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Eine »One-Night-Only-Celebration of Fashion« sollte<br />
es werden, und als Location für die neue Kollektion<br />
von Celine hatte Hedi Slimane mit »The Wiltern«, eine<br />
altgediente, nach ihrem Standort an der Kreuzung zwischen<br />
Wilshire Boulevard und Western Avenue in Los<br />
Angeles benannte Bühne auserkoren, auf der schon die<br />
Rolling Stones, Prince, Bob Dylan und Nina Simome<br />
ihr Bestes gaben. Zum Gitarren-Riff von White Stripes<br />
»Hello Operator« schritten dann die Models in ihrer glitzernden<br />
Couture über den Stage, auf dem schon Amy<br />
Winehouse leicht betrunken herumgestelzt und James<br />
Browne mit seinem Hüftschwung begeistert hatte. Klingt<br />
gut, wird aber noch besser, wenn man weiß, dass<br />
Slimane das Album, von dem dieser Track stammt, der<br />
da in Dauerschleife lief, auch selbst produziert hat. Der<br />
Rock´n´Roll-Bezug ist beim französischen Modeschöpfer<br />
also kein bloß konstruierter Lichtkegel, in dem er sich<br />
sonnt, sondern ein tatsächlich gegebener. Slimane lebt<br />
die Musik, und Jack White ist sein bester Buddy. Dass<br />
auf die Show noch Live-Performances von Altmeister<br />
Iggy Pop, den Strokes und ein DJ-Set der Kills folgten,<br />
ist Zugabe. Mehr Rock´n´Roll geht nicht.<br />
Aber lassen wir die gekonnte Inszenierung einmal<br />
beiseite und konzentrieren wir uns auf die Mode.<br />
»Classics with a touch of sparkle« waren das, die da<br />
gezeigt wurden. Klassiker mit dem gewissen Etwas<br />
also. Mode, die man zu jedem Anlass tragen kann.<br />
Skinny Jeans etwa, kombiniert mit langen Cardigans,<br />
falschen Felljacken oder kurzen, bauchfreien Jacken<br />
(Cropped Jackets) – Stücke, die sich seit jeher im<br />
Schrank einer guten Rockerbraut finden, nur nicht in<br />
dieser Qualität. Ergänzt wurden diese klassischen<br />
Schätze von glitzernden Kleidern in unterschiedlichen<br />
Längen, allesamt aber in Metallic-Optik und figurbetont,<br />
die den klassischen Looks gekonnt einen verführerisch-femininen<br />
Touch hinzufügten. Was wäre ein<br />
Abend mit heißer Musik auch ohne den Hauch von<br />
silberner und goldener Verführung?<br />
Insgesamt wurde da einem Minimalismus gehuldigt,<br />
angesichts dessen einem ganz automatisch das Zitat eines<br />
der Größten, die jemals im Wiltern spielten, von Lou<br />
Reed nämlich, in den Sinn kommt. Der hatte mal in der<br />
ihm eigenen, unnachahmlichen Art über die Musik seiner<br />
Band The Velvet Underground gesagt: »Ein Akkord reicht<br />
vollkommen aus, zwei sind Angeberei, drei Jazz.«<br />
Die neue Kollektion von Celine wirkt wie das maßgeschneiderte<br />
Pendant zu diesem Zitat: Einfach und<br />
reduziert, dafür umso wirkungsvoller kommt sie daher,<br />
ähnlich der Musik von Velvet Underground, die sich<br />
bestens darauf verstand, zwölf Minuten bei einem<br />
Akkord zu bleiben und die Leute dabei zum Tanzen,<br />
ja regelrecht zum Ausflippen zu bringen. Dass das<br />
auch heute noch funktioniert, zeigte die Show im<br />
Wiltern: Während eines Songs der Strokes enterte<br />
das Party-Volk die Bühne und das Konzert schwappte<br />
in eine wilde Party über. Nachzusehen auf YouTube.<br />
Ob das modisch Gebotene Lou Reed gefallen hätte,<br />
sei einmal dahingestellt, schließlich lautet dessen zweitberühmtes<br />
Zitat: »I Think life is too short to concentrate<br />
on the past. I rather look into the future.« Die Frage, ob<br />
eine Kollektion, die sich so offen und ungeniert alter<br />
Rock´n´Roll- Mythen bedient, progressiv, d.h. zukunftsweisend<br />
sein kann, wäre eine, die man Hedi Slimane<br />
hätte stellen können, und der hätte sicher auch eine<br />
interessante Antwort darauf gewusst. Nur leider gibt der<br />
Edel-Couturier, der vor Celine auch schon bei Dior und<br />
bei Saint Laurent zugange war, kaum Interviews. Er fühle<br />
sich von der Presse zu oft missverstanden, wird er zitiert.<br />
In einem seiner seltenen Interviews meinte Slimane,<br />
es gehe ihm nicht darum, Celine seinen Stempel aufzudrücken.<br />
Eher wolle er »ein neues Kapitel beginnen«,<br />
mit Respekt vor dem, was war und ist. Es sei gar nicht<br />
seine Absicht, um jeden Preis den entgegengesetzten<br />
Weg einzuschlagen, was angesichts der Tatsache,<br />
dass Slimanes Vorgängerin Phoebe Philo in den zehn<br />
Jahren ihrer Amtszeit eine Markenwelt geschaffen hat,<br />
die auf Millionen Fans zählen kann, auch durchaus<br />
ratsam ist. Dass der neue Chef allerdings den Verlauf<br />
des Instagram-Accounts von Celine löschen und den<br />
Accent aigu auf dem Schriftzug der Marke entfernen<br />
ließ, widersprach dem Gesagten und kam in der französischen<br />
Modewelt gar nicht gut an. Die grafische<br />
Anpassung sei nötig, um dem »Projekt«, das er angepackt<br />
habe, die nötige Klarheit zu geben, rechtfertigte<br />
sich Slimane. Man trete so einen Job schließlich mit<br />
einer eigenen Geschichte an, einer Kultur und der<br />
eigenen Designsprache. Er wolle sich nur treu bleiben,<br />
so der Designer. Sich selbst, der eigenen Designsprache,<br />
gleichzeitig aber auch der eingeführten Marke<br />
mit allem, wofür sie steht, treu zu bleiben, klingt nach<br />
einem Spagat, ähnlich jenem, den James Browne auf<br />
der Bühne des Wiltern gern zeigte, wenn die Menge<br />
am Kochen war. Zurück auf die Bühne, wo Slimane<br />
durchwegs Mode präsentierte, mit der man eigentlich<br />
nichts falsch machen kann: Ob Tanktop mit Knöpfen<br />
aus geripptem Seidenjersey, Strickjacken aus gekräu-<br />
Celine<br />
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