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COCOimagezine 2023/02

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gemerkt, dass meine Kunst unbedeutend war.<br />

Aber ich wollte in dieser Welt bleiben, mit<br />

Künstlern arbeiten. Wenn mir Beuys einen Job<br />

angeboten hätte, wäre das das Größte gewesen.<br />

Oder ein Job im Museum. Aber ich erkannte<br />

auch: Ohne dass man sich da auskennt, wird<br />

das nichts. Die Ungeduld war dann zu groß.<br />

»Was machst du in Berlin und Kassel?« fragten<br />

mich meine Freunde dann, und ich erzählte<br />

ihnen, was das für tolle Künstler vor Ort seien.<br />

Die kannte in Österreich aber kaum jemand. Da<br />

hatte ich die Idee, etwas zu machen, was diese<br />

Kunst nach Österreich bringt.<br />

So ein junger Künstler, den Sie nach<br />

Österreich brachten, war Jean-Michel<br />

Basquiat. Wie kamen Sie zu ihm?<br />

Das war einer dieser unglaublichen Zufälle, die<br />

mein Leben begleitet haben. Ich wollte eigentlich<br />

Warhol kennenlernen, und als ich mich bei<br />

Beuys verabschiedete, gab es einen Umtrunk,<br />

bei dem er sich bei all seinen Helfern bedankte.<br />

Da hat er mich gefragt, ob er etwas für mich<br />

tun könne. Ich bat ihn, eine Verbindung zu<br />

Warhol herzustellen. Er nahm eine Serviette<br />

und schrieb, »Dear Andy, please meet this<br />

talented young man!« darauf und gab sie mir.<br />

Mit der Serviette flog ich nach New York. Das<br />

war meine Eintrittskarte in die USA. Warhol hat<br />

mich dann schließlich Basquiat vorgestellt.<br />

Wie verlief das Treffen mit Warhol?<br />

Warhols Manager war unheimlich arrogant<br />

und wies mich barsch ab, nach dem Motto:<br />

Verdien erst mal Geld und dann komm wieder!<br />

Aber Warhol hat das am Rande mitgekriegt.<br />

Seine Familie kam ja aus der Slowakei,<br />

und da kommt jemand den weiten Weg aus<br />

dem kleinen Österreich. Er hatte Sympathie<br />

und meinte, es sei schon okay, wenn ich mich<br />

für ihn interessiere, aber ich solle doch die<br />

Künstler meiner Generation ausstellen. Er<br />

Bild von Mandy El-Sayegh<br />

würde einen Künstler für mich suchen, meinte er. Und so hat er mich mit<br />

Basquiat zusammengebracht. Dadurch entstand die aus heutiger Sicht legendäre<br />

Ausstellung von Basquiat 1984 in Salzburg.<br />

Er hat doch auch bei Ihnen gewohnt, oder?<br />

Ja, er hat in der Kaigasse in meinem Apartment geschlafen.<br />

Im Winter 1986 hatten Sie ein langes Gespräch mit ihm, das ihn<br />

zu seinem Werk »Saxaphone« inspiriert hat, habe ich gelesen.<br />

Stimmt das?<br />

Wir haben drei Ausstellungen mit ihm gemacht: 1984, 1986 und 1988. Wir<br />

zeigten in Salzburg die letzte Ausstellung, bevor er starb. Er ist im Juli aus Salzburg<br />

abgereist, und am 12. August ist er verstorben. Bei seiner zweiten Ausstellung<br />

1986 hat er im Vorfeld nach einem Thema gesucht, und wir haben lange<br />

geplaudert. Er war sich nicht sicher, meinte aber, Salzburg stehe für Musik. Und<br />

er wollte seine Idee von Musik darstellen. Da entstand »Saxaphone«, ein wichtiges<br />

Werk, aber auch ein zweites zu dem Thema, das eine Jazzsängerin zeigt.<br />

Sie haben vor zehn Jahren einen Satz zu mir gesagt, der hängen<br />

geblieben ist: »Nichts was in Salzburg geschieht, geht einfach so an<br />

mir vorbei.« Zu den politischen Veränderungen in der Stadt haben<br />

Sie sich – im Gegensatz zu vielen anderen in der Kultur tätigen<br />

Personen – klar geäußert. Warum diese Klarheit?<br />

Salzburg liegt mir sehr am Herzen. Dieses Salzburg muss man beschützen<br />

und bewahren, weil es hinsichtlich der Kunst und Kultur einzigartig ist. Jede<br />

Gefahr einer Einschränkung wirkt sich deshalb<br />

in diesem Umfeld noch brutaler als anderswo<br />

aus. Dass hier eine rechtslastige Regierungsbeteiligung<br />

stattfindet, war für mich ein<br />

Schock. Aber man muss auch akzeptieren, wie<br />

Menschen fühlen und politisch entscheiden.<br />

Das ist Teil des demokratischen Prozesses.<br />

Trotzdem muss man sich fragen, wie es dazu<br />

kam. Wie konnte das in einer Stadt passieren,<br />

die kulturell so Großes leistet? Wie konnte<br />

dort eine so fremdenfeindliche und nationalistische<br />

Atmosphäre entstehen?<br />

Was wäre die Antwort<br />

der Kunst darauf?<br />

Die Kunst hat eben keine politisch verändernde<br />

Antwort. Eine größere Stimme in der Kunst als<br />

in Salzburg gibt es wohl kaum. Wenn es die<br />

Kunst an einem Ort, an dem so viel Kreatives<br />

entsteht, die sich so kritisch mit dem auseinandersetzt,<br />

was uns alle bewegt, schon nicht<br />

schafft, wie will sie es dann überhaupt schaffen?<br />

Die Kunst war, als Sie anfingen, einer<br />

intellektuellen Elite vorbehalten. Dass<br />

sich seitdem vieles geöffnet hat, loben<br />

Sie immer wieder. Heute gibt es bei<br />

H&M Sweatshirts mit Keith-Haring-<br />

Aufdruck zu kaufen. Freut Sie das oder<br />

stößt es Sie ab?<br />

Es gibt sicherlich auch Nachteile einer zu<br />

starken Kommerzialisierung, aber die Vorteile<br />

der Öffnung überwiegen aus meiner Sicht die<br />

Nachteile. Und wenn Keith Haring bei H&M<br />

ist, stört mich das nicht. Im Gegenteil: Da geht<br />

es um eine Demokratisierung von Kunst, die<br />

ihn wahnsinnig gefreut hätte, denn an die hat<br />

er ganz stark geglaubt. Da wird die Kunst zu<br />

jungen Menschen gebracht.<br />

Vielen Dank für das Gespräch.

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