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Martinoni_DieGlockeVonMarbach_Leseprobe

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langen Jahren als ciòda, im Trentino gearbeitet hatte, vielleicht<br />

nach der Geburt von Antonio ihren Beruf aufgeben<br />

musste und seit dem Sommer 1900 in Amriswil lebt, einem<br />

Dorf nördlich von Frauenfeld. Am 20. August, erst acht Monate<br />

nach der Entbindung, wird die Geburt des «unehelichen<br />

Kindes» auch in der Gemeinde Vallada registriert.<br />

Jetzt ist das Geheimnis bekannt, und die Schande der Familie<br />

Costa ist in aller Munde.<br />

Mit wem lebt Maria Elisabetta zusammen? Und ist Antonio<br />

noch bei ihr? Oder kümmert sich tagsüber, während<br />

sie arbeitet, jemand anders um ihn? Die Frau eines Auswanderers?<br />

Die Kinderkrippe der Fabrik? Oder haben sie<br />

ihn, eine Weisung erwartend, bereits irgendwo untergebracht?<br />

Bei einer Amme? Bei den Nonnen? In einem Erziehungsheim?<br />

Was kann denn eine alleinerziehende, ganz<br />

auf sich selbst gestellte Mutter tun? Eine «sittenlose Frau»,<br />

wie man sie in einem solchen Fall nennt. Oder, offen gesagt,<br />

eine «Hure». Viele Sorgen lasten seit der Rückkehr aus<br />

der Frauenklinik auf ihren Schultern. Nun ist Maria Elisabetta<br />

Costa verpflichtet, sich um die Kreatur zu kümmern,<br />

die sie zur Welt gebracht hat. Sie wird ihren Sohn nicht für<br />

lange Zeit in andere Arme übergeben können. Und vor allem<br />

weiß sie, dass sie den Zorn ihres Vaters fürchten muss. Wenn<br />

die Saisonarbeit zu Ende geht, ist es an der Zeit, ins Bellunese<br />

heimzukehren, falls sie überhaupt je zurückkehren<br />

wird. Und dann wird Matteo Costa schon an alles gedacht<br />

haben: Er wird die Hure als Dienstmagd in das Kloster der<br />

Benediktinerinnen wegschicken. Den Bastard wird er einer<br />

Familie im Cadore­Tal überlassen.<br />

Tatsächlich hat die Fabrikarbeiterin einen Mann. Er heißt<br />

Bonfiglio Antonio Domenico Laccabue und wurde 1867 in<br />

Pieve Saliceto geboren, einem Ortsteil von Gualtieri in der<br />

Provinz Reggio Emilia. Er ist demnach zweiunddreißig Jahre<br />

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