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Jahrbuch für die Geschichte des Protestantismus in Österreich Sonderband (2023) - Festschrift für Rudolf Leeb zum 65. Geburtstag (Leseprobe)

Der vorliegende Band ist dem langjährigen Vorstandsmitglied und Präsidenten der »Gesellschaft für die Geschichte des Protestantismus in Österreich« Univ.-Prof. Dr. Rudolf Leeb zu seinem 65. Geburtstag gewidmet. Die Beiträge spiegeln die thematische Breite und die vielfältigen Interessensgebiete des Jubilars, die von der Spätantike bis in die kirchliche Zeitgeschichte reichen und ihr spezifisches Profil durch die enge Verbindung von Kunst-, Kirchen- und Kulturgeschichte erhalten. Ein Schwerpunkt liegt auf der Protestantismusgeschichte der ehemaligen Habsburgermonarchie und des heutigen Österreich.

Der vorliegende Band ist dem langjährigen Vorstandsmitglied und Präsidenten der »Gesellschaft für die Geschichte des Protestantismus in Österreich« Univ.-Prof. Dr. Rudolf Leeb zu seinem 65. Geburtstag gewidmet. Die Beiträge spiegeln die thematische Breite und die vielfältigen Interessensgebiete des Jubilars, die von der Spätantike bis in die kirchliche Zeitgeschichte reichen und ihr spezifisches Profil durch die enge Verbindung von Kunst-, Kirchen- und Kulturgeschichte erhalten. Ein Schwerpunkt liegt auf der Protestantismusgeschichte der ehemaligen Habsburgermonarchie und des heutigen Österreich.

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<strong>Jahrbuch</strong><br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Geschichte</strong><br />

<strong>des</strong> <strong>Protestantismus</strong><br />

<strong>in</strong> <strong>Österreich</strong><br />

<strong>Sonderband</strong> (<strong>2023</strong>)<br />

<strong>Festschrift</strong> <strong>für</strong> <strong>Rudolf</strong> <strong>Leeb</strong><br />

<strong>zum</strong> <strong>65.</strong> <strong>Geburtstag</strong>


VORWORT<br />

Der vorliegende <strong>Sonderband</strong> <strong>des</strong> <strong>Jahrbuch</strong>s <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Geschichte</strong> <strong>des</strong> <strong>Protestantismus</strong> <strong>in</strong><br />

<strong>Österreich</strong> ist Univ.-Prof. DDr. <strong>Rudolf</strong> <strong>Leeb</strong> <strong>zum</strong> <strong>65.</strong> <strong>Geburtstag</strong> gewidmet. Die versammelten<br />

Beiträge, <strong>die</strong> von langjährigen, wissenschaftlich tätigen Freund:<strong>in</strong>nen,<br />

Kolleg:<strong>in</strong>nen und Schüler:<strong>in</strong>nen <strong>des</strong> nunmehr emeritierten Jubilars verfasst wurden,<br />

berühren sich thematisch mit <strong>Rudolf</strong> <strong>Leeb</strong>s vielfältigen Forschungs<strong>in</strong>teressen<br />

und spiegeln se<strong>in</strong>e Interdiszipl<strong>in</strong>arität <strong>in</strong> Forschung und Lehre wider.<br />

Der Kirchen- und Kunsthistoriker hat <strong>in</strong> Wien und Tüb<strong>in</strong>gen evangelische<br />

Theologie, Kunstgeschichte, Byzant<strong>in</strong>istik und – im Nebenfach – Judaistik stu<strong>die</strong>rt,<br />

promovierte <strong>in</strong> den Fächern Kirchengeschichte und Kunstgeschichte und<br />

habilitierte sich Mitte der 1990er Jahre an der Universität Wien.<br />

Ab 1996 war <strong>Rudolf</strong> <strong>Leeb</strong> an der Wiener Evangelisch-Theologischen Fakultät außerordentlicher<br />

Professor <strong>für</strong> Kirchengeschichte, ab 2004 wirkte er dort als ordentlicher<br />

Professor. In se<strong>in</strong>en Forschungsarbeiten, <strong>die</strong> sich durch e<strong>in</strong>e enge Verschränkung<br />

unterschiedlicher geschichtswissenschaftlicher Perspektiven auszeichnen und<br />

mit denen auch neue Forschungsdiskurse angestoßen werden konnten, widmete er<br />

sich neben Themen aus dem Bereich der Patristik, der Älteren Kirchengeschichte<br />

und <strong>des</strong> protestantischen Kirchenbaus vor allem der reichhaltigen <strong>Geschichte</strong><br />

<strong>des</strong> ›österreichischen‹ <strong>Protestantismus</strong> vom 16. Jahrhundert bis <strong>in</strong> <strong>die</strong> Gegenwart.<br />

Dem Institut <strong>für</strong> Kirchengeschichte, Christliche Archäologie und Kirchliche Kunst<br />

der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien wurde durch <strong>die</strong>se<br />

thematische Schwerpunktsetzung e<strong>in</strong> eigenes Profil verliehen, <strong>die</strong> österreichische<br />

<strong>Protestantismus</strong>geschichtsforschung damit zu e<strong>in</strong>em Alle<strong>in</strong>stellungsmerkmal von<br />

Forschung und Lehre an der Fakultät.<br />

Neben der universitären Wissensvermittlung engagierte sich <strong>Rudolf</strong> <strong>Leeb</strong> <strong>in</strong><br />

den vergangenen Jahrzehnten auch im außeruniversitären Bereich: so etwa mit der<br />

Erstellung und Herausgabe e<strong>in</strong>es kirchen-, kunst- und kulturhistorischen Begleitban<strong>des</strong><br />

<strong>zum</strong> Projekt »Der Weg <strong>des</strong> Buches«, der Beteiligung an Konzeption und<br />

Durchführung zweier großer Ausstellungen (OÖ Lan<strong>des</strong>ausstellung 2010 Schloss<br />

Parz/Grieskirchen: Renaissance und Reformation; 2017 Wien Museum: Brennen<br />

<strong>für</strong> den Glauben) und, <strong>in</strong>sbesondere im Reformationsjubiläumsjahr 2017, mit Hörfunk-<br />

und Fernsehbeiträgen sowie Vorträgen im Rahmen diverser Bildungsveranstaltungen,<br />

mit denen er den <strong>Protestantismus</strong> auf breiter gesellschaftlicher Ebene<br />

sichtbar machte.<br />

In Forschung und Lehre sucht <strong>Rudolf</strong> <strong>Leeb</strong> den <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>ären Austausch<br />

und <strong>die</strong> Zusammenarbeit mit Kolleg:<strong>in</strong>nen benachbarter Diszipl<strong>in</strong>en im In- und<br />

Ausland, aus der auch geme<strong>in</strong>same Buchprojekte hervorg<strong>in</strong>gen. Se<strong>in</strong>en Stu<strong>die</strong>renden<br />

begegnet er mit großer Offenheit und Wertschätzung, weiß sie <strong>in</strong> Lehrveran-<br />

5


Vorwort<br />

staltungen und auf Exkursionen <strong>für</strong> <strong>die</strong> Kirchengeschichte zu begeistern und sie bei<br />

eigenen Forschungsprojekten zu motivieren und zu begleiten. Dabei zeigt <strong>Rudolf</strong><br />

<strong>Leeb</strong> stets e<strong>in</strong> großes Gespür <strong>für</strong> ›brennende‹ Fragen und Forschungs<strong>des</strong>iderate.<br />

Der »Gesellschaft <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Geschichte</strong> <strong>des</strong> <strong>Protestantismus</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>« stand<br />

<strong>Rudolf</strong> <strong>Leeb</strong> 15 Jahre lang als ihr Präsident vor. Als solcher setzte er zukunftsweisende<br />

Schritte: Die »Jahrbücher« wurden zu e<strong>in</strong>em großen Teil im Anno-Katalog<br />

der <strong>Österreich</strong>ischen Nationalbibliothek digital zugänglich und mit der Publikation<br />

bei der »Evangelischen Verlagsanstalt Leipzig« <strong>für</strong> e<strong>in</strong> breiteres <strong>in</strong>ternationales<br />

Publikum greifbar gemacht; durch thematische Schwerpunktsetzungen wurden<br />

neue Forschungsfragen e<strong>in</strong>gebracht und Forschungslücken geschlossen. <strong>Rudolf</strong><br />

<strong>Leeb</strong>s Ver<strong>die</strong>nste <strong>in</strong>sbesondere auf dem Gebiet der österreichischen <strong>Protestantismus</strong>geschichtsforschung<br />

können nicht hoch genug e<strong>in</strong>geschätzt werden.<br />

Mit dem vorliegenden Band bedanken sich der Vorstand der »Gesellschaft <strong>für</strong> <strong>die</strong><br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>des</strong> <strong>Protestantismus</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>«, <strong>die</strong> Beiträger:<strong>in</strong>nen sowie alle <strong>in</strong><br />

der nachstehenden Tabula Gratulatoria angeführten Personen <strong>für</strong> <strong>Rudolf</strong> <strong>Leeb</strong>s<br />

engagiertes Wirken.<br />

Für <strong>die</strong> Unterstützung bei den Korrekturlesearbeiten sei Frau Pia Schachner herzlich<br />

gedankt, <strong>für</strong> <strong>die</strong> große Hilfe bei der Vernetzung Frau Mag. Barbara Saile-<strong>Leeb</strong>.<br />

Unser Dank gilt auch all jenen, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Publikation <strong>die</strong>ser <strong>Festschrift</strong> f<strong>in</strong>anziell<br />

unterstützt haben.<br />

Astrid Schweighofer und Leonhard Jungwirth Wien, <strong>2023</strong><br />

6


INHALTSVERZEICHNIS<br />

TABULA GRATULATORIA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11<br />

FESTSCHRIFTBEITRÄGE<br />

Matthias Albani<br />

»Die Himmel erzählen <strong>die</strong> Herrlichkeit Gottes« (Psalm 19,2).<br />

Astronomische Uhren <strong>in</strong> Kirchen der Hansezeit und ihre<br />

biblische Botschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13<br />

Alexander Bach<br />

E<strong>in</strong>e Personalentscheidung <strong>in</strong> bewegten Zeiten.<br />

Die Pfarrerwahl <strong>in</strong> Klagenfurt 1932/33 im Kontext gesellschaftlicher<br />

und kirchlicher Bruchl<strong>in</strong>ien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31<br />

Andreas Paul B<strong>in</strong>der<br />

Georg Wislizenus – der letzte evangelische Pfarrer von Oberpetersdorf.<br />

E<strong>in</strong> Beispiel <strong>für</strong> den nachhaltigen E<strong>in</strong>fluss mikrohistorischer Ereignisse<br />

auf <strong>die</strong> Konfessionalisierung im heutigen Burgenland . . . . . . . . . . . . .43<br />

Hanns Christof Brennecke<br />

Kirchen <strong>für</strong> Soldaten?<br />

Bemerkungen zu Garnisonkirchen als Sonderform <strong>des</strong> (nicht nur)<br />

protestantischen Kirchenbaus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55<br />

Michael Bünker<br />

Wie heißt <strong>die</strong> Kirche?<br />

E<strong>in</strong> Streifzug durch <strong>die</strong> Namenslandschaft der evangelischen<br />

Kirchen <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65<br />

Gergely Csukás<br />

Der elevatorische Charakter <strong>des</strong> reformierten Kirchenraumes . . . . . . . . 81<br />

Christian Danz<br />

Glaube als symbolproduktive Wirklichkeit der christlichen Religion.<br />

Überlegungen im Anschluss an Paul Tillich und Karl Barth . . . . . . . . . 95<br />

7


Inhaltsverzeichnis<br />

Wilhelm Deuer<br />

Gegenreformatorische, protestantische oder ökumenische Motivik<br />

<strong>in</strong> Kärntner Geme<strong>in</strong>dewappen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107<br />

Mart<strong>in</strong>a Fuchs<br />

Satansmütter – Pfaffenhuren – Täuferfrauen:<br />

Schlaglichter auf neue Historische Romane zur Reformationszeit . . . . . 117<br />

Daniel Gehrt<br />

Die Vermarktung e<strong>in</strong>er Mission.<br />

E<strong>in</strong>bände slowenischer und kroatischer Drucke mit Porträts<br />

von Primus Truber, Anton Dalmata und Stephan Consul . . . . . . . . . . 131<br />

Rahel Christ<strong>in</strong>e Hahn<br />

»… den Protestanten günstig ges<strong>in</strong>nt«.<br />

Anmerkungen zur Entstehung der Evangelischen Pfarrgeme<strong>in</strong>de<br />

A. B. <strong>in</strong> Villach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143<br />

Frank H<strong>in</strong>kelmann<br />

Volksmissionar Pfarrer Max Monsky und <strong>die</strong> »Volksgesundheit« . . . . . . 151<br />

Luka Ilić<br />

Stephan Consul – e<strong>in</strong> istrischer Prediger und se<strong>in</strong>e Familie<br />

im Burgenland im späten 16. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161<br />

Leonhard Jungwirth<br />

Die frühe ›Toleranzzeit‹ <strong>in</strong> Oberösterreich.<br />

Beobachtungen am Beispiel <strong>des</strong> ›Toleranzpastors‹<br />

Georg Michael Eisenbach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173<br />

Ulrich H. J. Körtner<br />

Theologie <strong>in</strong> der Krise – Theologie <strong>für</strong> <strong>die</strong> Krise . . . . . . . . . . . . . . . 191<br />

Siegfried Kreuzer<br />

Die Kralitzer Bibel – e<strong>in</strong> Plädoyer <strong>für</strong> ihre Wahrnehmung<br />

und ihre Erforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201<br />

Thomas K. Kuhn<br />

Das »Mittelalter« im Nationalbewusstse<strong>in</strong> der<br />

schweizerischen Eidgenossenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215<br />

8


Inhaltsverzeichnis<br />

Günter Merz<br />

Ortenburg und <strong>die</strong> oberösterreichischen Protestanten . . . . . . . . . . . . 229<br />

Mart<strong>in</strong> Rothgangel<br />

Mart<strong>in</strong> Luthers Kle<strong>in</strong>er Katechismus.<br />

Fünfzig Jahre im religionspädagogischen Abseits . . . . . . . . . . . . . . . 241<br />

Robert Schelander<br />

Georg Traar und <strong>die</strong> evangelische Jugendarbeit.<br />

Beobachtungen aus der Sicht der Religionspädagogik . . . . . . . . . . . . 251<br />

Mart<strong>in</strong> Scheutz<br />

Sieben Tage im Herbst 1555.<br />

E<strong>in</strong>e Visitation im Bereich <strong>des</strong> Dekanats an der Leitha und<br />

<strong>die</strong> Suche nach konfessioneller E<strong>in</strong>deutigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 265<br />

Stefan Schima<br />

Staatliche Abwehr auswärtiger E<strong>in</strong>flüsse.<br />

Blicke auf e<strong>in</strong>schlägige religionsrechtliche Entwicklungen von der<br />

frühen Neuzeit bis zur Umsetzung <strong>des</strong> Islamgesetzes 2015 . . . . . . . . . 283<br />

Re<strong>in</strong>hard Schmidt-Rost<br />

Trauerkultur zwischen Tradition und Postmoderne . . . . . . . . . . . . . 299<br />

Karl W. Schwarz<br />

Julius A. Kolatschek – e<strong>in</strong> liberaler Theologe und Kirchenpolitiker<br />

<strong>in</strong> der Habsburgermonarchie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305<br />

Astrid Schweighofer<br />

Der steirische Schulmeister und Landschaftsbeamte Bartholomäus Pica<br />

und se<strong>in</strong>e Kontakte <strong>zum</strong> Regensburger Super<strong>in</strong>tendenten Nikolaus Gallus . . 319<br />

Hanns Christian Stekel<br />

»Froh tanzen <strong>die</strong> Häuser«.<br />

Klagenfurt und <strong>die</strong> Musik der Reformation <strong>in</strong> Kärnten . . . . . . . . . . . 335<br />

Karl-Re<strong>in</strong>hart Trauner<br />

Ludwig Mahnerts Roman … bis du am Boden liegst!<br />

E<strong>in</strong>e Kampfansage <strong>für</strong> <strong>die</strong> neue Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351<br />

9


Inhaltsverzeichnis<br />

Peter G. Tropper<br />

»Millstatt versus Eberndorf« –<br />

Die beiden Kärntner Jesuitendistrikte im Vergleich . . . . . . . . . . . . . 363<br />

Karl Vocelka<br />

Barocke Frömmigkeit – Volksfrömmigkeit und Ablass . . . . . . . . . . . 377<br />

BIBLIOGRAPHIE RUDOLF LEEB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387<br />

ABKÜRZUNGEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 395<br />

10


»DIE HIMMEL ERZÄHLEN DIE HERRLICHKEIT GOTTES«<br />

(PSALM 19,2)<br />

Astronomische Uhren <strong>in</strong> Kirchen der Hansezeit<br />

und ihre biblische Botschaft<br />

Von Matthias Albani<br />

I. E<strong>in</strong>leitung<br />

»Tief ist der Brunnen der Vergangenheit.<br />

Sollte man ihn nicht unergründlich nennen.«<br />

Der vielzitierte Satz von Thomas Mann am Beg<strong>in</strong>n se<strong>in</strong>es berühmten Romans<br />

Joseph und se<strong>in</strong>e Brüder ist geeignet, um <strong>die</strong> folgenden Überlegungen zu Ehren<br />

me<strong>in</strong>es Freun<strong>des</strong> <strong>Rudolf</strong> <strong>Leeb</strong> e<strong>in</strong>zuleiten. Me<strong>in</strong> E<strong>in</strong>stieg <strong>in</strong> den tiefen »Brunnen<br />

der Vergangenheit« beg<strong>in</strong>nt im Jahre 1989 <strong>in</strong> Wien und <strong>die</strong> historische Zeitreise soll<br />

dann bis <strong>in</strong> das 2. Jahrtausend v. Chr. zurückgehen, also bis <strong>in</strong> jene altorientalische<br />

Epoche, <strong>in</strong> der auch <strong>die</strong> Handlung von Thomas Manns biblischem Roman spielt.<br />

Im W<strong>in</strong>tersemester <strong>des</strong> deutschen Wendejahres 1989/90 hatte ich erstmals <strong>die</strong><br />

Gelegenheit, nach Wien zu reisen, wo ich e<strong>in</strong> postgraduales Studium im Rahmen<br />

e<strong>in</strong>es von der EKD organisierten Austauschs absolvieren konnte. Me<strong>in</strong>e Erstbegegnung<br />

mit ›dem Westen‹ und se<strong>in</strong>er angeblich dekadenten kapitalistischen Kultur<br />

war <strong>für</strong> mich ohne Übertreibung e<strong>in</strong> ›Kulturschock‹ im positiven S<strong>in</strong>ne. Mir tat<br />

sich nach 30 Lebensjahren <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em grauen sozialistisch-diktatorischen Staat e<strong>in</strong>e<br />

fasz<strong>in</strong>ierend bunte und offene Welt auf, es war e<strong>in</strong>e fast berauschende Erfahrung!<br />

Be<strong>in</strong>ahe täglich eröffneten sich mir neue Perspektiven und E<strong>in</strong>sichten. Dazu hat<br />

mir vor allem auch <strong>Rudolf</strong> <strong>Leeb</strong> <strong>in</strong> vielen anregenden Gesprächen <strong>in</strong> Wiener Cafés<br />

und an anderen schönen Orten der Stadt verholfen, wo<strong>für</strong> ich ihm außerordentlich<br />

dankbar war und immer se<strong>in</strong> werde – natürlich auch <strong>für</strong> <strong>die</strong> praktische Hilfe<br />

und Orientierung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em <strong>für</strong> mich vollkommen neuartigen gesellschaftlichen<br />

Kontext.<br />

Immer wieder drehten sich unsere Gespräche um <strong>die</strong> ideologisch verzerrte<br />

Darstellung der Kirchengeschichte im Besonderen und der Menschheitsgeschichte<br />

allgeme<strong>in</strong> aus marxistischer Perspektive, welche 40 Jahre <strong>in</strong> der DDR <strong>in</strong>tensiv<br />

propagiert wurde – leider mit nachhaltiger Wirkung bei vielen Menschen <strong>in</strong> Ostdeutschland<br />

bis <strong>in</strong> unsere Gegenwart h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>. Hier sei nur das berühmte Diktum<br />

von Karl Marx genannt, <strong>die</strong> Religion sei das »Opium <strong>des</strong> Volkes«, womit <strong>in</strong> allen<br />

sozialistischen Bildungse<strong>in</strong>richtungen <strong>die</strong> Behauptung bzw. der Vorwurf der<br />

Wissenschafts- und Fortschrittsfe<strong>in</strong>dlichkeit <strong>des</strong> Christentums und der Religion<br />

13


Matthias Albani<br />

überhaupt verbunden wurde. 1 Leider wird <strong>die</strong>ses Vorurteil auch heute noch <strong>in</strong> maßgeblichen<br />

Me<strong>die</strong>n, <strong>die</strong> e<strong>in</strong>en Bildungsanspruch erheben, undifferenziert verbreitet.<br />

Hier soll an e<strong>in</strong>em Gegenbeispiel <strong>die</strong> Fragwürdigkeit und E<strong>in</strong>seitigkeit <strong>die</strong>ser<br />

bereits aus der Aufklärungszeit stammenden Behauptung (z. B. <strong>in</strong> Diderots berühmter<br />

Encyclopé<strong>die</strong>) aufgezeigt werden. Bei genauerer Betrachtung stellt sich<br />

sogar <strong>die</strong> Frage, ob <strong>die</strong> Entstehung und progressive Entwicklung der modernen<br />

Naturwissenschaft und Technik <strong>in</strong> Europa ab der Renaissancezeit ohne <strong>die</strong> kulturgenerierende<br />

Kraft <strong>des</strong> Christentums, ohne den biblischen Monotheismus und <strong>die</strong><br />

damit verbundene Schöpfungstheologie, überhaupt <strong>in</strong> der bekannten Weise hätte<br />

stattf<strong>in</strong>den können. 2 Soweit wir wissen, gab es <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>em anderen Kulturkreis der<br />

Welt e<strong>in</strong>e vergleichbare Entwicklung. 3 Hierzu sollen im Folgenden am Beispiel der<br />

astronomischen Uhren <strong>in</strong> Kirchen der Hansestädte e<strong>in</strong>ige wissenschafts-, theologie-<br />

und religionsgeschichtliche L<strong>in</strong>ien ausgezogen werden. Denn sie s<strong>in</strong>d erstaunliche<br />

Zeugnisse e<strong>in</strong>er explizit christlich geprägten Wissenschaft <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Epoche<br />

Europas, <strong>die</strong> nach allgeme<strong>in</strong>em Vorurteil als ›f<strong>in</strong>steres Mittelalter‹ herabgewürdigt<br />

wird!<br />

II. Die Botschaft der astronomischen Uhren <strong>in</strong> Kirchen<br />

der Hansezeit<br />

Im 14./15. Jahrhundert entstanden <strong>in</strong> Kirchen der Hansestädte Rostock, Stralsund,<br />

Lübeck, Wismar, Danzig, im Zisterzienserkloster Doberan und an anderen Orten<br />

monumentale bee<strong>in</strong>druckende astronomische Uhren, <strong>die</strong> damals den höchsten<br />

Stand von Wissenschaft und Technik repräsentierten. Der Astronom Manfred<br />

Schukowski, der als e<strong>in</strong>schlägiger Experte auf <strong>die</strong>sem Gebiet gilt, listet folgende<br />

astronomischen Vorgänge auf, <strong>die</strong> man an <strong>die</strong>sen astronomischen Kirchenuhren<br />

ablesen konnte:<br />

1<br />

Vgl. <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem S<strong>in</strong>ne z. B. Dieter B. Herrmann, Entdecker <strong>des</strong> Himmels (Leipzig 1978) 51.<br />

2<br />

Vgl. Bernd Roeck, Der Morgen der Welt. <strong>Geschichte</strong> der Renaissance (München 3 2018) 23:<br />

»Das Christentum an sich war nicht wissenschafts- und fortschrittsfe<strong>in</strong>dlich; religiöse Institutionen<br />

hatten im Mittelalter überragende Bedeutung <strong>für</strong> <strong>die</strong> Bewahrung und Mehrung von<br />

Wissen.« Insgesamt wird <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em epischen Werk <strong>die</strong> kulturprägende Rolle <strong>des</strong> Christentums<br />

<strong>für</strong> Europa deutlich: »Die christliche Religion bescherte den Völkern <strong>die</strong> Botschaft <strong>des</strong><br />

Evangeliums und überlieferte antike Philosophie und Wissenschaft. Indem sie das alte Late<strong>in</strong><br />

weitertrug, vermittelt sie Europa e<strong>in</strong>e geme<strong>in</strong>same Sprache. Sie wirkte ›zivilisierend‹ […].« Zit.<br />

nach: ebenda 93. He<strong>in</strong>z Schill<strong>in</strong>g betont ebenfalls <strong>die</strong> »vielfältigen wissenschaftlichen, kulturellen<br />

und sozialen Prägungen, <strong>die</strong> Europa durch Christentum und Kirchen erhielt.« Zit. nach:<br />

He<strong>in</strong>z Schill<strong>in</strong>g, Das Christentum und <strong>die</strong> Entstehung <strong>des</strong> modernen Europa. Aufbruch <strong>in</strong><br />

<strong>die</strong> Welt von heute (Freiburg im Breisgau 2022) 59.<br />

3<br />

Zweifellos gab es auch im <strong>in</strong>dischen, ch<strong>in</strong>esischen und islamischen Kulturkreis beachtliche<br />

Leistungen auf dem Gebiet der Wissenschaft und Kultur, <strong>die</strong> dann jedoch irgendwann aus<br />

verschiedenen Gründen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Stagnation oder gar Regression endeten. Es ist unbestritten,<br />

dass der wissenschaftliche Fortschritt Europas auch <strong>die</strong>sen Kulturen viel zu verdanken hat,<br />

was freilich im Rahmen e<strong>in</strong>es kurzen Aufsatzes nicht angemessen dargestellt werden kann.<br />

Vgl. dazu Roeck, Morgen (wie Anm. 2) 151–197.<br />

14


»Die Himmel erzählen <strong>die</strong> Herrlichkeit Gottes« (Psalm 19,2)<br />

• »Die tägliche und <strong>die</strong> jährliche Bewegung <strong>des</strong> Sternhimmels gegenüber dem Horizont<br />

• Die tägliche und <strong>die</strong> jährliche Bewegung der Sonne am Himmel<br />

• Die tägliche Bewegung <strong>des</strong> Mon<strong>des</strong> gegenüber dem Horizont im Laufe <strong>des</strong> Tages und<br />

gegenüber dem Sternenhimmel im Laufe <strong>des</strong> siderischen und synodischen Monats<br />

• Die Phasen <strong>des</strong> Mon<strong>des</strong><br />

• Die Bewegung der klassischen Planeten Venus, Merkur, Mars, Jupiter und Saturn an der<br />

Domuhr <strong>in</strong> Münster und ehemals an der Uhr <strong>in</strong> der Lübecker Marienkirche.« 4<br />

Schukowski hat sie zu Recht als »Wunderuhren« und als »mittelalterliches Hightech«<br />

bezeichnet. Der heutige Betrachter steht staunend vor <strong>die</strong>sen technischen<br />

Wunderwerken, <strong>die</strong> e<strong>in</strong>en beachtlichen Stand <strong>des</strong> vorkopernikanischen astronomischen<br />

Wissens im Spätmittelalter vor Augen führen. Und <strong>die</strong>s ausgerechnet <strong>in</strong><br />

Kirchen, wo doch nach allgeme<strong>in</strong>em Vorurteil das Christentum angeblich <strong>die</strong> Fortschrittsbremse<br />

der gesellschaftlichen Entwicklung gewesen sei. Schukowski betont,<br />

dass <strong>die</strong> Brauchbarkeit der Uhren <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>er Weise dadurch bee<strong>in</strong>trächtigt sei, weil<br />

ihnen das geozentrische Weltbild der griechischen Astronomie (Ptolemäus) zugrunde<br />

liegt, wie zuweilen behauptet wird.<br />

»An den astronomischen Uhren wird <strong>die</strong> Welt so dargestellt, wie sie von der Erde aus zu<br />

sehen ist. Zwar ist seit dem Mittelalter e<strong>in</strong>e Menge an Wissen über das Wesen der Vorgänge<br />

dazugewonnen worden. Jedoch haben <strong>die</strong> Darstellungen an den astronomischen<br />

Uhren durch <strong>die</strong> Erkenntnisse von Kopernikus, Kepler und Newton ihre Gültigkeit nicht<br />

e<strong>in</strong>gebüßt.« 5<br />

Wie ist es zu erklären, dass <strong>die</strong>se Wunderwerke der Mechanik und der astronomischen<br />

Wissenschaft ausgerechnet <strong>in</strong> Kirchen zu f<strong>in</strong>den s<strong>in</strong>d, und zwar nicht irgendwo<br />

im Kirchenraum, sondern meist im Umgang <strong>des</strong> Altarraumes, also <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

besonders heiligen Bereich <strong>des</strong> Gotteshauses? In der Regel wird argumentiert, dass<br />

<strong>die</strong> wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen der prosperierenden<br />

Hansestädte e<strong>in</strong>e genauere Zeitrechnung erforderten:<br />

»Für <strong>die</strong> Hansestädte, deren wirtschaftliche Lage ganz entscheidend von Handel und<br />

vom Gang der Geschäfte bestimmt wurde, traf das <strong>in</strong> besonderem Maße zu. In den<br />

Städten änderte sich das Zeitbewusstse<strong>in</strong>. Zeit wollte genutzt se<strong>in</strong>. Der Spruch ›Zeit ist<br />

Geld‹ hat hier e<strong>in</strong>e Wurzel. In <strong>die</strong>ser Situation kamen <strong>die</strong> neuartigen Räderuhren wie<br />

gerufen. Mit ihrer Hilfe gelang <strong>die</strong> Organisation <strong>des</strong> Stadtlebens effektiver und erfolgreicher.<br />

Hier liegt der entscheidende Grund <strong>für</strong> den Siegeszug der mechanischen Uhren<br />

im 14. Jahrhundert <strong>in</strong> praktisch allen bedeutenden Städten.« 6<br />

4<br />

Manfred Schukowski, Wunderuhren (Schwer<strong>in</strong> 2006) 15.<br />

5<br />

Ebenda 16.<br />

6<br />

Ebenda 10.<br />

15


Matthias Albani<br />

Das mag sicher e<strong>in</strong> wichtiger allgeme<strong>in</strong>er sozioökonomischer Grund <strong>für</strong> <strong>die</strong> Entwicklung<br />

von mechanischen Uhren gewesen se<strong>in</strong>. Freilich könnten dann <strong>die</strong> Uhren<br />

wie im süddeutschen Raum auch an Rathäusern oder anderen öffentlichen Orten<br />

der Stadt angebracht se<strong>in</strong> oder eben an profanen Gebäuden (wie etwa <strong>die</strong> Ankeruhr<br />

am Haus der Helvetia-Versicherung <strong>in</strong> Wien). Wor<strong>in</strong> also bestand das spezifisch<br />

kirchliche Interesse an den chronometrisch-astronomischen Meisterwerken?<br />

Das Bildprogramm und <strong>die</strong> Inschriften der Uhren weisen auf e<strong>in</strong>e dezi<strong>die</strong>rt<br />

theologische Motivation h<strong>in</strong>. Die Rostocker Uhr stellt nicht nur den Lauf der Gestirne<br />

und <strong>die</strong> damit verbundenen Zeit- und Kalenderdaten dar, sondern bildet<br />

auch e<strong>in</strong>e Art ›Bilderbibel‹. Manfred Schukowski beschreibt <strong>die</strong>ses biblische Bildprogramm<br />

so:<br />

»Zuoberst f<strong>in</strong>den sich an der Rostocker Uhr <strong>in</strong> den Spiegeln zweier ca. 147 cm hoher dreieckiger<br />

geschnitzter Ornamentrahmen Adam und Eva, von Engeln umgeben. Mit ihnen<br />

beg<strong>in</strong>nt <strong>die</strong> biblische <strong>Geschichte</strong> <strong>des</strong> Menschengeschlechts. Die Etage unter <strong>die</strong>sem oberen<br />

Abschluss der Uhr ist Christus, dem Sohn Gottes und Erlöser der Menschheit, sowie<br />

se<strong>in</strong>en Boten, den Aposteln gewidmet: Im Zentrum steht Christus als Weltenrichter auf<br />

e<strong>in</strong>em Altan, seitlich von ihm <strong>in</strong> der Pilaster-Bogen-Gliederung je drei Apostel […].« 7<br />

Alle<strong>in</strong> <strong>die</strong>ses e<strong>in</strong>drucksvolle biblische Bildprogramm weist ganz offensichtlich auf<br />

<strong>die</strong> theologische Motivation <strong>für</strong> den Bau solcher Uhren h<strong>in</strong>. Christus steht ganz<br />

oben als Weltherrscher über Zeit und Raum, darunter der Kosmos mit den Gestirnen<br />

als Zeitgeber und schließlich ganz unten <strong>die</strong> irdische Welt der Menschen.<br />

Freilich handelt es sich – bildhaft gesprochen – nur um <strong>die</strong> evidente Spitze <strong>des</strong><br />

sichtbaren ›theologischen Eisbergs‹. Aber auch <strong>die</strong> astronomischen Aspekte der<br />

Uhr selbst enthalten sozusagen ›submar<strong>in</strong>‹ e<strong>in</strong>e tiefere, implizite theologische Botschaft,<br />

um <strong>die</strong> es im Folgenden gehen soll. Es handelt sich um <strong>die</strong> fundamentale<br />

Überzeugung der jüdisch-christlichen Schöpfungstheologie, dass sich am Himmel<br />

und <strong>in</strong> den gesetzmäßigen Gestirnbahnen sichtbar, ja sogar hörbar, <strong>die</strong> Herrlichkeit<br />

und Schöpfermacht Gottes offenbart, wie es besonders <strong>in</strong> Psalm 19,1–7 <strong>in</strong> e<strong>in</strong>drücklichen<br />

Worten besungen wird.<br />

III. Die schöpfungstheologische Botschaft der astronomischen<br />

Uhren und <strong>die</strong> göttliche Himmelsordnung <strong>in</strong> Psalm 19<br />

E<strong>in</strong>en expliziten H<strong>in</strong>weis auf <strong>die</strong> theologische Bedeutung der Astronomie im Kirchenraum<br />

f<strong>in</strong>det man an der astronomischen Uhr <strong>in</strong> Rostock: »E<strong>in</strong> Tag saget’s den<br />

anderen. / Und e<strong>in</strong>e Nacht thut’s kund den anderen. / O Mensch bedenk’ das End, /<br />

So wirst du nimmer übel thun.« 8<br />

Diese Schriftzeile im Kalenderraum der Rostocker Uhr ist e<strong>in</strong>e Komb<strong>in</strong>ation<br />

aus Psalm 19,3 und Jesus Sirach 7,36. Der Schöpfungspsalm 19 A (= 19,1–7) preist<br />

7<br />

Ebenda 101f.<br />

8<br />

Zit. nach: Ebenda 39.<br />

16


»Die Himmel erzählen <strong>die</strong> Herrlichkeit Gottes« (Psalm 19,2)<br />

<strong>die</strong> Herrlichkeit (Kabod) <strong>des</strong> Schöpfers, wie sie sich am Himmel (19,2–5), und da<br />

wiederum besonders im täglichen Sonnenlauf, kundtut. Die Sonne ist jedoch das<br />

Kalendergestirn par excellence, das mit se<strong>in</strong>em gesetzmäßigen täglichen und jährlichen<br />

Himmelslauf auch <strong>die</strong> irdische Lebenszeit der Menschen strukturiert. Von<br />

daher erschließt sich auch <strong>die</strong> Komb<strong>in</strong>ation mit Sir 7,36: Das memento mori und <strong>die</strong><br />

Ermahnung, niemals zu sündigen, soll dem Betrachter der astronomischen Himmelsuhr<br />

offenbar <strong>die</strong> eigene Vergänglichkeit bewusst machen und ihn <strong>in</strong> der so<br />

begrenzten, an den astronomischen Zyklen ablesbaren Lebenszeit, zu gerechtem<br />

Tun motivieren. 9 Schukowski hat <strong>die</strong>ses Zitat an der Rostocker Uhr mit e<strong>in</strong>er late<strong>in</strong>ischen<br />

Inschrift an der alten Lübecker Uhr treffend komb<strong>in</strong>iert:<br />

»Wenn du den Anblick <strong>des</strong> Himmels und den Glanz der Sonne und <strong>des</strong> Mon<strong>des</strong> als Lichter<br />

betrachtest, <strong>die</strong> ihren Sche<strong>in</strong> nach e<strong>in</strong>em gewissen Lauf e<strong>in</strong>richten, so kannst du mit<br />

Augen sehen, wie <strong>die</strong> flüchtige Stunde und das Jahr dah<strong>in</strong> läuft und sich nicht aufhalten<br />

lässt. Aber so oft sich <strong>die</strong> kl<strong>in</strong>gende Glocke mit ihrer Melo<strong>die</strong> hören lässt, so vergiss nicht<br />

den Gott zu loben, der über <strong>die</strong> Gestirne herrscht.« 10<br />

Die E<strong>in</strong>sicht <strong>in</strong> <strong>die</strong> astronomische Kalenderordnung mündet hier sozusagen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en<br />

›doxologischen Imperativ‹. Vom Verfasser <strong>des</strong> kategorischen Imperativs, Immanuel<br />

Kant, stammt bekanntlich der folgende berühmte Satz aus der Kritik der<br />

praktischen Vernunft:<br />

»Zwei D<strong>in</strong>ge erfüllen das Gemüt mit immer neuer und zunehmender Bewunderung<br />

und Ehrfurcht, je öfter und anhaltender sich das Nachdenken damit beschäftigt: Der<br />

bestirnte Himmel über mir, und das moralische Gesetz <strong>in</strong> mir.« 11<br />

Himmelsgesetz und irdisches moralisches Gesetz stehen nach Kant <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em ehrfurchtgebietenden<br />

Zusammenhang, über den es nachzudenken gilt. Diese Entsprechung<br />

von himmlischer und irdischer Gesetzmäßigkeit f<strong>in</strong>det man auch <strong>in</strong> Inhalt<br />

und Aufbau von Psalm 19: Im ersten Teil <strong>des</strong> Psalms geht es um <strong>die</strong> Offenbarung<br />

der Herrlichkeit Gottes am Firmament, <strong>die</strong> sich besonders im zuverlässigen täglichen<br />

Umlauf der Sonne kundtut (19,5–7), im zweiten Teil ab Vers 8 br<strong>in</strong>gt sodann<br />

der Psalmbeter se<strong>in</strong>e Freude am Gesetz Gottes <strong>zum</strong> Ausdruck, welches <strong>die</strong> gerechte<br />

moralische Ordnung auf Erden garantiert. »Wie im Himmel, so auf Erden« – so<br />

könnte man den Zusammenhang von himmlischer und irdischer Ordnung po<strong>in</strong>tiert<br />

zusammenfassen. Der Freude <strong>des</strong> Sonnenhelden beim täglichen Durchlauf<br />

9<br />

Möglicherweise ist <strong>die</strong>s auch e<strong>in</strong>e Anspielung auf Ps 90,12, wor<strong>in</strong> wörtlich dazu aufgefordert<br />

wird, <strong>in</strong> der auf 70 bis 80 Jahre begrenzten menschlichen Lebenszeit »unsere Tage zu zählen,<br />

damit wir e<strong>in</strong> weises Herz erlangen«. In den Versen davor geht es auch darum, dass wir unsere<br />

Taten vor dem Richtergott verantworten müssen, der unsere verborgenen Sünden ans Licht<br />

br<strong>in</strong>gt (V. 8f.).<br />

10<br />

Schukowski, Wunderuhren (wie Anm. 4) 39f. [Hervorhebung d. Verf.].<br />

11<br />

Immanuel Kant, Gesammelte Schriften (Berl<strong>in</strong> 1900ff.) AA V, 161f.<br />

17


Matthias Albani<br />

auf se<strong>in</strong>er vorgeschriebenen Bahn (V. 6) entspricht <strong>die</strong> Freude <strong>des</strong> Psalmbeters am<br />

Gesetz JHWHs: »Die Befehle JHWHs s<strong>in</strong>d richtig und erfreuen das Herz« (V. 9).<br />

Psalm 19 ist also e<strong>in</strong> Hymnus auf <strong>die</strong> göttliche Schöpfungsordnung, wie sie sich<br />

vor allem paradigmatisch am Himmel zeigt, und <strong>die</strong> sich auf Erden <strong>in</strong> der Tora<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> Gerechten abbildet. Diese Himmelsordnung spricht zu den Menschen, ihre<br />

Botschaft geht <strong>in</strong> <strong>die</strong> ganze Welt h<strong>in</strong>aus (V. 5), ja sie appelliert geradezu »mit unhörbarer<br />

Stimme« an den Himmelsbetrachter, <strong>die</strong> wunderbare Schöpfungsordnung zu<br />

erkennen und zu rühmen. Von <strong>die</strong>ser himmlischen »Ergriffenheit« <strong>des</strong> Psalmbeters<br />

her dürften auch <strong>die</strong> astronomischen Uhren <strong>in</strong> Kirchen <strong>in</strong>spiriert se<strong>in</strong>, denn ihr<br />

Anblick erweckt beim Betrachter unwillkürlich den wohltuenden E<strong>in</strong>druck von<br />

Harmonie und Ordnung <strong>in</strong> der von Gott geschaffenen Welt.<br />

Das Zitat von Psalm 19 verweist jedoch implizit auf e<strong>in</strong>e noch tiefere sowohl<br />

religions- als auch wissenschaftsgeschichtliche Dimension h<strong>in</strong>, gewissermaßen im<br />

tiefen »Brunnen der Vergangenheit«, nämlich auf <strong>die</strong> essentielle Bedeutung der<br />

erwachenden Astronomie im 1. Jahrtausend v. Chr. im Alten Orient <strong>für</strong> <strong>die</strong> Entstehung<br />

<strong>des</strong> Monotheismus <strong>in</strong> Israel – e<strong>in</strong> Zusammenhang, der <strong>in</strong> der Bibelwissenschaft<br />

selten gesehen oder gar thematisiert wird. 12<br />

IV. Astronomie und Monotheismus<br />

Der kosmische Kreislauf der Gestirne, <strong>in</strong>sbesondere der der Sonne, hat <strong>in</strong> der<br />

Menschheitsgeschichte überhaupt erst <strong>die</strong> Idee der Gesetzmäßigkeit und berechenbaren<br />

Ordnung <strong>in</strong> der Natur aufkommen lassen, denn nirgendwo sonst konnte<br />

man derart regelmäßige und zuverlässige Naturersche<strong>in</strong>ungen wahrnehmen wie<br />

am Himmel. Auch <strong>für</strong> den Psalmisten <strong>des</strong> 19. Psalms sche<strong>in</strong>t der regelmäßige Sonnenlauf<br />

»<strong>die</strong> vornehmste und augenfälligste Konkretion der Kosmoshaftigkeit der<br />

Schöpfung« zu se<strong>in</strong>. 13 Besonders im Zweistromland hat man bereits im 2. Jahrtausend<br />

v. Chr. astronomische Berechnungen angestellt. Babylon gilt bekanntlich als<br />

›Wiege der Astrologie und Astronomie‹. Man glaubte, dass sich <strong>in</strong> den astralen<br />

Vorgängen am Firmament der Wille der Götter kundtut. Als Beispiel sei hier auf <strong>die</strong><br />

berühmte astronomische Keilschriftserie MUL.APIN verwiesen, <strong>in</strong> der das astronomische<br />

Wissen der Babylonier aus dem 2. Jahrtausend kompiliert wurde. Dar<strong>in</strong><br />

f<strong>in</strong>det sich auch e<strong>in</strong> Abschnitt über den jährlichen Sonnenlauf und <strong>die</strong> dadurch<br />

bewirkten unterschiedlichen Tag-Nacht-Längen. 14<br />

12<br />

Vgl. Klaus Koch, Die Profeten II, Babylonisch-persische Zeit (Stuttgart 2 1988) 56; Matthias<br />

Albani, Der e<strong>in</strong>e Gott und <strong>die</strong> himmlischen Heerscharen. Zur Begründung <strong>des</strong> Monotheismus<br />

bei Deuterojesaja im Horizont <strong>des</strong> Astralisierung <strong>des</strong> Gottesverständnisses im Alten<br />

Orient (Leipzig 2000) 1−7.<br />

13<br />

Hartmut Gese, Die E<strong>in</strong>heit von Psalm 19, <strong>in</strong>: Verifikationen. <strong>Festschrift</strong> <strong>für</strong> Gerhard Ebel<strong>in</strong>g<br />

<strong>zum</strong> 70. <strong>Geburtstag</strong>, hg. von Eberhard Jüngel/Johannes Wallmann/Walter Werbeck<br />

(Tüb<strong>in</strong>gen 1982) 4.<br />

14<br />

Hermann Hunger/David P<strong>in</strong>gree, MUL.APIN. An Astronomical Compendium <strong>in</strong> Cuneiform<br />

(AfO.B 24, Horn 1989) 72−74. Vgl. dazu Matthias Albani, Astronomie und Schöpfungs-<br />

18


EINE PERSONALENTSCHEIDUNG IN BEWEGTEN ZEITEN<br />

Die Pfarrerwahl <strong>in</strong> Klagenfurt 1932/33 im Kontext<br />

gesellschaftlicher und kirchlicher Bruchl<strong>in</strong>ien<br />

Von Alexander Bach<br />

I. Vorbemerkung<br />

Im Rahmen <strong>die</strong>ses Beitrags soll e<strong>in</strong> <strong>in</strong> der evangelischen Kirche letztlich ganz normaler<br />

demokratischer Vorgang, <strong>die</strong> Wahl e<strong>in</strong>es Pfarrers, Ausgangspunkt <strong>für</strong> e<strong>in</strong><br />

historisches Panorama werden. Die durch <strong>die</strong> Pensionierung <strong>des</strong> Amts<strong>in</strong>habers<br />

notwendig gewordene Wahl <strong>in</strong> der Pfarrgeme<strong>in</strong>de Klagenfurt im Frühherbst 1932<br />

fiel <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Zeit <strong>des</strong> politischen Umbruchs und <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e nationalpolitisch angespannte<br />

Situation <strong>in</strong> Kärnten, <strong>in</strong> der <strong>die</strong> Evangelischen – <strong>zum</strong><strong>in</strong><strong>des</strong>t <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er medialen<br />

Öffentlichkeit – zu e<strong>in</strong>em Teil der zunehmend angespannten Debatte wurden. Dieser<br />

Kontext traf sich mit <strong>in</strong>nergeme<strong>in</strong>dlichen Bruchl<strong>in</strong>ien, <strong>die</strong> rund um <strong>die</strong>se Wahl<br />

mit e<strong>in</strong>er bemerkenswerten Vehemenz sichtbar wurden und <strong>für</strong> <strong>die</strong> Geme<strong>in</strong>de zur<br />

Zerreißprobe wurden. Ausgehend von <strong>die</strong>sem Mikrokosmos e<strong>in</strong>er Entscheidung<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>zelnen Pfarrgeme<strong>in</strong>de soll <strong>die</strong> Situation der Kärntner Evangelischen <strong>in</strong><br />

<strong>die</strong>sen Jahren ausgeleuchtet werden. Maßgebliche Quelle <strong>für</strong> <strong>die</strong>se Überlegungen<br />

bildet das Konvolut »Pfarrerwahl Klagenfurt 1932–33« im Archiv der Super<strong>in</strong>tendentur<br />

A. B. Kärnten-Osttirol. 1<br />

II. Die anstehende Neuwahl <strong>in</strong> Klagenfurt<br />

Die Evangelische Pfarrgeme<strong>in</strong>de A. und H. B. <strong>in</strong> Klagenfurt war <strong>in</strong> den 1860er Jahren,<br />

lange nach den Toleranzgeme<strong>in</strong>den, <strong>die</strong> evangelisches Leben <strong>in</strong> Kärnten präg(t)<br />

en, entstanden. 2 Ihr symbolisches Gewicht als Pfarrgeme<strong>in</strong>de der Lan<strong>des</strong>hauptstadt<br />

erhöhte sich beträchtlich, als Klagenfurt auch <strong>zum</strong> Sitz der Wiener Super<strong>in</strong>ten-<br />

1<br />

Aus <strong>die</strong>sem mehr als 300 Seiten umfassenden Konvolut wurden jene Akten ausgewählt, <strong>die</strong><br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> hier aufgeworfenen Fragen von Relevanz s<strong>in</strong>d. Die zahlreichen Akten, <strong>die</strong> sich mit den<br />

(verme<strong>in</strong>tlichen) <strong>die</strong>nstrechtlichen Verfehlungen und persönlichen Ause<strong>in</strong>andersetzungen<br />

befassen, wurden nicht berücksichtigt.<br />

2<br />

Zur <strong>Geschichte</strong> der Klagenfurter Geme<strong>in</strong>de bis 1930 vgl. Franz Reischer, Der <strong>Protestantismus</strong><br />

<strong>in</strong> Klagenfurt von der Reformationszeit bis zur Gegenwart (Klagenfurt 1964) 68–87;<br />

Ders., Der <strong>Protestantismus</strong> <strong>in</strong> Klagenfurt und Unterkärnten im 19. und 20. Jahrhundert.<br />

JGPrÖ 100 (1984) 41–143, hier 80–111; Alexander Hanisch-Wolfram [Bach], »E<strong>in</strong> neu gepflügtes<br />

Brachfeld <strong>für</strong>’s Evangelium«. Zur <strong>Geschichte</strong> der evangelischen Geme<strong>in</strong>de Klagenfurt,<br />

<strong>in</strong>: 1864–2014. 150 Jahre Johanneskirche, hg. von dem Presbyterium der Evangelischen<br />

Pfarrgeme<strong>in</strong>de A. u. H. B. Johanneskirche (Klagenfurt 2014) 23–30, hier 23–26.<br />

31


Alexander Bach<br />

dentur wurde. Im Jahr 1895 kam der noch junge Robert Johne als neuer Pfarrer <strong>in</strong><br />

<strong>die</strong> Geme<strong>in</strong>de. Er sollte <strong>in</strong>sgesamt 37 Jahre lang bleiben und unter anderem auch<br />

das Amt <strong>des</strong> Seniors <strong>des</strong> Seniorates <strong>die</strong>sseits der Drau ausfüllen. Für das Jahr 1932<br />

stand nun endgültig <strong>die</strong> Pensionierung Johnes an. Das Amt <strong>des</strong> Seniors hatte er<br />

bereits an den St. Veiter Pfarrer Erich Pechel abgegeben und im Spätsommer sollte<br />

<strong>die</strong> Neuwahl e<strong>in</strong>es Pfarrers stattf<strong>in</strong>den.<br />

III. E<strong>in</strong> Kampf um <strong>die</strong> Wahl und e<strong>in</strong> Wahlkampf<br />

Im Folgenden sollen <strong>die</strong> Konfliktl<strong>in</strong>ien skizziert werden, <strong>die</strong> rund um <strong>die</strong> Pfarrerwahl<br />

im September 1932 aufbrachen, allerd<strong>in</strong>gs nicht als chronologische Aufzählung<br />

der Ereignisse, sondern gewissermaßen als Querschnitt durch <strong>die</strong> verschiedenen<br />

kirchlichen, gesellschaftlichen und politischen Bruchl<strong>in</strong>ien, vor deren<br />

H<strong>in</strong>tergrund <strong>die</strong>se Wahl stattfand. Dadurch soll am Beispiel <strong>die</strong>ser Personalentscheidung<br />

deutlich werden, <strong>in</strong> welchem Maße – unabhängig (aber nicht losgelöst)<br />

von persönlichen Ause<strong>in</strong>andersetzungen – e<strong>in</strong>e solche Wahl <strong>in</strong> <strong>die</strong> verschiedenen<br />

Kontexte und Konflikte der Zeit verstrickt war. Die wesentlichen Ereignisse sollen<br />

vorneweg <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Überblick skizziert werden.<br />

Im Frühjahr und Sommer brach zunehmend e<strong>in</strong> regelrechter Wahlkampf um<br />

<strong>die</strong> Pfarrgeme<strong>in</strong>de Klagenfurt aus. E<strong>in</strong>e Bewerbung der seit 1928 <strong>in</strong> der Geme<strong>in</strong>de<br />

tätigen geistlichen Hilfskraft Wilhelm Foelsche war zu erwarten, wobei hier heftige<br />

Diskussionen um se<strong>in</strong>en konkreten Status <strong>in</strong> der Geme<strong>in</strong>de ausbrachen. Foelsche<br />

war im Dezember 1929 <strong>zum</strong> zweiten Pfarrer der Geme<strong>in</strong>de gewählt worden, <strong>die</strong>se<br />

Wahl war jedoch von der Kirchenleitung niemals bestätigt worden (konkret<br />

vor allem <strong>des</strong>halb, weil Foelsche ke<strong>in</strong>e österreichische Bun<strong>des</strong>bürgerschaft und<br />

damit auch ke<strong>in</strong> Wahlfähigkeitszeugnis hatte). Wer da<strong>für</strong> verantwortlich war, darüber<br />

g<strong>in</strong>gen <strong>die</strong> Me<strong>in</strong>ungen bereits ause<strong>in</strong>ander. Zwischen Foelsche und se<strong>in</strong>en<br />

Unterstützer:<strong>in</strong>nen und großen Teilen <strong>des</strong> Presbyteriums kam es zunehmend zu –<br />

auch öffentlich ausgetragenen – Ause<strong>in</strong>andersetzungen. Am 18. Mai 1932 wurde<br />

e<strong>in</strong>e Art ›Friedenskonferenz‹ abgehalten, 3 deren Ergebnisse sich jedoch als brüchig<br />

erwiesen. Nach mehreren zurückgezogenen oder auch gar nicht erst e<strong>in</strong>gereichten<br />

Bewerbungen blieben am Ende zwei Bewerber <strong>für</strong> <strong>die</strong> Pfarrstelle übrig: Wilhelm<br />

Foelsche und Erich Pechel (der auf Betreiben und mit deutlicher Unterstützung<br />

<strong>des</strong> Presbyteriums zur Wahl stand 4 ). Die Wahl am 18. September 1932 fiel denkbar<br />

knapp aus: auf Foelsche entfielen 55,63 % der Stimmen, auf Pechel 44,37 %.<br />

Allerd<strong>in</strong>gs hatte Pechel <strong>in</strong> Klagenfurt selbst 57,18 % der Stimmen erreicht, <strong>in</strong> den<br />

3<br />

Archiv der Super<strong>in</strong>tendentur A. B. Kärnten-Osttirol [im Folgenden: SupA], Pfarrerwahl Klagenfurt<br />

1932–33, Niederschrift der Aussprache am 18.5.1932 im Geme<strong>in</strong><strong>des</strong>aale <strong>des</strong> evangel.<br />

Pfarrhauses <strong>in</strong> Klagenfurt; a. a. O., Ergänzung <strong>zum</strong> letzten Abschnitt der Verhandlungsschrift<br />

vom 18.5.1932, angefertigt von Erich Pechel.<br />

4<br />

Vgl. etwa SupA, Pfarrerwahl Klagenfurt 1932–33, Flugblatt, dat. Klagenfurt im September<br />

32<br />

1932.


E<strong>in</strong>e Personalentscheidung <strong>in</strong> bewegten Zeiten<br />

Filialgeme<strong>in</strong>den und Predigtstationen Foelsche jedoch 98,13 %. 5 Dies ergab <strong>in</strong>sgesamt<br />

den Ausschlag <strong>für</strong> Foelsche. Das Presbyterium setzte nun alle Anstrengungen<br />

daran, <strong>die</strong> Bestätigung der Wahl Foelsches h<strong>in</strong>auszuzögern und letztlich zu<br />

verh<strong>in</strong>dern und strengte auch e<strong>in</strong> Diszipl<strong>in</strong>arverfahren gegen ihn an (wobei das<br />

steiermärkische Seniorat mit den Erhebungen betraut wurde, da sich beide Kärntner<br />

Seniorate <strong>für</strong> befangen erklärt hatten – was <strong>in</strong>sbesondere <strong>in</strong> jenem jenseits<br />

der Drau e<strong>in</strong>leuchtet, weil hier Pechel Senior und Richard Pohl, e<strong>in</strong> Klagenfurter<br />

Presbyter, Senioratskurator war). 6 Die folgenden Monate wurden <strong>für</strong> <strong>die</strong> Geme<strong>in</strong>de<br />

zu e<strong>in</strong>er regelrechten Zerreißprobe. H<strong>in</strong>ter Foelsche versammelten sich erhebliche<br />

(und auch lautstark auftretende) Teile der Geme<strong>in</strong>de, während das Presbyterium,<br />

große Teile der Geme<strong>in</strong>devertretung, aber auch der Adm<strong>in</strong>istrator, Pfarrer Re<strong>in</strong>hold<br />

Engel aus Waiern, und Super<strong>in</strong>tendent Johannes He<strong>in</strong>zelmann zunehmend<br />

bemüht waren, e<strong>in</strong>e Bestellung Foelsches zu verh<strong>in</strong>dern.<br />

Über den Sommer wurde <strong>die</strong> Personalfrage sukzessive mit der Zukunft der<br />

Gesamtgeme<strong>in</strong>de verknüpft und <strong>die</strong> Lösung ausverhandelt, dass Foelsche se<strong>in</strong>e<br />

neuerliche Bewerbung zurückziehen solle und da<strong>für</strong> das Pfarramt <strong>in</strong> der neu zu<br />

errichtenden Geme<strong>in</strong>de Wolfsberg-Völkermarkt anstreben solle. Pechel solle sich<br />

dagegen noch e<strong>in</strong>mal bewerben. Tatsächlich stand dann bei der wiederholten Wahl<br />

nur noch Erich Pechel zur Wahl, der am 21. September 1933 mit 299 von 305 Stimmen<br />

gewählt wurde. 7<br />

III.1 Die Frage von Zentrum und Peripherie<br />

Die Pfarrgeme<strong>in</strong>de Klagenfurt hatte im Kontext der evangelischen Geme<strong>in</strong>den <strong>in</strong><br />

Kärnten ke<strong>in</strong>e konkret fassbare Vorrangstellung <strong>in</strong>ne, allerd<strong>in</strong>gs kam ihr als Geme<strong>in</strong>de<br />

<strong>in</strong> der Lan<strong>des</strong>hauptstadt e<strong>in</strong>e erhöhte symbolische Bedeutung zu. H<strong>in</strong>zu<br />

kommt, dass sich ab dem ausgehenden 19. Jahrhundert das Gewicht der evangelischen<br />

Kirche <strong>in</strong> Kärnten – nicht zuletzt <strong>in</strong> der Außenwahrnehmung – von den lange<br />

Zeit prägenden Toleranzgeme<strong>in</strong>den im ländlichen Oberkärntner Raum h<strong>in</strong> zu den<br />

(jungen) städtischen Geme<strong>in</strong>den verschoben hatte (nicht zuletzt vor dem H<strong>in</strong>tergrund<br />

der ›Los-von-Rom-Bewegung‹). 8 In der Geme<strong>in</strong>de Klagenfurt selbst stellte<br />

sich <strong>die</strong> Frage von Zentrum und Peripherie zusätzlich durch <strong>die</strong> enorme geogra-<br />

5<br />

SupA, Pfarrerwahl Klagenfurt 1932–33, Dr. Siegmund Zechner an Senior Pechel (18.9.1932).<br />

6<br />

SupA, Pfarrerwahl Klagenfurt 1932–33, Evangelischer Oberkirchenrat an das Steiermärkische<br />

Senioratsamt <strong>in</strong> Leoben (28.12.1932) und mehrere andere Schreiben.<br />

7<br />

SupA, Pfarrerwahl Klagenfurt 1932–33, Presbyterium der Pfarrgeme<strong>in</strong>de Klagenfurt an<br />

Senior Erich Pechel (22.9.1933).<br />

8<br />

Vgl. zu <strong>die</strong>ser Zeit Ulfried Burz, »Katholisch se<strong>in</strong> heißt deutschfe<strong>in</strong>dlich se<strong>in</strong>«. Die Los-von-<br />

Rom-Bewegung <strong>in</strong> Kärnten, <strong>in</strong>: Kärntner Lan<strong>des</strong>geschichte und Archivwissenschaft. <strong>Festschrift</strong><br />

<strong>für</strong> Alfred Ogris <strong>zum</strong> 60. <strong>Geburtstag</strong>, hg. von Wilhelm Wadl (AVGT 84, Klagenfurt<br />

2001) 465–476; Alexander Hanisch-Wolfram [Bach], Protestanten und Slowenen <strong>in</strong> Kärnten.<br />

Wege und Kreuzwege zweier M<strong>in</strong>derheiten 1780–1945 (Klagenfurt 2010) 82–88; Ders.,<br />

Katalogteil, <strong>in</strong>: Glaube. Gehorsam. Gewissen. <strong>Protestantismus</strong> und Nationalsozialismus <strong>in</strong><br />

Kärnten. Katalog zur Sonderausstellung im Evangelischen Kulturzentrum Fresach 2013, hg.<br />

von Dems. (Klagenfurt 2013) 48–107, hier 49–56.<br />

33


Alexander Bach<br />

phische Ausdehnung der Geme<strong>in</strong>de: Sie umfasste nicht nur <strong>die</strong> Lan<strong>des</strong>hauptstadt<br />

selbst, sondern auch den gesamten südlichen politischen Bezirk Klagenfurt und<br />

dazu <strong>die</strong> Bezirke Wolfsberg und Völkermarkt, also den größten Teil Unterkärntens.<br />

Die Verteilung der Evangelischen und was es konkret bedeutete, evangelisches Leben<br />

zu gestalten, war (und ist bis heute) <strong>in</strong> <strong>die</strong>ser Geme<strong>in</strong>de sehr unterschiedlich.<br />

Mehrfach wurde von Vertretern der ›Außenorte‹ <strong>in</strong>sbesondere gegenüber dem<br />

Presbyterium der Vorwurf geäußert, dass man nicht ernst genommen werde und<br />

man <strong>die</strong> Evangelischen außerhalb Klagenfurts schlechter behandle. August We<strong>in</strong>lig,<br />

Kurator der Predigtstation Völkermarkt, beklagte beispielsweise angesichts der<br />

Erstellung der Wählerverzeichnisse, dass <strong>die</strong>se ohne Zuziehung e<strong>in</strong>es Vertreters<br />

der Predigtstation erstellt worden seien, <strong>die</strong>se sei aber so stark entwickelt, dass<br />

man so nicht vorgehen könne, ohne erheblichen Schaden anzurichten. Konkret<br />

habe man e<strong>in</strong>igen Menschen völlig zu Unrecht das Wahlrecht entzogen. In e<strong>in</strong>em<br />

Brief an Erich Pechel stellte We<strong>in</strong>lig fest: »Man vergisst immer wieder, dass wir<br />

mittlerweile erwachsen s<strong>in</strong>d, dass <strong>die</strong> erwachsene Tochter selbst im Lebenskampf<br />

steht, den ihr <strong>die</strong> Mutter doch nicht mehr oder nur sehr <strong>zum</strong> Teil abnehmen kann.« 9<br />

E<strong>in</strong> konkreter Anlassfall <strong>für</strong> Konflikte war <strong>die</strong> Auswahl der Orte, an denen e<strong>in</strong>e<br />

Stimmabgabe möglich se<strong>in</strong> sollte. Im Mai 1932 gab das Klagenfurter Presbyterium<br />

e<strong>in</strong> Flugblatt zur Organisation der Wahl heraus, laut dem <strong>die</strong> Wahlorte Klagenfurt,<br />

Wolfsberg und Völkermarkt se<strong>in</strong> sollten. 10 Dass <strong>in</strong> den Predigtstationen im Bezirk<br />

Völkermarkt nun nicht überall gewählt werden konnte, stieß auf erheblichen Unmut.<br />

Hermann Maier aus Rechberg äußerte <strong>die</strong>sen auch gegenüber Senior Pechel –<br />

verbunden mit der Drohung e<strong>in</strong>es Wahlboykotts. 11 Wie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen Konflikten zwischen<br />

dem Presbyterium und jenen Gruppen der Geme<strong>in</strong>de, <strong>die</strong> Foelsche unterstützten,<br />

wurde hier von Seiten <strong>des</strong> Presbyteriums mit praktischen Überlegungen<br />

argumentiert, 12 von Seiten der Vertreter der Außenorte e<strong>in</strong>e bewusste Diskrim<strong>in</strong>ierung<br />

geortet: »Die Glaubensgenossen der Predigtstation Eisenkappel können<br />

sich <strong>des</strong> Gedankens nicht erwehren, dass das Presbyterium den Wahlberechtigten<br />

am Lande absichtlich <strong>die</strong> Ausübung ihres Wahlrechtes erschwert, wenn nicht ganz<br />

unmöglich macht.« 13<br />

Es ist durchaus folgerichtig, dass <strong>die</strong> Lösung <strong>des</strong> Konflikts, <strong>die</strong> im Laufe <strong>des</strong><br />

Jahres 1933 angebahnt wurde, ganz <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Entschärfung <strong>die</strong>ser Spannung zwischen<br />

Zentrum und Peripherie bestand. In der Vorbereitung der neuerlichen Wahl<br />

9<br />

SupA, Pfarrerwahl Klagenfurt 1932–33, Dr. August We<strong>in</strong>lig (Hoffmanhof) an Senior Pechel<br />

(15.6.1932); vgl. a. a. O., Dr. August We<strong>in</strong>lig an das Presbyterium Klagenfurt (14.6.1932).<br />

10<br />

SupA, Pfarrerwahl Klagenfurt 1932–33, NEUWAHL <strong>des</strong> PFARRERS <strong>in</strong> der evangelischen<br />

Pfarrgeme<strong>in</strong>de A. u. H. B. Klagenfurt (Druckschrift, Mai 1932).<br />

11<br />

Vgl. SupA, Pfarrerwahl Klagenfurt 1932–33, Hermann Maier (Rechberg) an Senior Pechel<br />

(26.8.1932).<br />

12<br />

So etwa SupA, Pfarrerwahl Klagenfurt 1932–33, Dr. Sigmund Zechner an Senior Pechel<br />

(3.9.1932).<br />

13<br />

SupA, Pfarrerwahl Klagenfurt 1932–33, Hermann Maier (Rechberg) an Senior Pechel<br />

34<br />

(26.8.1932).


E<strong>in</strong>e Personalentscheidung <strong>in</strong> bewegten Zeiten<br />

1933 wurde <strong>die</strong> Gründung e<strong>in</strong>er eigenständigen Geme<strong>in</strong>de Wolfsberg-Völkermarkt<br />

<strong>in</strong> <strong>die</strong> Planungen mit e<strong>in</strong>bezogen und weiter bestehende Spannungen (sei es mit<br />

Vertretern der Außenorte selbst oder mit Foelsche bzw. dem Presbyterium) mit der<br />

Perspektive <strong>die</strong>ser Trennung <strong>in</strong> Kauf genommen. 14<br />

III.2 Die nationalpolitische Frage <strong>in</strong> Kärnten<br />

Zum<strong>in</strong><strong>des</strong>t auf der Ebene der medialen Öffentlichkeit hatte bereits <strong>die</strong> ›Los-von-<br />

Rom-Bewegung‹ e<strong>in</strong>igen Staub zwischen der evangelischen Kirche und der slowenischen<br />

Sprachgruppe <strong>in</strong> Kärnten aufgewirbelt. 15 Mitte der 1920er Jahre waren <strong>die</strong><br />

Kärntner Evangelischen und <strong>in</strong>sbesondere auch <strong>die</strong> Klagenfurter Geme<strong>in</strong>de <strong>in</strong> besonderer<br />

Weise <strong>in</strong> <strong>die</strong> sich verschärfende nationalpolitische Diskussion <strong>in</strong> Kärnten<br />

h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>gezogen worden – und <strong>die</strong>s eigentlich ohne viel eigenes Zutun. Im Jahr 1926<br />

hatte der »Kärntner Heimatbund« e<strong>in</strong>e Kampagne zur Anwerbung ›reichsdeutscher<br />

Siedler‹ gestartet, <strong>die</strong> vor allem <strong>in</strong> Südkärnten Liegenschaften erwerben sollten, um<br />

das ›deutsche Element‹ im ›Grenzkampf‹ zu stärken. 16 Dabei g<strong>in</strong>g es vielfach um<br />

landwirtschaftliche Betriebe, <strong>die</strong> von slowenischsprachigen Familien bewirtschaftet<br />

worden waren, <strong>die</strong> aber aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten verkaufen<br />

mussten. Diese Ansiedlungsaktion lief bis <strong>zum</strong> Jahr 1934, <strong>in</strong>sgesamt wurden knapp<br />

140 Familien nach Kärnten geholt, <strong>die</strong> gesammelt zwischen 4.000 und 6.500 Hektar<br />

Land erwarben. E<strong>in</strong> Nebeneffekt <strong>die</strong>ser nationalpolitisch motivierten Ansiedlung<br />

sorgte <strong>für</strong> e<strong>in</strong>igen Aufruhr: Da der Heimatbund vorrangig <strong>in</strong> Norddeutschland um<br />

Siedler warb, waren viele <strong>die</strong>ser Menschen evangelisch – und damit gab es recht<br />

plötzlich <strong>in</strong> Regionen Südkärntens, <strong>in</strong> denen es bis dah<strong>in</strong> praktisch ke<strong>in</strong>e Evangelischen<br />

gegeben hatte, vermehrt protestantische Familien. Relativ rasch entstanden<br />

auch Predigtstationen (<strong>die</strong> zur Geme<strong>in</strong>de <strong>in</strong> Klagenfurt gehörten). 17<br />

Im Jahr 1932 war der größte Teil <strong>die</strong>ser ›reichsdeutschen Siedler‹ also bereits <strong>in</strong>s<br />

Land gekommen – und stellte e<strong>in</strong>en erheblichen Teil der Geme<strong>in</strong>demitglieder <strong>in</strong><br />

den so bezeichneten Außenorten, vor allem im Bezirk Völkermarkt. Hauptorte waren<br />

<strong>die</strong> Predigtstationen <strong>in</strong> Lavamünd, Völkermarkt, Bach und Bleiburg. So stellten<br />

<strong>die</strong>se ›Reichsdeutschen‹ auch e<strong>in</strong>en großen Anteil der Wählerschaft <strong>in</strong> <strong>die</strong>sen Gebieten,<br />

e<strong>in</strong>e Wählerschaft, <strong>die</strong> im Herbst 1932 praktisch geschlossen <strong>für</strong> Wilhelm<br />

Foelsche stimmte. Das Selbstverständnis, im ›Grenzlandkampf‹ zu se<strong>in</strong>, 18 zeigte<br />

14<br />

Vgl. SupA, Pfarrerwahl Klagenfurt 1932–33, Dr. Siegmund Zechner an Senior Pechel<br />

(24.6.1933); a. a. O., Niederschrift beim evangelischen Pfarramt zu Klagenfurt am 28.6.1933;<br />

a. a. O., KR Wilhelm Bartl<strong>in</strong>g an Senior Pechel (12.7.1933).<br />

15<br />

Vgl. Hanisch-Wolfram [Bach], Protestanten (wie Anm. 8) 88–99.<br />

16<br />

Vgl. ebenda 132–167.<br />

17<br />

Dies war auch Gegenstand von Diskussionen im Heimatbund selbst, wo man <strong>die</strong>s nicht gerne<br />

sah, da man ›unnötige‹ Konflikte be<strong>für</strong>chtete (vgl. ebenda 147–151). Zur Entwicklung <strong>die</strong>ser<br />

Predigtstationen vgl. auch Alexander Hanisch-Wolfram [Bach], »Diaspora im re<strong>in</strong>sten<br />

Worts<strong>in</strong>n, ja eigentlich Missionsgebiet«. Evangelisches Leben <strong>in</strong> Südkärnten 1900–1938.<br />

JGPrÖ 126 (2010) 224–244, bes. 233–243.<br />

18<br />

Zur ideologischen Ausrichtung der Siedler vgl. Ders., Protestanten (wie Anm. 8) 145–147.<br />

35


Alexander Bach<br />

sich auch immer wieder <strong>in</strong> Schreiben, <strong>die</strong> von Geme<strong>in</strong>demitgliedern <strong>in</strong> <strong>die</strong>sen Außenorten<br />

an Amtsträger <strong>in</strong> der Geme<strong>in</strong>de gerichtet wurden. Auch <strong>die</strong> Rolle, <strong>die</strong><br />

<strong>die</strong>se Siedler als neues ›Element‹ im Geme<strong>in</strong>deleben spielten, wurde angesprochen.<br />

Der bereits erwähnte August We<strong>in</strong>lig verfasste Anfang Juni 1932 e<strong>in</strong>en ausführlichen<br />

Brief an Senior Pechel, <strong>in</strong> dem er <strong>die</strong> Situation <strong>in</strong> Völkermarkt e<strong>in</strong>gehend beschrieb.<br />

Die steigende Zahl der Gottes<strong>die</strong>nstbesucher:<strong>in</strong>nen sei nicht so sehr auf <strong>die</strong><br />

Siedler:<strong>in</strong>nen zurückzuführen, sehr wohl aber <strong>die</strong> Stimmung <strong>in</strong> den Predigtstationen:<br />

»Sie werden erkennen, dass dort e<strong>in</strong>e starke und eigenwillige Lebenskraft, auch<br />

<strong>in</strong> kirchlichen D<strong>in</strong>gen, herrscht, mitbee<strong>in</strong>flusst durch <strong>die</strong> reichsdeutschen Siedler<br />

und nicht <strong>zum</strong> Schaden unserer Kirche.« 19 Gleichzeitig spiegelte sich gerade <strong>in</strong> der<br />

Ause<strong>in</strong>andersetzung darum, wer das Wahlrecht hatte und wer nicht, <strong>die</strong> schlechte<br />

wirtschaftliche Lage, <strong>in</strong> der sich zahlreiche ›reichsdeutsche Siedler‹ befanden. Hier<br />

waren es etwa Paul Perne, Vorsteher der Predigtstation <strong>in</strong> Bleiburg, und Hermann<br />

Maier aus Rechberg, <strong>die</strong> sich <strong>für</strong> <strong>die</strong> Anliegen der Siedler <strong>in</strong> der Geme<strong>in</strong>de e<strong>in</strong>setzten.<br />

Dabei wurde unter anderem der Vorwurf laut, dass es sich um absichtliche<br />

Schikane handle: »Die Glaubensgenossen der Predigtstation Eisenkappel können<br />

sich <strong>des</strong> Gedankens nicht erwehren, dass das Presbyterium den Wahlberechtigten<br />

am Lande absichtlich <strong>die</strong> Ausübung ihres Wahlrechtes erschwert, wenn nicht ganz<br />

unmöglich macht.« 20 Der Vorwurf g<strong>in</strong>g hier <strong>in</strong>sbesondere <strong>in</strong> Richtung e<strong>in</strong>er allzu<br />

»engherzigen« Auslegung der Kirchenverfassung, gefordert wurde e<strong>in</strong>e Rücksichtnahme<br />

auf <strong>in</strong>dividuelle Härtefälle, von denen e<strong>in</strong>ige geschildert wurden 21 – und <strong>die</strong><br />

wohl <strong>für</strong> e<strong>in</strong>en nicht unerheblichen Teil der ›reichsdeutschen Siedler‹ repräsentativ<br />

waren.<br />

Foelsche selbst stammte aus Biała/Bielitz und damit als ›Deutschpole‹ selbst aus<br />

e<strong>in</strong>er nationalpolitisch umkämpften Region, <strong>die</strong>s spielte jedoch <strong>in</strong> der Diskussion<br />

um se<strong>in</strong>e Person und se<strong>in</strong>e Wahl praktisch ke<strong>in</strong>e Rolle. 22<br />

III.3 Kirche, Gesellschaft und Staat im Umbruch<br />

Nicht zuletzt fiel <strong>die</strong> Wahl <strong>in</strong> Klagenfurt <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Jahr, <strong>in</strong> dem sich e<strong>in</strong> Umbruch <strong>in</strong>nerhalb<br />

der kirchlichen Strukturen selbst anbahnte. 1932 wurde e<strong>in</strong>e neue Kirchenverfassung<br />

beschlossen, <strong>die</strong> letztlich auf e<strong>in</strong>e Bekenntnisunion der beiden evangelischen<br />

Kirchen <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> h<strong>in</strong>ausgelaufen wäre und <strong>die</strong> auch den politischen<br />

19<br />

SupA, Pfarrerwahl Klagenfurt 1932–33, Dr. August We<strong>in</strong>lig (Hoffmanhof) an Senior Pechel<br />

(4.6.1932).<br />

20<br />

SupA, Pfarrerwahl Klagenfurt 1932–33, Hermann Maier (Rechberg) an das Senioratsamt<br />

St. Veit (26.8.1932); vgl. a. a. O., Paul Perne (Bleiburg) an Senior Erich Pechel (3.8.1932).<br />

21<br />

Vgl. SupA, Pfarrerwahl Klagenfurt 1932–33, Paul Perne (Bleiburg) an Senior Pechel (24.8.1932);<br />

a. a. O., Paul Perne (Bleiburg) an Senior Pechel (30.8.1932). Entgegnend dazu etwa das Schreiben<br />

a. a. O., Senior E. Pechel an den Vorstand der Predigtstation Bleiburg (Z. 378, 25.8.1932).<br />

22<br />

E<strong>in</strong>e der wenigen Ausnahmen hierbei sche<strong>in</strong>t zu se<strong>in</strong>, dass offenbar das Gerücht <strong>in</strong> Umlauf war,<br />

dass Foelsche als Pfarrer verh<strong>in</strong>dert werden solle, weil er Pole sei (vgl. SupA, Pfarrerwahl Klagenfurt<br />

1932–33, Niederschrift der Aussprache am 18.5.1932 im Geme<strong>in</strong><strong>des</strong>aale <strong>des</strong> evangel.<br />

Pfarrhauses <strong>in</strong> Klagenfurt).<br />

36


GEORG WISLIZENUS – DER LETZTE EVANGELISCHE PFARRER<br />

VON OBERPETERSDORF<br />

E<strong>in</strong> Beispiel <strong>für</strong> den nachhaltigen E<strong>in</strong>fluss mikrohistorischer<br />

Ereignisse auf <strong>die</strong> Konfessionalisierung im heutigen Burgenland<br />

Von Andreas Paul B<strong>in</strong>der<br />

I. E<strong>in</strong>leitung<br />

Im Oktober <strong>2023</strong> begeht <strong>die</strong> Evangelische Tochtergeme<strong>in</strong>de Oberpetersdorf (Pfarrgeme<strong>in</strong>de<br />

Kobersdorf) im Mittelburgenland das 50-jährige Jubiläum ihrer Dreie<strong>in</strong>igkeitskirche.<br />

Bis 1973 thronte alle<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e katholische Wehrkirche aus dem<br />

13. Jahrhundert auf e<strong>in</strong>er Anhöhe über dem Ort. Das spiegelte jedoch nicht <strong>die</strong><br />

konfessionelle Zusammensetzung der Ortschaft wider, <strong>in</strong> der seit der Reformation<br />

<strong>die</strong> Mehrheit der Bevölkerung evangelisch ist. Erst am 2. Oktober 1973 wurde<br />

<strong>die</strong> Dreie<strong>in</strong>igkeitskirche mitten im Ortskern ihrer Bestimmung übergeben. Damit<br />

knüpfte man <strong>in</strong> Oberpetersdorf an e<strong>in</strong>e Tradition an, <strong>die</strong> 300 Jahre zuvor ihr Ende<br />

gefunden hatte. Denn Oberpetersdorf war von der Mitte <strong>des</strong> 16. Jahrhunderts bis<br />

1672 Sitz e<strong>in</strong>er eigenständigen evangelischen Pfarre. Als letzter lutherischer Pfarrer<br />

musste Georg Wislizenus se<strong>in</strong>en Dienstort verlassen. 1<br />

II. Der historische Kontext – Ungarn am Vorabend der<br />

›Trauerdekade‹<br />

Mit dem L<strong>in</strong>zer Frieden von 1645 erreichte man <strong>in</strong> Ungarn nicht nur Glaubensfreiheit<br />

<strong>für</strong> den Adel und <strong>die</strong> Städte, auch leibeigene Bauern <strong>in</strong> den Dörfern durften<br />

von ihren Grundherren h<strong>in</strong>fort nicht mehr zu e<strong>in</strong>em bestimmten Bekenntnis gezwungen<br />

werden. 2 Der Höhepunkt der Glaubensfreiheit 1645/47 markierte jedoch<br />

gleichzeitig den Wendepunkt h<strong>in</strong> zur gewaltsamen Gegenreformation. Mit dem<br />

Herrschaftsantritt von Leopold I. 1657 setzten Gewaltexzesse e<strong>in</strong>. Evangelische<br />

Pfarrer wurden vertrieben, Menschen gewaltsam zur Teilnahme an der Messe gezwungen.<br />

Bis 1670 waren 400 evangelische Kirchen katholisiert worden. Zudem<br />

1<br />

Vgl. Marktgeme<strong>in</strong>de Kobersdorf (Hg.), 800 Jahre Oberpetersdorf. 1222–2022 (Kobersdorf<br />

2022) 14, 25–29.<br />

2<br />

Vgl. Markus He<strong>in</strong>/Éva He<strong>in</strong>, Art. Ungarn. TRE 34 (2002) 272–303, hier 289; Thomas W<strong>in</strong>kelbauer,<br />

Ständefreiheit und Fürstenmacht. Länder und Untertanen <strong>des</strong> Hauses Habsburg<br />

im konfessionellen Zeitalter. Teil 2 (<strong>Österreich</strong>ische <strong>Geschichte</strong> 1522–1699, Wien 2003) 80;<br />

Mihály Bucsay, Der <strong>Protestantismus</strong> <strong>in</strong> Ungarn 1521–1978. Ungarns Reformationskirchen <strong>in</strong><br />

<strong>Geschichte</strong> und Gegenwart, Bd. 1 (STKG I/3, Wien–Köln–Graz 1977) 167–173.<br />

43


Andreas Paul B<strong>in</strong>der<br />

verloren <strong>die</strong> evangelischen Stände unter Leopold im ungarischen Landtag massiv<br />

an politischem E<strong>in</strong>fluss. 3<br />

Leopold strebte nach e<strong>in</strong>em absolutistisch regierten Staat. Das rief den Widerstand<br />

<strong>des</strong> Hochadels auf den Plan. Die Verschwörung wurde aufgedeckt, <strong>die</strong> Rädelsführer<br />

1671 h<strong>in</strong>gerichtet, tausende mutmaßliche Unterstützer <strong>in</strong> Haft genommen.<br />

Leopold sah sich durch den Hochverrat der Stände nicht mehr an se<strong>in</strong>en Krönungseid<br />

gebunden. 1673 wurde <strong>die</strong> ständische Verfassung außer Kraft gesetzt und e<strong>in</strong>e<br />

Militärdiktatur etabliert. Die Beteiligung <strong>des</strong> überwiegend reformierten Landadels<br />

und der lutherisch geprägten Städte an dem Komplott nutzte Leopold dazu, mit offener<br />

Gewalt gegen den <strong>Protestantismus</strong> <strong>in</strong> Ungarn vorzugehen. Zum Symbol wurde<br />

der 1673 <strong>in</strong> Preßburg e<strong>in</strong>gerichtete Sondergerichtshof, wo 300 protestantische<br />

Pfarrer und Lehrer <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Schauprozess wegen Hochverrats abgeurteilt wurden. 4<br />

III. Die (gewaltsame) Gegenreformation <strong>in</strong> Westungarn –<br />

e<strong>in</strong> kurzer Überblick<br />

Aufgrund der <strong>zum</strong> Teil sehr kle<strong>in</strong>räumigen Besitzverhältnisse <strong>in</strong> Westungarn wirkte<br />

sich <strong>die</strong> gewaltsame Gegenreformation recht unterschiedlich auf <strong>die</strong> e<strong>in</strong>zelnen<br />

Regionen aus. Die Besitzungen der Eszterházy und Nádasdy etwa waren schon um<br />

<strong>die</strong> Mitte <strong>des</strong> 17. Jahrhunderts weitgehend katholisiert – <strong>zum</strong><strong>in</strong><strong>des</strong>t oberflächlich. 5<br />

Auf den Gütern der Batthyány h<strong>in</strong>gegen wurde <strong>die</strong> Gegenreformation nur sehr<br />

zögerlich und regional unterschiedlich nachhaltig durchgeführt. 6<br />

Stark von der gewaltsamen Gegenreformation betroffene Regionen waren jene,<br />

<strong>die</strong> aufgrund irgendwelcher besonderer Besitzverhältnisse oder Freiheiten ihr<br />

evangelisches Bekenntnis bis zur ›Trauerdekade‹ bewahren konnten. Das betraf<br />

3<br />

Vgl. ebenda 174–176; He<strong>in</strong>/He<strong>in</strong>, Ungarn (wie Anm. 2) 289; W<strong>in</strong>kelbauer, Ständefreiheit<br />

(wie Anm. 2) 80.<br />

4<br />

Vgl. Bucsay, <strong>Protestantismus</strong> (wie Anm. 2) 176–178; He<strong>in</strong>/He<strong>in</strong>, Ungarn (wie Anm. 2) 289;<br />

W<strong>in</strong>kelbauer, Ständefreiheit (wie Anm. 2) 80f.; Márta Fata, Ungarn, das Reich der Stephanskrone,<br />

im Zeitalter der Reformation und Konfessionalisierung. Multiethnizität, Land<br />

und Konfession 1500 bis 1700 (Münster 2000) 180.<br />

5<br />

Vgl. Fred S<strong>in</strong>owatz, Reformation und katholische Restauration <strong>in</strong> der Grafschaft Forchtenste<strong>in</strong><br />

und Herrschaft Eisenstadt (Eisenstadt 1957) 125–127; <strong>Rudolf</strong> <strong>Leeb</strong>, Der Streit um<br />

den wahren Glauben. Reformation und Gegenreformation <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>, <strong>in</strong>: <strong>Geschichte</strong> <strong>des</strong><br />

Christentums <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>. Von der Spätantike bis zur Gegenwart, hg. von Dems./Maximilian<br />

Liebmann/Georg Scheibelreiter/Peter G. Tropper (Wien 2 2005) 145–279, hier<br />

268f.; Gustav Re<strong>in</strong>grabner, E<strong>in</strong>ige Anmerkungen <strong>zum</strong> Verhältnis der Familie Nádasdy zur<br />

Reformation, <strong>in</strong>: Die Familie Nádasdy vom 16. bis <strong>in</strong>s 20. Jahrhundert. Tagungsband der 29.<br />

und 30. Schla<strong>in</strong><strong>in</strong>ger Gespräche 2009/2010, hg. von <strong>Rudolf</strong> Kropf (Wissenschaftliche Arbeiten<br />

aus dem Burgenland 154, Eisenstadt 2015) 435–466, hier 443–447.<br />

6<br />

Vgl. Gustav Re<strong>in</strong>grabner, Die Familie Batthyány und <strong>die</strong> Religion im 16. und 17. Jahrhundert,<br />

<strong>in</strong>: Die Familie Batthyány. E<strong>in</strong> österreichisch-ungarisches Magnatengeschlecht vom<br />

Ende <strong>des</strong> Mittelalters bis zur Gegenwart. Tagungsband der 25.–27. Schla<strong>in</strong><strong>in</strong>ger Gespräche<br />

2005–2007, Bd. 1, hg. von <strong>Rudolf</strong> Kropf (Wissenschaftliche Arbeiten aus dem Burgenland 139,<br />

Eisenstadt 2014) 229–253, hier 236–247.<br />

44


Georg Wislizenus – der letzte evangelische Pfarrer von Oberpetersdorf<br />

<strong>zum</strong> e<strong>in</strong>en <strong>die</strong> Städte wie etwa Ödenburg oder Preßburg, wo sich fast bürgerkriegsähnliche<br />

Szenen im Zuge der militärischen Besetzung <strong>des</strong> gesamten evangelischen<br />

Kirchenwesens abspielten, oder etwa auch Geme<strong>in</strong>den wie Pöttelsdorf, Walbersdorf<br />

oder Gols, wo der zersplitterte Grundbesitz bisher verh<strong>in</strong>dert hatte, dass <strong>die</strong> Eszterházy<br />

<strong>die</strong> dortigen Pfarren nach ihrem Gutdünken katholisierten. 7<br />

IV. Konfessionalisierung <strong>in</strong> der Herrschaft Kobersdorf<br />

Als Teil der Herrschaft Kobersdorf wurde <strong>in</strong> Oberpetersdorf wahrsche<strong>in</strong>lich um <strong>die</strong><br />

Mitte <strong>des</strong> 16. Jahrhunderts durch den Grundherrn Johann Weißpriach († 1571) <strong>die</strong><br />

lutherische Reformation e<strong>in</strong>geführt. In der Herrschaft gab es damals drei Pfarren:<br />

Oberpetersdorf mit der Filiale Kalkgruben, Weppersdorf mit der Filiale Kobersdorf<br />

und Stoob. Unter Weißpriachs Schwiegersohn János Csóron wurden <strong>in</strong> den<br />

1580er Jahren mehrere Dörfer <strong>in</strong> der Herrschaft (wieder-)gegründet und großteils<br />

mit katholischen Kroat:<strong>in</strong>nen besiedelt. Die konfessionelle Zusammensetzung der<br />

Herrschaft war also heterogen. Während Stoob, Weppersdorf, Oberpetersdorf und<br />

Kalkgruben quasi re<strong>in</strong> evangelisch waren, zeigten sich der Herrschaftssitz Kobersdorf<br />

und <strong>die</strong> Dörfer Tschurndorf und L<strong>in</strong>dgraben konfessionell gemischt. 8<br />

V. Georg Wislizenus – Leben und Wirken<br />

Georg Wislizenus wurde 1633 <strong>in</strong> der kle<strong>in</strong>en Stadt Puchau/Púho/Púchov im damaligen<br />

Oberungarn geboren. Die Stadt lag im Komitat Trentsch<strong>in</strong> und gehört heute<br />

zur Slowakischen Republik. Se<strong>in</strong>e Mutter Cathar<strong>in</strong>a (geb. Krutki) und se<strong>in</strong> Vater<br />

Johann bzw. Ján Wislizenus waren eben erst aus Szulyó/Súľov, wo der Vater vier<br />

Jahre lang Pfarrer gewesen war, <strong>in</strong> <strong>die</strong> Stadt gekommen. Johann Wislizenus stammte<br />

aus dem Liptauer Komitat und hatte zunächst <strong>in</strong> verschiedenen oberungarischen<br />

Orten als Kantorlehrer gewirkt, bevor er 1622 <strong>zum</strong> Pfarrer ord<strong>in</strong>iert wurde. 1633<br />

wurde er Pfarrer <strong>in</strong> Puchau, und ab 1650 bekleidete er das Amt <strong>des</strong> Seniors <strong>für</strong> das<br />

obertrentsch<strong>in</strong>er Seniorat. 9<br />

7<br />

Vgl. Andreas B<strong>in</strong>der, E<strong>in</strong> f<strong>in</strong>steres Jahrhundert? Die <strong>Geschichte</strong> <strong>des</strong> <strong>Protestantismus</strong> im westungarischen<br />

Raum von der Trauerdekade bis <strong>zum</strong> Toleranzpatent (Masterarbeit Universität<br />

Wien 2018) 42–44, 72f., 81–83, 93f., 110f.<br />

8<br />

Vgl. August Ernst, Der Besitzstand der Herrschaft Kobersdorf im Jahre 1736, <strong>in</strong>: Forscher–Gestalter–Vermittler.<br />

<strong>Festschrift</strong> <strong>für</strong> Gerald Schlag, hg. von Wolfgang Gürtler (Wissenschaftliche<br />

Arbeiten aus dem Burgenland 105, Eisenstadt 2001) 77–86, hier 78; Walter Feymann,<br />

<strong>Geschichte</strong> der Herrschaft Kobersdorf/Burgenland von ihren Anfängen bis zur Übernahme<br />

durch Fürst Palat<strong>in</strong> Paul Esterhazy (Diss. Universität Wien 1970) 120; Josef Buzás, Kanonische<br />

Visitationen der Diözese Raab aus dem 17. Jahrhundert (Burgenländische Forschungen Heft<br />

52, Eisenstadt 1966) 122, 238.<br />

9<br />

Vgl. Zoltán Csepregi, Evangélikus lelkészek Magyarországon II/I (Budapest 2020) 436; Ders.,<br />

Evangélikus lelkészek Magyarországon. Proszopográfiai rész II (Budapest 2019) 312.<br />

45


Andreas Paul B<strong>in</strong>der<br />

Als Georg Wislizenus geboren wurde, war Puchau e<strong>in</strong> Zentrum der Tuchmacherei.<br />

10 Der habsburgische Teil Ungarns befand sich mitten <strong>in</strong> der Ära Pázmány, e<strong>in</strong>er<br />

Phase der Gegenreformation, <strong>in</strong> der <strong>die</strong> römisch-katholische Kirchenhierarchie<br />

mithilfe <strong>des</strong> habsburgischen Hofes <strong>in</strong> Wien <strong>die</strong> katholische Kirche <strong>in</strong> Ungarn <strong>in</strong><br />

ihrer Institution grundlegend restaurierte. Durch <strong>die</strong> hartnäckige Arbeit der Jesuiten<br />

konnte der Hochadel wieder <strong>für</strong> <strong>die</strong> katholische Kirche gewonnen, das katholische<br />

Schul- und Hochschulwesen wiederaufgebaut und e<strong>in</strong> wirksamer literarischer<br />

Propagandafeldzug gegen den <strong>Protestantismus</strong> geführt werden. Oberungarn wurde<br />

auch immer wieder Schauplatz von Kampfhandlungen der siebenbürgischen<br />

Fürsten gegen <strong>die</strong> habsburgischen Könige. Als Georg Wislizenus 14 Jahre alt war,<br />

war mit der Übernahme <strong>des</strong> L<strong>in</strong>zer Friedens <strong>in</strong> <strong>die</strong> Lan<strong>des</strong>gesetze der Zenit der<br />

Religionsfreiheit im damaligen Ungarn erreicht. 11<br />

Das Wirken von Wislizenus’ Vater <strong>in</strong> slowakischsprachigen Geme<strong>in</strong>den Oberungarns<br />

und se<strong>in</strong> eigenes Wirken im deutschsprachigen Westungarn und später auch<br />

<strong>in</strong> Sachsen weisen darauf h<strong>in</strong>, dass Wislizenus <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er K<strong>in</strong>dheit <strong>zum</strong><strong>in</strong><strong>des</strong>t <strong>die</strong><br />

Sprachen Slowakisch und Deutsch erlernt hat. 12 Zur Mitte <strong>des</strong> 17. Jahrhunderts g<strong>in</strong>g<br />

er <strong>zum</strong> Studium nach Wittenberg. Er <strong>in</strong>skribierte am 5. April 1653 als »Georgius<br />

Visliczenus Buchovio Hungarus«. 13 Die Wittenberger Theologische Fakultät galt<br />

zur damaligen Zeit als Zentrum der lutherischen Orthodoxie. Ab 1650 lehrte dort<br />

e<strong>in</strong>er ihrer wichtigsten Vertreter, Abraham Calov. 14<br />

Nach dem Abschluss se<strong>in</strong>er Stu<strong>die</strong>n kehrte Georg Wislizenus nach Ungarn zurück.<br />

Am 25. November 1655 wurde er <strong>in</strong> Németgencs bei Ste<strong>in</strong>amanger/Szombathély<br />

ord<strong>in</strong>iert, wobei er <strong>die</strong> lutherische Konkor<strong>die</strong>nformel unterschrieb. Zu <strong>die</strong>sem<br />

Zeitpunkt muss er bereits e<strong>in</strong>e Berufung <strong>in</strong> <strong>die</strong> Pfarre Petersdorf erhalten und<br />

angenommen haben, denn er unterschreibt als »m<strong>in</strong>ister ecclesiae Petersdorf«. 15 In<br />

Petersdorf predigte Wislizenus <strong>in</strong> der mittelalterlichen Pfarrkirche. Zur Pfarre gehörte<br />

als Filiale auch das benachbarte Dorf Kalkgruben/Mészverem. 17 Jahre lang<br />

10<br />

Vgl. https://www.puchov.sk/historia-mesta-0.html [4.5.<strong>2023</strong>].<br />

11<br />

Vgl. B<strong>in</strong>der, Jahrhundert (wie Anm. 7) 11f.<br />

12<br />

Von Georgs Bruder Johann, der <strong>in</strong> späteren Jahren ebenfalls <strong>in</strong> Sachsen Zuflucht und e<strong>in</strong>en<br />

neuen Dienstort fand, wird h<strong>in</strong>gegen berichtet, dass er zu se<strong>in</strong>en Lebzeiten »mit der deutschen<br />

Sprache, <strong>die</strong> er nie recht fassen koennen, nicht wohl fortkonnte«. Das mag aber auch daran<br />

gelegen haben, dass er – im Gegensatz zu se<strong>in</strong>em Bruder Georg – bis zu se<strong>in</strong>er Vertreibung 1674<br />

stets im slowakischsprachigen Umfeld im Osten Oberungarns tätig gewesen war. Vgl. Karl G.<br />

Dietmann, Die gesammte der ungeänderten Augsb. Confession zugethane Priesterschaft <strong>in</strong><br />

dem Chur<strong>für</strong>stentum Sachen und e<strong>in</strong>verleibten Landen. Fünfter Band, welcher <strong>die</strong> H. Stifts-<br />

Consistoria der Stifter Naumburg-Zeitz und Wurzen; imgleichen <strong>die</strong> Henneberg-Manßfeld-<br />

Stollberg- und Glauchauische Consistorien, begreifet (VD18 90015053 , Dresden–Leipzig 1763)<br />

519.<br />

13<br />

Universität Wittenberg (Hg.), Album Academiae Vitebergensis, Bd. 6 (Wittenberg 1645–1675)<br />

61.<br />

14<br />

Vgl. Mart<strong>in</strong> H. Jung, Reformation und konfessionelles Zeitalter (1517–1648) (Gött<strong>in</strong>gen 2012)<br />

205; https://www.deutsche-biographie.de/gnd119177323.html#ndbcontent [4.5.<strong>2023</strong>].<br />

15<br />

Vgl. Theophil Beyer, Günser evangelische Pfarrer als Unterzeichner der Konkor<strong>die</strong>nformel<br />

an der Wende <strong>des</strong> 16. Jahrhunderts und später. JGPrÖ 72 (1956) 23–30, hier 29.<br />

46


Georg Wislizenus – der letzte evangelische Pfarrer von Oberpetersdorf<br />

wirkte Wislizenus <strong>in</strong> <strong>die</strong>sen beiden Ortschaften. In <strong>die</strong>se Zeit fällt wohl auch se<strong>in</strong>e<br />

Hochzeit mit Clara Barbara von Sonnenleutner. Das Ehepaar bekam während se<strong>in</strong>er<br />

Zeit <strong>in</strong> Petersdorf m<strong>in</strong><strong>des</strong>tens fünf K<strong>in</strong>der: Die Söhne Johann Georg, Christian<br />

Matthias und Andreas, sowie <strong>die</strong> beiden Töchter Maria Barbara und Constantia. 16<br />

Bei Georg Wislizenus’ Amtsantritt 1655 stellte <strong>die</strong> Herrschaft Kobersdorf noch<br />

e<strong>in</strong>e ›Insel‹ dar, <strong>die</strong> e<strong>in</strong>em nach wie vor lutherischen Grundherrn, Johann Kéry,<br />

unterstellt war und somit mit ihrem evangelischen Kirchenwesen völlig unbehelligt<br />

existieren konnte. Das änderte sich etwa zu Beg<strong>in</strong>n der 1660er Jahre, als Johann<br />

Kéry starb und ihm se<strong>in</strong> Sohn Franz, der <strong>zum</strong> katholischen Glauben konvertiert<br />

war, als Erbe folgte. Zwar konnte Wislizenus se<strong>in</strong> Amt als Pfarrer von Petersdorf<br />

weiterh<strong>in</strong> ungeh<strong>in</strong>dert ausüben, doch geriet er unter Druck, als Franz Kéry am<br />

16. August 1661 Wislizenus’ Amtsbruder <strong>in</strong> Weppersdorf, Hieronymus Christophorus<br />

Foman, vertreiben ließ. 17 Das hatte den Grund, dass der jeweilige Pfarrer<br />

von Weppersdorf auch immer der Schlossprediger <strong>in</strong> Kobersdorf war. Die zentrale<br />

»Hauptpfarre« und damit auch <strong>die</strong> Stelle <strong>des</strong> Hofpredigers <strong>in</strong> Kobersdorf wurden<br />

entsprechend dem geänderten Bekenntnis <strong>des</strong> Grundherrn und se<strong>in</strong>er Familie<br />

katholisiert. Zu <strong>die</strong>ser Pfarre gehörten <strong>die</strong> meisten Dörfer der Herrschaft. Wislizenus<br />

und se<strong>in</strong> Kollege Mart<strong>in</strong> Schwab 18 <strong>in</strong> Stoob profitierten h<strong>in</strong>gegen von der<br />

offensichtlichen gegenreformatorischen Inkonsequenz <strong>des</strong> Franz Kéry und blieben<br />

zunächst <strong>in</strong> ihrem Wirken völlig ungeh<strong>in</strong>dert. Während also <strong>die</strong> Dörfer Weppersdorf,<br />

Kobersdorf, Tschurndorf, L<strong>in</strong>dgraben und Neudorf schon ab 1661 katholisch<br />

pastoriert waren, blieben <strong>die</strong> Pfarren Stoob und Petersdorf mit Kalkgruben weiterh<strong>in</strong><br />

lutherisch besetzt. 19<br />

In der Folgezeit traf Wislizenus e<strong>in</strong>e wichtige Entscheidung: 1667 erreichte ihn<br />

e<strong>in</strong>e Vokation als Pfarrer der deutschsprachigen Geme<strong>in</strong>de <strong>in</strong> Güns/Köszeg. Er<br />

schlug <strong>die</strong> Berufung jedoch aus und begründete <strong>die</strong>s mit der Annahme, dass Franz<br />

Kéry nach se<strong>in</strong>em Weggang sicher ke<strong>in</strong>en evangelischen Pfarrer mehr <strong>in</strong> Petersdorf<br />

e<strong>in</strong>setzen würde. Doch nach dem Beg<strong>in</strong>n der ›Trauerdekade‹ und der damit e<strong>in</strong>hergehenden<br />

gewaltsamen Gegenreformation verschärfte sich auch <strong>in</strong> der Herrschaft<br />

Kobersdorf <strong>die</strong> Lage. 1671 musste Mart<strong>in</strong> Schwab <strong>in</strong> Stoob se<strong>in</strong>en Posten verlassen.<br />

Georg Wislizenus verblieb als letzter evangelischer Pfarrer der ganzen Herrschaft<br />

noch e<strong>in</strong>ige Monate im Amt. Doch 1672 war es auch <strong>für</strong> ihn soweit: Geme<strong>in</strong>sam<br />

mit se<strong>in</strong>er Familie wurde Wislizenus gezwungen, aus Petersdorf zu verschw<strong>in</strong>den.<br />

16<br />

Vgl. Csepregi, Evangélikus (wie Anm. 9) 436.<br />

17<br />

Foman g<strong>in</strong>g zunächst nach Loipersbach und wich erst mit den Ereignissen der ›Trauerdekade‹<br />

1674 zurück <strong>in</strong> se<strong>in</strong>e thür<strong>in</strong>gische Heimat, wo er <strong>in</strong> Hohenkirchen e<strong>in</strong>en neuen Wirkungsort<br />

fand. Vgl. ebenda 137.<br />

18<br />

Vgl. ebenda 350f.; Karl Fiedler, Pfarrer, Lehrer und Förderer der ev. Kirche A. u. H. B. im<br />

Burgenlande (Burgenländische Forschungen Heft 40, Eisenstadt 1959) 130f.<br />

19<br />

Vgl. Sándor Payr, Egyháztörténeti emlékek. Forrásgyüjtemény a dunátuli ág. hitv. evang. egyházkerület<br />

történetéhez, Bd. 1 (Sopron 1910) 146; B<strong>in</strong>der, Jahrhundert (wie Anm. 7) 65f.<br />

47


KIRCHEN FÜR SOLDATEN?<br />

Bemerkungen zu Garnisonkirchen als Sonderform <strong>des</strong><br />

(nicht nur) protestantischen Kirchenbaus*<br />

Von Hanns Christof Brennecke<br />

I. Das Problem<br />

Die konstant<strong>in</strong>ische Wende und <strong>die</strong> <strong>Geschichte</strong> <strong>des</strong> protestantischen Kirchenbaus<br />

s<strong>in</strong>d wichtige Forschungsschwerpunkte im wissenschaftlichen Werk von <strong>Rudolf</strong><br />

<strong>Leeb</strong>. Von daher sche<strong>in</strong>t es angemessen, mit e<strong>in</strong>em Beitrag <strong>für</strong> den Jubilar zu versuchen,<br />

beide Themen e<strong>in</strong>mal mite<strong>in</strong>ander zu verb<strong>in</strong>den. Seit Konstant<strong>in</strong> hatten <strong>die</strong><br />

Kaiser und dann überhaupt christliche Herrscher bis <strong>in</strong> <strong>die</strong> Neuzeit auch Verantwortung<br />

<strong>für</strong> den Bau von Kirchen. Garnisonkirchen der Neuzeit ersche<strong>in</strong>en als <strong>die</strong><br />

besonders sichtbaren Relikte e<strong>in</strong>er engen Verb<strong>in</strong>dung von Kirche und Herrschaft,<br />

Kirche und Staat, und können daher heute auch immer wieder problematisch ersche<strong>in</strong>en.<br />

Seit e<strong>in</strong>igen Jahren gibt es um den Wiederaufbau – eigentlich Teilwiederaufbau –<br />

der 1968 abgerissenen Ru<strong>in</strong>e der Potsdamer Garnisonkirche, <strong>die</strong> im Zweiten Weltkrieg<br />

schwer beschädigt war, e<strong>in</strong>e heftige und durchaus auch politisch und ideologisch<br />

gefärbte Debatte. 1 Ihre nicht zu bezweifelnde ideologische Aufladung und<br />

Bedeutung hat <strong>die</strong> Potsdamer Garnisonkirche aber eigentlich erst nach dem Ende<br />

der Monarchie <strong>in</strong> der Weimarer Republik als Symbol der rechten Gegner <strong>die</strong>ser<br />

Republik bekommen (vor allem, weil <strong>in</strong> ihr Friedrich der Große begraben lag) und<br />

dann natürlich durch <strong>die</strong> von den Nationalsozialisten am »Tag von Potsdam« (also<br />

der Reichstagseröffnung 1933) abgezogene Show der sche<strong>in</strong>baren Verbrüderung<br />

von Preußentum und Nationalsozialismus, <strong>die</strong> bekanntlich bis heute Wirkungen<br />

zeigt. Da war aber <strong>die</strong> ursprüngliche Funktion <strong>die</strong>ser Kirche als Garnisonkirche<br />

eigentlich schon Vergangenheit und <strong>die</strong> ehemalige Hof- und Garnisonkirche e<strong>in</strong>e<br />

Geme<strong>in</strong>dekirche. Daher sche<strong>in</strong>t es s<strong>in</strong>nvoll zu se<strong>in</strong>, sich mit dem Thema »Garnisonkirchen«<br />

zu befassen.<br />

*<br />

Der Beitrag geht auf e<strong>in</strong>en Vortrag zurück, den ich am 25.6.2021 auf E<strong>in</strong>ladung der Kommission<br />

<strong>für</strong> geschichtliche Lan<strong>des</strong>kunde <strong>in</strong> Baden-Württemberg auf der Jahrestagung der Kommission<br />

<strong>in</strong> Ulm gehalten habe.<br />

1<br />

Vgl. dazu den ebenfalls sehr deutlich Partei ergreifenden Beitrag von Philipp Oswald, Die<br />

Potsdamer Garnisonkirche. Wiederaufbau zwischen militärischer Traditionspflege, protestantischer<br />

Er<strong>in</strong>nerungskultur und Rechtsextremismus. VZG 70 (2022) 549f. E<strong>in</strong>e größere<br />

Anzahl von Initiativen <strong>für</strong> und gegen den Wiederaufbau der Garnisonkirche ist außerdem im<br />

Internet dokumentiert und abrufbar.<br />

55


Hanns Christof Brennecke<br />

II. Gottes<strong>die</strong>nste <strong>für</strong> das Militär<br />

In der umfangreichen Literatur über <strong>die</strong> <strong>Geschichte</strong> <strong>des</strong> protestantischen Kirchenbaus<br />

begegnet e<strong>in</strong> eigenes Thema »Garnisonkirchen« nicht. Als Vorbereitung <strong>des</strong><br />

»Ersten Protestantischen Kirchenbaukongresses«, zu dem 1894 von Architektenvere<strong>in</strong>igungen<br />

nach Berl<strong>in</strong> e<strong>in</strong>geladen worden war, 2 erschien <strong>die</strong> wohl umfangreichste<br />

Materialsammlung zur <strong>Geschichte</strong> <strong>des</strong> protestantischen Kirchenbaus seit<br />

der Reformation, <strong>in</strong> der ich noch nicht e<strong>in</strong>mal den Begriff »Garnisonkirchen« gefunden<br />

habe. 3 Und <strong>die</strong>ser umfangreiche Band erschien zu e<strong>in</strong>er Zeit, als besonders<br />

viele neue sowohl evangelische als auch katholische Garnisonkirchen <strong>in</strong> Deutschland<br />

gebaut wurden.<br />

In der deutschen protestantischen Tradition ersche<strong>in</strong>en Garnisonkirchen als<br />

fast typischer Ausdruck <strong>des</strong> lan<strong>des</strong>herrlichen Kirchenregiments. Aber <strong>in</strong> ganz Europa<br />

gab es selbstverständlich auch katholische Garnisonkirchen.<br />

Auch parlamentarische Demokratien wie <strong>die</strong> USA haben und kennen Garnisonkirchen,<br />

sie s<strong>in</strong>d also nicht unbed<strong>in</strong>gt e<strong>in</strong> Ausdruck oder Ergebnis der typischen<br />

Verb<strong>in</strong>dung von Kirche und Staat im lan<strong>des</strong>herrlichen Kirchenregiment und s<strong>in</strong>d<br />

außerdem überkonfessionell. Fast überall <strong>in</strong> Deutschland s<strong>in</strong>d <strong>die</strong> ehemaligen Garnisonkirchen<br />

<strong>in</strong>zwischen normale Geme<strong>in</strong>dekirchen. Man konnte <strong>die</strong>se Kirchen<br />

problemlos dann (meist ab 1919, spätestens ab 1945) als Geme<strong>in</strong>dekirchen benutzen.<br />

Es handelt sich – <strong>zum</strong><strong>in</strong><strong>des</strong>t <strong>für</strong> Deutschland – also pr<strong>in</strong>zipiell um e<strong>in</strong> Phänomen<br />

der Vergangenheit (obwohl es auch heute noch e<strong>in</strong> paar Militärkirchen gibt,<br />

z. B. <strong>für</strong> <strong>die</strong> Mar<strong>in</strong>e <strong>in</strong> Flensburg).<br />

Was s<strong>in</strong>d also eigentlich Garnisonkirchen? Gibt es e<strong>in</strong>e spezielle architektonische<br />

Form von Garnisonkirchen? Haben sie erkennbare Geme<strong>in</strong>samkeiten?<br />

Garnisonkirchen s<strong>in</strong>d eigene Kirchen <strong>für</strong> das Militär an nahezu allen größeren<br />

Militärstandorten und wurden <strong>in</strong> Deutschland eigentlich nur bis <strong>zum</strong> Ende der<br />

Monarchie e<strong>in</strong>gerichtet. Sie gehören <strong>in</strong> den Zusammenhang der Militärseelsorge,<br />

<strong>die</strong> es bekanntlich auch heute noch gibt, auch wenn es eigene Garnisonkirchen – bis<br />

auf Ausnahmen – heute <strong>in</strong> Deutschland nicht mehr gibt.<br />

Vor allem seit dem 18. und dann vor allem im 19. und frühen 20. Jahrhundert<br />

gab es Garnisonkirchen <strong>in</strong> allen christlichen Konfessionen (nicht nur katholische<br />

und evangelisch-lutherische, reformierte und unierte, sondern auch anglikanische<br />

und orthodoxe), und nicht nur <strong>in</strong> Deutschland, sondern <strong>in</strong> nahezu allen europäischen<br />

Staaten.<br />

2<br />

Kongress <strong>für</strong> den Kirchenbau <strong>des</strong> <strong>Protestantismus</strong> (Berl<strong>in</strong> 1894). Vgl. Hanns C. Brennecke,<br />

Auf der Suche nach e<strong>in</strong>er sichtbaren Identität. Protestantischer Kirchenbau zwischen Sakralität<br />

und Profanität. ZThK 107 (2010) 53–57 (31–63); Ders., Das Wiesbadener Programm (1891)<br />

und <strong>die</strong> Debatten auf dem Ersten Deutschen Protestantischen Kirchenbaukongress <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong><br />

(1894). <strong>Jahrbuch</strong> <strong>für</strong> Schlesische Kirchengeschichte 97/98 (2018/2019) 47–70.<br />

3<br />

Vere<strong>in</strong>igung Berl<strong>in</strong>er Architekten (Hg.), Der Kirchenbau <strong>des</strong> <strong>Protestantismus</strong> von der Reformation<br />

bis zur Gegenwart (Berl<strong>in</strong> 1893). Der verantwortliche Herausgeber <strong>des</strong> umfangreichen<br />

Ban<strong>des</strong> war Karl Emil Otto Fritsch.<br />

56


Kirchen <strong>für</strong> Soldaten?<br />

Es gibt <strong>für</strong> amerikanisches Militär z. B. überkonfessionelle christliche Garnisonkirchen,<br />

<strong>die</strong> <strong>die</strong> Multikonfessionalität der USA deutlich machen.<br />

Offenbar handelt es sich aber um e<strong>in</strong> allgeme<strong>in</strong> religiöses Phänomen, das nicht<br />

auf <strong>die</strong> christlichen Kirchen beschränkt ist. In Fürth gab es nach 1945 e<strong>in</strong>e amerikanische<br />

Militärsynagoge, <strong>in</strong> Israel gibt es ebenfalls eigene Miltärsynagogen. Im<br />

Osmanischen Reich hat es eigene Moscheen <strong>für</strong> das Militär gegeben; seit 1882 gab<br />

es <strong>für</strong> <strong>die</strong> muslimischen Soldaten der k.k. Armee <strong>in</strong> Wien e<strong>in</strong>e Militärmoschee. 4<br />

In der deutschen Tradition (<strong>die</strong> mit der <strong>in</strong> den anderen europäischen Ländern<br />

ziemlich identisch ist) gehören <strong>die</strong> Garnisonkirchen <strong>in</strong> den Kontext <strong>des</strong> Staatskirchentums<br />

der Neuzeit, also <strong>in</strong> den Kontext e<strong>in</strong>er engen Verb<strong>in</strong>dung zwischen<br />

Staat und Kirche. Sie setzen im Grunde e<strong>in</strong>e sich als christlich verstehende Gesellschaft,<br />

nahezu <strong>die</strong> Identität von Gesellschaft und Christentum voraus. Von daher<br />

ist eben auch <strong>die</strong> große Zeit der Garnisonkirchen mit dem Ende der Monarchien<br />

<strong>in</strong> Deutschland eigentlich vorbei.<br />

III. Religion und Soldaten – Religion <strong>für</strong> Soldaten<br />

Die Verb<strong>in</strong>dung von Militär und Religion, von Religion und Krieg f<strong>in</strong>det sich somit<br />

<strong>in</strong> fast allen Kulturen und wird im Grunde <strong>in</strong> dem sich seit Kaiser Konstant<strong>in</strong> im<br />

vierten Jahrhundert immer mehr christlich verstehenden Römischen Reich e<strong>in</strong>fach<br />

fortgesetzt, nun eben unter christlichem Vorzeichen. Kaiser Konstant<strong>in</strong> führt –<br />

wie auch se<strong>in</strong>e Nachfolger – se<strong>in</strong>e Kriege unter e<strong>in</strong>em christlichen oder <strong>zum</strong><strong>in</strong><strong>des</strong>t<br />

christlich <strong>in</strong>terpretierbaren und <strong>in</strong>terpretierten Feldzeichen. 5 Priester begleiten <strong>die</strong><br />

Heere; im fränkischen Reich der Merow<strong>in</strong>ger wird als Reliquie der Mantel <strong>des</strong> heiligen<br />

Mart<strong>in</strong> mitgeführt. 6<br />

Schon am Ende <strong>des</strong> 4. Jahrhunderts hören wir erstmals von eigenen Kirchen<br />

<strong>für</strong> das Militär – aber das nun <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em konfessionellen Konflikt <strong>in</strong>nerhalb <strong>des</strong><br />

Christentums im Römischen Reich.<br />

Im Römischen Reich der Spätantike, also etwa <strong>des</strong> 4. und 5. Jahrhunderts, bestand<br />

das Militär meist aus Barbaren, aus durch verschiedene Bündnisse an das<br />

Imperium Romanum gebundenen Gruppen. Sehr oft waren es Germanen. Die <strong>in</strong><br />

das Reich e<strong>in</strong>gewanderten Germanen waren seit der Mitte <strong>des</strong> vierten Jahrhunderts<br />

zwar <strong>zum</strong> großen Teil auch Christen, aber <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Form, <strong>die</strong> <strong>in</strong>zwischen im Römischen<br />

Reich als nicht mehr rechtgläubig galt. Germanen hatten das Christentum<br />

<strong>in</strong> der Form <strong>des</strong> sogenannten Arianismus angenommen, der zu der Zeit durchaus<br />

im Reich verbreitet war, aber seit dem Zweiten Ökumenischen Konzil von 381 nicht<br />

4<br />

In Preußen gab es schon seit Beg<strong>in</strong>n <strong>des</strong> 18. Jahrhunderts eigene Gebetsräume <strong>für</strong> muslimische<br />

Militärangehörige. Vgl. Werner Trolp, Die Militärseelsorge <strong>in</strong> der hannoverschen Armee<br />

(SKGNS 45, Gött<strong>in</strong>gen 2012) 25f.<br />

5<br />

Laktanz, De morte persecutorum 44; Eusebius von Caesarea, De vita Constant<strong>in</strong>i I 26–31.<br />

Hierzu auch besonders <strong>Rudolf</strong> <strong>Leeb</strong>, Konstant<strong>in</strong> und Christus (AKG 58, Berl<strong>in</strong>–New York<br />

1992).<br />

6<br />

Dieter von der Nahmer, Art. Mart<strong>in</strong> v. Tours. LMA VI (1993) 344f.<br />

57


Hanns Christof Brennecke<br />

mehr als rechtgläubig galt 7 und dann sogar verfolgt wurde. So entstand das Problem,<br />

dass <strong>die</strong> <strong>in</strong>zwischen weith<strong>in</strong> christliche Reichsbevölkerung von den fremden<br />

Soldaten, <strong>die</strong> auch Christen waren, konfessionell geschieden waren. Das musste zu<br />

Konflikten führen.<br />

In Mailand forderte am Ende <strong>des</strong> 4. Jahrhunderts Just<strong>in</strong>a, <strong>die</strong> Mutter <strong>des</strong> Kaisers<br />

Valent<strong>in</strong>ian II., <strong>für</strong> ihre germanische Garde von Bischof Ambrosius e<strong>in</strong>e Kirche,<br />

der <strong>die</strong>s strikt verweigerte – e<strong>in</strong> Konflikt, bei dem der Bischof sich am Ende durchsetzte.<br />

8<br />

Wenige Jahre später begegnet <strong>in</strong> Konstant<strong>in</strong>opel e<strong>in</strong>e ähnliche Situation. Der<br />

Bischof Johannes Chrysostomus verweigert den <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Augen ›häretischen‹ germanischen<br />

Soldaten e<strong>in</strong>e Kirche. In der Folge kommt es zu e<strong>in</strong>em Blutbad unter<br />

den als ›häretisch‹ angesehenen Goten und ihren Familien. 9<br />

Das Militär fordert eigene Kirchen <strong>für</strong> <strong>die</strong> germanischen Soldaten, allerd<strong>in</strong>gs<br />

wegen der Konfessionsverschiedenheit mit der Mehrheitsbevölkerung.<br />

Das Problem e<strong>in</strong>er besonderen seelsorgerlichen und gottes<strong>die</strong>nstlichen Betreuung<br />

<strong>des</strong> Militärs geht also bis <strong>in</strong> <strong>die</strong> christliche Antike zurück. 10<br />

In der Frühen Neuzeit setzen Garnisonkirchen feste Garnisonen, also Militärstandorte<br />

und damit e<strong>in</strong> staatliches Militär voraus. Dass Militär e<strong>in</strong>e staatliche<br />

E<strong>in</strong>richtung ist, ersche<strong>in</strong>t heute als selbstverständlich, war es aber bis <strong>in</strong> <strong>die</strong> Neuzeit<br />

<strong>in</strong> Europa nicht, e<strong>in</strong>fach weil es im modernen S<strong>in</strong>n noch ke<strong>in</strong>e Staaten gab, sondern<br />

an bestimmte Herrscherpersonen gebundene Territorien. Aber auch <strong>die</strong> brauchten<br />

Soldaten. Das waren normalerweise Landsknechte, Söldner, <strong>die</strong> <strong>für</strong> e<strong>in</strong>e gewisse<br />

Zeit und je ganz aktuell <strong>in</strong> den Dienst genommen wurden und mit dem jeweiligen<br />

Territorium und der dort lebenden Bevölkerung eigentlich nichts zu tun hatten. 11<br />

Aber sie brauchten im sich <strong>in</strong>zwischen christlich verstehenden Europa e<strong>in</strong>e geistliche<br />

Versorgung.<br />

Deswegen gab es <strong>für</strong> sie eigene Militärgeme<strong>in</strong>den, <strong>die</strong> auch rechtlich mit dem<br />

jeweiligen Territorium und der zu ihm gehörenden Kirche nichts zu tun hatten,<br />

völlig abgetrennt davon existierten, seit der konfessionellen Spaltung Europas eben<br />

7<br />

Can. 1 <strong>des</strong> Konzils von Konstant<strong>in</strong>opel 381, <strong>in</strong>: The Oecumenical Councils (COGD I, Turnhout<br />

2006) 64. Zum ›Arianismus‹ der Germanen vgl. Knut Schäfer<strong>die</strong>k, Art. Germanenmission.<br />

RAC X (1978) 492–548; Uta Heil/Christoph Scheerer, <strong>in</strong> Zusammenarbeit mit Annette von<br />

Stockhausen, Die Entwicklung <strong>in</strong> den Nachfolgestaaten <strong>des</strong> Römischen Reiches bis <strong>zum</strong><br />

Symbolum Quicumque. Dokumente zur <strong>Geschichte</strong> <strong>des</strong> arianischen Streites 2 (Athanasius<br />

Werke III 2, Berl<strong>in</strong>–Boston 2022).<br />

8<br />

Zu dem Mailänder »Basilikenkonflikt« vgl. Hanns C. Brennecke/Christian Müller/<br />

Annette von Stockhausen, Dokumente zur <strong>Geschichte</strong> <strong>des</strong> arianischen Streites 1, 6 (Athanasius<br />

Werke III 1,6) Dok. 104 (ersche<strong>in</strong>t voraussichtlich 2024 im Verlag de Gruyter).<br />

9<br />

Ebenda Dok. 106, E<strong>in</strong>leitung.<br />

10<br />

Der greise August<strong>in</strong> diskutiert 428 mit dem ›arianischen‹ Militärbischof Maxim<strong>in</strong>us. Vgl. <strong>die</strong><br />

Collatio cum Maxim<strong>in</strong>o Arrianorum episcopo.<br />

11<br />

Matthias Rogg, Art. Landsknecht. Enzyklopä<strong>die</strong> der Neuzeit 7 (2008) 559–561; Mart<strong>in</strong> R<strong>in</strong>k,<br />

Art. Söldner. Enzyklopä<strong>die</strong> der Neuzeit 12 (2010) 174–184.<br />

58


Kirchen <strong>für</strong> Soldaten?<br />

jeweils mit ihren eigenen Traditionen, eigenen Gottes<strong>die</strong>nsten, eigenen Feldgeistlichen<br />

und eigenen Kirchenbüchern. Aus Gründen der praktischen Notwendigkeit<br />

konnte hier das im Europa der Frühen Neuzeit eigentlich herrschende Pr<strong>in</strong>zip der<br />

pr<strong>in</strong>zipiellen konfessionellen E<strong>in</strong>heitlichkeit ausgesetzt werden.<br />

In der Frühen Neuzeit setzt dann verstärkt e<strong>in</strong> Prozess der Entstehung moderner<br />

Staaten e<strong>in</strong>. Und seit dem 17. Jahrhundert haben <strong>die</strong>se Staaten eigene stehende<br />

Heere – auch <strong>in</strong> Friedenszeiten. 12 Das ist e<strong>in</strong>e geme<strong>in</strong>europäische Entwicklung <strong>in</strong><br />

verschiedenen Geschw<strong>in</strong>digkeiten und unabhängig von der jeweiligen Konfession<br />

e<strong>in</strong>es Territoriums. Stehende Heere werden seit dem 18. Jahrhundert immer mehr<br />

aus der eigenen Bevölkerung rekrutiert (im 19. Jahrhundert werden daraus dann<br />

Nationalarmeen).<br />

IV. Das europäische Erbe<br />

Die Organisationsformen der geistlichen Betreuung der Soldaten (und ihrer Angehörigen,<br />

zu denen auch das Ges<strong>in</strong>de gehörte) waren <strong>in</strong> <strong>Protestantismus</strong> und Katholizismus<br />

unterschiedlich. Im Katholizismus waren meist Orden <strong>in</strong> <strong>die</strong> Militärseelsorge<br />

e<strong>in</strong>gebunden, so s<strong>in</strong>d dann oft Ordenskirchen zu Garnisonkirchen geworden.<br />

Für <strong>die</strong> protestantischen Territorien galt bekanntlich – nicht nur <strong>in</strong> Deutschland –<br />

das sogenannte lan<strong>des</strong>herrliche Kirchenregiment.<br />

Seit dem Westfälischen Frieden von 1648 war auch Mehrkonfessionalität <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

Territorium pr<strong>in</strong>zipiell möglich, wurde allerd<strong>in</strong>gs nicht überall durchgesetzt. 13<br />

Seit dem 17. und dann vermehrt im 18. Jahrhundert entstanden feste Garnisonen<br />

als Militärstandorte, deren Mitglieder eben auch geistlich versorgt werden<br />

mussten. Die alte Form der eigenen Militärgeme<strong>in</strong>den, <strong>die</strong> eigentlich aus der Zeit<br />

der angeworbenen Landsknechte stammte, blieb erhalten, sie konnten aber <strong>in</strong> den<br />

verschiedenen Ländern durchaus sehr unterschiedlich organisiert werden.<br />

Grundsätzlich aber bildeten Soldaten mit ihren Familien und dem dazugehörigen<br />

Ges<strong>in</strong>de eigene Militärgeme<strong>in</strong>den, <strong>die</strong> von der jeweiligen Zivilgeme<strong>in</strong>de separiert<br />

waren.<br />

Seit dem 18. Jahrhundert gab es dann an vielen Militärstandorten auch eigene<br />

Kirchen <strong>für</strong> <strong>die</strong> Militärgeme<strong>in</strong>den, wobei es sich meist um e<strong>in</strong>fache saalartige Gebäude<br />

handelte. 14<br />

12<br />

Ralf Pröve, Art. Stehen<strong>des</strong> Heer. Enzyklopä<strong>die</strong> der Neuzeit 12 (2010) 949–952; Stefan Kroll,<br />

Art. Garnisonsstadt. Enzyklopä<strong>die</strong> der Neuzeit 4 (2006) 139–141.<br />

13<br />

Georg Schmidt, Art. Westfälischer Friede. EStL (2006) 2692–2697; Anuschka Tischer, Art.<br />

Westfälischer Friede. Enzyklopä<strong>die</strong> der Neuzeit 14 (2011) 1020–1029.<br />

14<br />

Angela Strauss, Art. Militärseelsorge. Enzyklopä<strong>die</strong> der Neuzeit 8 (2008) 518f.<br />

59


WIE HEISST DIE KIRCHE?<br />

E<strong>in</strong> Streifzug durch <strong>die</strong> Namenslandschaft der<br />

evangelischen Kirchen <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong><br />

Von Michael Bünker<br />

I. Vorbemerkung<br />

<strong>Rudolf</strong> <strong>Leeb</strong> ist im Laufe se<strong>in</strong>er wissenschaftlichen Tätigkeit nicht nur durch se<strong>in</strong>e<br />

hohe Kompetenz im Bereich der Kirchengeschichte hervorgetreten, sondern auch<br />

durch e<strong>in</strong>e solche auf dem Feld der kirchlichen Kunstgeschichte. Dabei hat der<br />

Kirchenbau, speziell im Bereich der Evangelischen Kirchen <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>, <strong>für</strong> ihn<br />

e<strong>in</strong>e bedeutende Rolle e<strong>in</strong>genommen, was sich <strong>in</strong> mehreren Publikationen niedergeschlagen<br />

hat. 1<br />

Daran wird im Folgenden angeknüpft, allerd<strong>in</strong>gs ohne Anspruch, weder auf <strong>die</strong><br />

Erfüllung wissenschaftlicher Kriterien noch auf den der Vollständigkeit. Wohl aber<br />

wird der Blick auf e<strong>in</strong> Thema gelenkt, das auch von den hochrangigsten Expert:<strong>in</strong>nen<br />

<strong>des</strong> evangelischen Kirchenbaus und se<strong>in</strong>er <strong>Geschichte</strong> kaum bis gar nicht wahrgenommen<br />

wird. Es geht um <strong>die</strong> Kirchennamen. 2<br />

II. Woher kommen Kirchennamen?<br />

Der Ursprung der Kirchennamen liegt <strong>in</strong> der Frühzeit der Kirche. In den Verfolgungszeiten<br />

wurde es üblich, an den Gräbern der Märtyrer:<strong>in</strong>nen <strong>die</strong> Eucharistie<br />

zu feiern. Später übertrug man <strong>die</strong> Reliquien <strong>in</strong> <strong>die</strong> zu weihenden Kirchen, <strong>die</strong> dann<br />

auch den Namen der Heiligen erhielten. Dass <strong>die</strong> Märtyrer:<strong>in</strong>nen so als Heilige zu<br />

Patron:<strong>in</strong>nen von Kirchen werden konnten, geht auch auf <strong>die</strong> theologischen Überlegungen<br />

<strong>des</strong> Ambrosius von Mailand (340–397) zurück. In se<strong>in</strong>em Werk Über<br />

<strong>die</strong> Witwen (de viduis) kommt er auch auf <strong>die</strong> Heilung der Schwiegermutter <strong>des</strong><br />

1<br />

Beispielhaft: <strong>Rudolf</strong> <strong>Leeb</strong>, Die protestantischen Kirchenbauten <strong>des</strong> 16. Jahrhunderts <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong><br />

und ihre Bedeutung <strong>für</strong> <strong>die</strong> Sicht der Anfänge <strong>des</strong> evangelischen Kirchenbaues, <strong>in</strong>: <strong>Festschrift</strong><br />

<strong>für</strong> Peter Poscharsky <strong>zum</strong> 60. <strong>Geburtstag</strong>, hg. von Klaus Raschzock/Re<strong>in</strong>er Sörries<br />

(Erlangen 1994) 145–152; <strong>Rudolf</strong> <strong>Leeb</strong>/Erw<strong>in</strong> Herold, Das österreichische joseph<strong>in</strong>ische Toleranzbethaus.<br />

Zur historischen E<strong>in</strong>ordnung e<strong>in</strong>es Symbols. JGPrÖ 107/108 (1991/1992) 3–23;<br />

<strong>Rudolf</strong> <strong>Leeb</strong>, Der Kirchenbau der Los-von-Rom-Bewegung, <strong>in</strong>: Kirchliche Kunst <strong>in</strong> Sachsen.<br />

Festgabe <strong>für</strong> Hartmut Mai, hg. von Jens Bulisch/Dirk Kl<strong>in</strong>gner/Christian Mai (Beucha<br />

2002) 156–172.<br />

2<br />

Dazu allgeme<strong>in</strong> aus l<strong>in</strong>guistischer Sicht: Wolodymyr Kamianets, Zur E<strong>in</strong>teilung der deutschen<br />

Eigennamen. Grazer L<strong>in</strong>guistische Stu<strong>die</strong>n 54 (2000) 41–58.<br />

65


Michael Bünker<br />

Petrus zu sprechen, von der <strong>die</strong> synoptischen Evangelien berichten (Mt 8,14–15;<br />

Lk 4,38–39; Mk 1,29–31). Nur bei Lukas f<strong>in</strong>det sich der <strong>für</strong> Ambrosius entscheidende<br />

H<strong>in</strong>weis. Da heißt es: »sie baten ihn <strong>für</strong> sie.« (Lk 4,38)<br />

Dazu Ambrosius:<br />

»Es baten also <strong>für</strong> <strong>die</strong> Witwe Petrus und Andreas. Möchte doch <strong>für</strong> uns Jemand <strong>in</strong> gleicher<br />

Weise sofort bittend e<strong>in</strong>treten, oder möchten es lieber gleich jene se<strong>in</strong>, welche <strong>für</strong> <strong>die</strong><br />

Schwiegermutter baten, – Petrus und Andreas! Konnten sie damals <strong>für</strong> e<strong>in</strong>e Verwandte<br />

beten, so können sie das jetzt auch <strong>für</strong> uns und <strong>für</strong> Alle.«<br />

Aus der Konsequenz, <strong>die</strong> er aus der exegetischen Beobachtung zieht, wird e<strong>in</strong>e<br />

allgeme<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>sicht mit Folgen <strong>für</strong> <strong>die</strong> Verehrung der Märtyrer:<strong>in</strong>nen und ihrer<br />

Reliquien:<br />

»Anrufen muss man also <strong>die</strong> heiligen Engel, deren Schutz wir übergeben s<strong>in</strong>d; anrufen<br />

müssen wir <strong>die</strong> Märtyrer, deren Reliquien uns ihren Schutz zusichern dürften. Diejenigen<br />

können wohl <strong>für</strong> unsere Sünden beten, welche durch ihr eigenes Blut ihre Sünden<br />

– wenn sie deren hatten – abgewaschen haben: sie s<strong>in</strong>d ja Gotteszeugen und unsere<br />

Hirten, unseres Lebens und Thuns getreue Wächter. Wir dürfen also nicht scheuen, sie<br />

als Vermittler <strong>für</strong> unsere Armseligkeit anzurufen; haben sie doch selbst <strong>die</strong> Elendigkeit<br />

<strong>des</strong> Leibeslebens – wenn sie auch als Sieger daraus hervorgegangen – wohl erkannt.« 3<br />

Damit war der Boden bereitet: Nachdem seit dem frühen Mittelalter zunehmend<br />

<strong>die</strong> Reliquien der Märtyrer:<strong>in</strong>nen <strong>in</strong> <strong>die</strong> Kirchen übertragen wurden und aus dem<br />

Märtyrergedenken <strong>die</strong> Heiligenverehrung erwuchs, nahm <strong>die</strong> Bedeutung der Patroz<strong>in</strong>ien<br />

der Kirchen zu. Freilich waren nom<strong>in</strong>ell bis zur ersten Jahrtausendwende<br />

alle Kirchen <strong>des</strong> Westens dem Christus Salvator geweiht, aber nicht selten trat ihm<br />

e<strong>in</strong>:e biblische:r Heilige:r zur Seite.<br />

Im Laufe der Zeit wurde der Schatz an Reliquien immer bedeutsamer, <strong>die</strong> großen<br />

Dom- und Stiftskirchen wetteiferten geradezu mite<strong>in</strong>ander. Auch an und <strong>in</strong><br />

der Schlosskirche <strong>in</strong> Wittenberg befand sich e<strong>in</strong>e sehr ansehnliche Sammlung von<br />

Reliquien. 4 Die frühen Geme<strong>in</strong>den haben sich durch <strong>die</strong> Reliquienübertragung den<br />

oder <strong>die</strong> Patron:<strong>in</strong> der Kirche gleichsam selbst gewählt. Dabei waren natürlich auch<br />

gewisse Interessen leitend: Bei adeligen Stiftern waren <strong>die</strong> ritterlichen Heiligen wie<br />

Georg oder Mart<strong>in</strong> besonders beliebt. Kaufleute und Händler bevorzugten Nikolaus,<br />

und Taufkirchen wurden passenderweise Johannes dem Täufer geweiht. Nicht selten<br />

erwies sich <strong>die</strong> Favorisierung bestimmter Heiliger auch als politisch gewollt, wie etwa<br />

der von den Habsburgern besonders geförderte Josef <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>. So ergab sich im<br />

Laufe der Zeit <strong>die</strong> Notwendigkeit, das Patroz<strong>in</strong>ium e<strong>in</strong>er Kirche und damit auch<br />

ihre Benennung zu regeln. Dabei haben sich drei Pr<strong>in</strong>zipien herausgebildet, <strong>die</strong> im<br />

3<br />

Ambrosius, Über <strong>die</strong> Witwen. BKV, c. 9 (Bibliothek der Kirchenväter, unif.ch: https://bkv.<br />

unifr.ch/de [14.2.<strong>2023</strong>]).<br />

4<br />

Lyndal Roper, Luther. Der Mensch Mart<strong>in</strong> Luther (Frankfurt a. M. 2016) 110–113; He<strong>in</strong>z<br />

Schill<strong>in</strong>g, Mart<strong>in</strong> Luther (München 2012) 121.<br />

66


Wie heißt <strong>die</strong> Kirche?<br />

Grunde genommen im Bereich der römisch-katholischen Kirche bis heute gelten:<br />

Der oder <strong>die</strong> Patron:<strong>in</strong> der Kirche muss e<strong>in</strong>:e Heilige:r se<strong>in</strong>. Die Entscheidung über<br />

das Patroz<strong>in</strong>ium bildet sich aus der Me<strong>in</strong>ungsbildung der betroffenen Geme<strong>in</strong>de.<br />

Und schließlich: Letztlich genehmigt Rom. Heute entscheiden der Bischof und <strong>die</strong><br />

Bistumsverwaltung geme<strong>in</strong>sam mit der jeweiligen Geme<strong>in</strong>de, <strong>die</strong> abschließende Genehmigung<br />

aus Rom ist wohl nur noch Formsache. Dieser Patronat ist im Pr<strong>in</strong>zip<br />

unveränderlich (CIC c. 1218).<br />

Neben den Patronaten durch herausgehobene Personen wie Märtyrer:<strong>in</strong>nen und<br />

Heilige können Kirchen aber auch bestimmten ›Glaubensgeheimnissen‹ geweiht<br />

se<strong>in</strong>. Darunter s<strong>in</strong>d zentrale Inhalte der kirchlichen Lehre zu verstehen, wie Dreifaltigkeit,<br />

Auferstehung, Kreuz usw. Auch <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem Bereich haben sich später konfessionell<br />

geprägte Unterschiede ergeben.<br />

Das weitgefächerte, ja durchaus ausufernde Patroz<strong>in</strong>ienwesen <strong>des</strong> späten Mittelalters<br />

erfuhr durch <strong>die</strong> Reformation e<strong>in</strong>en massiven Umbruch. Die Feier der Patronate<br />

hatte e<strong>in</strong>en solchen Umfang angenommen, dass mancherorts <strong>die</strong> Feste <strong>des</strong> Kirchenjahres<br />

und auch <strong>die</strong> Sonntagsgottes<strong>die</strong>nste <strong>in</strong> den H<strong>in</strong>tergrund gedrängt wurden. Damit<br />

machte <strong>die</strong> Reformation Schluss: Die Reliquien verschwanden aus den Kirchen, <strong>die</strong><br />

Verehrung der Heiligen wurde auf e<strong>in</strong>e völlig neue Grundlage gestellt (wie etwa <strong>in</strong> CA<br />

XXI formuliert) und das Verständnis <strong>des</strong> gottes<strong>die</strong>nstlichen Raumes neu formuliert.<br />

Das konnte nicht ohne Auswirkungen auf <strong>die</strong> Namensgebung <strong>für</strong> Kirchen bleiben.<br />

»Die Reformation brachte selbstverständlich auch bei den Patroz<strong>in</strong>ien e<strong>in</strong>en Umbruch.<br />

Die evangelischen Kirchen haben <strong>in</strong> Konsequenz ihres anderen Verständnisses der<br />

Heiligen wie <strong>des</strong> Bezuges zwischen Gott und den Menschen <strong>die</strong> Patroz<strong>in</strong>ien beseitigt;<br />

allerd<strong>in</strong>gs wurden <strong>in</strong> den Namen bestehender Kirchen vielfach <strong>die</strong> früheren Patroz<strong>in</strong>ien<br />

weiterüberliefert. Benennungen von Neubauten dagegen s<strong>in</strong>d, sofern es sich nicht<br />

um Funktions- oder Lagebezeichnungen handelt, <strong>in</strong> der Regel als Verkündigungs- oder<br />

Programmaussagen zu verstehen. Auch sie unterliegen geschichtlichen Wandlungen.« 5<br />

Es kann davon ausgegangen werden, dass es h<strong>in</strong>sichtlich der Kirchennamen bei<br />

allen Übere<strong>in</strong>stimmungen zwischen den konfessionellen Kirchen auch typische<br />

Unterschiede gibt. Als ›typisch katholisch‹ gelten Kirchennamen wie: Christ-König,<br />

Allerheiligen, Mariä Himmelfahrt, Maria-König<strong>in</strong>, <strong>zum</strong> heiligen Blut u. a. m.<br />

›Typisch evangelisch‹ (freilich nicht exklusiv!) h<strong>in</strong>gegen s<strong>in</strong>d Kirchennamen wie:<br />

Auferstehung, Tr<strong>in</strong>itatis, Erlöser, Heiland, Vaterunser, Frieden, Guter Hirte, Gnaden,<br />

Kreuz. 6 Die konfessionell geprägten Unterschiede können auch auf e<strong>in</strong> und<br />

denselben Begriff und somit auch Kirchennamen zutreffen: So wird <strong>die</strong> Tr<strong>in</strong>ität<br />

e<strong>in</strong>mal – eher katholisch – als »Dreifaltigkeit« übersetzt, eher evangelisch h<strong>in</strong>gegen<br />

als »Dreie<strong>in</strong>igkeit«.<br />

5<br />

Herbert W. Wurster, Art. Patroz<strong>in</strong>ium. TRE 26 (1996) 117.<br />

6<br />

Kurt Rommel, Afra, Candidus und Fridol<strong>in</strong>. Kirchennamen und biblische Zahlen (Stuttgart<br />

1998) 12.<br />

67


Michael Bünker<br />

Leider fehlen weith<strong>in</strong> fun<strong>die</strong>rte Untersuchungen. Für das römisch-katholische Bistum<br />

Kielce <strong>in</strong> Polen liegt e<strong>in</strong>e solche vor. 7 Sie zeigt, dass 55 % der Kirchen nach Heiligen<br />

und 32 % nach Maria benannt s<strong>in</strong>d. Weniger als 10 % tragen »christologische<br />

Ekklesionyme«. Die übrigen, also etwa auf <strong>die</strong> Engel oder <strong>die</strong> Tr<strong>in</strong>ität bezogene<br />

Namen, s<strong>in</strong>d nur marg<strong>in</strong>al vertreten.<br />

III. Kirchennamen nach Funktion und Lage<br />

Dazu e<strong>in</strong> Blick nach <strong>Österreich</strong>: Ihre Funktion tragen etwa <strong>die</strong> »Friedhofskapellen«<br />

und »Friedhofskirchen« (Leibnitz 1903, Turnau 1961, Oberwart 2010) im Namen.<br />

Auf <strong>die</strong> Lage verweisen z. B. <strong>die</strong> »Bergkirche« <strong>in</strong> Frohnleiten <strong>in</strong> der Pfarrgeme<strong>in</strong>de<br />

Peggau (1935), <strong>die</strong> (ökumenische) »Bergkirche« auf der Turracher Höhe (1974), <strong>die</strong><br />

»Kirche am Wege« <strong>in</strong> Wien-Hetzendorf (1972), <strong>die</strong> »Kirche im Feld« <strong>in</strong> Then<strong>in</strong>g 8<br />

(1859) oder <strong>die</strong> »Kirche im Stadtpark« <strong>in</strong> Villach (1903). Zu <strong>die</strong>ser Gruppe gehören<br />

auch <strong>die</strong> Schlosskapellen, <strong>in</strong> denen evangelische Gottes<strong>die</strong>nste gefeiert werden.<br />

Manche von ihnen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> privatem Besitz, manche der evangelischen Pfarrgeme<strong>in</strong>de<br />

durch Miete oder Pacht oder sonst wie überlassen, e<strong>in</strong>ige s<strong>in</strong>d auch im Besitz<br />

der evangelischen Geme<strong>in</strong>de. Solche Gottes<strong>die</strong>nsträume f<strong>in</strong>den sich <strong>in</strong> Ernstbrunn,<br />

Wieselburg und Trofaiach.<br />

E<strong>in</strong>ige Kirchennamen verb<strong>in</strong>den <strong>die</strong> jeweilige Lage der Kirche mit Motiven der<br />

Verkündigung oder der biblischen Botschaft. Die »Verklärungskirche« <strong>in</strong> Wien-Leopoldstadt<br />

(1926) liegt am »Tabor«. Als »Tabor« wurden <strong>in</strong> den mittelalterlichen Städten<br />

auch befestigte Brücken bezeichnet. Die evangelische Geme<strong>in</strong>de ließ sich aber mit<br />

ihrem Kirchenbau an den Berg Tabor er<strong>in</strong>nern, auf dem sich der Überlieferung nach<br />

<strong>die</strong> Verklärung Christi ereignet hatte (Mt 17,1–13 parr.). Aber von Anfang an dürfte<br />

das nicht ausgemacht gewesen se<strong>in</strong>: Der Baubeschluss im Jahr 1908 sah vor, neben<br />

Wien-Währ<strong>in</strong>g e<strong>in</strong>e weitere »Kaiser-Franz-Joseph-Jubiläumskirche« zu bauen. 9 Aber<br />

der Bau zog sich, nicht zuletzt kriegsbed<strong>in</strong>gt, von 1914 bis 1926 h<strong>in</strong> und <strong>die</strong> Kirche<br />

erhielt schließlich ihren heutigen Namen.<br />

Die »We<strong>in</strong>bergkirche« <strong>in</strong> Wien-Döbl<strong>in</strong>g (1981) bezieht sich sowohl auf <strong>die</strong> <strong>in</strong> der<br />

Nähe liegenden Neustifter und Siever<strong>in</strong>ger We<strong>in</strong>berge wie auch auf <strong>die</strong> Bedeutung<br />

<strong>des</strong> We<strong>in</strong>bergs <strong>in</strong> der Bibel (z. B. Jes 5,1−7 oder Mt 20,1−16).<br />

Ähnlich doppeldeutig ist der Name der »Heilskirche« im Kurort Bad Hofgaste<strong>in</strong><br />

(1960), der sowohl an das seelische wie auch an das leibliche Heil denken lässt. Aber<br />

<strong>die</strong> Namensgebung nach der Funktion oder Lage der Kirche ist <strong>die</strong> Ausnahme und<br />

betrifft nur e<strong>in</strong>e vergleichsweise kle<strong>in</strong>e Zahl von Kirchen. In der Regel <strong>die</strong>nen ihre<br />

Namen ausschließlich Verkündigungs- oder Programmaussagen. Der Frage, welchen<br />

7<br />

Piotr A. Ows<strong>in</strong>ski, Zur Motivierung der Ekklesionyme im Bistum Kielce. StLg 37 (2018)<br />

83–100.<br />

8<br />

So im Schematismus der Kirche nach: Evangelischer Presseverband <strong>für</strong> <strong>Österreich</strong> (Hg.), Glaube<br />

und Heimat <strong>2023</strong>. Evangelischer Kalender <strong>für</strong> <strong>Österreich</strong> (Wien 2022) 93.<br />

9<br />

Oder auch »Kaiser-Franz-Joseph-I.-Jubiläums- und Dankeskirche«. Dazu: 90 Jahre Evangelische<br />

Pfarrgeme<strong>in</strong>de Wien-Leopoldstadt 1909–1999 (Wien 1999).<br />

68


Wie heißt <strong>die</strong> Kirche?<br />

geschichtlichen Wandlungen <strong>die</strong>se <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> unterliegen, soll im folgenden kurzen<br />

Streifzug nachgegangen werden.<br />

IV. Von der Reformation <strong>zum</strong> Toleranzbethaus<br />

Im 16. Jahrhundert kam es zu bemerkenswerten Kirchenneubauten durch Evangelische<br />

im heutigen <strong>Österreich</strong> 10 . Zahlreiche <strong>die</strong>ser Kirchen wurden <strong>in</strong> der Gegenreformation<br />

zerstört, e<strong>in</strong>ige (wenige) s<strong>in</strong>d erhalten geblieben, darunter <strong>die</strong><br />

Georgskirche <strong>in</strong> Horn (Bauzeit: 1593–1597), <strong>die</strong> Kirchen <strong>in</strong> Loosdorf und Aigen<br />

bei Raabs (erbaut: 1600) und – wohl am prom<strong>in</strong>entesten – <strong>die</strong> ab 1580 errichtete<br />

»Dreifaltigkeitskirche« <strong>in</strong> Klagenfurt (Kirchweihe am 28. April 1591), <strong>die</strong> am<br />

30. November 1604 den Aposteln Petrus und Paulus geweiht, damit wieder katholisch<br />

und anschließend den Jesuiten übergeben wurde. Heute ist es <strong>die</strong> Dom- und<br />

Pfarrkirche »St. Peter und Paul«, an deren evangelische Ursprungsgeschichte nur<br />

noch wenig er<strong>in</strong>nert. 11<br />

Von den zahlreichen zerstörten (gesprengten oder niedergerissenen) Kirchen s<strong>in</strong>d<br />

<strong>die</strong> Fundamentreste <strong>in</strong> Neuhaus bei Trautenfels erhalten geblieben. 12<br />

Von der »St. Salvatorkirche« <strong>in</strong> Rottenmann, <strong>die</strong> e<strong>in</strong> beachtlicher Renaissancebau<br />

gewesen ist, ist so gut wie nichts erhalten geblieben. 13 Die Kirche wurde am 15. Februar<br />

1579 geweiht und schon am 17. November 1599 gesprengt. 14 Zum Namen schreibt<br />

<strong>Rudolf</strong> <strong>Leeb</strong>: »Der Kirche wurde der Name ›St. Salvator‹ <strong>in</strong> bewusster und demonstrativer<br />

Abgrenzung zu den katholischen Heiligenpatroz<strong>in</strong>ien gegeben.« Der Name<br />

unterstrich aber auch das reformatorische Grundpr<strong>in</strong>zip <strong>des</strong> solus Christus. »›Erlöser‹-<br />

bzw. ›Salvatorkirche‹ s<strong>in</strong>d neben ›Dreifaltigkeitskirche‹ dann auch <strong>die</strong> häufigsten<br />

Namen, <strong>die</strong> man neu errichteten evangelischen Kirchen noch bis <strong>in</strong> <strong>die</strong> Zeit <strong>des</strong><br />

Barock gegeben hat.« 15<br />

Ebenfalls <strong>in</strong> der Steiermark, <strong>in</strong> der Tochtergeme<strong>in</strong>de Aich der Pfarrgeme<strong>in</strong>de<br />

Schladm<strong>in</strong>g, bef<strong>in</strong>det sich das Bethaus mit dem Namen »St. Jakob <strong>in</strong> der Au«. Es<br />

10<br />

<strong>Leeb</strong>, Kirchenbauten (wie Anm. 1).<br />

11<br />

Alexander Hanisch-Wolfram, Auf den Spuren der Protestanten <strong>in</strong> Kärnten (Klagenfurt<br />

2010) 61–63; Wilhelm Deuer, Die Kunst der Reformation <strong>in</strong> Kärnten, <strong>in</strong>: Glaubwürdig bleiben.<br />

500 Jahre protestantisches Abenteuer, hg. von Wilhelm Wadl (Klagenfurt 2011) 129f.<br />

12<br />

Ernst-Christian Gerhold/Johann-Georg Haditsch (Hg.), Evangelische Kunst und Kultur <strong>in</strong><br />

der Steiermark (Graz 1996) 209; <strong>Rudolf</strong> <strong>Leeb</strong>, Zu Kirche und Friedhof <strong>in</strong> Neuhaus, <strong>in</strong>: Evangelische<br />

Kirche Neuhaus-Trautenfels (1575–1599), hg. von Ernst-Christian Gerhold/Johann-<br />

Georg Haditsch (Kle<strong>in</strong>e Schriften der Abteilung Schloß Trautenfels am Steiermärkischen<br />

Lan<strong>des</strong>museum Joanneum 23, Graz 1992) 15–19.<br />

13<br />

<strong>Rudolf</strong> <strong>Leeb</strong>, Der Streit um den wahren Glauben – Reformation und Gegenreformation <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>,<br />

<strong>in</strong>: <strong>Geschichte</strong> <strong>des</strong> Christentums <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>, hg. von Dems. u. a. (Wien 2003) 261;<br />

Ders., Kirchenbau und bildende Kunst der Reformationszeit, <strong>in</strong>: Gerhold/Haditsch, Kunst<br />

(wie Anm. 12) 36–48, bes. 46–48; <strong>Rudolf</strong> <strong>Leeb</strong>, Die Kirche von St. Salvator <strong>in</strong> Rottenmann und<br />

<strong>die</strong> Kirchweihpredigt <strong>des</strong> Dr. Georg Senger vom 15. Februar 1579. JGPrÖ 123 (2007) 190–218.<br />

14<br />

Ebenda 190.<br />

15<br />

Ebenda 204.<br />

69


Michael Bünker<br />

wurde 1866 bis 1868 als Schulhaus erbaut und <strong>die</strong>nt seit 1946 als Gottes<strong>die</strong>nststätte.<br />

Den Namen trägt es <strong>zum</strong> Gedenken an den Vorgängerbau aus dem 16. Jahrhundert.<br />

Hier stand e<strong>in</strong>e 1585 erbaute evangelische Kirche, <strong>die</strong> – wie so viele andere auch −<br />

1599 zerstört wurde. 16<br />

Dann kam <strong>für</strong> mehr als 180 Jahre <strong>die</strong> Zeit, <strong>in</strong> der evangelischer Gottes<strong>die</strong>nst<br />

weith<strong>in</strong> nur im Geheimen möglich war. Die Menschen kamen an abgelegenen Orten<br />

zusammen, <strong>die</strong> <strong>in</strong> der späteren Überlieferung oft als »Predigtstuhl«, 17 aber nicht<br />

selten auch ausdrücklich als »Kirche« bezeichnet wurden. Zu denken ist an <strong>die</strong><br />

»Hundskirche« <strong>in</strong> der Kreuzen <strong>in</strong> Kärnten 18 oder an <strong>die</strong> Höhlen wie <strong>die</strong> »Entrische<br />

Kirche« im Gaste<strong>in</strong>ertal, <strong>die</strong> »Kalmoskirche« am Kalmberg, <strong>die</strong> »Seekarkirche« am<br />

Modereck <strong>in</strong> der Gosau 19 oder das »Eggerloch« bei Warmbad Villach. 20<br />

Erst mit dem Toleranzpatent von Joseph II. 1781 wurde den Evangelischen, <strong>die</strong><br />

damals noch als ›Akatholiken‹ bezeichnet wurden, das Recht der privaten Religionsausübung<br />

gestattet. Sie konnten auch Bethäuser bauen, <strong>die</strong> allerd<strong>in</strong>gs nach außen h<strong>in</strong><br />

nicht als Kirchen erkennbar se<strong>in</strong> durften. In zahlreichen Geme<strong>in</strong>den entstanden <strong>in</strong><br />

der Folge <strong>die</strong> Toleranzbethäuser. Auch wo sie später durch Umbauten und vor allem<br />

den Zubau e<strong>in</strong>es Turms mit Glocken <strong>in</strong> den Augen der Menschen zu richtigen »Kirchen«<br />

gemacht worden s<strong>in</strong>d, blieben sie fast alle ohne Namen.<br />

V. Namenspr<strong>in</strong>zip: solus Christus!<br />

Als ab 1849 <strong>die</strong> E<strong>in</strong>schränkungen <strong>für</strong> den Bau e<strong>in</strong>es Gotteshauses wegfielen, setzte<br />

e<strong>in</strong> regelrechter Bauboom e<strong>in</strong>. Markant am Beg<strong>in</strong>n <strong>die</strong>ses Zeitabschnittes steht <strong>die</strong><br />

1852 errichtete »Christuskirche« <strong>in</strong> Wels. Jetzt entstehen Kirchen mit Glockentürmen,<br />

runden Fenstern und Zugängen von der Straße. Und: Sie bekommen fast<br />

immer e<strong>in</strong>en Namen. 21 An erster Stelle steht dabei, gut evangelisch, Jesus Christus.<br />

16<br />

Gerhold/Haditsch, Kunst (wie Anm. 12) 203f.<br />

17<br />

Walther Stökl, Gottes<strong>die</strong>nst und Kirchenjahr <strong>in</strong> der evangelischen Kirche <strong>Österreich</strong>s (Gött<strong>in</strong>gen<br />

1931) 38f.; Dietmar Weikl, Das religiöse Leben im Geheimprotestantismus <strong>in</strong> den habsburgischen<br />

Erblanden und im Erzstift Salzburg, <strong>in</strong>: Geheimprotestantismus und evangelische<br />

Kirchen <strong>in</strong> der Habsburgermonarchie und im Erzstift Salzburg (17./18. Jahrhundert), hg. von<br />

Dems./<strong>Rudolf</strong> <strong>Leeb</strong>/Mart<strong>in</strong> Scheutz (VIÖG 51, Wien−München 2009) 457–474.<br />

18<br />

<strong>Rudolf</strong> <strong>Leeb</strong>/Astrid Schweighofer/Dietmar Weikl (Hg.), Das Buch <strong>zum</strong> Weg. Kirchen, Kunstund<br />

Kulturgeschichte am »Weg <strong>des</strong> Buches« (Salzburg 2008) 130f.; Alexander Hanisch-Wolfram,<br />

Erzählungen von Verfolgung und Duldung. Zur Er<strong>in</strong>nerungskultur <strong>des</strong> Oberkärntner<br />

<strong>Protestantismus</strong>. JGPrÖ 132/133 (2016/2017) 311–322, zur Hundskirche bes. 315–318.<br />

19<br />

<strong>Leeb</strong>/Schweighofer/Weikl, Buch (wie Anm. 18) 63.<br />

20<br />

Ebenda 143.<br />

21<br />

Informationen zu den e<strong>in</strong>zelnen Kirchen bzw. Geme<strong>in</strong>den f<strong>in</strong>den sich bei: Grete Mecenseffy/<br />

Hermann Rassl, Die evangelischen Kirchen Wiens (WGB 24, Wien−Hamburg 1980); Leopold<br />

Temmel, Evangelisch <strong>in</strong> Oberösterreich (L<strong>in</strong>z 1982); Gerhold/Haditsch, Kunst (wie Anm.<br />

12); Evangelische Super<strong>in</strong>tendentur A. B. Salzburg-Tirol (Hg.), Evangelische Kirchen <strong>in</strong> Salzburg<br />

und Tirol (Salzburg 2009); Hanisch-Wolfram, Spuren (wie Anm. 11); Evangelische Super<strong>in</strong>tendentur<br />

A. B. Burgenland (Hg.), Evangelische Kirchen im Burgenland (Salzburg−Wien<br />

2011); Alfred Mejstrik (Hg.), Evangelisch im Himmel und auf Erden (Berndorf 2012).<br />

70


DER ELEVATORISCHE CHARAKTER DES<br />

REFORMIERTEN KIRCHENRAUMES<br />

Von Gergely Csukás<br />

I. E<strong>in</strong>leitung<br />

Neben den profunden theologischen und kirchengeschichtlichen Kenntnissen<br />

zeichnet den Jubilar se<strong>in</strong>e Expertise <strong>in</strong> der Kunstgeschichte aus. 1 Im vorliegenden<br />

Aufsatz soll ausgehend von e<strong>in</strong>er se<strong>in</strong>er Stu<strong>die</strong>n der Frage nachgegangen werden,<br />

ob und <strong>in</strong> welcher Form e<strong>in</strong>e Korrespondenz zwischen reformiertem Kirchengebäude<br />

und der dar<strong>in</strong> stattf<strong>in</strong>denden heiligen Handlung <strong>des</strong> reformierten Gottes<strong>die</strong>nstes<br />

festzustellen ist. Überzeugend hat <strong>Rudolf</strong> <strong>Leeb</strong> anhand von E<strong>in</strong>weihungspredigten<br />

das sakrale Verständnis <strong>des</strong> protestantischen Kirchenraumes bzw. der<br />

dar<strong>in</strong> stattf<strong>in</strong>denden Gottes<strong>die</strong>nste herausgearbeitet. 2 Dass nicht dem Ort an sich,<br />

sondern dem Vollzug <strong>des</strong> im Kirchenraum durchgeführten Gottes<strong>die</strong>nstes Heiligkeit<br />

zukommt, ist e<strong>in</strong>e geme<strong>in</strong>reformatorische Überzeugung, <strong>die</strong> Lutheraner und<br />

Reformierte gleichermaßen mite<strong>in</strong>ander teilen. Dennoch gibt es e<strong>in</strong>e Tendenz im<br />

<strong>Protestantismus</strong>, dem Kirchenraum e<strong>in</strong>e ›Heiligkeit‹ als dem Ort zuzusprechen, wo<br />

gewöhnlicherweise der heilige Gottes<strong>die</strong>nst vollzogen wird. Das Kirchengebäude<br />

selbst soll dabei dem sakralen Charakter <strong>des</strong> Gottes<strong>die</strong>nstes Rechnung tragen. Auch<br />

wenn bezüglich <strong>des</strong> Heiligkeitsverständnisses <strong>des</strong> protestantischen Kirchenraumes<br />

ke<strong>in</strong>e wesentlichen konfessionellen Differenzen festzustellen s<strong>in</strong>d, so gehen <strong>in</strong> der<br />

konkreten architektonischen und dekorativen Gestaltung <strong>des</strong> Kirchenraumes <strong>die</strong><br />

beiden Konfessionen unterschiedliche Wege. Dem lutherischen Kirchenbau stehen<br />

figurative und bildnerische Gestaltungsmöglichkeiten zur »Visualisierung<br />

<strong>des</strong> Heiligen« 3 zur Verfügung, während <strong>die</strong>s dem Reformiertentum aus bekannten<br />

Gründen versagt bleibt. Bezeichnenderweise beziehen sich <strong>die</strong> drei Beispiele <strong>in</strong> der<br />

Stu<strong>die</strong> <strong>des</strong> Jubilars, <strong>in</strong> denen e<strong>in</strong>e Korrespondenz zwischen der Architektonik bzw.<br />

der Kunst <strong>des</strong> Kirchengebäu<strong>des</strong> und dem sakralen Charakter <strong>des</strong> Gottes<strong>die</strong>nstes<br />

festgestellt wird, allesamt auf den lutherischen Kirchenraum.<br />

In der nun vorliegenden Skizze soll spezifisch der Frage nachgegangen werden,<br />

<strong>in</strong> welcher Form es auch e<strong>in</strong>e »Visualisierung <strong>des</strong> Heiligen« beim reformierten<br />

Kirchenraum gibt. Dazu sollen drei E<strong>in</strong>weihungspredigten <strong>in</strong> der reformierten<br />

1<br />

Unvergessen bleiben <strong>die</strong> Exkursionen zu bedeutsamen Orten der christlichen Kunst, anhand<br />

deren der Jubilar komplexe theologische Sachverhalte anschaulich verständlich machen konnte.<br />

2<br />

<strong>Rudolf</strong> <strong>Leeb</strong>, Die Heiligkeit <strong>des</strong> reformatorischen Kirchenraums oder: Was ist heilig?, <strong>in</strong>:<br />

Protestantischer Kirchenbau der Frühen Neuzeit <strong>in</strong> Europa. Grundlagen und neue Forschungskonzepte,<br />

hg. von Jan Harasimowicz (Regensburg 2015) 37–48.<br />

3<br />

Ebenda 45f.<br />

81


Gergely Csukás<br />

Deutschschweiz untersucht werden. Es s<strong>in</strong>d <strong>die</strong>s <strong>die</strong> Predigten zu den neuerbauten<br />

Kirchen St. Peter zu Zürich 4 und Heiliggeistkirche zu Bern 5 sowie <strong>zum</strong> neu restaurierten<br />

Basler Münster. 6 Bei allen handelt es sich somit um prestigeträchtige<br />

Kirchen. Die Predigten beziehen sich auf das erste Viertel <strong>des</strong> 18. Jahrhunderts,<br />

sodass e<strong>in</strong> synchroner Vergleich <strong>die</strong>ser Predigten vertretbar ist. 7 Grundsätzlich ist<br />

festzuhalten, dass <strong>die</strong>se Predigten nach Form und Inhalt weitestgehend homogen<br />

s<strong>in</strong>d und dem Schema frühneuzeitlicher Predigten folgen.<br />

II. Die Gegenwart Gottes<br />

Zunächst soll anhand der drei genannten Predigten das reformierte Verständnis<br />

von ›Heiligkeit‹ herausgearbeitet werden. Die Frage nach der Heiligkeit e<strong>in</strong>es Ortes<br />

ist verbunden mit der Frage nach der Gegenwart Gottes. Es ist allgeme<strong>in</strong> bekannt,<br />

dass sich mit der Reformation e<strong>in</strong>e »Entsakralisierung der Welt« vollzogen hat.<br />

Demnach gibt es ke<strong>in</strong>e Bevorzugung e<strong>in</strong>es bestimmten Ortes als »heilig«. Alles ist<br />

entweder gleich heilig oder gleich profan. 8 Doch <strong>in</strong> letzter Konsequenz hat das Reformiertentum<br />

<strong>die</strong>sen Weg e<strong>in</strong>er Pansakralisierung oder Panprofanisierung nicht<br />

mitgemacht. Es gibt eben auch im <strong>Protestantismus</strong> <strong>die</strong> Unterscheidung zwischen<br />

Heiligem und Profanem, wobei <strong>die</strong>s nicht als e<strong>in</strong>e Stufenfolge verstanden wird im<br />

S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>es »mehr oder weniger heilig«, wie <strong>die</strong>s dem mittelalterlichen bzw. römisch-katholischen<br />

Verständnis entsprach. 9 Es ist aber trotzdem auffällig, dass <strong>in</strong><br />

4<br />

Johann L. Nüscheler, Jacobs Bethel Und Israels Himmels=Pfort. Das ist: Christliche Betrachtung<br />

der herzlichen Worten / Genes: XXVIII:17 [...] Darauß verhandlet werden / So wol<br />

<strong>die</strong> heilige Schreken als <strong>die</strong> Lieblichkeiten Jehovae, bey dem offentlichen Gottes<strong>die</strong>nst deren<br />

Christen: Vorgestelt <strong>in</strong> Volkreicher Versammlung / bey frlicher E<strong>in</strong>weyhung der neuerbauten<br />

Kirch Zu St. Peter <strong>in</strong> Zürich / Sontag Abens den 21. W<strong>in</strong>term. 1706. […] (Zürich 1710). Die<br />

Predigt ist zu Gen 28,17 (Traum Jakobs). Zur Traumvision Jakobs als wichtiges Motiv bei<br />

Kirchweihpredigten im Luthertum vgl. <strong>Leeb</strong>, Heiligkeit (wie Anm. 2) 48.<br />

5<br />

Samuel Lupichius, Der Tempel deß H. Geistes. Oder Christliche E<strong>in</strong>weyhungs=Predigt.<br />

Bey solennischer E<strong>in</strong>weyhung der neu erbauten Kirchen <strong>zum</strong> Heiligen Geist, In Loblicher<br />

Haupt=Statt Brn / Sonntags den 6ten W<strong>in</strong>termonat / 1729. In sehr Volckreicher Versamlung<br />

pncktlich gehalten (Bern 1729). Die Predigt ist zu 1 Kor 6,19 (Leib als der Tempel <strong>des</strong> Heiligen<br />

Geistes).<br />

6<br />

Peter Werenfels, Christliche Evangelische E<strong>in</strong>weihung der ernewerten obersten Pfarrkirchen<br />

<strong>des</strong> Mnsters zu Basel / Welche da geschehen durch das Wort Gottes und Gebtt / nach<br />

dem <strong>die</strong> Ernewerung derselben vollendet worden / Sontag Morgens / den 27. W<strong>in</strong>termonat im<br />

Jahr Christi MDCCI. Der Text der Predigt ist Jacobs BethEl / Gen. XXVIII. […] (Basel 1701).<br />

Die Predigt ist zu Gen 28,16–19 (Traum Jakobs).<br />

7<br />

1701 (Basler Münster), 1706/10 (St. Peter zu Zürich), 1729 (Heiliggeist zu Bern).<br />

8<br />

<strong>Leeb</strong>, Heiligkeit (wie Anm. 2) 39.<br />

9<br />

Ebenda. Vgl. auch Werenfels, E<strong>in</strong>weihung (wie Anm. 6) 27: »Ferner wie <strong>die</strong> Gottheit ke<strong>in</strong>e<br />

gradus oder stafflen hat / daß man sagen kan / es seye e<strong>in</strong>er mehr oder weniger Gott / also hat<br />

auch cultus religiosus <strong>die</strong> Gottes<strong>die</strong>nstliche Verehrung ke<strong>in</strong>e gradus, daß man sagen kan / man<br />

verehre <strong>die</strong> Heiligen zwar religiose Gottes-<strong>die</strong>nstlich / aber <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em ger<strong>in</strong>geren grad als Gott.«<br />

82


Der elevatorische Charakter <strong>des</strong> reformierten Kirchenraumes<br />

den E<strong>in</strong>weihungspredigten verschiedene Ebenen der Gegenwart Gottes und damit<br />

der Heiligkeit genannt werden, <strong>die</strong> mite<strong>in</strong>ander korrespon<strong>die</strong>ren.<br />

II.1 Gottes All-Gegenwart<br />

Die Lehre von der absoluten Heiligkeit und Allmacht Gottes bzw. <strong>die</strong> scharfe Diastase<br />

zwischen Gott und der Schöpfung ist zwar ke<strong>in</strong> reformiertes Proprium, aber<br />

im Reformiertentum dennoch stärker akzentuiert als <strong>in</strong> anderen Konfessionen. So<br />

wird <strong>die</strong> Aussage Jakobs <strong>in</strong> Gen 28,17 (»Gewißlich ist der Herr an <strong>die</strong>sem Ort / und<br />

ich wußte es nicht.«) theologisch e<strong>in</strong>geordnet: Denn Jakob habe selbstverständlich<br />

gewusst, dass »Gott an <strong>die</strong>sem, ja an allen orten zugegen seye […]. Dann e<strong>in</strong>er da<br />

glaubt / daß e<strong>in</strong> Gott seye / muß nothwendig glauben / daß er allgegenwrtig seye.«<br />

So wird unterschieden zwischen e<strong>in</strong>er »allgeme<strong>in</strong>en Gegenwart Gottes / nach deren<br />

er an allen orten zugegen ist« und e<strong>in</strong>er »sonderbahren Gegenwart«. 10 Diese ›besondere<br />

Gegenwart‹ Gottes wird mit der Offenbarung verbunden, <strong>die</strong> ja Jakob <strong>in</strong> Bethel<br />

im Traum erfahren hat. Die E<strong>in</strong>weihungspredigten beschäftigen sich <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie<br />

mit <strong>die</strong>ser ›besonderen Gegenwart‹ Gottes. Diese unterteile ich <strong>in</strong> folgende Ebenen:<br />

<strong>die</strong> transzendente Gegenwart Gottes im Himmel, <strong>in</strong> Jesus Christus, im Gläubigen<br />

und im Gottes<strong>die</strong>nstvollzug bzw. <strong>in</strong> der Kirche.<br />

II.2 Gegenwart Gottes im Himmel<br />

Eng mit der Allgegenwart Gottes korrespon<strong>die</strong>rt <strong>die</strong> Gegenwart Gottes »im<br />

Himmel«. 11 Dieser transzendente ›Ort‹ ist als Abgrenzung gegenüber der Welt gedacht,<br />

wo Gottes Gegenwart eben nicht lokalisiert werden kann.<br />

II.3 Gegenwart Gottes <strong>in</strong> Jesus Christus<br />

In der Predigt zu St. Peter <strong>in</strong> Zürich wird <strong>in</strong> der Auslegung der ›Jakobsleiter‹ <strong>die</strong><br />

Präsenz Gottes auf Christus h<strong>in</strong> typisiert: »Jacob hat Christum gesehen, der der<br />

Tempel Gottes ist / dadurch man <strong>in</strong> den Himmel e<strong>in</strong>gehet.« 12 Christus ist es, der<br />

vom Himmel steigt und durch Christus kommt man <strong>in</strong> den Himmel. Dabei ist<br />

Christus zugleich <strong>die</strong> Himmelsleiter, das Gotteshaus und <strong>die</strong> offene Himmelspforte,<br />

durch <strong>die</strong> man <strong>zum</strong> himmlischen Thron kommt. Dass Christus das Haus Gottes<br />

– auf Hebräisch ›Bethel‹, der Ort, wo Jakob se<strong>in</strong>e Traumvision hatte – ist, wird<br />

<strong>in</strong>karnatorisch begründet. Doch Christus ist nicht nur ›Ort‹ <strong>des</strong> Heiligen, sondern<br />

auch Mittler <strong>zum</strong> Heiligen. Dies wird anhand <strong>des</strong> Salomonischen Tempels exemplifiziert:<br />

Christus führt zuerst <strong>in</strong> <strong>die</strong> Geme<strong>in</strong>schaft der Kirche (Vorhof), dann <strong>in</strong><br />

<strong>die</strong> Geme<strong>in</strong>schaft mit ihm selbst (Heiligstes) und dann zuletzt <strong>in</strong> <strong>die</strong> Geme<strong>in</strong>schaft<br />

10<br />

Werenfels, E<strong>in</strong>weihung (wie Anm. 6) 10.<br />

11<br />

Etwa <strong>in</strong> Nüscheler, Bethel (wie Anm. 4) 10: »Wahr ists / s<strong>in</strong>th dem Jehova se<strong>in</strong>en Thron im<br />

Himmel bevestiget / und alle Theil der Erden foll worden se<strong>in</strong>er Gte / so ist auf der gantzen<br />

weiten Welt ke<strong>in</strong> Ohrt / ke<strong>in</strong> Berg mehr heiliger als der andere.« Bezüge <strong>zum</strong> himmlischen<br />

Thronsaal Gottes als Synonym <strong>für</strong> se<strong>in</strong>e absolute Transzendenz und Heiligkeit s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> den<br />

Predigten immer wieder zu f<strong>in</strong>den.<br />

12<br />

Ebenda 14f. Das Zitat ist von Tertullian und ist zu f<strong>in</strong>den <strong>in</strong> Tert., adv. Marc., III.24.<br />

83


Gergely Csukás<br />

mit dem Vater (Allerheiligstes), d. h. »<strong>in</strong> <strong>die</strong> freude <strong>des</strong> Himmels […], da sich Tempel<br />

im Tempel f<strong>in</strong>det / wir <strong>in</strong> Christo / er <strong>in</strong> uns / beyde im Vatter / und mit dem<br />

Vatter <strong>in</strong>s überhimmlischen Wese[n] versetzet!« Heiligkeit auf Erden konstituiert<br />

alle<strong>in</strong> Christus, nicht etwa <strong>die</strong> liturgische Praxis der römisch-katholischen Kirche.<br />

Die Conclusio lautet daher: »O wie e<strong>in</strong>e heilige und herrliche Religion muß unsere<br />

Reformierte seyn / <strong>die</strong> Christum <strong>für</strong> e<strong>in</strong> allerheiligstes Gottshauß / und Himmelspforten<br />

haltet / bekennet / verehret / und anbettet.« 13<br />

II.4 Gegenwart Gottes im Gläubigen<br />

Entsprechend der paul<strong>in</strong>ischen Theologie wird der menschliche Leib der Gläubigen<br />

als Tempel <strong>des</strong> Heiligen Geistes verstanden, bzw. <strong>die</strong> gläubige Seele ist der Ort,<br />

wo Gott durch den Glauben präsent ist. 14 Dabei wird der ganze Mensch samt Leib,<br />

Seele und Geist als Tempel verstanden. Dies kann auch durch <strong>die</strong> Metapher <strong>des</strong><br />

Salomonischen Tempels ausgedrückt werden: Der Vorhof ist der s<strong>in</strong>nliche Leib,<br />

das Heiligste ist der Verstand und das Allerheiligste ist der Wille. 15 Die Metapher<br />

<strong>des</strong> Tempels bed<strong>in</strong>gt zudem, dass nach reformiertem Verständnis <strong>die</strong> Präsenz <strong>des</strong><br />

Heiligen Geistes im Gläubigen nicht nur e<strong>in</strong>e Gabe, sondern auch e<strong>in</strong>e Aufgabe<br />

ist. Über weite Strecken s<strong>in</strong>d <strong>die</strong> Predigten im S<strong>in</strong>ne der Heiligung paränetisch<br />

geprägt. So dürfen <strong>die</strong>se Leiber, <strong>in</strong> denen der Geist Gottes wohnt, nicht der Hurerei<br />

h<strong>in</strong>gegeben werden (1 Kor 6,12–20). 16 Die E<strong>in</strong>wohnung <strong>des</strong> Heiligen Geistes<br />

im Menschen wird mit der E<strong>in</strong>wohnung Gottes im Tempel zu Jerusalem (Schech<strong>in</strong>a)<br />

verglichen. Neutestamentlich gesehen wohnt nun <strong>die</strong>se Heiligkeit Gottes<br />

im Gläubigen. 17<br />

II.5 Gegenwart Gottes im Gottes<strong>die</strong>nst<br />

Wie schon erwähnt, kommt im <strong>Protestantismus</strong> dem Kirchenraum als solchem ke<strong>in</strong>e<br />

Heiligkeit zu, sondern nur dem Vollzug <strong>des</strong> dar<strong>in</strong> stattf<strong>in</strong>denden Gottes<strong>die</strong>nstes.<br />

Die heiligen Handlungen im Gottes<strong>die</strong>nst werden <strong>in</strong> den E<strong>in</strong>weihungspredigten<br />

immer wieder aufgelistet: das Predigen und Hören <strong>des</strong> Wortes Gottes, das Gebet,<br />

der Lobgesang, der Gebrauch der Sakramente Taufe und Abendmahl, <strong>die</strong> Kirchenzucht<br />

und <strong>die</strong> Sammlung der Almosen sowie Eheschließung und Beerdigung. 18<br />

13<br />

Zum Ganzen vgl. Nüscheler, Bethel (wie Anm. 4) 19f. Vgl. auch Werenfels, E<strong>in</strong>weihung<br />

(wie Anm. 6) 5: »Unser Tempel ist jetzt Christus Jesus / <strong>in</strong> welchem <strong>die</strong> gantze Fülle der Gottheit<br />

leibhafftig wohnet: Er der Herr Christus ist auch unser Bundsladen / oder Gandenstul […],<br />

er ist unser Altar / unser Opfer / und unser Priester [...].« Der Salomonische Tempel bzw. der<br />

alttestamentliche Kultus wird <strong>in</strong> verschiedenen Variationen auf Christus h<strong>in</strong> typisiert.<br />

14<br />

<strong>Leeb</strong>, Heiligkeit (wie Anm. 2) 41f.<br />

15<br />

Lupichius, Tempel (wie Anm. 5) 23.<br />

16<br />

Ebenda 12f.<br />

17<br />

Ebenda 16f. Dabei wird Ignatius von Antiochien zitiert, der den Gläubigen als »Tempelträger«<br />

(Naophoros) bezeichnet. Ign. Eph., 9.<br />

18<br />

So prägnant aufgelistet <strong>in</strong> Werenfels, E<strong>in</strong>weihung (wie Anm. 6) 6; und ausführlicher ebenda<br />

84<br />

12f.


Der elevatorische Charakter <strong>des</strong> reformierten Kirchenraumes<br />

So wird <strong>die</strong> Gegenwart Gottes explizit mit <strong>die</strong>sen heiligen Handlungen <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung<br />

gebracht:<br />

»In<strong>des</strong>sen bleibts dabey / daß Gott gegenwrtig sey <strong>in</strong> unsern Kirchen= und Kirch-versamlungen<br />

/ da das Wort Gottes geprediget und angehret / und der wahre Gottes<strong>die</strong>nst<br />

gebet wird. Gott ist beral und aller orten nach se<strong>in</strong>er Macht; <strong>in</strong> und bey se<strong>in</strong>er Kirchen<br />

nach se<strong>in</strong>er Gnad; [...] In unseren Kirchen und heiligen Versamlungen ist gegenwrtig<br />

unser HERR Jesus Christus laut se<strong>in</strong>er Verheissung: [Mt 18,20].« 19<br />

Die Gegenwart Gottes im Gottes<strong>die</strong>nst soll wiederum <strong>die</strong> Heiligung <strong>des</strong> Gläubigen<br />

bewirken. 20<br />

Gott ist also präsent im Gottes<strong>die</strong>nst bzw. <strong>in</strong> der Kirche, aber <strong>die</strong>s gilt nur so lange<br />

wie <strong>die</strong> Menge der Gläubigen versammelt ist und der Gottes<strong>die</strong>nst vollzogen<br />

wird. Prägnant kommt <strong>die</strong>s <strong>in</strong> der Predigt zu St. Peter <strong>in</strong> Zürich <strong>zum</strong> Ausdruck:<br />

»der Geist und das Wort heiligen <strong>die</strong> Tempel; nicht dem Ohrt / sonder dem Wort<br />

/ gehret Ehr / weil sich dar<strong>in</strong>n der grosse Gott geoffenbaret / nicht das Gebue /<br />

sonder <strong>die</strong> gottsfrchtigen Herzen / machen Bethel <strong>zum</strong> Bethel.« 21<br />

Die Heiligkeit <strong>des</strong> Gottes<strong>die</strong>nstes färbt <strong>in</strong> gewissem S<strong>in</strong>ne aber auch auf <strong>die</strong> Kirche<br />

selbst ab. Anspielungen dazu gibt es <strong>in</strong> den E<strong>in</strong>weihungspredigten:<br />

»Unsere Tempel und Gotteshuser knnen auch Himmels-pforten genennet werden.<br />

[...] also können wir <strong>in</strong> der Kirch / wann dar<strong>in</strong>n das Wort Gottes von dem ewigen Leben<br />

geprediget wird / gleichsam e<strong>in</strong>en Blick thun <strong>in</strong> den Himmel selbsten / da wir mit<br />

Glaubens-augen sehen / wie Gott daselbst se<strong>in</strong>e Majestt und Herrlichkeit sehen lasse.« 22<br />

19<br />

Ebenda 12; vgl. auch ebenda 11: »Nun was Jacob von dem Ort sagt / da er den gttlichen Traum<br />

gehabt / das mgen wir auch von unseren Templen und Kirchen sagen / daß Gott gewißlich<br />

<strong>in</strong> denselben zugegen seye / wann er sich <strong>in</strong> denselben offenbahret durch se<strong>in</strong> Wort / und <strong>die</strong><br />

Versamlungen der Heiligen alda gehalten werden. Dann was wir von der gndigen Gegenwart<br />

Gottes <strong>in</strong> den Templen sagen / das verstehen wir nit von den lren Templen / oder von den<br />

Kirchen-gebwen an sich selbsten / und ohne <strong>die</strong> heiligen Versamlungen / sonder von den<br />

Templen / wann und so fern der Gottes<strong>die</strong>nst dar<strong>in</strong>n verrichtet wird / und das Volck Gottes<br />

zusammen kompt.«<br />

20<br />

Ebenda 12f.: »Nun <strong>die</strong>se Wort / gewißlich ist der Herr an <strong>die</strong>sem ort / sollen wir unseren Hertzen<br />

wol e<strong>in</strong>drucken / als offt wir zu Kirchen gehen / oder <strong>in</strong> der Kirchen s<strong>in</strong>d / daß wir gedencken<br />

/ diß seye der Ort / da Gott auff e<strong>in</strong> sonderbahre weis gegenwrtig seye / wir ersche<strong>in</strong>en <strong>für</strong><br />

Gottes Angesicht. Gott ist gegenwrtig <strong>in</strong> unseren Versamlungen / er siehet wer vorhanden<br />

seye / wer da mangle / er siehets / wann de<strong>in</strong> Stul / umb den du dich so sehr beworben hast<br />

/ lr stehet. [etc.].« E<strong>in</strong> schönes Beispiel, wie <strong>die</strong> frühneuzeitlichen Gestühlsordnungen e<strong>in</strong>e<br />

sozialdiszipl<strong>in</strong>ierende Wirkung auslösen. Vgl. <strong>Leeb</strong>, Heiligkeit (wie Anm. 2) 38, 45.<br />

21<br />

Nüscheler, Bethel (wie Anm. 4) 10.<br />

22<br />

Werenfels, E<strong>in</strong>weihung (wie Anm. 6) 30.<br />

85


GLAUBE ALS SYMBOLPRODUKTIVE WIRKLICHKEIT DER<br />

CHRISTLICHEN RELIGION<br />

Überlegungen im Anschluss an Paul Tillich und Karl Barth<br />

Von Christian Danz<br />

I. Vorbemerkung<br />

Wer über das Glaubensverständnis von Paul Tillich und Karl Barth im Horizont<br />

Mart<strong>in</strong> Luthers nachdenkt, ist gut beraten, Ernst Troeltschs Urteil über <strong>die</strong> Entwicklungsgeschichte<br />

<strong>des</strong> <strong>Protestantismus</strong> <strong>in</strong> der Neuzeit nicht außer Acht zu lassen.<br />

Der moderne, aus der Aufklärung hervorgegangene <strong>Protestantismus</strong>, so Troeltsch<br />

<strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Schrift Protestantisches Christentum und Kirche <strong>in</strong> der Neuzeit von 1906,<br />

stelle gegenüber dem <strong>des</strong> 16. und 17. Jahrhunderts e<strong>in</strong>en Bruch dar und stehe »Sebastian<br />

Franck näher als se<strong>in</strong>em Helden Luther«. 1 Was ist mit <strong>die</strong>sem Bruch zwischen<br />

Alt- und Neuprotestantismus geme<strong>in</strong>t?<br />

Mart<strong>in</strong> Luther rückte den Glauben <strong>in</strong> das Zentrum se<strong>in</strong>er reformatorischen Neudeutung<br />

der christlichen Religion. Im Glauben besteht, wie es im Freiheitstraktat<br />

von 1520 heißt, das Ganze <strong>des</strong> Heils im Gottesverhältnis, sodass das entscheidende<br />

theologische Problem <strong>in</strong> der richtigen Aneignung <strong>die</strong>ses Heils im Glauben liegt.<br />

Glaube ist e<strong>in</strong> Vollzug <strong>des</strong> Menschen, der von ihm selbst nicht hervorgebracht werden<br />

kann. Für <strong>die</strong>se gegenläufige Struktur steht bei Luther bekanntlich der Heilige<br />

Geist als Aneignung <strong>des</strong> Heils. Die Aneignung <strong>des</strong> Heils im Glauben normiert <strong>für</strong><br />

den Reformator geradezu das Gottesverständnis, sodass der Glaube Grund und<br />

Grenze <strong>des</strong> Gottesverhältnisses ist. Doch zugleich geht Luther noch fraglos davon<br />

aus, dass <strong>die</strong> Gehalte <strong>des</strong> Glaubens, Gott, se<strong>in</strong>e Schöpfung oder <strong>die</strong> Bibel als Heilige<br />

Schrift, auch außerhalb <strong>des</strong> Glaubens <strong>in</strong> ihrer göttlichen Dignität gewusst werden<br />

können. Dieser kosmologisch-metaphysische Rahmen, den Luthers Theologie und<br />

somit auch se<strong>in</strong> Glaubensverständnis <strong>in</strong> Anspruch nahm, ist durch <strong>die</strong> historische<br />

Bibelkritik und <strong>die</strong> Erkenntniskritik der Aufklärung unwiederbr<strong>in</strong>glich zerbrochen<br />

worden.<br />

Für <strong>die</strong> protestantische Theologie bedeutete <strong>die</strong>s, dass sie ihre methodischen<br />

Grundlagen neu bestimmen musste, um weiterh<strong>in</strong> Wissenschaft <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em universitären<br />

S<strong>in</strong>ne se<strong>in</strong> zu können. In der ›Sattelzeit der Moderne‹ unterschied sie <strong>des</strong>halb<br />

zwischen Theologie und Religion und ersetzte sowohl den Gottesgedanken<br />

1<br />

Ernst Troeltsch, Protestantisches Christentum und Kirche <strong>in</strong> der Neuzeit (1906/1909/1922)<br />

(Kritische Gesamtausgabe 7, Berl<strong>in</strong>–New York 2004) 193.<br />

95


Christian Danz<br />

der theologia naturalis als auch das Schriftpr<strong>in</strong>zip durch den Religionsbegriff. Zur<br />

Folge hatte das, dass e<strong>in</strong> gegenüber dem Altprotestantismus neues Verständnis von<br />

Theologie etabliert wurde. Die Theologie geht um 1800 von e<strong>in</strong>em Religionsbegriff<br />

aus, den sie <strong>in</strong> der Struktur <strong>des</strong> Bewusstse<strong>in</strong>s verankerte und auf <strong>die</strong>se Weise <strong>die</strong><br />

Allgeme<strong>in</strong>heit der Religion sicherte. Religion wird zu e<strong>in</strong>em Bestandteil der conditio<br />

humana. Sie liegt den geschichtlichen Religionen zugrunde. Als Wissenschaft bezieht<br />

<strong>die</strong> Theologie <strong>die</strong> Aussagen, Bilder und Inhalte der christlichen Religion nun<br />

nicht mehr auf Gegenstände, sondern auf <strong>die</strong> sich <strong>in</strong> <strong>die</strong>sen Aussagen und Bildern<br />

artikulierende Religion. Religiöse Inhalte und Religion entstehen zugleich, <strong>in</strong>dem<br />

sich <strong>die</strong> im Menschen bereits angelegte religiöse Anlage aktualisiert. Aufgabe e<strong>in</strong>er<br />

wissenschaftlichen Theologie ist es nun, <strong>die</strong>sen Zusammenhang von religiösen<br />

Inhalten und Religion auf e<strong>in</strong>e methodisch kontrollierbare Weise zu beschreiben.<br />

Paul Tillich und Karl Barth haben sich von e<strong>in</strong>em solchen Theologieverständnis<br />

abgesetzt, welches von e<strong>in</strong>em <strong>in</strong> der Struktur <strong>des</strong> Bewusstse<strong>in</strong>s verankerten<br />

Religionsbegriff ausgeht, wie es <strong>für</strong> das 19. Jahrhundert und auch noch <strong>für</strong> Ernst<br />

Troeltsch signifikant war. Doch dadurch s<strong>in</strong>d sie gerade nicht zu Mart<strong>in</strong> Luther<br />

oder zur Bibel zurückgekehrt. Auch wenn beide, vor allem Karl Barth, ihre neuen,<br />

nach dem Ersten Weltkrieg ausgearbeiteten Theologien als e<strong>in</strong>en Bruch mit dem<br />

19. Jahrhundert <strong>in</strong>szenieren, <strong>die</strong> gleichsam an <strong>die</strong> Bibel oder <strong>die</strong> Reformation anknüpfen,<br />

so geht es ihnen doch um e<strong>in</strong>e Neubestimmung der christlichen Religion<br />

vor dem H<strong>in</strong>tergrund der Grundlegungsprobleme moderner Theologie. Aus <strong>die</strong>ser<br />

Perspektive wird erst, wie zu zeigen se<strong>in</strong> wird, sichtbar, dass das Glaubensverständnis<br />

von Tillich und Barth ähnlich konstruiert ist. Ihre Differenzen erklären sich<br />

denn auch weniger durch ihre unterschiedlichen Konfessionszugehörigkeiten –<br />

Barth war bekanntlich reformiert und Tillich lutherisch –, sondern durch differente<br />

Konstruktionen ihrer Theologien, <strong>die</strong> von vergleichbaren Ausgangspunkten und<br />

theoretischen Gesichtspunkten ausgehen.<br />

Wenn es im Folgenden um Tillichs und Barths Glaubensverständnis gehen<br />

soll, wie <strong>die</strong> e<strong>in</strong>leitenden Bemerkungen deutlich gemacht haben, dann heißt das<br />

selbstverständlich nicht, <strong>die</strong>ses mit dem Glaubensverständnis <strong>des</strong> Reformators zu<br />

vergleichen oder es an den Aussagen Luthers <strong>zum</strong> Glauben zu messen. Das ist,<br />

da jede Darstellung von Luthers Glaubensverständnis selbst e<strong>in</strong>e zeitgebundene<br />

Deutung ist, schlichtweg nicht möglich. Wir müssen uns also auf das Verständnis<br />

<strong>des</strong> reformatorischen Glaubens durch Tillich und Barth beschränken und d. h. auf<br />

<strong>die</strong> kulturellen und geistigen Bed<strong>in</strong>gungen <strong>des</strong> 20. Jahrhunderts, <strong>die</strong> sich mit dem<br />

Zeitalter Luthers nicht vergleichen lassen. Das wird <strong>in</strong> drei Abschnitten geschehen.<br />

E<strong>in</strong>zusetzen ist mit dem Glaubensverständnis Paul Tillichs, wie er es <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en<br />

Schriften seit dem Ende <strong>des</strong> Ersten Weltkriegs ausgearbeitet hat. Im zweiten Abschnitt<br />

werden wir uns Karl Barths Verständnis <strong>des</strong> Glaubens zuwenden. Abschließen<br />

möchte ich mit e<strong>in</strong> paar Überlegungen, wie Tillichs und Barths Neudeutungen<br />

<strong>des</strong> Glaubens vor dem veränderten gesellschaftlichen und kulturellen H<strong>in</strong>tergrund<br />

<strong>des</strong> 21. Jahrhunderts weitergeführt werden können.<br />

96


Glaube als symbolproduktive Wirklichkeit der christlichen Religion<br />

II. »Alle<strong>in</strong> aus Glauben«, oder: Paul Tillichs Deutung <strong>des</strong><br />

reformatorischen Glaubensbegriffs<br />

»Glaube ist das Ergriffense<strong>in</strong> von dem, was uns unbed<strong>in</strong>gt angeht.« 2 So lautet Paul<br />

Tillichs bekannte Bestimmung <strong>des</strong> Glaubens <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er 1957 publizierten Schrift<br />

Dynamics of Faith. Die Formel fasst Überlegungen zur Struktur <strong>des</strong> Glaubensverständnisses<br />

zusammen, <strong>die</strong> er seit dem Ende <strong>des</strong> Ersten Weltkriegs ausgearbeitet<br />

hat und <strong>die</strong> auch <strong>für</strong> se<strong>in</strong>e späte Systematische Theologie noch bestimmend s<strong>in</strong>d.<br />

Glaube ist e<strong>in</strong> unbed<strong>in</strong>gtes Ergriffense<strong>in</strong>. Um den Gehalt <strong>die</strong>ser e<strong>in</strong>gängigen Formel<br />

zu entschlüsseln, wird man gut daran tun, sie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er werkgeschichtlichen<br />

Perspektive zu rekonstruieren. Das soll im Folgenden im Ausgang von Tillichs<br />

1919 verfasstem Entwurf Rechtfertigung und Zweifel geschehen, den er zu se<strong>in</strong>en<br />

Lebzeiten nicht selbst publiziert hat. 3 Bei <strong>die</strong>sem Text handelt es sich um e<strong>in</strong>e Art<br />

Empfehlungsschreiben <strong>in</strong> eigener Sache <strong>für</strong> <strong>die</strong> Theologische Fakultät der Universität<br />

Berl<strong>in</strong>, an <strong>die</strong> er sich im Januar 1919 umhabilitiert hatte. Tillich arbeitete <strong>in</strong><br />

<strong>die</strong>sem Entwurf, der <strong>in</strong> zwei Versionen überliefert ist, se<strong>in</strong> neues, an dem Paradox<br />

e<strong>in</strong>es »Glaubens ohne Gott« 4 orientiertes Verständnis der Rechtfertigung alle<strong>in</strong><br />

aus Glauben erstmals systematisch aus. 5 Wir müssen zunächst <strong>die</strong> theoretischen<br />

Grundlagen <strong>die</strong>ses Entwurfs <strong>in</strong> den Blick nehmen, sodann den Glaubensbegriff<br />

bestimmen. Abschließend ist noch knapp auf <strong>die</strong> Weiterentwicklung <strong>die</strong>ser Neukonzeption<br />

<strong>des</strong> Glaubens h<strong>in</strong>zuweisen.<br />

Tillichs Entwurf Rechtfertigung und Zweifel geht es um <strong>die</strong> Ausarbeitung e<strong>in</strong>es<br />

Pr<strong>in</strong>zips <strong>des</strong> <strong>Protestantismus</strong>, welches zugleich Grundlage der autonomen Kultur<br />

se<strong>in</strong> soll. Dieses Pr<strong>in</strong>zip ist <strong>die</strong> Rechtfertigung alle<strong>in</strong> durch Glauben. Doch anders<br />

als <strong>in</strong> der protestantischen Lehrtradition erweitert Tillich den Rechtfertigungsgedanken.<br />

Wie bereits <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Schriften vor dem Ersten Weltkrieg löst er ihn<br />

von se<strong>in</strong>er soteriologischen Fassung ab und gebraucht ihn als e<strong>in</strong> universales Pr<strong>in</strong>-<br />

2<br />

Paul Tillich, Wesen und Wandel <strong>des</strong> Glaubens, <strong>in</strong>: Ders., Offenbarung und Glaube. Schriften<br />

zur Theologie II, hg. von Renate Albrecht (= Gesammelte Werke, Bd. VIII, Stuttgart 1970)<br />

111–196, hier 111.<br />

3<br />

Vgl. Ders., Rechtfertigung und Zweifel, <strong>in</strong>: Ders., Religion, Kultur, Gesellschaft. Unveröffentlichte<br />

Texte aus der deutschen Zeit (1908–1933), hg. von Erdmann Sturm (= Ergänzungs- und<br />

Nachlassbände zu den Gesammelten Werken, Bd. X, Berl<strong>in</strong>–New York 1999) 127–185 (1. Version),<br />

185–230 (2. Version). Ich beziehe mich im Folgenden auf <strong>die</strong>sen Text und verzichte auf<br />

Belege.<br />

4<br />

Paul Tillich an E. Hirsch (20.2.1918), <strong>in</strong>: Paul Tillich, Briefwechsel und Streitschriften. Theologische,<br />

philosophische und politische Stellungnahmen und Gespräche, hg. von Renate Albrecht/René<br />

Trautmann (= Ergänzungs- und Nachlassbände zu den Gesammelten Werken,<br />

Bd. VI, Frankfurt a. M. 1983) 121.<br />

5<br />

Vgl. Paul Tillich an E. Hirsch (12.11.1917), <strong>in</strong>: Tillich, Briefwechsel (wie Anm. 4) 97. Vgl. hierzu<br />

Folkart Wittek<strong>in</strong>d, »Alle<strong>in</strong> durch Glauben«. Tillichs s<strong>in</strong>ntheoretische Umformulierung<br />

<strong>des</strong> Rechtfertigungsverständnisses 1919, <strong>in</strong>: Religion – Kultur – Gesellschaft. Der frühe Tillich<br />

im Spiegel neuer Texte (1919–1920), hg. von Christian Danz/Werner Schüssler (Wien 2008)<br />

39–65; zu den werkgeschichtlichen H<strong>in</strong>tergründen vgl. Samuel A. Shearn, Pastor Tillich. The<br />

Justification of the Doubter (Oxford 2022).<br />

97


Christian Danz<br />

zip, um <strong>die</strong> Struktur <strong>des</strong> religiösen Akts zu beschreiben. Sodann ist mit Tillichs<br />

rechtfertigungstheologischer Neubeschreibung der Religion e<strong>in</strong>e Kritik an vermögenstheoretischen<br />

Religionsbegriffen verbunden. Religion ist ke<strong>in</strong> Bestandteil der<br />

Bewusstse<strong>in</strong>sstruktur, sondern e<strong>in</strong> Reflexionsakt im Selbstverhältnis <strong>des</strong> Bewusstse<strong>in</strong>s.<br />

Auch das s<strong>in</strong>d Überlegungen, <strong>die</strong> sich bereits <strong>in</strong> Tillichs Vorkriegstheologie<br />

f<strong>in</strong>den, <strong>die</strong> er 1919 aufnimmt und weiterführt. Und schließlich nimmt Tillich<br />

drittens <strong>in</strong> se<strong>in</strong>e Neubestimmung der Religion <strong>die</strong> Religionskritik auf. Erst hieraus<br />

ergibt sich der paradoxe Gedanke e<strong>in</strong>es Glaubens ohne Gott bzw. e<strong>in</strong>es ›Gottes über<br />

Gott‹, der <strong>in</strong> dem Entwurf von 1919 ausgeführt wird. Jeder Gottesgedanke – das ist<br />

<strong>in</strong> der Moderne bewusst geworden – ist e<strong>in</strong>e Setzung <strong>des</strong> Menschen, <strong>die</strong> auch wieder<br />

zurückgenommen werden kann. Der wahre Gott, soll er nicht e<strong>in</strong>e Produktion<br />

<strong>des</strong> Menschen se<strong>in</strong>, kann also nicht gesetzt werden. Er kann sich nur offenbaren.<br />

Tillichs erkenntniskritische Neubestimmung der Theologie, <strong>die</strong> er nach dem Ersten<br />

Weltkrieg ausgearbeitet hat, geht von der Offenbarung Gottes aus. Doch <strong>die</strong>se fasst<br />

er nicht soteriologisch, auf <strong>die</strong> Christologie bezogen, sondern weitet sie gleichsam<br />

kosmologisch aus. Wie konstruiert nun Tillich <strong>die</strong> Offenbarung Gottes sowie den<br />

Glaubensbegriff?<br />

Tillichs Offenbarungs- und Glaubensverständnis resultiert aus e<strong>in</strong>er neoidealistischen<br />

Weiterführung neukantianischer Religionsphilosophien. Grundlage<br />

se<strong>in</strong>er Theologie ist das Selbstverhältnis <strong>des</strong> Bewusstse<strong>in</strong>s als Ort aller Realitätssetzungen.<br />

Den konkreten theoretischen und praktischen Realitätssetzungen<br />

<strong>des</strong> Bewusstse<strong>in</strong>s liegt <strong>die</strong> unendliche Reflexivität <strong>des</strong> Bewusstse<strong>in</strong>s als e<strong>in</strong>e Art<br />

Kantisches ›D<strong>in</strong>g an sich‹ bereits zugrunde. Tillich bezeichnet <strong>die</strong>se unendliche<br />

Reflexivität, <strong>die</strong> Grundlage und Voraussetzung aller Akte <strong>des</strong> Bewusstse<strong>in</strong>s ist, als<br />

das Unbed<strong>in</strong>gte. Als Voraussetzung aller Akte <strong>des</strong> Bewusstse<strong>in</strong>s ist <strong>die</strong> unendliche<br />

Reflexivität <strong>des</strong> Bewusstse<strong>in</strong>s oder das Unbed<strong>in</strong>gte selbst nichts Bestimmtes und<br />

damit auch pr<strong>in</strong>zipiell unfassbar und nicht darstellbar. Das Unbed<strong>in</strong>gte ist zugleich<br />

Grund und Abgrund <strong>des</strong> Bewusstse<strong>in</strong>s.<br />

Im Rahmen <strong>die</strong>ser eben skizzierten allgeme<strong>in</strong>en bewusstse<strong>in</strong>stheoretischen<br />

Grundlegungsstruktur konstruiert Tillich Religion. Religion besteht <strong>in</strong> der Erschlossenheit<br />

der allgeme<strong>in</strong>en Grundlegungsstruktur <strong>des</strong> Bewusstse<strong>in</strong>s im <strong>in</strong>dividuellen<br />

Bewusstse<strong>in</strong>. Die Unbed<strong>in</strong>gtheitsdimension, <strong>die</strong> Bestandteil je<strong>des</strong> Bewusstse<strong>in</strong>s<br />

ist, wird <strong>in</strong> der Religion im <strong>in</strong>dividuellen Bewusstse<strong>in</strong> durchsichtig. Diese<br />

Erfassung ist an e<strong>in</strong>en Vollzug im Selbstverhältnis <strong>des</strong> Bewusstse<strong>in</strong>s gebunden,<br />

sodass das Unbed<strong>in</strong>gte – <strong>die</strong> Grundlage und Voraussetzung aller Bewusstse<strong>in</strong>sakte<br />

– alle<strong>in</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem Akt gegeben ist. Religion ist folglich <strong>die</strong> Erfassung und<br />

Durchsichtigkeit <strong>des</strong> Bewusstse<strong>in</strong>s <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>heit und Ganzheit, oder mit Tillichs<br />

eigenen Worten: Richtung auf das Unbed<strong>in</strong>gte bzw. Me<strong>in</strong>en <strong>des</strong> Unbed<strong>in</strong>gten.<br />

Doch wie erfasst das <strong>in</strong>dividuelle Bewusstse<strong>in</strong> das ihm stets schon zugrunde<br />

liegende Unbed<strong>in</strong>gte? Wie wir gesehen haben, ist das Innewerden der allgeme<strong>in</strong>en<br />

Grundlegungsstruktur <strong>des</strong> Bewusstse<strong>in</strong>s im <strong>in</strong>dividuellen Bewusstse<strong>in</strong> an e<strong>in</strong>en<br />

Akt im Bewusstse<strong>in</strong> gebunden. Tillich bezeichnet <strong>die</strong>sen Akt metaphorisch als<br />

Durchbruch <strong>des</strong> Unbed<strong>in</strong>gten im Bed<strong>in</strong>gten. Damit ist e<strong>in</strong> Negationsakt geme<strong>in</strong>t.<br />

98


Glaube als symbolproduktive Wirklichkeit der christlichen Religion<br />

Erfassen lässt sich das Unbed<strong>in</strong>gte als Voraussetzung und Grundlage aller Akte <strong>des</strong><br />

Bewusstse<strong>in</strong>s <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem alle<strong>in</strong> als Negation der vom Bewusstse<strong>in</strong> gesetzten konkreten<br />

Bestimmungen. Das Unbed<strong>in</strong>gte, da es selbst weder e<strong>in</strong> Gegenstand noch<br />

etwas Bestimmtes ist, kann im Bewusstse<strong>in</strong> lediglich als Negation der konkreten<br />

Bestimmungen <strong>die</strong>ses Bewusstse<strong>in</strong>s dargestellt werden. Damit haben wir uns <strong>die</strong><br />

strukturellen Grundlagen von Tillichs offenbarungstheologischem Religionsverständnis<br />

soweit vor Augen geführt, dass wir uns nun se<strong>in</strong>em Glaubensverständnis<br />

zuwenden können.<br />

Zunächst: Glaube ist <strong>für</strong> Tillich ke<strong>in</strong> besonderer Akt, sondern e<strong>in</strong> Reflexionsakt<br />

im Bewusstse<strong>in</strong>, der selbst unbestimmt ist. Dadurch ist er allgeme<strong>in</strong>. Die Religion<br />

<strong>des</strong> Glaubens ist ke<strong>in</strong>e besondere Form <strong>in</strong> der Kultur neben anderen Formen. Sie<br />

ist <strong>die</strong> reflexive Durchsichtigkeit <strong>des</strong> Kulturprozesses, <strong>die</strong> an allen kulturellen Formen<br />

möglich ist. Glaube entsteht im Übergang vom Kulturbewusstse<strong>in</strong>, dem das<br />

Unbed<strong>in</strong>gte stets schon zugrunde liegt, <strong>zum</strong> Me<strong>in</strong>en <strong>des</strong> Unbed<strong>in</strong>gten. Gegenüber<br />

dem Kulturbewusstse<strong>in</strong> zeichnet er sich folglich nicht durch bestimmte Inhalte<br />

aus. Es ist alle<strong>in</strong> <strong>die</strong> Durchsichtigkeit <strong>des</strong> Bewusstse<strong>in</strong>s, welche den Glauben von<br />

der Kultur unterscheidet.<br />

Sodann: Glaube ist Me<strong>in</strong>en <strong>des</strong> Unbed<strong>in</strong>gten. Doch das Unbed<strong>in</strong>gte ist, wie wir<br />

gesehen haben, selbst pr<strong>in</strong>zipiell nicht darstellbar. Es kann nur als Negation der<br />

konkreten, vom Bewusstse<strong>in</strong> gesetzten Formen dargestellt werden. Das bedeutet,<br />

dass <strong>die</strong> im Akt <strong>des</strong> Glaubens erfasste Unbed<strong>in</strong>gtheitsdimension e<strong>in</strong>erseits vom<br />

Bewusstse<strong>in</strong> bezeichnet werden muss, zugleich aber jede Darstellung <strong>die</strong> Erschlossenheit<br />

<strong>des</strong> Bewusstse<strong>in</strong>s verfehlt. Jeder Inhalt <strong>des</strong> religiösen Bewusstse<strong>in</strong>s, also<br />

auch Gott, ist e<strong>in</strong> Produkt <strong>des</strong> Bewusstse<strong>in</strong>s, der von <strong>die</strong>sem sowohl gesetzt als auch<br />

wieder negiert werden muss. Das religiöse Bewusstse<strong>in</strong> me<strong>in</strong>t durch <strong>die</strong> negierten<br />

Inhalte h<strong>in</strong>durch se<strong>in</strong>e eigene reflexive Erschlossenheit.<br />

Drittens: Glaube ist e<strong>in</strong> Vollzug im Selbstverhältnis <strong>des</strong> Bewusstse<strong>in</strong>s, der unableitbar<br />

<strong>in</strong> <strong>die</strong>sem als Erschlossenheit <strong>des</strong> Bewusstse<strong>in</strong>s <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Ganzheit und<br />

E<strong>in</strong>heit entsteht. Tillich versteht <strong>die</strong>sen Akt als e<strong>in</strong>en selbstbezüglichen Akt. Gott<br />

ist alle<strong>in</strong> im Vollzug <strong>des</strong> Glaubens gegeben. Beide, Gott und Glaube, entstehen<br />

zugleich. Das bedeutet, dass sich der Glaube <strong>in</strong> und mit se<strong>in</strong>en Inhalten, auf <strong>die</strong> er<br />

sich bezieht, selbst <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er reflexiven Struktur darstellt. Gott als Inhalt <strong>des</strong> Glaubensakts<br />

beschreibt also <strong>die</strong>sen Akt selbst und strukturiert ihn. Damit ist deutlich,<br />

dass sich Tillichs Paradox e<strong>in</strong>es Glaubens ohne Gott bzw. se<strong>in</strong>e Formel von e<strong>in</strong>em<br />

Gott über Gott, <strong>die</strong> er bereits <strong>in</strong> dem Entwurf von 1919 prägte, nicht auf e<strong>in</strong>en<br />

gegenständlichen Gottesgedanken h<strong>in</strong>ter den Gottesbildern bezieht, sondern als<br />

Beschreibung der reflexiven Struktur <strong>des</strong> religiösen Akts <strong>des</strong> Glaubens fungiert.<br />

Gott als Bild <strong>des</strong> Aktes stellt somit den Zusammenhang von Akt und Bewusstse<strong>in</strong>s<strong>in</strong>halt<br />

dar.<br />

Aus den drei genannten Aspekten zusammen resultiert Tillichs zentrale Bestimmung<br />

aus se<strong>in</strong>em Entwurf Rechtfertigung und Zweifel von 1919, Glaube sei<br />

<strong>die</strong> Bejahung <strong>des</strong> absoluten Paradoxes. Der Rechtfertigungsgedanke wird, wie wir<br />

gesehen haben, als Strukturbeschreibung <strong>des</strong> religiösen Akts benutzt. Die reflexive<br />

99


Christian Danz<br />

Erschlossenheit <strong>des</strong> Bewusstse<strong>in</strong>s im Vollzug <strong>des</strong> Glaubens, also <strong>die</strong> Offenbarung<br />

Gottes, kann vom religiösen Bewusstse<strong>in</strong> nur so dargestellt werden, dass es Inhalte<br />

setzt und <strong>die</strong>se zugleich wieder negiert. Gott offenbart sich als Ja und Ne<strong>in</strong>, als absolutes<br />

Paradox, <strong>des</strong>sen Bejahung der Glaube ist. Für Tillich ist <strong>die</strong>s <strong>die</strong> allgeme<strong>in</strong>e<br />

Struktur der Religion, Richtung auf das Unbed<strong>in</strong>gte zu se<strong>in</strong>. Sie gilt also <strong>für</strong> alle<br />

Religionen und ist strikt allgeme<strong>in</strong>. Doch <strong>die</strong> Realisierung <strong>die</strong>ser allgeme<strong>in</strong>en Bestimmung<br />

der Religion, reflexive Durchsichtigkeit <strong>des</strong> Bewusstse<strong>in</strong>s zu se<strong>in</strong>, ist an<br />

das <strong>in</strong>dividuelle Bewusstse<strong>in</strong> gebunden. In <strong>die</strong>sem entsteht Religion im Übergang<br />

vom Kulturbewusstse<strong>in</strong> <strong>zum</strong> Me<strong>in</strong>en <strong>des</strong> Unbed<strong>in</strong>gten durch <strong>die</strong> konkreten Formen<br />

h<strong>in</strong>durch, <strong>die</strong> vom Bewusstse<strong>in</strong> zugleich benutzt und wieder negiert werden<br />

müssen.<br />

Mit Tillichs Bestimmung <strong>des</strong> Glaubens als Bejahung <strong>des</strong> absoluten Paradoxes<br />

s<strong>in</strong>d, wie deutlich geworden se<strong>in</strong> dürfte, bereits <strong>die</strong> Grundlagen se<strong>in</strong>es späteren<br />

Glaubensbegriffs, Ergriffense<strong>in</strong> von dem, was uns unbed<strong>in</strong>gt angeht, benannt.<br />

Auch <strong>die</strong>se Bestimmung ist allgeme<strong>in</strong> und gilt <strong>für</strong> jede Religion.<br />

III. »Gott ist Gott«, oder: Karl Barths Deutung <strong>des</strong><br />

reformatorischen Glaubensverständnisses<br />

In se<strong>in</strong>er 1923 <strong>in</strong> den Theologischen Blättern publizierten Antwort auf Paul Tillichs<br />

Aufsatz Kritisches und positives Paradox. E<strong>in</strong>e Ause<strong>in</strong>andersetzung mit Karl Barth<br />

und Friedrich Gogarten mit dem Titel Von der Paradoxie <strong>des</strong> ›positiven Paradoxes‹<br />

hat Karl Barth an Tillichs Theologie kritisiert, <strong>die</strong>se sei nicht erkenntnis-kritisch<br />

genug. Denn, so Barth, Tillichs Theologie mache von metaphysischen Voraussetzungen<br />

Gebrauch, von denen nicht so ohne weiteres klar ist, wie sie zu rechtfertigen<br />

seien.<br />

»Wo bleibt <strong>die</strong> Paradoxie <strong>des</strong> ›positiven Paradoxes‹, wenn es möglich ist, <strong>die</strong>se Größe<br />

<strong>in</strong> jede beliebige Rechnung an der entscheidenden Stelle als gegeben e<strong>in</strong>zusetzen und<br />

auf dem so gelegten Grund – nun beileibe nicht mehr dialektisch gebrochen, sondern<br />

höchst ungebrochen, gradl<strong>in</strong>ig und sicher das Gebäude der wahren Gnosis den Wolken<br />

entgegenzustürmen?« 6<br />

Deshalb ten<strong>die</strong>re Tillichs Glaubensbegriff, der von der Gegebenheit <strong>des</strong> Unbed<strong>in</strong>gten<br />

<strong>in</strong> jedem Bewusstse<strong>in</strong> ausgeht, <strong>zum</strong> »Generalisieren«. Se<strong>in</strong>e Theologie sei folglich<br />

e<strong>in</strong>e »breite allgeme<strong>in</strong>e Glaubens- und Offenbarungswalze«. 7<br />

Karl Barths Kritik an Tillichs Theologie ungeachtet, gehen beide von sehr ähnlichen<br />

Voraussetzungen aus. Wie Tillich lehnt auch Barth e<strong>in</strong>en <strong>in</strong> der Bewusstse<strong>in</strong>sstruktur<br />

verankerten Religionsbegriff ab und versteht <strong>die</strong> eigentliche Religion<br />

6<br />

Karl Barth, Von der Paradoxie <strong>des</strong> »positiven Paradoxes«. Antworten und Fragen an Paul<br />

Tillich, <strong>in</strong>: Paul Tillich, Der <strong>Protestantismus</strong> als Kritik und Gestaltung, hg. von Renate<br />

Albrecht (= Gesammelte Werke, Bd. VII, Stuttgart 1962) 226–239, hier 232.<br />

7<br />

Ebenda 234.<br />

100


Vorstand der Gesellschaft <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Geschichte</strong> <strong>des</strong> <strong>Protestantismus</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>:<br />

Astrid Schweighofer (Präsident<strong>in</strong>), Michael Bünker (Vizepräsident), Ingrid Vogel (Schriftführer<strong>in</strong>),<br />

Johannes Leitner (Kassier), Andreas Paul B<strong>in</strong>der, Mart<strong>in</strong>a Fuchs, Rahel Christ<strong>in</strong>e Hahn,<br />

Uta Heil, Frank H<strong>in</strong>kelmann, Leonhard Jungwirth, Siegfried Kröpfel, Günter Merz, Karl-Re<strong>in</strong>hart<br />

Trauner<br />

Ehrenmitglied: Karl W. Schwarz<br />

Mit großzügiger f<strong>in</strong>anzieller Unterstützung von Prof. Dr. Siegfried Kreuzer, <strong>des</strong> »Vere<strong>in</strong>s zur Pflege<br />

evangelischer Glaubensüberlieferung <strong>in</strong> Kärnten«, der Evangelischen Pfarrgeme<strong>in</strong>de A. B. Mödl<strong>in</strong>g<br />

sowie weiterer privater Spender:<strong>in</strong>nen.<br />

Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek<br />

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet <strong>die</strong>se Publikation <strong>in</strong> der<br />

Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten<br />

s<strong>in</strong>d im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.<br />

© <strong>2023</strong> by Evangelische Verlagsanstalt GmbH · Leipzig<br />

Pr<strong>in</strong>ted <strong>in</strong> Germany<br />

Das Werk e<strong>in</strong>schließlich aller se<strong>in</strong>er Teile ist urheberrechtlich geschützt.<br />

Jede Verwertung außerhalb der Grenzen <strong>des</strong> Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung<br />

<strong>des</strong> Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt <strong>in</strong>sbesondere <strong>für</strong> Vervielfältigungen,<br />

Übersetzungen, Mikroverfilmungen und <strong>die</strong> E<strong>in</strong>speicherung und Verarbeitung <strong>in</strong><br />

elektronischen Systemen.<br />

Das Buch wurde auf alterungsbeständigem Papier gedruckt.<br />

Gesamtgestaltung: Zacharias Bähr<strong>in</strong>g, Leipzig<br />

Druck und B<strong>in</strong>den: BELTZ Grafische Betriebe GmbH, Bad Langensalza<br />

ISBN 978-3-374-07484-6 // eISBN (PDF) 978-3-374-07485-3<br />

www.eva-leipzig.de

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