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Jürgen van Oorschot | Andreas Wagner (Hrsg.): Biografie und Lebensalter (Leseprobe)

Anthropologie wird manifest, wenn es um Biografie und Lebensalter geht. So verwundert es nicht, wenn Fragen konkreter Lebensführung, ihrer materialen und sozialen Grundlagen sowie die Biografie neben dem Alten Testament auch in der Altorientalistik und der Ägyptologie intensiv diskutiert werden. Der vorliegende Band versammelt neben je einem ägyptologischen und hethitologischen Exempel alttestamentliche Beiträge zur Rechtsanthropologie, zur Ethik sowie ausgewählten Literaturbereichen des Alten Testaments inkl. Ben Sirach, in denen Aspekte von Biografie und Lebensalter mit ihren Hinweisen auf die materiale, soziale und theologische Verfasstheit des Menschen dargestellt werden.

Anthropologie wird manifest, wenn es um Biografie und Lebensalter geht. So verwundert es nicht, wenn Fragen konkreter Lebensführung, ihrer materialen und sozialen Grundlagen sowie die Biografie neben dem Alten Testament auch in der Altorientalistik und der Ägyptologie intensiv diskutiert werden. Der vorliegende Band versammelt neben je einem ägyptologischen und hethitologischen Exempel alttestamentliche Beiträge zur Rechtsanthropologie, zur Ethik sowie ausgewählten Literaturbereichen des Alten Testaments inkl. Ben Sirach, in denen Aspekte von Biografie und Lebensalter mit ihren Hinweisen auf die materiale, soziale und theologische Verfasstheit des Menschen dargestellt werden.

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Biographische Schilderungen bei den Hethitern 65<br />

Text wird also als Lobrede auf die Göttin Ištar ausgewiesen, die mit einem Auftrag<br />

an zukünftige Generationen verb<strong>und</strong>en ist.<br />

Von der Göttin Ištar fürsorglichem Walten will ich berichten, <strong>und</strong> jedermann soll es<br />

hören! Und in Zukunft soll der Sohn Seiner Majestät, sein Enkel, <strong>und</strong> die Nachkommenschaft<br />

Seiner Majestät unter den Göttern der Ištar gegenüber ehrfürchtig sein (naḫḫan<br />

ešdu).<br />

Daraufhin folgt der Hauptteil des Textes (§§ 3–60).<br />

Er ist autobiographischer Natur <strong>und</strong> schildert in der Retrospektive wichtige<br />

Stationen der Lebensgeschichte Ḫattušilis III. Diese werden aber, wie in § 2<br />

betont wird, nicht erzählt, um Ḫattušilis eigenes Handeln zu rühmen, sondern<br />

um in diesem das Wirken der Göttin Ištar aufzuzeigen.<br />

Nachdem Ḫattušili den Bericht über das gerechte Walten der Göttin abgeschlossen<br />

hat, das sich in seiner Vita widerspiegelt, berichtet er von den Wohltaten,<br />

die er der Göttin aus Dankbarkeit für ihr Handeln an ihm erwiesen hat.<br />

So habe er ihr das Haus seines Widersachers Armadatta <strong>und</strong> die zugehörigen<br />

Ortschaften sowie ein Beinhaus übergeben (§ 12b).<br />

Daran schließt Ḫattušili einen Auftrag an seinen Sohn Tutḫaliya <strong>und</strong> an<br />

zukünftige Generationen an: Tutḫaliya soll den Tempel der Ištar verwalten <strong>und</strong><br />

ihr ebenso wie Ḫattušili dienen. Zukünftige Generationen dürfen den Tempel<br />

nicht der Nachkommenschaft des Ḫattušili <strong>und</strong> seiner Frau Puduḫepa entziehen.<br />

Außerdem dürfen sie nicht zu Lehens- <strong>und</strong> Frondienst herangezogen werden.<br />

Dieses Verbot wird mit einer Drohung verb<strong>und</strong>en. Wer sich dem Willen<br />

Ḫattušilis widersetzt, der soll die Göttin Ištar von Šamuḫa zur Gerichtsgegnerin<br />

haben.<br />

Abschließend appelliert Ḫattušili erneut an seine Nachkommen, der Ištar<br />

von Šamuḫa gegenüber ehrfürchtig zu sein.<br />

Der Text gibt sich also als Lobpreis der Göttin Ištar für ihr gerechtes Walten<br />

<strong>und</strong> als Mahnung an zukünftige Nachfolger aus, der Göttin besondere Achtung<br />

zukommen zu lassen. Außerdem enthält er Vorschriften für den Umgang mit<br />

dem von Ḫattušili III. gestifteten Ištartempel.<br />

Betrachtet man aber allein den Umfang, den die Schilderungen von Ḫattušilis<br />

beruflichen Werdegangs <strong>und</strong> seiner Erfahrungen einnehmen, <strong>und</strong> richtet<br />

man das Augenmerk auf die Ereignisse <strong>und</strong> die Art, wie diese erzählt werden,<br />

gewinnt man den Eindruck, dass es Ḫattušili nicht allein oder primär darum<br />

geht, die Göttin Ištar <strong>und</strong> ihr Handeln zu preisen. Vielmehr versucht Ḫattušili<br />

mit diesem Text zu rechtfertigen, dass er seinen Vorgänger auf dem Königsthron,<br />

Urḫi-Teššub, der den Thronnamen Muršili (III.) trug, als Großkönig absetzte,<br />

aus dem Lande vertrieb <strong>und</strong> selbst zum Großkönig des hethitischen Reiches<br />

wurde.<br />

Äußerst bemerkenswert ist aber, dass Ḫattušili diesen Aufstieg nicht auf<br />

sein eigenes Handeln zurückführt, sondern auf das gerechte Walten der Göttin

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