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Contura DE Herbst/Winter 2023

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<strong>Herbst</strong> / <strong>Winter</strong><br />

<strong>2023</strong> / 24<br />

<strong>Contura</strong><br />

Das Magazin der Rhätischen Bahn


Bitte<br />

einsteigen<br />

Geschätzte Fahrgäste<br />

Der öffentliche Verkehr verbindet Ortschaften<br />

und Menschen. Er sorgt für den Zusammenhalt<br />

von Bevölkerung und Wirtschaft in den Regionen<br />

unseres Kantons und schafft eine Verknüpfung<br />

über die Grenzen hinaus. Für einen Bergkanton<br />

wie Graubünden mit seinen langen Tälern und<br />

zahlreichen Ortschaften ist dies besonders wichtig:<br />

Der ÖV ist für uns von existenzieller Bedeutung.<br />

Die Mobilität inmitten von Alpenpässen, mit längeren<br />

Reisewegen, hat uns als Bevölkerung und<br />

unser wirtschaftliches Fortkommen seit jeher geprägt.<br />

Als mutige Pioniere vor rund 135 Jahren<br />

die ersten Bahnschienen zwischen Landquart<br />

und Davos verlegten, erhielt die Mobilität in<br />

Graubünden einen grundlegend neuen «Spirit».<br />

Sie wurde weiter technologisiert, und der ÖV allgemein<br />

zugänglich gemacht. Diese Zeitenwende<br />

im ÖV gilt es heute weiter zu gestalten und die<br />

RhB ist dabei eine wichtige treibende Kraft. Sie<br />

ist nach wie vor bestrebt, die Bedürfnisse nach<br />

Mobilität zu erkennen und ihr Angebot entsprechend<br />

weiterzuentwickeln.<br />

Aktuell erlebt die RhB eine Modernisierung, deren<br />

Intensität fast vergleichbar mit ihren Gründerzeiten<br />

ist. Zu denken ist an die Flottenerneuerung<br />

– die 56 neuen Capricorn-Triebzüge –, die<br />

Aufrüstung der Schieneninfrastruktur mit dem<br />

neuen Albulatunnel oder der Umbau fast aller<br />

Bahnhöfe und Haltestellen. Zusätzlich zu solchen<br />

Grossprojekten, die für ein zukunftsgerichtetes<br />

Transportunternehmen unerlässlich sind, ist die<br />

Weiterentwicklung der Reiseprodukte und Angebote<br />

entscheidend. So möchten wir – zusammen<br />

mit vielen Partnern – im Sommer 2024 die Landwasserwelt<br />

eröffnen, die rund um den Landwasserviadukt<br />

einen spannenden Themen- und Erlebnisraum<br />

darstellt. Solche Produkte tragen zur<br />

Diversifizierung der wirtschaftlichen und touristischen<br />

Aktivitäten bei und sie stärken die vielgestaltige<br />

Bündner Identität. Es geht auch dabei<br />

um den Zusammenhalt zwischen den Regionen<br />

und deren Bevölkerungen mit ihren wertvoll unterschiedlichen<br />

Eigenschaften.<br />

Ich wünsche Ihnen gute Fahrt.<br />

Dr. Mario Cavigelli<br />

Verwaltungsratspräsident der RhB


Mein Schicksal:<br />

der Zug<br />

«Gleis null» – eine Kolumne von Vincenzo Todisco<br />

Mein Vater behauptete, der Zug sei unser Schicksal. Er<br />

wuchs in einer sonnendurchfluteten Stadt am Meer<br />

auf, praktisch an der Bahnlinie. Er erzählte mir, wie<br />

er morgens aus dem Fenster sprang, um den fahrenden<br />

Zug noch zu erreichen. Ich bin grösstenteils in<br />

Rhäzüns aufgewachsen – tausend Kilometer sind es<br />

bis zur Stadt am Meer –, aber ebenfalls direkt an der<br />

Bahnlinie, keine hundert Meter vom damals bedienten<br />

Bahnhofsgebäude entfernt. Wenn ich das Läuten<br />

der heruntergehenden Bahnschranken hörte, wusste<br />

ich, dass ich die Schuhe anziehen und aus dem Haus<br />

rennen musste. Ein paar Mal lag ich noch im Bett und<br />

habe es doch noch rechtzeitig geschafft. Damals begann<br />

mein Pendlerdasein. Ich besuchte die Kantonsschule<br />

in Chur. Zweimal am Tag Rhäzüns – Chur und<br />

zurück, insgesamt fünf Jahre lang. Dann das Studium<br />

in Zürich, wohin ich als Heimwehbündner oft gependelt<br />

bin. Dazwischen Studienaufenthalte in Perugia,<br />

Montpellier und Paris. Die Reise dorthin immer mit<br />

dem Zug. Seit mehr als dreissig Jahren arbeite ich in<br />

Chur, zuerst am Lehrerseminar, dann an der Pädagogischen<br />

Hochschule. Ich bin die ganze Zeit gependelt.<br />

Wie viele Stunden ich im Zug gesessen bin? Es dürften<br />

um die 15 000 sein, die Reisen durch halb Europa<br />

nicht mitgerechnet. Verlorene Zeit? Keineswegs,<br />

denn in all den Stunden im Zug habe ich gelesen,<br />

geschrieben, aus dem Fenster geschaut, geschlafen,<br />

geträumt, nachgedacht, gute Ideen bekommen, mit<br />

Reisenden gesprochen, gestaunt, telefoniert, fantasiert,<br />

meditiert … gelebt eben.<br />

Nächster Halt – Vincenzo Todisco<br />

Todisco wurde als Sohn italienischer Einwanderer<br />

in Stans geboren und lebt heute<br />

in Rhäzüns. Seine letzte Romanveröffentlichung<br />

«Das Eidechsenkind», mit der er für den<br />

Schweizer Buchpreis 2018 nominiert war,<br />

erzählt aus der Sicht des Kindes vom Leben<br />

zwischen «daheim» in Italien und «zu Hause»<br />

im Gastland.<br />

<br />

→ www.vincenzotodisco.ch<br />

Editorial Rubrik


Zwischenstopp<br />

Rhätische Bahn<br />

UNESCO Welterbe RhB<br />

Bernina Express Bus<br />

Tirano – Lugano<br />

36 – 39<br />

Anavon Ski<br />

Innovation<br />

Zürich<br />

St.Gal<br />

Ilanz<br />

R<br />

T<br />

Disentis /<br />

Mustér<br />

S u r s e l v<br />

a<br />

Thus<br />

Oberalppass<br />

Andermatt<br />

Visp<br />

Impressum<br />

Zermatt<br />

© Copyright / Herausgeberin<br />

Rhätische Bahn AG,<br />

Bahnhofstrasse 25, CH-7001 Chur<br />

Technische Daten RhB<br />

Konzept / Text Panta Rhei PR AG<br />

(Anina Rether rea, Erika Suter sue, Franz Bamert ba,<br />

Jaëlle Troxler jtr, Sophia Hintermayer sh)<br />

Grafik Süsskind SGD Chur<br />

Fotos<br />

Cyrill Suter Umschlag<br />

Dirk Frischknecht Editorial<br />

Momir Cavic S. 1<br />

Fabian Gattlen S. 4 - 11<br />

Nicola Pitaro S. 13 / 14, S. 36 - 39, S. 48<br />

Andrea Badrutt S. 16 - 21, S. 28 - 31<br />

Irina Garcia S. 24<br />

Maurice Haas S. 32<br />

Sverre Hjørnevik S. 41<br />

Gaudenz Danuser S. 42<br />

Cyrill Bühler S. 43<br />

Cyrill Bühler, Bergsportschule Grischa,<br />

demateo AG, Alice Das Neves S. 44<br />

Falls nicht speziell erwähnt, von der RhB<br />

und Partnern zur Verfügung gestellt<br />

Ausgabe<br />

Nr. 15 <strong>Herbst</strong> / <strong>Winter</strong> <strong>2023</strong> / 24<br />

Gedruckt in der Schweiz<br />

Lukmanier<br />

Biasca<br />

Bellinzona<br />

Lugano<br />

Milano<br />

San<br />

Bernardino<br />

Chiavenna


12 – 15<br />

Leiter<br />

Autoverlad<br />

Vereina<br />

Passion<br />

Basel<br />

Bern<br />

N<br />

SCHWEIZ<br />

Genève<br />

Zermatt<br />

Zürich<br />

Chur<br />

Graubünden<br />

Lugano<br />

len<br />

Landeck<br />

is<br />

Rhein<br />

Landquart Ried<br />

Igis<br />

Zizers<br />

rvaz-Trimmis<br />

Haldenstein<br />

r Wiesental<br />

ur West<br />

erg<br />

eichenauamins<br />

nauamins<br />

Chiavenna<br />

Lugano<br />

venna<br />

no<br />

Landquart<br />

Landquart<br />

Chur<br />

Chur<br />

Tiefencastel<br />

Tiefencastel<br />

Plessur<br />

Weisshorn<br />

2653 m<br />

Lenzerheide<br />

Savognin<br />

Arosa<br />

P r<br />

P r<br />

Filisur<br />

ä t t<br />

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Arosa<br />

Bergün<br />

Filisur<br />

i g a<br />

Landwasser<br />

u<br />

Landquart<br />

i g a<br />

Samedan<br />

St.Moritz<br />

u<br />

Davos<br />

Platz<br />

Albulatunnel<br />

Samedan<br />

St. Moritz<br />

Klosters<br />

Platz<br />

Malans<br />

Seewis-Pardisla<br />

Grüsch<br />

Schiers<br />

Furna<br />

Jenaz<br />

Fideris<br />

Chur Altstadt<br />

Küblis<br />

Lüen-Castiel<br />

St. Peter-Molinis<br />

Saas<br />

Peist<br />

Klosters Dorf<br />

Langwies<br />

Litzirüti<br />

Bergün/Bravuogn<br />

Piz Ela<br />

3339 m<br />

Piz Nair<br />

3057 m<br />

4 – 11<br />

Maloja<br />

Davos Wiesen<br />

Preda<br />

Davos Frauenkirch<br />

Davos Glaris<br />

Davos Monstein<br />

Spinas<br />

Snowkiten in<br />

Silvaplana<br />

Scena<br />

Cavadürli<br />

Davos Laret<br />

Davos Wolfgang<br />

Davos Dorf<br />

Davos Platz<br />

Celerina<br />

Celerina Staz<br />

Punt Muragl Staz<br />

Pontresina<br />

Vereinatunnel<br />

Klosters Platz<br />

O b e r e n g a<br />

Pontresina<br />

Piz Bernina<br />

Vereinatunnel<br />

d i n<br />

O b e r e n g a<br />

Bever<br />

Piz Bernina<br />

4049 m<br />

Valposchiavo<br />

Piz Palü<br />

3901 m<br />

Lugano<br />

Piz Linard<br />

3411 m<br />

Zernez<br />

d i n<br />

Zuoz<br />

Madulain<br />

La Punt Chamues-ch<br />

Punt Muragl<br />

Surovas<br />

Morteratsch<br />

Bernina Suot<br />

Berninapass<br />

Muottas Muragl<br />

2453 m<br />

Berninapass<br />

S-chanf<br />

Poschiavo<br />

Valposchiavo<br />

U n<br />

t<br />

Livigno<br />

e r e<br />

Tirano<br />

g<br />

Edolo<br />

Val Camonica<br />

Brescia<br />

n a<br />

Na tiona lpa rk<br />

Susch<br />

Poschiavo<br />

U n<br />

Sagliains<br />

Zernez<br />

Cinuos-chel–Brail<br />

Bernina Diavolezza<br />

Bernina Lagalb<br />

Ospizio Bernina<br />

Alp Grüm<br />

Cavaglia<br />

Cadera<br />

Li Curt<br />

n<br />

d i<br />

Scuol-Tarasp<br />

t<br />

Ftan<br />

Ardez<br />

Guarda<br />

Lavin<br />

e r e<br />

Bormio<br />

g<br />

n a<br />

Müstair<br />

Na tiona lpa rk<br />

Inn<br />

n<br />

d i<br />

Mals<br />

Meran<br />

16 – 21<br />

Albulatunnel:<br />

Livigno<br />

Le Prese<br />

Miralago<br />

Brusio<br />

Campascio<br />

Campocologno<br />

Tirano<br />

Samnaun<br />

Scuol-Tarasp<br />

Bormio<br />

UNESCO Welterbe RhB<br />

Müstair<br />

Eröffnung 2024<br />

<strong>Contura</strong> online<br />

Hier können Sie das<br />

neue <strong>Contura</strong> online<br />

durchblättern.<br />

Landeck<br />

Mals<br />

Meran<br />

→ www.rhb.ch/contura


Halt auf<br />

Verlangen<br />

Haltestellen entlang unserer Route<br />

4 – 11<br />

Snowkiten in<br />

Silvaplana<br />

Scena<br />

16 – 21<br />

Albulatunnel:<br />

Eröffnung 2024<br />

UNESCO Welterbe RhB<br />

12 – 15<br />

Simon Rohner:<br />

Leiter Autoverlad<br />

Vereina<br />

Passion<br />

24 – 27<br />

Philipp Gurt:<br />

Krimi auf den<br />

RhB-Gleisen<br />

Bernina Express<br />

RhB Blog<br />

Entdecken, was sich alles<br />

bewegt rund um<br />

die Rhätische Bahn!<br />

Scena, 4 – 11<br />

Innovation, 36 – 39<br />

→ www.rhb.ch/blog<br />

2 www.rhb.ch/contura


RhB Newsletter<br />

Jetzt abonnieren<br />

und immer auf dem<br />

Laufenden sein.<br />

→ www.rhb.ch/newsletter<br />

Natur, 28 – 33 Outdoor, 42 – 45<br />

28 – 33<br />

«Das blaue Wunder»<br />

von Graubünden<br />

Natur<br />

36 – 39<br />

Echt bündnerisch:<br />

Anavon Ski<br />

Innovation<br />

34<br />

Mitmachen und<br />

gewinnen<br />

Verlosung<br />

42 – 45<br />

Faszination<br />

Eisklettern<br />

Outdoor<br />

35<br />

Das Buch zum<br />

Weltrekord der RhB<br />

Auf dem Radar<br />

48<br />

Interview<br />

mit Zugreisenden<br />

Fensterplatz<br />

Inhaltsverzeichnis 3


4


Snowkiten in<br />

Silvaplana<br />

Eine Bildserie von Fabian Gattlen<br />

→ www.fourthvisuals.com<br />

5


www.rhb.ch/contura


Scena<br />

7


8 www.rhb.ch/contura


Scena<br />

9


10 www.rhb.ch/contura


Scena<br />

11


Der Allrounder<br />

am Vereinatunnel<br />

Simon Rohner hütet das Tor ins Unterengadin<br />

Die Wetterprognosen, der Beginn der Ferien in Hamburg,<br />

die Verkehrsüberlastung am Gotthard oder auch<br />

sein Bauchgefühl: Diese und unzählige weitere Werte<br />

lässt der Leiter des Autoverlads Vereina, Simon Rohner,<br />

in seine Planung einfliessen.<br />

Das Leben stellt die Weichen manchmal sehr seltsam.<br />

Simon Rohner auf jeden Fall ist von Lavin im Engadin<br />

über Freiburg, Bern und ein paar weitere Stationen<br />

wieder am Ausgangsbahnhof gelandet. Und das ist<br />

gut so, sonst wäre der RhB dieser Mann entgangen,<br />

der heute als Leiter des Autoverlads Vereina täglich<br />

zuverlässig unterschiedlichste Fahrzeuge vom Prättigau<br />

ins Unterengadin und retour durch den Tunnel<br />

schleust. Doch diese Berufsbezeichnung trifft es nur<br />

sehr unvollständig, denn Rohner ist viel mehr als das.<br />

Aber alles der Reihe nach.<br />

«Als ich 14 Jahre alt war, zogen meine Eltern berufsbedingt<br />

von Lavin weg. In die Westschweiz eben.<br />

Doch ich habe den Kontakt zu den Bergen und den<br />

Menschen in dem kleinen Dorf nie verloren. Und irgendwie<br />

wusste ich, dass ich einmal zurückkehren<br />

würde», sagt der Mann, der neben Deutsch, Romanisch,<br />

Italienisch und Französisch auch Englisch<br />

spricht. Doch die Rückkehr erfolgte definitiv nicht<br />

im Schnellzug. Eigentlich sollte der Bub Simon aufs<br />

Gymi. Die Verkehrsschule in der Bundeshauptstadt<br />

und dann eine Lehre als Betriebsdisponent bei der<br />

Bern-Lötschberg-Simplon-Bahn (BLS) waren allerdings<br />

verlockender. Heute gibt es diesen Beruf so gar<br />

nicht mehr. Aber wer diese Lehre abschloss, wusste<br />

danach so ziemlich alles, was es über das Bahnwesen<br />

zu wissen gibt.<br />

500 000 Fahrzeuge pro Jahr<br />

Während Rohner erzählt, wirft er immer mal wieder<br />

einen Blick auf den Verladebahnhof Selfranga bei<br />

Klosters, wo sein Büro ist. Auf einmal meint er: «Wir<br />

sind heute nicht so viele Leute, ich muss einspringen.»<br />

Sagt’s, legt die Warnweste an und dirigiert hier<br />

einen LKW auf den Zug, beantwortet dort eine Frage<br />

und tauscht ein paar Worte mit einem Mitarbeitenden.<br />

«Das ist es, was ich an meiner Arbeit so mag»,<br />

sagt er später. «Ich bin ja nicht einfach ein Büromensch,<br />

sondern ein Allrounder und helfe, wo es gerade<br />

nötig ist.» Dann gibt er das Zeichen zur Abfahrt,<br />

18 Minuten Fahrt durch den Tunnel von Nord nach<br />

Süd. Vom Prättigau ins Engadin. Rund 500 000 Autos,<br />

Lastwagen, Wohnmobile und Motorräder transportiert<br />

die RhB jährlich durch den Tunnel.<br />

Proxima fermada – Autoverlad Vereina<br />

Lernen Sie Simon Rohner im Video<br />

von Graubünden Ferien besser kennen:<br />

→ www.rhb.ch/alpine-circle<br />

12 www.rhb.ch/contura


Passion 13


Scheinbar mühelos rollt ein Zug nach dem anderen durch den<br />

Vereina. Doch dahinter steckt eine ausgeklügelte Planung.<br />

14 www.rhb.ch/contura


Beginn einer neuen Ära<br />

Doch Moment, wir haben in der Geschichte von Rohner<br />

ein paar Haltestationen übersprungen, eigentlich ist<br />

sein Lebenszug noch gar nicht auf der Vereinastrecke<br />

angelangt. Nach der BLS finden die nächsten Zwischenhalte<br />

auf der RhB-Linie und zunächst im erlernten<br />

Beruf als Betriebsdisponent im heimatlichen<br />

Engadin statt, in Zernez, St. Moritz und in Scuol. Und<br />

hier beginnt die aufregende, spannende Vor-Vereina-<br />

Zeit. «Ab 1995 etwa war ich in die Vorbereitung und<br />

Organisation zum neuen Vereinatunnel involviert»,<br />

erinnert sich Rohner. «Es galt, Personal für die Kassen<br />

und den Verlad zu rekrutieren, Einsatzpläne zu<br />

erstellen und alle möglichen und unmöglichen Eventualitäten<br />

durchzuexerzieren. Wir hatten ja keine Erfahrungswerte,<br />

auf die wir zurückgreifen konnten.»<br />

Die intensive Vorbereitungsphase dauerte rund zwei<br />

Jahre. «Als dann am 19. November 1999 der erste<br />

offizielle Zug durch den Tunnel fuhr, war das ein Meilenstein<br />

für mich – etwas, das du im Leben nur einmal<br />

erlebst», erinnert sich der ruhige Mann. Nicht nur<br />

für ihn, sondern genauso für die RhB und vor allem<br />

für das Unterengadin war die Eröffnung des Vereinatunnels<br />

der Beginn einer neuen Ära: «Auf einmal war<br />

Chur über die Albulastrecke nicht mehr eine halbe<br />

Ewigkeit entfernt. Sogar das einst ferne Zürich war<br />

plötzlich in weniger als drei Stunden erreichbar. Wenn<br />

man heute mit den Einheimischen im Unterengadin<br />

spricht, sehnt sich keiner und keine in die Vor-<br />

Vereina-Zeit zurück.»<br />

Ursache und Wirkung<br />

Draussen rollt ein Zug nach dem anderen durch den<br />

Tunnel. Scheinbar problemlos. Doch dahinter steckt<br />

eine ausgeklügelte Planung, fast wie ein riesiges Puzzle.<br />

Vergisst Rohner bei dieser Planung auch nur ein<br />

einziges Puzzleteil, kann es schiefgehen. Schneit es<br />

etwa auf dem Julier stark, dann kommt eine Fahrzeuglawine<br />

auf den Vereinatunnel zu. Beginnen in<br />

einem grösseren deutschen Bundesland die Ferien,<br />

dann herrscht ein Tag später Hochbetrieb beim Autoverlad.<br />

«Am Anfang wussten wir hier manchmal<br />

selbst nicht so recht, warum plötzlich völlige Ebbe<br />

herrschte oder warum auf einmal eine Flut von Fahrzeugen<br />

auf uns zukam. Aber inzwischen haben wir<br />

Erfahrungswerte, die ich in die Planung einfliessen<br />

lassen kann», sagt der Leiter des Autoverlads, der eigentlich<br />

viel mehr ist als das. «Ich bin nicht nur für<br />

den Autoverlad, sondern auch für die RhB-Strecke<br />

auf der Engadiner Seite bis hinunter nach Scuol zuständig.<br />

Letzthin hat ein Sturm dort Bäume auf das<br />

Bahntrassee stürzen lassen. Dann bin ich mit dem für<br />

diese Fälle gebildeten Interventionsteam vor Ort gereist,<br />

um den Einsatz zu koordinieren.»<br />

Als der erste offizielle Zug durch<br />

den Tunnel fuhr, war das ein<br />

Meilenstein für mich.<br />

Und obwohl die Tage für Rohner an der Vereinastrecke<br />

manchmal lang, sehr lang, sind: Es gibt für ihn<br />

auch ein Leben jenseits der Arbeit. Denn er ist politisch<br />

tätig. Sein Dorf Lavin gehört zur politischen Gemeinde<br />

Zernez, und er ist im dortigen Gemeinderat<br />

für Tourismus und Sport zuständig. Daneben setzt er<br />

sich auch dafür ein, dass der Dorfladen – die Butia –<br />

in Lavin erhalten bleibt. «Der Laden ist so etwas wie<br />

die Lebensader meines Dorfes.» Rohner strahlt Ruhe<br />

aus und eine natürliche Herzlichkeit. Spricht man mit<br />

dem Mann, hat man das Gefühl, für ihn gibt es an<br />

erster Stelle nur «seinen» Tunnel. An der zweiten und<br />

dritten auch. Aber was ist, wenn sein Lebenszug dereinst<br />

in den Bahnhof einfährt, der mit «Pensionierung»<br />

angeschrieben ist? «Kein Problem», sagt der<br />

Bähnler mit Leib und Seele. «Ich liebe zwar meine<br />

Arbeit, der Vereina mit allem Drum und Dran ist mir<br />

ans Herz gewachsen. Aber es gibt noch eine Welt jenseits<br />

der Bahn und der Berge. Und die will ich zusammen<br />

mit meiner Frau entdecken.» Mit der Nordund<br />

der Ostsee, mit Sardinien und Korsika haben die<br />

beiden bereits begonnen. Es bleibt noch eine ganze<br />

Welt übrig. (ba)<br />

Passion 15


16 www.rhb.ch/contura


Ein neuer<br />

Lebensnerv<br />

für die RhB<br />

Die Bauarbeiten am Albulatunnel II<br />

neigen sich dem Ende zu<br />

Kein Jahr mehr, dann wird der neue Albulatunnel eröffnet:<br />

Zehn Jahre nach dem Spatenstich im Sommer<br />

2014 werden die RhB-Züge durch die neue Röhre rollen.<br />

<strong>Contura</strong> wirft einen Blick auf den aktuellen Stand<br />

der Arbeiten.<br />

Die Eröffnung des Albulatunnels im Juli 1903 – vor<br />

120 Jahren – war ein Meilenstein für die Rhätische<br />

Bahn. Endlich war Preda auf der Nordseite des Albulapasses<br />

mit Spinas im südlich gelegenen Val<br />

Bever verbunden. Heute fiebert die RhB mit dem<br />

baldigen Abschluss des Grossprojekts Albulatunnel II<br />

einem weiteren geschichtsträchtigen Moment entgegen:<br />

Im Sommer 2024 werden die Gleise durch den<br />

neuen Meterspurtunnel von Personen- und Güterzügen<br />

befahren.<br />

Live-Augenschein<br />

Einen Live-Augenschein von den Bauarbeiten<br />

bietet die Webcam am Nordportal in Preda:<br />

→ albulatunnel.roundshot.com<br />

17


Zahlen und Fakten<br />

Planung und Ausführung<br />

14 Jahre<br />

Länge Albulatunnel II (Neubau)<br />

5 860 m<br />

Länge Albulatunnel I (bestehender Tunnel)<br />

5 864 m<br />

Züge pro Jahr<br />

15 215<br />

Kubatur / Ausbruchvolumen<br />

244 000 m 3<br />

(Festmass)<br />

Finanzierung<br />

Bund 85%,<br />

Kanton 15%<br />

18 www.rhb.ch/contura


Querverbindungen zum Sicherheitstunnel<br />

12<br />

Tunnelhöhe ab Schienenoberkante (Ausbruch)<br />

5,44 m (9,52 m)<br />

Tunnelbreite Innenmass (Ausbruch)<br />

5,76 m (7,67 m)<br />

Scheitelhöhe<br />

1 821 m ü. M.<br />

Freie Tunnelquerschnittsfläche<br />

26,88 m 2<br />

Gesamtprojektkosten<br />

CHF 407 Mio.<br />

Mögliche Höchstgeschwindigkeit im Tunnel<br />

120 km / h<br />

Bauzeit<br />

8,5 Jahre<br />

Personenfrequenz pro Jahr<br />

1,15 Mio.<br />

Ausbruchsquerschnitt maximal<br />

58,39 m 2<br />

UNESCO Welterbe RhB 19


Schlag auf Schlag<br />

Vier Jahre nach dem Spatenstich fiel im Oktober<br />

2018, kurz vor Mittag, der letzte Steinbrocken und<br />

der Durchschlag war geschafft. Der grosse Moment<br />

wurde gefeiert, doch Zeit zum Ausruhen blieb keine,<br />

Schlag auf Schlag ging es weiter: Seither wurde<br />

fleissig am Tunnelrohbau gearbeitet, am Ausbau des<br />

Gewölbes und der Tunnelsohle, des Banketts, an den<br />

Querverbindungen zum alten Albulatunnel und natürlich<br />

an den beiden Portalen in Preda und Spinas.<br />

Diese Arbeiten wurden Ende 2022 abgeschlossen und<br />

im Frühling <strong>2023</strong> begann die «Feinarbeit»: der Einbau<br />

der Fahrbahn und der Fahrleitung.<br />

Nächster Halt – Albulatunnel<br />

Der kurze Film von 2017<br />

zum Neubau des Albulatunnels gibt<br />

spannende Einblicke:<br />

→ www.rhb.ch/film-zum-neubau<br />

Feste Fahrbahn statt losem Schotter<br />

Als nächster Schritt erfolgte im Mai <strong>2023</strong> der Einbau<br />

der Festen Fahrbahn. Bei einer Festen Fahrbahn<br />

werden für den Schienenoberbau nicht Schotter und<br />

Bahnschwellen verwendet, sondern ein Fahrbahnstrang<br />

aus Beton oder Asphalt. Die RhB wählte für<br />

ihren schotterlosen Schienenoberbau Beton, die<br />

dafür notwendigen Beton-Zuschlagstoffe konnten<br />

praktischerweise aus dem Tunnelausbruch, also dem<br />

aus dem Berg herausgebohrten Material, hergestellt<br />

werden. Bei der Festen Fahrbahn ist die Gleislage stabiler<br />

und verschiebt sich auch unter Einfluss grosser<br />

Kräfte kaum. Sie ist sehr verformungs- und witterungsbeständig,<br />

und somit sind auch die Instandhaltungskosten<br />

geringer. Auch für die Zuggäste hat<br />

die betonierte Fahrbahn einen Vorteil: Die Reise wird<br />

komfortabler, da es kaum schüttelt und rüttelt. In zügigem<br />

Tempo wurden die Gleise verlegt: Im Sommer<br />

<strong>2023</strong> kamen pro Tag rund hundert Meter neue Gleise<br />

hinzu, sodass die Gleisbauarbeiten am 10. August<br />

fertiggestellt waren.<br />

Nächste Schritte: Strom und Sicherheit<br />

Nun brauchen die RhB-Züge bekannterweise nicht<br />

nur Schienen unter den Rädern, sondern auch Strom<br />

über dem Dach. Ab September <strong>2023</strong> folgte somit der<br />

Einbau der Fahrleitung, welche die Züge für ihre Fahrt<br />

durch den neuen Albulatunnel mit Strom versorgen<br />

wird. Parallel dazu ging der bahn- und sicherheitstechnische<br />

Ausbau weiter. Apropos Sicherheit: Der<br />

alte Albulatunnel wird nach der Eröffnung zum Sicherheitstunnel<br />

umgebaut, sodass sich Fahrgäste und<br />

Personal bei einem Notfall im Albulatunnel II über einen<br />

der zwölf Verbindungsgänge in Sicherheit bringen<br />

können.<br />

Abschluss eines Jahrhundertprojekts<br />

Wie der alte Albulatunnel wird auch der neue Tunnel<br />

wieder für viele Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte,<br />

die Reise ins Engadin prägen. Wenn weiterhin alles<br />

nach Plan läuft, werden am Wochenende vom 8./9.<br />

Juni 2024 die Korken knallen, dann nämlich wird der<br />

neue Albulatunnel feierlich eröffnet. Der Abschluss<br />

des über zehn Jahre dauernden Projekts wird gut ein<br />

Jahr später sein, wenn auch der Sicherheitstunnel<br />

fertiggestellt und alle Renaturierungsmassnahmen<br />

abgeschlossen sind. (sue)<br />

20 www.rhb.ch/contura


21


Vergleiche<br />

der anderen Art<br />

Schon gewusst?<br />

Chur Das RhB-Streckennetz ist 385 Kilometer lang.<br />

Würden die<br />

606<br />

Brücken<br />

Würde man dem 1906 Meter langen Weltreko rdzug von der Zugspitze zum Zugende entlangspazieren, wäre man fast 30 Minuten unterwegs.<br />

der RhB aneinandergereiht, liessen sich<br />

die 16 Kilometer von Landquart nach Chur<br />

problemlos «überbrücken».<br />

22 rhb.ch/contura


4000<br />

Kilowattstunden<br />

Bremsenergie hat der Weltrekordzug auf seiner<br />

Talfahrt durch Rekuperation erzeugt.<br />

Das entspricht zirka dem Jahresbedarf eines<br />

Einfamilienhauses mit vier Bewohnern.<br />

Das entspricht der Luftlinienstrecke zwischen Chur und Rimini.<br />

Rimini<br />

22 x<br />

Vom tiefst gelegenen RhB-Bahnhof in Tirano (429 m ü. M.)<br />

bis zum höchsten Punkt im RhB-Netz, dem Ospizio Bernina auf<br />

2253 m ü. M. sind es 1824 Meter Höhenunterschied. Dies entspricht<br />

mehr als der 22-fachen Höhe der Churer Martinskirche.<br />

Chur<br />

Alle<br />

115<br />

Tunnel<br />

Davos<br />

auf dem RhB-Netz sind zusammengerechnet<br />

58 869 Meter lang. Damit könnte man die Strecke<br />

von Chur bis Davos «unter Tage» befahren.<br />

23


Philipp Gurts neuster Krimi spielt im Bernina Express.<br />

24 www.rhb.ch/contura


Höchste Eisenbahn –<br />

ein Krimi auf den Gleisen<br />

der RhB<br />

Der Bernina Express als Mordschauplatz<br />

Philipp Gurt, 55, ist für seine Krimis aus dem Bündnerland<br />

bekannt. Nach Landjäger Caminada und Polizistin<br />

Giulia de Medici nimmt nun eine neue Ermittlerin<br />

die Fährte auf. Ausgerechnet im Bernina Express<br />

ist ein Mord geschehen. Wir haben den Bestsellerautor<br />

zu seinem neusten Coup befragt.<br />

War es für Sie als Bündner Krimiautor höchste<br />

Eisenbahn für einen «Mord im Bernina Express»?<br />

Genau das hat mein Verleger, ein grosser Fan der<br />

RhB, wohl gedacht, als er mich gefragt hat: «Willst<br />

du nicht einmal jemanden im Bernina Express abmurksen?»<br />

Die Idee, den Zug als Schauplatz eines<br />

spannenden Krimis zu nutzen, ist nicht neu, aber sie<br />

hat mir sofort gefallen. Denn die RhB mit ihren Zügen,<br />

die durch alle Täler fahren, ist sowas wie das Herzblut<br />

von Graubünden.<br />

Das Buch ist Daniel Hänni gewidmet, einem<br />

Lokführer der RhB – was steckt dahinter?<br />

Daniel ist ein langjähriger Freund von mir und mit<br />

Herz und Seele Lokführer. Er hat mich mit seiner Leidenschaft<br />

inspiriert und mit seinem grossen Fachwissen<br />

beraten. Ich kenne den Bernina Express ja nur als<br />

Fahrgast. Dank Daniel kann ich sicher sein, dass ich<br />

mich bei den vielen Zugfans und RhB-Insiderinnen<br />

und -Insidern nicht blamiere.<br />

Mit Corina Costa betritt eine neue Ermittlerin Ihr<br />

schriftstellerisches Parkett. Was hat Sie an dieser<br />

Figur gereizt?<br />

Der Bernina Express fährt durchs Engadin. Also habe<br />

ich eine Figur gesucht, die sich stark mit dieser Landschaft<br />

identifiziert. Corina Costa lebt in zwei Welten:<br />

Einerseits ist sie eine toughe Teilzeitermittlerin mit<br />

ausgeprägtem Gerechtigkeitssinn, andererseits naturverbundene<br />

Bergbäuerin, die sich liebevoll um Hof<br />

und Tiere kümmert. Dieser vielschichtige Charakter<br />

ist für mich als Autor spannend und kommt auch bei<br />

der Leserschaft so gut an, dass ich schon jetzt verraten<br />

kann: Es wird einen weiteren Fall mit ihr geben.<br />

Im Vergleich zu Ihren anderen Büchern ist es<br />

ein eher kurzes, aber actionreiches Werk.<br />

Spannung ist keine Frage der Seitenzahl, sie lässt sich<br />

wunderbar auch auf 160 Seiten erzeugen. Das Buch<br />

soll lesende Reisende ansprechen, die sich für den<br />

Bernina Express interessieren, aber vielleicht nicht<br />

die Geduld aufbringen, 300 Seiten zu lesen. Es soll<br />

auch die ausländischen Gäste des Bernina Express<br />

abholen, weshalb es auch auf Englisch und Japanisch<br />

übersetzt wird.<br />

Bernina Express 25


Ihre Verbundenheit zu Graubünden ist in all<br />

Ihren Werken spürbar. Hilft Ihnen diese Vertrautheit<br />

beim Erfinden von Geschichten?<br />

Ich kann mich als Autor auch gut in Dinge reindenken<br />

und einfühlen, die mit mir nichts zu tun haben.<br />

Aber natürlich schöpfe ich ständig aus dem eigenen<br />

Erleben und Tun. Die Naturverbundenheit gehört zu<br />

mir und somit auch in jeden meiner Krimis. Ich würde<br />

sogar sagen, die Hauptfigur ist jeweils die Natur – der<br />

Mord ist bei mir immer nur Nebensache.<br />

Sie haben schon 23 Bücher veröffentlicht,<br />

allein dieses Jahr erscheinen drei neue. Sprudeln<br />

die Ideen und Worte nur so aus Ihnen heraus?<br />

Das kann man so sagen. Seit meiner Kindheit habe<br />

ich eine lebhafte Fantasie und es fällt mir leicht, sie<br />

in Geschichten umzuwandeln. Ich beginne immer<br />

zu schreiben, ohne zu wissen, wohin mich die Reise<br />

führt. Immer wieder von neuem ein spannender<br />

Findungsprozess.<br />

Erinnern Sie sich an Ihre allererste Geschichte?<br />

Eine der ersten handelte von zwei jungen Buben. Am<br />

Waldrand oberhalb von Chur baute jemand ein Flugzeug.<br />

Die beiden Primarschüler sind mit günstigem<br />

Wind bis nach Afrika geflogen, haben dort unter Löwen<br />

gelebt und sind als Helden zurückgekommen. Als<br />

Kind haben mich Abenteuergeschichten natürlich am<br />

meisten fasziniert. Von Krimis hatte ich damals noch<br />

keine Ahnung.<br />

Nächster Halt –<br />

Mord im Bernina Express<br />

Mehr über Philipp Gurt und seine<br />

facettenreichen Bündner Krimis<br />

gibt es hier zu entdecken:<br />

<br />

→ www.philipp-gurt.ch<br />

Wieso haben Sie sich später auf<br />

dieses Genre spezialisiert?<br />

Angefangen habe ich mit Romanen. Die meistverkauften<br />

Bücher sind jedoch Krimis. Das klingt jetzt vielleicht<br />

etwas grossspurig, aber: Es gibt einfach zu viel<br />

schlechte davon. Ich war überzeugt, dass ich das besser<br />

kann. Heute schreibe ich Romane, in denen ein Mord<br />

geschieht: Krimis mit Tiefgang und Seelenschmerz.<br />

Schreiben ist Arbeit, Freude und Qual.<br />

Was überwiegt bei Ihnen?<br />

Eindeutig die Freude. Ich habe das Glück, dass mir<br />

die Ideen und Figuren nicht ausgehen, ich kann stets<br />

aus dem Vollen schöpfen. Ich starte mit einer Szene<br />

und habe noch keine Ahnung, wie sie sich entwickelt.<br />

Erst beim Schreiben kommen die Ideen. Darum<br />

weiss ich oft bis kurz vor Schluss nicht, wer der Mörder<br />

sein wird.<br />

Sie sind bekannt für Ihre blumige Sprache und<br />

ausgefallenen Metaphern. Wie findet man als<br />

Autor zu seiner eigenen Sprache?<br />

Ich tauche beim Schreiben ganz in die Figur ein, entsprechend<br />

passt sich meine Sprache und das Tempo<br />

ihrem jeweiligen Charakter an. Daraus ergibt sich<br />

dann die jeweilige Klangfarbe des Buches.<br />

Ist das nächste Buch bereits in der Schublade?<br />

«Graubündner Totentanz» mit dem Landjäger Caminada<br />

erscheint am 14. November <strong>2023</strong>. Gleichzeitig<br />

bin ich am Finish der nächsten Folge mit Giulia de<br />

Medici, deren neuster Fall im Frühling in die Läden<br />

kommt. Und auch für Corina Costa ist bereits ein neues<br />

Buch geplant. Die Idee für den Plot habe ich noch<br />

nicht, aber ich mache es wie immer: Hinsetzen, anfangen<br />

zu schreiben und dann kommt die Geschichte<br />

zu mir. Das hat bisher immer funktioniert. (rea)<br />

26 www.rhb.ch/contura


Leseprobe<br />

Die ersten Schatten legten sich über die hoch gelegenen<br />

Hänge der westlichen Bergflanken, als der<br />

Bernina Express um halb sechs Uhr wieder losfuhr.<br />

Der Panoramawagen der zweiten Klasse, in dem sich<br />

der Mord ereignet hatte, war von Hugentobler und<br />

Kaspersky mit einem rot-weiss-gestreiften Band abgesperrt<br />

worden, ebenso die beiden angrenzenden<br />

Waggons. Diese drei Abteile würden in Chur auf dem<br />

Güterbahnhof abgestellt und nochmals von der Forensik<br />

unter die Lupe genommen werden. Deshalb<br />

sassen die Reisenden in den übrigen Abteilen nun<br />

enger beisammen.<br />

Auf der über zweistündigen Fahrt nach Chur erfuhr<br />

Corina, dass der Medienrummel beträchtlich sei, so<br />

wie Obermann vorgewarnt hatte: RTL, Sat1 und auch<br />

einige öffentlich-rechtliche Stationen hatten in den<br />

frühen Abendstunden bereits die ersten Bilder ausgestrahlt.<br />

Vom «Todeszug in den Bergen» war die Rede.<br />

Obermann zeigte Corina erste Berichte auf seinem<br />

Handydisplay. Die Aufnahmen aus dem Helikopter<br />

zeigten, wie der Zug inmitten der Alpweiden festsass.<br />

Das Buch «Mord im Bernina Express»<br />

ist am 23. Mai <strong>2023</strong> erschienen und steht<br />

seither auf der Bestsellerliste.<br />

Bernina Express 27


«Jeder See hat seine<br />

eigene Seele»<br />

Bündner Wasserbotschafter Ernst Bromeis über die Bedeutung des Wassers<br />

28 www.rhb.ch/contura


Natur 29


2014 durchschwamm er den Rhein von den Quellen<br />

bis in die Nordsee. Er schwamm durch 200 eiskalte<br />

Bündner Bergseen, um auf die Schönheit und Verletzlichkeit<br />

der alpinen Wasserlandschaften hinzuweisen.<br />

Und er durchschwamm in jedem Schweizer Kanton<br />

den grössten See, um die Endlichkeit der Ressource<br />

Wasser zu verdeutlichen: Ernst Bromeis hat sich zum<br />

Ziel gesetzt, die Menschen ihrer Lebensquelle – dem<br />

Wasser – näherzubringen.<br />

Woher kommt Ihre Faszination<br />

für das Element Wasser?<br />

Ich weiss es selbst nicht. Das Wasser hat mich entdeckt.<br />

Seit 15 Jahren widme ich mich nun als Wasserbotschafter<br />

hauptberuflich dem weiten Feld des Wassers.<br />

Je tiefer ich eintauche, umso faszinierter bin ich.<br />

Es ist auch das Schicksalhafte, das mich packt: Wir<br />

Menschen haben nicht die Wahl, ob wir Wasser nutzen<br />

oder nicht. Wir müssen es, um zu (über-)leben.<br />

Welche Bedeutung hat Wasser für den<br />

Kanton Graubünden?<br />

Die Bedeutung ist existenziell. Dies gilt nicht nur für<br />

den Kanton Graubünden, sondern für den ganzen Alpenbogen.<br />

Unser ganzer Wohlstand gründet auf die<br />

gratis fliessenden Quellen. Jeder Rappen wird dank<br />

des Wassers erwirtschaftet. Dies gilt unter anderem<br />

für den Tourismus und im Speziellen für die <strong>Winter</strong>monate<br />

mit ihren technischen Schneeproduktionen.<br />

Es gilt für die Landwirtschaft mit den herausfordernden<br />

Trockenperioden, für die Hotellerie und die Wasserfreizeitanlagen<br />

mit ihren Wellnessangeboten. Für<br />

die Wasserkraft, als Teil der Lösung für die Energiewende.<br />

Für die Mineralwasserproduzenten. Auch jede<br />

SAC-Hütte lebt vom Wasser, das teils immer spärlicher<br />

zur Verfügung steht, wie beispielsweise in der<br />

Lischana-Hütte in Scuol. Und nicht zuletzt lebt auch<br />

die Rhätische Bahn vom «Werk des Wassers»: Ohne<br />

die Erosion wäre die UNESCO-Strecke nie entstanden,<br />

und die vielen Tunnels und Kreisviadukte wären nie<br />

realisiert worden.<br />

Was – und wen – wollen Sie mit dem Verein<br />

Graubünden-Wasser ganz konkret erreichen?<br />

Wen? Die Menschen, die zum Beispiel jetzt das <strong>Contura</strong><br />

lesen. Graubünden-Wasser, mit dem Übertitel Die<br />

Quelle der Welt, ist eine Wasserinitiative aus Graubünden<br />

FÜR Graubünden – und FÜR die Welt. Wir<br />

wollen die Wassersehnsucht der Menschen wecken<br />

und sie zu den Quellen führen. Konkret organisieren<br />

wir im Bildungs-, Tourismus- und Dialogbereich Inhalte<br />

zum Thema Wasser im kantonalen, nationalen<br />

und globalen Kontext. Die ersten Massnahmen sind<br />

das Forum Aua Forta in Scuol, der Blue Summit im<br />

2024, das Erarbeiten von Bildungsinhalten für Schulen<br />

und Lernende oder auch Wasser-Angebote mit der<br />

RhB. Im Kulturbereich ist für 2024 eine Mehrtagesveloreise<br />

dem Rhein und dem Inn entlang geplant, mit<br />

Wassermusik und -gesang, welche die Menschen und<br />

ihre Flüsse über die Landesgrenzen hinaus verbinden.<br />

Gibt es Projekte, die Sie im Kanton<br />

bereits umsetzen konnten?<br />

Wir sind mit dem Verein seit dem 1. Januar <strong>2023</strong> operativ<br />

tätig. Wir befinden uns in der Aufbauphase. Das<br />

Forum Aua Forta fand im Juni statt, aber auch die Zusammenarbeit<br />

mit den ersten Hotels für das Projekt<br />

Calma laufen bereits. Momentan arbeiten wir an den<br />

Bildungsmodulen, die im Frühling 2024 bereit sein<br />

sollen, und an der Eröffnung der Wasser-Bibliothek.<br />

Prossima fermata –<br />

Graubünden-Wasser<br />

Lesen Sie mehr zu Ernst Bromeis und<br />

seinem Einsatz für unser Wasser:<br />

<br />

→ www.graubuendenwasser.ch<br />

30 www.rhb.ch/contura


Ernst Bromeis widmet sich seit 15 Jahren hauptberuflich dem Wasser<br />

und hat 200 eiskalte Bündner Bergseen durchschwommen.<br />

Natur


32 www.rhb.ch/contura


Was ist das Projekt Calma?<br />

Immer mehr Gäste und Einheimische wünschen sich in<br />

der Hotellerie und Gastronomie Hahnenwasser. Ein Teil<br />

vom Hahnenwasserverkaufserlös – wir nennen das<br />

Wasser Calma – fliesst in den Wasserfonds von Graubünden-Wasser<br />

und somit in unsere Bildungsprojekte.<br />

Einige Hotels sind bereits dabei und leisten Pionierarbeit.<br />

Natürlich suchen wir weitere. Es können aber<br />

auch Unternehmen den Wasserfonds unterstützen.<br />

Es gibt weitere Projekte, die noch nicht umgesetzt<br />

werden konnten, beispielsweise das Weltwasserzentrum<br />

am Rhein. Gibt es dazu schon konkrete<br />

Informationen?<br />

Das Weltwasserzentrum ist eine grosse Vision. Reichenau,<br />

am Zusammenfluss vom Vorder- und Hinterrhein,<br />

mit seinem (Wasser-)Schloss ist prädestiniert,<br />

das globale Thema Wasser zu bespielen. Am<br />

grossen europäischen Fluss soll das Wasser im Kontext<br />

Mensch und Natur in seinen Facetten erlebbar<br />

werden. In Form von Ausstellungen, aber auch im<br />

Bereich von Wasser-Kultur-Veranstaltungen im Fokus<br />

der Literatur, Musik, Architektur usw. Als erste<br />

konkrete Tat werden wir die kleine und feine Wasser-Bibliothek<br />

mit Wasserbüchern für Gäste, Einheimische<br />

und Schulklassen realisieren. Wenn alles gut<br />

geht, werden wir am UNO-Weltwassertag am 22. März<br />

2024 die Wasser-Bibliothek eröffnen. Welche Bücher<br />

zu bestaunen sein werden, ist noch ein Geheimnis.<br />

Als Wasserbotschafter und Expeditionsschwimmer<br />

haben Sie schon Wasser auf der ganzen Welt<br />

hautnah erlebt. Welcher See, welches Meer,<br />

welcher Fluss hat Sie am meisten beeindruckt?<br />

Dies im Detail zu beantworten, würde den Platzbedarf<br />

für dieses Interview sprengen. Jedes Wasser hat<br />

mich beeindruckt. Jedes Wasser hat mich berührt. Jeder<br />

See hat seine eigene Seele. Vielleicht war es der<br />

Baikalsee, ein Süsswassermeer in Sibirien, der mich<br />

am meisten berührt hat. 20 Prozent des globalen<br />

Süsswassers ruhen in diesem Welt-Wasser-Wunder.<br />

Die Einheimischen nennen ihn «das heilige Meer»<br />

oder «die Quelle der Welt».<br />

Gibt es – unabhängig von Graubünden-Wasser –<br />

in naher Zukunft neue spannende Projekte<br />

als Wasserbotschafter, von denen Sie erzählen<br />

können?<br />

Mein Fokus liegt momentan auf dieser grossen und<br />

schönen Aufgabe für Graubünden und darüber hinaus.<br />

Weiterhin halte ich Vorträge und engagiere mich<br />

für das Wasserprogramm Blue Peace vom Bund / von<br />

der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit<br />

<strong>DE</strong>ZA. Schwimmpläne gibt es immer. Doch nichts ist<br />

spruchreif. Der Baikalsee in Russland ist momentan<br />

nicht erreichbar aufgrund dieses unsäglichen Kriegs<br />

in der Ukraine.<br />

Zum Abschluss: Was geht Ihnen durch den Kopf,<br />

wenn Sie aufs aktuelle Klima schauen? Was beunruhigt<br />

Sie – und was stimmt Sie zuversichtlich?<br />

Es beunruhigt mich, dass wir einen teils aggressiven<br />

Machtkampf erleben zwischen den verschiedenen Lösungsansätzen,<br />

wie wir aus den fossilen Energieträgern<br />

aussteigen können.<br />

Doch es stimmt mich zuversichtlich, dass immer mehr<br />

Menschen die Endlichkeit der Ressourcen realisieren<br />

und selbst Teil der Lösung sein wollen. Als westliche<br />

Gesellschaft wird uns bewusst, dass wir das Verbrennungszeitalter,<br />

das mit der industriellen Revolution<br />

vor 200 Jahren begonnen hat, verlassen müssen. Das<br />

Wasser-Zeitalter wird beginnen. Das Zeitalter des zyklischen<br />

Denkens und Handelns. Ich glaube an uns.<br />

Und Graubünden-Wasser wird eine Lösung auf diesem<br />

Weg sein. (sue)<br />

Die Welt des<br />

blauen Wunders<br />

→ www.dasblauewunder.ch<br />

Natur 33


Haben Sie<br />

gut aufgepasst?<br />

Mitmachen und gewinnen<br />

Wer sich das <strong>Contura</strong> genau angeschaut<br />

hat, wird die folgenden Fragen mit<br />

Leichtigkeit beantworten können.<br />

Zu gewinnen:<br />

Weltrekord-Rucksack samt -Puzzle<br />

Bereits ein Jahr ist es her, seit die RhB<br />

den Weltrekord geschafft hat. Als kleine<br />

Erinnerung an den grossen Moment<br />

verlosen wir unter den richtigen Einsendungen<br />

3 x 1 Weltrekord-Rucksack<br />

samt Weltrekord-Puzzle. Der wasserabweisende<br />

Rucksack ist aus recycelten<br />

PET-Flaschen hergestellt und umfasst<br />

rund 24 Liter; das Puzzle hat 1000 Teile.<br />

Welcher Bahnhof im RhB-Netz liegt am tiefsten?<br />

Wo ist Vincenzo Todisco grösstenteils aufgewachsen?<br />

2<br />

Zwei Ausrüstungsgegenstände sind beim Eisklettern unverzichtbar: Pickel & …<br />

3<br />

1<br />

Welcher ehem. Schweizer Skirennfahrer leitet heute die Skimanufaktur Anavon?<br />

4<br />

Welcher Fluss begleitet die Flåmbahn auf ihrer Fahrt durch Norwegen?<br />

5<br />

Welcher Meilenstein wurde im Mai <strong>2023</strong> beim neuen Albulatunnel betoniert?<br />

6<br />

Lösungswort bitte einreichen via<br />

www.rhb.ch/contura-wettbewerb<br />

Einsendeschluss ist der<br />

31. März 2024.<br />

Für welches Element setzt sich Ernst Bromeis mit Leib und Seele ein?<br />

7<br />

Simon Rohner spricht Deutsch, Romanisch, Französisch, Englisch und …<br />

8<br />

Die Teilnahme ist gratis und unverbindlich.<br />

Die Gewinnerinnen und Gewinner werden<br />

schriftlich benachrichtigt. Eine Barauszahlung<br />

der Preise ist nicht möglich.<br />

Über die Auslosung wird keine Korrespondenz<br />

geführt und der Rechtsweg ist ausgeschlossen.<br />

Die persönlichen Daten werden<br />

vertraulich behandelt und nicht an Dritte<br />

weitergegeben.<br />

Wie heisst die Ermittlerin in Gurts Krimiroman «Mord im Bernina Express»?<br />

Welche Boulderhalle empfiehlt Clà Ferrovia bei Regenwetter?<br />

10<br />

9<br />

34<br />

www.rhb.ch/contura


Der längste Reisezug<br />

der Welt<br />

Das Buch zum Weltrekord der Rhätischen Bahn<br />

Er ist eine Geschichte für sich: der Weltrekord der<br />

Rhätischen Bahn mit dem längsten Reisezug der<br />

Welt. Am 29. Oktober 2022 schreibt die fast 130-jährige<br />

Privatbahn aus der Schweiz Bahngeschichte – mit<br />

einer verrückten Idee, die es in die Guinness World<br />

Records schafft.<br />

1,91 Kilometer ist er lang, der Weltrekordzug, zusammengesetzt<br />

aus 25 mal 4 Wagen, gesteuert von sieben<br />

mutigen Lokführern. Einmal mehr zeigen es die<br />

Schweizer Bahnpioniere der ganzen Welt: Das ist erstklassige<br />

Ingenieurskunst, neuste Zugtechnologie und<br />

menschliches Können – Swiss made, versteht sich.<br />

Rund 500 Menschen vor und hinter den Kulissen sind<br />

bei diesem Abenteuer auf Schienen mit an Bord. Das<br />

Buch zum Weltrekord erzählt ihre Geschichten, berichtet<br />

von Tests, von Pech und Pannen – und von<br />

ganz vielen Glücksgefühlen. Unzählige Bilder, Filme,<br />

Stimmen und Eindrücke sind in diesem multimedialen<br />

Bildband versammelt und mittels QR-Codes jederzeit<br />

abrufbar. Das Buch, das genau ein Jahr nach der erinnerungswürdigen<br />

Leistung erscheint, lässt auf 240<br />

Seiten den grossen Tag in all seinen Facetten nochmals<br />

aufleben.<br />

Jetzt bestellen<br />

Das Buch «Der längste Reisezug der Welt»<br />

ist im RhB-Webshop zum Preis von CHF 59.–<br />

(zuzüglich CHF 6.– Versandkosten) erhältlich:<br />

→ www.rhb-shop.ch<br />

Auf dem Radar<br />

35


36 www.rhb.ch/contura


Auf der Suche nach dem<br />

perfekten Schwung<br />

Zu Besuch in der Skimanufaktur in Disentis<br />

Im Herzen der Surselva baut ein Team rund um den<br />

Abfahrtsweltmeister Bruno Kernen die Anavon-Ski. Es<br />

sind lauter Unikate, die von Hand gefertigt und zu 100<br />

Prozent auf den jeweiligen Kunden zugeschnitten sind.<br />

Klar - Ski kann man herstellen wie Wäscheklammern.<br />

Eine wie die andere. Tausende pro Tag, industriell und<br />

anonym irgendwo in Tunesien oder China. Oder man<br />

kann es wie die kleine Skimanufaktur Anavon in Disentis<br />

mitten in den Bergen machen – sozusagen auf<br />

den Mann oder die Frau geschneidert. «Jedes Paar,<br />

das wir fertigen, ist ein Unikat. Von Hand gefertigt<br />

und auf den Kunden oder die Kundin abgestimmt»,<br />

sagt der Anavon-CEO, Bruno Kernen. Für all jene, die<br />

sich nicht mehr erinnern: Bruno Kernen ist unter anderem<br />

Lauberhorn- und dreifacher Weltcupsieger in<br />

der Abfahrt.<br />

Bruno Kernen<br />

ist seit Sommer 2022<br />

Geschäftsführer bei<br />

Anavon.<br />

Auf den ersten Blick ist Disentis im Herzen der Surselva<br />

nicht gerade der Nabel der Welt. «Das stimmt vielleicht,<br />

wenn man es geografisch anschaut. Durch die<br />

Skibrille betrachtet, gab es für unsere Skimanufaktur<br />

aber lange Zeit kaum einen besseren Ort», so Kernen.<br />

«Disentis liegt inmitten von diversen Skigebieten, also<br />

nahe an Teststrecken. Skifahren hat hier Tradition und<br />

unsere Mitarbeitenden in der Manufaktur sind nicht<br />

nur Spezialisten, sondern angefressene Skifahrer und<br />

Skimacher. Perfektionisten. Das wog die Distanz zu<br />

den Städten auf.» Doch nun steht bald eine grosse<br />

Veränderung an: Im Frühjahr 2024 zieht Anavon ins<br />

Churer Rheintal, nach Zizers. «Alle, die in Graubünden<br />

Skifahren gehen, kommen hier vorbei», freut sich<br />

Kernen. «Die zentralere Lage ist gut für die Kundennähe<br />

– und erleichtert uns die Personalrekrutierung.»<br />

Etwa acht Paar pro Tag<br />

Von der Werkstatt her riecht es nach Leim, ab und zu<br />

kreischt eine Fräse oder das Zischen einer Presse zerschneidet<br />

die Luft. Aber sonst herrscht Ruhe in der<br />

Manufaktur, wo drei Männer zugange sind, die pro<br />

Tag etwa acht Paar Ski – man muss schon fast sagen –<br />

kreieren. Der allergrösste Teil der Arbeit – angefangen<br />

beim Zuschneiden über das Verleimen der 15 bis 17<br />

Schichten bis zum Schleifen und Polieren – passiert<br />

von Hand. Aber dann kommt eben doch Hightech mit<br />

ins Spiel: «Wir stellen derzeit vier verschiedene Modelle<br />

in verschiedenen Längen und in einer fast unbeschränkten<br />

Anzahl von Farbkombinationen her»,<br />

erzählt Kernen. «Dazu verwenden wir modernste<br />

Baustoffe wie Titanal, Fiberglas und einen speziellen<br />

Leim, der aus dem Segel-Rennsport stammt.<br />

Innovation<br />

37


Aber das Herz des Skis, der eigentliche Kern, ist und<br />

bleibt Schweizer Eschenholz.» Ausserdem fliesst das<br />

ganze Wissen über Skibau und Skifahren des ehemaligen<br />

Rennfahrers in die Entwicklung und den Bau der<br />

Anavon-Ski ein. Apropos Rennfahrer: «Wir sind nicht<br />

im Rennsport tätig. Trotzdem war es unser Ziel, einen<br />

sportiven, Rennsport-ähnlichen Ski auf den Markt zu<br />

bringen. Mit dem neuen ‹BK-Pro›-Modell ist uns dies<br />

gelungen.»<br />

Jedes Paar Ski, das wir fertigen,<br />

ist ein Unikat.<br />

Der Zeit voraus<br />

Anavon ist Romanisch und bedeutet «vorwärts». Man<br />

könnte auch sagen: der Zeit voraus. Das zeigt sich<br />

beim Verkaufsmodell. «Jeder Ski ist ein Unikat und<br />

im Idealfall passiert der Verkauf sehr persönlich; unsere<br />

Kunden können den Ski sogar in einem Workshop<br />

selbst bauen», spinnt Kernen die Anavon-Philosophie<br />

weiter. «Ich – ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin –<br />

gehen am Vormittag mit dem Kunden auf die Piste<br />

und wir testen alle Modelle aus.» Bei solchen<br />

Tests kommen oft unerwartete Dinge zum Vorschein:<br />

«Zierliche Frauen, die bis jetzt automatisch immer<br />

einen weichen Ski kauften, merken plötzlich, dass<br />

sie auf einem härteren Modell viel besser fahren», so<br />

Kernen. «Und dann gibt es Männer, bei denen läuft<br />

es genau umgekehrt: Sie realisieren, wie angenehm<br />

es sein kann, auf einem weicheren Modell Schwünge<br />

zu ziehen.» Der Abfahrtsweltmeister sagt auch: «Es<br />

gibt beim Ski-Kauf nicht richtig oder falsch, gut oder<br />

schlecht: Wichtig ist einzig und allein, ob man sich<br />

auf einem Ski wohlfühlt.» Mit den Erkenntnissen des<br />

Testvormittags geht es am Nachmittag in die Manufaktur.<br />

«Dort bauen wir zusammen mit den Kunden<br />

die beiden Ski, dabei fliessen natürlich auch Gewicht<br />

und Fahrwünsche sowie Fahrstil und Können des<br />

Kunden oder der Kundin mit ein.» Sogar das Deckblatt<br />

können die Käufer selbst gestalten – wenn es<br />

sein muss, mit dem eigenen Namen. Am Schluss des<br />

Workshops hat jeder und jede den eigenen, unverwechselbaren<br />

und persönlichen Ski. Aber selbstverständlich<br />

geht es auch einfacher. Nicht alle Kunden<br />

haben Zeit, extra nach Disentis zu fahren. Darum gibt<br />

es Skitests in verschiedenen <strong>Winter</strong>destinationen. Ein<br />

persönliches Gespräch am Telefon geht aber in der<br />

Regel jedem Kauf voraus.<br />

Fernöstliche Methode<br />

Und noch etwas unterscheidet Anavon von allen anderen<br />

Skimachern: Die Manufaktur ist konsequent<br />

nach den Prinzipien der Kaizen-Philosophie aufgebaut.<br />

Kaizen ist japanisch und bedeutet in etwa<br />

«besser sein» oder «besser werden». Die Kaizen-Philosophie<br />

beschreibt laut Kernen eine Denkweise, bei<br />

der kleine, schrittweise Änderungen im Laufe der<br />

Zeit eine grosse Wirkung erzielen. Und was bedeutet<br />

das für Anavon? «Wir verschwenden keine unnötigen<br />

Ressourcen. Anavon baut auf reproduzierbare,<br />

dokumentierte und ständig optimierte Prozesse. Zudem<br />

setzen wir auf Sauberkeit und Ordnung im Betrieb<br />

sowie eigene, höchste Qualitätsansprüche an<br />

unsere Produkte – das treibt uns täglich an auf der<br />

Suche nach dem perfekten Schwung», erklärt Kernen.<br />

«All das gibt unseren Mitarbeitenden den Rahmen,<br />

in dem sie sich wohlfühlen. Das sieht der Kunde zwar<br />

nicht, aber es ist wie beim Bäcker: Wenn der mit dem<br />

Herzen dabei ist, seine Arbeit liebt und seinen Ehrgeiz<br />

in das Backen von gutem Brot legt, dann schmeckt<br />

das die Kundschaft. Auch bei unserem Ski ist das nicht<br />

sichtbar, aber die Kundinnen und Kunden haben die<br />

Sicherheit, dass die Ansprüche, die sie an ihren neuen<br />

Ski stellen, optimal erfüllt werden.» (ba)<br />

Proxima fermada – Anavon<br />

Hier gibt es weitere Informationen<br />

zum massgefertigten Ski vom Team<br />

rund um Bruno Kernen:<br />

<br />

→ www.anavon-ski.com<br />

38 www.rhb.ch/contura


Handgefertigt: Die Anavon-Ski bestehen aus modernsten<br />

Baustoffen wie Titanal und Fiberglas. Der Kern – das Herz<br />

des Skis – ist aus Schweizer Eschenholz.<br />

Innovation<br />

39


Eine der steilsten<br />

Zugfahrten weltweit<br />

Top-Ten-Züge<br />

Eine Fahrt mit der weltweit berühmten Flåmbahn<br />

zählt zu den bliebtesten Attraktionen in ganz Norwegen.<br />

Die einstündige Zugreise ins Hochgebirge bei<br />

Myrdal zeigt die faszinierende Landschaft Westnorwegens<br />

und lässt die Fahrgäste eine der steilsten<br />

Normalspurstrecken der Welt erleben.<br />

Weltweit berühmt<br />

Nicht ohne Grund wurde die Fahrt mit der Flåmbahn<br />

vom Reisemagazin «National Geographic Traveler»<br />

unter die Top Ten der schönsten Zugreisen in Europa<br />

gewählt. Vorbei an Ackerlandschaften und einsamen<br />

Bauernhöfen durchquert die Bahn unter stetiger Begleitung<br />

des Flusses Flåmselvi die wechselnden Landschaften<br />

des Flåmsdalen. Von Flåm am Aurlandsfjord –<br />

auf Meersesspiegelniveau – werden die Gäste auf die<br />

867 Meter über Meer liegende Bergstation Myrdal befördert.<br />

Hier gibt es direkten Anschluss an die Züge,<br />

welche zwischen Bergen und Oslo verkehren. Auf der<br />

Hinfahrt legt der Zug einen fünfminütigen Stopp ein,<br />

um den Passagieren die Möglichkeit zu geben, den<br />

rauschenden Wasserfall Kjosfossen zu bestaunen und<br />

Bilder dieses sagenumwobenen Naturschauspiels zu<br />

machen. Im Jahr 2014 wurde die Fahrt vom Lonely<br />

Planet sogar zur besten Zugreise der Welt gekürt,<br />

weshalb die Flåmbahn zu Recht auf der Bucket List<br />

von Reisenden aus aller Welt steht.<br />

Eindrucksvolle Ingenieursleistung<br />

Der Startschuss für den Bau der Eisenbahnstrecke fiel<br />

1923, bevor diese schliesslich im Jahr 1940 von zwei<br />

Dampfzügen eröffnet werden konnte. Aufgrund einer<br />

Steigung von 55 Promille auf weiten Teilen der Strecke<br />

zählt der 20 Kilometer lange Schienenweg weltweit zu<br />

den steilsten Bahnstrecken auf der Normalspur. Somit<br />

gehört die Flåmbahn zu den grössten Ingenieurskünsten<br />

Norwegens. Die einstündige Hinfahrt verläuft<br />

durch gesamthaft 20 Tunnel, wovon die meisten über<br />

Jahre mühselig von Hand gegraben wurden. Der Bau<br />

des 1300 Meter langen Nåli-Tunnels zwischen Kårdal<br />

und Pinnalia – des längsten Tunnels auf der Strecke –<br />

dauerte sogar ganze elf Jahre. Wie die RhB verfügt<br />

auch die Flåmbahn über einen Kehrtunnel: Der<br />

Vatnahalsen-Tunnel nimmt im Inneren des Berges<br />

eine 180-Grad-Kurve, um an Höhe zu gewinnen.<br />

Früher Erschliessungsstrasse, heute Veloroute<br />

Ursprünglich wurde die Bahn gebaut, um eine Bahnverbindung<br />

von Oslo und Bergen zum Sognefjord zu<br />

schaffen, wo das ganze Jahr über Schiffe verkehren<br />

können. Dabei verläuft die Strecke entlang der ehemaligen<br />

Erschliessungsstrasse «Rallarvegen», die<br />

gegen Ende des 19. Jahrhunderts gebaut wurde, um<br />

Materialien vom Fjord in die Berge zu transportieren.<br />

Heute dient die einstige Erschliessungsstrasse als beliebte<br />

Veloroute für Einheimische und Touristen.<br />

Mit der Bahn – genauer: im komfortablen historischen<br />

Zugabteil – lässt sich die abwechlungsreiche<br />

Landschaft des Flåmsdalen aber noch eine Spur bequemer<br />

entdecken. (jtr)<br />

40 www.rhb.ch/contura


Worldwide 41


Die Faszination<br />

Eisklettern<br />

Klettersport trifft auf Minusgrade<br />

Manch eine kritische Stimme würde meinen, dass Minusgrade,<br />

Eiszapfen und obendrauf ein vollbepackter<br />

Rucksack wenig verlockend klingen. Doch spricht man<br />

mit den Profis, so sind es die immer neuen Herausforderungen,<br />

die wunderschönen Eisformationen, aber<br />

vor allem das Abenteuer, das jede <strong>Winter</strong>saison unzählige<br />

Eiskletterer wie magisch in die Berge zieht.<br />

Sorgfältig ausgestattet mit Steigeisen, Pickel, Helm<br />

und vielem mehr erkunden Eiskletter-Enthusiasten<br />

die schönsten und auch fragilsten Wunderwerke der<br />

Natur: glitzernde, gefrorene Wasserfälle – auch Eisfälle<br />

genannt. Mit ein wenig Unterstützung und Erfahrung<br />

an der Seite können auch Neulinge die Kunst<br />

des Eiskletterns kennenlernen und selbst den einen<br />

oder anderen Eisfall erfolgreich bezwingen.<br />

Kasimir Schuler, Bergführer sowie Mitgründer und<br />

Geschäftsführer der Bergsportschule Grischa in Avers,<br />

spricht mit uns über die Kunst des Eiskletterns und<br />

erzählt von seiner heissen Liebe für das Kraxeln in<br />

der Eiseskälte.<br />

Kasimir Schuler<br />

Bergführer sowie<br />

Mitgründer und<br />

Geschäftsführer der<br />

Bergsportschule<br />

Grischa in Avers.<br />

Ganz kurz vorweg: Wieso geht man überhaupt<br />

Eisklettern? Im ersten Moment klingen die Worte<br />

«Eis» und «Klettern» nicht gerade wie das<br />

sicherste Duo.<br />

Als Eiskletteranfänger allein wild drauflos zu klettern,<br />

wäre je nach Eisfall tatsächlich relativ riskant.<br />

Doch kennt man die Disziplin und hat ein umfangreiches<br />

Wissen über den Zustieg, das Wetter und die Beschaffenheit<br />

vom Eis, dann kann man das Risiko sehr,<br />

sehr gering halten. Grundsätzlich sind beim Eisklettern<br />

aber schon eine gewisse Lust auf Abenteuer und<br />

Neugierde gefragt – denn das ist es, was das Eisklettern<br />

so besonders macht. Die Eisfälle sehen jedes Mal<br />

anders aus – man geht keinen Weg zweimal und du<br />

lässt auch keinen Abdruck in der Natur zurück. Eine<br />

trockene Kletterroute wird sich kaum verändern; eine<br />

Eisfallroute ist wie ein unbeflecktes Stück Natur, das<br />

es nur einmal so gibt und das es nie wieder genauso<br />

geben wird.<br />

Denkst du, jeder Mensch hat das Zeug<br />

zum Eisklettern?<br />

Prinzipiell empfehle ich jedem, es einmal auszuprobieren.<br />

Wir bieten Schnupperkurse an, wo man die<br />

Eiskletter-Werkzeuge kennenlernt und ein erstes Gespür<br />

für das Vorankommen am Eis entwickelt. Hier<br />

gehen wir anfangs einen Quergang, ähnlich wie beim<br />

Bouldern, und dann erst im zweiten Schritt klettern<br />

die Teilnehmenden mit Toprope-Sicherung hinauf.<br />

Das ist die Standard-Sicherung, wo das Seil oben in<br />

der Umlenkung bereits von uns eingehängt wurde.<br />

Der Kletterpartner sichert den Kletternden vom Boden<br />

aus – so ist man zu jedem Zeitpunkt gesichert.<br />

www.rhb.ch/contura


Prinzipiell empfehle ich jedem,<br />

es einmal auszuprobieren.<br />

Und wenn das Feuer überspringt und<br />

man mehr will vom Eisklettern?<br />

Möchte man im Eisklettern richtig gut werden, braucht<br />

man Kraft, eine gute Kondition, Beweglichkeit und<br />

Durchhaltevermögen. Man muss mit einer Hand arbeiten,<br />

während man sich mit der anderen festhält –<br />

das kann bei einer mehrstündigen Tour schon recht<br />

anstrengend werden. Die Hand am Pickel ist auch immer<br />

in derselben Haltung und wenn man die Hände<br />

lange über Kopf hält, kommt es auch regelmässig<br />

zum allseits bekannten «Kuhnagel». All diese Dinge<br />

fordern Körper und Geist – da muss man schauen,<br />

dass man das richtige Level findet und seine Grenzen<br />

wahrt. Man lernt beim Eisklettern auch nie aus, denn<br />

immer wieder kommen neue Hürden auf einen zu:<br />

Ein Seil friert ein oder an, Eiswasser läuft einem bei<br />

Minusgraden in den Ärmel … Da muss man lösungsorientiert<br />

denken und Ruhe bewahren können – und<br />

irgendwie auch eine Passion für Kälte und fürs Durchbeissen<br />

mitbringen.<br />

Wie lange planst du eine Eiskletter-Tour?<br />

Was muss man dabei berücksichtigen?<br />

Wenn man einmal 25 Jahre Klettererfahrung auf dem<br />

Buckel hat, kommen einem viele Dinge schon selbstverständlich<br />

vor. Aber natürlich geht einer anspruchsvollen<br />

Tour viel Vorbereitung voraus. Man muss die<br />

gesamte Route von Zustieg bis Rückkehr durchdenken:<br />

Wann ist der perfekte Zeitpunkt zum Losgehen?<br />

Wie waren die Temperaturen und die Sonneneinstrahlung<br />

in den letzten Tagen und Wochen? Sind<br />

Flüsse am Zustieg zugefroren oder muss man sie anders<br />

überqueren? Herrscht irgendwo Lawinengefahr?<br />

43


Herausfordernde Faszination: Mit etwas Unterstützung an ihrer<br />

Seite können auch Neulinge die Kunst des Eiskletterns erlernen.<br />

44 www.rhb.ch/contura


Was ist über dem Eisfall – kann dort etwas abbrechen?<br />

Klettere ich nur auf Eis oder auch auf Stein?<br />

Welches Werkzeug und wie viel Proviant brauche ich?<br />

Wie ist die Kondition der Gruppe? Und vieles mehr.<br />

Profis gehen sogar Routen, die mehrere Tage dauern;<br />

da braucht man dann auch ein Zelt und einen besonders<br />

guten Schlafsack.<br />

Anfängerkurse sind natürlich deutlich einfacher zu<br />

planen: Da gehen wir zu Eisfällen, wo das Risiko fast<br />

bei null liegt, wo die Eisfälle über mehrere Monate<br />

hinweg gefroren sind und die Umgebung berechenbar<br />

ist.<br />

Und wie funktioniert das Ganze dann vor Ort?<br />

Im Vergleich zum regulären Klettern ist Eisklettern<br />

deutlich werkzeugintensiver: Wir ziehen uns die<br />

Bergstiefel und Steigeisen an, haben den Rucksack<br />

am Rücken, Helm auf dem Kopf, alles für die Sicherung<br />

umgehängt und haben Pickel und Schrauben<br />

griffbereit. Mit den Pickeln zieht man sich hoch, mit<br />

den Steigeisen steigt man nach. Hat man einen guten<br />

Punkt für das Platzieren einer Eisschraube gefunden,<br />

lässt man mit einer Hand den Pickel los, platziert<br />

und fixiert mit ihr die Eisschraube und hängt das Sicherungsseil<br />

ein. Natürlich gibt es noch viele weitere<br />

Schritte und Dinge, die man tun und beachten muss,<br />

aber das ist das Standard-Prozedere.<br />

Hast du eine Lieblings-Eiskletter-Tour?<br />

Für Fortgeschrittene ist der knapp 300 Meter hohe<br />

Eisfall Thron im Averstal sehr eindrucksvoll. Im Sommer<br />

sieht der Wasserfall fast unspektakulär aus, da<br />

tröpfelt gefühlt nur ein bisschen Wasser hinunter.<br />

Aber im <strong>Winter</strong> als Eisfall ist er ein wahrer Eisklettertraum.<br />

Ebenso besonders ist ein Eisfall im Rheinwald:<br />

Zwischen Thusis und Splügen gibt es eine Schlucht, da<br />

kann man nur von oben nach unten klettern – das<br />

sorgt natürlich für die extra Portion Adrenalin.<br />

Was ist dein persönlicher Tipp<br />

für Eiskletter-Anfänger?<br />

Es drei- bis viermal zu probieren, bevor man sich eine<br />

Meinung bildet. Es ist sehr routen-, tages- und auch<br />

verfassungsabhängig, wie leicht es einem fällt und<br />

wie sich die Erfahrung anfühlt. Ich sage gerne: Eisklettern<br />

ist, wie wenn ein Kind etwas Neues zu essen<br />

erhält. Man muss es ein paar Mal probieren, bis man<br />

auf den Geschmack kommt. Ich denke, wer den <strong>Winter</strong>,<br />

Klettern und Natur mag, wird die Faszination des<br />

Eiskletterns schnell für sich entdecken. (sh)<br />

Eis ist hier nicht gleich Eis: Wie unterscheidet<br />

man solides von brüchigem Eis?<br />

Da gibt es verschiedene Anzeichen. Erstens die Farbe:<br />

Ist Eis grau-bläulich, ist es kompakt, ist es eher weiss,<br />

ist mehr Luft enthalten. Auch die Reaktion von Pickel<br />

und Eisschraube geben Auskunft über den Zustand<br />

des Eises und der Ton verrät hierbei, ob es dahinter<br />

hohl ist oder es aufliegt. Zudem haben die unterschiedlichen<br />

Formationen – wie Eissäulen, Eis-Blumenkohl<br />

usw. – bestimmte Eigenschaften, die man<br />

als erfahrener Bergführer kennt. Wenn man viel in<br />

der Natur ist, beginnt man Dinge und Eigenschaften<br />

zu sehen und zu erkennen, die andere nicht sehen.<br />

Man bekommt ein Gespür für die Natur – oder eben<br />

in diesem Fall fürs Eis.<br />

Nächster Halt –<br />

Herausforderung Eisklettern<br />

Ab Dezember <strong>2023</strong> führt die Bergsportschule<br />

Grischa wieder verschiedene Eiskletterkurse<br />

durch – für Einsteiger und Fortgeschrittene.<br />

<br />

→ www.bergsportschulegrischa.ch/<br />

kurse<br />

Outdoor 45


Es gibt kein<br />

schlechtes Wetter …<br />

Tipps für Schlechtwetter-Abenteuer von Clà Ferrovia<br />

…, nur schlechte Kleidung, besagt eine Redewendung.<br />

Dieser Meinung ist auch Clà Ferrovia, unser<br />

Kinderkondukteur. Doch ist auch er manchmal froh,<br />

wenn er ein Abenteuer im Trockenen erleben kann.<br />

Und so hat er für euch verschiedene Erlebnisse rausgesucht,<br />

für jene Tage, an denen es regnet, schneit<br />

und Katzen hagelt.<br />

Tipp 1:<br />

Bahnmuseum<br />

Albula<br />

Ob Modellbahnanlage, Loksimulator in der Krokodillok<br />

oder die Clà Ferrovia Kindertour, bei der unser<br />

Kinderkondukteur eure Hilfe bei der Suche nach seiner<br />

Trillerpfeife benötigt: Im Bahnmuseum Albula gibt<br />

es für die «Kurzen» ganz viel zu erleben. Und die Regenjacke<br />

könnt ihr getrost ausziehen.<br />

Nähere Infos zum Museum gibt es hier:<br />

→ www.bahnmuseum-albula.ch<br />

Tipp 2:<br />

Quadrel<br />

Boulderhalle<br />

Klettern, aber geschützt vor Wind und Wetter: Das<br />

geht im Quadrel, der Boulderhalle nahe Chur. «Bouldern»<br />

ist Klettern auf Absprunghöhe. An farbigen<br />

Kunstgriffen geht es hinauf, bis zum obersten Griff<br />

in der Wand – wenn möglich. Kinder lieben den spielerischen<br />

Zugang zur Bewegung und üben sich nebenbei<br />

in Konzentration und Durchhaltewillen. Für<br />

die jüngsten Gäste gibt es einen Kletterdschungel mit<br />

Schnitzelgrube.<br />

Hier geht’s zum Quadrel:<br />

→ www.quadrel.ch<br />

46<br />

www.rhb.ch/contura


Tipp 3:<br />

Rufalipark<br />

Hier ist für jeden Geschmack etwas dabei: Mit Airhockey,<br />

Billard, Tischfussball, T-Wall, Tischtennis,<br />

Mikrobowling, Dart, Geschicklichkeitsparcours und<br />

vielem mehr bietet dir das Indoor-Spielparadies im<br />

Rufalipark in Obersaxen schier unzählige Möglichkeiten<br />

zum Austoben. Und falls es doch trocken bleibt,<br />

gibt’s auch einen grossen Aussenbereich mit noch<br />

mehr Aktivitäten.<br />

Mehr Infos zum Rufalipark findet ihr hier:<br />

→ www.rufalipark.ch<br />

Tipp 5:<br />

Lichterlandfahrten<br />

Die geheimnisvollen Reisen ins Bahn- oder Lichterland<br />

sind für Clà und seine kurzen Gäste immer ein Höhepunkt.<br />

Für die Entdeckungen draussen braucht es<br />

zwar wetterfeste Kleidung, auf der Hin- und Rückfahrt<br />

in Clàs Bahnwagen ist es aber immer kuschelig warm.<br />

Die nächsten Reisen findet ihr hier:<br />

→ www.cla-ferrovia.ch<br />

Tipp 4:<br />

Nationalpark-<br />

Ausstellung<br />

Echt wild: So lautet das Motto der neuen Nationalpark-Ausstellung<br />

in Zernez, die im Sommer <strong>2023</strong><br />

eröffnet hat. Hier drin lässt sich viel über draussen<br />

erfahren, zum Beispiel wie Tiere die Pflanzenwelt<br />

beeinflussen oder was das veränderte Klima für die<br />

Lebewesen im Park bedeutet. Lasst euch von einzigartigen<br />

Momentaufnahmen aus den wildesten Ecken<br />

des Parks in den Bann ziehen und legt bei den interaktiven<br />

Stationen selbst Hand an.<br />

Mehr zur interaktiven Ausstellung erfahrt ihr hier:<br />

→ www.nationalpark.ch/de/besuchen/<br />

nationalparkzentrum/ausstellung<br />

Clà Ferrovia<br />

47


«Die RhB ist unsere<br />

Verbindung zur Welt»<br />

Fensterplatz<br />

Darf ich fragen, wohin Sie unterwegs sind?<br />

Nach Mumpé Tujetsch, ich wohne in dem kleinen Dorf<br />

an der Oberalp-Strecke. Aber ich komme gerade von<br />

Ilanz.<br />

Fahren Sie immer mit dem Zug?<br />

Schon. Ich habe ja kein Auto. Also nehme ich den Zug<br />

oder den Bus.<br />

Was bedeutet die Bahn für Sie?<br />

(Denkt nach) Also ohne die Züge, das kann ich mir gar<br />

nicht vorstellen. Die Rhätische Bahn, das ist für uns<br />

hier oben die Verbindung zu den anderen Dörfern, zu<br />

anderen Bündner Tälern und zur Welt.<br />

Fahren Sie denn auch öfters in die weite<br />

Welt hinaus?<br />

(Lacht) Nein, nicht wirklich. Aber manchmal nach<br />

Disentis, Ilanz oder Chur. Zum Einkaufen, zum Besuch<br />

ins Spital oder zum Doktor.<br />

Die Fahrt von Disentis nach Chur dauert eine gute<br />

Stunde. Was machen Sie während der Reise? Lesen?<br />

Also lesen tu’ ich beim Zugfahren nicht so viel. Aber<br />

ich schaue gern zum Fenster hinaus, in unser schönes<br />

Tal. Die Aussicht erscheint mir immer wieder anders –<br />

und zwar nicht nur im Wechsel der Jahreszeiten.<br />

Haben Sie auch Begegnungen im Zug?<br />

Ja, manchmal lernt man Menschen kennen und es<br />

ergeben sich schöne Gespräche über alles Mögliche.<br />

Aber seit es diese Handys gibt, ist es im Zug manchmal<br />

fast stumm geworden. Immer häufiger drücken<br />

die Leute nur auf diesen Dingern herum und starren<br />

auf den Bildschirm. (ba)<br />

Filomena Sac<br />

ist Hausfrau<br />

in Mumpé Tujetsch.<br />

48


Aussteigen,<br />

bitte<br />

Ihre nächsten Anschlüsse<br />

Speisewagen<br />

Gourmino<br />

Auf der Zugstrecke Chur – St. Moritz<br />

Im Speisewagen Gourmino verwöhnen wir Ihre Sinne:<br />

Während draussen eindrückliche Landschaften vorbeziehen,<br />

servieren wir Ihnen frisch zubereitete Gerichte<br />

und eine grosse Auswahl an Getränken. Der<br />

Gourmino fährt auf der spektakulären Albulalinie<br />

zwischen Chur und St. Moritz. Jetzt reservieren oder<br />

einfach einsteigen.<br />

Im rollenden Restaurant erleben Sie den kulinarischen<br />

und alpinen Hochgenuss: Gepflegter Service, stilgerechte<br />

Innenausstattung und feines Essen. Einheimische<br />

Produkte bilden die Basis eines jeden Gerichts.<br />

Im behaglichen Ambiente des nostalgischen Speisewagens<br />

aus den 30er-Jahren geniessen Sie gleich<br />

doppelt – denn das Auge isst ja bekanntlich mit.<br />

BLOG<br />

Die RhB online<br />

Rhätische Bahn AG<br />

Bahnhofstrasse 25<br />

CH-7001 Chur<br />

Tel +41 81 288 65 65<br />

railservice@rhb.ch<br />

→ www.rhb.ch<br />

Neuigkeiten und Austausch mit<br />

uns und anderen RhB-Fans.<br />

→ www.rhb.ch/facebook<br />

Stimmungsvolle Ein- und Ausblicke<br />

unter dem Hashtag #rhaetiansensation.<br />

→ www.rhb.ch/instagram<br />

Faszinierende Geschichten<br />

rund um die Rhätische Bahn.<br />

→ www.rhb.ch/blog<br />

Fahrplan, Speisekarte und<br />

die Reservationsmöglichkeit<br />

→ www.rhb.ch/speisewagen


www.rhb.ch<br />

www.rhb.ch<br />

Foto: Fabian Gattlen / www.fourthvisuals.com<br />

Foto: Fabian Gattlen / www.fourthvisuals.com

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