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NJW 44/23 Dolmetscher und Übersetzer

In diesem NJW-Special „Dolmetscher und Übersetzer“ haben wir mit einer Konferenzdolmetscherin und einer Übersetzerin beim Sprachdienst des Auswärtiges Amts über ihre Arbeit gesprochen. Außerdem wird in diesem Special auf die „falschen Freunde“ des Übersetzens eingegangen und wie man sich vor ihnen schützen kann. Zudem erwartet Sie ein Beitrag, der sich mit den Besonderheiten von Gerichtsverhandlungen per Videokonferenz für Dolmetscher auseinandersetzt und ein weiterer Artikel, der sich mit universitären Lehrprogrammen zur Vermittlung der anglo-amerikanischen Rechtssprache im deutschsprachigen Raum beschäftigt.

In diesem NJW-Special „Dolmetscher und Übersetzer“ haben wir mit einer Konferenzdolmetscherin und einer Übersetzerin beim Sprachdienst des Auswärtiges Amts über ihre Arbeit gesprochen. Außerdem wird in diesem Special auf die „falschen Freunde“ des Übersetzens eingegangen und wie man sich vor ihnen schützen kann. Zudem erwartet Sie ein Beitrag, der sich mit den Besonderheiten von Gerichtsverhandlungen per Videokonferenz für Dolmetscher auseinandersetzt und ein weiterer Artikel, der sich mit universitären Lehrprogrammen zur Vermittlung der anglo-amerikanischen Rechtssprache im deutschsprachigen Raum beschäftigt.

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Anzeigenschwerpunkt <strong>Dolmetscher</strong> <strong>und</strong> <strong>Übersetzer</strong><br />

Fake beim juristischen Übersetzen? –<br />

Vorsicht vor „falschen Fre<strong>und</strong>en“<br />

Gefahren <strong>und</strong> Missverständnisse bei unreflektiertem<br />

Übersetzen juristischer Begriffe<br />

„Falsche Fre<strong>und</strong>e“ beim Übersetzen gaukeln täuschend echte<br />

Bedeutungen vor. Wörter, die in Ausgangs- <strong>und</strong> Zielsprache<br />

gleich oder ähnlich klingen, verführen zur Gleichsetzung.<br />

Auch im juristischen Bereich kommen sie vor, etwa Revision,<br />

im deutschen Prozess ein Rechtsmittel, welches das Urteil<br />

nicht rechtskräftig werden lässt, <strong>und</strong> das Pendant revisión, das<br />

auch im spanischen Prozess vorkommt, dort aber Wiederaufnahme<br />

des Verfahrens bedeutet <strong>und</strong> sich gegen ein bereits<br />

rechtskräftiges Urteil wendet. Die spanische Übersetzung für<br />

Revision ist hingegen casación.<br />

Wenn man sich bei der Übersetzung allein vom Klang leiten<br />

lässt, zeugt das natürlich nicht von Fake, also einer Fälschungsabsicht,<br />

sondern von mangelndem Hinterfragen, was beim<br />

Übersetzen im Kopf von Autor, <strong>Übersetzer</strong> <strong>und</strong> Zielleser<br />

passiert. Andernfalls würde man beachten, dass die jeweiligen<br />

Rechtsordnungen, die hinter Ausgangs- <strong>und</strong> Zielbegriff<br />

stehen, das Verständnis von Autor <strong>und</strong> Leser eventuell unterschiedlich<br />

prägen <strong>und</strong> dass man Rechtsvergleichung betreiben<br />

muss, um etwaige Abweichungen festzustellen <strong>und</strong> daraus<br />

resultierende Missverständnisse im Vorfeld auszuräumen.<br />

Dazu muss man die Definitionen in beiden Rechtsordnungen<br />

gegenüberstellen.<br />

Dann stößt man auf eine weitere Variante „falscher Fre<strong>und</strong>e“:<br />

zusammengesetzte oder mehrgliedrige Ausdrücke werden<br />

durch schematische Übersetzung der Elemente nicht unbedingt<br />

erfasst, selbst wenn die Bestandteile richtig übertragen<br />

sind. So stellt man die Verhältnisse auf den Kopf, wenn man<br />

den Notarassessor mit asesor notarial als Berater des Notars<br />

übersetzt. Oder man degradiert den spanischen Regierungschef<br />

um zwei Stufen, wenn man seine Amtsbezeichnung<br />

presidente del Gobierno mit Regierungspräsident überträgt.<br />

Keine Patentlösung beim juristischen Übersetzen –<br />

Auf den rechtlichen Kontext kommt es an<br />

Wie weit man bei der Gegenüberstellung der Definitionsmerkmale<br />

vordringen muss, um über die Äquivalenz zu<br />

entscheiden, lässt sich nicht allgemein beantworten. Vielfach<br />

hängt die Übersetzung vom Kontext ab. Soll man etwa<br />

contract nicht als Übersetzung für Vertrag anerkennen, weil<br />

zwar Übereinstimmung in Bezug auf die Merkmale der<br />

beiderseitigen Einigung über ein bestimmtes Objekt besteht,<br />

englische Verträge aber zusätzlich noch die consideration<br />

aufweisen müssen? Dann wären contract <strong>und</strong> Vertrag semantische<br />

„falsche Fre<strong>und</strong>e“, bei denen nicht der Klang, sondern<br />

die inhaltliche Bedeutung Äquivalenz vorgaukelt, wenn man<br />

bei der Rechtsvergleichung nicht alle relevanten Elemente<br />

prüft.<br />

So drängt sich beim deutschen Pflichtteil <strong>und</strong> der spanischen<br />

legítima der Aspekt auf, dass es sich in beiden Rechtsordnungen<br />

um einen Teil des Erbes handelt, der den nahen Familienangehörigen<br />

vorbehalten ist. Würde man sich mit dieser<br />

Parallele zufriedengeben, so würde man übersehen, dass die<br />

mit der légitima Bedachten in Spanien Miterben sind,<br />

während die deutschen Pflichtteilsberechtigten außerhalb<br />

der Erbengemeinschaft stehen <strong>und</strong> nur die Hälfte ihres<br />

gesetzlichen Erbes in Geld beanspruchen können. Vererben<br />

deutsche Eltern ein Gr<strong>und</strong>stück in Spanien, so würde der<br />

Registerführer in Spanien also nicht nur die erbenden, sondern<br />

auch etwaige auf den Pflichtteil gesetzten Kinder für Neueigentümer<br />

halten <strong>und</strong> ihre Beteiligung am Registerverfahren<br />

fordern.<br />

Verfahrensverfälschung durch falsche Übersetzungen<br />

im Recht<br />

Unbemerkte „falsche Fre<strong>und</strong>e“ können nicht nur Verfahren<br />

komplizierter machen, sondern auch zu materiell-rechtlichen<br />

Fehleinschätzungen führen. Beispielsweise macht es bei der<br />

Berücksichtigung von Vorstrafen natürlich einen Unterschied,<br />

wenn der erkennende Richter durch die Übersetzung der<br />

spanischen Straftat des robo mit Raub davon ausgeht, dass der<br />

mutmaßliche Täter schon einmal Menschen angegriffen hat,<br />

während dieser tatsächlich „nur“ einen Einbruchsdiebstahl<br />

begangen hat, denn robo gibt es in zwei Begehungsformen:<br />

Wegnahme mit Gewalt gegen Personen oder mit Kraftanwendung<br />

gegen Sachen.<br />

Anzeigenschwerpunkt <strong>Dolmetscher</strong> <strong>und</strong> <strong>Übersetzer</strong>

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