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<strong>knw</strong> <strong>journal</strong><br />

des Kindernetzwerk e.V.<br />

Dachverband der Selbsthilfe von Familien mit Kindern<br />

und jungen Erwachsenen mit chronischen Erkrankungen<br />

und Behinderungen<br />

Ausgabe 02 <strong>2023</strong>


Unser <strong>knw</strong>-<strong>journal</strong><br />

Liebe Leser:innen,<br />

Sie öffnen hiermit die fünfte Ausgabe und Jubiläumsausgabe unseres digitalen<br />

Journals. Diese ist etwas länger als sonst, zur Feier unseres 30. Jahrestages.<br />

Hinter uns liegen eine gut besuchte Pressekonferenz anlässlich der Verabschiedung<br />

unseres aktualisierten Berliner Appells, unser vielseitiges Symposium zum Thema<br />

Resilienz in Erkner sowie natürlich unsere Jubiläumsveranstaltung und die Mitgliederversammlung.<br />

Zu allem folgt weiter unten ein ausführlicher Bericht mit<br />

Eindrücken vom Tag.<br />

Wir freuen uns, dass aus den Reihen unserer Mitglieder viel Beteiligung beim<br />

Berliner Appell und auch bei der Erstellung des <strong>knw</strong> <strong>journal</strong> kam - danke, dass wir<br />

Sie und Euch an unserer Seite haben! Teilen Sie dieses Journal auch bitte weiter<br />

unter Ihren Mitgliedern und Freunden und senden Sie uns bitte auch weiter Ihre<br />

Themenvorschläge direkt an jackel@kindernetzwerk.de – lieben Dank!<br />

In diesem Journal finden Sie eine Reihe von Interviews mit Wegbegleiter:innen des<br />

Kindernetzwerk e.V. Natürlich waren es aber viel mehr Menschen, die das Kindernetzwerk<br />

e.V., kurz <strong>knw</strong>, auf seinem Weg geprägt und begleitet haben. Wir sind<br />

unseren Mitgliedern dankbar für die gemeinsame Zeit und alles, was nun noch<br />

folgt. Wir geben unser Bestes, um gut aufgestellt zu sein und mit unseren Angeboten<br />

möglichst vielen Betroffenen und ihren Angehörigen und Lieben bestmöglich<br />

Unterstützung zu leisten.<br />

Nun hoffen wir, dass Sie wieder eine Reihe von Artikeln finden, die Sie und Euch<br />

interessieren!<br />

Alles Liebe für Sie und Ihre Familien!<br />

Ihr <strong>knw</strong> <strong>journal</strong>-Redaktionsteam


Inhaltsverzeichnis<br />

3 Aus dem Kindernetzwerk<br />

44 Aus Politik & Gesellschaft<br />

66 Buchtipps<br />

68 Für unsere „Very Special Children“: Unsere Kinderseiten<br />

79 Unsere Glosse „zu guter Letzt“<br />

81 Impressum


Aus dem Kindernetzwerk


4<br />

Aus dem Kindernetzwerk<br />

Wir sind 30 Jahre alt!<br />

Rückblick unserer Jubiläumsveranstaltung<br />

mit Symposium zum Thema Resilienz<br />

vom 15.-17.09.<strong>2023</strong><br />

Das Kindernetzwerk ist als Dachverband der Selbsthilfe<br />

von und für Familien mit Kindern und Jugendlichen<br />

mit chronischen Erkrankungen und Behinderungen<br />

schon lange bekannt: Seit drei Jahrzehnten<br />

hilft und verbindet das <strong>knw</strong> betroffene Familien mit<br />

krankheitsübergreifenden Unterstützungsangeboten.<br />

Auf der Jahrestagung wurde darüber hinaus<br />

deutlich, dass es auch ein Netzwerk der aktiven<br />

Selbsthilfe ist, das Austausch und Stärkung ermöglichen<br />

möchte.<br />

Beginn der Tagung mit der Pressekonferenz zum „Berliner Appell“<br />

Die Liste der Versorgungsprobleme für betroffene<br />

Familien ist lang. Dazu kommt, dass die Inklusion<br />

in Schule, Ausbildung, Universität und auf dem<br />

Arbeitsmarkt bisher nicht ausreichend gelingt.<br />

Deswegen hat das Kindernetzwerk zusammen mit<br />

seinen betroffenen Mitgliedern die dringendsten<br />

Forderungen für die aktuelle Gesundheits-, Sozialund<br />

Familienpolitik formuliert. Diesen „Berliner<br />

Appell“ haben wir auf einer Pressekonferenz am<br />

15.09.<strong>2023</strong> in Berlin (Haus der Bundespressekonferenz)<br />

im Rahmen unserer 30jährigen Jubiläumstagung<br />

vorgestellt.


Aus dem Kindernetzwerk<br />

5<br />

Berliner Appell: Der politische Forderungskatalog des Kindernetzwerks<br />

Die medizinische Versorgung gerade bei Kindern<br />

mit chronischen, seltenen Erkrankungen und Behinderungen<br />

ist immer mehr der Ökonomisierung<br />

unterworfen. Neben fehlendem Geld und Personal<br />

sind auch strukturelle Probleme dafür verantwortlich,<br />

dass die medizinische Versorgungslage in den<br />

verschiedenen Bereichen immer schlechter wird.<br />

Mittlerweile ist es keine Seltenheit, dass Kinder und<br />

Jugendliche zum Abklären ihrer Symptome lange<br />

Wartezeiten in Kauf nehmen müssen. Insbesondere<br />

die fachmedizinische Diagnostik und Begleitung<br />

verzögert sich durch den Mangel an qualifiziertem<br />

Personal. In der Folge kann es zu irreversiblen Gesundheitsstörungen<br />

kommen.<br />

Auch im Bereich der Kinderarzneimittel gibt es Probleme<br />

und Versorgungsengpässe. Häufig werden<br />

Medikamente verabreicht, die für Kinder offiziell<br />

nicht zugelassen und/oder schwer zu beziehen<br />

sind.<br />

Die medizinische Versorgung junger Erwachsener,<br />

für die deren Pädiater:innen nicht mehr zuständig<br />

sein können, weil ihre Patient:innen zu alt geworden<br />

sind, stellt eine weitere spezielle Herausforderung<br />

dar (Transition als Herausforderung).<br />

Kinder und Jugendliche mit chronischen Erkrankungen<br />

und Behinderungen sehen sich zudem auf allen<br />

Ebenen des gesellschaftlichen Lebens vor Herausforderungen<br />

gestellt, für die mehr Unterstützung<br />

wichtig wäre: Schule, Freundschaft, Sexualität, Berufswahl,<br />

Wohnen. Hier warten besondere Herausforderungen,<br />

bei denen mehr Unterstützung wichtig<br />

wäre.<br />

Deshalb hat das Kindernetzwerk die wichtigsten<br />

Forderungen an Politik und Öffentlichkeit zusammengetragen:<br />

Konstruktive Lösungsvorschläge, mit<br />

denen die politischen Entscheidungsträger:innen die<br />

rechtliche und soziale Situation verbessern sollen.<br />

Unsere aktuellen politischen Forderungen wurden<br />

auf der Pressekonferenz von betroffenen Eltern,<br />

selbst betroffenen jungen Erwachsenen und von<br />

den Vorsitzenden des Kindernetzwerks erläutert.<br />

Sie finden den Appell in ganzer Länge weiter unten<br />

im Politikteil abgedruckt.<br />

Die politische Seite beleuchtete Nina Stahr, bildungspolitische<br />

Sprecherin der Grünen im Bundestag<br />

und Mitglied im Familien-Ausschuss und<br />

(stellv.) in der Kinderkommission.<br />

Hier finden Sie die Personenvorstellungen als pdf...<br />

Alle Fotos und Informationen rund um die Pressekonferenz<br />

finden Sie hier:<br />

https://www.kindernetzwerk.de/de/agenda/Poli<br />

tikportal/<strong>2023</strong>/Unser-politischer-Forderungskata<br />

log.php<br />

Die Pressekonferenz war gut besucht und u.a. das<br />

Deutsche Ärzteblatt hat über die Veranstaltung<br />

berichtet, siehe hier:<br />

https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/1460<strong>03</strong>/<br />

Selbsthilfe-chronisch-kranker-Kinder-beklagt-lan<br />

ge-Wartezeiten-und-fehlende-Arzneimittel<br />

Hier finden Sie den Berliner Appell...<br />

Hier finden Sie den Berliner Appell in leichter<br />

Sprache...


6<br />

Aus dem Kindernetzwerk<br />

Unser Jubiläum<br />

Das Kindernetzwerk<br />

– seit 30 Jahren ein Netzwerk der Selbsthilfe<br />

Wir konnten 30 Jahre Kindernetzwerk e.V. mit Ihnen<br />

und Euch gebührend in Berlin und Erkner feiern.<br />

Seit nunmehr drei Jahrzehnten setzt sich das<br />

Kindernetzwerk als Dachverband der Selbsthilfe<br />

von Familien mit betroffenen Kindern oder jungen<br />

Erwachsenen für Ihre und Eure Belange ein.<br />

Vom 15.-17.09.<strong>2023</strong> hatten wir in Berlin und Erkner<br />

mit Hilfe unseres Vorstandes und unseres tollen<br />

Teams sowie natürlich mit Unterstützung unserer<br />

Mitglieder und Förderung durch den AOK Bundesverband<br />

ein interessantes, interaktives Angebot<br />

rund um das Thema Resilienzstärkung vorbereitet.<br />

Geboten waren ein wissenschaftliches Symposium<br />

und Workshops für die Teilnehmenden selbst sowie<br />

schöne Angebote für die begleitenden Kinder und<br />

Jugendlichen. Zwei Abende konnten wir im geselligen<br />

Austausch zu 30 Jahre <strong>knw</strong> verbringen.<br />

Hier können Sie unser gesamtes Programm noch<br />

einmal im Überblick sehen:<br />

https://www.kindernetzwerk.de/de/aktiv/<br />

Termine/2022/30.-Jubilaeum:-Jahrestagung-Kindernetzwerk-Save-the-date.php<br />

https://www.kindernetzwerk.de/de/agenda/<br />

News/<strong>2023</strong>/30-Jahre-Kindernetzwerk.php<br />

Symposium zum Thema Resilienz und Festabend am 16.09.<strong>2023</strong><br />

Am Samstag, den 16. September <strong>2023</strong>, führten wir<br />

das Symposium zum Thema „Resilienz stärken“<br />

durch. In seinem Festvortrag ging Prof. Dr. med.<br />

Dr. h.c. Hubertus von Voß, Ehrenvorsitzender des<br />

Kindernetzwerks und nun Träger der <strong>knw</strong>-Ehrenmedaille,<br />

auf die Aufgabe der Pädiater:innen ein,<br />

beweglich und kreativ in den Diagnosen zu sein,<br />

weiterzuforschen, auch unkonventionelle Wege zu<br />

gehen, um zu einer Diagnose einer seltenen Erkrankung<br />

bei Kindern zu kommen.<br />

Dr. Isabella Helmreich erläuterte das Thema des<br />

Symposiums „Gemeinsam Krisen bewältigen – Resilienz-Stärkung<br />

im Familiensetting“ wissenschaftlich.<br />

Dabei ging sie vor allem auf das noch junge<br />

Feld „Familien-Resilienz“ ein.


Aus dem Kindernetzwerk<br />

7<br />

Danach gab es ein Panel mit sehr emotionalen und<br />

Mutmachenden Berichten aus erster Hand von<br />

Betroffenen:<br />

Die Inkluencerin Natalie Dedreux lebt mit Down-<br />

Syndrom und hat ein Buch geschrieben, dass wir in<br />

dieser Ausgabe unter unserer Rubrik „Buchtipps“<br />

vorstellen. Sie setzt sich für mehr Sichtbarkeit von<br />

Menschen mit Behinderung und deren Rechte<br />

ein. Das Down-Syndrom dürfe nicht ausradiert<br />

werden.<br />

Die Speakerin Sabrina Lorenz beeindruckte durch<br />

ihre sehr emotionalen Einblicke in ihren Alltag als<br />

Schwerkranke. Mit ihrer mutigen Offenheit zeigte<br />

sie Resilienz in vielen Bereichen ihres schwierigen<br />

Alltags und machte so den Anwesenden viel Mut.<br />

Auf ihrem Blog Fragments of Living leistet sie Aufklärungsarbeit,<br />

schreibt über Disability-Empowerment<br />

und erreicht so tagtäglich über 23.000<br />

Personen.<br />

Viele Eltern von kranken bzw. nichterkrankten Geschwisterkindern<br />

im Plenum konnten sich in dem<br />

Bericht von Naomi Miller wiederfinden: Sie ist erwachsene<br />

Schwester eines behinderten Bruders<br />

und erzählte von ihren Problemen, diese Situation<br />

gut zu meistern, dankte aber auch den Eltern für<br />

ihre unermüdliche Kraft. Naomi Miller hat BLICK |<br />

PUNKT | GESCHWISTER mitbegründet, eine Initiative<br />

von vier Frauen, die sich für erwachsene Geschwister<br />

von Menschen mit Behinderung engagieren.


8<br />

Aus dem Kindernetzwerk<br />

Als Mutter eines behinderten Jungen und eines<br />

nicht-beeinträchtigten Mädchens sprach Nicole<br />

Wrede vor allem die Schwierigkeiten und Belastungen<br />

an, die die Partnerschaft betreffen, und forderte<br />

eine gleichberechtigte Aufteilung in der Pflegearbeit,<br />

auch wenn dies immer wieder zu sehr viel<br />

Streit führe. Mit ihrem Instagram-Profil @hibbel<br />

mors_inklusive gibt sie Einblicke in das Leben als<br />

pflegende Mutter und engagiert sich auf diesem<br />

Wege für mehr Inklusion.<br />

Dem konnte Heiner Fischer nur beipflichten. Sichtlich<br />

gerührt teilte er die Ansicht, dass der geteilte<br />

Versorgungsalltag zu viel Streit und Krisen führen<br />

könne, aber enorm wichtig für eine gesunde Familienaufstellung<br />

sei. Um anderen Vätern zu helfen,<br />

hat er die „Plattform für Aktive Vaterschaft und<br />

Neue Vereinbarkeit“ entwickelt.<br />

Das Kindernetzwerk wurde dadurch zu einem Ort,<br />

an dem alle unter Gleichgesinnten sind, an dem<br />

man loslassen kann, sich verstanden fühlt.<br />

Ein besseres Geburtstagsgeschenk zum 30. Jubiläum<br />

hätte sich das Kindernetzwerk kaum wünschen<br />

können: Das <strong>knw</strong> als Plattform, auf der nicht nur<br />

der Selbsthilfe geholfen wird, sondern auf der auch<br />

Selbsthilfe stattfindet.<br />

Angebote zur Selbstwahrnehmung, aktivierenden<br />

Entlastung - Erkennen von Belastungssituationen<br />

und Resilienzschwächen<br />

Mit einem breiten Programm versuchten wir jeweils<br />

morgens und nachmittags, Resilienz stärkende<br />

Techniken zu vermitteln und Angebote zur aktivierenden<br />

Entlastung zu machen.<br />

Hier können Sie sich zu den einzelnen Angeboten<br />

informieren, auf unserer Homepage werden wir<br />

dazu außerdem noch ein „Infopaket“ zusammenstellen<br />

und hierzu auch bald in den sozialen Medien<br />

und Kanälen des <strong>knw</strong> berichten – wie natürlich<br />

im nächsten <strong>knw</strong> <strong>journal</strong>.<br />

Zum Sketchnoting gab die stellv. <strong>knw</strong>-Vorsitzende<br />

Susann Schrödel Workshops. Hier können Sie sich<br />

über Ihre Techniken informieren:<br />

Link zu social media<br />

Viele nickende Köpfe, weinende Augen, tiefe Berührtheit<br />

und Verbundenheit machten sich breit,<br />

als die Podiumsteilnehmer:innen aus ihrem Alltag<br />

berichteten. Für die „Zuschauer:innen“ war<br />

es ergreifend dabei zu sein, wie die Betroffenen<br />

krankheitsübergreifend eine ganz eigene gemeinsame<br />

Dynamik entwickelten und ihr Herz ausschütteten.<br />

Und auch wenn viele der Anwesenden<br />

selbst betroffen waren und die Probleme kannten:<br />

Man spürte, wie Jeder die Bestätigung brauchte:<br />

„Du bist nicht allein.“<br />

Einen Impro Theater-Workshop gab Deniz Döhler:<br />

Link zu social media<br />

Zu „Positiver Kommunikation“ gab Klaus Vogelsänger<br />

einen Input: Link zu social media<br />

Als Morgenangebote gab es Lachyoga mit Heidi<br />

Janetzky, TaiChi und Qigong mit Mirko Lorenz<br />

(Keep Moving) und Gehmeditation mit Isabell<br />

Braun (WILD AND SILENT).


Aus dem Kindernetzwerk<br />

9<br />

Zu unserem Festabend schließlich konnten wir die<br />

wundervolle Musik von Manou-Musik genießen.<br />

Hier wurden von der Kindernetzwerk-Vorsitzenden<br />

und Moderatorin des Abends Dr. Annette Mund die<br />

Ehrungen mit der Ehrennadel des Kindernetzwerks<br />

durchgeführt.<br />

Wir danken den Trägern der <strong>knw</strong>-Ehrennadel:<br />

dem Ehrenvorsitzenden und Gründer des Kindernetzwerk<br />

e.V. Prof. Dr.med. Dr. h.c. Hubertus von<br />

Voß, auch für seinen ergreifenden Festvortrag am<br />

Vormittag.<br />

Danke auch an Raimund Schmid, den früheren<br />

Kindernetzwerk-Geschäftsführer, der dieses über<br />

Jahrzehnte auf die Spur gebracht hat. Herr Schmid<br />

hielt einen wunderbaren Rückblick auf dem Festsymposium,<br />

welchen Sie weiter unten auch noch in<br />

dieser Ausgabe finden.<br />

Danken konnten wir auch dem langjährigen<br />

Vorsitzenden des ärztlichen Beraterkreises Herrn<br />

Dr. Jürgen Seeger (siehe Foto). Auch er erhielt die<br />

<strong>knw</strong>-Ehrennadel sowie eine Urkunde, ebenso wie<br />

die anderen Mitglieder des Beraterkreises (die wie<br />

auch Prof. von Voss abends nicht anwesend sein<br />

konnten, die Ehrennadeln aber erhalten werden).<br />

Wir konnten viele neue Impulse, wertvolle Eindrücke<br />

und berührende Momente aus diesem<br />

Wochenende mitnehmen und hoffen, dass es auch<br />

für alle anderen eine unvergessliche Veranstaltung<br />

war.<br />

Danke allen, die dabei waren, und Ihnen allen<br />

Danke für Ihre Treue!<br />

Pressekonferenz und Jubiläumssymposium wurden<br />

gefördert durch


<strong>10</strong><br />

Aus dem Kindernetzwerk<br />

30 Jahre Kindernetzwerk<br />

– ein Rückblick auf<br />

ereignisreiche und bewegende<br />

3 Jahrzehnte<br />

Von Raimund Schmid<br />

Eltern, die Anfang der Neunziger Jahre nach einer<br />

Geburt oder durch eine Neuerkrankung ihres Kindes<br />

mit einer chronischen Erkrankung oder anderweitigen<br />

lebensbeeinträchtigten Erkrankung konfrontiert<br />

wurden, waren weitgehend auf sich allein<br />

gestellt. Es gab für sie über die ärztliche Betreuung<br />

hinaus so gut wie keine weiterführende Unterstützung<br />

oder brauchbare Informationen über die jeweiligen<br />

Erkrankungen. Ratsuchende Angehörige<br />

konnten allenfalls auf – für Eltern nicht geeignete –<br />

wissenschaftliche Nachschlagewerke (Olbricht/Laiber)<br />

oder fremdsprachige Elterninformationen aus<br />

England (contact a family) oder den USA (NORD)<br />

zurückgreifen. Es gab jedoch<br />

1992/1993-1997<br />

Höchste Zeit also, dass ein Kindernetzwerk gegründet<br />

wurde. Das war dann schließlich am 15. Dezember<br />

1992 in Frankfurt der Fall, so dass die neue<br />

Organisation direkt Anfang 1993 mit ihrer Arbeit<br />

beginnen konnte.<br />

• kein Internet<br />

• keine Datenbanken<br />

• keine Austauschforen<br />

• keine elterngerechte Informationen<br />

• keine spezialisierten Zentren für<br />

Seltene Erkrankungen<br />

• wenige spezialisierte Ärzt:innen<br />

• kaum diagnostische Zentren für Kinder<br />

und es gab vor allem<br />

• kein Kindernetzwerk!<br />

Maßgeblich initiiert wurde die Gründung von ärztlicher/wissenschaftlicher<br />

Seite von Prof. Dr. Dr. h.c.<br />

Hubertus von Voss aus München, vom gesundheitspolitischen<br />

Fach<strong>journal</strong>isten Raimund Schmid<br />

und von Gerd Thomas, der über die Fresenius-<br />

Stiftung die Anschubfinanzierung sicherstellte. Für<br />

diese drei Köpfe standen dann zusammen mit den<br />

anderen dreißig Gründungsmitgliedern im Wesentlichen<br />

diese drei Ziele im Fokus:<br />

Ziel Nr.1: Eine Datenbank für chronische und seltene<br />

Erkrankungen, damit neu betroffene Eltern – im<br />

Vor-Internet-Zeitalter – rasch zu Infos und Adressen<br />

kommen


Aus dem Kindernetzwerk<br />

11<br />

Ziel Nr. 2: Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen<br />

Ärzt:innen und nichtärztlichen Fachkräften<br />

mit ihrem erlernten Wissen und Eltern/der Eltern-<br />

Selbsthilfe mit ihrer erlebten Kompetenz<br />

Ziel Nr.3: Neue und bisher kaum beachtete Themen<br />

aus dem Schatten herausführen und medial<br />

wie politisch publik machen<br />

Der erste Vorstand (zwei Pädiater, ein Kinder-Psychologe,<br />

ein Kinder- und Jugendpsychiater und zwei<br />

Eltern-Selbsthilfe-Vertreterinnen) musste sich aber<br />

zusammen mit weiteren Unterstützern gegen heftige<br />

Widerstände wehren. Denn von ärztlicher Seite<br />

wurde die Gefahr gesehen, dass das Kindernetzwerk<br />

als ideologisiert aufgeladener bundesweiter<br />

Eltern-Selbsthilfeverband gegen die Pädiater:innen<br />

und deren Verbände agieren könnte. Eine Befürchtung,<br />

die sich später als genauso haltlos herausstellte<br />

wie der Vorwurf von Finanzierungsträgern<br />

wie den Krankenkassen, dass das Kindernetzwerk<br />

zu stark von Medizinern und der Industrie als den<br />

ersten Förderern abhängig wäre. Doch auch aus der<br />

Selbsthilfe selbst kamen Vorbehalte, insbesondere<br />

von den bereits bestehenden Dachverbänden, die<br />

zunächst glaubten, dass eine spezielle übergeordnete<br />

Plattform für chronisch kranke und andere gesundheitlich<br />

stark beeinträchtigte Kinder gar nicht<br />

erforderlich sei. Und auch das war ein Trugschluss,<br />

wie sich schon recht bald herausstellen sollte.<br />

Es war also eine durchaus komplexe Ausgangssituation,<br />

als das Kindernetzwerk seinen langen Weg<br />

Anfang 1993 begann. Los ging alles mit dem Bezug<br />

der ersten Geschäftsstelle mit drei Räumen in der<br />

Hanauerstr. 15 in Aschaffenburg. Die Schwerpunkte<br />

in den ersten fünf Jahren waren unter anderen:<br />

• Auf- und Ausbau der Datenbank: zunächst mit<br />

450 Krankheiten mit schnell steigender Tendenz.<br />

• Beantwortung von Anfragen von Seiten betroffener<br />

Eltern. Allein bis 1995 gingen bereits <strong>10</strong>.000<br />

Anfragen ein.<br />

• Öffentlichkeitsarbeit, Interviews, Medienberichte<br />

• Erste größere Veranstaltungen, etwa zu Seltenen<br />

Erkrankungen, bereits 8 Jahre vor Gründung der<br />

ACHSE<br />

1998-2002<br />

Bereits nach fünf Jahren konnte das Kindernetzwerk<br />

eine bemerkenswerte Bilanz vorlegen. Dabei<br />

stand zunächst der Servicecharakter im Vordergrund,<br />

was die bis 1998 eingegangen 25.000 Anfragen<br />

belegen.<br />

Doch auch politisch konnte das Kindernetzwerk ab<br />

1998 erste markante Akzente setzen. So fand die<br />

5-Jahres-Jubiläumsfeier unter dem Titel „Wer kennt<br />

schon unsere Sorgen und Nöte?“ mit dem damaligen<br />

Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer<br />

(CSU) in Bonn statt. Der Minister positionierte sich<br />

dabei klipp und klar und legte ein eindeutiges Bekenntnis<br />

zum Kindernetzwerk ab: „Das Kindernetzwerk<br />

hat seit seiner Gründung vor fünf Jahren wahre<br />

Pionierarbeit geleistet. Es bietet den betroffenen<br />

Eltern Hilfe zur Selbsthilfe. … Sie wollen selbst anpacken<br />

und das Schicksal ihrer Kinder erleichtern. Sie<br />

müssen nur wissen, wie das geht und wo sie Hilfe<br />

bekommen, die sie brauchen, um ihren Kindern zu<br />

helfen. Ich sehe hier auch eine politische Ausgabe!“<br />

Wer dieses politische Mandat am besten ausfüllen<br />

konnte, darauf hatte der Kindernetzwerk-Vorsitzende<br />

Prof. Hubertus von Voß sogleich diese prompte<br />

Antwort parat: „Unser Gesundheitssystem muss<br />

mehr denn je diejenigen unterstützen, die für


12<br />

Aus dem Kindernetzwerk<br />

Kinder mit besonderem Bedarf wie Eltern-Selbsthilfegruppen<br />

etwas tun. Ohne sie wäre der hohe<br />

Standard der Kinderversorgung nicht mehr möglich.“<br />

Dort konnte dann auch eine eindrucksvolle <strong>10</strong>-Jahres-Bilanz<br />

vorgelegt werden: 80.000 Anfragen/Aussendungen<br />

in <strong>10</strong> Jahren, 2.000 Schlagworte, 130<br />

Mitgliedsorganisationen.<br />

Bis 2002 standen dann folgende Aktivitäten im<br />

Fokus:<br />

• Herausgabe von drei bundesweiten Wegweisern<br />

in Form von Büchern unter dem Titel „Wer hilft<br />

weiter?“ für Eltern und Ärzt:innen. Herausragend<br />

dabei der Band 1 „Eltern-Selbsthilfegruppen,“ der<br />

bis 2004 in drei weiteren Auflagen mit zuletzt 1.044<br />

Seiten und 5.000 Adressen erschien.<br />

• Immer neue Charity-Aktionen wie die mit der<br />

spektakulär nachgebauten <strong>knw</strong>-Spenden-Box des<br />

SAS-Radisson-Hotels in Frankfurt.<br />

• Seit November 1999 (bis Dezember 2019) 65<br />

Ausgaben von Kinder Spezial, einer Zeitschrift mit<br />

Themen über Kinder mit besonderen Bedürfnissen,<br />

die sonst in der Medienlandschaft untergehen.<br />

Hohe Auflage (20.000) und weite Verbreitung etwa<br />

auch bei den Pädiater:innen durch die feste Einbindung<br />

in die „Kinderärztliche Praxis“.<br />

• Gründung einer CP-Initiative mit dem Ergebnis<br />

einer <strong>knw</strong> Materialiensammlung (130 Seiten) über<br />

Therapieverfahren im Kindes- und Jugendalter.<br />

2002 dann das <strong>10</strong>jährige Jubiläum in Berlin (Schirmherrin<br />

Christina Rau) mit der Verabschiedung des<br />

1. Berliner Appells und der Entscheidung, künftig in<br />

der Hauptstadt Berlin-Beauftragte für das Kindernetzwerk<br />

zu ernennen. Dabei wurde die Gründung<br />

von sechs bundesweiten Arbeitskreisen (“Seltene<br />

Erkrankungen”, “Kooperation Fachleute-Betroffene“,<br />

“Psychosoziale Nachsorge”, “Junge Erwachsene”,<br />

“Pflege und psychosoziale Versorgung” und<br />

“Bündnis für Kinder”) beschlossen.<br />

Ab 20<strong>03</strong> (bis 2009/20<strong>10</strong>) initiierte das Kindernetzwerk<br />

große Messestände bei der Rehacare<br />

in Düsseldorf, der Rehab in Karlsruhe oder auch<br />

bei bundesweiten Kinderärzt:innen-Kongressen.<br />

Dies erfolgte durch die Planung und die Organisation<br />

von Gemeinschaftsständen für gut 20 Eltern-<br />

Selbsthilfeorganisationen. Ziel des <strong>knw</strong> dabei war,<br />

ein breites Netzwerk zu spannen und die speziellen<br />

Kinderbedürfnisse auf der großen Messebühne in<br />

den Fokus zu rücken. Enger Kooperationspartner<br />

war dabei rehakind.<br />

Ab Anfang der 2000er Jahre bot das Kindernetzwerk<br />

Krankheitsübersichten an, die über einen<br />

Zeitraum von gut 20 Jahren unter Federführung<br />

von Katharina Maidhof-Schmid weite Verbreitung<br />

fanden. Die Ziele dabei waren:<br />

• Beschreibungen von Krankheiten aktuell, kompakt<br />

sowie verständlich aufzubereiten, was über<br />

den zehn Mitglieder starken Pädiatrischen Beraterkreis<br />

vorwiegend durch Prof. Gerhard Neuhäuser<br />

aus Gießen und Dr. Hans-Joachim Landzettel aus<br />

Darmstadt erfolgte.


Aus dem Kindernetzwerk<br />

13<br />

• Beschreibungen mit einer einheitlichen Struktur<br />

zu versehen: Kurzbeschreibung, Symptome,<br />

Formen, Diagnostik, Ursachen, Häufigkeiten, Verwandte<br />

Krankheiten, Therapien, Prognose, Beratung<br />

der Familien<br />

Ab 2007 dann ein neues Angebot des Kindernetzwerks:<br />

Die Wochenend-Auszeiten „Mütter im Mittelpunkt“,<br />

von Beginn an maßgeblich von Birgit<br />

Fuchs initiiert, organsiert und umgesetzt: Erholungs-Wochenenden<br />

für erschöpfte Mütter, die jahre-<br />

oder jahrzehntelang ohne eine einzige Auszeit/<br />

Urlaub Kinder und Jugendliche mit schwerwiegenden<br />

Krankheiten betreuen, mit ganz individuellen<br />

Angeboten: von intensiven Gesprächen und Beratungen<br />

bis hin zu völliger Ruhe und Entspannung.<br />

• die individuelle medizinisch/medikamentöse<br />

Situation der Kinder<br />

• neue therapeutische Potenziale (u.a. Ergo-/<br />

Physiotherapie)<br />

• früh- und sozialpädagogische Maßnahmen<br />

• Situation/Überforderung der Eltern<br />

• Unterstützungsmöglichkeiten durch die<br />

Selbsthilfe<br />

2008-2012<br />

Ab dem Jahr 2008 (bis 2011) fanden die legendären<br />

<strong>knw</strong> Familienseminare statt. Legendär deshalb,<br />

weil sie höchst aufwändig, aber auch höchst effektiv<br />

waren. Zielgruppe dieses gänzlich neuen <strong>knw</strong><br />

Angebots waren Familien, die in jüngster Zeit (nicht<br />

länger als vor 18 Monaten) eine schwerwiegende<br />

Diagnose für ihr Kind erhalten haben. An den<br />

insgesamt fünf Seminaren konnten jeweils zwölf<br />

Familien und 60 Personen pro Familienseminar<br />

teilnehmen. Dies waren betroffene Kinder, Geschwisterkinder,<br />

Fachleute mit erlernter und erlebter<br />

Kompetenz, vereinzelt auch Großeltern und<br />

Erzieherinnen für die Kinderbetreuung. Initiator<br />

hierfür war der <strong>knw</strong> AK 2 „Pflege und psychosoziale<br />

Versorgung,“ Kooperationspartner und Förderer<br />

waren der AOK-Bundesverband sowie die AOK-Baden-Württemberg.<br />

Die Veranstaltungen bestanden aus sechs eineinhalbstündigen<br />

Blöcken verteilt über Tage mit diesen<br />

Schwerpunkten:<br />

Ab 20<strong>10</strong> wurde auch die politische Arbeit weiter<br />

forciert. Zum einen über die Gesundheitspolitik in<br />

Berlin quer über alle Parteien und insbesondere<br />

über die Mitglieder in der Kinderkommission. Zentrale<br />

Ansprechpartnerin war acht Jahre lang Marlene<br />

Rupprecht von der SPD. Zum anderen über<br />

den AK „Junge Erwachsene,“ deren Sprecher:innen<br />

zunehmend in politische (Hintergrund)-Gespräche<br />

mit einbezogen wurden. Und schließlich auch über<br />

die anderen AK, etwa zum Thema Pflege und Pflegebegutachtung<br />

bei Kindern.<br />

Ab 20<strong>10</strong> bezog das Kindernetzwerk dann in der Hanauer<br />

Str. 8 in Aschaffenburg seine neue Geschäftsstelle,<br />

von der in den Folgejahren vielfältige Aktivitäten<br />

ausgingen. Zum Beispiel:


14<br />

Aus dem Kindernetzwerk<br />

Neue Angebote:<br />

• Humangenetisches Glossar (Katharina<br />

Maidhof-Schmid)<br />

• Neue Internet-Präsenz mit Kindernetzwerk-<br />

Lotse (Ursula Stein, Birgit Fuchs)<br />

• Gerichtsurteile-Datenbank (Martin Wortmann)<br />

Neue Themen für Eltern-Selbsthilfegruppen:<br />

• Öffentlichkeitsarbeit ist mehr als Pressearbeit,<br />

Lobbyarbeit (Dr. Winfried Kösters)<br />

Neue Veröffentlichungen:<br />

• ADHS – Ergänzungen zur medikamentösen<br />

Therapie<br />

• Neue Morbiditäten im Kindes- und Jugendalter<br />

• Unsere Mitgliedsvereine<br />

Ein neuer Kindernetzwerk-Preis „Gute Kooperationen“,<br />

der im Folgenden jährlich an Elterninitiativen<br />

vergeben wurde, die vorbildhaft mit Kooperationspartnern<br />

zusammenarbeiteten<br />

2012 dann die Jubiläumsveranstaltung „20 Jahre<br />

Kindernetzwerk“ in der Charité in Berlin mit dem<br />

2. Berliner Appell: Themen u.a. Pflege, Transition,<br />

Teilhabe und Inklusion, Professionalisierung der<br />

Selbsthilfe, Lotsen für Familien mit hohem Versorgungsbedarf,<br />

Neue Reha-Förderkonzepte. In <strong>10</strong><br />

Punkten wird begründet, warum die erlebte Kompetenz<br />

von Eltern als ein integraler Bestandteil der<br />

Gesundheitspolitik gestärkt werden muss.<br />

ein reich bebildertes Buch (Chronik) zu 20 Jahren<br />

<strong>knw</strong>. Verabschiedung auch von Erika Davies-Klemm,<br />

die von 2000 bis 2012 die erste stellvertretende<br />

Bundesvorsitzende des Kindernetzwerks war. Ihr<br />

besonderes Präsent: Sammlung von 20 Fallbeispielen<br />

aus 20 Jahren <strong>knw</strong>-Arbeit.<br />

2013-2017<br />

2013 gab es eine Zäsur im Beraterkreis: Altgediente<br />

und hochverdiente Berater wie Dr. Renate Köberich,<br />

Prof. Ulrich Wemmer und Dr. Hans-Joachim<br />

Landzettel machten Platz für neue Experten - Prof.<br />

Hans-Michael Straßburg, Prof. Andreas Warnke und<br />

Prof. Klaus-Peter Zimmer. Dr. Jürgen Seeger wurde<br />

Beraterkreis-Sprecher.<br />

Bis 2015 fanden immer wieder gut besuchte Veranstaltungen,<br />

Jahrestagungen und Workshops (z.B.<br />

“Train the Trainer”) statt. Es gab neue Publikationen<br />

(“Wahrnehmungsstörungen bei Kindern und<br />

Jugendlichen”, Doku „20 Jahre <strong>knw</strong>: Eine Zukunft<br />

für vergessene Kinder“), die 50. Jubiläumsausgabe<br />

von Kinder Spezial. Dem Ehrenvorsitzenden Prof.<br />

Hubertus von Voss wurde das Bundesverdienstkreuz<br />

verliehen. Erneut stark im Fokus: “Mütter im<br />

Mittelpunkt” und – erstmals - Väter-Auszeiten mit<br />

Rene Fugger und Vätern aus der <strong>knw</strong> Familie.<br />

Und Ende 2012 dann die Verabschiedung von Prof.<br />

von Voß als Vorsitzender im Rahmen der MV 2012<br />

in Mainz und Staffelübergabe an Prof. Knut Brockmann<br />

aus Göttingen. Dabei Ernennung von von<br />

Voß zum Ehrenvorsitzenden. Geschenk hierfür:


Aus dem Kindernetzwerk<br />

15<br />

Starke Beachtung seitens der Politik und der Krankenkassen<br />

fand die große bundesweite <strong>knw</strong> Umfrage<br />

mit 1.570 Eltern zur „Lebens- und Versorgungssituation<br />

von Familien mit chronisch kranken und<br />

behinderten Kindern in Deutschland“. Kooperationspartner<br />

dabei waren der AOK-Bundesverband<br />

und Wissenschaftler:innen der Uni Hamburg.<br />

Zentrales Ergebnis beim Thema Beratung und Information<br />

(“Wer hat am meisten geholfen?”): das<br />

Kindernetzwerk und Selbsthilfegruppen an 1. Stelle<br />

vor den Klinikärzt:innen. 72 Prozent der Befragten<br />

waren mit Infos sehr oder zumindest teils zufrieden.<br />

Alle Ergebnisse sind als <strong>knw</strong>/AOK-Publikation<br />

„Familie im Fokus“ erschienen.<br />

2016-2017 wurden neue Meilensteine gesetzt<br />

– Seit April 2016 – neue <strong>knw</strong> Koordinierungsstelle<br />

in Berlin zur Intensivierung der politischen Arbeit<br />

in der Hauptstadt. Auf- und Ausbau in den folgenden<br />

Jahren unter der Leitung von Margit Golfels<br />

– Neue Publikationen: u.a. “Sind Arzneimittel<br />

kindgerecht?”- “Kinder psychisch kranker Eltern”<br />

- “Selbsthilfe 2020 – Fit für die Zukunft” - “Flüchtlingskinder<br />

und psychische Krankheiten”.<br />

– MV 2016: Mit Dr. Annette Mund wird erstmals<br />

eine Expertin aus der Selbsthilfe und eine Frau an<br />

die Spitze des <strong>knw</strong> gewählt<br />

– 2017: <strong>knw</strong> Homepage in neuem Gewand. Aufund<br />

Ausbau von Social-Media-Kanälen. Weiter<br />

volles Engagement in AK und bei den MV/Jahrestagungen.<br />

2018-2022<br />

Im Jahr 2018 bis 2019 wächst die Berliner Koordinierungsstelle<br />

– personell und inhaltlich. Die Orientierung<br />

nach Berlin und die „Politisierung“ des <strong>knw</strong><br />

setzt sich weiter fort. Die <strong>knw</strong> Akademie mit Themen<br />

von “Geschwisterkinder” über “Sozialgesetze”<br />

bis hin zu “Transitionscoach” kommt voll ins Rollen.<br />

2018 die nächste Jubiläumsveranstaltung - 25 Jahre<br />

Kindernetzwerk. Erneut in der Charité und wieder<br />

ein Berliner Appell mit 8 Handlungsfeldern – erstmals<br />

auch mit Unterstützung der neuen Schirmherrin<br />

Elke Büdenbender.<br />

2019: Raimund Schmid geht – eine neue <strong>knw</strong> Ära<br />

beginnt…<br />

Margit Golfels übernimmt die Geschäftsführung<br />

und führt ab 2019 die Dienststellen in Berlin und<br />

Aschaffenburg enger zusammen. Dabei bleibt eine<br />

klare und bis heute gültige Aufgabenteilung bestehen:<br />

Die Mitgliederbetreuung und Anfragenbearbeitung<br />

wird von der Servicestelle in Mainaschaff<br />

bei Aschaffenburg übernommen. Die Geschäftsleitung,<br />

die Akademie sowie die Öffentlichkeitsarbeit<br />

und die politische Arbeit wird von Berlin aus<br />

gesteuert.<br />

Seit 2020 haben Dr. Henriette Högl und Kathrin<br />

Jackel-Neusser als Doppelspitze die Geschäftsführung<br />

beim <strong>knw</strong> inne. Unterstützt werden beide von<br />

• Pia Rosenthal (Büroleiterin),<br />

• Benita Eisenhardt<br />

(Referentin für Projekte und Entwicklung) (2022),<br />

• Birte Struntz<br />

(Presse- und Öffentlichkeitsarbeit)<br />

• Yeliz Kidis (Projektarbeit) (<strong>2023</strong>)<br />

• Dr. Verena Popp<br />

(Koordination Netzwerke) (<strong>2023</strong>)<br />

• Birgit Fuchs<br />

(Telefonberatung und Elternauszeiten)<br />

• Ursula Stein<br />

(Mitgliederbetreuung und Datenbankpflege).<br />

• Lisa Warmo und Hannah Görg<br />

(studentische Mitarbeiterinnen) (2022)


16<br />

Aus dem Kindernetzwerk<br />

Bis heute werden dabei mit der <strong>knw</strong> agenda und<br />

dem jüngsten Berliner Appel <strong>2023</strong> die Kontakte zur<br />

Politik verstetigt.<br />

Zudem bietet das <strong>knw</strong> nun viele krankheitsübergreifende<br />

Weiterbildungs- und Unterstützungsangebote<br />

an. Dabei werden unter anderem Jugendliche<br />

in ihrer Selbstwirksamkeit gefördert sowie<br />

Transitionscoaches und Peers ausgebildet. Diese<br />

Peers sind Berater:innen, die Familien mit einem<br />

chronisch kranken oder behinderten Kind dabei<br />

unterstützen, ihre mitunter schwierige Lebenssituation<br />

bis hin ins junge Erwachsenenalter besser<br />

zu bewältigen. Dieses Ziel verfolgt auch die Junge<br />

Selbsthilfe im <strong>knw</strong>. Besondere Aufmerksamkeit erlangte<br />

sie, als die jungen Menschen im Jahr 2022<br />

Petitionspapiere mit politischen Forderungen an<br />

Entscheidungsträger:innen adressierten.<br />

Mit der Kampagne „MittenImLeben“ konnte insbesondere<br />

über die relevanten Social-Media-Kanäle<br />

das Bild einer starken Selbsthilfe vermittelt und geteilt<br />

werden. Dazu zählt auch Unrare.me, die App<br />

für Seltene Erkrankungen. Bei dieser App handelt<br />

es sich um einen digitalen datengeschützten Gesundheitscampus,<br />

der die unterschiedlichen Player<br />

aus der Medizin, der Pflege, von Betroffenen und<br />

aus der Selbsthilfe zusammenbringt. Wieder ein<br />

Schritt in eine neue Zukunft der (Eltern)-Selbsthilfe.<br />

Das Kindernetzwerk ist in 30 Jahren als Dachverband<br />

der Selbsthilfe von Familien mit Kindern<br />

und jungen Erwachsenen mit chronischen Erkrankungen<br />

und Behinderungen anerkannt und fest<br />

etabliert. Die Vernetzung ist weit fortgeschritten,<br />

das Verständnis füreinander ausgeprägt. Zudem ist<br />

die Einsicht gewachsen, dass medizinische Fachkompetenz<br />

allein zur Krankheitsbewältigung und<br />

für eine stabile psychosoziale Lebenssituation ohne<br />

die Erlebniskompetenz der Selbsthilfe längst nicht<br />

mehr ausreicht. Die Datenbanken - insbesondere<br />

die einmalige Eltern-Datenbank - haben auch heute<br />

noch große Bedeutung trotz der vielfachen Informationen<br />

im Internet.<br />

Alle Themen, die das Kindernetzwerk seit langem<br />

bewegen, werden ständig weiterentwickelt und<br />

zeitgemäß – insbesondere digital - angepasst.<br />

Doch der nun erneuerte Berliner Appell zeigt, dass<br />

es noch viele ungelöste Probleme gibt im Bereich<br />

der chronischen Erkrankung und Behinderung von<br />

Kindern und jungen Erwachsenen. Das Kindernetzwerk<br />

wird daher auch in den nächsten 30 Jahren<br />

gebraucht und genügend Herausforderungen zu<br />

meistern haben.<br />

Der Autor Raimund Schmid war von 1993 bis 2019<br />

Geschäftsführer von Kindernetzwerk e.V.<br />

Die Fotos stammen von Hartmut Kreutz, der von<br />

1994 bis 2019 das Kindernetzwerk aktiv unterstützt<br />

und dabei ein großes Bildarchiv angelegt hat.


Aus dem Kindernetzwerk<br />

17<br />

Interview<br />

mit Dr. Annette Mund<br />

Liebe Frau Dr. Mund, Sie sind nun seit über sieben Jahren Vorsitzende des Kindernetzwerk e.V.,<br />

kurz <strong>knw</strong>. Erst einmal herzlichen Dank dafür, dass Sie dieses wichtige Amt ehrenamtlich schon<br />

so lange ausfüllen und uns so viel Ihrer persönlichen Zeit und Ihres Herzbluts geschenkt haben!<br />

Wie sind Sie eigentlich zur Selbsthilfe und wie zum<br />

<strong>knw</strong> gekommen?<br />

Wir haben einen Sohn, der sich seit seiner etwas<br />

zu frühen Geburt mit eventuellem Sauerstoffmangel<br />

während der Geburt verzögert entwickelte. Ein<br />

anderer Sohn litt unter einer Eiweißunverträglichkeit<br />

und konnte nicht gestillt werden. In diesen<br />

Jahren – wir sprechen von den späten 80er Jahren<br />

des letzten Jahrhunderts – gab es in der ländlichen<br />

Region, in der wir damals lebten, wenig Wissen zu<br />

speziellen Kindern. Also wurde ich meine eigene<br />

Spezialistin und begann mich zu Entwicklungsverzögerungen<br />

und Ernährungsbesonderheiten fit zu<br />

machen. Bald hielt ich Vorträge in Kindergärten<br />

und an Elternabenden. Irgendwann entdeckte mich<br />

dann die örtliche Selbsthilfe und „kaschte” mich.<br />

Über mehrere bundesweit agierenden Selbsthilfeorganisationen,<br />

die ich leitete, bin ich schließlich<br />

2014 zum Kindernetzwerk gekommen.<br />

Was bedeutet Selbsthilfe heute für Sie, was hat<br />

sich im Laufe der Jahre und Jahrzehnte geändert?<br />

Selbsthilfe ist die wunderbare Möglichkeit zu erkennen,<br />

dass keine Situation in meinem Leben oder<br />

in dem eines anderen Menschen ausweglos ist.<br />

Immer ist es möglich, sich bei den Menschen, die<br />

mit ähnlichen Situationen umgehen mussten und<br />

müssen, Tipps und Hilfe zu holen. Mit dem Austausch<br />

wächst dann häufig das vielfach verschüttete<br />

Gefühl „Ich kann etwas” oder „vielleicht ist die<br />

Situation doch gar nicht so ausweglos”. Selbsthilfe<br />

ist im besten Sinn eine Melange aus Maria Montessoris<br />

Satz „Hilf mir, es selbst zu machen” und<br />

dem Niehbur’schen Gelassenheitsgebet „Gott, gib<br />

mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich<br />

nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die<br />

ich ändern kann, und die Weisheit, dass eine vom<br />

anderen zu unterscheiden.”<br />

So wie ich es wahrnehme, sind die Menschen in<br />

der Masse heute weniger bereit, für sich selbst einzustehen<br />

und „es selbst zu machen”. Der Servicegedanke<br />

festigt sich immer mehr, so dass es nicht<br />

mehr heißt, „ich ändere, was ich ändern kann”, sondern<br />

„Du - ändere mein Leben” und „Du, mache es<br />

für mich!”<br />

Sie haben viele wesentliche Projekte des <strong>knw</strong> mit<br />

angestoßen und durchgeführt. Welches waren<br />

bislang „Glanzlichter” für Sie ganz persönlich?<br />

Sehr hat mich unser Peer-Projekt gefreut und inspiriert.<br />

Ich glaube, dass wir hier ein Feld entdeckt<br />

haben, das noch sehr reichlich abgeerntet werden<br />

kann. All die Mütter und Väter, die jahrelang ein<br />

behindertes oder chronisch krankes Kind begleiten,<br />

haben eine unfassbar große Menge an erlebter


18<br />

Aus dem Kindernetzwerk<br />

Kompetenz angehäuft, ein so großes Wissen erlangt,<br />

dass sie ganz wunderbare Peers werden können.<br />

Hier sehe ich noch viele „ungeschliffene Diamanten”,<br />

die nur geschult zu werden brauchen.<br />

Ein weiteres Glanzlicht sind unsere Mütter- und Väterauszeiten.<br />

Erziehenden von behinderten/chronisch<br />

kranken Kindern und Jugendlichen einmal<br />

die Möglichkeit zu geben, ein Wochenende lang es<br />

sich gut gehen zu lassen, einmal nur für sich sein<br />

zu können, einmal wieder die oft tief verschütteten<br />

Wünsche und Möglichkeiten zu sehen und zu<br />

beleben – das halte ich für essenziell und ich hoffe<br />

sehr, dass weitere Förderer uns hier unterstützen.<br />

An alle bislang bestehenden Unterstützer:innen<br />

möchte ich an dieser Stelle meinen besonderen<br />

Dank aussprechen.<br />

Sie haben auch in Innovationsfondprojekten mitgearbeitet.<br />

Wie aufwändig ist das und was sind<br />

die Chancen?<br />

Innovationsfondprojekte dienen dazu, noch nicht<br />

fest etablierte Möglichkeiten der medizinisch-therapeutischen<br />

Versorgung zu erproben. Das finde<br />

ich ein sehr gutes Konzept. Die Antragsstellung ist<br />

allerdings ein Kapitel für sich. Wer sich nicht auskennt<br />

in bürokratischen Abläufen, Finanzplanungen<br />

oder Projektdarstellungen, ist verloren. Wer<br />

sich in diesen Dingen allerdings auskennt und die<br />

vorgegeben Richtlinien – auch die inhaltlichen,<br />

also welcher inhaltliche Förderschwerpunkt vorgegeben<br />

ist – beachtet, hat gute Chancen, sich bzw.<br />

sein Team, seine Ideengroup auszuprobieren. Die<br />

Durchführung von Innovationsfondprojekten eröffnet<br />

einen Einblick in die Schwierigkeit, komplexe<br />

Projekt erfolgreich abschließen zu können. Aus diesem<br />

Grund würde ich jeder Organisation raten, einmal<br />

ein Projekt im Innovationsfond zu etablieren.<br />

Was denken Sie, könnte das Kindernetzwerk noch<br />

besser machen, was sollten wir noch erreichen?<br />

In meinen Augen hat <strong>knw</strong> schon sehr viel erreicht,<br />

sehr viel für die bessere Sichtbarkeit betroffener<br />

Familien und für die Verkürzung bürokratisch notwendiger<br />

Wege zur Versorgung dieser Familien geschafft.<br />

In diesen sehr unsicheren Zeiten ist es mir darüber<br />

hinaus ein großes Anliegen, die Vernetzung von<br />

ähnlichen Strukturen auf internationaler Ebene<br />

fortzuschreiben. Die Kinder aller Länder sind gleich,<br />

Behinderungen und chronische Erkrankungen gibt<br />

es in allen Ländern. Kriege und Armut zerstören viele<br />

Strukturen, doch wenn wir uns zusammenschließen,<br />

können auch in schweren Zeiten betroffene<br />

Familien gehalten werden und müssen weniger<br />

befürchten, gänzlich ohne Hilfen dazustehen.<br />

Und was läuft besonders gut, worauf sind Sie<br />

persönlich stolz, bzw. womit zufrieden?<br />

Der französische Philosoph Voltaire schrieb den<br />

allseits gültigen Satz „Man muss seinen Garten<br />

bestellen” und das ist es, was <strong>knw</strong> gut macht. Wir<br />

schauen uns in der Öffentlichkeit, der Politik, der<br />

Medizin und Therapie um, wir hören betroffenen<br />

Familien, Jugendlichen und Kindern zu, die chronisch<br />

krank und/oder behindert sind, wir erkennen<br />

Diskrepanzen und zu behebende Schwachstellen<br />

und arbeiten dann an der Verbesserung der Situationen<br />

und Gegebenheiten. Das ist manchmal<br />

zeitaufwändig und mühsam, teilweise frustrierend,<br />

aber immer auch inspirierend, denn unser Garten –<br />

die Schaffung einer inklusiven Gesellschaft – treibt<br />

seit Jahren an allen Ecken und Enden die schönsten<br />

Blüten.


Aus dem Kindernetzwerk<br />

19<br />

Wenn man die Berliner Appelle der letzten Jahrzehnte<br />

vergleicht, so bleiben einige Forderungen<br />

leider nach wie vor offen, z.B. zur Barrierefreiheit<br />

und zu guter Inklusion in Kitas und Schulen. Was<br />

meinen Sie, warum dauert dies so lang, und woran<br />

liegt das?<br />

Werden Gebäude oder ganze Städte gebaut, werden<br />

lange Jahre nur Pläne erstellt und dann beginnt<br />

der Bau. Die Pläne der Gebäude und Städte, die gerade<br />

gebaut werden, sind Jahre alt – da dachte man<br />

noch nicht an Barrierefreiheit.<br />

Gut funktionierende Inklusion bedeutet die Umsetzung<br />

vollständiger, in alle Richtungen bedachter<br />

Konzepte. So wie die Geschichte es uns in Bildungsangelegenheiten<br />

eigentlich immer lehrt, werden<br />

in Deutschland Dinge angedacht, aber nicht vollständig<br />

durchdacht, und dann fängt man einfach<br />

mal an. Wir scheinen Menschen zu sein, die Dinge<br />

erforschen möchten und deshalb Ideen aufgreifen<br />

und „mal laufen lassen”. Danach weiß man dann,<br />

ob die erforschten Prozesse gut oder schlecht waren.<br />

Meiner Ansicht nach brauchten wir eine „Stunde<br />

Null”, einen „Cut”, ein Innehalten. Dann sollten wir<br />

Kinder und besonders behinderte/chronische Kinder<br />

zum Dreh- und Angelpunkt aller Überlegungen<br />

machen. Was braucht ein solches Kind in Hinsicht<br />

Gebäude-, Städtebau? Wie müssen Wege und<br />

Straßen beschaffen sein, denken wir von einem<br />

behinderten Kind aus? Was kann Inklusion bestenfalls<br />

bedeuten? Natürlich - vom Kind aus gedacht<br />

– jegliche Möglichkeit zur Teilhabe am spielerischen,<br />

kindlichen, jugendlichen, gesellschaftlichen<br />

und politischen Leben. Möglichkeiten, an allen<br />

Bildungsoptionen teilhaben zu können - wenn gewünscht<br />

und wenn sie passend sind.<br />

Kinder sind „Lebensbeginner”, sie sind Startpunkte<br />

jeglicher Entwicklung. Daher sollten wir ihre Welt<br />

zur Basis der Entwicklung unserer Gesellschaft machen.<br />

Mit unserem letzten großen Empowerment-Projekt<br />

wollten wir das Image der Selbsthilfe moderner<br />

machen, diese bekannter machen auch bei<br />

Vätern, Menschen mit Einwanderungsgeschichte<br />

und jungen Leuten.<br />

Was meinen Sie: Erreichen wir diese Gruppen nun<br />

etwas besser z.B. durch unsere sozialen Medien,<br />

mit denen wir sie gezielt ansprechen?<br />

Ein schöner Charakterzug unserer Geschäftsführung,<br />

den beiden Damen Kathrin Jackel-Neusser<br />

und Dr. Henriette Högl, ist ihre Offenheit für Modernisierung;<br />

beide haben immer mindestens „einen<br />

Finger“ am Puls der Zeit. So werden nun alle wesentlichen<br />

Fragen, Meinungen und Punkte, die zur<br />

Diskussion stehen, aber auch ganze Projekteideen<br />

mittels der sozialen Medien „in die Welt gegeben”.<br />

Damit erleichtern wir den Menschen wieder ein<br />

wenig den Weg zu „Hilf mir, es selbst zu tun”, denn<br />

so können sie sich beteiligen und mitdiskutieren.<br />

Wir erreichen auf diesem Weg zumindest diejenigen,<br />

die sich Gedanken machen wollen. Wer nicht<br />

mitdenken möchte, den werden wir sicherlich wenig<br />

dazu motivieren können.<br />

Derzeit setzt das <strong>knw</strong> ein Professionalisierungsprojekt<br />

um, mit dem unsere Mitglieder sich mit<br />

allen offenen Fragen rund um Finanzierung, Projektförderung,<br />

Satzungsfragen etc. an uns wenden<br />

können. Wo brennt es aus Ihrer Sicht besonders<br />

bei den Mitgliedern?<br />

Ein wesentlicher Punkt in der ganzen Diskussion ist<br />

die Frage, ob Selbsthilfe weiterhin dem Wohl und<br />

Wehe der politikgesteuerten Finanzierung durch<br />

die Krankenkassen ausgesetzt sein muss.<br />

Selbsthilfe übernimmt einen wesentlichen Anteil<br />

der in einer Gesellschaft aufzufangenden<br />

Sozial„last” - und dies ist nicht in finanzieller<br />

Hinsicht gemeint. In Zeiten weggebrochener


20<br />

Aus dem Kindernetzwerk<br />

Familienstrukturen, ausgedünnter Kirchenbezirke,<br />

wegrationalisierter (kirchlicher) Seelsorger:innen<br />

und minimal vorhandener therapeutischer Strukturen<br />

steht Selbsthilfe für Zuhören, für Mal-Reden-<br />

Können, sich auskotzen können, weinen können,<br />

eine starke Schulter bereitstellen können, Tipps erhalten<br />

können, in eigener Erfahrung getestete Ratschläge<br />

weitergeben können. Selbsthilfe ist ein Ort<br />

der Psychohygiene für eine große Zahl belasteter<br />

Menschen geworden. Dies sollte geschätzt werden,<br />

was meint, dauerhaft und verlässlich finanziert<br />

werden. Es kann nicht sein, dass die gleiche Arbeit<br />

und mehr davon jedes Jahr gefordert wird, die Finanzierung<br />

derselben aber mehr als wackelig und<br />

unsicher ist. Hier muss Abhilfe geschaffen werden.<br />

Liebe Frau Dr. Mund, was ist Ihnen persönlich für<br />

die Zukunft des <strong>knw</strong> besonders wichtig?<br />

Ich wünsche mir, dass es stets als offenes Ohr für<br />

die Belange betroffener Familien, das differenzierte<br />

Durchdenken der an <strong>knw</strong> herangetragenen<br />

Wünsche und Forderungen und die tatkräftige Umsetzung<br />

der als richtig erkannten Wege weiterhin<br />

bestehen bleibt. Ich wünsche mir, dass <strong>knw</strong> und<br />

“wir machen den Weg frei”, um diesen bekannten<br />

Slogan mal auszuleihen, ein Synonym für Familien<br />

mit einem chronisch kranken und/oder behinderten<br />

Kind und Jugendlichen ist und bleibt.<br />

Danke Ihnen für das Gespräch!<br />

Das Interview führte Kathrin Jackel-Neusser.<br />

Interview mit dem<br />

<strong>knw</strong>-Ehrenvorsitzenden<br />

Prof. Dr.med. Dr. h.c.<br />

Hubertus von Voß<br />

Sehr geehrter Herr Professor von Voß, Sie sind<br />

Gründer und Ehrenvorsitzender des Kindernetzwerk<br />

e.V., kurz <strong>knw</strong>. Sie selbst bringen sich noch<br />

immer mit wertvollen Ratschlägen ein, wofür wir<br />

Ihnen herzlich danken. Welche gesellschaftlichen<br />

und politischen Themen treiben Sie derzeit am<br />

meisten um?<br />

Ich kann mich nicht erinnern, dass das „Thema Kind“<br />

weltweit so große Beachtung gefunden hat wie<br />

gerade in unserer Zeit: Klimakrise, Bildungskrise,<br />

Überforderung, Konfrontation mit anderen Kulturen<br />

etc. Es fehlen Lehrer, es fallen Unterrichtstunden<br />

(Sport, Musik, Kunst) aus, immer weniger<br />

Kinder lernen kompetent Deutsch, Armut, Gewalt<br />

an Kindern, Deportation von sicherlich mehr<br />

als 25.000 Kinder der Ukraine, Gehirnwäsche bei<br />

Kindern, Zusammenleben deutscher Kinder mit<br />

Migrationskindern, erhebliche Verbesserung der<br />

Vernetzung von Zentren, die seltene Krankheiten<br />

erforschen, Finanzierungsprobleme bei Medikamenten<br />

für seltene Krankheiten, Vernetzung von


Aus dem Kindernetzwerk<br />

21<br />

KNW mit Unicef, Europaparlament, Defizite bei der<br />

Rehabilitation von Kindern mit globalen Entwicklungsstörungen,<br />

eindeutige Übergangskonzepte zu<br />

Hilfen für das Transitionsalter (18-24 Jahre) usw.<br />

Wir leben in einer Zeit, in der Kinder bedroht sind<br />

wie nie zuvor im letzten Jahrhundert und nun aktuell.<br />

Noch etwas traurig Aktuelles: Sie bringen sich<br />

auch politisch weiter intensiv ein, unter anderem<br />

haben Sie dafür plädiert, den russischen Präsidenten<br />

anzuschreiben, und machen sich für die Kinder<br />

aus der Ukraine stark. Was ist hier Ihre Botschaft?<br />

Die deutsche Kinder- und Jugendmedizin hat seit<br />

Beendigung des Zweiten Weltkrieges fachlich und<br />

menschlich überaus enge Beziehungen zu Ärzten<br />

und Ärztinnen in Russland aufgebaut und einen gegenseitigen<br />

Austausch von Wissen um Krankheiten<br />

bei Kindern und Jugendlichen als große Bereicherung<br />

empfunden. Viele schwer kranke Kinder und<br />

Jugendliche aus Russland und Staaten der ehemaligen<br />

Sowjetunion (z. B. Belarus) wurden in Deutschland<br />

in prominenten Zentren der Kinder- und Jugendmedizin<br />

zu einem großen Anteil erfolgreich<br />

untersucht und behandelt. Zusätzlich unterstützten<br />

deutsche Experten und Expertinnen russische Ärztinnen<br />

und Ärzte beim Aufbau z. B. der Onkologie<br />

bei Kindern und Jugendlichen in Perm. Diese Zusammenarbeit<br />

konnte der russische Präsident nicht<br />

zerstören. Jetzt erfolgen weiterhin Videokonferenzen<br />

zu schwer kranken Patienten. Es entwickelten<br />

sich enge Freundschaften zwischen deutschen und<br />

russischen Ärztinnen und Ärzten, die trotz des russisch–ukrainischen<br />

Krieges fortbestehen. Das nun<br />

seit 30 Jahren bestehende „Kiew- Projekt“ – initiiert<br />

von dem Bayerischen Sozialministerium – besteht<br />

auch weiterhin (Koordinator über diese Zeit v.<br />

Voß, München Anm. D. Red.). Rund <strong>10</strong>0 Sozialpädiatrische<br />

Zentren wurden in der gesamten Ukraine<br />

aufgebaut, die weiterhin arbeiten.<br />

So wie viele andere Menschen verurteile ich auf<br />

das Schärfste die Verschleppung von Kindern und<br />

Jugendlichen von der Ukraine nach Russland unter<br />

dem Vorwand, dass sie geschützt werden sollen vor<br />

den Folgen dieses Krieges und vor der Ukraine generell,<br />

die als Naziland vom russischen Präsidenten<br />

bezeichnet wird. Diese Sichtweise galt auch als Begründung<br />

für den Überfall. Eltern, Müttern, Vätern,<br />

Familien werden ihre Kinder entrissen, ein Teil von<br />

ihnen wird von russischen Personen ohne Zustimmung<br />

der leiblichen Eltern adoptiert. Die freie Welt<br />

hat erfahren, dass weit mehr als 15.000 Kinder in<br />

der Ukraine elternlos wurden. Diese Zahlen sind<br />

geschönt. Die Trennung von Kindern von ihren Eltern<br />

stellt ein strafrechtlich zu verfolgendes Verbrechen<br />

dar. Die Liste der Verbrechen durch Russen ist<br />

schon heute unüberschaubar.<br />

Bereits im Jahr 1940 hat die weltweit anerkannte<br />

Psychotherapeutin Anna Freud zusammen mit<br />

Dorothy Tiffany Burlingham mit der Grünung der<br />

„Hampstead Nurseries“ eine Kinderkolonie für<br />

hilfsbedürftige und verwaiste bzw. von ihren Eltern<br />

getrennte Kinder bei sich in London aufgebaut und<br />

sie bei sich aufgenommen. Sie konnte feststellen,<br />

welch bleibender Schaden am Seelenleben dieser<br />

verwaisten Kinder durch den II. Weltkrieg angerichtet<br />

worden war, aber auch, dass ihre körperliche<br />

und geistige Entwicklung mit einer gewaltsamen<br />

Trennung der Kinder von ihren leiblichen Eltern<br />

geschädigt wird. Russischen Kinderärztinnen und<br />

Kinderärzten ist diese Arbeit bekannt.<br />

Die UN- Kinderrechtskonvention hat mit Artikel 9<br />

„Trennung von den Eltern; persönlicher Umgang“<br />

folgende Forderungen aufgestellt:<br />

“(1) Die Vertragsstaaten stellen sicher, dass ein Kind<br />

nicht gegen den Willen seiner Eltern von diesen getrennt<br />

wird…” Diese Konvention gilt weltweit, da<br />

sie sich dem Kindeswohl und dessen Sicherung verpflichtet<br />

fühlt. Ich fordere den russischen Präsidenten<br />

nachdrücklich auf, die Deportation zu stoppen


22<br />

Aus dem Kindernetzwerk<br />

und die Kinder ihren leiblichen Eltern wieder in<br />

Obhut zu geben. Es gibt nicht eine einzige stichhaltige<br />

Begründung, Kinder und Jugendliche durch die<br />

Deportation ihren leiblichen Eltern zu entreißen,<br />

ihnen ihre Identität zu rauben durch gewaltsame<br />

Entwendung von Ausweisen, sie damit zu misshandeln<br />

und Gewalt und Willkür auszusetzen. Wir werden<br />

noch weitere Gräueltaten an diesen Kindern<br />

und auch Jugendlichen kennenlernen müssen.<br />

Danke für dieses leidenschaftliche und bewegende<br />

Plädoyer!<br />

Wo hat sich aus Ihrer Sicht der Einsatz der Pädiatrie<br />

und der Selbsthilfe gelohnt, was hat sich<br />

verbessert für die Kinder in Deutschland und was<br />

insbesondere für Kinder mit chronischen Erkrankungen<br />

und Behinderungen?<br />

Die medizinische Versorgung von kranken Kindern<br />

und Jugendlichen in Deutschland erfolgt noch auf<br />

hohem Niveau. Die Sozialgesetzbücher V und IX<br />

bestätigen, dass diese Gesetze Kinder und Jugendliche<br />

schützen und Krankheiten wie auch Behinderungen<br />

ernst nehmen. Das Bedauerliche ist, dass<br />

diese Gesetzbücher Ärzten meist in vollem Umfang<br />

nicht bewusst sind. Ärzte müssen wissen, welche<br />

Anträge zum Grad einer Behinderung gestellt werden<br />

können, welche Hilfen auch gerade Kinder und<br />

Jugendliche mit Behinderungen erhalten können.<br />

Die Elternselbsthilfe hat bewiesen, dass Eltern sehr<br />

oft mehr zu einer „seltenen Krankheit wissen“ als<br />

Ärzte. Die Elternselbsthilfe des <strong>knw</strong> hat bisher 30<br />

Jahre lang alles getan, die Kommunikation zwischen<br />

Ärzten und Eltern zu verbessern. Sie hat dabei auch<br />

Jugendliche und Berater in solche Arbeit einbezogen.<br />

Zu fordern ist, dass zu neu erkannten „Seltenen<br />

Krankheiten“ das Deutsche Ärzteblatt eine<br />

Rubrik einrichtet, in der regelmäßig neu erkannte<br />

Krankheiten in verständlicher Sprache vorgestellt<br />

werden incl. Wegen der Diagnostik, Therapie und<br />

Rehabilitation.<br />

Wenn Sie einen großen Wunsch an die Politik<br />

richten könnten, der sofort umgesetzt würde, was<br />

wäre das?<br />

Die derzeitige Regierung ist innenpolitisch und vor<br />

allem sozialpolitisch inaktiv und inkonsequent. Wir<br />

stehen vor einer Krise oder befinden uns bereits in<br />

dieser. Nur über die Grundsicherung von Kindern<br />

zu streiten, dies reicht nicht aus. Mehr als 2 Millionen<br />

Menschen sind chronisch krank, 70% von ihnen<br />

sind Kinder und Jugendliche. Die Bundesregierung<br />

muss mit den Bundesländern dafür sorgen, dass<br />

Transitionsprobleme verschwinden, also weiterhin<br />

kranke Jugendliche und dann Erwachsene nicht in<br />

ein Loch der Unterversorgung stürzen.<br />

Kindernetzwerk e. V. beunruhigt aber auch die<br />

Debatte um die Krankenhausreform. Nur einige wenige<br />

Themen seien hier genannnt:<br />

1. Der Beraterkreis zur Krankenhausreform besteht<br />

aus Funktionären. Wo sind die Experten der Kinder-<br />

und Jugendmedizin, Psychologen, Psychotherapeuten,<br />

Ärzte mit Wissen um Seniorenprobleme,<br />

Experten der Pflege von Kranken, Vertreter von<br />

Elternverbänden etc.?<br />

2. „Kleine Kliniken“ zu schließen muss als Fehlentscheidung<br />

bezeichnet werden. Der Bayerische<br />

Gesundheitsminister hat die Vorschläge der Kommission<br />

zurecht abgelehnt.<br />

3. Eltern das Recht abzusprechen, bei der Entscheidung,<br />

wann und warum sie ein nach ihrer Ansicht<br />

krankes Kind in einer Klinik vorstellen müssen,


Aus dem Kindernetzwerk<br />

23<br />

diese Idee ist verwerflich. Hinter einem „Pickel“<br />

am Po kann sich eine Krankheit verbergen, was zu<br />

einer gesundheitlichen Katastrophe führen kann.<br />

Dass Notfallambulanzen auch ausgenutzt werden,<br />

dies ist nicht neu!<br />

4. Der Sachverständigenrat muss sich im Klaren<br />

sein, dass Notfalltransporte von akut Erkrankten<br />

diese innerhalb kürzester Zeit u. U. in eine Schwerpunktklinik<br />

transportieren müssen (z. B. Schwangere<br />

mit vorzeitiger Plazentalösung, ein Kleinkind<br />

mit akuter Epiglottitis (akute Entzündung des Kehlkopfes<br />

etc.) oder ein Kind mit Epilepsie etc. Und<br />

dann muss sichergestellt sein, dass nicht ein hohes<br />

Verkehrsaufkommen solche Transporte unmöglich<br />

macht und Patienten noch zusätzlich in eine<br />

Schwerpunktklinik wegen fehlender freier Betten<br />

nicht unverzüglich aufgenommen werden können.<br />

5. Der „Numerus clausus“ für junge Menschen, die<br />

Ärzte werden wollen, war schon immer eine gravierende<br />

Fehlentscheidung, eigentlich ein Debakel.<br />

Was sagt eine Abiturnote von 1 bis 1,2 über einen<br />

Adoleszenten aus. Kultusministerien in Deutschland<br />

müssen diese Entscheidung zurücknehmen<br />

wegen des hohen Ärztebedarfs mit weit mehr als<br />

15.000 unbesetzten Arztstellen in Kliniken und<br />

Praxen.<br />

6. Das Abitur sichert jungen Menschen den Zugang<br />

zum Studium. Dieses Recht darf nicht beschnitten<br />

werden.<br />

7. Als Debakel muss bezeichnet werden, dass Notfallambulanzen<br />

in Kliniken kein eigenes Personal<br />

und die Kliniken dafür auch kein Budget haben. Im<br />

Gegenteil, Ärzte werden verantwortlich gemacht<br />

für stationäre Patienten und gleichzeitig für Notfallambulanz-Patienten.<br />

Dass hier Wartezeiten für<br />

Notfallpatienten von weit mehr als fünf Stunden<br />

entstehen können, ist nicht die Seltenheit, sondern<br />

die Regel, selbst mehrfach erlebt.<br />

8. Es stellt sich die Frage, was unter “kleinen Kinderkliniken”<br />

verstanden wird. Ohne diese könnten<br />

Kinder- und Jugendärzte gar nicht in ausreichender<br />

Zahl ausgebildet werden. In den “großen” Univ. Kliniken<br />

und kommunalen Kliniken erlernen z. B. Kinderärzte<br />

bei der hohen Spezialisierung nicht mehr<br />

die Feinheiten des Fachgebietes kennen. Man gewinnt<br />

den Eindruck, dass der Sachverständigenrat<br />

den Patienten aus dem Auge verloren hat. Und nur<br />

um ihn darf es bei jeglicher Reform gehen.<br />

9. Kindernetzwerk fordert Gesundheitspolitiker<br />

und so genannte Sachverständige auf, eine Anhörung<br />

im Parlament in Berlin vor Verabschiedung<br />

eines Gesetzes zur Krankenhausreform einzuberufen.<br />

Dass es hier auch um Kinder und Jugendliche<br />

mit seltenen Krankheiten, um schwer chronisch<br />

erkrankte Patienten aller Altersstufen gehen muss,<br />

dies muss das Ziel einer solchen Anhörung sein.<br />

Kontakt:<br />

Univ. Prof. i.R. Dr.med. Dr. h. c. Hubertus von Voß<br />

Ehrenvorsitzender von Kindernetzwerk e.V.<br />

Ehemaliger Ordinarius für Soziale Pädiatrie und<br />

Jugendmedizin- Rehabilitationswesen und Ärztlicher<br />

Direktor des Kinderzentrum München<br />

E-Mail: hubertus.vonvoss@t-online.de<br />

Hartwaldstrasse 5, 81377 München<br />

Das Interview führte Kathrin Jackel-Neusser.


24<br />

Aus dem Kindernetzwerk<br />

Workshop der Jungen Selbsthilfe<br />

zur Inklusiven Lösung und zum Berliner Appell<br />

und Ausblick zu Treffen im Bundestag<br />

Die im Kindernetzwerk zusammengeschlossenen<br />

Jugendlichen und jungen Erwachsenen haben in<br />

Workshops erneut zahlreiche Forderungen an die<br />

Politiker:innen entwickelt, die dann in den Berliner<br />

Appell aufgenommen wurden.<br />

Außerdem konnten wir zwei Workshops zur Inklusiven<br />

Lösung durchführen, bei dem die Forderungen<br />

junger Menschen zum Gesetzesreformprozess Inklusive<br />

Kinder- und Jugendhilfereform gesammelt<br />

wurden. Diese fließen auch in unserem Think Tank<br />

ein.<br />

Außerdem nahmen Sarah Brandsmeier und Leonie<br />

Welsch als Vertreterinnen der Jungen Selbsthilfe an<br />

unserer Pressekonferenz zum Berliner Appell teil –<br />

dankeschön!<br />

Zusammen mit Lilith Fendt konnte außerdem ein<br />

Gespräch mit Stefan Schwartze, dem Patientenbeauftragten<br />

der Bundesregierung, durchgeführt<br />

werden.<br />

Bald ist die Junge Selbsthilfe übrigens im Bundestag<br />

uns trifft die inklusionspolitischem Sprecher:innen<br />

– wir werden berichten!<br />

Ihr möchtet bei der Jungen Selbsthilfe mitmachen?<br />

Alle zwei Monate, in der Regel am letzten Dienstag<br />

im Monat ab 19 Uhr und digital, treffen sich die<br />

Mitglieder unserer Jungen Selbsthilfe aus unseren<br />

Mitgliedsorganisationen.<br />

Organisiert werden diese Treffen von unserer Assistentin<br />

Lisa Warmo (Studierende der sozialen Arbeit)<br />

und unserem Vorstandsmitglied Volker Koch,<br />

der die Junge Selbsthilfe im Kindernetzwerk ins Leben<br />

gerufen hatte.<br />

Unsere Junge Selbsthilfe dient dabei als gemeinsame<br />

Plattform zum Vernetzen und Austauschen,<br />

bringt aber immer auch gemeinsame Forderungspapiere<br />

hervor, wo es Schnittmengen aller gibt.<br />

Ihr wollt bzw. Sie wollen Mitglied unserer Signal-<br />

Chatgruppe werden?<br />

Bitte melden unter warmo@kindernetzwerk.de<br />

Hier mehr:<br />

https://www.kindernetzwerk.de/de/aktiv/Junge-<br />

Selbsthilfe/Junge-Selbsthilfe-im-<strong>knw</strong>.php


Aus dem Kindernetzwerk<br />

25<br />

Unsere Projekte<br />

Das Kindernetzwerk realisiert viele bewährte, aber auch neue Projekte,<br />

die wir mit Hilfe unserer Förderer:innen verwirklichen konnten.<br />

Sie finden die aktuelle Übersicht wie gehabt auf unserer Homepage:<br />

http://kindernetzwerk.de/de/aktiv/News/Projekt_Uebersicht.php<br />

Die Kindernetzwerk-Vorsitzende Dr. Annette<br />

Mund stellt unser Projekt KoCoN vor<br />

KoCoN – ITgestützte sektorenübergreifende Patientenpfade<br />

für die Versorgung von Kindern mit<br />

KOmplex-ChrOnischen Neurologischen Erkrankungen<br />

Kinder mit komplex-chronischen, neurologischen<br />

Erkrankungen sind oft angewiesen auf medizinische<br />

Hilfen bis hin zu einer Beatmung im heimischen<br />

Umfeld. Ihre Versorgung ist äußerst anspruchsvoll<br />

und aufwändig; es fehlen Strukturen<br />

für eine sektorenübergreifende, interdisziplinäre<br />

und multiprofessionelle Versorgung, die Bedarfe<br />

der jungen Menschen und ihrer Familien berücksichtigen.<br />

Hier setzt das Projekt KoCoN an. Ein ITgestützter<br />

Patientenpfad soll die Versorgung für<br />

Betroffene, deren Eltern sowie stationäre und<br />

ambulante Versorger verbessern.<br />

In prästationären Videokonferenzen mit den Familien<br />

gewinnt das KoCoN-Team einen Überblick.<br />

Ist keine Einweisung angezeigt, wird mit den niedergelassenen<br />

Hauptversorgern und der Familie<br />

ein ambulanter Diagnostik- und Behandlungsplan<br />

erstellt. Bei einer stationären Aufnahme koordiniert<br />

ein engmaschiges Case-Management den<br />

Patientenpfad. Eine vorausschauende Versorgungsplanung<br />

unterstützt die Eltern. Multiprofessionelle<br />

Fallkonferenzen mit externen Spezialisten<br />

erlauben weitreichende Diagnostik- und Therapieentscheidungen.<br />

Für den bedarfsgerechten Übergang<br />

wird frühzeitig zur Weiterversorgung ein<br />

ambulantes Versorgungsnetzwerk aktiviert und<br />

die elektronische Patientenakte genutzt. Wiedereinweisungen<br />

werden vermieden.<br />

Die Wirksamkeit der neuen Versorgungsform Ko-<br />

CoN wird im Vergleich zu einer Kontrollgruppe ermittelt.<br />

Es werden die Lebensqualität, Krankheitssymptomlast,<br />

Handlungskompetenz der Familien<br />

und Versorgungsqualität untersucht. Gesundheitskosten<br />

werden über Krankenkassendaten und<br />

Selbstauskunft der Familien erfasst. Betroffene<br />

und das KoCoN-Team werden zur Akzeptanz von<br />

KoCoN befragt. Das Projekt wird für drei Jahre mit<br />

ca. 8,1 Millionen Euro gefördert.<br />

Im Erfolgsfall wird die Versorgungsqualität komplex-chronisch,<br />

neurologisch erkrankter Kinder<br />

und Jugendlicher verbessert sowie die Lebensqualität<br />

der Familien erhöht. Die Übertragung der Erkenntnisse<br />

auf andere Bereiche der Gesundheitsversorgung<br />

ist möglich.<br />

Mehr hier:<br />

https://innovationsfonds.g-ba.de/projekte/<br />

neue-versorgungsformen/kocon-it-gestuetztesektorenuebergreifende-patientenpfade-fuerdie-versorgung-von-kindern-mit-komplex-chronischen-neurologischen-erkrankungen.505<br />

Gefördert durch:


26<br />

Aus dem Kindernetzwerk<br />

Unsere neue App<br />

für Seltene Erkrankungen<br />

unrare.me<br />

Wir sind sehr stolz auf die von uns entwickelte neuartige<br />

App unrare.me. Diese neue App versteht sich<br />

als eine neue, datensichere, gesundheitsbezogene<br />

Form der Social Media App, in der die unterschiedlichsten<br />

Player – z.B. Betroffene, Angehörige, Medizin,<br />

Pflege, Betroffene, Selbsthilfe – zusammengebracht<br />

werden. Sie wurde in einem Konsortium aus<br />

dem Zentrum für Seltene Erkrankungen Bonn, Prof.<br />

Lorenz Grigull und der Medizinischen Hochschule<br />

Hannover, Dr. Gundula Ernst unter der Leitung von<br />

Kindernetzwerk e.V. entwickelt. Sie ist für Menschen<br />

mit chronischen und seltenen Erkrankungen<br />

eine echte Chance. Es dauert im Schnitt fünf Jahre,<br />

bis eine seltene Erkrankung diagnostiziert wird<br />

– zu lange für die Entwickler:innen von unrare.me.<br />

Deswegen werden über die App von den gleichen<br />

Symptomen, Problemen oder Krankheiten Betroffene<br />

zusammengebracht, die sich nach dem Anlegen<br />

eines Profils über die App finden und austauschen<br />

können. Dabei kann man frei entscheiden,<br />

wieviel man von den Symptomen und von der<br />

Krankheit und allem, was in Bezug auf die Krankheit<br />

wichtig ist, veröffentlicht wird – man kann auch<br />

anonym bleiben. Auf Basis des Profils findet unrare.me<br />

andere User:innen mit ähnlichen Merkmalen<br />

und durch das eigene Feedback werden die Suchergebnisse<br />

immer weiter verbessert.<br />

Mehr Infos zur App unter<br />

www.unrare.me<br />

Unser neues Beratungsangebot<br />

Der Mehrsprachige Selbsthilfe-Kummerkasten<br />

Von der Herausforderung Einzelner zur Hilfe für<br />

viele<br />

Im <strong>knw</strong> Kummerkasten können sich betroffene<br />

Eltern, ältere Jugendliche und junge Erwachsene<br />

mit ihren ganz individuellen Fragestellungen ganz<br />

niedrigschwellig online an das <strong>knw</strong> wenden. Die<br />

Anfragen können mehrsprachig und online über<br />

die <strong>knw</strong> Homepage gestellt werden. Nach der Beantwortung<br />

durch die <strong>knw</strong> Beratung werden sie<br />

– vollständig anonymisiert – veröffentlicht. So profitieren<br />

nicht nur die Anfragenden selbst, sondern<br />

auch weitere Betroffene mit dem gleichen Problem<br />

anhand der veröffentlichten Antworten zu den bereits<br />

gestellten Fragen.<br />

Wie der <strong>knw</strong> Kummerkasten funktioniert<br />

Die Ratsuchenden können über ein mehrsprachiges<br />

Anfrageformular ihre Frage an das <strong>knw</strong> stellen.<br />

Sie können von diesen bereits nach Kategorien und<br />

Unterkategorien eingeteilt werden. Die Übertragung<br />

der Anfrage an das Beratungsteam des <strong>knw</strong><br />

erfolgt Datenschutz sicher über ein Webformular.


Aus dem Kindernetzwerk<br />

27<br />

Die Anfragenden erhalten eine Bestätigungsmail<br />

über den Eingang ihrer Anfrage.<br />

Im <strong>knw</strong> Beratungsteam wird anschließend geprüft,<br />

wer im Team die Anfrage am besten betreuen kann.<br />

Die recherchierten Empfehlungen werden wiederum<br />

über das Webformular erfasst und vollständig<br />

anonymisiert im Kummerkasten veröffentlicht. Die<br />

Anfragenden erhalten wiederum eine Mail, in der<br />

sie darüber informiert werden, dass die Antworten<br />

auf ihre Anfrage im Kummerkasten nachgelesen<br />

werden können. Aufgrund der Anonymisierung der<br />

Anfrage erfolgt die Zuordnung über eine Identifikationsnummer.<br />

Im Kummerkasten können dann Anfragen mit den<br />

dazugehörigen Antworten und Empfehlungen<br />

nachgelesen werden. Die Informationen können<br />

bei der Bewältigung eigener, ähnlicher Herausforderungen<br />

helfen. Eine Suche ist auch nach Beiträgen<br />

zu den Kategorien und Unterkategorien, wie<br />

z.B. Teilhabe, Nachteilsausgleich, Schwerbehindertenausweis,<br />

Kurzzeitpflege u.v.m. möglich.<br />

Zusätzlich kann man im Anfrageformular zusätzlich<br />

um eine persönliche telefonische Beratung bitten.<br />

Wer das <strong>knw</strong> Beratungsteam ist<br />

Die laufende Bearbeitung der Anfragen übernimmt<br />

Birgit Fuchs, die langjährige Beratungskraft des<br />

<strong>knw</strong>. Bei der Beantwortung der Anfragen wird sie<br />

von den <strong>knw</strong> Kompetenz-Peers und den <strong>knw</strong> Transitionscoaches<br />

unterstützt. Sie sichtet die Anfragen<br />

und entscheidet nach Rücksprache mit dem Team,<br />

wer den Fall übernehmen kann und möchte. Ggf.<br />

wird es auch ein Austausch unter den Beratenden<br />

geben, wenn es um komplexe Fragestellungen geht.<br />

Ukrainisch, Arabisch, Russisch und Französisch.<br />

Weitere Sprachen werden folgen.<br />

Dadurch ist dieses Eingabesystem besonders niedrigschwellig<br />

- ein großer Mehrwert für die Betroffenen<br />

mit Einwanderungsgeschichte!<br />

<strong>knw</strong> Beratung – eine runde Sache<br />

Um alle (online) Beratungsangebote des <strong>knw</strong> miteinander<br />

zu verzahnen, wurde der Kummerkasten in<br />

die Beratungsseite des <strong>knw</strong> eingebaut. So können<br />

Ratsuchende über die Eingabe eines Schlagwortes<br />

alle (online) Unterstützungsangebote des <strong>knw</strong><br />

finden: andere betroffene Eltern, passende Selbsthilfeorganisationen,<br />

Krankheitsbeschreibungen, Erklärungen<br />

im humangenetischen Glossar und eben<br />

auch Kummerkastenbeiträge.<br />

Ihr Weg zum Kummerkasten<br />

Unter den folgenden Links sind die jeweils übersetzten<br />

Seiten des Kummerkastens zu finden.<br />

Deutsch:<br />

https://www.kindernetzwerk.de/de/lotse/kummerkasten.php?language=deutsch<br />

Ukraine:<br />

https://www.kindernetzwerk.de/de/lotse/kummerkasten.php?language=ukrain<br />

Arabisch<br />

https://www.kindernetzwerk.de/de/lotse/kummerkasten.php?language=arabic<br />

Englisch<br />

https://www.kindernetzwerk.de/de/lotse/kummerkasten.php?language=english<br />

Französisch:<br />

https://www.kindernetzwerk.de/de/lotse/kummerkasten.php?language=french<br />

Ein Angebot mit großer Reichweite durch Mehrsprachigkeit<br />

Von Anfang an wollen wir mit dem Kummerkasten<br />

möglichst viele Betroffene erreichen. Daher übersetzen<br />

wir ihn in die Sprachen Deutsch, Englisch,<br />

Dieser Beitrag wurde verfasst von Hannah Görg<br />

und Henriette Högl.<br />

Gefördert durch mhplus


28<br />

Aus dem Kindernetzwerk<br />

„Abstand, Entspannung, Begleitung, Entlastung<br />

– die <strong>knw</strong> Auszeiten“<br />

Unser Ziel ist seit langem, eigene Entlastungsangebote<br />

für die betroffenen Familien anzubieten.<br />

Den Ausbau und die Verstetigung dieser Angebote<br />

halten wir für den Empowerment-Ansatz für außerordentlich<br />

wichtig. Wir freuen uns daher, dass<br />

wir auch dieses Jahr wieder einen Geschwisterkinder-Workshop<br />

und zwei Eltern-Auszeiten anbieten<br />

konnten. Gerade der krankheitsübergreifende Austausch<br />

stellt einen wesentlichen Mehrwert dieses<br />

<strong>knw</strong> Angebotes für die betroffenen Familien dar.<br />

Dies spiegelt sich regelmäßig in den sehr positiven<br />

Rückmeldungen von unseren Mitgliedern und Teilnehmenden<br />

wider.<br />

Auch kann das Wissen von Unterstützungsangeboten<br />

der Selbsthilfe auf institutioneller und persönlicher<br />

Ebene erweitert werden. Hierdurch wird auch<br />

die Vernetzung von Betroffenen mit Ratsuchenden<br />

und Fachleuten vorangebracht.<br />

Durch unsere Entlastungsangebote soll so insgesamt<br />

ein Beitrag zur Selbstpflege von Eltern, für die<br />

Pflege von Partnerschaften und für den Fokus auf<br />

die gesunden Geschwisterkinder geleistet werden.<br />

Somit wird das gesamte Familiensystem auf der<br />

biopsychosozialen Ebene entlastet.<br />

<strong>knw</strong> Mütterauszeit<br />

Selbstfürsorge und Unterstützung für Eltern mit<br />

chronisch erkrankten Kindern standen im Mittelpunkt<br />

des Seminars „Mütterauszeit“, das im Rahmen<br />

des Projekts „Entlastungsangebote für Eltern<br />

mit Kindern mit chronischen Erkrankungen und Behinderungen“<br />

durchgeführt wurde. Das verlängerte<br />

Wochenendseminar, das vom 31. März bis 2. April<br />

<strong>2023</strong> im Tagungszentrum des Klosters Schmerlenbach<br />

stattfand, bot eine wertvolle Gelegenheit für<br />

Mütter aufzutanken.


Aus dem Kindernetzwerk<br />

29<br />

Die erfahrene psychologische Beraterin Frau Kerstin<br />

Wilke führte als Referentin durch das Seminar.<br />

Als Mutter einer Tochter mit Behinderung konnte<br />

sie nicht nur fachliche Expertise bieten, sondern<br />

auch ihre persönlichen Erfahrungen teilen. Mit einer<br />

Mischung aus Gruppengesprächen, Einzelberatungen<br />

und Entspannungsübungen schaffte Frau<br />

Wilke einen Raum, in dem die Teilnehmerinnen<br />

sowohl praktische Ratschläge als auch emotionale<br />

Unterstützung erhielten.<br />

Birgit Fuchs vom <strong>knw</strong> begleitete die Mütter und<br />

bot Antworten auf alltägliche Fragen wie Pflege,<br />

sozialrechtliche Aspekte und die Betreuung von<br />

Geschwisterkindern.<br />

Die Veranstaltung, die aufgrund hoher Nachfrage<br />

von 12 auf 13 Teilnehmerinnen erweitert wurde,<br />

verdeutlicht das Interesse und den Bedarf solcher<br />

Unterstützungsangebote. Neben dem Wissensaustausch<br />

standen auch kreative Elemente auf dem<br />

Programm, darunter die Gestaltung eines Traumfängers<br />

als Symbol für die kostbare Auszeit.<br />

Die Auswirkungen der anhaltenden Corona-Pandemie<br />

wurden ebenfalls diskutiert, da Familien mit<br />

chronisch kranken Kindern in dieser Zeit oft besonders<br />

herausgefordert waren.<br />

Die Teilnehmerinnen betonten einstimmig die<br />

Bedeutung des Seminars für ihre Erholung, den<br />

Stressabbau und die praktische Anleitung für den<br />

Umgang mit den Herausforderungen des Alltags.<br />

Sie sprachen sich deutlich dafür aus, dass das <strong>knw</strong><br />

dieses Entlastungsangebot weiterführen sollte,<br />

und wünschten sich sogar eine begleitende Nachbetreuung.<br />

Die „Mütterauszeit“ erwies sich nicht<br />

nur als dringend benötigte Pause, sondern auch<br />

als wichtiger Schritt in Richtung langfristiger Unterstützung<br />

für Eltern, die täglich Herausforderungen<br />

bewältigen.<br />

<strong>knw</strong> Väterauszeit<br />

Der Workshop „Väterauszeit in der Natur“ fand<br />

vom 19. bis 21.Mai <strong>2023</strong> statt und beinhaltete Naturübungen,<br />

Reflexion der Vaterrolle und Impulse


30<br />

Aus dem Kindernetzwerk<br />

zur persönlichen Entwicklung und wurde mit dem<br />

Ziel konzipiert, Vätern von chronisch kranken Kindern<br />

und Kindern mit Behinderungen eine wertvolle<br />

Möglichkeit zu bieten, dem Alltagsstress zu<br />

entkommen und eine tiefe Verbindung zur Natur<br />

herzustellen. In Kooperation mit Gunter Beetz und<br />

Martin Noack als Väter- und Familienberater wurden<br />

Aktivitäten gestaltet wie Holzhacken, Schnitzen<br />

und Selbstreflexionen. Ziel war es zudem, Stärken<br />

zu nutzen und persönliches Wachstum zu fördern,<br />

sowohl für die Väter, als auch ihre Familien. Die<br />

Veranstaltung wurde vom <strong>knw</strong> organisiert und Herr<br />

Beetz hat gemeinsam mit Herrn Noack den Ablaufplan<br />

des Wochenendseminars entworfen.<br />

Das Projekt wurde erfolgreich abgeschlossen. Der<br />

Workshop fand am 29. und 30. April <strong>2023</strong> in Fulda<br />

statt und unterstützte gesunde Geschwister in einem<br />

kindgerechten Umfeld. Anhand von Aktivitäten<br />

wie dem Basteln eines „Krankheitskoffers“ und<br />

dem Austausch über persönliche Herausforderungen<br />

wurde ihre Situation thematisiert.<br />

Der zweite Tag konzentrierte sich auf Stärkung, individuelle<br />

Ressourcen und den Umgang mit Gefühlen.<br />

Eltern erhielten spezifische Unterstützung in<br />

der Bewältigung familiärer Belastungen. Der Workshop<br />

stärkte das Selbstbewusstsein der Kinder und<br />

vermittelte den Eltern hilfreiche Strategien.<br />

Der Workshop ermöglichte es sechs Vätern, sich<br />

auszutauschen, vielseitige und erholsame Naturerfahrungen<br />

zu machen und persönlich zu wachsen.<br />

Durch Naturübungen, Gruppendiskussionen, gemeinsame<br />

Mahlzeiten und individuelles Coaching<br />

wurden Selbstreflexion und neue Perspektiven gefördert.<br />

Diese Auszeit half den Vätern, ihre Stärken<br />

als Eltern von besonderen Kindern zu nutzen.<br />

Feedback der Teilnehmer:innen zeigte, dass der<br />

Workshop einen nachhaltigen Effekt erzielte und<br />

geschwisterliche Beziehungen sowie Familienbeziehungen<br />

stärkte. Zudem erhielten die Kinder Teilnahmezertifikate,<br />

um ihre Bemühungen zu würdigen<br />

und ihr Selbstvertrauen zu stärken.<br />

Dieser Artikel wurde verfasst von Birgit Fuchs.<br />

Das Projekt strebt zusätzlich an, eine Plattform für<br />

Väter zu schaffen, um Unterstützung und Gemeinschaft<br />

zu finden. Ein niederschwelliges Angebot ermöglicht<br />

den Austausch und die Entwicklung von<br />

Lösungsansätzen in ähnlichen Situationen.<br />

<strong>knw</strong> Geschwisterworkshop<br />

Der Geschwisterkinder-Workshop „Fit und Stark“<br />

bot gesunden Geschwistern von chronisch kranken<br />

oder behinderten Kindern Unterstützung. Ziel<br />

war es, sie über die Erkrankung zu informieren,<br />

Selbststärkung zu fördern und einen Austausch zu<br />

ermöglichen. Parallel erhielten Eltern gezielte Hilfestellungen.


Aus dem Kindernetzwerk<br />

31<br />

Knw-Projekte<br />

im Bereich Öffentlichkeitsarbeit – eine Auswahl<br />

Gemeinsam unschlagbar<br />

Die Special Olympics World Games <strong>2023</strong> in Berlin<br />

Das Vorurteil, dass Sport und eine chronische Erkrankung<br />

nicht vereinbar sind, ist auch heute noch<br />

allgegenwärtig. Da Eltern, Lehrer:innen und auch<br />

Ärzt:innen mitunter von jeglicher körperlichen Belastung<br />

abraten, verzichten viele chronisch kranke<br />

Kinder und Jugendliche von sich aus auf den Sport.<br />

Dies beeinträchtigt aber nicht nur ihre körperliche<br />

Aktivität, sondern auch ihr Selbstwertgefühl und<br />

Konzentrationsfähigkeit.<br />

„Es gibt rein rechtlich gesehen überhaupt keine<br />

Hemmnisse, dass Kinder mit chronischen Erkrankungen<br />

am Schulsport teilnehmen könnten“, sagt<br />

Kathrin Jackel-Neusser, Geschäftsführerin des <strong>knw</strong>.<br />

Dort sind viele Kinderorganisationen zusammengeschlossen,<br />

die für eine bessere Gesundheitsversorgung<br />

kämpfen.<br />

Wie viel Energie und Spaß Behindertensport macht,<br />

hat das <strong>knw</strong> im Juli <strong>2023</strong> auf den Special Olympics<br />

in Berlin in einem Video eingefangen.<br />

https://youtu.be/LtNaQ5rR0AM<br />

7000 Athlet:innen mit geistiger und mehrfacher<br />

Behinderung aus 190 Nationen traten eine Woche<br />

lang miteinander in 26 Sportarten an. Es war die<br />

größte inklusive Sportveranstaltung weltweit.<br />

Das internationale Event versteht sich als Botschafter<br />

für mehr Anerkennung und gesellschaftliche Teilhabe<br />

von Menschen mit geistiger und mehrfacher<br />

Behinderung. Damit möglichst viele Menschen die<br />

Weltspiele wahrnehmen konnten, die sonst keine<br />

Berührung mit inklusivem Sport haben, fanden die<br />

Spiele in Berlin über die ganze Stadt verteilt statt.<br />

Auch rund elf Medienpartner:innen haben sich zu<br />

einer einzigartigen Presseallianz zusammengefunden,<br />

um mehr Aufmerksamkeit in der Bevölkerung<br />

zu schaffen.<br />

Im Alltag muss sich etwas ändern, auch das <strong>knw</strong><br />

fordert mehr Teilhabe in den Sportvereinen, denn<br />

diese Zahl ist erschreckend: Laut Sven Albrecht,<br />

Geschäftsführer von Special Olympics Deutschland<br />

und des Organisationskomitees der Weltspiele,<br />

hatten vor Corona nur 8 Prozent der geistig und<br />

mehrfach Behinderten Zugang zum Sport. Es wird<br />

vermutet, dass sich die Zahl in der Pandemie noch<br />

weiter verschlechtert hat.<br />

Bund, Länder, Stiftungen und „Aktion Mensch“ haben<br />

deswegen rund 130 Millionen Euro bereitgestellt,<br />

um mit dieser Sportveranstaltung Barrieren<br />

abzubauen und Begegnungen zu schaffen, Inklusion<br />

in die Mitte der Gesellschaft zu bringen.<br />

Bei zahlreichen chronischen Erkrankungen im Kindes-<br />

und Jugendalter gelten Bewegung, Spiel und<br />

Sport als wichtige Säule der Therapie. Angebote für<br />

inklusiven Sport gibt es viele. Unsere Mitgliedsorganisationen<br />

bieten viele Möglichkeiten:<br />

https://www.kindernetzwerk.de/de/agenda/<br />

Themenportal/2020/0124-Sport-mit-chronischkranken-Kindern.php


32<br />

Aus dem Kindernetzwerk<br />

Europäischer Protesttag<br />

- Das <strong>knw</strong> hat mitdemonstriert<br />

Am 5. Mai, dem Europäischen Protesttag zur<br />

Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen,<br />

demonstrierte das Kindernetzwerk in Berlin. Die<br />

Demoroute verlief prominent vom Brandenburger<br />

Tor zum Roten Rathaus. Der „bunte“ Demozug setzt<br />

sich aus verschiedenen Behinderten-, Wohlfahrtsund<br />

Sozialverbänden sowie vielen Einzelpersonen<br />

zusammen. Wir kritisieren die noch immer fehlende<br />

<strong>10</strong>0prozentige Umsetzung der Barrierefreiheit.<br />

Dieses Jahr gingen aber auch vermehrt Eltern mit<br />

Kindern mit Behinderungen auf die Straße, um ihren<br />

Ärger bei einem weiteren Thema kundzugeben:<br />

Die Inklusion an den Berlinern Schulen ist nach wie<br />

vor ungenügend umgesetzt.<br />

hat an diesem Tag Öffentlichkeit für die Belange<br />

von Menschen mit Behinderungen geschaffen: Eigentlich<br />

haben Menschen mit Behinderungen umfangreiche<br />

Rechte, zum Beispiel Inklusion in allen<br />

Lebensbereichen. Aber wenn man sich umguckt, ist<br />

das in keinem Lebensbereich erreicht. „Uns stinkt<br />

das langsam wirklich“, so Geschäftsführerin Kathrin<br />

Jackel-Neusser auf der Demonstration.<br />

Hier geht es zu unserem Film von der Demo:<br />

https://www.youtube.com/watch?v=vePArxBcwxM<br />

„Man stelle sich vor: Jede achte Person in Deutschland<br />

hat eine Behinderung und wird durch die<br />

vielerorts fehlende Barrierefreiheit im Alltag massiv<br />

eingeschränkt. Das betrifft nicht nur Reisen,<br />

sondern fängt gleich in der Förderung der Kinder<br />

in Schulen und Kindergärten an. <strong>2023</strong> haben viele<br />

Eltern mit ihren Kindern die schlechte Inklusion<br />

an den Schulen und Kindergärten beklagt. Das <strong>knw</strong><br />

„Wir werden uns weiterhin laut und stark für eine<br />

gleichberechtigte Teilhabe an Schulen einsetzen.<br />

Gerade dieses Thema war an dem Tag der Grund für<br />

viele Familien mit behinderten Kindern teilzunehmen.<br />

Ihre Wut war laut. Bei ungefähr gleichbleibender<br />

Teilnehmerzahl (rund 500 Demontrant:innen)<br />

wie im letzten Jahr, waren dieses Jahr drei Mal so<br />

viele Kameras dabei: Der Europäische Protesttag<br />

zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen<br />

sorgte für viele Stories, Filme, Interviews, also<br />

für eine breite Medienwirkung.”


Aus dem Kindernetzwerk<br />

33<br />

Mehr Videos über unsere Arbeit, krankheitsübergreifende<br />

Themen und Interviews mit Betroffenen<br />

gibt es auf unseren Youtube-Kanal<br />

Hier unsere weiteren Kanäle im Überblick:<br />

Facebook: kindernetzwerkev<br />

https://www.facebook.com/kindernetzwerkev<br />

Kindernetzwerk711<br />

https://www.youtube.com/channel/UC3IS2JT<br />

1p1ntUVJR7IvJpHg<br />

Twitter: kindernetzwerk1<br />

https://twitter.com/Kindernetzwerk1<br />

Instagram: kindernetzwerk_ev<br />

https://www.instagram.com/kindernetzwerk_ev/<br />

Wissen weitertragen<br />

- Aktive Väter in der Selbsthilfe<br />

„Ich bin ein Helfertyp“<br />

Länderübergreifend vernetzen<br />

Das Kindernetzwerk hat durch Interviews mit Vätern<br />

in der Selbsthilfe herausfinden wollen, wie<br />

sich Väter genau in der Selbsthilfe einbringen, was<br />

andere Väter davon abhält und was ihre politischen<br />

Wünsche für eine funktionierende Selbsthilfe sind.<br />

Einer von den Vätern ist Nicolas Lorente von SCN2A<br />

Germany e.V. und SCN2A Europe. Mit ihm führte<br />

Birte Struntz ein Interview.<br />

Herr Lorente, wie kamen Sie zur Selbsthilfe?<br />

Unser Sohn Erik hatte schon im ersten Lebensjahr<br />

Entwicklungsprobleme, mit zwei Jahren gab es dann<br />

Verdacht auf Autismus, auf die SCN2A-Genmutation<br />

wurde er aber erst mit fünf Jahren diagnostiziert.<br />

Oft löst die Genmutation schwer verlaufende<br />

und schwierig zu therapierende Krampfanfälle (Epilepsien)<br />

aus. Auch werden andere neurologische<br />

Störungen wie Entwicklungsverzögerungen, Autismus,<br />

Schlafstörungen, Muskelspannungsveränderungen<br />

und Magen-Darm-Störungen diagnostiziert.<br />

Bis Erik fünf Jahre alt war, hatte ich noch nicht über<br />

Selbsthilfe nachgedacht, aber dann kam bei unserem<br />

Sohn die Epilepsie hinzu. Traurig, aber wahr:<br />

Die Genetiker haben uns empfohlen, selbst bei<br />

Google zu schauen, was die Krankheit genau bedeutet<br />

und ob es noch andere Betroffene gibt.<br />

So bin ich auf eine Stiftung in Amerika und einen<br />

Verein in Australien gestoßen, während die Selbsthilfe<br />

in Europa noch ganz am Anfang stand. Es haben<br />

vielleicht je <strong>10</strong>0 bis 200 Familien aus den USA,


34<br />

Aus dem Kindernetzwerk<br />

Australien und Europa diesen diagnostizierten Gendefekt.<br />

Eine Koordination gleich auf europäischer<br />

Ebene ist also wichtig, da die Zahl der Betroffenen<br />

so klein ist. Ich bin Spanier, habe in Frankreich studiert,<br />

bin also sehr europäisch orientiert, so dass<br />

für mich dann klar war: Es braucht eine Struktur,<br />

der europaweit aufgestellt ist und alle miteinander<br />

vernetzt. Und so habe ich die anderen Familien<br />

europaweit kontaktiert und eine geschlossene<br />

FB-Gruppe erstellt mit dem Ziel, irgendwann einen<br />

‚europäischen‘ Verein zu gründen. Letztes Jahr wurde<br />

dann der Verein im deutschsprachigen Raum<br />

gegründet (SCN2A Germany e.V.). Auch weitere<br />

nationale Vereine wurden in den letzten Jahren<br />

gegründet – das zeigt, dass SCN2A auch in Europa<br />

immer relevanter wird.<br />

Was machen Sie in Ihrer Selbsthilfe-Organisation?<br />

Ich bin ein Helfertyp: Da es so wenig diagnostizierte<br />

Kinder gibt, müssen wir alle betroffenen Familien<br />

zusammenbringen, damit sie sich an Studien beteiligen,<br />

um Medikamente zu entwickeln. In den<br />

USA wurden Studien gestartet, aber leider gibt es<br />

Probleme, genügend Kinder für die Studien zu rekrutieren.<br />

Wir kennen diese Situation leider nur zu gut: Es<br />

gäbe eigentlich ausreichend betroffene Fälle, aber<br />

sie werden erstens zu spät – als junge Erwachsene<br />

– diagnostiziert, wenn überhaupt, zweitens, die<br />

betroffenen Familien wissen nichts von möglichen<br />

Studien. Ihnen muss geholfen werden! Ich will so<br />

viele Familien wie möglich vernetzen. Das dritte<br />

Problem sind die fehlenden Übersetzungen der Dokumentation<br />

über Studien. Die Folge: Viele Familien,<br />

die die Fragebögen nur auf Englisch bekommen<br />

und die Sprache nicht verstehen, nehmen dann<br />

nicht teil. Bürokratische Hürden dürfen kein Ausschlusskriterium<br />

sein. Wir brauchen mehrsprachige<br />

Ansprachen! Hier zu helfen, darin sehe ich eine<br />

meiner Hauptaufgaben.<br />

Wie wirkt sich die Beteiligung der Väter in der<br />

Selbsthilfe auf die Kinder aus?<br />

Ich bin Ingenieur und eher pragmatisch: In der<br />

Krankheitsdiagnose geht es immer wieder um das<br />

Thema Forschung, um Studien, warum wir mit den<br />

Pharmakonzernen kooperieren sollten. Das ist eher<br />

meine Schiene. Mütter sind eher in der Unterstützung<br />

der Familien, Väter eher in der medizinischen<br />

Recherche, in der Diagnostik. Das sind meiner Meinung<br />

nach die beiden Schienen und eine gute Aufteilung.<br />

Einer allein kann nicht alles abdecken. Ich<br />

frage mich auch, ob es gesund für eine Beziehung<br />

ist, wenn sich die Mutter um alles kümmert? Wenn<br />

sich die Väter komplett abschirmen?<br />

Wie bekommt man mehr Männer in die Selbsthilfe?<br />

Das ist eine gute Frage. Ich sehe, dass sich die Väter<br />

oft außerhalb der Krankheit bewegen und nicht<br />

in den Verein involviert werden wollen. Es wäre<br />

schön, wenn sich mehr Väter engagieren würden,<br />

aber jede Familie hat genug mit ihrem besonderen<br />

Alltag zu tun, es ist sehr schwierig sie zu locken, oft,<br />

weil die Väter die (alleinigen) Hauptverdiener der<br />

Familie sind. Hinzu kommt die Sprachbarriere: Da<br />

der Gendefekt so selten ist, gibt es viele Sprachen,<br />

in denen man sich austauscht.<br />

In unseren regen geschlossenen FB-Gruppen allerdings<br />

sind alle Geschlechter gut vertreten: Hier fragen<br />

alle Gleichgesinnte frei nach Medikamenten,<br />

Verhaltensauffälligkeiten. Es gibt dort viele Informationen<br />

zu Studien, Krankheit, Veranstaltungen,<br />

Konferenzen.<br />

Und auch in der WhatsApp-Gruppe unseres deutschen<br />

Vereins tauschen sich die Familien ideenreich<br />

aus. Das ist sensationell. Denn das größte Problem<br />

ist ja nicht nur die geistige Behinderung und<br />

Epilepsie der Kinder, sondern vor allem die schwere<br />

Dauerbelastung der Familien. Der Austausch genau<br />

darüber ist für die Familien wahnsinnig wichtig.


Aus dem Kindernetzwerk<br />

35<br />

Was wünschen Sie sich als Vater in der Selbsthilfe<br />

von der Politik?<br />

Mein Thema ist die Diagnostik. Es ist noch viel zu<br />

unbekannt, dass die Gen-Diagnostik seit 2021 von<br />

der gesetzlichen Krankenkasse bezahlt wird. Das ist<br />

eine wichtige Information für die Familien, die noch<br />

keine Diagnose haben. Die Patientenaufklärung<br />

muss besser laufen: Auch, dass es erlaubt ist, eine<br />

zweite Meinung zu erhalten, und dass sich betroffene<br />

Eltern an Zentren für seltene Erkrankungen<br />

wenden können.<br />

Nur so können mehr Kinder diagnostiziert werden.<br />

Es gibt rund 8000 seltene Erkrankungen, davon<br />

sind rund 50 Prozent neurologisch. Viele davon<br />

kann man mit Gentests feststellen! Das ist manchmal<br />

eine lebensrettende Information, die breiter<br />

veröffentlicht werden muss.<br />

Nehmen Sie Kontakt auf:<br />

Nicolas Lorente,<br />

SCN2A Germany e.V.<br />

https://www.scn2a.de<br />

Hochdahler Str. <strong>10</strong>0<br />

40724 Hilden<br />

E-mail: info@scn2a.de<br />

SCN2A Europe<br />

https://www.scn2a.eu<br />

Geitauer Str. 2<br />

81379 München<br />

E-mail: scn2a@web.de<br />

Dieses Interview entstand mit Förderung des GKV<br />

im Rahmen der Empowerment-Kampagne<br />

Wissen weitertragen<br />

Alexander Exner ist ein weiterer engagierter Vater,<br />

der lange im Vorstand des „Bundesverband<br />

Angeborene Gefäßfehlbildungen e.V.“ tätig war, da<br />

seine Tochter mit einer arterio-venösen Gefäßfehlbildung<br />

geboren wurde. Es ist eine seltene Erkrankung<br />

mit rund 6000 Betroffenen. Erkrankungen<br />

werden als selten bezeichnet, wenn nicht mehr als<br />

5 von <strong>10</strong>.000 Menschen daran erkrankt sind. Durch<br />

Exners Erfahrungen und sein angereichertes Wissen<br />

hat er in dem Selbsthilfeverein bis heute vielen<br />

anderen betroffenen Eltern weiterhelfen können.<br />

In dem Interview mit dem <strong>knw</strong> verrät er, warum es<br />

wichtig ist, als Vater aktiv in der Selbsthilfe tätig zu<br />

sein …


36<br />

Aus dem Kindernetzwerk<br />

Herr Exner, was hat Sie dazu angespornt, sich aktiv<br />

in der Selbsthilfe zu engagieren?<br />

Die Erkrankung meiner Tochter wurde erst nach der<br />

Geburt festgestellt. Der Arzt in der Uniklinik kannte<br />

selbst nur zwei Fälle und hatte daher über diese Art<br />

der Gefäßfehlbildung sehr wenig Fachwissen. Und<br />

das Internet brachte zu der damaligen Zeit auch nur<br />

wenig Informationen. Klar, dass wir als Familie – das<br />

ganze familiäre Umfeld – sehr schnell resignierten.<br />

Dann hörte ich vom Kindernetzwerk, das mir eine<br />

zusammengestellte Infomappe über diese spezielle<br />

seltene Erkrankung zuschickte. Nach einiger Zeit<br />

ergab sich der Kontakt zu weiteren betroffenen Eltern<br />

mit speziell dieser Erkrankung und darüber zur<br />

Selbsthilfegruppe, die jetzt schon sehr lange der<br />

Bundesverband Angeborene Gefäßfehlbildungen<br />

e.V. ist.<br />

Damals war die Selbsthilfegruppe noch recht klein,<br />

aber schon so gut strukturiert, dass etliche Erfahrungs-<br />

und Behandlungsberichte von Ärzt:innen<br />

geteilt werden konnten. Um die Lebenssituation<br />

meiner Tochter und die von anderen Kindern mit<br />

angeborenen Gefäßfehlern weiter zu verbessern,<br />

entschloss ich mich, der Selbsthilfe beizutreten<br />

und Wissen über diese seltene Erkrankung anzureichern.<br />

Warum braucht es mehr aktive Väter in der Selbsthilfe?<br />

Um bei allen ärztlichen Entscheidungen mit dem<br />

behandelten Arzt oder der Ärztin auf Augenhöhe<br />

sprechen zu können, ist es für betroffene Eltern<br />

sehr wichtig, ausführliches Wissen über die Erkrankung<br />

ihres Kindes zu erlangen. Deswegen war es für<br />

mich wichtig, mein erlangtes Wissen mit anderen<br />

betroffenen Eltern zu teilen. Sollte die chronische<br />

oder auch seltene Erkrankung schon im Kleinkindalter<br />

auftreten, können Väter in der Selbsthilfegruppe<br />

aktiv zur Verbesserung der Lebenssituation ihrer<br />

Kinder und des Alltags in der Familie beitragen.<br />

Was gibt Ihnen die Selbsthilfe?<br />

Aktive Väter bekommen eine sehr große Selbstbestätigung,<br />

zum Beispiel wenn sie hören, wie durch<br />

ihr Wissen auch anderen Kindern weitergeholfen<br />

werden konnte. Auch Anfragen sogar von Kliniken<br />

und Therapeut:innen, die Hilfe von der jeweiligen<br />

Selbsthilfegruppe benötigen, bestätigen uns, dass<br />

deren Arbeit eine wertvolle Aufgabe in der Gesellschaft<br />

ist.<br />

Für mich als Mitglied der Selbsthilfegruppe ist es<br />

deshalb sehr bedeutsam, mich in diesem Netzwerk<br />

einzubringen, um maßgebend an der Entwicklung<br />

der Selbsthilfe mitzuwirken.<br />

Wichtig ist aber, dass man sich nicht übernimmt.<br />

Man muss die Aktivität in einer Selbsthilfegruppe<br />

sehen wie zum Beispiel in einem Sportverein. Jeder<br />

aktive Vater sollte nur so viel Zeit investieren, wie<br />

es sich noch gut anfühlt. Damit das Miteinander<br />

der betroffenen Väter nicht zu kurz kommt, pflegen<br />

wir jährliche Treffen, auf denen sich alle austauschen<br />

können.<br />

Die Selbsthilfe wird zum Großteil von betroffenen<br />

Müttern gestemmt. Wie wirkt sich die Beteiligung<br />

der Väter in der Selbsthilfe auf die Kinder aus?<br />

Das betroffene Kind respektiert seinen Vater noch<br />

mehr, wenn die Last der Behinderung nicht nur auf<br />

die Mutter verteilt ist. Auf unseren Treffen, auf denen<br />

sich Väter aktiv durch verschiedene Aktionen<br />

wie zum Beispiel gemeinsames Lagerfeuer, sportlichen<br />

Angeboten usw. einbringen, haben die Kinder<br />

sehr viel Spaß und vergessen für einige Zeit ihre<br />

Erkrankung. Sie sehen, dass der Vater, der sich engagiert<br />

und sich mit der Erkrankung seines Kindes<br />

auseinandersetzt, nicht nur die Rolle des „Brotgebers“<br />

in der Familie hat.


Aus dem Kindernetzwerk<br />

37<br />

Was wünschen Sie sich als Vater in der Selbsthilfe<br />

der Politik?<br />

Gerade für aktuelle Informationen von neuen Kliniken,<br />

neuen spezialisierten Ärzt:innen und neuen<br />

Therapien ist es erforderlich, zu bundesweiten Kongressen<br />

und ähnlichen Tagungen zu fahren. Dafür<br />

bedarf es immer einiger Tage Urlaub, die Teilnahme<br />

kann nicht in der Freizeit erfolgen. Ich weiß<br />

von weiteren aktiven Vätern aus der Selbsthilfe,<br />

die dafür gern mehr Zeit investieren würden. Deswegen<br />

ist mein Vorschlag, den betroffenen Vätern<br />

von chronisch kranken Kindern mehr Selbsthilfe-<br />

Urlaubstage zu gewähren, natürlich unter der Bedingung,<br />

dass sich die Väter auch wirklich aktiv in<br />

der Selbsthilfe einbringen.<br />

Mehr Starke Väter in der Selbsthilfe gibt es hier:<br />

https://www.kindernetzwerk.de/de/agenda/The<br />

menportal/<strong>2023</strong>/Starke-Vaeter.php


38<br />

Aus dem Kindernetzwerk<br />

Seminare und Auszeiten<br />

Betroffene Kinder und Jugendliche mit seltenen, chronischen Erkrankungen und<br />

Behinderungen, ihre Angehörigen sowie Selbsthilfevereine benötigen im besonderen Maß<br />

speziell auf ihre Belange ausgerichteter Unterstützung - sozial, strukturell, rechtlich.<br />

Deswegen bietet die Akademie des Kindernetzwerks viele verschiedene krankheitsübergreifende<br />

Weiterbildungs- und Unterstützungsseminare an - immer mit dem Bezug der Selbsthilfe.<br />

Hier geht es zum Überblick unserer Akademie...<br />

Weitere Termine:<br />

Am 27.<strong>10</strong>. findet eine Fotoausstellung des Paulinchen<br />

e.V. anlässlich des 30. Jubiläums statt. Der<br />

Verein ist eine bundesweite Anlaufstelle, an die<br />

sich Familien mit brandverletzten Kindern und Jugendlichen<br />

jederzeit wenden können, um für jedes<br />

brandverletzte Kind die bestmögliche Versorgung<br />

zu erreichen und präventiv auf Unfallursachen hinzuweisen.<br />

Die Fotoausstellung unter dem Namen: „Ein Teil<br />

von mir – Narben machen (k)einen Unterschied“<br />

findet um 14.00 Uhr in der Circle Culture Gallery,<br />

Bismarckstrasße 98, 20253 Hamburg statt.<br />

Das Kindernetzwerk und der Verband forschender<br />

Arzneimittelhersteller e.V. (vfa) laden am<br />

22.11.<strong>2023</strong> zur Onlineveranstaltung „Passend für<br />

die jungen Patient:innen – Herausforderungen und<br />

Lösungsansätze bei Klinischen Studien“ ein.<br />

Die Junge Selbsthilfe trifft Politik am 29.11.<strong>2023</strong>.<br />

Es findet ein Austausch mit der Politik und jungen<br />

Betroffenen.<br />

Das Treffen findet auf Einladung von Corinna Rüffers<br />

statt. Sie ist die behindertenpolitische Sprecherin<br />

der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen<br />

und seit 2013 im Bundestag. Sie hat zahlreiche<br />

Vorerfahrungen in unserem Bereich: So hatte sie<br />

zum Beispiel Arbeitskontakt zu Menschen mit Beeinträchtigungen,<br />

ist im Bundestag Sprecherin für<br />

Behindertenpolitik und Bürgerangelegenheiten der<br />

Grünen-Bundestagsfraktion sowie Mitglied im Ausschuss<br />

für Arbeit und Soziales des Bundestages und<br />

im Petitionsausschuss und dort auch Obfrau ihrer<br />

Fraktion sowie stellvertretendes Mitglied im Gesundheits-<br />

und im Bildungsausschuss. Gemeinsam<br />

mit ihr organisieren wir ein Treffen der inklusionspolitischen<br />

Sprecher:innen der Parteien im Bundestag,<br />

um mit ihnen allen zu diskutieren.<br />

Weitere Seminare auch aus unserem Netzwerk<br />

finden Sie in unseren Terminen...<br />

Spenden an das Kindernetzwerk<br />

Wenn Sie unsere Arbeit für die Betroffenen unterstützen<br />

wollen, freuen wir uns sehr über Spenden,<br />

auf die wir dringend angewiesen sind. Vielleicht<br />

könnte eine Firma in Ihrem Umfeld für das Kindernetzwerk<br />

spenden oder Fördermitglied werden?


Aus dem Kindernetzwerk<br />

39<br />

Ausgleich zwischen „mir und meinen Bruder“<br />

- Leben mit einem betroffenen Geschwisterkind<br />

Chronische Krankheiten oder Behinderungen bei<br />

Kindern belasten die ganze Familie, denn die Versorgung<br />

des kranken oder behinderten Kindes ist<br />

mit einem hohen zeitlichen Aufwand verbunden.<br />

Da muss oft das gesunde Geschwisterkind zurückstecken.<br />

Wie auf den Eltern lastet der Druck, dass<br />

alles zu schaffen, auch auf den Geschwisterkindern.<br />

Wie sich das Leben mit einem kranken Geschwisterkind<br />

gestaltet, erzählt Matti Schrödel, 18 Jahre,<br />

vom Netzwerk Hypophysen- und Nebennierenerkrankungen<br />

e.V. in einem Interview mit dem <strong>knw</strong>.<br />

ist dafür da, Stress abzubauen. Seit der Diagnosestellung<br />

nimmt mein Bruder daher Hydrocortison-<br />

Tabletten und das ist für ihn lebensnotwendig. In<br />

besonderen Stress-Situationen und bei nicht ausreichender<br />

Hydrocortison-Ausschüttung kann es zu<br />

einer sogenannten Addison-Krise kommen: Dabei<br />

verschlechtert sich der Allgemeinzustand bis hin<br />

zum Schock. Ohne schnelle Hilfe ist das lebensgefährlich.<br />

Weil wir aber nach dem Unfall erst einmal herausfinden<br />

mussten, was er überhaupt hatte, ging es<br />

in den Jahren nach seinem Unfall natürlich sehr<br />

viel um ihn. Das erste Jahr nach dem Unfall konnte<br />

und wollte mein Bruder nicht in die Schule gehen.<br />

Danach ging er auf eine zweimonatige Kur. Meine<br />

Eltern haben in der Zeit versucht, mich gleich zu<br />

behandeln, trotzdem stand er im Mittelpunkt. Ich<br />

habe zu dieser Zeit mitansehen müssen, wie traurig<br />

meine Eltern waren. Ich war in der Zeit, in der mein<br />

Bruder mit meiner Mutter auf Kur war, oft allein.<br />

Dennoch habe ich mich von meinen Eltern gesehen<br />

gefühlt. Das liegt bestimmt daran, dass meine<br />

Eltern auch sehr viel Wert auf den Ausgleich zwischen<br />

mir und meinem Bruder gelegt haben.<br />

Matti, beschreibe einmal deine Familienkonstellation.<br />

Als mein Bruder 13 Jahre alt war, wurde er bei einem<br />

Fußballspiel gegen den Kopf getreten. Durch<br />

das Trauma wurde seine Hypophyse, eine Hirnanhangsdrüse,<br />

beeinträchtigt. Die sich in seinem Fall<br />

daraus ergebende Erkrankung nennt sich „Hypophyseninsuffizienz“.<br />

Mein Bruder kann nicht mehr<br />

genügend Kortisol ausschütten. Dieses Hormon<br />

Was ist für Dich als Geschwisterkind belastend?<br />

Meine Eltern engagieren sich in Organisationen und<br />

Vereinen, die sich mit der Krankheit meines Bruders<br />

befassen. Dadurch fühle ich mich manchmal<br />

etwas benachteiligt: Manchmal finde ich es schon<br />

blöd, dass mein Bruder oft im Mittelpunkt steht,<br />

dass sich viel um ihn dreht. Ich weiß aber, dass er<br />

diese Aufmerksamkeit braucht und, wie beschrieben,<br />

seine Krankheit ja nicht zu unterschätzen ist.<br />

Das zu erkennen, hat bei mir aber auch gedauert:


40<br />

Aus dem Kindernetzwerk<br />

Nach dem Unfall habe ich lange nicht verstanden,<br />

wie schwer seine Krankheit ist, weil man sie nicht<br />

sah. Ich konnte nicht glauben, dass er wirklich beeinträchtigt<br />

ist. Das führte dazu, dass ich nicht auf<br />

seine Krankheit geachtet habe und manchmal unnötigen<br />

Stress verursacht habe. Nun fühle ich mich<br />

schon verantwortlich, auf ihn achtzugeben.<br />

Wie ist Deine Geschwisterbeziehung?<br />

Streit gibt es ja zwischen allen Geschwistern. Da<br />

mein Bruder diesen Streit aber nicht immer so gut<br />

verkraftet, versuchen wir, ihn so - gut es geht - zu<br />

vermeiden. Trotz Krankheit ist die Beziehung nicht<br />

anders als die zwischen anderen Geschwistern.<br />

Du bist mit Deiner Mutter in der Selbsthilfe aktiv,<br />

warum?<br />

Es fing damit an, die Krankheit besser zu verstehen,<br />

um meinem Bruder zu helfen und ihm im Notfall<br />

zur Seite zu stehen. Dafür hat sich meine Mutter<br />

schlau gemacht. Auch ich bin in der Selbsthilfe aktiv,<br />

um meinem Bruder zu helfen. Wir setzen uns<br />

nun für Betroffene mit der gleichen Erkrankung ein.<br />

Ich als Geschwisterkind bin weniger in der Selbsthilfe<br />

aktiv, da ich mich nicht so beeinträchtigt fühle.<br />

Ich konnte meine eigenen Wege ohne die Probleme,<br />

die von der Behinderung meines Bruders ausgehen,<br />

gehen. Meine Eltern geben auch ihr Bestes,<br />

uns beide gleich zu behandeln und mich und meinen<br />

Bruder bei unseren Träumen zu unterstützen.<br />

Viele Jugendliche wollen sich nicht mit der Erkrankung<br />

auseinandersetzen. Wie ist es bei Euch?<br />

Ich probiere, meinen Bruder bei seiner Behinderung<br />

zu unterstützen. Da sich meine Mutter sehr<br />

viel mit der Krankheit auseinandergesetzt hat, bekomme<br />

ich auch schon Einiges mit und probiere<br />

auch, selbst etwas dafür zu tun, dass es meinem<br />

Bruder gut geht. Ich habe auch schon einmal eine<br />

Ersthilfeschulung mitgemacht, um meinem Bruder<br />

im Notfall besser helfen zu können. Sonst habe ich<br />

mich genau über seine Krankheit und die Folgen informiert,<br />

so dass ich im Notfall weiß, was zu tun ist<br />

und wie ich zu reagieren habe.<br />

Welche Hilfen als Geschwisterkind hast Du in Anspruch<br />

genommen und wie haben sie geholfen?<br />

Bisherige Angebote für Geschwisterkinder sind<br />

nicht so gut auf mich abgestimmt gewesen: Ein<br />

Geschwisterkinder-Workshop, den ich mal mitgemacht<br />

habe, war gar nicht für mich, sondern für<br />

jüngere Geschwister ausgelegt. Und irritiert hat<br />

mich, dass manche Geschwister, die auch dort waren,<br />

gar nichts über die Krankheit ihrer Geschwister<br />

wussten. Mich hat das sehr verwirrt, da die Krankheit<br />

bei uns ein großes Thema ist. Um sich besser<br />

zu helfen, muss man sich mit der Krankheit auskennen.<br />

Erst dann entwickelt man ein Verständnis dafür.<br />

Warum ist Selbsthilfe wichtig?<br />

Ich finde Selbsthilfe wichtig, weil sich verschiedene<br />

Gruppen über ihre Situation untereinander austauschen<br />

können. Selbsthilfe ist ein guter Weg, mit<br />

dem sich Betroffene und betroffene Angehörige<br />

untereinander finden und helfen können.<br />

Der Alltag einer betroffenen Familie ist nicht einfach,<br />

was hat es dir aber vielleicht auch an positiven<br />

Aspekten gebracht?<br />

Eines, was er mich gelehrt hat, ist, stark zu bleiben<br />

und dass es immer eine Lösung gibt. Ich habe mir<br />

auch etwas mehr Selbständigkeit angeeignet. Ich<br />

weiß nicht genau, ob es darauf zurückzuführen<br />

ist, aber durch diese Selbständigkeit habe ich auch<br />

Träume, die ich erreichen will.<br />

Die Fragen stellte Birte Struntz, Kindernetzwerk.


Aus dem Kindernetzwerk<br />

41<br />

Unsere Mitglieder im<br />

Kindernetzwerk<br />

Hier stellen wir zwei neue Mitgliedsorganisationen<br />

aus unseren Reihen vor.<br />

Netzwerk Goldenhar-Syndrom und<br />

Ohrmuscheldysplasie e.V.<br />

Wer wir sind<br />

Der Verein „Netzwerk Goldenhar-Syndrom und<br />

Ohrmuscheldysplasie e.V.“ wurde im Mai 2005<br />

als Selbsthilfegruppe gegründet. Sein Anliegen ist<br />

der Informations- und Erfahrungsaustausch im<br />

deutschsprachigen Raum zwischen Kindern und<br />

Erwachsenen mit Goldenharsyndrom und deren<br />

Familien und Angehörigen.<br />

Bei dem Goldenhar-Syndrom handelt es sich um<br />

eines der zahlreichen Kiemenbogenfehlbildungs-<br />

Syndrome: Es wird auch manchmal als Hemifaziale<br />

Mikrosomie oder Okulo-Aurikulo-Vertebrales Spektrum<br />

(OAVS) bezeichnet. Das Syndrom zeigt sich in<br />

seinem Erscheinungsbild sehr variabel, doch treten<br />

ganz charakteristische Fehlbildungskomplexe im<br />

Bereich der Augen, der Ohren, des Gesichtsschädels,<br />

des Kiefers, der Wirbelkörper und der inneren<br />

Organe auf. Meist ist jedoch nur eine Körperhälfte<br />

betroffen und die Fehlbildungen zeigen sich in stark<br />

unterschiedlichen Ausprägungen. Das Goldenhar-<br />

Syndrom tritt sehr selten auf und die Erforschung<br />

der Ursachen für die auftretenden Fehlbildungen<br />

ist längst nicht abgeschlossen.<br />

Wir wollen erreichen, dass möglichst alle Betroffenen<br />

Chancen auf bestmögliche Versorgung<br />

haben. Wie bei allen selten auftretenden Krankheitsbildern<br />

sind die Betroffenen vielfach auf Eigeninitiative<br />

angewiesen, um umfassende Informationen<br />

über das Krankheitsbild und entsprechende<br />

Behandlungsmethoden bzw. -alternativen zu erschließen.<br />

Dieses wollen wir gemeinsam ermöglichen.<br />

Was wir machen<br />

Die Familien treffen sich einmal jährlich am Himmelfahrt-Wochenende<br />

zur Informationsveranstaltung<br />

und zum praktischen Austausch zwischen<br />

den Familien. Hierzu werden Spezialist:innen<br />

(Therapeut:innen, Mediziner:innen, Psycholog:innen<br />

etc.) eingeladen. Die Referent:innen halten Vorträge<br />

und Diskussionsrunden zu aktuellen, die<br />

Krankheit betreffenden Themen. Vor allem „neue“<br />

Familien finden hier die Gelegenheit, den psychosozialen<br />

Ausnahmezustand aufzufangen, in dem<br />

man sich als betroffene Familie oft wiederfindet.<br />

Wir als Verein unterstützen wissenschaftliche Forschungsvorhaben<br />

zu Ursachen, Diagnostik und Behandlung<br />

des Goldenhar-Syndroms bzw. der Ohrmuscheldysplasie.<br />

Der Verein arbeitet zusammen mit Mediziner:innen,<br />

Therapeut:innen und Pädagog:innen, mit kommunalen<br />

und staatlichen Institutionen, Forschungseinrichtungen,<br />

Medien, Unternehmen, Stiftungen<br />

und Verbänden, um das Krankheitsbild bei<br />

Ärzt:innen,Therapeut:innen und Pädagog:innen<br />

sowie in der Öffentlichkeit bekannter zu machen.


42<br />

Aus dem Kindernetzwerk<br />

Ein weiterer und wesentlicher Fokus liegt auf den<br />

Geschwisterkindern. Vor allem in der ersten Zeit<br />

nach der Diagnosestellung nehmen diese “Schattenkinder”<br />

einen Platz im Hintergrund der Familie<br />

ein. Bei uns treffen betroffene und nicht betroffene<br />

Kinder Geschwister mit ähnlichen Konstellationen.<br />

Der Erfahrungsaustausch der Kinder untereinander<br />

bringt viele positive Effekte mit sich. Hier werden<br />

vielfach Freundschaften geschlossen, die auch außerhalb<br />

der Treffen weiter gepflegt werden.<br />

Mehr Informationen & Kontakt<br />

www.goldenhar.de<br />

verein@goldenhar.de<br />

Telefonnummern für regionale Kontakte sind zu<br />

finden unter http://goldenhar.de/pages/kontakt.php<br />

Von Eltern für Eltern von Kindern<br />

mit Lichen sclerosus<br />

Lichen sclerosus (LS) ist eine chronische, entzündliche, nicht ansteckende Hauterkrankung des<br />

äußeren Genitalbereichs (Vulvahaut und Haut um den Anus wie eine 8), die Scheide ist nie<br />

betroffen. Bei Jungs äußert sich LS in einer Phimose. Werden die Jungs schnellstmöglich total<br />

beschnitten, haben sie eine große Chance, danach geheilt zu sein.<br />

Symptome<br />

Bei Kindern mit Juckreiz und Brennen im Anal- und<br />

Genitalbereich wird oft zuerst an einen Pilz gedacht.<br />

Pilzinfektionen bei Kindern vor der Pubertät<br />

sind aber eher selten. Bei kleinen Kindern sollte in<br />

solchen Fällen auch an LS gedacht werden.<br />

Es zeigen sich oft auch Risse und blutige Stellen am<br />

äußeren Genitale sowie am Anus. Viele Kinder leiden<br />

begleitend an einer Verstopfung. Ein Hinweis<br />

ist auch eine weißliche porzellanartige Vulvahaut.<br />

Diagnostik<br />

Die Diagnosestellung erfolgt durch den fachkundigen<br />

Arzt mittels einer Blickdiagnose. Eine Gewebeentnahme<br />

sollte bei Kindern möglichst nicht gemacht<br />

werden und ist auch nicht nötig.<br />

Therapie<br />

Die Therapie erfolgt mit hochdosiertem Kortison<br />

der Wirkstoffklasse III oder IV und sehr guter Fettpflege<br />

des anogenitalen Bereichs.<br />

Bei Jungen empfiehlt es sich, nach einer Beschneidung<br />

eine feingewebliche Untersuchung der<br />

Vorhaut machen zu lassen, um die Diagnose LS<br />

aus- oder einzuschließen. Eventuell ist eine Nachbehandlung<br />

mit Kortison nötig.<br />

Hilfe zur Selbsthilfe - Angebote<br />

Wir begleiten die Eltern, die durch die chronische<br />

Erkrankung ihres Kindes stark herausgefordert werden.<br />

Der Austausch mit betroffenen Eltern ist sehr<br />

hilfreich, um mit der Erkrankung und der Diagnoseverarbeitung<br />

nicht allein zu sein.


Aus dem Kindernetzwerk<br />

43<br />

Wir führen dazu regelmäßig virtuelle Treffen mit Eltern<br />

durch, oftmals sind auch die Kinder dabei. Es<br />

hilft den Kindern zu sehen, dass auch andere Kinder<br />

die Erkrankung haben. Die virtuellen Treffen sind<br />

eine gute Gelegenheit, sich auch von zuhause aus<br />

mit anderen Eltern auszutauschen. Es ist dafür keine<br />

Reisetätigkeit nötig.<br />

Beratungstelefonate mit einer Mutter eines betroffenen<br />

Mädchens gehören als wichtiger Pfeiler zur<br />

Selbsthilfe.<br />

Virtuelle Workshops zu Themen wie Pflege,<br />

Schwimmen, Baden, Reiten, Fahrradfahren helfen<br />

dabei, die Eltern und Kinder darin zu bestärken,<br />

dass trotz LS alles möglich ist: „Was dem Lichen<br />

nicht schadet und mir guttut, werde ich weiterhin<br />

machen!“<br />

In unserem daten- und persönlichkeitsgeschützten<br />

Mitgliederbereich geben wir den Eltern viele<br />

nützliche Dokumente an die Hand. Dort stellen wir<br />

auch Foren zur Verfügung, in denen die Eltern sich<br />

austauschen und über PN (Persönliche Nachricht)<br />

vernetzen können.<br />

Es gibt auch schon viele regionale Betroffenen-<br />

Austauschgruppen in ganz Deutschland, zu denen<br />

natürlich selbstverständlich auch Mütter jederzeit<br />

willkommen sind!<br />

Mitgliedschaft<br />

Die Mitgliedschaft in unserem Verein kostet € 30,00<br />

im Kalenderjahr. Ab 1. Dezember gilt die Mitgliedschaft<br />

für das gesamte Folgejahr. Die Treffen sind<br />

alle kostenlos, auch die virtuellen Workshops, die<br />

aus unseren Reihen bestritten werden.<br />

Mehr Informationen<br />

Webseite www.lichensclerosus.de<br />

E-Mail kontakt@lichensclerosus.de


Aus dem Kindernetzwerk<br />

Aus Politik & Gesellschaft


Aus Politik & Gesellschaft<br />

45<br />

Politischer Forderungskatalog<br />

„Berliner Appell“<br />

– nun unsere Agenda für<br />

kommende Politikgespräche<br />

Unseren „Berliner Appell“ stellten wir im September<br />

<strong>2023</strong> zunächst der Expertin für Bildung<br />

und Inklusion MdB Nina Stahr (GRÜNE) vor.<br />

Außerdem sendeten wir diesen allen Bundestagsabgeordneten<br />

zu.<br />

Auch dem Patientenbeauftragten der Bundesregierung<br />

Stefan Schwartze konnten Mitglieder<br />

unserer Junge Selbsthilfe im Kindernetzwerk die<br />

Forderungen des Appells erläuterten.<br />

Im Oktober <strong>2023</strong> bewerben wir die einzelnen Forderungsteile<br />

des „Berliner Appells“ nun per social<br />

media und in einzelnen politischen Gesprächen,<br />

wobei wir uns immer auf die jeweiligen Gebiete<br />

des jeweiligen Gesprächspartners bzw. der -partnerin<br />

konzentrieren werden.<br />

Hier abgedruckt und auf der Homepage finden<br />

Sie den Appell in der gesamten Länge. Nutzen Sie<br />

diesen Forderungskatalog bitte für Ihre Politikarbeit,<br />

teilen Sie diesen, zitieren Sie aus diesem<br />

und senden sie diesen sehr gerne an Ihre Bundestagsabgeordneten<br />

– zusammen sind wir stark!<br />

<strong>knw</strong> Forderungskatalog<br />

Der Berliner Appell <strong>2023</strong><br />

Anlässlich unseres 30jährigen Jubiläums haben wir mit unseren Mitgliedern den „Berliner<br />

Appell“ aktualisiert. In diesem bündeln wir die wichtigsten Forderungen betroffener Kinder,<br />

Jugendlicher und junger Erwachsener mit chronischen Erkrankungen und Behinderungen sowie<br />

deren Familien. Wir bitten Politik und Leistungsträger um die Umsetzung dieser Forderungen.<br />

Handlungsfeld 1:<br />

Entlastung und Unterstützung im Alltag sicherstellen<br />

Die hohen Belastungen der Familien durch die tagtäglichen<br />

Anforderungen der Versorgung des erkrankten<br />

oder behinderten Kindes ist den Verantwortlichen<br />

hinreichend bekannt. Die vorgesehenen<br />

entlastenden Leistungen insbesondere der Pflegeversicherung<br />

können jedoch nicht im notwendigen<br />

Umfang abgerufen oder in Anspruch genommen<br />

werden, denn in nahezu allen unterstützenden Bereichen<br />

führt fehlendes Personal zu strukturellen<br />

Mängeln. Darüber hinaus wird häufig die besondere


46<br />

Aus Politik & Gesellschaft<br />

Lebensphase „Kindheit“ nicht ausreichend berücksichtigt.<br />

Hier braucht es Leistungen und Angebote,<br />

die mehr auf den Personenkreis fokussieren.<br />

Arbeiten lässt. Damit einhergehend fordern wir<br />

eine angemessene Vergütung aller in der Versorgung<br />

tätigen Menschen, die der Bedeutung dieser<br />

Aufgabe und den damit verbundenen Belastungen<br />

gerecht wird. Insbesondere für Pflegefachkräfte,<br />

Inklusionspädagog:innen, spezialisierte<br />

Therapeut:innen und Assistenzkräfte sowie pädiatrische<br />

Fachärzt:innen muss das Arbeitsfeld attraktiver<br />

werden. Denn ohne Unterstützung und Anerkennung<br />

des hierfür notwendigen Fachpersonals<br />

wird sich die Versorgungsmisere in den nächsten<br />

Jahren noch erheblich verschlimmern.<br />

→ eine wirkungsvolle Imagekampagne zur<br />

Aufwertung dieser Berufe im öffentlichen Bewusstsein,<br />

die auch die Notwendigkeit einer professionellen<br />

Ausbildung und einer besonderen<br />

menschlichen Haltung gerade für eine den Alltag<br />

stärkende Versorgung deutlich macht.<br />

Deshalb fordern wir<br />

→ dass jedes Kind mit einer chronischen Erkrankung<br />

oder Behinderung sein Recht wahrnehmen<br />

kann, in seiner Familie aufzuwachsen. Dazu<br />

braucht es niederschwellige Entlastungen der betreuenden<br />

und pflegenden Angehörigen z.B. durch<br />

Kurzzeitwohnen, Tagespflege und familienunterstützende<br />

Dienste und einen leichteren Zugang zu<br />

notwendigen Therapien und Gesundheitsleistungen.<br />

Es ist eine flächendeckende bedarfsorientierte<br />

Versorgung mit diesen Leistungen notwendig.<br />

→ eine gute Personalausstattung aller unterstützenden<br />

Dienste und Einrichtungen, die genügend<br />

Zeit für ein professionelles, den Alltag<br />

von Kindern und ihren Familien entlastendes<br />

→ entlastende Angebote, die auf die Lebensphase<br />

„Kindheit und Jugend“ fokussieren und dabei<br />

immer auch die Bedürfnisse und Handlungsspielräume<br />

von Eltern, Geschwisterkindern sowie der<br />

Familie als Ganzes berücksichtigen. 1 Hier sei insbesondere<br />

auf die niederschwellige Entlastung durch<br />

Tagespflege- und Kurzzeitwohnangebote für Kinder<br />

und Jugendliche und durch ambulante und stationäre<br />

Kinder- und Jugendhospize hingewiesen, um<br />

Not- und Krisensituationen vorzubeugen und die<br />

Resilienz der Familie zu stärken.<br />

→ einen Abbau der Bürokratie durch Dauerverordnungen,<br />

um eine niedrigschwellige Inanspruchnahme<br />

der notwendigen medizinischen Produkte<br />

und gesundheitsbezogenen oder Teilhabeleistungen<br />

zu ermöglichen. Dies betrifft insbesondere das<br />

immer wieder erneut nötige Einholen von Verordnungen<br />

für Therapien, die aufgrund einer lebenslangen<br />

chronischen Erkrankung oder Behinderung<br />

eines Kindes dauerhaft benötigt werden. 2


Aus Politik & Gesellschaft<br />

47<br />

→ Wohnformen, die eine bedarfsentsprechende<br />

Versorgung sowie entwicklungsfördernde und die<br />

soziale Teilhabe sichernde Betreuung von Kindern<br />

und Jugendlichen sowie von jungen Erwachsenen<br />

mit intensivem Gesundheits- und Pflegebedarf sicherstellen.<br />

Die jungen Menschen haben einen Anspruch<br />

auf medizinische Versorgung, Pflege, Förderung<br />

und soziale Teilhabe, auch wenn sie außerhalb<br />

ihrer Familien leben und aufwachsen (müssen).<br />

Alle Bedarfe müssen gleichermaßen berücksichtigt<br />

und finanziert werden. Dies gilt auch für selbstbestimmtes<br />

Wohnen außerhalb von Heimen. Anträge<br />

der Betroffenen (z.B. auf persönliches Budget)<br />

müssen von den zuständigen Kassen im Rahmen<br />

gesetzlich vorgegebener Fristen bearbeitet und<br />

bewilligt werden, um die für das selbstbestimmte<br />

Leben in den eigenen vier Wänden benötigte Hilfestellung<br />

zu ermöglichen.<br />

→ ein bundesweit einheitliches Konzept der<br />

Nachbarschaftshilfe, das nur niederschwellige Vorgaben<br />

macht: ein erweitertes Führungszeugnis und<br />

ein Erste-Hilfe-Kurs. Bisher sind die Regelungen zur<br />

Nachbarschaftshilfe in jedem Bundesland unterschiedlich.<br />

Der Entlastungsbetrag von monatlich<br />

125,- € für Pflegebedürftige kann für pflegebedürftige<br />

Kinder oft nicht genutzt werden. Die Dienste<br />

und Kurse sind auf die Zielgruppe älterer pflegebedürftiger<br />

Menschen ausgerichtet und oft haben sie<br />

keine ausreichenden Kapazitäten. Für Familien ist<br />

hier insbesondere eine hauswirtschaftliche Unterstützung<br />

hilfreich, aber dies wird in manchen Bundesländern<br />

ausgeschlossen bzw. an teure Dienstleister<br />

geknüpft. Nachbarschaftshilfe sollte auch<br />

durch Großeltern und Geschwister geleistet werden<br />

können und auch durch Personen ab 16 Jahren. 3<br />

→ eine Verbesserung der Vereinbarkeit von Pflege<br />

und Beruf für pflegende Angehörige von Kindern<br />

mit chronischen Erkrankungen und Behinderungen.<br />

Hierfür sollte §45 SGB V „Krankengeld bei<br />

Erkrankung des Kindes“ angepasst werden und für<br />

Eltern mit pflegebedürftigen Kindern die Begrenzung<br />

auf 20 Tage und die Altersstufe auf 18 Jahre<br />

erhöht werden. Auch die Dauer der Familienpflegezeit<br />

und die Möglichkeit, die Familienpflegezeit<br />

in mehreren Etappen zu nehmen, und die Reduzierung<br />

der zu leistenden Mindestanzahl von 15 Wochenarbeitsstunden<br />

sollte umgesetzt werden. 4<br />

→ eine bessere Förderung ehrenamtlicher Arbeit<br />

durch kontinuierliche finanzielle Unterstützung<br />

von Gremienarbeit und dauerhaften Ausgaben<br />

wie Raummiete etc., denn sie ist Ausdruck bürgerschaftlichen<br />

Engagements.<br />

→ einen leichteren Zugang zu Hilfsmitteln und<br />

notwendigen Verbrauchsmaterialien. Menschen<br />

mit Behinderungen müssen häufig jahrelang mit<br />

der gesetzlichen Krankenkasse um passende Hilfsmittel<br />

streiten. Trotz ärztlicher Verordnung werden<br />

Hilfsmittel von Krankenkassen oftmals abgelehnt.<br />

1<br />

Siehe Forschungsbericht 613 des Bundesministeriums für Arbeit und<br />

Soziales (November 2022) S.15<br />

2<br />

Beispiel: Verordnungen müssen vom SPZ ausgestellt werden, die<br />

Verordnung für das SPZ muss aber jedes Quartal von Kinder- und<br />

Jugendärzt:innen (bspw. Ketonstreifen aufgrund von ketogener Ernährungstherapie)<br />

ausgestellt werden, die Schulassistenz muss jedes<br />

Schuljahr neu beantragt werden trotz lebenslanger Erkrankung und<br />

Behinderung.<br />

3<br />

Denn, so ein Beispiel einer Mutter: „Es ist doch irgendwie nicht einzusehen,<br />

dass die 17jährige Schwester bei Fremden Babysitten geht,<br />

um sich das Taschengeld aufzubessern, der 23jährige Bruder in einem<br />

Pflegeheim jobbt, um das Studium zu finanzieren oder die Oma ihre<br />

Rente bei Aldi an der Kasse aufbessert, während für die behinderte<br />

Schwester/Enkelin kein Betreuungsdienst zu finden ist.“<br />

4<br />

siehe dazu das Familienpflegezeitgesetz – FPfZG: https://www.geset<br />

ze-im-internet.de/fpfzg/BJNR2564<strong>10</strong>011.html


48<br />

Aus Politik & Gesellschaft<br />

Handlungsfeld 2:<br />

Deshalb fordern wir<br />

Pädiatrische Versorgung sicherstellen und die<br />

Ökonomisierung in der Kinder- und Jugendmedizin<br />

stoppen<br />

Trotz vielfacher Bemühungen seitens der Politik<br />

und enormer Entwicklungen in der medizinischen<br />

Forschung stehen aufgrund personeller, struktureller<br />

und finanzieller Engpässe nicht automatisch<br />

auch bessere Behandlungsoptionen für Kinder<br />

und Jugendliche mit chronischen und seltenen Erkrankungen<br />

oder Behinderungen zur Verfügung.<br />

So ist vielerorts der Zugang zu einer zeitnahen<br />

medizinischen Versorgung durch niedergelassene<br />

pädiatrische Ärztinnen und Ärzte sowie durch pädiatrische<br />

Zentren nicht gegeben. Termine für die<br />

Abklärung von Symptomen bei entsprechenden<br />

Spezialist:innen werden oft erst nach Monaten<br />

ermöglicht und selbst die stationäre Aufnahme intensivpflegebedürftiger<br />

Kinder zur Therapiekontrolle<br />

und -optimierung wird immer wieder verschoben.<br />

Für Kinder und Jugendliche mit chronischen<br />

Erkrankungen und Behinderungen können diese<br />

Verzögerungen jedoch eklatante Folgeschäden verursachen,<br />

die am Ende in ihrer Summe auch hohe<br />

Folgekosten für die Gesellschaft beinhalten.<br />

→ die flächendeckende Sicherstellung der pädiatrischen<br />

Versorgung, indem die Behandlungskapazitäten<br />

so auszubauen sind, dass der Versorgungsauftrag<br />

einer Region sichergestellt ist (ambulante<br />

pädiatrische Versorgung, spezialisierte pädiatrische<br />

Zentren, Fachambulanzen und stationäre pädiatrische<br />

Versorgung). Chronisch kranke und behinderte<br />

Kinder sind durch den derzeitigen strukturellen<br />

Mangel an Behandlungsmöglichkeiten besonders<br />

betroffen, da zeitkritisch kranke Kinder zuerst versorgt<br />

werden müssen und die Bedarfe chronisch<br />

kranker Kinder aufgrund knapper Ressourcen hinten<br />

anstehen. 5 Insbesondere für junge Menschen,<br />

die auf außerklinische Intensivpflege angewiesen<br />

sind, ist es zunehmend schwieriger, eine bedarfsgerechte<br />

Versorgung zu erhalten, da aufgrund geänderter<br />

gesetzlicher Regelungen höhere Anforderungen<br />

an die Qualifikation der behandelnden<br />

Fachärzt:innen gestellt wurden. Gleichzeitig konnten<br />

die notwendigen Versorgungsstrukturen nicht<br />

flächendeckend zur Verfügung gestellt werden.<br />

→ Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel sowohl<br />

im pflegerischen als auch zunehmend im ärztlichen<br />

Bereich nicht nur im Krankenhaus, sondern<br />

auch in der kinder- und jugendärztlichen ambulanten<br />

Versorgung. Es gibt Familien, die monatelang<br />

nach einer betreuenden Kinder- und Jugendarztpraxis<br />

und teilweise über Jahre nach einer adäquaten<br />

fachärztlichen Versorgung suchen. Selbst<br />

Rettungsstellen und Notfallambulanzen stehen am<br />

Rande ihrer Kapazitätsgrenzen. 6<br />

→ eine Neuordnung der Finanzierung der Krankenhäuser.<br />

Kommerzielle Interessen sind nicht mit


Aus Politik & Gesellschaft<br />

49<br />

einer sachgerechten Versorgung der Patient:innen,<br />

insbesondere von Kindern und Jugendlichen, vereinbar.<br />

Die Finanzierung über DRG ist gescheitert<br />

und hat besonders Kliniken für Kinder- und Jugendliche<br />

hart getroffen: Hier muss ein anderes System<br />

etabliert werden.<br />

→ dass sich die deutsche Gesundheitspolitik<br />

nicht die wirtschaftliche, sondern die bestmögliche<br />

Versorgung von Kindern zum Ziel nimmt, wie<br />

es in der von Deutschland unterzeichneten UN-Kinderrechtskonvention<br />

7 festgeschrieben ist.<br />

→ dass die medikamentöse Versorgung der Kinder<br />

flächendeckend sichergestellt ist. Insbesondere<br />

für Kinder mit chronischen Erkrankungen und<br />

Behinderungen können auch vorübergehende Lieferengpässe<br />

für Medikamente fatale Auswirkungen<br />

auf die Gesundheit haben. 8<br />

→ mehr ganzheitliche Ansätze in der Kinder- und<br />

Jugendmedizin. Statt bereits im Studium nur auf<br />

maximale Kostensenkung gerichtetes Arbeiten und<br />

reine Organfächer den Fokus zu richten, brauchen<br />

wir mehr finanziell abgesicherte Versorgungsstrukturen,<br />

in denen auch nicht ärztliche Berufe und<br />

das Erfahrungswissen der Eltern-Selbsthilfe stärker<br />

zum Tragen kommen. Dafür braucht es auch eine<br />

bessere und proaktive Beratung der Eltern durch<br />

Kinder- und Jugendärzt:innen, um sie zu gleichberechtigten<br />

gemeinsamen medizinischen Entscheidungen<br />

zu befähigen.<br />

→ dass die Versorgung von chronisch kranken<br />

und behinderten Kindern und Jugendlichen ethische<br />

Mindeststandards erfüllen muss und diese<br />

nicht nur die fachlichen bzw. wissenschaftlich evidenten<br />

Vorgaben von Leitlinien (der AWMF) im<br />

Blick hat. Gerade diese Patient:innen benötigen<br />

verlässliche Behandlungsstrukturen und eine ausreichende<br />

Fachexpertise, die nicht von Refinanzierungsbedingungen<br />

abhängig gemacht werden dürfen.<br />

Deshalb darf auch das Nationale Programm für<br />

Menschen mit seltenen Erkrankungen – der sog.<br />

NAMSE-Prozess – keinesfalls zur Disposition gestellt<br />

werden. Die Verknüpfung von wohnortnaher<br />

Behandlung mit spezialisierter Expertise ist ausschlaggebend<br />

für eine bedarfsgerechte Versorgung<br />

der Kinder.<br />

→ den Ausbau der Medizinischen Zentren für erwachsene<br />

Menschen mit Behinderungen (MZEB)<br />

und eine strukturierte Überleitung junger Erwachsener<br />

mit chronischen Erkrankungen und Behinderungen<br />

dorthin, damit es nicht zu Versorgungsabbrüchen<br />

bei Volljährigkeit der jungen Patien:innen<br />

kommt.<br />

5<br />

DIVI-Warnung vor Engpässen in Kinderkliniken (aerztezeitung.de) sowie<br />

https://www.rnd.de/politik/warum-der-kinderaerzte-berufsverbandeine-gefaehrdung-von-kindern-sieht<br />

sowie https://www.ardmedia<br />

thek.de/video/panorama-3/dramatisch-kindermedizin-zunehmendam-limit/<br />

sowie auch der Parallelbericht der Zivilgesellschaft weist auf<br />

die Gefahren intensivpflegebedürftiger Kinder durch das GKV-IPReG hin:<br />

https://www.vdk.de/deutscher-behindertenrat/mime/00134312D<br />

1692<strong>03</strong>4122.pdf<br />

6<br />

ZDF, 37° “Notfall Kinderklinik”: https://www.zdf.de/dokumentation<br />

/37-grad/37-notfall-kinderklinik-<strong>10</strong>0.html<br />

7<br />

https://www.unicef.de/informieren/ueber-uns/fuer-kinderrechte/un<br />

-kinderrechtskonvention<br />

8<br />

Herbst: Kinderärzte rechnen wieder mit Arzneimittelknappheit - ZDF<br />

heute


50<br />

Aus Politik & Gesellschaft<br />

Handlungsfeld 3<br />

die sonst nur Pflegekräfte tätigen dürfen. Die pflegenden<br />

Angehörigen sollten die Wahl einer formellen<br />

Anstellung als Pflegekraft mit Recht auf<br />

Auszeiten und bezahlten Urlaub im Sinne eines<br />

Care-Gehalts haben. Bisher wird die Pflegetätigkeit<br />

von Angehörigen nur im Rahmen des Pflegegeldes<br />

(SGB XI) bezüglich der Grundpflege berücksichtigt.<br />

– Pflegende Angehörige dürfen nicht aufgrund der<br />

Pflegetätigkeit in Armut fallen.<br />

Für finanzielle Sicherheit sorgen<br />

Nach wie vor tragen Mütter die Hauptlast der familiären<br />

Betreuung und Pflege von Kindern und Jugendlichen<br />

mit besonderen Bedürfnissen. Viele von<br />

ihnen leben aufgrund der Schwierigkeit, Pflege und<br />

Berufsleben in Einklang zu bringen, über Jahrzehnte<br />

in finanzieller Unsicherheit und steuern am Ende<br />

auf die Altersarmut zu. 9 Hier bedarf es weiterer<br />

gesetzlicher Regelungen, damit die Pflege und Versorgung<br />

eines chronisch kranken oder behinderten<br />

Kindes nicht zu dauerhafter Armut führen und sich<br />

die Chancenungleichheit immer weiter vergrößert.<br />

Deshalb fordern wir<br />

→ eine ausreichende finanzielle Kompensation<br />

für Angehörige, die freiwillig eine umfassende Behandlungspflege<br />

im Sinne des SGB V übernehmen,<br />

→ eine finanziell auskömmlichere Berücksichtigung<br />

der Pflege durch Angehörige in der Rente und<br />

die Schaffung weiterer gesetzlicher Voraussetzungen,<br />

damit finanzielle Nachteile beseitigt und ausreichende<br />

Rentenbeiträge entrichtet werden, um<br />

Altersarmut zu vermeiden und sehr stark belastete<br />

Familien in besonderer Weise zu unterstützen.<br />

→ die Abschaffung der Kürzung des Pflegegeldes<br />

nach 28 Tagen bei stationärer Unterbringung des<br />

pflegebedürftigen Kindes – vor allem bei Versorgung<br />

durch die Angehörigen bei längeren Krankenhausaufenthalten<br />

und Rehamaßnahmen. Hier entstehen<br />

beispielsweise durch die Begleitung in die<br />

Klinik zusätzliche Ausgaben für die Familie.<br />

9<br />

Famber-Studie: https://www.uke.de/extern/famber/index.html<br />

Handlungsfeld 4<br />

Inklusion im Bereich Bildung voranbringen<br />

Eltern behinderter und chronisch kranker Kinder<br />

und Jugendlicher können sich nicht auf die regelmäßige<br />

Betreuung in Kindergarten und Schule verlassen,<br />

da oftmals die Versorgung und Betreuung<br />

nicht ausreichend gesichert ist. Viele Kinder mit<br />

chronischen Erkrankungen und Behinderungen<br />

können daher diese Institutionen nicht kontinuierlich<br />

besuchen. Teils fahren die Eltern in die Schule,


Aus Politik & Gesellschaft<br />

51<br />

um dort medizinisch-pflegerische Maßnahmen<br />

(z.B. Katheterisieren, Diabetesversorgung) umzusetzen,<br />

teils können die Kinder nur verkürzt oder an<br />

bestimmten Tagen am Kita- und Schulalltag teilnehmen,<br />

weil die Assistenz nur für eine geringe Anzahl<br />

an Stunden vor Ort ist. Andere wiederum sind aufgrund<br />

struktureller und personeller Begebenheiten<br />

vor Ort ganz ausgeschlossen. Auch der Parallelbericht<br />

zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention<br />

zeigt auf, dass Deutschland noch weit von<br />

einer umfassenden Teilhabe entfernt ist: „Kinder<br />

und Jugendliche werden wegen ihrer chronischen<br />

Erkrankung oder Behinderung noch immer ausgegrenzt<br />

und bekommen nicht die gleichen Chancen<br />

im Bereich der Bildung wie Kinder und Jugendliche<br />

ohne chronische Erkrankung oder Behinderung.“ <strong>10</strong><br />

Deshalb fordern wir<br />

→ die Schaffung von besseren Rahmenbedingungen<br />

für die Inklusion in Kindergarten und Schule<br />

durch die Bereitstellung von finanziellen und personellen<br />

Ressourcen. Inklusion muss von Anfang<br />

an in der Lehramtsausbildung integraler Bestandteil<br />

sein und es braucht ausreichend Weiterbildung<br />

zum Umgang mit Heterogenität im Klassenverband.<br />

Zu den Rahmenbedingungen gehören:<br />

→ Multiprofessionelle Teams einschließlich einer<br />

ausreichenden Anzahl an Inklusionserzieher:innen,<br />

Schulbegleiter:innen und Schulgesundheitskräften 11 ,<br />

um den erhöhten Aufwand an Betreuung und Versorgung<br />

sowie medikamentöse Therapien und Notfälle<br />

zu meistern. Die medizinische und pflegerische<br />

Versorgung und Betreuung von chronisch kranken,<br />

pflegebedürftigen und betreuungsintensiven Kindern<br />

ist auch in Kita und Schule sicherzu-stellen.<br />

→ Länderübergreifend vereinheitlichte Regularien<br />

für den Nachteilsausgleich in Schulen und<br />

Ausbildungsstätten z.B. durch das Einbinden von<br />

Theorie und Praxis des Nachteilsausgleichs in die<br />

Aus- und Fortbildung von Lehrkräften. Hierfür ist<br />

die Einrichtung einer bundesweiten Fachstelle<br />

sinnvoll, an die sich Schulen und Ausbildungsstellen<br />

sowie Eltern gleichermaßen wenden können.<br />

→ Umsetzung eines digitalen Wissensmanagements.<br />

Das Wissen rund um die Förderung bei<br />

bestimmten Herausforderungen bezüglich der Inklusion<br />

von Kindern mit gesundheitlichen oder<br />

behinderungsbedingten Bedarfen sollte frei zugänglich<br />

für pädagogisches Fachpersonal auf einer<br />

digitalen Plattform geteilt werden. Auch sollte die<br />

Möglichkeit des Austauschs geboten werden. Beispiel:<br />

„Wie fördere ich ein Kind mit Glasknochenkrankheit<br />

am besten? Welche Hilfen gibt es? Wie<br />

können Fehlzeiten flexibel und individuell angepasst<br />

werden? Worauf ist im Kindergarten- oder<br />

Schulalltag zu achten?“ Dadurch würde das pädagogische<br />

Personal entsprechend der realen Bedarfslagen<br />

geschult und handlungsfähig.<br />

→ einen festen Betreuungsplatz für jedes Kind<br />

mit Behinderung, chronischer Erkrankung und<br />

Pflegebedarf, wenn Kindergarten, Schule und Hort<br />

nicht verlässlich die Tagesbetreuung übernehmen<br />

können.<br />

→ ein gleichwertiges und alle Schulformen umfassendes<br />

Angebot an digitalen Schulen neben<br />

der Präsenzschule. Dieses digitale Angebot sollte<br />

Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen,<br />

die aufgrund einer chronischen Erkrankung oder<br />

Behinderung nicht (regelmäßig) am Präsenzunterricht<br />

teilnehmen können, gleichwertige Abschlüsse<br />

und die Vorbereitung darauf ermöglichen und im<br />

besten Fall mit den Präsenzschulen kooperieren. 12


52<br />

Aus Politik & Gesellschaft<br />

→ die Möglichkeit modularer Abschlussprüfungen.<br />

Schüler:innen mit Lernschwierigkeiten und dem<br />

Förderschwerpunkt geistige Entwicklung hätten<br />

dadurch einen Nachweis, dass die Leistungen in<br />

Teilbereichen erbracht wurden. Dies würde dann<br />

wieder Türen für Ausbildungsstätten und den ersten<br />

Arbeitsmarkt eröffnen.<br />

→ eine Fachberatungsstruktur zum Themenfeld<br />

„Unterstützte Kommunikation“. Kommunikation<br />

ist ein Grundbedürfnis des Menschen und vielfach<br />

eine Voraussetzung für gelingende Teilhabe. Daher<br />

muss es Ziel jeder Kita und Schule sein, Kindern<br />

und Jugendlichen, die nicht verbal kommunizieren<br />

können, eine entsprechende Förderung<br />

zukommen zu lassen. Unterstütze Kommunikation<br />

muss allerdings angebahnt und begleitet werden.<br />

Die Bildungs- und Betreuungseinrichtungen können<br />

mit dieser Aufgabe nicht alleingelassen werden,<br />

daher ist ihnen eine Fachstelle mit entsprechender<br />

Expertise zur Seite zu stellen.<br />

<strong>10</strong><br />

Deutscher Behindertenrat - Parallelbericht zur Umsetzung der UN-<br />

Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) <strong>2023</strong> (deutscher-behindertenrat.de)<br />

11<br />

Gerade aufgrund des Fachkräftemangels in der Pflege wird es zunehmend<br />

schwieriger, Pflegedienste mit freien Kapazitäten für einzelne<br />

Maßnahmen der Behandlungspflege zu finden. Eine Schulgesundheitsfachkraft<br />

käme allen Kindern zu Gute.<br />

12<br />

Es gibt bereits digitale Schulen, aber z.B. im Abitur muss in allen (!)<br />

Fächern eine Prüfungsleistung nachgewiesen werden.<br />

Handlungsfeld 5<br />

Beratung und Begleitung familienorientiert ausrichten,<br />

mehr Lotsen bereitstellen und die Selbstvertretung<br />

stärken<br />

Eltern von Kindern und Jugendlichen mit hohem<br />

Versorgungsbedarf sind häufig durch die vielen<br />

unübersichtlichen Vorschriften und Bestimmungen<br />

überfordert und scheitern an bürokratischen<br />

Hürden, ihre Rechte und Ansprüche zu erfahren<br />

und durchzusetzen. „Man sollte keine SGB-Experte<br />

sein müssen!“ So oder ähnlich melden es Eltern aus<br />

der Selbsthilfe zurück. Meist wissen sie erst nach<br />

Jahren, dass es für alle Anliegen rund um ein Kind<br />

mit chronischen Erkrankungen und Behinderungen<br />

jeweils unterschiedliche Ansprechpartner gibt.<br />

Man geht zum SPZ, wenn es um Fragen zu Therapie<br />

und medizinischer Versorgung geht. Bei Fragen<br />

zur Entwicklung geht man zur Frühförderung. Bei<br />

Fragen zu Pflegeleistungen geht man zum Pflegestützpunkt<br />

(und hat Glück, wenn sich dort jemand<br />

mit den besonderen Lebenslagen von Kindern auskennt).<br />

Hat man Fragen zur Teilhabe, geht man<br />

zur Ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung<br />

(EUTB). Eigentlich muss man schon vorher wissen,<br />

wo die eigene Frage sozialrechtlich einsortiert werden<br />

muss, damit man die richtige Stelle findet. Das<br />

ist umso anstrengender, je mehr Sozialrechtsbereiche<br />

bei einem Kind eine Rolle spielen. Aber eine<br />

ganz allgemeine Beratung, die versucht alles thematisch<br />

abzudecken, hilft meist nicht weiter. Beratung<br />

muss familienorientiert und spezifisch genug<br />

sein, damit sie hilft. Ansonsten ist es nur ein frustrierender<br />

Weg mehr für die Familie.


Aus Politik & Gesellschaft<br />

53<br />

Deshalb fordern wir<br />

→ fest verankerte Lotsen, die betroffene Familien<br />

in den Jahren nach der Diagnosestellung durch<br />

den Dschungel der Systeme ganzheitlich und familienorientiert<br />

führen. Sie kennen sich mit speziellen<br />

Krankheitsbildern und Versorgungsstrukturen<br />

aus und können bei der Inanspruchnahme von<br />

Unterstützungsleistungen aller sozialrechtlichen<br />

Sektoren unterstützen. Bei Familien mit Migrationshintergrund<br />

sind hierzu zusätzlich Sprachmittler<br />

erforderlich, die auch ein besseres Verständnis<br />

für die kulturell unterschiedlichen Sichtweisen der<br />

Betroffenen ermöglichen.<br />

→ die finanzielle Absicherung von bereits bestehenden<br />

erfolgreichen Lotsenmodellen durch<br />

deren Überführung in die Regelversorgung und Bekanntmachung.<br />

→ ein überregionales und moderiertes Inklusions-<br />

und Versorgungsnetzwerk, welches (gerade<br />

auch im ländlichen Raum) die vielen unterschiedlichen<br />

Akteure einer Versorgungsregion unter Einbeziehung<br />

der Elternselbsthilfe miteinander vernetzt.<br />

Die Netzwerkstrukturen dienen zum einen der<br />

Qualitätssicherung der Versorgung und der Unterstützung<br />

der Teilhabe von Kindern, Jugendlichen<br />

und jungen Erwachsenen mit Behinderungen und<br />

chronischen Erkrankungen, zum anderen aber auch<br />

der partizipativen Beteiligung der Selbsthilfe.<br />

→ die Bereitstellung einer niedrigschwelligen,<br />

aber spezifischen Beratung für Eltern chronisch<br />

kranker und behinderter Kinder, Jugendlicher und<br />

junger Erwachsener. Neben Informationen und Beratung<br />

zu den unterschiedlichen Versorgungsstrukturen<br />

können psychosoziale Gespräche zur Entlastung<br />

der Eltern und Angehörigen führen (z.B. zur<br />

Verarbeitung einer Diagnose), damit sie ihr Kind<br />

im weiteren Verlauf der Erkrankung gut begleiten<br />

können. Die Ergänzende unabhängige Teilhabeberatung<br />

(EUTB) ist ein sehr guter Ansatz: niedrigschwellig,<br />

Peer-Beratung und auf der Seite der<br />

Ratsuchenden positioniert. Hier sollte es aber auf<br />

die jeweilige Lebensphase Kindheit, Jugend und<br />

den Übergang ins Erwachsenenalter spezialiserte<br />

Stellen geben, die auch mit den entsprechenden<br />

regionalen gesundheitsbezogenen Versorgungsstrukturen<br />

vernetzt sind.<br />

→ eine spezielle Beratung für Kinder und Jugendliche<br />

und junge Erwachsene mit Behinderung, am<br />

besten mit einer angebundenen Peerberatung,<br />

also jungen Menschen mit Behinderung, die in die<br />

Beratung anderer junger Menschen einbezogen<br />

werden.<br />

Handlungsfeld 6<br />

Ausbildung und Arbeitswelt inklusiv gestalten<br />

Jungen Menschen mit chronischen Erkrankungen<br />

oder Behinderungen wird der Einstieg in den ersten<br />

Arbeitsmarkt oft verwehrt, indem beispielsweise<br />

die Arbeit in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung<br />

als einzige Option vorgeschlagen wird.<br />

Individuelle Stärken und Interessen werden dabei<br />

selten berücksichtigt. Da die Werkstätten außerhalb


54<br />

Aus Politik & Gesellschaft<br />

des regulären Arbeitsmarkts betrieben werden, gelten<br />

ihre Beschäftigten nicht als Arbeitnehmer:innen<br />

und haben somit keine Arbeitnehmer:innenrechte<br />

und auch keinen Anspruch auf den Mindestlohn.<br />

In Deutschland betrifft das 320.000 Menschen mit<br />

Behinderung 13 . Im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention<br />

fordern wir eine Öffnung des ersten Arbeitsmarktes,<br />

Hilfestellungen für junge Menschen<br />

mit chronischen Erkrankungen und Behinderungen<br />

für einen guten Einstieg ins Berufsleben und eine<br />

höhere Wertschätzung der Arbeitnehmer:innen in<br />

Werkstätten für Menschen mit Behinderungen.<br />

Deshalb fordern wir<br />

→ den Ausbau einer spezifischen Berufsberatung<br />

für junge Menschen mit chronischen Erkrankungen<br />

und Behinderungen, die an ihren individuellen<br />

Stärken und Interessen ausgerichtet ist.<br />

→ die Möglichkeiten für modulare und theoriereduzierte<br />

Abschlussprüfungen für die Berufsausbildung.<br />

Dies würde es jungen Menschen mit<br />

Lernschwierigkeiten ermöglichen, ebenfalls einen<br />

Nachweis für eine Teilleistung zu erwerben, mit der<br />

sich Chancen auf dem ersten Arbeitsmarkt eröffnen<br />

können. 14<br />

→ die Einführung von Arbeitnehmer:innenrechten<br />

in Werkstätten für Menschen mit Behinderung<br />

sowie eine faire Bezahlung in Anlehnung an den<br />

gesetzlichen Mindestlohn. Wer in Werkstätten arbeitet,<br />

soll einen Lohn bekommen statt Grundsicherung<br />

(„Basis-Geld”- gute Leistung, gutes Geld.) 15<br />

→ eine bessere Unterstützung zur Teilhabe am<br />

ersten Arbeitsmarkt, damit das Recht von Menschen<br />

mit Behinderung auf eine selbstbestimmte<br />

Arbeit, von der sie leben können, umgesetzt werden<br />

kann. Hierfür braucht es weitere Anreize für<br />

Unternehmen, Menschen mit Behinderung einzustellen,<br />

und die entsprechende Weiterbildung der<br />

Mitarbeitenden in Arbeitsämtern, um bessere Unterstützung<br />

auch für Menschen mit Behinderungen<br />

zu gewährleisten.<br />

13<br />

https://www.tagesschau.de/wirtschaft/unternehmen/behinderten<br />

werkstaetten-lohndumping.<br />

14<br />

Aus dem ThinkTank „Inklusives Kinder- und Jugendhilfegesetz aus<br />

Perspektive der Selbsthilfe“ (#1)<br />

15<br />

https://www.xn--werkstattrte-deutschland-zbc.de/sites/default/files<br />

/download-dokumente/basisgeldposition-juni-2019_0.pdf<br />

Handlungsfeld 7<br />

Kinderrechte stärken<br />

„Immer noch werden Gesetze verabschiedet, die<br />

der UN-BRK widersprechen“, bemängelt Prof. Dr.<br />

Sigrid Arnade, Vorsitzende des Sprecher:innenrats<br />

des Deutschen Behindertenrats (DBR). Als Beispiel<br />

nennt sie das Intensivpflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetz,<br />

das mit seiner zugehörigen<br />

Richtlinie das Menschenrecht auf freie Wahl von


Aus Politik & Gesellschaft<br />

55<br />

Wohnort und Wohnform konterkariere und dazu<br />

geeignet sei, die betroffenen Menschen gegen ihren<br />

Willen in Heime zu zwingen. 16 Gerade das GKV-<br />

IPReG und dessen nachfolgende Richtlinien zeigen,<br />

dass die Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen<br />

in der Politik einen besonderen Fokus brauchen,<br />

damit deren Rechte im Sinne der UN-Kinderrechtskonvention<br />

berücksichtigt werden. Dies trifft im besonderen<br />

Maße auf Kinder, Jugendliche und junge<br />

Erwachsene mit chronischen Erkrankungen und<br />

Behinderungen zu.<br />

→ dass Kinder und Jugendliche vor den Folgen<br />

der Klimakrise geschützt werden (Hitze inkl. UV-<br />

Strahlung, chron. Umweltbelastung, Ernährungsdefizite<br />

etc. Die Folgen der Klimakrise werden immer<br />

häufiger sichtbar: Unwetter mit Starkregen<br />

und Überschwemmungen, Waldbrände, Hitzetote.<br />

Kinder und Jugendliche leiden besonders unter<br />

diesen sich ändernden Lebensbedingungen. Auch<br />

der Katastrophenschutz muss daher die besondere<br />

Lage von jungen Menschen mit Behinderungen im<br />

Blick haben (siehe Überflutung im Ahrtal ). 20<br />

Deshalb fordern wir<br />

→ das Verankern der Kinderrechte im Grundgesetz<br />

und die vollständige Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention<br />

hin zu einer bestmöglichen<br />

(und nicht nur ausreichenden) gesundheitlichen<br />

Versorgung von Kindern, Jugendlichen und jungen<br />

Erwachsenen mit chronischen Erkrankungen und<br />

Behinderungen, insbesondere, wenn sie in Armut<br />

oder mit Migrationshintergrund leben. 17 Jedes Kind<br />

hat das Recht bei höchstmöglicher Gesundheit in<br />

der Familie aufzuwachsen. 18<br />

→ die Einsetzung einer/s Kinderbeauftragten in<br />

der Bundesregierung. Ein(e) Kinderbeauftragte(r)<br />

der Bundesregierung soll die vielen Gesetzesvorhaben<br />

im Interesse der Kinder in den Blick nehmen<br />

und kindlichen Bedürfnissen in der Politik mehr<br />

Gewicht zukommen lassen.<br />

→ die Implementierung von Kinder- und Jugendbeauftragten<br />

als Interessenvertretung für weitere<br />

wichtige Gremien, z.B. im Gemeinsamen Bundesausschuss<br />

(G-BA), damit dort eine stärkere Berücksichtigung<br />

kinder- und jugendspezifischer Belange<br />

bei der Nutzenbewertung erfolgt. Die Lebensphase<br />

Kindheit und Jugend muss in allen politischen Entscheidungen<br />

berücksichtigt werden, wenn diese das<br />

Leben von Kindern und Jugendlichen betreffen. 19<br />

16<br />

Deutscher Behindertenrat - Parallelbericht zur Umsetzung der UN-<br />

Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) <strong>2023</strong> (deutscher-behindertenrat.de)<br />

17<br />

Die UNICEF hat die ausführliche Version der 54 Artikel der Kinderrechts-Konvention<br />

mit ihren drei Zusatzprotokollen in zehn Punkten zusammengefasst.<br />

Einige davon behandeln spezielle Gesundheitsaspekte.<br />

Alle Kinder haben demnach das Recht auf Gesundheit, Freizeit, Spiel<br />

und Erholung, Bildung und Ausbildung, eine Familie, elterliche Fürsorge<br />

und ein sicheres Zuhause, Betreuung bei Behinderung, sich zu informieren,<br />

sich mitzuteilen, gehört zu warden, zu versammeln.<br />

18<br />

Gem. 3 Artikel 23, Abs. 3 UN-BRK: Die Vertragsstaaten gewährleisten,<br />

dass Kinder mit Behinderungen gleiche Rechte in Bezug auf das Familienleben<br />

haben. Zur Verwirklichung dieser Rechte und mit dem Ziel,<br />

das Verbergen, das Aussetzen, die Vernachlässigung und die Absonderung<br />

von Kindern mit Behinderungen zu verhindern, verpflichten sich<br />

die Vertragsstaaten, Kindern mit Behinderungen und ihren Familien<br />

frühzeitig umfassende Informationen, Dienste und Unterstützung zur<br />

Verfügung zu stellen.<br />

19<br />

In der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Art. 24, Abs.<br />

2) wurde bereits im Jahr 2000 von Deutschland unterzeichnet, dass<br />

„bei allen Kinder betreffenden Maßnahmen öffentlicher und privater<br />

Einrichtung das Wohl des Kindes eine vorrangige Erwägung sein muss“.<br />

20<br />

https://www.focus.de/politik/deutschland/ahrtal-12-menschen-star<br />

ben-weil-das-land-keine-zweite-nachtwache-zahlte_id_167021130.<br />

html


56<br />

Aus Politik & Gesellschaft<br />

Handlungsfeld 8:<br />

gesundheits- und teilhabebezogenen Forschungsprojekten<br />

zum Personenkreis chronisch kranker<br />

und behinderter Kinder, Jugendlicher und junger<br />

Erwachsener. Auch müssen die Folgen der Klimakrise<br />

in die gesundheitsbezogene Forschung zur<br />

Entwicklung geeigneter Maßnahmen einbezogen<br />

werden. Kinderund Jugendschutzaspekte sind dabei<br />

immer zu berücksichtigen.<br />

Datenlage erweitern, Forschung stärken<br />

Die Datenlage zu Themen der Kinder- und Jugendgesundheit<br />

und Teilhabe von Kindern, Jugendlichen<br />

und jungen Erwachsenen mit chronischen<br />

Erkrankungen und Behinderungen ist dürftig und<br />

reicht oftmals nicht aus, um daraus politische und<br />

gesellschaftliche Handlungsschritte abzuleiten. So<br />

gibt es in Deutschland beispielsweise keine ausreichenden<br />

Forschungsaktivitäten zur Kinder- und<br />

Jugendgesundheit, obwohl in Kindheit und Jugend<br />

viele, auch seltene Erkrankungen auftreten. Auch<br />

zu Fragen der Teilhabe und Exklusionsgründe von<br />

Kindern und Jugendlichen mit chronischen Erkrankungen<br />

und Behinderungen gibt es nur relativ<br />

wenige Erkenntnisse. Dies muss sich ändern und<br />

dafür braucht es eine staatliche Förderung von<br />

Deshalb fordern wir<br />

→ eine staatliche Förderung von gesundheitsund<br />

teilhabebezogenen Forschungsprojekten zum<br />

Personenkreis chronisch kranker und behinderter<br />

Kinder, Jugendlicher und junger Erwachsener.<br />

→ staatlich finanzierte Forschungsstrukturen,<br />

die bestehende medizinische Zentren vernetzen,<br />

alle relevanten Erkenntnisse und Informationen<br />

bündeln und die Forschung in Hinsicht auf Qualitäts-<br />

und Ausbildungsstandards in der Medizin für<br />

Kinder und Jugendliche sicherstellen.<br />

→ eine Verbesserung der gesetzlichen Rahmenbedingungen,<br />

damit Arzneimittelhersteller Kinderarzneimittel<br />

besser mit eigenen Studien entwickeln<br />

können und diese Medikamente ausreichend lieferbar<br />

sind.<br />

Handlungsfeld 9:<br />

Deutschland muss <strong>barrierefrei</strong> werden<br />

Gerade in öffentlichen Verkehrsmitteln wird Menschen<br />

mit Beeinträchtigungen eine selbstständige<br />

Lebensführung und soziale Teilhabe erschwert. Es<br />

fehlt an inklusiven Verkehrsangeboten, wodurch<br />

Menschen mit Beeinträchtigungen - wenn überhaupt<br />

- nur mit einer langen Planung verreisen können<br />

Damit alle Menschen sich in ihrem Alltag frei


Aus Politik & Gesellschaft<br />

57<br />

bewegen und entfalten können, ist Barrierefreiheit<br />

eine Grundbedingung, die im Übrigen allen Menschen<br />

zugutekommt.<br />

Deshalb fordern wir<br />

→ einen Ausbau der Barrierefreiheit im ÖPNV.<br />

Es braucht mehr inklusive Verkehrsangebote, die<br />

es Menschen mit Beeinträchtigungen ermöglichen,<br />

auch spontan zu verreisen. Dazu zählt der<br />

Ausbau an Fernverkehr-, Regionalverkehr- und<br />

ÖPNV- Haltestellen ebenso wie mehr <strong>barrierefrei</strong>e<br />

uhrzeitunabhängige Toiletten an Bahnhöfen und in<br />

Zügen. Die Angebote von Transportdienstleistern<br />

in Deutschland (z. B. Deutsche Bahn und viele andere)<br />

müssen so ausgestaltet sein, dass Menschen<br />

mit Behinderungen rund um die Uhr (24/7) reisen<br />

und ihre Tickets online buchen können, wie alle anderen<br />

Bürger auch.<br />

→ den weiteren <strong>barrierefrei</strong>en Ausbau von öffentlichen<br />

Gebäuden, Diensten und Einrichtungen,<br />

insbesondere von Arztpraxen, Kindergärten<br />

und Schulen.<br />

→ die Einbeziehung von Menschen mit Behinderung<br />

in die Gestaltungsprozesse von stadtplanerischen<br />

Maßnahmen öffentlicher Flächen und<br />

Einrichtungen, insbesondere von Parkanlagen, <strong>barrierefrei</strong>en<br />

Spielplätzen und bei der Umgestaltung<br />

von öffentlichen Verkehrsmitteln.<br />

→ die finanzielle Förderung von bereits bestehenden<br />

inklusiven Freizeitangeboten, um einen<br />

Anreiz zu schaffen, diese weiter auszubauen oder<br />

neue Angebote zu gestalten. Insbesondere braucht<br />

es auch hier geschultes Personal, um alle Menschen<br />

mit Behinderung miteinbeziehen zu können.<br />

Handlungsfeld <strong>10</strong>:<br />

Die Transition strukturell und finanziell regeln<br />

Mit Erreichen der Volljährigkeit sind junge Menschen<br />

für ihr Handeln und ihr Leben selbst verantwortlich.<br />

Je nachdem, welche Versorgungserfordernisse die<br />

Krankheit oder Behinderung mit sich bringen, gibt<br />

es eine ganze Reihe von Dingen zu regeln. So erfolgt<br />

der Übergang von der Kinder- und Jugendmedizin<br />

zur Erwachsenenmedizin und meist auch die<br />

Anbindung an die Behörden, die für die Leistungen<br />

der Teilhabe zuständig sind. Da alle Veränderungen<br />

und rechtlichen Ansprüche sehr vom individuellen<br />

Fall abhängig sind und. damit gerade die ärztliche<br />

Versorgung nicht abbricht, sollte der Übergangsprozess<br />

(Transition) rechtzeitig begonnen und begleitet<br />

werden. Bisher werden junge Menschen mit<br />

einer chronischen oder seltenen Erkrankung oder<br />

Behinderung beim Übergang ins Erwachsenenleben<br />

ungenügend unterstützt.


58<br />

Aus Politik & Gesellschaft<br />

Deshalb fordern wir<br />

→ einen Rechtsanspruch für alle betroffenen Jugendlichen<br />

auf Teilnahme an einem bundesweit<br />

strukturierten Transitionsprogramm sowie dessen<br />

Finanzierung. Dieses sollte jungen Erwachsenen<br />

innerhalb einer flexiblen Altersgrenze (16 bis mindestens<br />

27 Jahre) für die Transitionsprozesse begleitend<br />

zur Seite stehen. Neben der medizinischen<br />

Transition (ärztliche Versorgung) soll auch die soziale<br />

Transition (Teilhabe und Pflege, Berufsausbildung<br />

und Einstieg ins Berufsleben) begleitet werden.<br />

→ mehr Informationen, Beratungen und Hilfen<br />

beim Erwachsenwerden, welche flächendeckend<br />

finanziert werden.<br />

Bleiben Sie informiert:<br />

Das Kindernetzwerk ist der Dachverband der Selbsthilfe<br />

von Familien mit Kindern und Jugendlichen mit<br />

chronischen Erkrankungen und Behinderungen.<br />

Wir informieren rund um den Versorgungsalltag<br />

der Selbsthilfe mit aktuellen Nachrichten. Für unsere<br />

rund 250 Mitgliedsorganisationen / Institutionen<br />

und 650 Einzelmitglieder sowie 220 Kliniken und<br />

Einrichtungen bieten wir ein starkes Netz, teilen<br />

Informationen, Nachrichten und Termine, bereiten<br />

wichtige Themen auf und stellen sie zur Diskussion.<br />

Sie finden uns unter<br />

www.kindernetzwerk.de<br />

Facebook: kindernetzwerkev<br />

https://www.facebook.com/kindernetzwerkev<br />

Twitter: kindernetzwerk1<br />

https://twitter.com/Kindernetzwerk1<br />

Instagram: kindernetzwerk_ev<br />

https://www.instagram.com/kindernetzwerk_ev<br />

YouTube: Kindernetzwerk<br />

https://www.youtube.com/channel/UC3IS2JT<br />

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60<br />

Aus Politik & Gesellschaft<br />

Unser politischer Einsatz<br />

für unsere Mitglieder<br />

Umsetzungsprobleme geben Anlass zur Sorge<br />

Außerklinische Intensivpflege<br />

Von Benita Eisenhardt<br />

Das Kindernetzwerk fordert gemeinsam mit rund<br />

20 anderen Verbänden umgehend Nachbesserungen<br />

am GKV-IPReG: Mit unserem veröffentlichten<br />

Positionspapier machen wir auf Probleme<br />

bei der Umsetzung des Intensivpflege- und<br />

Rehabilitationsstärkungsgesetzes (GKV-IPReG)<br />

aufmerksam und fordern den Gesetzgeber zu<br />

Nachbesserungen auf. Wir fordern, die vorgeschlagenen<br />

Gesetzesänderungen umgehend umzusetzen,<br />

um die Versorgung von Menschen mit<br />

Bedarf an AKI sicherzustellen.<br />

Das sehr umstrittene GKV-IPReG ist bereits 2020<br />

in Kraft getreten. Ab dem 31. Oktober <strong>2023</strong><br />

entfaltet es jedoch erst seine volle Wirkung:<br />

Ab diesem Zeitpunkt entfällt der Anspruch auf<br />

häusliche Krankenpflege für die betroffenen Versicherten<br />

endgültig und sie haben dann nur noch<br />

einen Anspruch auf außerklinische Intensivpflege<br />

(AKI). Bereits heute zeigt sich, dass das Gesetz zu<br />

Rechtsunklarheit sowie zu Fehlentwicklungen,<br />

Leistungsverschiebungen und Versorgungsproblemen<br />

führt. Unter anderem verkleinert sich der<br />

bislang leistungsberechtigte Personenkreis und<br />

die rechtssichere Verordnung von AKI wird durch<br />

unklare Voraussetzungen gefährdet. Auch ist die<br />

Leistungserbringung von AKI im Rahmen eines<br />

Persönlichen Budgets künftig nicht mehr gewährleistet.<br />

Die Änderungen der Außerklinischen<br />

Intensivpflege-Richtlinie, die am 15. September<br />

<strong>2023</strong> in Kraft getreten sind, lösen diese Probleme<br />

nicht und führen teilweise zu neuer Rechtsunklarheit.<br />

Deshalb ist jetzt der Gesetzgeber gefragt.<br />

Mit ihrem gemeinsamen Positionspapier<br />

fordern die Verbände daher, die vorgeschlagenen<br />

Gesetzesänderungen umgehend umzusetzen,<br />

um die Versorgung von Menschen mit Bedarf an<br />

AKI sicherzustellen.<br />

Weiterführende Informationen:<br />

Positionspapier der Verbände<br />

vom 19. September <strong>2023</strong><br />

Pressemitteilung als pdf...<br />

Ansprechpartner:innen:<br />

Katja Kruse, Bundesverband für körper- und<br />

mehrfachbehinderte Menschen e.V. (bvkm);<br />

Henriette Cartolano, Intensivkinder zuhause e.V.;<br />

Thomas Koritz, Interessenvertretung Selbstbestimmt<br />

Leben in Deutschland e.V. (ISL);<br />

Markus Behrendt, IntensivLeben – Verein für beatmete<br />

und intensivpflichtige Kinder und Jugendliche<br />

e.V


Aus Politik & Gesellschaft<br />

61<br />

Neues zum ThinkTank Inklusive Lösung?<br />

Bitte hier lang…<br />

Um das wertvolle Wissen der Familien chronisch<br />

kranker und behinderter Kinder und Jugendlicher<br />

in den Gesetzesreform-Prozess einzubringen, setzt<br />

das Kindernetzwerk als Selbsthilfe-Dachverband<br />

das Projekt „ThinkTank: Inklusives Kinder- und Jugendhilfegesetz<br />

aus Perspektive der Selbsthilfe“<br />

um. Im ThinkTank, einem virtuellen Forum, können<br />

sich die Selbsthilfeorganisationen dazu austauschen,<br />

was aus ihrer Sicht bei der Gesetzesreform<br />

unbedingt beachtet werden muss, damit Kinder<br />

mit chronischen Erkrankungen und Behinderungen<br />

künftig bestmöglich am gesellschaftlichen<br />

Leben teilhaben können. Die Selbsthilfestrukturen<br />

erhalten alle wesentlichen Informationen zum Thema<br />

und können eine Haltung dazu finden, was die<br />

vorgeschlagenen Änderungen an den gesetzlichen<br />

Regelungen ganz konkret für die Kinder, Jugendlichen<br />

und ihre Familien bedeuten.<br />

Hier unten (und immer auf unseren social media<br />

Kanälen) finden Sie die Ergebnisse der letzten Runden.<br />

Ein langer Bericht folgt im nächsten Journal.<br />

https://www.kindernetzwerk.de/de/agenda/Po<br />

litikportal/<strong>2023</strong>/Kinder--und-Jugendhilfegesetz-<br />

Thinktank.php<br />

Sachlage: Das GKV-IPReG<br />

Darstellung der neuen AKI-Regelungen aus Perspektive des <strong>knw</strong><br />

Von Benita Eisenhardt<br />

AKI – das bedeutet Außerklinische Intensivpflege.<br />

Diese benötigen Menschen dann, wenn der<br />

Gesundheitszustand aufgrund einer chronischen<br />

Erkrankung oder Behinderung rund um die Uhr<br />

beobachtet werden muss, damit im Falle von<br />

unvorhersehbar eintretenden lebensbedrohlichen<br />

Zwischenfällen jederzeit ein rettender Eingriff<br />

durch eine geschulte Pflegeperson möglich ist.<br />

Diese Leistung war vorher als spezielle Krankenbeobachtung<br />

Bestandteil in der „Häuslichen Krankenpflege<br />

Richtlinie“ nach § 37 SGB V. Jetzt greifen<br />

allerdings die gesetzlichen Änderungen, die durch<br />

das GKV-IPReG, also das Intensivpflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetz,<br />

am 23. Oktober 2020<br />

vom Bundestag beschlossen wurden.<br />

Das Gesetz ist damals trotz vieler Proteste und<br />

fachlicher Einwände verabschiedet worden und<br />

beinhaltet ein schrittweises Inkrafttreten der neuen<br />

Regelungen. Betroffen von dem Gesetz sind<br />

etwa 22.500 Menschen mit einem besonders hohen<br />

Bedarf an medizinischer Behandlungspflege. 21<br />

Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene machen<br />

nur einen kleinen Anteil der Betroffenen aus. Genaue<br />

Zahlen gibt es bisher nicht. Die Mehrheit der


62<br />

Aus Politik & Gesellschaft<br />

gesamten Patient:innengruppe ist beatmete oder<br />

trachealkanüliert. Bei Kindern, Jugendlichen und<br />

jungen Erwachsenen gibt es jedoch eine Patientengruppe<br />

mit anderen heterogenen Funktionsbeeinträchtigungen,<br />

bei denen es ebenfalls mit hoher<br />

Wahrscheinlichkeit täglich zu lebensbedrohlichen<br />

Situationen kommen kann (z.B. therapieresistente<br />

Epilepsien mit hoher Krampfanfall-Frequenz).<br />

Aus Perspektive des <strong>knw</strong> sind die Belange der Kinder,<br />

Jugendlichen und jungen Erwachsenen und der<br />

Pädiatrie nicht ausreichend berücksichtigt. So wurde<br />

keine eigene Richtlinie für Kinder und Jugendliche<br />

erstellt, obwohl deren besondere Berücksichtigung<br />

durch den Gesetzgeber vorgesehen war.<br />

Daher passen die Vorgaben nicht zu den Bedarfslagen<br />

junger intensivpflegebedürftiger Menschen.<br />

Statt zu einer Verbesserung der Versorgung, wie es<br />

das GKV-IPReG vorgesehen hatte, könnte es nun für<br />

die jungen Menschen zu einer dramatischen Verschlechterung<br />

der Versorgung kommen.<br />

21<br />

Laut Gesetzentwurf der Bundesregierung zum GKV-IPReG vom<br />

Personenkreis die Außerklinische Intensivpflege in<br />

Frage kommt (§ 4 AKI-RL), welche Ärzt:innen die<br />

Leistung verordnen dürfen (§ 9 AKI-RL) und welche<br />

Ärzt:innen zur sogenannten Potenzialerhebung befugt<br />

sind (§ 8 AKI-RL).<br />

→ Die Rahmenempfehlungen nach § 132l SGB V<br />

zur Versorgung mit außerklinischer Intensivpflege<br />

(im Folgenden: AKI-RE): 24 Die Rahmenempfehlungen<br />

sind seit 1. Juli <strong>2023</strong> in Kraft. Sie regeln die Qualifikation<br />

der Pflegefachkräfte und die Grundsätze<br />

für die Bemessung des Personalschlüssels.<br />

→ Die Begutachtungsanleitung des Medizinischen<br />

Dienstes zur außerklinischen Intensivpflege (BGA-<br />

AKI): 25 Sie wurde am 2.Juni <strong>2023</strong> vom Medizinischen<br />

Dienst (MD) verabschiedet und regelt die<br />

Umsetzung der verpflichtenden Begutachtung, die<br />

bei jeder AKI-Versorgung ansteht. Geregelt werden<br />

die Kriterien, Maßstäbe sowie Arbeits- und Bewertungsschritte<br />

für die Begutachtung, damit die Anspruchsvoraussetzungen<br />

für eine ambulante Intensivpflege<br />

geprüft werden können.<br />

20.05.2020, BT-Drs. 19/19368, S. 21, verzeichneten die GKV-Statistiken<br />

für das Jahr 2018 ca. 19.<strong>10</strong>0 Leistungsfälle in der ambulanten und ca.<br />

3.400 Leistungsfälle in der stationären Intensivpflege.<br />

Untergesetzliche Vorgaben, die bestimmend für<br />

die AKI sind<br />

Für die Umsetzung der ambulanten Intensivpflege<br />

(AKI) hat der Gesetzgeber Regelungen auf untergesetzlicher<br />

Ebene vorgesehen. Dazu gehören insbesondere:<br />

→ Die Außerklinische Intensivpflege-Richtlinie<br />

(AKI-RL): 22 Auch die AKI-RL wurde trotz berechtigter<br />

Zweifel verabschiedet. Sie ist seit dem 18.<br />

März 2022 in Kraft, aufgrund einer Übergangregelung<br />

aber erst zum 31. Oktober <strong>2023</strong> endgültig<br />

wirksam. 23 Die AKI-RL regelt u.a. für welchen<br />

Probleme<br />

Das GKV-IPReG wird erst nach und nach wirksam<br />

und daher zeigen sich die praktischen Auswirkungen<br />

des Gesetzes ebenfalls erst nach und nach. Die<br />

volle Wirksamkeit entfaltet das GKV-IPReG erst ab<br />

dem 31. Oktober <strong>2023</strong>. Zu diesem Zeitpunkt endet<br />

die Übergangsfrist und der Anspruch auf Häusliche<br />

Krankenpflege entfällt für AKI-Patient:innen.<br />

Verordnungen von außerklinischer Intensivpflege<br />

dürfen dann nur noch auf der Grundlage der neuen<br />

AKI-Richtlinie erfolgen. 26 Verbände der Behindertenhilfe<br />

und Selbsthilfe sehen folgende Probleme,<br />

dies sich bereits jetzt durch Rückmeldungen betroffener<br />

Patient:innen abzeichnen:


Aus Politik & Gesellschaft<br />

63<br />

Problem 1: Die Pflegefachkraftpflicht führt zur<br />

Einengung des Personenkreises<br />

Der Anspruch auf AKI hängt davon ab, dass die<br />

Versicherten auf die „ständige Anwesenheit einer<br />

geeigneten Pflegefachkraft“ angewiesen sind. 27<br />

Verordnet werden kann die Leistung danach für<br />

Versicherte, bei denen ”wegen Art, Schwere und<br />

Dauer der Erkrankung die ständige Anwesenheit<br />

einer geeigneten Pflegefachkraft zur individuellen<br />

Kontrolle und Einsatzbereitschaft notwendig ist,<br />

weil eine sofortige ärztliche oder pflegerische Intervention<br />

bei lebensbedrohlichen Situationen mit<br />

hoher Wahrscheinlichkeit täglich unvorhersehbar<br />

erforderlich ist.“<br />

Das GKV-IPReG hat vorgegeben, dass der anspruchsberechtigte<br />

Personenkreis weder ausgeweitet noch<br />

eingeengt werden soll. 28 Aber mit Ende der Übergangsregelung<br />

zur AKI-RL wird die Regelung in der<br />

HKP-RL, in der vormals die außerklinische Intensivpflege<br />

als spezielle Krankenbeobachtung geregelt<br />

war, zum 31. Oktober <strong>2023</strong> gestrichen. 29 Im Ergebnis<br />

bedeutet das: Wenn die AKI durch die Krankenkasse<br />

abgelehnt wird, gibt es für die Betroffenen<br />

keine Versorgungsmöglichkeit über die HKP-RL,<br />

die eine kontinuierliche Krankenbeobachtung zum<br />

Beispiel auch durch Assistenzkräfte zulässt. In der<br />

Folge werden die Qualifikationsvoraussetzungen<br />

in der AKI-RL zu einer Verengung des bislang leistungsberechtigten<br />

Personenkreises führen. 30 Da<br />

nicht alle Patient:innen eine Pflegefachkraft für die<br />

Krankenbeobachtung benötigen, ist von einer Leistungsverschiebung<br />

in die Eingliederungshilfe (SGB<br />

IX) und die Hilfe zur Pflege (SGB XII) auszugehen.<br />

Im Gegensatz zur AKI-Leistung sind diese für Eltern<br />

von minderjährigen Kindern mit Behinderung<br />

jedoch teils einkommens- und vermögensabhängig.<br />

Da krankheitsspezifische Überwachungs- und<br />

Interventionsbedarfe im Leistungsbereich der<br />

Krankenversicherung liegen und sich nicht dem<br />

Aufgabenbereich der Eingliederungshilfe oder<br />

Grundpflege zuordnen lassen, sind rechtliche Auseinandersetzungen<br />

vorprogrammiert.<br />

22<br />

Der Beschluss des G-BA zur AKI-RL vom 19.11.2021 wurde am<br />

17.<strong>03</strong>.2022 im BAnz AT veröffentlicht und ist abrufbar unter www.gba.de/beschluesse/5142/.<br />

23<br />

Zurzeit gilt immer noch Übergangsrecht: Aufgrund des G-BA-Beschlusses<br />

vom 20.<strong>10</strong>.2022 (abrufbar unter www.g-ba.de/beschluesse/<br />

5677/) sind AKI-Verordnungen in der Zeit vom 01.01.<strong>2023</strong> bis 30.<strong>10</strong>.<strong>2023</strong><br />

wahlweise entweder nach der AKI-RL oder nach der Richtlinie über die<br />

Verordnung von häuslicher Krankenpflege (HKP-RL) möglich.<br />

24<br />

Abrufbar sind die AKI-RE unter www.gkv-spitzenverband.de<br />

25<br />

Diese liegt zur Prüfung beim BMG und ist künftig Abrufbar unter<br />

www.md-bund.de<br />

26<br />

Am 20.07.<strong>2023</strong> hat der G-BA den Antrag der Patientenvertretung<br />

auf eine weitere Verlängerung der Übergangsregelung abgelehnt (siehe<br />

dazu Seite 7 der Tragenden Gründe zum Beschluss des G-BA vom<br />

20.07.<strong>2023</strong>, abrufbar unter: www.g-ba.de/beschluesse/6<strong>10</strong>0/).<br />

27<br />

Pflegefachkraftpflicht als Voraussetzung des Leistungsanspruchs auf<br />

AKI, siehe § 4 Absatz 1 AKI-RL<br />

28<br />

Vgl. Tragende Gründe zum Beschluss zu § 4 AKI-RL, 2.5 zu Abs. 1,<br />

abrufbar unter www.g-ba.de/beschluesse/5142.<br />

29<br />

Der diesbezügliche Beschluss des G-BA über eine Änderung der HKP-<br />

RL vom 19.11.2021 wurde am 25.<strong>03</strong>.2022 im BAnz AT veröffentlicht<br />

und ist abrufbar unter www.g-ba.de/beschluesse/5152/.<br />

30<br />

§ 37c Absatz 1 Satz 2 SGB V i.V.m. § 4 Absatz 1 AKI-RL<br />

Problem 2: Selbst beschaffte Kräfte / Persönliches<br />

Budget<br />

Durch die hohen Qualifikationsanforderungen und<br />

den gleichzeitig herrschenden Fachkräftemangel in<br />

der Pflege ist es zunehmend schwierig, eine Versorgung<br />

in der Familie oder der eigenen Häuslichkeit<br />

sicherzustellen. Bisherige Versorgungen, die über<br />

das Persönliche Budget laufen und in denen selbst<br />

geschulte Assistent:innen eingesetzt werden, sind<br />

allerdings im Rahmen der AKI-RL nicht mehr vorgesehen.<br />

Es gibt bereits die Rückmeldung, dass


64<br />

Aus Politik & Gesellschaft<br />

Krankenkassen diese Fälle per Definition nicht als<br />

AKI einstufen, da die Versorgung auch ohne eine<br />

Pflegefachkraft umgesetzt werden kann. Das Problem<br />

baden die Betroffenen aus, wenn sie keine<br />

Pflegefachkräfte finden, die langjährig pflegenden<br />

Assistenzkräfte aber nicht mehr finanziert werden.<br />

Da hilft der Kostenerstattungsanspruch in § 37c<br />

Absatz 4 Satz 1 SGB V für eine selbstbeschaffte Pflegefachkraft<br />

auch nicht weiter.<br />

Problem 3: Potenzialerhebung<br />

Das GKV-IPReG sieht bei beatmeten oder tracheotomierten<br />

Patient:innen verpflichtend die<br />

Erhebung des Potenzials für eine Beatmungsentwöhnung<br />

oder Dekanülierung mit nahezu jeder<br />

Verordnung vor (§ 37c Absatz 1 Satz 6 SGB V). Diese<br />

Potenzialerhebung darf nur von besonders qualifizierten<br />

Ärzt:innen vorgenommen werden (§ 8<br />

AKI-RL). Entsprechende Ärzt:innen sind aber in der<br />

erforderlichen Anzahl insbesondere für Kinder- und<br />

Jugendliche nicht vorhanden, wie in dem Bundesgesundheitsportal<br />

31 festzustellen ist.<br />

31<br />

Bundesgesundheitsportal: https://gesund.bund.de/suchen/aerztinnen-und-aerzte<br />

Um die vorgesehene ärztliche Versorgung der Versicherten<br />

sicherzustellen, wäre eine umfassende<br />

Beteiligung von Krankenhausärzt:innen erforderlich,<br />

die in der Regel bisher die medizinische Begleitung<br />

der jungen Patient:innen übernommen hatten.<br />

Angesichts der akuten Versorgungskrise in der<br />

Krankenhauslandschaft ist der erfolgreiche Aufbau<br />

dieser flächendeckenden Versorgungsstrukturen<br />

jedoch nicht passiert. Dies belegen die aktuellen<br />

Zahlen der im Gesundheitsportal des Bundes für<br />

die Potenzialerhebung gelisteten Fachärzt:innen<br />

für Kinder- und Jugendliche.<br />

Der G-BA hat deshalb eine Übergangsfrist für die<br />

Potenzialerhebung beschlossen. Bis zum 1.1.2024<br />

steht in der AKI-RL, also auf untergesetzlicher Ebene,<br />

ein „sollen“ statt eines „müssen“. Das heißt<br />

im rechtlichen Sinne, wenn es möglich ist, muss<br />

die Potenzialerhebung erfolgen. Eltern sollten daher<br />

ihre Bemühungen um einen Termin für eine<br />

Potenzialerhebung gut dokumentieren. Die vom<br />

G-BA vorgesehene Übergangsregelung der AKI-RL<br />

ist nicht geeignet, um die Versorgungssicherheit zu<br />

gewährleisten. Die dort beschriebenen Ausnahmen<br />

sind außerdem rechtlich im GKV-IPReG nicht abgesichert<br />

und führen demzufolge zu Problemen bei<br />

der Prüfung des Leistungsanspruchs durch den MD.<br />

Die Potenzialerhebung vor einer Verordnung ist für<br />

beatmete und trachealkanülierte Kinder daher weiterhin<br />

notwendig, da sonst keine Rechtssicherheit<br />

besteht.<br />

Problem 4: Verordnung und Versorgungssicherheit<br />

Die verordnenden Ärzt:innen tragen eine höhere<br />

Verantwortung als bisher, da sie für die Koordination<br />

der medizinischen Behandlung verantwortlich<br />

sind. Sie müssen einen umfassenden Behandlungsplan<br />

entwickeln und auch rechtzeitig das Verfahren<br />

zur Potenzialerhebung einleiten. Dafür müssen sie<br />

eng mit den hierfür zugelassenen Fachärzt:innen<br />

zusammenarbeiten. 32 Da die potenzialerhebenden<br />

erforderlichen Strukturen jedoch nicht verfügbar<br />

sind, insbesondere für Kinder, Jugendliche und junge<br />

Erwachsene, ist der Aufwand unverhältnismäßig<br />

hoch, die Leistungsanforderungen zu erfüllen.<br />

Es zeigt sich bereits jetzt eine starke Zurückhaltung<br />

bei niedergelassenen Ärzt:innen, sich an der Versorgung<br />

zu beteiligen. In der Folge fehlt es daher<br />

auch an verordnenden Ärzt:innen, wodurch die<br />

Verordnungssicherheit und damit die Versorgung<br />

der Patient:innen gefährdet sind.<br />

32<br />

Vgl. § 12 Abs. 1 AKI-RL


Aus Politik & Gesellschaft<br />

65<br />

Problem 5: Evaluation<br />

Ab Zeitpunkt des Inkrafttretens von Artikel 2 GKV-<br />

IPReG soll ein begleitendes Monitoring erfolgen.<br />

Aber aus Sicht des <strong>knw</strong> fußt das Gesetz auf einer<br />

mangelhaften Datenlage. Denn bisher hat noch keine<br />

sachgerechte Differenzierung des heterogenen<br />

Personenkreises stattgefunden. So ist beispielsweise<br />

bis heute nicht bekannt, wie viele intensivpflegebedürftige<br />

Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene<br />

es eigentlich gibt und wie viele davon beatmet<br />

oder trachealkanüliert sind. Es wird mit den Daten<br />

aus der Evaluation der Umsetzung nicht möglich<br />

sein, diese im Vergleich zur bisherigen Versorgung<br />

zu betrachten. Daher wird es auch schwierig sein<br />

zu erkennen, ob sich durch die gesetzliche Neuordnung<br />

der Versorgungsstrukturen der Personenkreis<br />

ändert. Es besteht die Sorge, dass still und unbemerkt<br />

Versorgungssysteme zusammenbrechen und<br />

gerade junge Patient:innen aus der Versorgung herausfallen.<br />

Denn bereits jetzt schon kompensieren<br />

Eltern über Jahre bis zu ihrer Überlastung fehlende<br />

Versorgungsstrukturen.<br />

Das <strong>knw</strong> fordert daher gemeinsam mit rund 20<br />

anderen Verbänden in einem Positionspapier vom<br />

19.09.<strong>2023</strong> umgehend Nachbesserungen am GKV-<br />

IPReG. Das Forderungspapier mit weiteren Informationen<br />

zu den Hintergründen und zu Lösungsansätzen<br />

finden Sie unter folgendem Link:<br />

https://www.kindernetzwerk.de/downloads/<br />

230919_A_nderungsbedarf___37c_SGB_V_Po<br />

sitionspapier_der_Verba_nde_Final.pdf?m=<br />

1695112429&<br />

Nützliche Links<br />

> Bundesgesundheitsportal für die Arztsuche 33 :<br />

https://gesund.bund.de/suchen/aerztinnen-undaerzte<br />

> Für die Verordnung und zum Nachweis der Potenzialerhebung<br />

sind besondere Formulare zu nutzen.<br />

Diese finden Sie über die Kassenärztliche Bundesvereinigung<br />

(KBV): https://www.kbv.de/html/<br />

60812.php#content60902<br />

> Zur Abgrenzung von AKI und HKP-Leistungen<br />

hat der Forum Gehirn e.V. ein Dokument veröffentlicht:<br />

https://www.shvfg.de/<strong>2023</strong>/06/15/abgren<br />

zung-der-haeuslichen-krankenpflege-hkp-zur-aus<br />

serklinischen-intensivpflege-aki/<br />

> Die Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben<br />

in Deutschland e.V. (ISL) führt ein von der AK-<br />

TION MENSCH gefördertes Projekt: “Das Recht auf<br />

außerklinische Intensivpflege – Begleitung und<br />

Umsetzung aus Betroffenenperspektive“ durch.<br />

Mit dem Projekt sollen betroffene Menschen informiert,<br />

unterstützt und begleitet werden: https://<br />

aki-hkp.de/ Fälle, bei denen sich Schwierigkeiten<br />

zeigen oder die besonders gut verlaufen, können in<br />

anonymisierter Form als Erfahrungsbericht zurückgemeldet<br />

werden: https://aki-hkp.de/erfahrungsbericht-einreichen/<br />

> Haben Sie noch Fragen? Wenden Sie sich an<br />

unsere Mitgliedsorganisationen aus der Selbsthilfe:<br />

https://intensivkinder.de/ und https://www.inten<br />

sivleben-kassel.de/<br />

33<br />

Bei „Fachrichtung“ Kinder- und Jugendarzt eingeben, bei „Besondere<br />

Leistung“ Außerklinische Intensivpflege Potenzialerhebung eingeben<br />

Kontakt:<br />

Benita Eisenhardt, Referentin Projekte<br />

und Entwicklung im Kindernetzwerk e.V.<br />

eisenhardt@kindernetzwerk.de


66<br />

Buchtipps<br />

Buchtipps<br />

Mein Leben ist doch cool!<br />

„Mein Leben ist doch cool! Unsere Welt und was ich dazu zu sagen habe“<br />

ist eine Textsammlung von Nathalie Dedreux.<br />

Natalie Dedreux hat Trisomie 21, ist eine bekannte<br />

Inkluencerin und setzt sich als Selbstvertreterin für<br />

die Rechte und die Sichtbarkeit von Menschen mit<br />

Behinderung ein. In ihrem ersten Buch möchte sie<br />

nicht nur ihre Meinung zu wichtigen Themen dieser<br />

Zeit sagen: Sie möchte teilhaben, mitreden und<br />

gehört werden, denn nur so kann Inklusion funktionieren.<br />

Natalie Dedreux liebt Köln, den kölschen<br />

Dialekt und Kasalla. Kreativ und schön illustriert<br />

erlaubt sie uns Einblicke in ihr Leben. Das Buch behandelt<br />

aber auch verschiedene Bereiche wie Politik,<br />

Klima, Liebe oder Inklusion.<br />

Es ist ihre Sichtweise und ihr Leben, welches sie<br />

den Menschen zeigen möchte. Zeitgleich räumt sie<br />

sachlich mit Missständen und Vorurteilen gegenüber<br />

Menschen mit Behinderung auf.<br />

„Es gibt da noch eine Sache: Wegen dem Duzen.<br />

Wenn Menschen mit Down-Syndrom unterwegs<br />

sind, dann werden wir automatisch geduzt.“<br />

Trotz des sachlichen Stils und den verschiedensten<br />

Thematiken haben diese unweigerlich einen persönlichen<br />

Zug und berühren einen sehr. Die kurzen,<br />

klaren Texte lassen uns ihre ganz persönliche Motivation<br />

verstehen.<br />

Wer jetzt denkt, Auszüge aus ihrer Biographie<br />

und dem Weltgeschehen werden einfach so in<br />

den Raum geworfen, täuscht sich. Das Buch wirkt<br />

thematisch aufbauend. Auch wenn es in den Texten<br />

viel um die Autorin selbst geht, bleibt sie nicht<br />

ausschließlich bei sich, sondern bezieht alle mit<br />

ein, die von Diskriminierungen betroffen sind oder<br />

benachteiligt werden. Das macht Natalie Dedreuxs<br />

Buch so besonders.<br />

In Zusammenarbeit mit ihrem Assistenten Wenzel<br />

Rehbach, der die Texte nieder-geschrieben und illustriert<br />

hat, ist eine wundervolles kreatives Werk<br />

entstanden. Beim Durchlesen des Buches lässt sich<br />

Natalie Dedreuxs positive Art und Lebensfreude nur<br />

erahnen. Dank ihr wird der Leserschaft bewusst,<br />

dass es schließlich die kleinen Dinge im Leben sind,<br />

über die man sich freut.<br />

Infos zum Buch:<br />

Natalie Dedreux: „Mein Leben ist doch cool!<br />

Unsere Welt und was ich dazu zu sagen habe“,<br />

Knaur Verlag, München 2022. 240 S., 16,99 €.<br />

Diesen Artikel hat<br />

Yeliz Kidis verfasst.<br />

„Und wie gut, dass sie [Mutter] mit mir schwanger<br />

war. Sie hat keinen Test gemacht mit mir.<br />

Ich war einfach bei ihr.<br />

Da war ich froh drüber.“


68<br />

Buchtipps<br />

Für unsere „Very Special<br />

Children“: Unsere Kinderseiten<br />

Die Gewinner:innen<br />

unseres Malwettbewerbes im <strong>knw</strong><br />

Anlässlich unseres 30jährigen Jubiläums veranstalteten<br />

wir von Mai bis August einen Zeichenwettbewerb<br />

und luden alle Kinder über Facebook, Twitter<br />

und Instagram ein, sich daran zu beteiligen. Alles<br />

war erlaubt, ganz nach dem Motto: „Bunte Mischung<br />

-Vielfalt leben“. Je nach Möglichkeit sollten<br />

der Kreativität keine Grenzen gesetzt werde. Und<br />

das haben wir zugesendet bekommen:<br />

Michael ist 8 Jahre und schickte uns aus Österreich<br />

ein kleines Heft, in dem er seinen Alltag für uns<br />

in Bildern festgehalten hat. Seine Mutter Tamara<br />

wurde über die Hypophyseninsuffizienz - Gruppe<br />

auf unsere Aktion aufmerksam. Und als Sie ihrem<br />

Sohn Michael davon erzählte, war er sofort Feuer<br />

und Flamme. Michael ist ein sehr fröhlicher und<br />

offener Junge, kann aber aufgrund seiner Schmerzen<br />

oft die Schule nicht besuchen. An guten Tagen<br />

spielt er am liebsten Fußball mit seinen Freunden.<br />

Das Lebensmotto der Familie lautet: „Ein freudiges<br />

Herz ist eine gute Medizin.“<br />

Das wünschen wir Michael von ganzem Herzen.


Unsere Kinderseiten<br />

69


70<br />

Unsere Kinderseiten<br />

Eli, 3 Jahre<br />

Bild Nr. 2 stammt vom kleinen Eli aus Augsburg. Er<br />

ist mit seinen 3 Jahren der jüngste Teilnehmer unseres<br />

Wettbewerbs. Er lebt mit dem Kniest-Syndrom.<br />

Neben seiner tollen Zeichnung fügte er auch ein<br />

Foto von sich bei. Zuckersüß der Kleine, wie wir<br />

einstimmig finden.<br />

Golda, 5 Jahre & Yael, 7 Jahre<br />

Unser nächstes Kunstwerk stammt von Golda. Sie<br />

ist 5 Jahre alt und lebt mit dem Rett-Syndrom. Sie<br />

hat Ihr Bild mit einer Malkrake gemalt. Ihre große<br />

Schwester Yael hat Sie dabei unterstützt. Yael hat<br />

uns im Urlaub auch ein Bild gemalt. Sie ist 7 Jahre<br />

alt. Darauf zu sehen ist ihr Papa mit dem kleinen<br />

Brüderchen, der aktuell noch in Mamas Bauch<br />

wohnt. Beide Mädchen sind schon ganz gespannt<br />

auf ihr kleines Geschwisterchen.


Unsere Kinderseiten<br />

71


72<br />

Unsere Kinderseiten<br />

Eva, 9 Jahre<br />

Bild Nr. 5 stammt von Eva. Sie ist 9 Jahre alt und<br />

kommt aus Reinsfeld. Sie lebt mit dem Rett-Syndrom.<br />

Mit Hilfe eines Talkers hat Sie uns diesen tollen<br />

Brief geschrieben und sich dazu noch ein Rätsel<br />

ausgedacht. Wir denken, die Lösung gefunden zu<br />

haben, wollen aber allen anderen den Spaß nicht<br />

vorwegnehmen.<br />

Wir haben uns sehr über die Einsendungen gefreut<br />

und hoffen, allen eine kleine Freude mit unseren<br />

individuell zusammen gestellten Überraschungspaketen<br />

gemacht zu haben.<br />

Vielen herzlichen Dank an Alle!


74<br />

Unsere Kinderseiten<br />

Eine Geschichte nur für Euch<br />

Geschichte und Bilder von der Kindernetzwerk-Vorsitzenden Dr. Annette Mund<br />

Beatrice, das Einhorn-Mädchen<br />

Opa schlief auf seiner Lieblingsdecke, als Beatrice<br />

in sein Zimmer kam. Sie war sehr aufgeregt und<br />

wollte Opa sofort von ihrem ersten Schultag erzählen.<br />

Sie liebte Opa sehr; er war schon alt. Seine<br />

dichte Mähne war nicht mehr so schön wie früher.<br />

Er hatte nur noch wenige Haare, dafür wuchsen sie<br />

an allen möglichen Stellen an seinem Körper; selbst<br />

aus der Nase wuchsen sie. Er war alt und oft müde,<br />

aber Beatrice kannte niemand anderen, der auf alle<br />

ihre Fragen immer eine gute Antwort parat hatte.<br />

Und heute hatte sie so viele Fragen. Sie musste unbedingt<br />

mit ihm sprechen und, obwohl er so süß<br />

schlief, die Brille vor den Augen, musste sie ihn<br />

sofort wecken.<br />

„Opa, wach auf, wach auf. Ich muss Dir erzählen,<br />

was heute alles in der Schule war!“<br />

„Hmbrmh“ Opa brummelte vor sich hin, öffnete<br />

aber die Augen und sah Beatrice lächelnd an. „Was<br />

ist denn so Aufregendes geschehen? Natürlich, ja,<br />

es war ja Dein erster Schultag. Dann erzähle mal.“<br />

Aufmunternd sah er seine kleine Enkelin an.<br />

„Weißt Du Opa, ich habe heute ganz viele andere<br />

Einhorn-Mädchen kennen gelernt. Viele, viele,<br />

aber stell Dir vor – da waren Mädchen, die ganz<br />

anders als ich sind!“ Sie schaute Opa mit großen<br />

Augen aufgeregt an.


Unsere Kinderseiten<br />

75<br />

„So, wieso sind sie denn anders als Du?“<br />

„Da ist ein Mädchen, Barbara heißt sie. Die hat nur<br />

ein Auge und ein Ohr!“<br />

„Oh!“<br />

„Ja, und ein Mädchen, Selma, kann nicht laufen und<br />

sitzt auf einem Wagen, der gezogen werden muss.<br />

Und ein anderes Mädchen hat nur ein ganz kleines<br />

Horn im Gesicht, fast winzig. Und ihr Schwanz ist<br />

irgendwie ganz buschig. Ganz anders, als bei mir.“<br />

„Aha, nun ja“ brummelte Opa, aber Beatrice ließ<br />

ihn gar nicht zu Wort kommen. „Und da ist auch<br />

noch eine andere, die ist so schön. Sie ist groß und<br />

hat schwarz-weiße Haare. Sie ist ganz stark und sie<br />

hat gesagt, dass die anderen Mädchen doof sind,<br />

weil sie irgendwie behindert sind.“<br />

„Oh“, meinte Opa und seine Augen zogen sich eng<br />

zusammen. „Das scheint aber ein dummes Mädchen<br />

zu sein.<br />

„Wieso?“, fragte Beatrice. “Sie ist schön und bestimmt<br />

ist sie auch klug. Und die anderen Mädchen<br />

sind ja auch irgendwie …“<br />

„Was sind sie irgendwie?“ fragte Opa streng. Beatrice<br />

runzelte die Stirn. Wenn Opa so streng war, bedeutete<br />

das, dass sie dummes Zeug geredet hatte.<br />

Nur wusste sie nicht genau, was sie Falsches gesagt<br />

hatte.<br />

„Nun ja“, stammelte sie, „die Mädchen sind doch<br />

wirklich behindert, stimmt doch?“ Unsicher schaute<br />

sie Opa an.<br />

„Ja“, sagte Opa „anscheinend sind sie das. Aber was<br />

bedeutet das?“<br />

„Naja“, sagte Beatrice. “Eigentlich haben Einhörner


76<br />

Unsere Kinderseiten<br />

immer zwei Augen und zwei Ohren und sie können<br />

laufen. Und das Horn ist ein Zeichen, dass wir starke<br />

Wesen sind. Ist es so winzig wie bei diesem anderen<br />

Mädchen, bedeutet das, dass sie nicht stark<br />

ist.“<br />

„Ja, bedeutet das das wirklich? Konntest Du merken,<br />

dass sie schwach war? Oder meinst Du das<br />

nur, weil man solches Zeug erzählt? Und war das<br />

Mädchen, das nur ein Ohr und ein Auge hat, kein<br />

Einhorn-Mädchen?“<br />

„Doch, natürlich, nur …“ Sie überlegte. Natürlich<br />

war Barbara ein Einhorn-Mädchen, keine Frage,<br />

nur …<br />

„Und das Mädchen, wie hieß es nochmal, das nicht<br />

stehen kann. Ist es auch kein Einhorn-Mädchen,<br />

nur weil es liegen muss? Beatrice, denkst Du das<br />

wirklich?“<br />

„Ach Opa, das ist alles so kompliziert. Du kannst<br />

doch immer alles erklären, aber jetzt bist Du böse<br />

auf mich und das will ich nicht.“ Beatrice standen<br />

die Tränen in den Augen. Sie wollte doch nur von<br />

den aufregenden Neuigkeiten berichten und von<br />

dem schönen anderen Einhorn-Mädchen und jetzt<br />

sagte Opa, dass dieses dumm sei, und stellte alles<br />

so dar, als sei sie selbst auch eine Dumme.<br />

„Süße, pass mal auf und hör gut zu, was ich Dir jetzt<br />

sage.“<br />

Schmollend nickte Beatrice.<br />

„Der Körper ist der Körper. Du hast einen und<br />

Mama sagt manchmal, dass Du ein Pummelchen<br />

bist, aber ein schönes. Ich habe einen alten Körper,<br />

der Haare verliert und Haare an anderen Stellen<br />

wachsen lässt. Wir beide können an diesen Dingen<br />

nichts tun, denn der Körper ist, wie der Körper ist.<br />

Und jetzt hast Du Mädchen in Deiner Klasse, bei denen<br />

der Körper wieder ganz anders ist. Aber, und<br />

das ist das Wichtige, der Körper ist nur das Gerüst,<br />

das uns durch das Leben trägt. In ihm lebt ein Geist,<br />

eine Intelligenz, eine Seele. Du hast nur die Körper<br />

der Mädchen beschrieben – nur ein Auge und ein<br />

Ohr, kann nicht laufen, winziges Horn und buschiger<br />

Schwanz. Nur bei der Schönen hast Du etwas<br />

von ihrer Seele beschrieben – sie sagt, die anderen<br />

sind doof. Also scheint diese Seele wohl selbst etwas<br />

doof zu sein. Ich möchte, dass Du morgen und<br />

in den nächsten Tagen versuchst, etwas über die<br />

Seelen, den Geist und die Intelligenz der anderen<br />

Mädchen herauszufinden, und dann erzählst Du<br />

mir davon. Dann werden wir weitersehen. In Ordnung?“<br />

„Ja“ sagte Beatrice. Sie wusste zwar nicht ganz genau,<br />

was Opa eigentlich von ihr wollte, aber sie<br />

wollte versuchen, mehr über die Mädchen zu erfahren.<br />

„Na also, und jetzt lass mich weiterschlafen!“<br />

In den nächsten Wochen redete Beatrice sehr viel<br />

mit allen Mädchen und sie fand heraus, dass Barbara,<br />

obwohl mit nur einem Auge und einem Ohr<br />

beschenkt, ganz wunderbar lachen konnte und ein<br />

gutes Gespür für ein schönes Aussehen hatte. Sie<br />

ließ ihr Haar wachsen und es über die augenlose<br />

Seite fallen, so dass man eigentlich kaum noch sehen<br />

konnte, dass sie nur ein Auge hatte. Und sie<br />

setzte schönen Schmuck auf ihre Haare, so dass das<br />

fehlende Ohr gar nicht mehr auffiel.<br />

Selma fand, dass ihr Wagen ihr viele Vorteile bescherte;<br />

sie konnte sich ziehen lassen, bergrunter<br />

schneller als alle anderen runtersausen und manchmal<br />

die eine oder andere mitfahren lassen. Zudem<br />

schloss sie Freundschaft mit Samira, dem Mädchen<br />

mit dem winzigen Horn im Gesicht und dem buschigen<br />

Schwanz. Ihre Haare waren so, wie es im Süden<br />

der Erde üblich war, denn Samiras Eltern kamen aus<br />

einem ganz entfernten Land. Und obwohl sie nur<br />

so ein kleines Horn im Gesicht hatte, war sie doch<br />

ganz besonders stark und zog Selma überall hin,<br />

wohin diese wollte.<br />

Beatrice war sehr gerne mit allen zusammen; sie


Unsere Kinderseiten<br />

77<br />

alle hatten viel Spaß und langsam vergaß sie, dass<br />

Barbara nur ein Auge und ein Ohr hatte, dass Selma<br />

nicht laufen konnte und dass das Horn in Samiras<br />

Gesicht so klein war. Sie sah das alles nicht mehr,<br />

sie sah nur noch ihre Freundinnen. Nur zu Auguste,<br />

der Schönen, hatte sie immer weniger Kontakt,<br />

denn Auguste zeigte immer und überall, wie schön<br />

und groß sie war.<br />

Einmal hatte Beatrice versucht, Auguste das zu erklären,<br />

was ihr der Opa gesagt hatte, denn mittlerweile<br />

hatte sie verstanden, was er versucht hatte,<br />

ihr zu sagen. Sie hatte versucht, Auguste klarzumachen,<br />

dass sie auch nur einen Körper hatte, wie<br />

alle anderen auch. Nur eben einen, an dem man<br />

erst einmal nichts aussetzen konnte. Dass aber<br />

auch in ihrem Körper eine Seele und ein Geist säßen,<br />

die schön sein sollten. Und dass sie so redete,<br />

dass Beatrice nicht glauben konnte, dass ihre Seele<br />

schön sei. Aber Auguste hatte nicht hören wollen.<br />

Sie bildete sich weiterhin viel auf ihre Stärke und<br />

Schönheit ein. Das ging so lange, bis sich alle anderen<br />

Mädchen von ihr abgewandt hatten und nicht<br />

mehr mit ihr spielen und reden wollten. Da wurde<br />

sie traurig und sank in sich zusammen und tatsächlich<br />

hatte Beatrice das Gefühl, dass sie kleiner geworden<br />

war. Sie selbst aber war glücklich, mit Barbara,<br />

Selma und Samira lachen und sich gut fühlen<br />

zu können.


78<br />

Unsere Kinderseiten<br />

Ein Spiel für Euch<br />

von unserer stellvertretenden Kindernetzwerk-Vorsitzenden Susann Schrödel<br />

zum Ausprobieren – viel Spaß!


Unsere Glosse „zu guter Letzt“<br />

79<br />

Ansprache von Dr. Richard Haaser,<br />

als stellvertretendem Vorsitzenden am 16.September <strong>2023</strong> im<br />

Bildungszentrum Erkner beim Galaabend zum 30jährigen Jubiläum des <strong>knw</strong><br />

“Liebe Freunde und Aktive des Kindernetzwerks, liebe Gäste,<br />

da ich mir vorstellen kann, dass viele von Ihnen<br />

eher auf das bevorstehende Abendessen ausgerichtet<br />

sind, möchte ich die bis dahin verbleibende<br />

Zeit nutzen, Ihnen ein Anliegen ans Herz zu legen,<br />

nämlich die Frage, wie wir über die gerne von uns<br />

so genannten Kinder und Jungen Erwachsenen<br />

mit chronischen Erkrankungen und Behinderungen<br />

angemessen sprechen können, da mir diese<br />

Formulierung deren evtl. vorhandene Fähigkeiten<br />

zu wenig zum Ausdruck zu bringen scheint, wobei<br />

ich meine Überlegungen in einfacher Sprache formulieren<br />

und in nur einem Satz zusammenfassen<br />

werde, dem aber erst noch kurz vorausschicken<br />

möchte, dass mir der Satz „Sprache beeinflusst das<br />

Denken“ bekannt, aber durchaus auch frag-würdig<br />

ist, denn nicht unsere eigene Sprache beeinflusst<br />

unser Denken, da wir ja – zumindest manche von<br />

uns - schon vor dem Sprechen denken, dabei aber<br />

auch oft nicht bedenken, ob, wenn wir jemanden<br />

ansprechen, sie oder er unsere Gedanken ansprechend<br />

fände, also selten – außer bei Ansprachen<br />

wie dieser - mit Bedacht sprechen, wobei wir nicht<br />

jedes Mal Bedenken haben müssten, dass wir vielleicht<br />

missverstanden würden, somit beim Gegenüber<br />

nicht wirklich das ankäme, worüber wir uns<br />

Gedanken gemacht haben, da dann jeglicher Gedankenaustausch<br />

schwierig wäre, wobei ich den<br />

Austausch meiner Gedanken gegen die eines anderen<br />

von vorneherein sehr problematisch fände,<br />

zumindest, wenn es dabei zu einem kompletten<br />

Austausch käme oder wenn man dabei nicht mit<br />

ausreichender Sorgfalt vorginge, sodass während<br />

der Übertragung durch eine Störung, die man ja<br />

bei allen Transportvorgängen nicht vollständig ausschließen<br />

kann, auch wenn man dabei noch so routiniert<br />

und professionell handelt, was man ja doch<br />

von intelligenten Gesprächspartner:innen erwarten<br />

dürfte, es zu einem Verlust einiger Gedanken<br />

käme und ich mich daraufhin, schlimmstenfalls gedanken-los<br />

und in der Folge auch wort-los, an dem<br />

Gespräch nicht mehr sinn-voll beteiligen könnte,<br />

obwohl ein solches auch dann sinn-los wäre, wenn<br />

ich gehör-los oder – Gott behüte! - möglicherweise<br />

geist- oder hirn-los wäre oder wegen einer mentalen<br />

Beeinträchtigung meist hirnrissige Sätze von mir<br />

gäbe, wie es ja schon, und das seit Jahren, einige<br />

Politiker:innen und deren Anhänger:innen, die uns<br />

rechts überholen oder - besser gesagt - überrollen<br />

wollen, durchaus nicht gedankenlos, sondern sehr<br />

durchdacht und mit Bedacht tun, was mich dann<br />

immer wieder sprachlos macht, dahinwogegen ich<br />

statt eines Gedankenaustausches mir gut vorstellen<br />

könnte, meine Gedanken mit Ihnen zu teilen,<br />

wobei ich tatsächlich Bedenken hätte, ob, da möglicherweise<br />

die Leichtigkeit, mit der die eine Seite<br />

– also überwiegend ich - ihre Gedanken äußerte,<br />

die schwerwiegenden Bedenken der anderen –<br />

also Ihrerseits - nicht aufwöge und es so zu einem


80<br />

Unsere Glosse „zu guter Letzt“<br />

kognitiven Ungleichgewicht käme, was dann mir<br />

und sicher auch Ihnen schwer im Magen läge, weswegen<br />

ich jetzt zum eigentlichen Thema kommen<br />

und gemeinsam mit Ihnen eine positive Sprachregelung<br />

über „Die Betroffenen“ finden möchte, wobei<br />

auch dieser Ausdruck nicht gänzlich zutreffend<br />

ist, da, wenn ich eine betroffene Person träfe, mich<br />

deren Schicksal ebenfalls betroffen machte, während:<br />

„Menschen mit besonderen Bedürfnissen“<br />

mir auch nicht gerade als passende Bezeichnung<br />

für deren Ressourcen und Resilienz erscheint, denn<br />

diese haben auch Marathonläufer und andere Spitzensportler<br />

oder Künstler und andere Genies, wobei<br />

mir auch der oft benutzte Begriff: „Bedarfe“ als<br />

Freund der schönen Sprache ähnlich Bauchschmerzen<br />

macht wie „Wässer“ und „Sände“, „Milche“<br />

und „Mehle“, sodass - nach etlichen durch reifliches<br />

Überlegen durchwachten Nächten - ich mich<br />

als Vor- und Nachdenker durchgerungen habe zu<br />

dem Ausdruck: „Kinder und Junge Erwachsene mit<br />

7 B“, („mit besonderem Bedarf bei Beratung, Begleitung,<br />

Betreuung und Behandlung“), mit dem<br />

ich mich hoffentlich verständlich ausgedrückt habe,<br />

den ich Ihnen nun zum Nachdenken und Erörtern<br />

- wie eingangs schon gesagt - (Sie erinnern sich sicher)<br />

ans Herz legen möchte mit der Bitte, dass Sie<br />

sich alle einmal eigene Gedanken machen, wie sich<br />

Ihre persönliche Situation positiv beschreiben ließe,<br />

und mir Ihre Lösung an haaser@kindernetzwerk.de<br />

zu schicken, womit ich meinen Satz abschließe und<br />

Ihnen noch einen anregenden Abend wünsche in<br />

der Hoffnung, dass Sie mir aus dem etwas wirren<br />

roten Faden meiner Rede nicht einen Strick drehen<br />

und mich stattdessen auch bei der 40Jahr-Feier<br />

des <strong>knw</strong> wieder zu einem Vortrag einladen mögen.<br />

Vielen Dank.<br />

(aus Platzmangel um 2/3 gekürzt)


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