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COCOimagezine 2023/02

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Eine »One-Night-Only-Celebration of Fashion« sollte<br />

es werden, und als Location für die neue Kollektion<br />

von Celine hatte Hedi Slimane mit »The Wiltern«, eine<br />

altgediente, nach ihrem Standort an der Kreuzung zwischen<br />

Wilshire Boulevard und Western Avenue in Los<br />

Angeles benannte Bühne auserkoren, auf der schon die<br />

Rolling Stones, Prince, Bob Dylan und Nina Simome<br />

ihr Bestes gaben. Zum Gitarren-Riff von White Stripes<br />

»Hello Operator« schritten dann die Models in ihrer glitzernden<br />

Couture über den Stage, auf dem schon Amy<br />

Winehouse leicht betrunken herumgestelzt und James<br />

Browne mit seinem Hüftschwung begeistert hatte. Klingt<br />

gut, wird aber noch besser, wenn man weiß, dass<br />

Slimane das Album, von dem dieser Track stammt, der<br />

da in Dauerschleife lief, auch selbst produziert hat. Der<br />

Rock´n´Roll-Bezug ist beim französischen Modeschöpfer<br />

also kein bloß konstruierter Lichtkegel, in dem er sich<br />

sonnt, sondern ein tatsächlich gegebener. Slimane lebt<br />

die Musik, und Jack White ist sein bester Buddy. Dass<br />

auf die Show noch Live-Performances von Altmeister<br />

Iggy Pop, den Strokes und ein DJ-Set der Kills folgten,<br />

ist Zugabe. Mehr Rock´n´Roll geht nicht.<br />

Aber lassen wir die gekonnte Inszenierung einmal<br />

beiseite und konzentrieren wir uns auf die Mode.<br />

»Classics with a touch of sparkle« waren das, die da<br />

gezeigt wurden. Klassiker mit dem gewissen Etwas<br />

also. Mode, die man zu jedem Anlass tragen kann.<br />

Skinny Jeans etwa, kombiniert mit langen Cardigans,<br />

falschen Felljacken oder kurzen, bauchfreien Jacken<br />

(Cropped Jackets) – Stücke, die sich seit jeher im<br />

Schrank einer guten Rockerbraut finden, nur nicht in<br />

dieser Qualität. Ergänzt wurden diese klassischen<br />

Schätze von glitzernden Kleidern in unterschiedlichen<br />

Längen, allesamt aber in Metallic-Optik und figurbetont,<br />

die den klassischen Looks gekonnt einen verführerisch-femininen<br />

Touch hinzufügten. Was wäre ein<br />

Abend mit heißer Musik auch ohne den Hauch von<br />

silberner und goldener Verführung?<br />

Insgesamt wurde da einem Minimalismus gehuldigt,<br />

angesichts dessen einem ganz automatisch das Zitat eines<br />

der Größten, die jemals im Wiltern spielten, von Lou<br />

Reed nämlich, in den Sinn kommt. Der hatte mal in der<br />

ihm eigenen, unnachahmlichen Art über die Musik seiner<br />

Band The Velvet Underground gesagt: »Ein Akkord reicht<br />

vollkommen aus, zwei sind Angeberei, drei Jazz.«<br />

Die neue Kollektion von Celine wirkt wie das maßgeschneiderte<br />

Pendant zu diesem Zitat: Einfach und<br />

reduziert, dafür umso wirkungsvoller kommt sie daher,<br />

ähnlich der Musik von Velvet Underground, die sich<br />

bestens darauf verstand, zwölf Minuten bei einem<br />

Akkord zu bleiben und die Leute dabei zum Tanzen,<br />

ja regelrecht zum Ausflippen zu bringen. Dass das<br />

auch heute noch funktioniert, zeigte die Show im<br />

Wiltern: Während eines Songs der Strokes enterte<br />

das Party-Volk die Bühne und das Konzert schwappte<br />

in eine wilde Party über. Nachzusehen auf YouTube.<br />

Ob das modisch Gebotene Lou Reed gefallen hätte,<br />

sei einmal dahingestellt, schließlich lautet dessen zweitberühmtes<br />

Zitat: »I Think life is too short to concentrate<br />

on the past. I rather look into the future.« Die Frage, ob<br />

eine Kollektion, die sich so offen und ungeniert alter<br />

Rock´n´Roll- Mythen bedient, progressiv, d.h. zukunftsweisend<br />

sein kann, wäre eine, die man Hedi Slimane<br />

hätte stellen können, und der hätte sicher auch eine<br />

interessante Antwort darauf gewusst. Nur leider gibt der<br />

Edel-Couturier, der vor Celine auch schon bei Dior und<br />

bei Saint Laurent zugange war, kaum Interviews. Er fühle<br />

sich von der Presse zu oft missverstanden, wird er zitiert.<br />

In einem seiner seltenen Interviews meinte Slimane,<br />

es gehe ihm nicht darum, Celine seinen Stempel aufzudrücken.<br />

Eher wolle er »ein neues Kapitel beginnen«,<br />

mit Respekt vor dem, was war und ist. Es sei gar nicht<br />

seine Absicht, um jeden Preis den entgegengesetzten<br />

Weg einzuschlagen, was angesichts der Tatsache,<br />

dass Slimanes Vorgängerin Phoebe Philo in den zehn<br />

Jahren ihrer Amtszeit eine Markenwelt geschaffen hat,<br />

die auf Millionen Fans zählen kann, auch durchaus<br />

ratsam ist. Dass der neue Chef allerdings den Verlauf<br />

des Instagram-Accounts von Celine löschen und den<br />

Accent aigu auf dem Schriftzug der Marke entfernen<br />

ließ, widersprach dem Gesagten und kam in der französischen<br />

Modewelt gar nicht gut an. Die grafische<br />

Anpassung sei nötig, um dem »Projekt«, das er angepackt<br />

habe, die nötige Klarheit zu geben, rechtfertigte<br />

sich Slimane. Man trete so einen Job schließlich mit<br />

einer eigenen Geschichte an, einer Kultur und der<br />

eigenen Designsprache. Er wolle sich nur treu bleiben,<br />

so der Designer. Sich selbst, der eigenen Designsprache,<br />

gleichzeitig aber auch der eingeführten Marke<br />

mit allem, wofür sie steht, treu zu bleiben, klingt nach<br />

einem Spagat, ähnlich jenem, den James Browne auf<br />

der Bühne des Wiltern gern zeigte, wenn die Menge<br />

am Kochen war. Zurück auf die Bühne, wo Slimane<br />

durchwegs Mode präsentierte, mit der man eigentlich<br />

nichts falsch machen kann: Ob Tanktop mit Knöpfen<br />

aus geripptem Seidenjersey, Strickjacken aus gekräu-<br />

Celine<br />

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