivpflege<br />
(AKI) hat der Gesetzgeber Regelungen auf untergesetzlicher<br />
Ebene vorgesehen. Dazu gehören insbesondere:<br />
→ Die Außerklinische Intensivpflege-Richtlinie<br />
(AKI-RL): 22 Auch die AKI-RL wurde trotz berechtigter<br />
Zweifel verabschiedet. Sie ist seit dem 18.<br />
März 2022 in Kraft, aufgrund einer Übergangregelung<br />
aber erst zum 31. Oktober <strong>2023</strong> endgültig<br />
wirksam. 23 Die AKI-RL regelt u.a. für welchen<br />
Probleme<br />
Das GKV-IPReG wird erst nach und nach wirksam<br />
und daher zeigen sich die praktischen Auswirkungen<br />
des Gesetzes ebenfalls erst nach und nach. Die<br />
volle Wirksamkeit entfaltet das GKV-IPReG erst ab<br />
dem 31. Oktober <strong>2023</strong>. Zu diesem Zeitpunkt endet<br />
die Übergangsfrist und der Anspruch auf Häusliche<br />
Krankenpflege entfällt für AKI-Patient:innen.<br />
Verordnungen von außerklinischer Intensivpflege<br />
dürfen dann nur noch auf der Grundlage der neuen<br />
AKI-Richtlinie erfolgen. 26 Verbände der Behindertenhilfe<br />
und Selbsthilfe sehen folgende Probleme,<br />
dies sich bereits jetzt durch Rückmeldungen betroffener<br />
Patient:innen abzeichnen:
Aus Politik & Gesellschaft<br />
63<br />
Problem 1: Die Pflegefachkraftpflicht führt zur<br />
Einengung des Personenkreises<br />
Der Anspruch auf AKI hängt davon ab, dass die<br />
Versicherten auf die „ständige Anwesenheit einer<br />
geeigneten Pflegefachkraft“ angewiesen sind. 27<br />
Verordnet werden kann die Leistung danach für<br />
Versicherte, bei denen ”wegen Art, Schwere und<br />
Dauer der Erkrankung die ständige Anwesenheit<br />
einer geeigneten Pflegefachkraft zur individuellen<br />
Kontrolle und Einsatzbereitschaft notwendig ist,<br />
weil eine sofortige ärztliche oder pflegerische Intervention<br />
bei lebensbedrohlichen Situationen mit<br />
hoher Wahrscheinlichkeit täglich unvorhersehbar<br />
erforderlich ist.“<br />
Das GKV-IPReG hat vorgegeben, dass der anspruchsberechtigte<br />
Personenkreis weder ausgeweitet noch<br />
eingeengt werden soll. 28 Aber mit Ende der Übergangsregelung<br />
zur AKI-RL wird die Regelung in der<br />
HKP-RL, in der vormals die außerklinische Intensivpflege<br />
als spezielle Krankenbeobachtung geregelt<br />
war, zum 31. Oktober <strong>2023</strong> gestrichen. 29 Im Ergebnis<br />
bedeutet das: Wenn die AKI durch die Krankenkasse<br />
abgelehnt wird, gibt es für die Betroffenen<br />
keine Versorgungsmöglichkeit über die HKP-RL,<br />
die eine kontinuierliche Krankenbeobachtung zum<br />
Beispiel auch durch Assistenzkräfte zulässt. In der<br />
Folge werden die Qualifikationsvoraussetzungen<br />
in der AKI-RL zu einer Verengung des bislang leistungsberechtigten<br />
Personenkreises führen. 30 Da<br />
nicht alle Patient:innen eine Pflegefachkraft für die<br />
Krankenbeobachtung benötigen, ist von einer Leistungsverschiebung<br />
in die Eingliederungshilfe (SGB<br />
IX) und die Hilfe zur Pflege (SGB XII) auszugehen.<br />
Im Gegensatz zur AKI-Leistung sind diese für Eltern<br />
von minderjährigen Kindern mit Behinderung<br />
jedoch teils einkommens- und vermögensabhängig.<br />
Da krankheitsspezifische Überwachungs- und<br />
Interventionsbedarfe im Leistungsbereich der<br />
Krankenversicherung liegen und sich nicht dem<br />
Aufgabenbereich der Eingliederungshilfe oder<br />
Grundpflege zuordnen lassen, sind rechtliche Auseinandersetzungen<br />
vorprogrammiert.<br />
22<br />
Der Beschluss des G-BA zur AKI-RL vom 19.11.2021 wurde am<br />
17.<strong>03</strong>.2022 im BAnz AT veröffentlicht und ist abrufbar unter www.gba.de/beschluesse/5142/.<br />
23<br />
Zurzeit gilt immer noch Übergangsrecht: Aufgrund des G-BA-Beschlusses<br />
vom 20.<strong>10</strong>.2022 (abrufbar unter www.g-ba.de/beschluesse/<br />
5677/) sind AKI-Verordnungen in der Zeit vom 01.01.<strong>2023</strong> bis 30.<strong>10</strong>.<strong>2023</strong><br />
wahlweise entweder nach der AKI-RL oder nach der Richtlinie über die<br />
Verordnung von häuslicher Krankenpflege (HKP-RL) möglich.<br />
24<br />
Abrufbar sind die AKI-RE unter www.gkv-spitzenverband.de<br />
25<br />
Diese liegt zur Prüfung beim BMG und ist künftig Abrufbar unter<br />
www.md-bund.de<br />
26<br />
Am 20.07.<strong>2023</strong> hat der G-BA den Antrag der Patientenvertretung<br />
auf eine weitere Verlängerung der Übergangsregelung abgelehnt (siehe<br />
dazu Seite 7 der Tragenden Gründe zum Beschluss des G-BA vom<br />
20.07.<strong>2023</strong>, abrufbar unter: www.g-ba.de/beschluesse/6<strong>10</strong>0/).<br />
27<br />
Pflegefachkraftpflicht als Voraussetzung des Leistungsanspruchs auf<br />
AKI, siehe § 4 Absatz 1 AKI-RL<br />
28<br />
Vgl. Tragende Gründe zum Beschluss zu § 4 AKI-RL, 2.5 zu Abs. 1,<br />
abrufbar unter www.g-ba.de/beschluesse/5142.<br />
29<br />
Der diesbezügliche Beschluss des G-BA über eine Änderung der HKP-<br />
RL vom 19.11.2021 wurde am 25.<strong>03</strong>.2022 im BAnz AT veröffentlicht<br />
und ist abrufbar unter www.g-ba.de/beschluesse/5152/.<br />
30<br />
§ 37c Absatz 1 Satz 2 SGB V i.V.m. § 4 Absatz 1 AKI-RL<br />
Problem 2: Selbst beschaffte Kräfte / Persönliches<br />
Budget<br />
Durch die hohen Qualifikationsanforderungen und<br />
den gleichzeitig herrschenden Fachkräftemangel in<br />
der Pflege ist es zunehmend schwierig, eine Versorgung<br />
in der Familie oder der eigenen Häuslichkeit<br />
sicherzustellen. Bisherige Versorgungen, die über<br />
das Persönliche Budget laufen und in denen selbst<br />
geschulte Assistent:innen eingesetzt werden, sind<br />
allerdings im Rahmen der AKI-RL nicht mehr vorgesehen.<br />
Es gibt bereits die Rückmeldung, dass
64<br />
Aus Politik & Gesellschaft<br />
Krankenkassen diese Fälle per Definition nicht als<br />
AKI einstufen, da die Versorgung auch ohne eine<br />
Pflegefachkraft umgesetzt werden kann. Das Problem<br />
baden die Betroffenen aus, wenn sie keine<br />
Pflegefachkräfte finden, die langjährig pflegenden<br />
Assistenzkräfte aber nicht mehr finanziert werden.<br />
Da hilft der Kostenerstattungsanspruch in § 37c<br />
Absatz 4 Satz 1 SGB V für eine selbstbeschaffte Pflegefachkraft<br />
auch nicht weiter.<br />
Problem 3: Potenzialerhebung<br />
Das GKV-IPReG sieht bei beatmeten oder tracheotomierten<br />
Patient:innen verpflichtend die<br />
Erhebung des Potenzials für eine Beatmungsentwöhnung<br />
oder Dekanülierung mit nahezu jeder<br />
Verordnung vor (§ 37c Absatz 1 Satz 6 SGB V). Diese<br />
Potenzialerhebung darf nur von besonders qualifizierten<br />
Ärzt:innen vorgenommen werden (§ 8<br />
AKI-RL). Entsprechende Ärzt:innen sind aber in der<br />
erforderlichen Anzahl insbesondere für Kinder- und<br />
Jugendliche nicht vorhanden, wie in dem Bundesgesundheitsportal<br />
31 festzustellen ist.<br />
31<br />
Bundesgesundheitsportal: https://gesund.bund.de/suchen/aerztinnen-und-aerzte<br />
Um die vorgesehene ärztliche Versorgung der Versicherten<br />
sicherzustellen, wäre eine umfassende<br />
Beteiligung von Krankenhausärzt:innen erforderlich,<br />
die in der Regel bisher die medizinische Begleitung<br />
der jungen Patient:innen übernommen hatten.<br />
Angesichts der akuten Versorgungskrise in der<br />
Krankenhauslandschaft ist der erfolgreiche Aufbau<br />
dieser flächendeckenden Versorgungsstrukturen<br />
jedoch nicht passiert. Dies belegen die aktuellen<br />
Zahlen der im Gesundheitsportal des Bundes für<br />
die Potenzialerhebung gelisteten Fachärzt:innen<br />
für Kinder- und Jugendliche.<br />
Der G-BA hat deshalb eine Übergangsfrist für die<br />
Potenzialerhebung beschlossen. Bis zum 1.1.2024<br />
steht in der AKI-RL, also auf untergesetzlicher Ebene,<br />
ein „sollen“ statt eines „müssen“. Das heißt<br />
im rechtlichen Sinne, wenn es möglich ist, muss<br />
die Potenzialerhebung erfolgen. Eltern sollten daher<br />
ihre Bemühungen um einen Termin für eine<br />
Potenzialerhebung gut dokumentieren. Die vom<br />
G-BA vorgesehene Übergangsregelung der AKI-RL<br />
ist nicht geeignet, um die Versorgungssicherheit zu<br />
gewährleisten. Die dort beschriebenen Ausnahmen<br />
sind außerdem rechtlich im GKV-IPReG nicht abgesichert<br />
und führen demzufolge zu Problemen bei<br />
der Prüfung des Leistungsanspruchs durch den MD.<br />
Die Potenzialerhebung vor einer Verordnung ist für<br />
beatmete und trachealkanülierte Kinder daher weiterhin<br />
notwendig, da sonst keine Rechtssicherheit<br />
besteht.<br />
Problem 4: Verordnung und Versorgungssicherheit<br />
Die verordnenden Ärzt:innen tragen eine höhere<br />
Verantwortung als bisher, da sie für die Koordination<br />
der medizinischen Behandlung verantwortlich<br />
sind. Sie müssen einen umfassenden Behandlungsplan<br />
entwickeln und auch rechtzeitig das Verfahren<br />
zur Potenzialerhebung einleiten. Dafür müssen sie<br />
eng mit den hierfür zugelassenen Fachärzt:innen<br />
zusammenarbeiten. 32 Da die potenzialerhebenden<br />
erforderlichen Strukturen jedoch nicht verfügbar<br />
sind, insbesondere für Kinder, Jugendliche und junge<br />
Erwachsene, ist der Aufwand unverhältnismäßig<br />
hoch, die Leistungsanforderungen zu erfüllen.<br />
Es zeigt sich bereits jetzt eine starke Zurückhaltung<br />
bei niedergelassenen Ärzt:innen, sich an der Versorgung<br />
zu beteiligen. In der Folge fehlt es daher<br />
auch an verordnenden Ärzt:innen, wodurch die<br />
Verordnungssicherheit und damit die Versorgung<br />
der Patient:innen gefährdet sind.<br />
32<br />
Vgl. § 12 Abs. 1 AKI-RL
Aus Politik & Gesellschaft<br />
65<br />
Problem 5: Evaluation<br />
Ab Zeitpunkt des Inkrafttretens von Artikel 2 GKV-<br />
IPReG soll ein begleitendes Monitoring erfolgen.<br />
Aber aus Sicht des <strong>knw</strong> fußt das Gesetz auf einer<br />
mangelhaften Datenlage. Denn bisher hat noch keine<br />
sachgerechte Differenzierung des heterogenen<br />
Personenkreises stattgefunden. So ist beispielsweise<br />
bis heute nicht bekannt, wie viele intensivpflegebedürftige<br />
Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene<br />
es eigentlich gibt und wie viele davon beatmet<br />
oder trachealkanüliert sind. Es wird mit den Daten<br />
aus der Evaluation der Umsetzung nicht möglich<br />
sein, diese im Vergleich zur bisherigen Versorgung<br />
zu betrachten. Daher wird es auch schwierig sein<br />
zu erkennen, ob sich durch die gesetzliche Neuordnung<br />
der Versorgungsstrukturen der Personenkreis<br />
ändert. Es besteht die Sorge, dass still und unbemerkt<br />
Versorgungssysteme zusammenbrechen und<br />
gerade junge Patient:innen aus der Versorgung herausfallen.<br />
Denn bereits jetzt schon kompensieren<br />
Eltern über Jahre bis zu ihrer Überlastung fehlende<br />
Versorgungsstrukturen.<br />
Das <strong>knw</strong> fordert daher gemeinsam mit rund 20<br />
anderen Verbänden in einem Positionspapier vom<br />
19.09.<strong>2023</strong> umgehend Nachbesserungen am GKV-<br />
IPReG. Das Forderungspapier mit weiteren Informationen<br />
zu den Hintergründen und zu Lösungsansätzen<br />
finden Sie unter folgendem Link:<br />
https://www.kindernetzwerk.de/downloads/<br />
230919_A_nderungsbedarf___37c_SGB_V_Po<br />
sitionspapier_der_Verba_nde_Final.pdf?m=<br />
1695112429&<br />
Nützliche Links<br />
> Bundesgesundheitsportal für die Arztsuche 33 :<br />
https://gesund.bund.de/suchen/aerztinnen-undaerzte<br />
> Für die Verordnung und zum Nachweis der Potenzialerhebung<br />
sind besondere Formulare zu nutzen.<br />
Diese finden Sie über die Kassenärztliche Bundesvereinigung<br />
(KBV): https://www.kbv.de/html/<br />
60812.php#content60902<br />
> Zur Abgrenzung von AKI und HKP-Leistungen<br />
hat der Forum Gehirn e.V. ein Dokument veröffentlicht:<br />
https://www.shvfg.de/<strong>2023</strong>/06/15/abgren<br />
zung-der-haeuslichen-krankenpflege-hkp-zur-aus<br />
serklinischen-intensivpflege-aki/<br />
> Die Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben<br />
in Deutschland e.V. (ISL) führt ein von der AK-<br />
TION MENSCH gefördertes Projekt: “Das Recht auf<br />
außerklinische Intensivpflege – Begleitung und<br />
Umsetzung aus Betroffenenperspektive“ durch.<br />
Mit dem Projekt sollen betroffene Menschen informiert,<br />
unterstützt und begleitet werden: https://<br />
aki-hkp.de/ Fälle, bei denen sich Schwierigkeiten<br />
zeigen oder die besonders gut verlaufen, können in<br />
anonymisierter Form als Erfahrungsbericht zurückgemeldet<br />
werden: https://aki-hkp.de/erfahrungsbericht-einreichen/<br />
> Haben Sie noch Fragen? Wenden Sie sich an<br />
unsere Mitgliedsorganisationen aus der Selbsthilfe:<br />
https://intensivkinder.de/ und https://www.inten<br />
sivleben-kassel.de/<br />
33<br />
Bei „Fachrichtung“ Kinder- und Jugendarzt eingeben, bei „Besondere<br />
Leistung“ Außerklinische Intensivpflege Potenzialerhebung eingeben<br />
Kontakt:<br />
Benita Eisenhardt, Referentin Projekte<br />
und Entwicklung im Kindernetzwerk e.V.<br />
eisenhardt@kindernetzwerk.de
66<br />
Buchtipps<br />
Buchtipps<br />
Mein Leben ist doch cool!<br />
„Mein Leben ist doch cool! Unsere Welt und was ich dazu zu sagen habe“<br />
ist eine Textsammlung von Nathalie Dedreux.<br />
Natalie Dedreux hat Trisomie 21, ist eine bekannte<br />
Inkluencerin und setzt sich als Selbstvertreterin für<br />
die Rechte und die Sichtbarkeit von Menschen mit<br />
Behinderung ein. In ihrem ersten Buch möchte sie<br />
nicht nur ihre Meinung zu wichtigen Themen dieser<br />
Zeit sagen: Sie möchte teilhaben, mitreden und<br />
gehört werden, denn nur so kann Inklusion funktionieren.<br />
Natalie Dedreux liebt Köln, den kölschen<br />
Dialekt und Kasalla. Kreativ und schön illustriert<br />
erlaubt sie uns Einblicke in ihr Leben. Das Buch behandelt<br />
aber auch verschiedene Bereiche wie Politik,<br />
Klima, Liebe oder Inklusion.<br />
Es ist ihre Sichtweise und ihr Leben, welches sie<br />
den Menschen zeigen möchte. Zeitgleich räumt sie<br />
sachlich mit Missständen und Vorurteilen gegenüber<br />
Menschen mit Behinderung auf.<br />
„Es gibt da noch eine Sache: Wegen dem Duzen.<br />
Wenn Menschen mit Down-Syndrom unterwegs<br />
sind, dann werden wir automatisch geduzt.“<br />
Trotz des sachlichen Stils und den verschiedensten<br />
Thematiken haben diese unweigerlich einen persönlichen<br />
Zug und berühren einen sehr. Die kurzen,<br />
klaren Texte lassen uns ihre ganz persönliche Motivation<br />
verstehen.<br />
Wer jetzt denkt, Auszüge aus ihrer Biographie<br />
und dem Weltgeschehen werden einfach so in<br />
den Raum geworfen, täuscht sich. Das Buch wirkt<br />
thematisch aufbauend. Auch wenn es in den Texten<br />
viel um die Autorin selbst geht, bleibt sie nicht<br />
ausschließlich bei sich, sondern bezieht alle mit<br />
ein, die von Diskriminierungen betroffen sind oder<br />
benachteiligt werden. Das macht Natalie Dedreuxs<br />
Buch so besonders.<br />
In Zusammenarbeit mit ihrem Assistenten Wenzel<br />
Rehbach, der die Texte nieder-geschrieben und illustriert<br />
hat, ist eine wundervolles kreatives Werk<br />
entstanden. Beim Durchlesen des Buches lässt sich<br />
Natalie Dedreuxs positive Art und Lebensfreude nur<br />
erahnen. Dank ihr wird der Leserschaft bewusst,<br />
dass es schließlich die kleinen Dinge im Leben sind,<br />
über die man sich freut.<br />
Infos zum Buch:<br />
Natalie Dedreux: „Mein Leben ist doch cool!<br />
Unsere Welt und was ich dazu zu sagen habe“,<br />
Knaur Verlag, München 2022. 240 S., 16,99 €.<br />
Diesen Artikel hat<br />
Yeliz Kidis verfasst.<br />
„Und wie gut, dass sie [Mutter] mit mir schwanger<br />
war. Sie hat keinen Test gemacht mit mir.<br />
Ich war einfach bei ihr.<br />
Da war ich froh drüber.“
68<br />
Buchtipps<br />
Für unsere „Very Special<br />
Children“: Unsere Kinderseiten<br />
Die Gewinner:innen<br />
unseres Malwettbewerbes im <strong>knw</strong><br />
Anlässlich unseres 30jährigen Jubiläums veranstalteten<br />
wir von Mai bis August einen Zeichenwettbewerb<br />
und luden alle Kinder über Facebook, Twitter<br />
und Instagram ein, sich daran zu beteiligen. Alles<br />
war erlaubt, ganz nach dem Motto: „Bunte Mischung<br />
-Vielfalt leben“. Je nach Möglichkeit sollten<br />
der Kreativität keine Grenzen gesetzt werde. Und<br />
das haben wir zugesendet bekommen:<br />
Michael ist 8 Jahre und schickte uns aus Österreich<br />
ein kleines Heft, in dem er seinen Alltag für uns<br />
in Bildern festgehalten hat. Seine Mutter Tamara<br />
wurde über die Hypophyseninsuffizienz - Gruppe<br />
auf unsere Aktion aufmerksam. Und als Sie ihrem<br />
Sohn Michael davon erzählte, war er sofort Feuer<br />
und Flamme. Michael ist ein sehr fröhlicher und<br />
offener Junge, kann aber aufgrund seiner Schmerzen<br />
oft die Schule nicht besuchen. An guten Tagen<br />
spielt er am liebsten Fußball mit seinen Freunden.<br />
Das Lebensmotto der Familie lautet: „Ein freudiges<br />
Herz ist eine gute Medizin.“<br />
Das wünschen wir Michael von ganzem Herzen.
Unsere Kinderseiten<br />
69
70<br />
Unsere Kinderseiten<br />
Eli, 3 Jahre<br />
Bild Nr. 2 stammt vom kleinen Eli aus Augsburg. Er<br />
ist mit seinen 3 Jahren der jüngste Teilnehmer unseres<br />
Wettbewerbs. Er lebt mit dem Kniest-Syndrom.<br />
Neben seiner tollen Zeichnung fügte er auch ein<br />
Foto von sich bei. Zuckersüß der Kleine, wie wir<br />
einstimmig finden.<br />
Golda, 5 Jahre & Yael, 7 Jahre<br />
Unser nächstes Kunstwerk stammt von Golda. Sie<br />
ist 5 Jahre alt und lebt mit dem Rett-Syndrom. Sie<br />
hat Ihr Bild mit einer Malkrake gemalt. Ihre große<br />
Schwester Yael hat Sie dabei unterstützt. Yael hat<br />
uns im Urlaub auch ein Bild gemalt. Sie ist 7 Jahre<br />
alt. Darauf zu sehen ist ihr Papa mit dem kleinen<br />
Brüderchen, der aktuell noch in Mamas Bauch<br />
wohnt. Beide Mädchen sind schon ganz gespannt<br />
auf ihr kleines Geschwisterchen.
Unsere Kinderseiten<br />
71
72<br />
Unsere Kinderseiten<br />
Eva, 9 Jahre<br />
Bild Nr. 5 stammt von Eva. Sie ist 9 Jahre alt und<br />
kommt aus Reinsfeld. Sie lebt mit dem Rett-Syndrom.<br />
Mit Hilfe eines Talkers hat Sie uns diesen tollen<br />
Brief geschrieben und sich dazu noch ein Rätsel<br />
ausgedacht. Wir denken, die Lösung gefunden zu<br />
haben, wollen aber allen anderen den Spaß nicht<br />
vorwegnehmen.<br />
Wir haben uns sehr über die Einsendungen gefreut<br />
und hoffen, allen eine kleine Freude mit unseren<br />
individuell zusammen gestellten Überraschungspaketen<br />
gemacht zu haben.<br />
Vielen herzlichen Dank an Alle!
74<br />
Unsere Kinderseiten<br />
Eine Geschichte nur für Euch<br />
Geschichte und Bilder von der Kindernetzwerk-Vorsitzenden Dr. Annette Mund<br />
Beatrice, das Einhorn-Mädchen<br />
Opa schlief auf seiner Lieblingsdecke, als Beatrice<br />
in sein Zimmer kam. Sie war sehr aufgeregt und<br />
wollte Opa sofort von ihrem ersten Schultag erzählen.<br />
Sie liebte Opa sehr; er war schon alt. Seine<br />
dichte Mähne war nicht mehr so schön wie früher.<br />
Er hatte nur noch wenige Haare, dafür wuchsen sie<br />
an allen möglichen Stellen an seinem Körper; selbst<br />
aus der Nase wuchsen sie. Er war alt und oft müde,<br />
aber Beatrice kannte niemand anderen, der auf alle<br />
ihre Fragen immer eine gute Antwort parat hatte.<br />
Und heute hatte sie so viele Fragen. Sie musste unbedingt<br />
mit ihm sprechen und, obwohl er so süß<br />
schlief, die Brille vor den Augen, musste sie ihn<br />
sofort wecken.<br />
„Opa, wach auf, wach auf. Ich muss Dir erzählen,<br />
was heute alles in der Schule war!“<br />
„Hmbrmh“ Opa brummelte vor sich hin, öffnete<br />
aber die Augen und sah Beatrice lächelnd an. „Was<br />
ist denn so Aufregendes geschehen? Natürlich, ja,<br />
es war ja Dein erster Schultag. Dann erzähle mal.“<br />
Aufmunternd sah er seine kleine Enkelin an.<br />
„Weißt Du Opa, ich habe heute ganz viele andere<br />
Einhorn-Mädchen kennen gelernt. Viele, viele,<br />
aber stell Dir vor – da waren Mädchen, die ganz<br />
anders als ich sind!“ Sie schaute Opa mit großen<br />
Augen aufgeregt an.
Unsere Kinderseiten<br />
75<br />
„So, wieso sind sie denn anders als Du?“<br />
„Da ist ein Mädchen, Barbara heißt sie. Die hat nur<br />
ein Auge und ein Ohr!“<br />
„Oh!“<br />
„Ja, und ein Mädchen, Selma, kann nicht laufen und<br />
sitzt auf einem Wagen, der gezogen werden muss.<br />
Und ein anderes Mädchen hat nur ein ganz kleines<br />
Horn im Gesicht, fast winzig. Und ihr Schwanz ist<br />
irgendwie ganz buschig. Ganz anders, als bei mir.“<br />
„Aha, nun ja“ brummelte Opa, aber Beatrice ließ<br />
ihn gar nicht zu Wort kommen. „Und da ist auch<br />
noch eine andere, die ist so schön. Sie ist groß und<br />
hat schwarz-weiße Haare. Sie ist ganz stark und sie<br />
hat gesagt, dass die anderen Mädchen doof sind,<br />
weil sie irgendwie behindert sind.“<br />
„Oh“, meinte Opa und seine Augen zogen sich eng<br />
zusammen. „Das scheint aber ein dummes Mädchen<br />
zu sein.<br />
„Wieso?“, fragte Beatrice. “Sie ist schön und bestimmt<br />
ist sie auch klug. Und die anderen Mädchen<br />
sind ja auch irgendwie …“<br />
„Was sind sie irgendwie?“ fragte Opa streng. Beatrice<br />
runzelte die Stirn. Wenn Opa so streng war, bedeutete<br />
das, dass sie dummes Zeug geredet hatte.<br />
Nur wusste sie nicht genau, was sie Falsches gesagt<br />
hatte.<br />
„Nun ja“, stammelte sie, „die Mädchen sind doch<br />
wirklich behindert, stimmt doch?“ Unsicher schaute<br />
sie Opa an.<br />
„Ja“, sagte Opa „anscheinend sind sie das. Aber was<br />
bedeutet das?“<br />
„Naja“, sagte Beatrice. “Eigentlich haben Einhörner
76<br />
Unsere Kinderseiten<br />
immer zwei Augen und zwei Ohren und sie können<br />
laufen. Und das Horn ist ein Zeichen, dass wir starke<br />
Wesen sind. Ist es so winzig wie bei diesem anderen<br />
Mädchen, bedeutet das, dass sie nicht stark<br />
ist.“<br />
„Ja, bedeutet das das wirklich? Konntest Du merken,<br />
dass sie schwach war? Oder meinst Du das<br />
nur, weil man solches Zeug erzählt? Und war das<br />
Mädchen, das nur ein Ohr und ein Auge hat, kein<br />
Einhorn-Mädchen?“<br />
„Doch, natürlich, nur …“ Sie überlegte. Natürlich<br />
war Barbara ein Einhorn-Mädchen, keine Frage,<br />
nur …<br />
„Und das Mädchen, wie hieß es nochmal, das nicht<br />
stehen kann. Ist es auch kein Einhorn-Mädchen,<br />
nur weil es liegen muss? Beatrice, denkst Du das<br />
wirklich?“<br />
„Ach Opa, das ist alles so kompliziert. Du kannst<br />
doch immer alles erklären, aber jetzt bist Du böse<br />
auf mich und das will ich nicht.“ Beatrice standen<br />
die Tränen in den Augen. Sie wollte doch nur von<br />
den aufregenden Neuigkeiten berichten und von<br />
dem schönen anderen Einhorn-Mädchen und jetzt<br />
sagte Opa, dass dieses dumm sei, und stellte alles<br />
so dar, als sei sie selbst auch eine Dumme.<br />
„Süße, pass mal auf und hör gut zu, was ich Dir jetzt<br />
sage.“<br />
Schmollend nickte Beatrice.<br />
„Der Körper ist der Körper. Du hast einen und<br />
Mama sagt manchmal, dass Du ein Pummelchen<br />
bist, aber ein schönes. Ich habe einen alten Körper,<br />
der Haare verliert und Haare an anderen Stellen<br />
wachsen lässt. Wir beide können an diesen Dingen<br />
nichts tun, denn der Körper ist, wie der Körper ist.<br />
Und jetzt hast Du Mädchen in Deiner Klasse, bei denen<br />
der Körper wieder ganz anders ist. Aber, und<br />
das ist das Wichtige, der Körper ist nur das Gerüst,<br />
das uns durch das Leben trägt. In ihm lebt ein Geist,<br />
eine Intelligenz, eine Seele. Du hast nur die Körper<br />
der Mädchen beschrieben – nur ein Auge und ein<br />
Ohr, kann nicht laufen, winziges Horn und buschiger<br />
Schwanz. Nur bei der Schönen hast Du etwas<br />
von ihrer Seele beschrieben – sie sagt, die anderen<br />
sind doof. Also scheint diese Seele wohl selbst etwas<br />
doof zu sein. Ich möchte, dass Du morgen und<br />
in den nächsten Tagen versuchst, etwas über die<br />
Seelen, den Geist und die Intelligenz der anderen<br />
Mädchen herauszufinden, und dann erzählst Du<br />
mir davon. Dann werden wir weitersehen. In Ordnung?“<br />
„Ja“ sagte Beatrice. Sie wusste zwar nicht ganz genau,<br />
was Opa eigentlich von ihr wollte, aber sie<br />
wollte versuchen, mehr über die Mädchen zu erfahren.<br />
„Na also, und jetzt lass mich weiterschlafen!“<br />
In den nächsten Wochen redete Beatrice sehr viel<br />
mit allen Mädchen und sie fand heraus, dass Barbara,<br />
obwohl mit nur einem Auge und einem Ohr<br />
beschenkt, ganz wunderbar lachen konnte und ein<br />
gutes Gespür für ein schönes Aussehen hatte. Sie<br />
ließ ihr Haar wachsen und es über die augenlose<br />
Seite fallen, so dass man eigentlich kaum noch sehen<br />
konnte, dass sie nur ein Auge hatte. Und sie<br />
setzte schönen Schmuck auf ihre Haare, so dass das<br />
fehlende Ohr gar nicht mehr auffiel.<br />
Selma fand, dass ihr Wagen ihr viele Vorteile bescherte;<br />
sie konnte sich ziehen lassen, bergrunter<br />
schneller als alle anderen runtersausen und manchmal<br />
die eine oder andere mitfahren lassen. Zudem<br />
schloss sie Freundschaft mit Samira, dem Mädchen<br />
mit dem winzigen Horn im Gesicht und dem buschigen<br />
Schwanz. Ihre Haare waren so, wie es im Süden<br />
der Erde üblich war, denn Samiras Eltern kamen aus<br />
einem ganz entfernten Land. Und obwohl sie nur<br />
so ein kleines Horn im Gesicht hatte, war sie doch<br />
ganz besonders stark und zog Selma überall hin,<br />
wohin diese wollte.<br />
Beatrice war sehr gerne mit allen zusammen; sie
Unsere Kinderseiten<br />
77<br />
alle hatten viel Spaß und langsam vergaß sie, dass<br />
Barbara nur ein Auge und ein Ohr hatte, dass Selma<br />
nicht laufen konnte und dass das Horn in Samiras<br />
Gesicht so klein war. Sie sah das alles nicht mehr,<br />
sie sah nur noch ihre Freundinnen. Nur zu Auguste,<br />
der Schönen, hatte sie immer weniger Kontakt,<br />
denn Auguste zeigte immer und überall, wie schön<br />
und groß sie war.<br />
Einmal hatte Beatrice versucht, Auguste das zu erklären,<br />
was ihr der Opa gesagt hatte, denn mittlerweile<br />
hatte sie verstanden, was er versucht hatte,<br />
ihr zu sagen. Sie hatte versucht, Auguste klarzumachen,<br />
dass sie auch nur einen Körper hatte, wie<br />
alle anderen auch. Nur eben einen, an dem man<br />
erst einmal nichts aussetzen konnte. Dass aber<br />
auch in ihrem Körper eine Seele und ein Geist säßen,<br />
die schön sein sollten. Und dass sie so redete,<br />
dass Beatrice nicht glauben konnte, dass ihre Seele<br />
schön sei. Aber Auguste hatte nicht hören wollen.<br />
Sie bildete sich weiterhin viel auf ihre Stärke und<br />
Schönheit ein. Das ging so lange, bis sich alle anderen<br />
Mädchen von ihr abgewandt hatten und nicht<br />
mehr mit ihr spielen und reden wollten. Da wurde<br />
sie traurig und sank in sich zusammen und tatsächlich<br />
hatte Beatrice das Gefühl, dass sie kleiner geworden<br />
war. Sie selbst aber war glücklich, mit Barbara,<br />
Selma und Samira lachen und sich gut fühlen<br />
zu können.
78<br />
Unsere Kinderseiten<br />
Ein Spiel für Euch<br />
von unserer stellvertretenden Kindernetzwerk-Vorsitzenden Susann Schrödel<br />
zum Ausprobieren – viel Spaß!
Unsere Glosse „zu guter Letzt“<br />
79<br />
Ansprache von Dr. Richard Haaser,<br />
als stellvertretendem Vorsitzenden am 16.September <strong>2023</strong> im<br />
Bildungszentrum Erkner beim Galaabend zum 30jährigen Jubiläum des <strong>knw</strong><br />
“Liebe Freunde und Aktive des Kindernetzwerks, liebe Gäste,<br />
da ich mir vorstellen kann, dass viele von Ihnen<br />
eher auf das bevorstehende Abendessen ausgerichtet<br />
sind, möchte ich die bis dahin verbleibende<br />
Zeit nutzen, Ihnen ein Anliegen ans Herz zu legen,<br />
nämlich die Frage, wie wir über die gerne von uns<br />
so genannten Kinder und Jungen Erwachsenen<br />
mit chronischen Erkrankungen und Behinderungen<br />
angemessen sprechen können, da mir diese<br />
Formulierung deren evtl. vorhandene Fähigkeiten<br />
zu wenig zum Ausdruck zu bringen scheint, wobei<br />
ich meine Überlegungen in einfacher Sprache formulieren<br />
und in nur einem Satz zusammenfassen<br />
werde, dem aber erst noch kurz vorausschicken<br />
möchte, dass mir der Satz „Sprache beeinflusst das<br />
Denken“ bekannt, aber durchaus auch frag-würdig<br />
ist, denn nicht unsere eigene Sprache beeinflusst<br />
unser Denken, da wir ja – zumindest manche von<br />
uns - schon vor dem Sprechen denken, dabei aber<br />
auch oft nicht bedenken, ob, wenn wir jemanden<br />
ansprechen, sie oder er unsere Gedanken ansprechend<br />
fände, also selten – außer bei Ansprachen<br />
wie dieser - mit Bedacht sprechen, wobei wir nicht<br />
jedes Mal Bedenken haben müssten, dass wir vielleicht<br />
missverstanden würden, somit beim Gegenüber<br />
nicht wirklich das ankäme, worüber wir uns<br />
Gedanken gemacht haben, da dann jeglicher Gedankenaustausch<br />
schwierig wäre, wobei ich den<br />
Austausch meiner Gedanken gegen die eines anderen<br />
von vorneherein sehr problematisch fände,<br />
zumindest, wenn es dabei zu einem kompletten<br />
Austausch käme oder wenn man dabei nicht mit<br />
ausreichender Sorgfalt vorginge, sodass während<br />
der Übertragung durch eine Störung, die man ja<br />
bei allen Transportvorgängen nicht vollständig ausschließen<br />
kann, auch wenn man dabei noch so routiniert<br />
und professionell handelt, was man ja doch<br />
von intelligenten Gesprächspartner:innen erwarten<br />
dürfte, es zu einem Verlust einiger Gedanken<br />
käme und ich mich daraufhin, schlimmstenfalls gedanken-los<br />
und in der Folge auch wort-los, an dem<br />
Gespräch nicht mehr sinn-voll beteiligen könnte,<br />
obwohl ein solches auch dann sinn-los wäre, wenn<br />
ich gehör-los oder – Gott behüte! - möglicherweise<br />
geist- oder hirn-los wäre oder wegen einer mentalen<br />
Beeinträchtigung meist hirnrissige Sätze von mir<br />
gäbe, wie es ja schon, und das seit Jahren, einige<br />
Politiker:innen und deren Anhänger:innen, die uns<br />
rechts überholen oder - besser gesagt - überrollen<br />
wollen, durchaus nicht gedankenlos, sondern sehr<br />
durchdacht und mit Bedacht tun, was mich dann<br />
immer wieder sprachlos macht, dahinwogegen ich<br />
statt eines Gedankenaustausches mir gut vorstellen<br />
könnte, meine Gedanken mit Ihnen zu teilen,<br />
wobei ich tatsächlich Bedenken hätte, ob, da möglicherweise<br />
die Leichtigkeit, mit der die eine Seite<br />
– also überwiegend ich - ihre Gedanken äußerte,<br />
die schwerwiegenden Bedenken der anderen –<br />
also Ihrerseits - nicht aufwöge und es so zu einem
80<br />
Unsere Glosse „zu guter Letzt“<br />
kognitiven Ungleichgewicht käme, was dann mir<br />
und sicher auch Ihnen schwer im Magen läge, weswegen<br />
ich jetzt zum eigentlichen Thema kommen<br />
und gemeinsam mit Ihnen eine positive Sprachregelung<br />
über „Die Betroffenen“ finden möchte, wobei<br />
auch dieser Ausdruck nicht gänzlich zutreffend<br />
ist, da, wenn ich eine betroffene Person träfe, mich<br />
deren Schicksal ebenfalls betroffen machte, während:<br />
„Menschen mit besonderen Bedürfnissen“<br />
mir auch nicht gerade als passende Bezeichnung<br />
für deren Ressourcen und Resilienz erscheint, denn<br />
diese haben auch Marathonläufer und andere Spitzensportler<br />
oder Künstler und andere Genies, wobei<br />
mir auch der oft benutzte Begriff: „Bedarfe“ als<br />
Freund der schönen Sprache ähnlich Bauchschmerzen<br />
macht wie „Wässer“ und „Sände“, „Milche“<br />
und „Mehle“, sodass - nach etlichen durch reifliches<br />
Überlegen durchwachten Nächten - ich mich<br />
als Vor- und Nachdenker durchgerungen habe zu<br />
dem Ausdruck: „Kinder und Junge Erwachsene mit<br />
7 B“, („mit besonderem Bedarf bei Beratung, Begleitung,<br />
Betreuung und Behandlung“), mit dem<br />
ich mich hoffentlich verständlich ausgedrückt habe,<br />
den ich Ihnen nun zum Nachdenken und Erörtern<br />
- wie eingangs schon gesagt - (Sie erinnern sich sicher)<br />
ans Herz legen möchte mit der Bitte, dass Sie<br />
sich alle einmal eigene Gedanken machen, wie sich<br />
Ihre persönliche Situation positiv beschreiben ließe,<br />
und mir Ihre Lösung an haaser@kindernetzwerk.de<br />
zu schicken, womit ich meinen Satz abschließe und<br />
Ihnen noch einen anregenden Abend wünsche in<br />
der Hoffnung, dass Sie mir aus dem etwas wirren<br />
roten Faden meiner Rede nicht einen Strick drehen<br />
und mich stattdessen auch bei der 40Jahr-Feier<br />
des <strong>knw</strong> wieder zu einem Vortrag einladen mögen.<br />
Vielen Dank.<br />
(aus Platzmangel um 2/3 gekürzt)
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