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Jürgen van Oorschot | Andreas Wagner (Hrsg.): Biografie und Lebensalter (Leseprobe)

Anthropologie wird manifest, wenn es um Biografie und Lebensalter geht. So verwundert es nicht, wenn Fragen konkreter Lebensführung, ihrer materialen und sozialen Grundlagen sowie die Biografie neben dem Alten Testament auch in der Altorientalistik und der Ägyptologie intensiv diskutiert werden. Der vorliegende Band versammelt neben je einem ägyptologischen und hethitologischen Exempel alttestamentliche Beiträge zur Rechtsanthropologie, zur Ethik sowie ausgewählten Literaturbereichen des Alten Testaments inkl. Ben Sirach, in denen Aspekte von Biografie und Lebensalter mit ihren Hinweisen auf die materiale, soziale und theologische Verfasstheit des Menschen dargestellt werden.

Anthropologie wird manifest, wenn es um Biografie und Lebensalter geht. So verwundert es nicht, wenn Fragen konkreter Lebensführung, ihrer materialen und sozialen Grundlagen sowie die Biografie neben dem Alten Testament auch in der Altorientalistik und der Ägyptologie intensiv diskutiert werden. Der vorliegende Band versammelt neben je einem ägyptologischen und hethitologischen Exempel alttestamentliche Beiträge zur Rechtsanthropologie, zur Ethik sowie ausgewählten Literaturbereichen des Alten Testaments inkl. Ben Sirach, in denen Aspekte von Biografie und Lebensalter mit ihren Hinweisen auf die materiale, soziale und theologische Verfasstheit des Menschen dargestellt werden.

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Anchtifi als „erschienener Messias“ 57<br />

ist darin auch als „Erstlingsschaft in aller Schöpfung“ charakterisiert.<br />

Das erinnert an die Präfiguration der Weisheit in Prv 8, fügt aber darüber<br />

hinaus einen eschatologischen, d. h. auf das Jenseits ausgerichteten<br />

Zeitbegriff ein. Denn Christus ist in V. 18 auch als „der Anfang, der<br />

Erstgeborene von den Toten, damit er in allem Erster werde“ vorgestellt<br />

(vgl. 1Kor 15,20). Somit gelangen wir hier tatsächlich zu einem<br />

Zeitkonzept, das der Rekonstruktion auf der Basis der Grabinschrift<br />

des Anchtifi ähnelt.<br />

3. Die Rede vom Ersten <strong>und</strong> Letzten ist in biblisch-traditionsgeschichtlicher<br />

Sicht weniger ein Merkmal von Messianismus als der Hinweis auf<br />

ein Zeitkonzept, das die letzten Dinge nicht im Sinne einer „kupierten<br />

Apokalyptik“ 16 , d. h. als Offenbarung ohne Heil benennt, sondern als<br />

Voraussetzung für eine Neuschöpfung. Es geht um die Errichtung einer<br />

besseren Welt, die in einer Abfolge von gut – schlecht – gut bzw. Leben<br />

– Tod – Wiedergeburt erscheint. In den Texten Deutero-Jesajas ist aber<br />

Gott selbst als der Erste <strong>und</strong> der Letzte präsentiert. Und das Ende der<br />

politischen <strong>und</strong> sozialen Not sowie die Restauration der Verhältnisse<br />

sind vorrangig dank des als Schöpfer erfolgreich waltenden Gottes erwartbar.<br />

Denn der fremdländische Messias Kyros ist lediglich das Instrument<br />

des göttlichen Heilshandelns, ohne selbst an der Göttlichkeit<br />

zu partizipieren. Auch wird er an keiner Stelle als König tituliert. Dieser<br />

Titel bleibt bei Deutero-Jesaja – zumal mit Blick auf das Ende der<br />

judäischen Monarchie – Gott vorbehalten. Anders impliziert die Beschreibung<br />

Anchtifis, „Anfang <strong>und</strong> Ende des Menschen“ zu sein – zumal<br />

im gegebenen Grabkontext –, die eschatologische Dimension, die<br />

auf das Fortleben des Toten zielt, wobei der Akt der „Neuschöpfung“<br />

die Restauration der zu seinen Lebzeiten erfahrenen Verhältnisse übertrifft.<br />

Die alttestamentlichen Texte lassen ihre Zeitvorstellungen in der<br />

Urzeit wurzeln ( qædæm‏/םֶדֶק 17 , םָלוֹע /‘ôlam 18 ), während das Nachher der<br />

historischen Zeit ( /’acharît) 19 weitgehend unbestimmt bleibt. Die<br />

Aussicht auf den Neubeginn setzt in den Texten Deutero-Jesajas die<br />

תיִ‏ רֲחאַ<br />

16<br />

Vgl. KÖRTNER, Enthüllung der Wirklichkeit, 383–402, hier 396 im Rückgriff auf<br />

VONDUNG, Apokalypse, 12. Es geht in der religiösen Apokalyptik nicht um die Enthüllung<br />

der Wirklichkeit im definitiven Untergang, sondern um ein Konzept, das die Katastrophe<br />

als Krise versteht, auf die Erlösung in einer neuen Wirklichkeit folgt.<br />

17<br />

Qädäm hat aber auch deutlich räumliche Konnotation <strong>und</strong> bezeichnet die Himmelsrichtung<br />

Osten.<br />

18<br />

S. auch der Plural םיִמָלוֹע „Vorzeit“ in Jes 51,9. S. aber auch וֹלָםעְל <strong>und</strong> עוֹלדַע ־ םָ‏ als auf<br />

die Zukunft gerichtete Ewigkeitsaussage z. B. im Kontext der davidischen Königsdynastie<br />

(1Sam 20,42) im Rahmen eines ewigen B<strong>und</strong>es bzw. der Lebenszeit des Königs (1Kön<br />

1,31; Ps 110,4). Bei Sir wird es zur Bezeichnung von „Zeit“ (42,18 u. ö.) oder „Zukunft“<br />

(Sir 48,25). Häufig hat die Verwendung von + Präposition vor allem steigernde Wirkung<br />

(Ps 118,14 u. ö; vgl. PREUß, Art. ‛olam, 1155.<br />

19<br />

Dtn 11,12; Ez 38,8; s. aber auch den prophetischen Gebrauch im Sinne vom „Ende der<br />

Tage“ in Jes 2,2; Jer 23,20; 30,24 u. ö.<br />

םָלוֹע

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