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Jürgen van Oorschot | Andreas Wagner (Hrsg.): Biografie und Lebensalter (Leseprobe)

Anthropologie wird manifest, wenn es um Biografie und Lebensalter geht. So verwundert es nicht, wenn Fragen konkreter Lebensführung, ihrer materialen und sozialen Grundlagen sowie die Biografie neben dem Alten Testament auch in der Altorientalistik und der Ägyptologie intensiv diskutiert werden. Der vorliegende Band versammelt neben je einem ägyptologischen und hethitologischen Exempel alttestamentliche Beiträge zur Rechtsanthropologie, zur Ethik sowie ausgewählten Literaturbereichen des Alten Testaments inkl. Ben Sirach, in denen Aspekte von Biografie und Lebensalter mit ihren Hinweisen auf die materiale, soziale und theologische Verfasstheit des Menschen dargestellt werden.

Anthropologie wird manifest, wenn es um Biografie und Lebensalter geht. So verwundert es nicht, wenn Fragen konkreter Lebensführung, ihrer materialen und sozialen Grundlagen sowie die Biografie neben dem Alten Testament auch in der Altorientalistik und der Ägyptologie intensiv diskutiert werden. Der vorliegende Band versammelt neben je einem ägyptologischen und hethitologischen Exempel alttestamentliche Beiträge zur Rechtsanthropologie, zur Ethik sowie ausgewählten Literaturbereichen des Alten Testaments inkl. Ben Sirach, in denen Aspekte von Biografie und Lebensalter mit ihren Hinweisen auf die materiale, soziale und theologische Verfasstheit des Menschen dargestellt werden.

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Anchtifi als erschienener „Messias“ 29<br />

Ich bin der Urfrühe, ich bin der Letztspäte – Außer mir ist kein Gott (Jes. 44.6) 6 .<br />

Im Unterschied zu Anchtifi von Hefat, der am Ende des Dritten Jahrtausends v.<br />

Chr. lebte, 7 sind sie allerdings auf den einen (<strong>und</strong> hier den markant einzigen 8 )<br />

Gott gemünzt. Neutestamentlich lässt sich dem die auch auf Jesus Christus bezogene<br />

Bezeichnung als Alpha <strong>und</strong> Omega (τὸ ἄλφα καὶ τὸ ὦ: Selbstbezeichnung<br />

Jesu gemäß der Offenbarung des Johannes, 22, 13; wobei in eben diesem<br />

Text auch Gott so bezeichnet ist, so in 1,8; 21, 6) an die Seite stellen 9 , also in<br />

der Sphäre zwischen Gott <strong>und</strong> Mensch.<br />

In diesem Essay wird unter ‚Messianisch‘ vor allem das Heraufbringen einer<br />

neuartigen Heilszeit auf Erden verstanden. Genau dessen wird Anchtifi gerühmt,<br />

<strong>und</strong> so sei hier also von ihm als ‚Messias‘ – die Anführungszeichen sollen<br />

die Problematik eines solchen interkulturellen Vergleichs <strong>und</strong> der<br />

entsprechenden Begrifflichkeit anzeigen – gesprochen (auch wenn er nicht ‚Gesalbter‘<br />

war, aber immerhin als ein von Gott Erwählter inszeniert wird). Wie<br />

Gott (insbesondere der Sonnengott, Pfeiler VI g, s. u.) für die Schöpfung steht<br />

Anchtifi als Gott-Beauftragter für eine neue Schöpfung <strong>und</strong> insbesondere den<br />

Anbruch einer neuen Ära. Neben der Offenbarung des Johannes kann aus der<br />

Textwelt des Neuen Testaments allgemeiner vergleichend besonders der Kolosser-Brief<br />

15-20, in dem der Heiland hymnisch gepriesen wird, herangezogen<br />

werden 10 .<br />

Die Prägung einer Heilshoffnung auf den konkreten Menschen Anchtifi<br />

zeigt ein charismatisches <strong>und</strong> überhohes Sendungsbewusstsein, die radikale<br />

Inszenierung des Potentaten in einer Rolle als herrscherlicher Retter 11<br />

<strong>und</strong><br />

Heilsbringer, also einem Über-Mann (hier spielt tatsächlich eine besondere Maskulinitäts-Vorstellung<br />

eine wesentliche Rolle! - s. u. zur Anchtifi-Formel jnk pw<br />

TAy jwty wn ky), der etwas ganz Neues <strong>und</strong> Neuartiges in einer krisengeschüttelten<br />

Zeit heraufbringt. Hier wird auf eine absolute Außergewöhnlichkeit der Person<br />

Anchtifi in der Zeit einer radikalen sozialen Krise nach einem halben Jahrtausend<br />

(mehr oder weniger) stabilem Staat im Niltal 12 gesetzt. In dieser Ära<br />

(Zeit der Regionen) 13<br />

können wir nicht nur eine starke Regionalisierung im<br />

6<br />

Übersetzung Martin Buber; aus dem als kohärent geltenden Textcorpus Deuterojesaja<br />

kennen wir zwei weitere ähnlich lautende Passagen: 41,4 <strong>und</strong> 48,13.<br />

7<br />

Gr<strong>und</strong>legend VANDIER, Mo c alla, 1950; zuletzt MORENZ, Anchtifi von Hefat, 2022.<br />

8<br />

Hier genüge ein Hinweis auf eine der neueren Monotheismus-Debatten im Anschluss<br />

an ASSMANNS „Der Mann Mose“, SCHIEDER (<strong>Hrsg</strong>.), Die Gewalt des einen Gottes.<br />

9 DU RAND, Alpha and Omega, 850–852.<br />

10<br />

Hinweis M. Bauks.<br />

11<br />

Im Herrschaftskontext ist die Messias-Vorstellung mit charismatischer Herrschaft im<br />

Sinne Max Webers verb<strong>und</strong>en.<br />

12<br />

Zur Problematik der Stabilität von Staaten: YOFFEE (ed.), The Evolution of Fragility.<br />

Tatsächlich suggeriert staatliche Verfasstheit in vielen Fällen aus dem Altertum mehr<br />

Stabilität als sie wirklich bot. Immerhin gehört die Fiktion von Stabilität – also ein Ordnungsversprechen<br />

– substantiell zu Staatsvorstellungen <strong>und</strong> Staatsbegründungen.<br />

13<br />

Zur Begrifflichkeit MORENZ, Die Zeit, 29–52.

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