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COCOimagezine 2023/02

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Die Jubiläumsausstellung in der Villa<br />

Kast am Mirabellplatz ist in zwei Teile<br />

geteilt: Ebenerdig gibt es Werke aus<br />

dem Gründungsjahr 1983 zu sehen, im<br />

Stock darüber hängt Zeitgenössisches.<br />

Am zweiten Ausstellungsort, der Salzburg-Halle<br />

in Schallmoos, hängen die<br />

Werke aus den verschiedenen Epochen<br />

dann nebeneinander. Mein Eindruck:<br />

Vieles von damals hat immer noch<br />

Bestand und könnte von heute sein.<br />

Überrascht Sie das oder haben Sie das<br />

damals schon geahnt?<br />

Das hat mich schon etwas überrascht. Wir haben<br />

versucht, die Temperatur zu messen. Was<br />

hat die Künstlerinnen und Künstler bzw. die<br />

Menschen damals bewegt? Da hat sich nicht so<br />

viel geändert, was die Fragen der ›human condition‹<br />

betrifft. Aber wenn man genauer hinschaut,<br />

hat sich natürlich schon viel geändert,<br />

weil sich Frauen mit ihren Positionen durchgesetzt<br />

haben. Diversität spielt eine Rolle – zum<br />

Beispiel mit zwei jungen Künstlern, die in der<br />

Gegenwart eine große Stimme haben: Rachel<br />

Jones und Alvaro Barrington mit dieser Buntheit<br />

und mit einer visuellen Unvoreingenommenheit,<br />

die die Kunst von heute auszeichnet. Jede<br />

Galerie, die lebendig sein will und versucht, mit<br />

der Zeit zu gehen und auszuloten, wohin es mit<br />

der Kunst geht, muss ihr Programm entsprechend<br />

erweitern. Trotzdem ist man überrascht,<br />

wie sehr sich die Kunst von damals und die von<br />

heute in ein Ganzes fügen.<br />

Das ist aber doch auch eine Bestätigung<br />

Ihres Weges, oder?<br />

Ja, das ist schon eine Bestätigung. Große<br />

Kunst hält und funktioniert, aber das muss<br />

auch ständig getestet werden.<br />

Ich war sehr beindruckt von Mandy<br />

El-Sayegh, die sie aktuell in London<br />

ausstellen. Was veranlasst Sie, eine junge Künstlerin wie sie in Ihr<br />

Portfolio aufzunehmen?<br />

Sie ist eine sehr interessante Künstlerin. Sie wurde in Malaysia geboren,<br />

hat einen palästinischen Vater und eine chinesische Mutter. Da kommt ein<br />

Kultur-Mix zusammen, der sich auch in der Kunst ausdrückt. Das, was ihren<br />

Vater bewegt hat und die Familie aus Palästina weg- und nach Malaysia<br />

und schließlich nach London hat gehen lassen, das Politische, ist bei ihr<br />

besonders betont. Als ich 2017 meine Galerie in London eröffnete, habe ich<br />

eine wichtige Kunsthistorikerin ins Team geholt, Julia Peyton-Jones. Mandy<br />

El-Sayegh war eine der ersten Künstlerinnen, die sie mir vorgeschlagen hat,<br />

und wir haben sehr bald entschieden, dass wir mit ihr arbeiten möchten.<br />

Zwischen damals und jetzt liegen fünf Jahre, einige Ausstellungen und die<br />

aktuelle Einzelausstellung. Und sie geht ihren Weg ganz konsequent weiter.<br />

Manche der gezeigten Werke sind schlichtweg überwältigend. Anselm<br />

Kiefers »Sag mir wo die Blumen sind« etwa. Das trifft einen<br />

wie ein Schlag in die Magengrube. Gewöhnt man sich an diese<br />

Wucht oder trifft einen die jedes Mal aufs Neue?<br />

Das trifft einen jedes Mal aufs Neue. Das ist das Schöne. Von Anselm Kiefer<br />

und Georg Baselitz wollte ich Bilder zeigen, die hier in Salzburg gemalt wurden.<br />

Beide haben ein Atelier in Salzburg – das hat natürlich indirekt auch mit<br />

uns zu tun – und beide haben einen besonderen Bezug zur Stadt.<br />

Es gibt eine Reihe von sehr erfolgreichen Künstlern, wie eben<br />

Kiefer, Baselitz, aber auch Daniel Richter, die eng verbunden mit<br />

der Galerie sind und deren künstlerischer Aufstieg sehr stark<br />

mit dem Aufstieg der Galerie Thaddaeus Ropac korrespondiert.<br />

Manch einen haben Sie anfangs sicher auch gegen gewisse Widerstände<br />

protegiert?<br />

Natürlich. Am Anfang war es extrem schwierig. Das hat damit zu tun, dass eine<br />

junge Galerie am Anfang zwar leidenschaftlich an die Sache rangeht, aber man<br />

meist weder großartigen Einfluss noch Connections hat. Da passiert viel spontan.<br />

Je älter und erfahrener man wird, desto mehr geht es darum, stets am Puls<br />

der Zeit zu bleiben. Als Galerie ist man deshalb nie in der Situation, es einfach<br />

laufen lassen zu können. Weil sich die Kunstszene ständig verändert, weil sich<br />

das Leben der Künstler ständig verändert und sich dadurch ständig neue Pers-<br />

pektiven eröffnen. Da kann man sich nicht ausruhen.<br />

Alles, was man glaubt erreicht zu haben,<br />

muss neu bestätigt werden. Das ist einerseits<br />

eine Freude, wenn man merkt, dass das über<br />

Jahre hinweg funktioniert hat. Andererseits gibt<br />

es nie eine Garantie für die Zukunft.<br />

Hatten Sie trotz des Trubels der letzten<br />

Wochen Zeit, darüber zu reflektieren,<br />

was Sie in den 40 Jahren erreicht haben<br />

und was Sie noch erreichen wollen?<br />

Schon, ja. Man will sich ständig erneuern.<br />

Das wird bei uns auch sehr offen und mit der<br />

notwendigen Wahrhaftigkeit und Ehrlichkeit<br />

diskutiert. Ich habe ein wunderbares Team,<br />

das kritische Fragen stellen darf. Wir können<br />

Erfolge aber auch genießen. Gleichzeitig müssen<br />

wir unsere Rolle ständig neu definieren.<br />

Eine enorme Infrastruktur ist notwendig, aber<br />

letztendlich ist es das persönliche Verhältnis<br />

zu den Künstlern, das Vertrauen der Künstler,<br />

das zählt. Ohne dem wäre ich nicht da, wo ich<br />

heute bin. Diese Beziehungen sind für mich nie<br />

selbstverständlich.<br />

Was gab damals, vor 40 Jahren, den<br />

Ausschlag, es zu probieren, das Risiko<br />

einzugehen und sich mit einer Galerie<br />

selbstständig zu machen?<br />

Das waren schon diese beiden Erlebnisse mit<br />

Joseph Beuys. Einmal seine Installation »Nasse<br />

Wäsche«. Die hat mich irritiert und sogar verärgert,<br />

weil ich nichts damit anfangen konnte.<br />

Dann habe ich Beuys getroffen. Sein Auftritt an<br />

der Angewandten – wie er den Raum betreten,<br />

sich hingesetzt hat, dieses unglaubliche Charisma<br />

– hat mich überwältigt. Beuys hat Dinge<br />

gesagt wie »Jeder Mensch ist ein Künstler«.<br />

Damit war man direkt angesprochen und indirekt<br />

auch aufgerufen, kreativ zu werden. Ja,<br />

und dann wollte ich selber herausfinden, ob es<br />

zum Künstler reicht. Zum Glück habe ich schnell<br />

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