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Philipp Melanchthon. Hrsg. von Michael Beyer, Christiane Domtera-Schleichardt, Armin Kohnle und Stefan Rhein: Melanchthon deutsch VII (Leseprobe)

Melanchthon formulierte nicht nur große Texte wie das Augsburger Bekenntnis. Auch mit seinen Kleinschriften trat er unermüdlich für die Sache der Reformation ein und pflegte damit Beziehungen zu Familie, Fürsten, Kollegen, Studenten und Gelehrten in seinem humanistisch-reformatorischen Netzwerk. Melanchthons zahlreiche Reden, Briefe, Bekanntmachungen, Widmungsvorreden, Gedichte, Gutachten, Zeugnisse und Gebete verdeutlichen, wie vielgestaltig und leidenschaftlich er philosophische und naturwissenschaftliche Themen wie auch reformatorische Kernanliegen vor Ort in Wittenberg, im Reich und in ganz Europa vermittelte und wie stark sein Denken und Handeln von Glauben und Frömmigkeit durchdrungen waren. Der Band gibt neue Einblicke in seine weitgespannte alltägliche Arbeit und seine Grundüberzeugungen.

Melanchthon formulierte nicht nur große Texte wie das Augsburger Bekenntnis. Auch mit seinen Kleinschriften trat er unermüdlich für die Sache der Reformation ein und pflegte damit Beziehungen zu Familie, Fürsten, Kollegen, Studenten und Gelehrten in seinem humanistisch-reformatorischen Netzwerk. Melanchthons zahlreiche Reden, Briefe, Bekanntmachungen, Widmungsvorreden, Gedichte, Gutachten, Zeugnisse und Gebete verdeutlichen, wie vielgestaltig und leidenschaftlich er philosophische und naturwissenschaftliche Themen wie auch reformatorische Kernanliegen vor Ort in Wittenberg, im Reich und in ganz Europa vermittelte und wie stark sein Denken und Handeln von Glauben und Frömmigkeit durchdrungen waren. Der Band gibt neue Einblicke in seine weitgespannte alltägliche Arbeit und seine Grundüberzeugungen.

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MELANCHTHON<br />

<strong>deutsch</strong><br />

VI


Vorwort<br />

Unter der Überschrift „Aus <strong>Melanchthon</strong>s Alltag“ versammelt der<br />

vorliegende 7. Band <strong>von</strong> „<strong>Melanchthon</strong> <strong>deutsch</strong>“ Übersetzungen<br />

<strong>von</strong> 102 <strong>Melanchthon</strong>-Texten, die ihn als Familienmenschen, als<br />

Christenmenschen, als Fre<strong>und</strong> <strong>und</strong> Kollegen <strong>und</strong> nicht zuletzt als<br />

Universitätslehrer charakterisieren. Der Schwerpunkt der ausgewählten<br />

Texte liegt auf der privaten, auf der persönlichen Seite sowie<br />

auf <strong>Melanchthon</strong>s Alltag, worunter alle möglichen sich wiederholenden<br />

<strong>und</strong> über die Jahre unveränderten Tätigkeiten, Interessen<br />

<strong>und</strong> Beziehungen verstanden werden. Nicht das Besondere, das<br />

Außergewöhnliche, das Einmalige steht im Mittelpunkt, sondern<br />

das, was den Menschen <strong>Melanchthon</strong> ausmacht, was ihn jeden<br />

Tag beschäftigt, was ihn in der Interaktion mit seinem Nahumfeld<br />

zeigt, was seine Mentalität kennzeichnet <strong>und</strong> was die Basis für seine<br />

philologische, philosophische <strong>und</strong> theologische Arbeit liefert.<br />

Dieser Mensch <strong>Melanchthon</strong> ist nicht primär in seinen wissenschaftlichen,<br />

in der Regel umfangreichen <strong>und</strong> bereits zeitgenössisch<br />

gedruckten Arbeiten zu greifen, die seinen Alltag selbstverständlich<br />

ebenso prägten, sondern in vielen kleinen, eher unauffälligen<br />

<strong>und</strong> für sich genommen wenig spektakulären Texten. Ohne<br />

Kenntnis dieser kleinen Textformen, die hier nicht als Zeugnisse<br />

für seine Gelehrsamkeit, sondern als Quellen für das Alltägliche<br />

verwendet werden, bleibt das Bild <strong>Melanchthon</strong>s unvollständig.<br />

Die Briefe, Gedichte, Reden, Vorreden, Selbstzeugnisse sowie das<br />

vielgestaltige Genre des universitären Kleinschrifttums ergeben<br />

zusammen ein Mosaik <strong>von</strong> <strong>Melanchthon</strong>s Persönlichkeit <strong>und</strong> Alltagsleben,<br />

das einem breiteren Lesepublikum in dieser Form noch<br />

nie vor Augen gestellt wurde. Glaube, Wissenschaft, Bildung <strong>und</strong><br />

das Bemühen um Ordnung sind in <strong>Melanchthon</strong>s Arbeit immer<br />

wieder miteinander verschränkt.


6<br />

VORWORT<br />

Der Band präsentiert die Texte in vier Kapiteln. Unter der<br />

Überschrift „Mensch <strong>und</strong> Familie“ versammelt Kapitel 1 solche<br />

Texte, in denen <strong>Melanchthon</strong> über sich selbst redet, in denen seine<br />

Ehefrau <strong>und</strong> seine Kinder in den Blick, in denen seine Hausgemeinschaft<br />

<strong>und</strong> seine Haltung zu intimen Fragen wie dem Träumen<br />

<strong>und</strong> dem Tod zur Sprache kommen. Beleuchtet das 1. Kapitel<br />

also die Persönlichkeit <strong>und</strong> das Nahumfeld <strong>Melanchthon</strong>s, steht<br />

der Christ <strong>Melanchthon</strong> mit seinen alltäglichen Frömmigkeitsvollzügen<br />

im Mittelpunkt des 2. Kapitels. Es bietet Gebete <strong>und</strong><br />

Gedichte, katechetische, homiletische, seelsorgerische <strong>und</strong> auf das<br />

Tages- <strong>und</strong> Festgedenken bezogene Textsorten, die <strong>Melanchthon</strong>s<br />

praktisches Christentum illustrieren. „Kollegen <strong>und</strong> Fre<strong>und</strong>e“ stehen<br />

im Mittelpunkt des 3. Kapitels, wobei angesichts <strong>von</strong> <strong>Melanchthon</strong>s<br />

ausgedehntem Beziehungsnetzwerk der Schwerpunkt auf<br />

den Persönlichkeiten liegt, die seinen Alltag nachhaltig <strong>und</strong> dauerhaft<br />

geprägt haben: Martin Luther, Joachim Camerarius, Johannes<br />

Bugenhagen, Justus Jonas <strong>und</strong> Caspar Cruciger der Ältere. <strong>Melanchthon</strong>s<br />

Einbindung in einen Kreis <strong>von</strong> Fre<strong>und</strong>en <strong>und</strong> Schülern<br />

wird unter dem Begriff der Schola Witebergensis (Wittenberger<br />

Schule) eigens thematisiert. Den Abschluss bilden Texte über<br />

<strong>Melanchthon</strong>s Verhältnis zu den Studenten (Kapitel 4). Seine Bemühungen<br />

um eine Studienordnung kommen ebenso zur Sprache<br />

wie seine Alltagsaufgaben als Hochschullehrer, Rektor <strong>und</strong> Dekan<br />

sowie die Förderung einzelner Studenten.<br />

Es ist schon länger bekannt, dass <strong>Melanchthon</strong> für seine Schüler<br />

<strong>und</strong> Kollegen Reden schrieb oder Teile <strong>von</strong> Vorlesungen entwarf.<br />

Der Band zeigt, dass dies auch häufig für das akademische Kleinschrifttum<br />

zutraf. Insbesondere gilt dies für Bekanntmachungen<br />

der Leucorea, die häufig <strong>von</strong> <strong>Melanchthon</strong> formuliert waren, aber<br />

unter anderen Namen erschienen. Dieses Phänomen lässt sich mit<br />

dem Begriff der „<strong>Melanchthon</strong>werkstatt“ näher charakterisieren:<br />

<strong>Melanchthon</strong> verfasste zahlreiche Texte allein oder er wirkte als<br />

spiritus rector, indem er andere nicht nur motivisch <strong>und</strong> stilistisch<br />

inspirierte, sondern ihre Werke auch direkt beeinflusste <strong>und</strong> redigierte,<br />

bevor sie veröffentlicht wurden. Eine Vielzahl solcher literarischen<br />

Produktionen ist in ihrer Zuordnung zu <strong>Melanchthon</strong>


VORWORT<br />

7<br />

bzw. seinen Kollegen, Fre<strong>und</strong>en <strong>und</strong> Schülern weiterhin als Forschungsthema<br />

zu begreifen.<br />

Auch dieser 7. Band <strong>von</strong> „<strong>Melanchthon</strong> <strong>deutsch</strong>“ versteht sich<br />

als Leseausgabe für ein interessiertes Publikum, das nicht auf den<br />

Kreis der Fachkolleginnen <strong>und</strong> Fachkollegen beschränkt sein soll.<br />

Um <strong>Melanchthon</strong> als Mensch in seinem Alltag für dieses breitere<br />

Publikum zugänglich zu machen, werden durch zeitgemäße <strong>deutsch</strong>e<br />

Übersetzungen nicht nur die sprachlichen Hürden überw<strong>und</strong>en,<br />

sondern die Texte in einer Weise kommentiert, die alle unbedingt<br />

nötigen Informationen liefert, ohne in gelehrtem Ballast<br />

zu ersticken. Die meisten Texte sind Erstübersetzungen aus dem<br />

Lateinischen bzw. aus dem Frühneuhoch<strong>deutsch</strong>en. Allen Übersetzerinnen<br />

<strong>und</strong> Übersetzern der zum Teil nicht einfachen Texte<br />

sei an dieser Stelle herzlicher Dank gesagt. Bei den studentischen<br />

Hilfskräften <strong>Christiane</strong> Hesse <strong>und</strong> Hannah Zielke bedanken wir<br />

uns für ihre kompetente Unterstützung bei den Redaktions- <strong>und</strong><br />

Registerarbeiten.<br />

Dass einige der in diesem Band behandelten Themen auch<br />

in früheren Bänden <strong>von</strong> „<strong>Melanchthon</strong> <strong>deutsch</strong>“ schon berührt<br />

wurden, ließ sich nicht vermeiden. Der vorliegende Band versteht<br />

sich als Abr<strong>und</strong>ung <strong>und</strong> Ergänzung dessen, was in den Bänden 1<br />

bis 6 zu <strong>Melanchthon</strong>s gelehrtem Œuvre enthalten ist. Dem Ziel,<br />

mit der Leseausgabe „<strong>Melanchthon</strong> <strong>deutsch</strong>“ ein Gesamtbild des<br />

„Lehrers Deutschlands“ zu entwerfen, dienen auch ein am Ende<br />

dieses Bandes beigegebenes Gesamtinhaltsverzeichnis der Bände 1<br />

bis 7 sowie ein Verzeichnis, das den Zugriff auf einzelne Gattungen<br />

erlaubt.<br />

Leipzig <strong>und</strong> Lutherstadt Wittenberg im Februar 2023<br />

Die Herausgeber


9<br />

Inhalt<br />

Mensch <strong>und</strong> Familie<br />

<strong>Melanchthon</strong> über sich<br />

1. Selbstzeugnis in der Vorrede zu einer Ausgabe<br />

seiner Werke, 1541 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21<br />

(übersetzt <strong>von</strong> Heinz Scheible, kommentiert <strong>von</strong> Johannes Schilling)<br />

2. Gedenken an den Vater: Brief an Georg Fabricius,<br />

27. Oktober 1554 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32<br />

(übersetzt <strong>und</strong> kommentiert <strong>von</strong> Christine M<strong>und</strong>henk)<br />

3. Geschichten aus dem Hörsaal: <strong>Melanchthon</strong> über Fre<strong>und</strong>e,<br />

Begegnungen <strong>und</strong> Erlebnisse, 1554–1558 . . . . . . . . . 34<br />

(übersetzt <strong>und</strong> kommentiert <strong>von</strong> <strong>Stefan</strong> <strong>Rhein</strong> <strong>und</strong> Alexander Bartmuß)<br />

Ehefrau Katharina <strong>Melanchthon</strong><br />

4. Furcht vor der Hochzeit: Brief an Dominicus Schleupner,<br />

nach 14. November 1520. . . . . . . . . . . . . . . . 44<br />

(übersetzt <strong>und</strong> kommentiert <strong>von</strong> <strong>Stefan</strong> Weise)<br />

5. Todesanzeige für Schwiegermutter Katharina <strong>Melanchthon</strong>,<br />

1548 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46<br />

(übersetzt <strong>und</strong> kommentiert <strong>von</strong> Anna Lena Sentker)<br />

6. Epitaphium auf Ehefrau Katharina Krapp, 1557 . . . . . . . 47<br />

(übersetzt <strong>und</strong> kommentiert <strong>von</strong> Thorsten Fuchs)<br />

7. Brief an die Kollegen über den Tod seiner Frau Katharina,<br />

31. Oktober 1557 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48<br />

(übersetzt <strong>und</strong> kommentiert <strong>von</strong> Christine M<strong>und</strong>henk)<br />

Tochter Anna<br />

8. Rosenkrieg: Brief an Joachim Camerarius, 24. Mai 1544 . . . . 51<br />

(übersetzt <strong>und</strong> kommentiert <strong>von</strong> <strong>Stefan</strong> Weise)


10 INHALT<br />

9. Klage über den Schwiegersohn: Brief an Joachim Camerarius,<br />

13. Juni 1544 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53<br />

(übersetzt <strong>und</strong> kommentiert <strong>von</strong> <strong>Stefan</strong> Weise)<br />

10. Trauer um Anna: Brief an Caspar Cruciger, 29. März 1547 . . . 55<br />

(übersetzt <strong>und</strong> kommentiert <strong>von</strong> <strong>Stefan</strong> Weise)<br />

11. Liebe zu Anna <strong>und</strong> den Enkelkindern: Brief an Georg Sabinus,<br />

6. April 1547 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56<br />

(übersetzt <strong>und</strong> kommentiert <strong>von</strong> <strong>Stefan</strong> Weise)<br />

Sohn <strong>Philipp</strong><br />

12. Kollegiale Netzwerke <strong>und</strong> familiäre Sorgen: Brief an<br />

Joachim Camerarius, Juni 1545 . . . . . . . . . . . . . 60<br />

(übersetzt <strong>und</strong> kommentiert <strong>von</strong> Beate Kusche)<br />

Hausgemeinschaft<br />

13. Studententheater: Prolog zum Miles gloriosus des Plautus,<br />

ca. 1520er Jahre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63<br />

(übersetzt <strong>und</strong> kommentiert <strong>von</strong> Thorsten Fuchs)<br />

14. Rücksicht auf den alten Famulus Koch: Brief an die<br />

Hausgenossen, 13. Januar 1552 . . . . . . . . . . . . . 66<br />

(übersetzt <strong>und</strong> kommentiert <strong>von</strong> Christine M<strong>und</strong>henk)<br />

15. Trauer um den Tod <strong>von</strong> Famulus Koch: Brief an<br />

Christoph Leib, 3. April 1553 . . . . . . . . . . . . . . 67<br />

(übersetzt <strong>und</strong> kommentiert <strong>von</strong> Christine M<strong>und</strong>henk)<br />

16. Todesanzeige für den Famulus Johannes Koch, 1553 . . . . . 69<br />

(übersetzt <strong>und</strong> kommentiert <strong>von</strong> Christine M<strong>und</strong>henk)<br />

17. Epitaphium auf Johannes Koch, 1553 . . . . . . . . . . . 70<br />

(übersetzt <strong>und</strong> kommentiert <strong>von</strong> Thorsten Fuchs)<br />

Träume<br />

18. Spott über <strong>Melanchthon</strong>s Träume: Brief an Joachim<br />

Camerarius, 9. März 1536 . . . . . . . . . . . . . . . 72<br />

(übersetzt <strong>und</strong> kommentiert <strong>von</strong> Matthias Dall’Asta)<br />

19. Angenehme Träume in Krisenzeiten: Brief an Paul Eber,<br />

13./14. März 1547 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75<br />

(übersetzt <strong>und</strong> kommentiert <strong>von</strong> Matthias Dall’Asta)


INHALT<br />

11<br />

Sterben <strong>und</strong> Tod<br />

20. Sehnsucht nach der Heimat: Brief an Nikolaus Cisner,<br />

1. Januar 1560 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77<br />

(übersetzt <strong>und</strong> kommentiert <strong>von</strong> Hellmut Zschoch)<br />

21. Gründe, warum man den Tod nicht fürchten muss,<br />

ca. 15. April 1560 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78<br />

(übersetzt <strong>und</strong> kommentiert <strong>von</strong> Martin Treu)<br />

22. Testament, 18. April 1560 . . . . . . . . . . . . . . . 79<br />

(übersetzt <strong>und</strong> kommentiert <strong>von</strong> Wolf-Friedrich Schäufele)<br />

Glaube <strong>und</strong> Frömmigkeit<br />

Gebete<br />

23. Kindergebete aus dem <strong>deutsch</strong>en Katechismus, 1524 . . . . . 85<br />

(übersetzt <strong>und</strong> kommentiert <strong>von</strong> Martin Treu)<br />

24. Briefgebet in Zeiten der Seuche: Brief an Johannes Heß,<br />

28. August 1542 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88<br />

(übersetzt <strong>und</strong> kommentiert <strong>von</strong> Martin H. Jung)<br />

25. Rede über die wahre Anrufung Gottes, 1546 . . . . . . . . 90<br />

(übersetzt <strong>und</strong> kommentiert <strong>von</strong> Martin H. Jung)<br />

26. <strong>Melanchthon</strong>s tägliches Gebet, 1547 . . . . . . . . . . 105<br />

(übersetzt <strong>und</strong> kommentiert <strong>von</strong> Wolf-Friedrich Schäufele)<br />

27. Zeiten der Unruhe <strong>und</strong> Ungewissheit: Einladung des Dekans<br />

zur Examensanmeldung, 1548 . . . . . . . . . . . . . 107<br />

(übersetzt <strong>und</strong> kommentiert <strong>von</strong> Martin H. Jung)<br />

28. Bitten <strong>und</strong> Segenswünsche für die Familie:<br />

Brief an Anton Lauterbach, 22. Mai 1550 . . . . . . . . 109<br />

(übersetzt <strong>und</strong> kommentiert <strong>von</strong> Martin H. Jung)<br />

29. Kirchengebete aus der Mecklenburger Kirchenordnung<br />

<strong>und</strong> aus dem Ordinandenexamen, 1552/1554 . . . . . . . 110<br />

(übersetzt <strong>und</strong> kommentiert <strong>von</strong> Tobias Jammerthal)<br />

30. Christusgebet in Versen, 1559 . . . . . . . . . . . . . 114<br />

(übersetzt <strong>und</strong> kommentiert <strong>von</strong> Thorsten Fuchs)<br />

31. Dank für das tägliche Brot: Tischgebet in Versen . . . . . . 115<br />

(übersetzt <strong>und</strong> kommentiert <strong>von</strong> Thorsten Fuchs)


12 INHALT<br />

32. Gebet zu Christus . . . . . . . . . . . . . . . . . 116<br />

(übersetzt <strong>und</strong> kommentiert <strong>von</strong> Martin H. Jung)<br />

Tages- <strong>und</strong> Festgedenken<br />

33. Jesu letzte Tage: Chronologie der Passion Christi, 1545 . . . 118<br />

(übersetzt <strong>und</strong> kommentiert <strong>von</strong> <strong>Armin</strong> <strong>Kohnle</strong>)<br />

34. Heilsgeschichtliches Tagesgedenken: Brief an<br />

Anton Lauterbach, 25. März 1546 . . . . . . . . . . . 121<br />

(übersetzt <strong>und</strong> kommentiert <strong>von</strong> Ulrike Ludwig)<br />

35. Himmlische Helfer: Programm zum Engelsfest, 1548 . . . . 122<br />

(übersetzt <strong>und</strong> kommentiert <strong>von</strong> <strong>Christiane</strong> <strong>Domtera</strong>-<strong>Schleichardt</strong>)<br />

36. Die göttliche <strong>und</strong> menschliche Natur Christi:<br />

Weihnachtsprogramm im Namen des Rektors, 1552 . . . . 124<br />

(übersetzt <strong>und</strong> kommentiert <strong>von</strong> <strong>Christiane</strong> <strong>Domtera</strong>-<strong>Schleichardt</strong>)<br />

37. Tagesgedenken zum Thesenanschlag: Brief an Paul Eber,<br />

31. Oktober 1555 . . . . . . . . . . . . . . . . . 130<br />

(übersetzt <strong>und</strong> kommentiert <strong>von</strong> Wolf-Friedrich Schäufele)<br />

38. Letzte öffentliche Bekanntmachung zum Osterfest 1560 . . . 131<br />

(übersetzt <strong>und</strong> kommentiert <strong>von</strong> <strong>Christiane</strong> <strong>Domtera</strong>-<strong>Schleichardt</strong>)<br />

Katechese<br />

39. Lernen als Weg in den Himmel: Vorrede zur Kinderlehre,<br />

1523 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136<br />

(übersetzt <strong>und</strong> kommentiert <strong>von</strong> <strong>Armin</strong> <strong>Kohnle</strong>)<br />

40. Auslegung des Vaterunsers, vor 1526 . . . . . . . . . . 137<br />

(übersetzt <strong>und</strong> kommentiert <strong>von</strong> Tobias Jammerthal)<br />

41. Kurze Erklärung: Zehn Gebote, Glaubensbekenntnis,<br />

Vaterunser, 1549/1554. . . . . . . . . . . . . . . . 141<br />

(übersetzt <strong>und</strong> kommentiert <strong>von</strong> Martin Treu)<br />

Predigt <strong>und</strong> Exegese<br />

42. Aufgaben des Predigers, 1529 . . . . . . . . . . . . . 149<br />

(übersetzt <strong>und</strong> kommentiert <strong>von</strong> Nicole Kuropka)<br />

43. Anweisungen zur Predigtarbeit, ca. 1552 . . . . . . . . . 161<br />

(übersetzt <strong>und</strong> kommentiert <strong>von</strong> Tobias Jammerthal)


INHALT<br />

13<br />

Religiöse Dichtung<br />

44. Psalmdichtung zu Psalm 100: „Iubilate“, 1526. . . . . . . 183<br />

(übersetzt <strong>und</strong> kommentiert <strong>von</strong> Thorsten Fuchs)<br />

45. Himmelszeichen als Botschaft Gottes: Gedicht<br />

zur Mondfinsternis, 1533. . . . . . . . . . . . . . . 184<br />

(übersetzt <strong>und</strong> kommentiert <strong>von</strong> Thorsten Fuchs)<br />

46. Gedicht zur Einschulung am Tag des Heiligen Gregor,<br />

ca. 1541 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186<br />

(übersetzt <strong>und</strong> kommentiert <strong>von</strong> Thorsten Fuchs)<br />

47. Gedicht zum Unterrichtsausfall wegen einer Sonnenfinsternis,<br />

1544 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187<br />

(übersetzt <strong>und</strong> kommentiert <strong>von</strong> Thorsten Fuchs)<br />

48. Gedicht: Das Schiff Christi, die Kirche, 1552 . . . . . . . 188<br />

(übersetzt <strong>und</strong> kommentiert <strong>von</strong> Thorsten Fuchs)<br />

49. Psalmauslegung in Versen: Psalm 122, 1552. . . . . . . . 190<br />

(übersetzt <strong>und</strong> kommentiert <strong>von</strong> Thorsten Fuchs)<br />

50. Gedicht zum Neuen Jahr, 1556 . . . . . . . . . . . . 191<br />

(übersetzt <strong>und</strong> kommentiert <strong>von</strong> Thorsten Fuchs)<br />

Seelsorge <strong>und</strong> Trost<br />

51. Epitaphium für Kurfürst Johann den Beständigen, 1532 . . . 194<br />

(übersetzt <strong>und</strong> kommentiert <strong>von</strong> Thorsten Fuchs)<br />

52. Trost für die Mutter: Brief zum Tod des Studenten Basilius,<br />

4. Juli 1535 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195<br />

(übersetzt <strong>und</strong> kommentiert <strong>von</strong> Hellmut Zschoch)<br />

53. Epitaphium für Margarete <strong>von</strong> Sachsen, 1535 . . . . . . . 197<br />

(übersetzt <strong>und</strong> kommentiert <strong>von</strong> Thorsten Fuchs)<br />

54. Todesanzeige als Rektor für den Sohn des Kollegen<br />

Ambrosius Berndt, 1538 . . . . . . . . . . . . . . . 198<br />

(übersetzt <strong>und</strong> kommentiert <strong>von</strong> Christine M<strong>und</strong>henk)<br />

55. Trostbrief zum Tod des Sohnes: Brief an die Mutter<br />

des Studenten Kilian Metzler, 2. Juli 1539 . . . . . . . . 200<br />

(übersetzt <strong>und</strong> kommentiert <strong>von</strong> Brinja Bauer)<br />

56. Epitaphium für den Studenten Kilian Metzler, 1539 . . . . 201<br />

(übersetzt <strong>und</strong> kommentiert <strong>von</strong> Brinja Bauer)


14<br />

INHALT<br />

57. Trost zum Tod der Ehefrau: Brief an Johannes Aepinus,<br />

10. Juli 1549 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203<br />

(übersetzt <strong>und</strong> kommentiert <strong>von</strong> Hellmut Zschoch)<br />

58. Trost für einen Politiker: Brief an Georg <strong>von</strong> Komerstadt,<br />

5. Februar 1552 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205<br />

(übersetzt <strong>und</strong> kommentiert <strong>von</strong> Hellmut Zschoch)<br />

Kollegen <strong>und</strong> Fre<strong>und</strong>e<br />

Martin Luther<br />

59. Lobgedicht auf Luther, 1518 . . . . . . . . . . . . . 211<br />

(übersetzt <strong>und</strong> kommentiert <strong>von</strong> Matthias Dall’Asta)<br />

60. Ein wahrhaftiges Urteil über Doktor Martin Luthers Lehre,<br />

1524 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212<br />

(übersetzt <strong>und</strong> kommentiert <strong>von</strong> Johannes Schilling)<br />

61. Todesanzeige für Martin Luther, 1546 . . . . . . . . . . 214<br />

(übersetzt <strong>und</strong> kommentiert <strong>von</strong> Johannes Schilling)<br />

62. Der streitlustige Luther <strong>und</strong> Sehnsucht nach Frieden:<br />

Brief an Christoph <strong>von</strong> Carlowitz, 28. April 1548 . . . . . 216<br />

(übersetzt <strong>und</strong> kommentiert <strong>von</strong> Matthias Dall’Asta)<br />

63. Luthers Lehre für die Nachwelt: Widmungsvorrede an König<br />

Christian III. <strong>von</strong> Dänemark zum dritten Band der <strong>deutsch</strong>en<br />

Werke Luthers, 1550 . . . . . . . . . . . . . . . . 224<br />

(übersetzt <strong>und</strong> kommentiert <strong>von</strong> Johannes Schilling)<br />

64. Schatz der Bücher Luthers: Widmungsvorrede <strong>Melanchthon</strong>s<br />

an Herzog <strong>Philipp</strong> <strong>von</strong> Pommern zum vierten Band der<br />

<strong>deutsch</strong>en Werke Luthers, 1551 . . . . . . . . . . . . 231<br />

(übersetzt <strong>und</strong> kommentiert <strong>von</strong> Brinja Bauer)<br />

65. Gedicht zur Erinnerung an Luthers Geburtstag, 1557 . . . . 239<br />

(übersetzt <strong>und</strong> kommentiert <strong>von</strong> Matthias Dall’Asta)<br />

Joachim Camerarius<br />

66. Kritik an Luthers Hochzeit: Brief an Joachim Camerarius,<br />

16. Juni 1525 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242<br />

(übersetzt <strong>und</strong> kommentiert <strong>von</strong> Matthias Dall’Asta)


INHALT<br />

15<br />

67. Vom Augsburger Reichstag: Brief an Joachim Camerarius,<br />

19. Juni 1530 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245<br />

(übersetzt <strong>und</strong> kommentiert <strong>von</strong> Matthias Dall’Asta)<br />

68. Übergabe des Augsburger Bekenntnisses:<br />

Brief an Joachim Camerarius, 26. Juni 1530 . . . . . . . 246<br />

(übersetzt <strong>und</strong> kommentiert <strong>von</strong> Matthias Dall’Asta)<br />

69. Wiederaufrichtung der Herrschaft der Bischöfe:<br />

Brief an Joachim Camerarius, 31. August 1530 . . . . . . 247<br />

(übersetzt <strong>und</strong> kommentiert <strong>von</strong> Matthias Dall’Asta)<br />

70. Gestohlene Lutherbriefe <strong>und</strong> Gerede der Lästermäuler:<br />

Brief an Joachim Camerarius, 19. September 1530 . . . . . 249<br />

(übersetzt <strong>und</strong> kommentiert <strong>von</strong> Matthias Dall’Asta)<br />

71. Luthers Tod <strong>und</strong> ein problematischer Schwur:<br />

Brief an Joachim Camerarius, 11. März 1546 . . . . . . . 251<br />

(übersetzt <strong>und</strong> kommentiert <strong>von</strong> Matthias Dall’Asta)<br />

72. Missbilligung der Fürstenverschwörung:<br />

Brief an Joachim Camerarius, 30. November 1551 . . . . . 253<br />

(übersetzt <strong>und</strong> kommentiert <strong>von</strong> Matthias Dall’Asta)<br />

73. Altersbeschwerden <strong>und</strong> dunkle Zeiten:<br />

Brief an Joachim Camerarius, 14. Februar 1560 . . . . . . 255<br />

(übersetzt <strong>und</strong> kommentiert <strong>von</strong> Matthias Dall’Asta)<br />

Johannes Bugenhagen<br />

74. Vorrede zu Johannes Bugenhagens Psalmenauslegung, 1524 . 257<br />

(übersetzt <strong>und</strong> kommentiert <strong>von</strong> Jonas Milde)<br />

75. Gedicht auf das Bildnis Bugenhagens, ca. 1539 . . . . . . 259<br />

(übersetzt <strong>von</strong> Johanna Loehr, kommentiert <strong>von</strong> Jonas Milde)<br />

76. Rede über das Leben Bugenhagens, 1558. . . . . . . . . 260<br />

(übersetzt <strong>und</strong> kommentiert <strong>von</strong> Jonas Milde)<br />

Justus Jonas<br />

77. Auseinandersetzung mit Johannes Agricola:<br />

Brief an Justus Jonas, 20. Dezember 1527 . . . . . . . . 279<br />

(übersetzt <strong>und</strong> kommentiert <strong>von</strong> Anna Lena Sentker,<br />

Johannes Schilling <strong>und</strong> <strong>Michael</strong> <strong>Beyer</strong>)


16<br />

INHALT<br />

Cruciger<br />

78. Vorrede zu Caspar Crucigers lateinischer Übersetzung<br />

<strong>von</strong> Luthers „Von den letzten Worten Davids“, 1550 . . . . 286<br />

(übersetzt <strong>und</strong> kommentiert <strong>von</strong> Anna Lena Sentker)<br />

Schola Witebergensis<br />

79. Gutachten für Landgraf <strong>Philipp</strong> <strong>von</strong> Hessen zum Umgang<br />

mit den Wiedertäufern, 1536 . . . . . . . . . . . . . 293<br />

(übersetzt <strong>und</strong> kommentiert <strong>von</strong> Wolf-Friedrich Schäufele)<br />

80. Gutachten über die Gültigkeit der evangelischen<br />

Ordination, 1550. . . . . . . . . . . . . . . . . . 301<br />

(übersetzt <strong>und</strong> kommentiert <strong>von</strong> Tobias Jammerthal)<br />

Studenten<br />

Universitätsreform, studentisches Verhalten <strong>und</strong> Fehlverhalten<br />

81. Neue Satzungen über den Studiengang <strong>und</strong> das Verhalten<br />

der Studenten, 1523. . . . . . . . . . . . . . . . . 309<br />

(übersetzt <strong>und</strong> kommentiert <strong>von</strong> <strong>Armin</strong> <strong>Kohnle</strong>)<br />

82. Maskeraden <strong>und</strong> Glücksspiel: Fastnachtsmandat im Namen<br />

des Rektors, 1542 . . . . . . . . . . . . . . . . . 312<br />

(übersetzt <strong>und</strong> kommentiert <strong>von</strong> Julius Schilling)<br />

83. Die akademischen Gesetze, 1545/1546 . . . . . . . . . 316<br />

(übersetzt <strong>und</strong> kommentiert <strong>von</strong> Tobias Jammerthal)<br />

84. Todesanzeige <strong>und</strong> Mandat zur Ges<strong>und</strong>erhaltung<br />

der Studenten, 1557. . . . . . . . . . . . . . . . . 326<br />

(übersetzt <strong>und</strong> kommentiert <strong>von</strong> Julius Schilling)<br />

Studienalltag, philosophische <strong>und</strong> theologische Ausbildung<br />

85. Werbung in Versen: Vorlesungsankündigung zu Livius,<br />

ca. 1535 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329<br />

(übersetzt <strong>und</strong> kommentiert <strong>von</strong> Thorsten Fuchs)<br />

86. Aufruf zur häufigeren Abhaltung <strong>von</strong> Disputationen, 1536 . . 330<br />

(übersetzt <strong>und</strong> kommentiert <strong>von</strong> Oliver Humberg)


INHALT<br />

17<br />

87. Bekanntmachung als Dekan zu regelmäßigen Deklamationen,<br />

1536 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332<br />

(übersetzt <strong>und</strong> kommentiert <strong>von</strong> Andreas Gößner)<br />

88. Geringschätzung der Studenten: Vorlesungsankündigung<br />

zu Demosthenes, 1538. . . . . . . . . . . . . . . . 333<br />

(übersetzt <strong>und</strong> kommentiert <strong>von</strong> Anna Lena Sentker)<br />

89. Aufzeichnung zur Teuerung in Wittenberg, 1538. . . . . . 335<br />

(übersetzt <strong>und</strong> kommentiert <strong>von</strong> Johannes Schilling)<br />

90. Bewahrung der reinen Lehre: Widmung der Loci communes<br />

theologici an die Theologiestudenten, 1541 . . . . . . . . 338<br />

(übersetzt <strong>und</strong> kommentiert <strong>von</strong> Wolf-Friedrich Schäufele)<br />

91. Die Lehre als Gegenmittel: Einladung zu einer feierlichen<br />

Magisterpromotion, 1548 . . . . . . . . . . . . . . 349<br />

(übersetzt <strong>und</strong> kommentiert <strong>von</strong> Oliver Humberg)<br />

92. Zwei Ankündigungen zu Vorlesungs- <strong>und</strong> Essenszeiten, 1548 . 352<br />

(übersetzt <strong>und</strong> kommentiert <strong>von</strong> Anna Lena Sentker)<br />

93. Thesen über den Unterschied zwischen Gesetz <strong>und</strong><br />

Evangelium, 1550 . . . . . . . . . . . . . . . . . 353<br />

(übersetzt <strong>und</strong> kommentiert <strong>von</strong> Oliver Humberg)<br />

94. Einladung zur Verleihung des Doktorgrades an Georg <strong>von</strong><br />

Venediger, 1550 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367<br />

(übersetzt <strong>und</strong> kommentiert <strong>von</strong> Oliver Humberg)<br />

Studentenförderung<br />

95. Abberufung eines ungeeigneten Studenten: Brief an<br />

Hieronymus Kammermeister, 23. Februar 1527 . . . . . . 371<br />

(übersetzt <strong>und</strong> kommentiert <strong>von</strong> Christine M<strong>und</strong>henk)<br />

96. Empfehlungsschreiben für den Studenten Hieronymus<br />

Schreiber aus Nürnberg, 1543 . . . . . . . . . . . . . 372<br />

(übersetzt <strong>und</strong> kommentiert <strong>von</strong> Julius Schilling)<br />

97. Ordinationszeugnis für Lorenz Heunisch, 1545 . . . . . . 374<br />

(übersetzt <strong>und</strong> kommentiert <strong>von</strong> Andreas Gößner)<br />

98. Dichterische Förderung: Disposition für ein Trauergedicht<br />

zu Caspar Crucigers Tod, 1548 . . . . . . . . . . . . 377<br />

(übersetzt <strong>und</strong> kommentiert <strong>von</strong> Thorsten Fuchs)


18<br />

INHALT<br />

99. Petrus Lotichius Sec<strong>und</strong>us’ Epicedium für Caspar Cruciger<br />

nach <strong>Melanchthon</strong>s Disposition, 1549. . . . . . . . . . 380<br />

(übersetzt <strong>und</strong> kommentiert <strong>von</strong> Thorsten Fuchs)<br />

100. Zeugnis für den Studenten Matthäus Osterhusen, 1553. . . 398<br />

(übersetzt <strong>und</strong> kommentiert <strong>von</strong> <strong>Michael</strong> <strong>Beyer</strong>)<br />

101. Studienplan für Adrian Chełmicki, 1554 . . . . . . . . 391<br />

(übersetzt <strong>und</strong> kommentiert <strong>von</strong> Andreas Gößner)<br />

102. Empfehlungsschreiben für vier ungarische Studenten, 1559 . 394<br />

(übersetzt <strong>und</strong> kommentiert <strong>von</strong> Christine M<strong>und</strong>henk)<br />

Anhang<br />

Allgemeine Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . 399<br />

Abkürzungen biblischer Bücher . . . . . . . . . . . . . . 402<br />

Gesamtinhaltsverzeichnis <strong>Melanchthon</strong> <strong>deutsch</strong> Bde. 1 bis 7 . . . 405<br />

Texte <strong>von</strong> <strong>Melanchthon</strong> <strong>deutsch</strong> Bde. 1 bis 7 nach Gattungen . . 419<br />

Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 435


Mensch <strong>und</strong> Familie


21<br />

<strong>Melanchthon</strong> über sich<br />

1. Selbstzeugnis in der Vorrede zu einer Ausgabe seiner Werke,<br />

1541<br />

<strong>Melanchthon</strong>s Selbstzeugnis über seinen Bildungs- <strong>und</strong> Werdegang ist<br />

das umfangreichste programmatische „Ego-Dokument“, das der Reformator<br />

hinterlassen hat, <strong>und</strong> für sein Selbstbild daher <strong>von</strong> ganz besonderem<br />

Wert. Eigenartigerweise ist diese Epistola noch nie ins Deutsche<br />

übersetzt worden. Eine <strong>deutsch</strong>e Übersetzung zweier kurzer Abschnitte<br />

findet sich in Caspar Peucers „Historischer Bericht <strong>von</strong> deß beruemten seligen<br />

Herrn <strong>Philipp</strong>i Melanthonis meinung inn dem streit <strong>von</strong> deß Herrn<br />

Abendmahl“ (Basel 1597). Am 27. Juli 1541 begann <strong>Melanchthon</strong> mit<br />

der Abfassung eines als Vorrede für eine Ausgabe seiner Werke bei dem<br />

Basler Druckerverleger Johann Herwagen d. Ä. gedachten Textes, der<br />

später aber nur in einem Teil der Auflage verwendet wurde, <strong>und</strong> setzte<br />

sie in den nächsten Wochen fort. Der Text gibt Auskunft über seinen<br />

Bildungsgang. Eine „Autobiographie“ wird man ihn nicht nennen können,<br />

wohl aber ein Zeugnis, wie er zu dem wurde, der er war, <strong>und</strong> welche<br />

Absichten <strong>und</strong> Ziele er in seinem Leben – <strong>und</strong> nicht nur in seinem akademischen<br />

– verfolgte. „Selbst-Zeugnis“ ist dabei Selbstwahrnehmung <strong>und</strong><br />

-einschätzung <strong>und</strong> Rechtfertigung zugleich. Denn dass er <strong>und</strong> seine Haltung<br />

nicht <strong>von</strong> allen Zeitgenossen gleichermaßen positiv aufgenommen<br />

wurde, war dem Mittvierziger bewusst. <strong>Melanchthon</strong> berichtet über seine<br />

Schulbildung in Pforzheim <strong>und</strong> lobt seine Lehrer, er schreibt über den<br />

(schlechten) Unterricht an der Universität Heidelberg, seine erste eigene<br />

Lehrtätigkeit, seine theologischen Bücher, unter denen er die Loci <strong>und</strong><br />

den Römerbriefkommentar besonders hervorhebt, über seine philosophischen<br />

Bücher <strong>und</strong> über Schwierigkeiten des Verständnisses <strong>von</strong> Texten,<br />

die dank des Fortschritts der Studien inzwischen nicht mehr bestünden.<br />

Mit einem Plädoyer für die Notwendigkeit sprachlicher Bildung in der<br />

Kirche, Bedenken angesichts der Türkengefahr, einem Gebet <strong>und</strong> der Zuversicht,<br />

dass die Kirche erhalten bleibe, endet die Vorrede.<br />

Die Überschrift Epistola <strong>Philipp</strong>i Melanthonis, de suis studiis, consiliis<br />

et affectatione erga ecclesiam et Rempublicam, die <strong>Melanchthon</strong>s Schwiegersohn<br />

Caspar Peucer dem Text 1563 gab, bezeichnet zutreffend, was


22 MENSCH UND FAMILIE<br />

der Verfasser mit diesem Text beabsichtigt hatte: seinen akademischen<br />

Werdegang darzustellen <strong>und</strong> zu zeigen, worum es ihm im Hinblick auf<br />

Kirche <strong>und</strong> Gemeinwesen ging <strong>und</strong> wozu er sich in Fragen der Religion<br />

<strong>und</strong> Politik zu diesem Zeitpunkt ausdrücklich bekannte.<br />

Übersetzungsgr<strong>und</strong>lage: MBW 2780<br />

Nichts ist läppischer als Dummheit zu entschuldigen. Doch ziemt<br />

es einem klugen Geist, besonders in den Wissenschaften, Irrtümer<br />

zu erkennen <strong>und</strong> die mangelnde Begabung oder Nachlässigkeit<br />

zuzugeben, damit die Jugend durch fremde Vorbilder dazu<br />

gebracht wird, in ihren Studien genauer darauf zu achten, wo<br />

man Hand anlegen soll. Ich werde deshalb dieser Ausgabe meiner<br />

Schriften eine Beurteilung beisteuern, worin ich nicht nur über<br />

die Studien meiner Jugend berichte, sondern auch erläutere, was<br />

ich in der Öffentlichkeit bewirken wollte <strong>und</strong> zu welchem Zweck<br />

ich theologische Schriften publizierte.<br />

Kaum dass ich die lateinische Grammatik <strong>von</strong> dem Pforzheimer<br />

Johannes Unger 1 , einem gelehrten <strong>und</strong> ehrenwerten Mann,<br />

einigermaßen gelernt hatte, Griechisch <strong>von</strong> Georg Simler 2 , der<br />

später mit großer Anerkennung Zivilrecht lehrte, wurde ich noch<br />

als Knabe auf die Universität 3 geschickt. Weil den Heranwachsenden<br />

dort öffentlich nichts als jene geschwätzige Dialektik <strong>und</strong><br />

ein klein wenig Naturwissenschaft gelehrt wurde <strong>und</strong> ich gelernt<br />

hatte, Verse zu bauen, begann ich, mit einer irgendwie kindlichen<br />

Leidenschaft Dichter zu lesen, <strong>und</strong>, wie es die Sache mit<br />

sich bringt, erweiterte ich die Lektüre durch Geschichtswerke <strong>und</strong><br />

Dramen. Diese Gewohnheit brachte mich nach <strong>und</strong> nach zu den<br />

alten Autoren. Da ich <strong>von</strong> diesen die Wörter bezog, aber niemand<br />

auf den Stil hinwies <strong>und</strong> wir jungen Leute wahllos alles Mögliche<br />

durchlasen, vielmehr Neueres wie <strong>von</strong> Polizian 4 <strong>und</strong> dergleichen<br />

liebten, bekam meine Ausdrucksweise sozusagen ihre Farbe <strong>von</strong><br />

dort <strong>und</strong> ist abhängig mehr <strong>von</strong> jenen groben <strong>und</strong> ungehobelten<br />

Schreibern als <strong>von</strong> der Schönheit <strong>und</strong> Eleganz der Alten. Weil ich<br />

beim Philosophieren auf all das nicht verzichtete, was ich rasch<br />

aufgeschnappt oder eher herausgef<strong>und</strong>en <strong>und</strong> abgeguckt hatte


MELANCHTHON ÜBER SICH<br />

23<br />

<strong>von</strong> denen, die es anboten, unverstanden, weil sie in den Schulen<br />

hockend keinen Dunst <strong>von</strong> Staat, Markt <strong>und</strong> Streit in der Kirche<br />

je gesehen noch die Kampfschriften der Redner gelesen hatten,<br />

da geschah es, dass ich begann, über brauchbare Leitlinien selbst<br />

nachzudenken.<br />

Gerade damals sind die „Drei Bücher Dialektik“ des Rudolf<br />

Agricola 5 erstmals publiziert worden, die mir gleich nach dem<br />

Druck Ökolampad 6 schenkte, den in Gelehrsamkeit, Klugheit<br />

<strong>und</strong> Frömmigkeit Hervorragenden ich nicht weniger als einen<br />

Vater verehrte. Durch deren Lektüre wurde ich nicht nur kenntnisreicher,<br />

sondern auch veranlasst, in den Reden Ciceros <strong>und</strong> des<br />

Demosthenes den Gang der Beweisführung genauer zu verfolgen<br />

<strong>und</strong> zu analysieren. Dadurch gewann ich zweierlei: diese Reden<br />

besser zu verstehen <strong>und</strong> lieber zu lesen <strong>und</strong> den Gebrauch der<br />

Regeln zu durchschauen.<br />

Und da ich, sei es durch Anlage, sei es durch irgendein Schicksal,<br />

in diese Schulpflicht hineingeriet <strong>und</strong> andere zu lehren begonnen<br />

hatte, bevor ich selbst genug gelernt hatte, wurde ich <strong>von</strong><br />

meinen Mitstudenten gedrängt, das zu publizieren, was sie in den<br />

privaten Kolloquien <strong>von</strong> mir gehört hatten. So sind die Büchlein<br />

über Dialektik 7 <strong>und</strong> Rhetorik 8 entstanden, eher aus Zufall <strong>und</strong> aus<br />

einem jugendlichen Eifer als aus gründlicher Sachkenntnis. Wenn<br />

man aber bedenkt, welche Irrwege, welcher Unsinn in den Dialektikbüchern<br />

stand, die damals ausschließlich gelesen wurden,<br />

welche Unkenntnis nicht nur der Sprachen <strong>und</strong> der Geschichte,<br />

sondern auch derjenigen Fächer, in denen die Professoren ihre<br />

Titel führten, dann wird man, wenn man diese Studien richtig<br />

beurteilt, zugeben müssen, dass eine Universitätsreform damals<br />

notwendig war. Hätten sie doch unsere Kritiker, die uns jetzt anklagen,<br />

entweder selbst begonnen oder besser geleitet!<br />

Und wenn jenes „Goldene Zeitalter“, auf das wir damals hofften,<br />

als die Schönen Künste wie auch immer erblühten, eingetreten<br />

wäre <strong>und</strong> wir Muße bekommen hätten, dann hätten wir<br />

vielleicht Erfreulicheres, Schöneres <strong>und</strong> den Schulen Willkommeneres<br />

geschrieben. Aber die verhängnisvolle Zwietracht, die danach<br />

folgte, hat sowohl meine Studien behindert, als auch, wie


24 MENSCH UND FAMILIE<br />

es eine trübe Zeit mit sich bringt, meinem Stil einen gewissen<br />

traurigen Gr<strong>und</strong>ton zugefügt. Doch will ich jetzt nicht über die<br />

Ursachen der kirchlichen Streitigkeiten reden. Ich weiß, dass wir<br />

<strong>von</strong> Feinden beschuldigt werden, gegen die mir eine kinderleichte<br />

<strong>und</strong> einfache Verteidigung bereitsteht. Ich bekenne, dass ich seit<br />

Beginn der Streitigkeiten 9 Anhänger derjenigen Partei, welche die<br />

wahren <strong>und</strong> für die Kirche notwendigen Sachverhalte offengelegt<br />

hat, war <strong>und</strong> bin. Anführer konnte ich schon wegen meiner Jugend<br />

nicht sein. Aber gegen die Frommen <strong>und</strong> Heilsames Lehrenden<br />

wollte ich nicht sein <strong>und</strong> denke noch immer so. Wir lesen,<br />

dass der Tyrann Dionysius die Tochter des Fürsten Aristides <strong>von</strong><br />

Lokris zur Ehe begehrte. Als der Vater es abschlug, sie dem Tyrannen<br />

zu geben, fragte Dionysius einige Zeit später, nachdem<br />

er eine Straftat vorgetäuscht <strong>und</strong> die Kinder des Aristides getötet<br />

hatte, ob ihn seine Entscheidung, ihm die Tochter nicht zu<br />

verheiraten, noch nicht reue. Da sagte Aristides mit großer Charakterstärke:<br />

„Obwohl mir die Ermordung meiner Kinder großen<br />

Schmerz bereitet, reut mich meine richtige Entscheidung nicht.“ 10<br />

So ist es auch hier. Obwohl wir sahen, welche Zerstörung auch<br />

manch guter Verhältnisse die öffentliche Zwietracht nach sich<br />

gezogen hat, reut mich doch meine Entscheidung nicht. Diese<br />

Zwietracht besteht nicht durch unsere Schuld, sondern durch<br />

das Verbrechen derer, die die aufleuchtende Wahrheit nicht ertragen<br />

können. Ferner bitte ich jene (um <strong>von</strong> den Ursachen nicht<br />

zu reden), zu bedenken, dass in allen Verhältnissen der Menschheit<br />

immer wieder schicksalhafte Veränderungen vorkommen, die<br />

durch Maßnahmen der Menschen nicht verhindert werden können.<br />

Ganz zufrieden können wir sein, wenn sie durch Klugheit<br />

<strong>und</strong> Mäßigung gemildert werden können <strong>und</strong> nicht „das Schiff<br />

aus dem Fahrtwind“ (wie man sagt) 11 gerät. Jene Klüglinge sollten<br />

die allgemeinen Nöte nicht durch Zorn, Hass <strong>und</strong> Sturheit vermehren,<br />

sondern ein „weiteres Schiff“ bereithalten, durch ihren<br />

Gleichmut die Übel lindern <strong>und</strong> das Gemeinwohl heilen. Warum,<br />

da die Kirche eine Reform nötig hatte <strong>und</strong> da eine Änderung da<br />

<strong>und</strong> dort schon im Gange war, warum setzten sie sich nicht dafür<br />

ein, dass dem Heil aller Völker geholfen werde? Doch ich höre auf,


MELANCHTHON ÜBER SICH<br />

25<br />

über die Absichten anderer zu disputieren; über mich werde ich<br />

reden.<br />

Mich haben weder Geldgier noch Ehrgeiz in den Umkreis dieser<br />

Streitigkeiten in der Kirche gebracht. Und in diesen großen<br />

Umwälzungen tröste ich mich sowohl meines ehrlichen Strebens<br />

als auch der Gewissheit richtiger <strong>und</strong> nützlicher Taten, Ratschläge<br />

<strong>und</strong> Schriften.<br />

In zwei Büchern, den theologischen Loci 12 <strong>und</strong> dem Kommentar<br />

zum Römerbrief 13 , habe ich die Lehre unserer Gemeinden<br />

zusammengestellt, die ich gewiss der Nachwelt rein <strong>und</strong> unverfälscht<br />

überliefert sehen möchte. Mich schert auch nicht die epikureische<br />

Meinung derer, die, da sie das Evangelium für Dichtung<br />

halten, nicht wollen, dass die Irrtümer der Kirchen getadelt <strong>und</strong><br />

die Quellen der Lehre erforscht werden. Denn „der Kyklopen“<br />

Weisheit hasse <strong>und</strong> verabscheue ich „<strong>von</strong> ganzem Herzen“. 14 Ich<br />

bin überzeugt, dass es eine einzige wahre Lehre <strong>von</strong> Gott <strong>und</strong> dem<br />

göttlichen Willen gibt, die in der Kirche Gottes vorhanden ist,<br />

<strong>von</strong> Anfang an fortwährend bewahrt in den prophetischen <strong>und</strong><br />

apostolischen Schriften sowie in denen, die durch Zeugnisse der<br />

Kirche unmittelbar nach den Aposteln geprüft sind. Diese Lehre<br />

soll man verehren, lernen <strong>und</strong> verbreiten; das ist meine Meinung.<br />

Ich meine auch, dass in der neueren Lehre der Mönche nicht zu<br />

übersehende Irrtümer enthalten sind. Deshalb, da ich auch die<br />

theologische Lehrtätigkeit übernommen habe, stellte ich nicht nur<br />

mit großem Fleiß, sondern auch sorgfältig <strong>und</strong> getreu die wichtigen<br />

Sachverhalte zusammen, die ich in diesen Büchern anführte,<br />

worin man mir nicht durchgehen lassensoll, wenn ein Irrtum<br />

dabei ist. Ich folgte aber einem dialektischen Leitfaden beim Erklären<br />

der Dogmen nicht nur deshalb, weil diese Art geläufig ist<br />

<strong>und</strong> die so beschriebenen Sachverhalte leichter verständlich sind,<br />

sondern auch, weil das angemessen <strong>und</strong> klar Gesagte besonnen<br />

gesagt wird. Ich hoffte aber, dass Klarheit oder Evidenz <strong>und</strong> Kraft<br />

<strong>und</strong> Mäßigung bei dem, worauf es ankommt, irgendwann einen<br />

Zugang zur allgemeinen Eintracht öffnen werden. Dauerhafter<br />

<strong>und</strong> auch sicherer ist, was angemessen gesagt wird, wenn es nur<br />

wahr ist, als Ungenaues <strong>und</strong> Kompliziertes. Ich meine also, dass


26 MENSCH UND FAMILIE<br />

unsere angemessen geschriebenen Bücher den Frommen nützen,<br />

<strong>und</strong> tadle den Eifer unseres Fre<strong>und</strong>es Herwagen 15 nicht, der sie für<br />

druckwürdig hielt.<br />

Doch um nicht eingebildet auf diese wie auf meine anderen<br />

Produkte zu erscheinen, versichere ich hier wieder, wie ich oft anderswo<br />

versichert habe, dass ich mich dem Urteil der Frommen<br />

<strong>und</strong> Gelehrten des ganzen Erdkreises nicht entziehe, sodann dass<br />

ich offen unseren Gemeinden ein Urteil über all mein Denken<br />

<strong>und</strong> Handeln erlaube. Denn ich bin überzeugt, dass unsere Gemeinden<br />

<strong>und</strong> die in Urteil <strong>und</strong> Willen mit unseren Gemeinden<br />

verb<strong>und</strong>enen Frommen auf der ganzen Welt die Kirche Christi<br />

sind. Manches <strong>von</strong> dem, wo<strong>von</strong> ich hier gehandelt habe, ist kürzer,<br />

als es sachgemäß wäre, was ich bei längerem Leben noch entfalten<br />

werde.<br />

Was in den übrigen theologischen Themen meine Ansicht ist,<br />

kann man dem Buch, dem ich den Titel Loci gegeben habe, entnehmen.<br />

Einiges nämlich, wäre ich bei der Edition dabei gewesen,<br />

hätte ich weggelassen. Zweifellos ist das Buch Genesis das gelehrteste<br />

<strong>von</strong> allen prophetischen Büchern. Darin sind schon Berichte<br />

angefangen, in denen auch den Alten der Unterschied <strong>von</strong> Gesetz<br />

<strong>und</strong> evangelischer Verheißung einleuchtete; aber es sind bei mir<br />

nur wenige <strong>und</strong> dürftige Seiten, da doch dieses Buch einen viel<br />

ausführlicheren Kommentar verlangen würde. 16 Wie dürftig ist<br />

doch mein Elaborat zum Evangelium des Johannes! 17 Es gibt auch<br />

eine jüngere Sammlung <strong>von</strong> Zitaten über das Herrenmahl, worin<br />

einige der zitierten Autoren unecht sind. 18 Dies <strong>und</strong> dergleichen<br />

hätte ich lieber weggelassen. Ich erinnere mich, wie Lemp 19 einst in<br />

Tübingen die sogenannte Transsubstantiation für uns an die Tafel<br />

malte. Ich w<strong>und</strong>erte mich schon damals über die Geschmacklosigkeit<br />

dieses Menschen <strong>und</strong> möchte auch heute nicht, dass durch<br />

Zitierung der unter dem Namen Cyprians 20 oder des Ambrosius 21<br />

oder Theophylakts 22 bekannten Sprüche der Missbrauch des Sakraments<br />

gefestigt wird. Ich habe die erstaunliche Frechheit <strong>und</strong><br />

Unverschämtheit der Abschreiber alter Bücher festgestellt, die, um<br />

den Ungebildeten zu imponieren, viel Eigenes dazuschrieben, das<br />

den Autoren widerspricht.


MELANCHTHON ÜBER SICH<br />

27<br />

Was ich aber oft wünschte, dass einmal durch die Autorität der<br />

Könige oder anderer frommer Fürsten gelehrte Männer berufen<br />

werden, um über alle Streitpunkte freimütig zu beraten <strong>und</strong> der<br />

Nachwelt eine sichere <strong>und</strong> klare Lehre zu hinterlassen, das wünsche<br />

ich noch immer. Dass meine Äußerungen maßvoll waren<br />

<strong>und</strong> meine Ratschläge der allgemeinen Eintracht versöhnlich<br />

angepasst, wissen viele. Aber dennoch will ich nicht, dass durch<br />

zweideutige <strong>und</strong> falsche Kompromisse Irrtümer erhalten werden<br />

<strong>und</strong> mit unserer Zustimmung Gewalt gefördert wird. Man suche<br />

eine für die Kirche heilsame Eintracht, nicht wie jener, der dem<br />

Antiochus zweideutige Bedingungen aufgeschrieben hatte, dass<br />

ihm die Hälfte der Schiffe bleiben solle, danach mit zerhackten<br />

Schiffen einen halben Haufen überließ. 23 Noch bin ich sowohl<br />

der Geschichte als auch der Gesellschaft so unk<strong>und</strong>ig, um nicht<br />

zu bedenken, welches Ende viele hervorragende Männer in Bürgerkriegen<br />

oder Tyrannenreichen nahmen. Ich weiß, wie gewütet<br />

wurde gegen die Propheten, gegen den Sohn Gottes <strong>und</strong> die Apostel;<br />

oft betrachte ich auch die Beispiele außerhalb der Kirche: Theramenes<br />

24 , Demosthenes 25 , Demades 26 , Phokion 27 , Kallisthenes 28 ,<br />

Cicero 29 <strong>und</strong> zahllose andere, die für eine gute Sache umgebracht<br />

wurden. Aber es ist dieses unseres Dienstes eigene Pflicht, nicht<br />

nur ehrenhafte <strong>und</strong> notwendige Kämpfe auf uns zu nehmen, um<br />

die göttliche Lehre auszubreiten, sondern auch die Seelenstärke<br />

zu haben, um die Leiden zu ertragen, die dieser Dienst mit sich<br />

bringt. Sei nur der Anlass ehrenhaft <strong>und</strong> für die Kirche notwendig,<br />

das Ende soll Gott anheimgestellt werden. Da gesagt werden<br />

musste, welche Bücher ich für gut halte, nur soviel über meine<br />

Absicht, die hoffentlich viele kennen <strong>und</strong> verstehen.<br />

Der andere Teil der Schriften enthält philosophische Themen.<br />

Er ist offenk<strong>und</strong>ig nicht aus Prahlerei erschienen. Denn kein Buch<br />

ist fehlerfrei oder vollkommen. Fre<strong>und</strong>e aus Italien schrieben mir,<br />

einige Gelehrte fragten sich, warum ich solche Belanglosigkeiten<br />

drucken lasse. Meine übliche Antwort schiebt nicht die Schuld auf<br />

die Drucker, auch nicht auf Schwäche meines Verstandes, obwohl<br />

ich diese Verse oft in Bezug auf mich zitiere:


44<br />

Ehefrau Katharina <strong>Melanchthon</strong><br />

4. Furcht vor der Hochzeit: Brief an Dominicus Schleupner,<br />

nach 14. November 1520<br />

Es handelt sich um einen der wenigen ganz auf Griechisch verfassten<br />

Briefe <strong>Melanchthon</strong>s. 1<br />

Die Sprachwahl mag wie im Fall des Briefes über die spätere Hochzeit<br />

Luthers (vgl. Nr. 66) im Thema begründet gewesen sein (d. h. um angesichts<br />

der kritischen Töne unerwünschte Leser auszuschließen). Denn<br />

<strong>Melanchthon</strong> spricht seinem Fre<strong>und</strong> Dominicus Schleupner gegenüber<br />

<strong>von</strong> der Furcht vor seiner eigenen Hochzeit am 27. November 1520 <strong>und</strong><br />

lädt ihn dazu ein. In Anspielung auf eine alttestamentliche Formel spricht<br />

er vom „Tag seiner Drangsalen“ <strong>und</strong> entschuldigt sich mit der „Schwäche<br />

des Fleisches“. Der aus Schlesien stammende Breslauer Kanoniker<br />

Schleupner hatte <strong>von</strong> April 1519 bis August 1520 in Wittenberg studiert.<br />

Als Anhänger der neuen Lehre befand er sich zum Zeitpunkt der<br />

Abfassung des Briefes in Leipzig. Kurz darauf, 1522, wurde Schleupner<br />

auf Empfehlung Luthers Prediger an der Sebalduskirche in Nürnberg.<br />

Schleupner selbst heiratete erst 1525, war also 1520 ebenfalls noch Junggeselle.<br />

<strong>Melanchthon</strong> betont die gegenseitige Fre<strong>und</strong>schaft.<br />

<strong>Melanchthon</strong>s Sorge vor der Ehe mag zum Teil literarisch stilisiert<br />

sein. Er musste aber zunächst <strong>von</strong> Luther dazu gedrängt werden, der<br />

für den gerade 23-jährigen „Budeling“, der in einer Art Männer-WG<br />

mit Hausgenossen wohnte, eine Hausfrau für nötig hielt. Die Wahl<br />

fiel auf Katharina Krapp, die Tochter eines bereits 1515 gestorbenen<br />

Gewandschneiders. Ihre Familie gehörte zur Oberschicht der Stadt. Vater<br />

<strong>und</strong> Bruder waren Ratsmitglieder <strong>und</strong> Bürgermeister. Als Katharina nach<br />

fast 37-jähriger Ehe starb, würdigte <strong>Melanchthon</strong> ihren Einsatz für Familie<br />

<strong>und</strong> Erziehung.<br />

Übersetzungsgr<strong>und</strong>lage: MBW 111<br />

Herrn Dominicus Schleupner, Kanoniker in Breslau, seinem<br />

Herrn <strong>und</strong> Patron.


EHEFRAU KATHARINA MELANCHTHON<br />

45<br />

Sei in Christus gegrüßt, Dominicus! Deinen Brief habe ich gestern<br />

erhalten <strong>und</strong> freue mich über ihn, weil du einen alten Fre<strong>und</strong> nicht<br />

mehr vergessen zu haben schienst. 2 Denn da ich dich wahrhaft<br />

liebe, will ich auch wiedergeliebt werden. 3 Denn auch wenn die<br />

Freigiebigkeit der Fre<strong>und</strong>schaft keine Belohnung in Werken begehrt,<br />

begehrt sie doch, die Liebe gegen die Erwiderung der Liebe<br />

einzutauschen. Da aber, wie mir scheint, unsere Fre<strong>und</strong>schaft<br />

durch Christus begann, bitte ich dich, sie immer Christi wegen<br />

zu bewahren. So viel nun dazu. 4 Was du über deine Theologen geschrieben<br />

hast, ist gut, <strong>und</strong> ich dürfte wohl das Gebet Christi aussprechen.<br />

5 „Der Tag meiner Drangsalen“ 6 wird der 27. November<br />

sein. Ich bitte dich, diesen mit mir zu verbringen. Und ich bitte<br />

dich, die Schwäche meines Fleisches nicht zu verachten. 7 Ich bin<br />

jetzt voll Trauer, da ich keinen Trost außer der inspirierten Schrift<br />

Gottes habe. Lebe wohl! Wittenberg.<br />

Dein <strong>Philipp</strong><br />

Wenn der Teufel ruhen wird, werde ich dich wieder anschreiben.<br />

Er wird aber, wie ich hoffe, bald ruhen.<br />

1<br />

Für Hinweise zur Übersetzung danke ich herzlich Thomas Gärtner (Köln). Weitere<br />

griechische Briefe sind: MBW 42, 79, 85, 198, 408, 967, 2691, 4401, 5514,<br />

2<br />

7555, 7736, 9073, 9343. Der Brief Schleupners ist nicht erhalten. Die Konstruktion<br />

im Griechischen ist etwas eigenwillig. <strong>Melanchthon</strong> schreibt παλαιοῦ<br />

φίλου ... λαθεῖν. Im Sinne <strong>von</strong> „vergessen“ würde man eher (ἐπι)λαθέσθαι erwarten.<br />

Ungewiss ist auch, ob <strong>Melanchthon</strong> vielleicht οὐκέτι („nicht mehr“) mit οὔπω<br />

3<br />

(„noch nicht“) verwechselt haben könnte. Vgl. u.a. Theokrit: Idyll 12, 16;<br />

4<br />

Xenophon: Memorabilien 2, 6, 28. Die griechische Formulierung (καὶ ταῦτα<br />

5<br />

δὴ μὲν ταῦτα) ist ein Zitat aus Aristophanes’ Plutos (V. 8). Vielleicht ist gemeint:<br />

„Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“ (Lk 23,34).<br />

Schleupner hat sich am 15. November 1520 an der Universität Leipzig immatrikuliert.<br />

„Tag der Drangsal“ (ἡμέρα θλίψεως) bzw. „Tag meiner Drangsal“ (ἡμέρα<br />

6<br />

θλίψεώς μου) ist ein häufig in der griechischen Bibel (Septuaginta) anzutreffender<br />

Ausdruck. <strong>Melanchthon</strong> steigert ihn hier, indem er statt des üblichen Singulars<br />

7<br />

„Drangsal“ den Plural „Drangsalen“ (θλίψεων) verwendet. Anspielung auf Gal<br />

4,14: „Und obwohl meine leibliche Schwäche euch eine Anfechtung war, habt ihr<br />

mich nicht verachtet.“


46 MENSCH UND FAMILIE<br />

5. Todesanzeige für Schwiegermutter Katharina Krapp, 1548<br />

Die Todesanzeigen in den Wittenberger Universitätsbekanntmachungen<br />

wurden für gewöhnlich unter dem Namen des Rektors veröffentlicht, die<br />

meisten Texte schrieb aber <strong>Melanchthon</strong> für seine Kollegen, was gut am<br />

Stil nachzuverfolgen ist. Das trifft auch auf die Todesanzeige für Katharina<br />

Krapp, geb. Müntzer, die Mutter des Wittenberger Bürgermeisters<br />

Hieronymus Krapp <strong>und</strong> der Ehefrau <strong>Melanchthon</strong>s Katharina, zu, die<br />

unter Caspar Crucigers d. Ä. Namen veröffentlicht wurde. <strong>Melanchthon</strong>s<br />

Schwiegermutter starb am 2. Mai 1548 im Alter <strong>von</strong> 80 Jahren; sie hatte<br />

nach dem Tod ihres Mannes (1515) den Gewandschnitt bzw. Textilbetrieb<br />

geführt, bis ihr ältester Sohn Hieronymus ihn 1518/19 übernahm.<br />

Dass die Verstorbene in einem verwandtschaftlichen Verhältnis zum Verfasser<br />

stand, ist aus dem Text nicht ersichtlich; die Anzeige berichtet in<br />

Form einer laudatio knapp über das gottesfürchtige Leben <strong>und</strong> betont ihr<br />

friedvolles Sterben. Zum Zweck der Anzeige gehört ebenfalls die Einladung<br />

zur Beerdigung.<br />

Übersetzungsgr<strong>und</strong>lage: CR 6, 896 f., Nr. 4228 <strong>und</strong> SPP 1, 208b–209a<br />

Der Rektor der Universität Wittenberg Doktor Caspar Cruciger<br />

Die angesehene ehrbare Witwe, Mutter des Bürgermeisters Hieronymus<br />

Krapp, sah, obwohl sie beinahe 80 Jahre lebte, keinen<br />

Krieg in der Heimat außer in den letzten beiden Jahren in diesem<br />

hohen Alter. 1 Auch wenn es im Leben jedes einzelnen viele <strong>und</strong><br />

große Trübsale gibt, ist es doch eine große Erleichterung, wenn<br />

man sieht, dass die Heimat Frieden hat, während der Staat blüht.<br />

Es war also ein Glück für sie, dass sie den Großteil ihres Lebens<br />

in friedlicher Zeit führte <strong>und</strong> starb, bevor sie neue Unruhen gesehen<br />

hätte, <strong>von</strong> denen sie während ihrer Krankheit oft sprach,<br />

als ob sie ahnte, dass solche anstünden. Sie hat aber Gott in Erkenntnis<br />

des Mittlers Jesus Christus immer fromm angerufen <strong>und</strong><br />

war bei ihren Verpflichtungen als Ehefrau in ehrenvoller Weise<br />

sittsam <strong>und</strong> bescheiden; auch war sie gegenüber den Armen so


EHEFRAU KATHARINA MELANCHTHON<br />

47<br />

wohltätig, dass sie <strong>von</strong> ihrem Unterhalt, weil sie viel sparte, den<br />

armen Frauen <strong>und</strong> Kindern schenkte. Sie starb friedlich, indem<br />

sie den Sohn Gottes, unseren Herrn Jesus Christus, anrief <strong>und</strong><br />

nicht nur sich selbst in ihrer Krankheit, sondern auch die Ihren<br />

<strong>und</strong> die Kirche wiederholt Gott anbefahl. Wir ermuntern aber die<br />

Studenten, dass sie zur Beerdigung, die für diese angesehene Frau<br />

heute zur zwölften St<strong>und</strong>e stattfinden wird, zusammenkommen<br />

<strong>und</strong> zugleich mit anderen beten, dass Gott dieser Gegend Frieden<br />

gewähre. 3. Mai 1548.<br />

1<br />

Gemeint ist der Schmalkaldische Krieg (1546/47), in dessen Verlauf im Mai<br />

1547 Wittenberg <strong>von</strong> den kaiserlichen Truppen belagert <strong>und</strong> erobert wurde.<br />

6. Epitaphium auf Ehefrau Katharina <strong>Melanchthon</strong>, 1557<br />

Katharina <strong>Melanchthon</strong> starb mit 60 Jahren in Wittenberg am 11. Oktober<br />

1557 in Gegenwart ihrer jüngsten Tochter Magdalena, während<br />

ihr Ehemann anlässlich des Wormser Religionsgesprächs unterwegs war.<br />

<strong>Melanchthon</strong> würdigte seine Ehefrau mit einer selbst verfassten Inschrift<br />

für den Grabstein. Wie auch bei anderen in elegischen Distichen verfassten<br />

Epitaphien war dies für ihn nicht der Ort für eine emotionale Trauerbewältigung.<br />

Dass ihn der Verlust seiner Frau sehr getroffen hat, lässt<br />

sich persönlichen Äußerungen im Briefwechsel entnehmen. 1 Hier geht<br />

es ihm vielmehr darum, in knappen Worten das Grab zu identifizieren,<br />

Katharinas familiäre Stellung anzugeben <strong>und</strong> sie gemäß christlich-reformatorischem<br />

Topos als fromme <strong>und</strong> tugendhafte Ehefrau zu würdigen<br />

sowie seinem Verständnis der christlichen Hoffnung Ausdruck zu verleihen,<br />

dass die Seele der Verstorbenen Gottes Gegenwart genießen kann. 2<br />

Übersetzungsgr<strong>und</strong>lage: CR 10, 641, Nr. 314 <strong>und</strong> SPP 3, 121b<br />

Epitaphium auf Katharina, die Ehefrau <strong>Philipp</strong> <strong>Melanchthon</strong>s<br />

In diesem Grab hier liegen Katharinas Gebeine.


48 MENSCH UND FAMILIE<br />

Einst kam sie als Tochter <strong>von</strong> Bürgermeister Krapp zur Welt<br />

<strong>und</strong> war mit <strong>Philipp</strong> in keuscher Ehe verheiratet,<br />

dessen berühmter Name aus seinen Schriften herrührt 3 .<br />

Nach Christi Willen waren ihr die Tugenden geschenkt,<br />

die – so lehrt es Paulus 4 – die Zierde einer Ehefrau sind.<br />

Ihre Tochter bestattete an dieser Stelle den Körper, während ihr<br />

Mann sich in der Ferne aufhielt.<br />

Ihre Seele aber lebt <strong>und</strong> erfreut sich am Anblick Gottes.<br />

1<br />

Siehe z.B. den Brief an seine Kollegen über den Tod seiner Frau in diesem Band,<br />

Nr. 7.<br />

2<br />

Siehe z.B. das Epitaphium auf Famulus Koch in diesem Band, Nr. 17.<br />

3<br />

Oder: „sich verbreiten“. SPP liest: „bleiben“ (manent statt manant).<br />

4<br />

„Tugenden<br />

einer christlichen Ehefrau“: 1Tim 2,9 f.<br />

7. Brief an die Kollegen über den Tod seiner Frau Katharina,<br />

31. Oktober 1557<br />

1553 erkrankte Katharina lebensbedrohlich; <strong>Melanchthon</strong> wich nicht<br />

<strong>von</strong> ihrem Krankenlager. Als sie vier Jahre später, am 11. Oktober 1557,<br />

starb, stand ihr Mann jedoch nicht an ihrer Seite, denn er war Mitte August<br />

zum Religionsgespräch nach Worms aufgebrochen. Die Nachricht<br />

<strong>von</strong> ihrem Tod erhielt er am 27. Oktober, dem Todestag seines Vaters, in<br />

Heidelberg. Joachim Camerarius war der Überbringer; er kam aus Leipzig<br />

angeritten, um seinem Fre<strong>und</strong> in dieser schweren St<strong>und</strong>e beizustehen.<br />

Auch sein Bruder Georg kam aus Bretten, um <strong>Melanchthon</strong> zu trösten.<br />

Wie tief <strong>Melanchthon</strong>s Trauer war, lässt das eher formelle Schreiben an<br />

seine Kollegen durchaus erkennen.<br />

Übersetzungsgr<strong>und</strong>lage: CR 9, 357 f., Nr. 6388 (MBW 8412)<br />

An den Rektor <strong>und</strong> den Senat der Universität Wittenberg.


EHEFRAU KATHARINA MELANCHTHON<br />

49<br />

Ruhmreicher Herr Rektor, ehrwürdige <strong>und</strong> berühmte Herren<br />

Doktoren, liebe Kollegen! Wie es im Kummer üblich ist, mache<br />

ich mir über den Tod meiner Gattin, dieser leidgeplagten Frau,<br />

viele verschiedene Gedanken. Ich kann zwar viele in der menschlichen<br />

Natur liegende Gründe aufzählen, die den Schmerz lindern<br />

müssten: dass das Alter ihr nicht mehr viele Jahre zugestanden<br />

hätte; dass die Krankheiten, an denen sie litt, allmählich immer<br />

heftiger geworden wären; dass sie, wenn ich zuerst dahingerafft<br />

worden wäre, in größerem Elend hätte leben müssen, vielleicht<br />

sogar neue Exile erlebt hätte. Trotzdem bricht die Liebe zu ihr <strong>und</strong><br />

zu den Töchtern 1 immer wieder mit solcher Macht hervor, dass<br />

mich der Schmerz fast überwältigt. Denn ich habe ihr immer gewünscht,<br />

länger den so angenehmen Umgang mit den Töchtern zu<br />

genießen; <strong>und</strong> für die Töchter wäre es wichtig gewesen, die Mutter<br />

als Mentorin zu haben. Aber ich halte mich an die Betrachtung<br />

des Bibelverses: „Unterwirf dich Gott <strong>und</strong> bete zu ihm“ 2 , <strong>und</strong> ich<br />

bitte ihn <strong>von</strong> ganzem Herzen, er möge die Kirche bewahren <strong>und</strong><br />

leiten <strong>und</strong> sich unserer Familien annehmen, wie ein Hirte die zarten<br />

Lämmer im Schoß hält. Daran, dass ihr meiner Frau bis zu<br />

ihrem Tod ständig mit Trost <strong>und</strong> Heilmitteln beigestanden habt<br />

<strong>und</strong> danach einen Boten 3 zu mir geschickt habt, erkenne ich euer<br />

Wohlwollen mir gegenüber <strong>und</strong> danke euch. Ich möchte – sofern<br />

es mir vergönnt ist, noch länger zu leben – nirgendwo lieber leben<br />

als mit euch, deren Tüchtigkeit, Aufrichtigkeit <strong>und</strong> Treue ich in<br />

höchstem Maße schätze. Und ich liebe die verdienstvolle Universität,<br />

die Gott bisher gnädig vor den niederträchtigen Waffen <strong>und</strong><br />

vor der Wut der Heuchler beschützt hat. Und ich bitte Gott, er<br />

möge sie immer leiten <strong>und</strong> schützen. Lebt wohl! Heidelberg, den<br />

31. Oktober 1557.<br />

1<br />

<strong>Melanchthon</strong>s jüngste Tochter Magdalena Peucer mit ihren Töchtern sowie die<br />

Töchter der verstorbenen Anna Sabinus, die in <strong>Melanchthon</strong>s Haus aufwuchsen;<br />

2<br />

als filiae bezeichnet <strong>Melanchthon</strong> auch seine Enkelinnen. Ps 36,7; <strong>Melanchthon</strong><br />

zitiert den Psalter nach der Septuaginta, der griechischen Bibel. Joachim<br />

3<br />

Camerarius, <strong>Melanchthon</strong>s engster Fre<strong>und</strong>.


50<br />

Tochter Anna<br />

<strong>Melanchthon</strong> hatte ein besonders inniges Verhältnis zu seiner ältesten,<br />

1522 geborenen Tochter Anna. 1536 verheiratete er die damals Vierzehnjährige<br />

mit seinem talentierten Schüler <strong>und</strong> gefeierten Dichter Georg<br />

Sabinus, nachdem dieser <strong>von</strong> einer Italienreise zurückgekehrt war. Dort<br />

hatte der ehrgeizige Sabinus den Dichterlorbeer erhalten, war zum Ritter<br />

nobilitiert <strong>und</strong> zum Doktor beider Rechte in Padua promoviert worden.<br />

Noch vor der Reise aber hatte ihm Anna auf Geheiß <strong>von</strong> <strong>Melanchthon</strong>s<br />

Frau zum Aufbruch einen Kranz geschenkt <strong>und</strong> er ihr für den Fall seiner<br />

glücklichen Rückkehr die Ehe versprochen, wie Sabinus selbst die Szene<br />

in seinem Hodoeporicon itineris Italici schildert. Trotz der feierlichen Inszenierung<br />

der Eheschließung durch Sabinus <strong>und</strong> seine Fre<strong>und</strong>e in verschiedenen<br />

Dichtungen stand die Ehe unter keinem guten Stern, was das<br />

Verhältnis zwischen <strong>Melanchthon</strong> <strong>und</strong> seinem Schwiegersohn Sabinus<br />

sehr belastete. Nachdem Sabinus im März 1544 mit Unterstützung <strong>von</strong><br />

Joachim Camerarius <strong>und</strong> <strong>Melanchthon</strong>, obwohl Letzterer ihn eigentlich<br />

nicht für geeignet hielt, Rektor der neugegründeten Universität Königsberg<br />

geworden war, scheint er die Scheidung <strong>von</strong> Anna gewollt zu haben<br />

<strong>und</strong> beschuldigte sie mittels eines fingierten Briefes des Ehebruchs. Sie<br />

entschloss sich allerdings trotzdem, Sabinus nach Königsberg zu folgen,<br />

wo sie 1547 mit gerade vier<strong>und</strong>zwanzig Jahren nach der Geburt ihres<br />

sechsten Kindes starb. Camerarius, der um Vermittlung bemüht war<br />

<strong>und</strong> mit dem <strong>Melanchthon</strong> über die Angelegenheit Briefe austauschte,<br />

schätzte zwar Sabinus’ Talent <strong>und</strong> Ehrgeiz, führte die Auseinandersetzung<br />

mit <strong>Melanchthon</strong> aber auf Sabinus’ ausgeprägtes Geltungsbedürfnis zurück.<br />

Gleichwohl sah Camerarius auch eine Mitschuld bei Anna (s. unten<br />

Nr. 8). Nach dem Tod Annas entspannte sich das Verhältnis zwischen<br />

Sabinus <strong>und</strong> <strong>Melanchthon</strong> wieder.


TOCHTER ANNA<br />

51<br />

8. Rosenkrieg: Brief an Joachim Camerarius, 24. Mai 1544<br />

Übersetzungsgr<strong>und</strong>lage: MBW 3566<br />

Dem sehr berühmten Mann, dem durch seine Bildung <strong>und</strong> Tugend<br />

hervorragenden Herrn Joachim Camerarius aus Bamberg,<br />

seinem Fre<strong>und</strong>.<br />

Sei gegrüßt! Gestern gab mir Caspar 1 sogleich, als er aus dem Wagen<br />

ausstieg, deinen Brief, der voll <strong>von</strong> Frömmigkeit gegenüber<br />

Gott <strong>und</strong> Liebe mir gegenüber ist. Ich verstehe sehr wohl, dass<br />

ich offen angeklagt werde, weil ich gegenüber meiner Familie zu<br />

nachsichtig scheine, was mir auch mein Ixion 2 vor zwei Tagen<br />

vorwarf. Dennoch aber würdest du meinem Schmerz gegenüber<br />

nachsichtig sein, wenn du das Wesen Ixions <strong>und</strong> die untersuchte<br />

Angelegenheit genauso gut kennen würdest wie ich. Und dennoch<br />

habe ich bisher alles der Ordnung nach getan <strong>und</strong> bedauere, es getan<br />

zu haben. Vor seiner Reise nach Speyer fand eine Aussöhnung<br />

statt. 3 Er selbst sagte, dass es eine „Amnestie“ geben würde. Als<br />

er später aus Leipzig zurückkehrte, schickte er einen erf<strong>und</strong>enen<br />

Brief, der unter dem Namen irgendeines jungen Mannes geschrieben<br />

worden ist. Als er dann angekommen war, hielt er tags darauf<br />

meiner Tochter vor, dass sie <strong>von</strong> einem Liebhaber einen Brief <strong>und</strong><br />

Geschenke erhalten habe <strong>und</strong> diesen nicht offen benenne. Mit<br />

derartigen Erdichtungen spielt er! 4 Als er gestern ging, fiel er mich<br />

auf gespielte Weise an: Er gehe; wenn ich wolle, soll meine Tochter<br />

nach einigen Tagen zu ihm gebracht werden. Wo hat Ixion, der<br />

weder die Dialektiker noch die Tricksereien der Advokaten kennt,<br />

das gelernt? Er denkt, dass es heißen wird, dass sie ihm entweder<br />

aufgedrängt oder, wenn ich sie nicht schicke, mit Gewalt zurückgehalten<br />

worden sei. Er greift mich <strong>und</strong> meine Familie mit Hinterhalten<br />

an <strong>und</strong> belastet uns mit allen möglichen Vorwürfen. Er<br />

liebt keine Wissenschaft, keine Lehre <strong>von</strong> Religion <strong>und</strong> Tugend.<br />

Und diesen preist du mir so! Ich habe bisher ohne Schande gelebt.


52 MENSCH UND FAMILIE<br />

Wenn ich diese Schande, die mir <strong>von</strong> Ixion zugefügt worden ist,<br />

auf mich nehmen muss, werde ich sie ertragen. Denn ich weiß<br />

wohl, dass ich Gott die Strafen für viele Fehltritte schuldig bin,<br />

<strong>und</strong> ich betrachte die Gründe <strong>und</strong> führe mir viele Beispiele aus<br />

der Kirche vor Augen. Und dennoch werde ich nicht aufhören, zu<br />

Gott zu beten, dass er mir helfen möge, <strong>und</strong> ich werde Erlösung<br />

<strong>von</strong> ihm erwarten. Auch dich bitte ich, dass du dich an den Vers<br />

des Fre<strong>und</strong>es an den unglücklichen Fre<strong>und</strong> erinnerst: „Niemand<br />

<strong>von</strong> den Fre<strong>und</strong>en ist für die Fre<strong>und</strong>e ein Missetäter“ 5 , damit<br />

du dich nicht Ixions wegen <strong>von</strong> mir entfremdest, wie die Sache<br />

sich auch entwickeln wird, auch wenn ich bisher alles besonnener<br />

getan habe, als dass es nach meinem Wunsch geschehen wäre.<br />

Diese ganze Nacht habe ich, <strong>von</strong> der Größe des Schmerzes niedergedrückt,<br />

ohne Schlaf verbracht. Ich bitte dich, dass du mich<br />

Gott mit frommen Wünschen anempfiehlst. Ich schicke dir <strong>und</strong><br />

Ziegler 6 ein Exemplar der letzten Disputationsthesen. Denn mehr<br />

hatte ich jetzt nicht. Lebe wohl! Am 24. Mai.<br />

<strong>Philipp</strong> <strong>Melanchthon</strong>.<br />

1<br />

Caspar Cruciger.<br />

2<br />

<strong>Melanchthon</strong> verwendet für Sabinus den mythischen Decknamen<br />

Ixion. Es handelt sich hierbei um einen der bekannten Unterweltsbüßer.<br />

Ixion ist in der Unterwelt auf ein Rad geflochten als Strafe dafür, dass er sich<br />

Hera in ungebührlicher Weise näherte. Es gibt mehrere Aspekte, die <strong>Melanchthon</strong><br />

zu der Wahl des mythischen Namens bewegt haben dürften. Einerseits sticht bei<br />

Ixion der Undank besonders hervor. Zeus hatte ihn an seine Tafel geholt <strong>und</strong> Ixion<br />

missbrauchte dessen Gastfre<strong>und</strong>schaft. In diesem Fall bestünde die Analogie<br />

zwischen <strong>Melanchthon</strong> als Förderer des Sabinus, der ihn sogar in seine Familie<br />

aufnimmt <strong>und</strong> dafür Undank <strong>und</strong> Beschädigung der eigenen Familie erntet. Andererseits<br />

ist Ixion auch als Mörder seines Schwiegervaters Deioneus bekannt. Er ist<br />

also ein Beispiel für besonders perfides, familienschädigendes Verhalten.<br />

3<br />

Nachdem<br />

Sabinus in Königsberg seine Bestallung zum Rektor erhalten hatte, fuhr er<br />

im April zum Reichstag nach Speyer, um dort <strong>von</strong> Kurfürst Joachim II. <strong>von</strong> Brandenburg<br />

seine Entlassung als Professor in Frankfurt/Oder zu erwirken.<br />

4<br />

<strong>Melanchthon</strong><br />

spielt hier mit dem lateinischen Ausdruck poemata (eigentlich „Gedichte“,<br />

hier wohl im Sinne <strong>von</strong> „Erdichtungen“) auch auf Sabinus’ Tätigkeit als Dichter<br />

an.<br />

5<br />

Euripides: Herakles 1234. Herakles hatte in der Tragödie im Wahn seine<br />

Frau <strong>und</strong> seine Kinder erschlagen <strong>und</strong> will sich vom Wahn befreit umbringen. Sein<br />

Fre<strong>und</strong> Theseus aber hält ihn da<strong>von</strong> ab <strong>und</strong> bringt ihn dazu, mit ihm nach Athen<br />

zu gehen.<br />

6<br />

Bernhard Ziegler.


TOCHTER ANNA<br />

53<br />

9. Klage über den Schwiegersohn: Brief an Joachim Camerarius,<br />

13. Juni 1544<br />

Übersetzungsgr<strong>und</strong>lage: MBW 3588<br />

Dem hochberühmten, durch seine Bildung <strong>und</strong> Tugend herausragenden<br />

Herrn Joachim Camerarius, dem Rektor der Universität<br />

Leipzig, seinem teuersten Fre<strong>und</strong>, einen Gruß!<br />

Als Sabinus die Leitung der Königsberger Hochschule anstrebte,<br />

kamen mir viele Dinge in den Sinn, die mich dazu bewegten, ihn<br />

für dieses Amt für ungeeignet zu halten. Es verlangt nämlich einen<br />

Mann, der das Unterrichten liebt, nicht vor der Philosophie zurückschreckt<br />

<strong>und</strong> versöhnlich ist. Dennoch habe ich seinem Ehrgeiz<br />

<strong>und</strong> deiner vorzüglichen Beurteilung <strong>von</strong> ihm nachgegeben.<br />

Doch für mich <strong>und</strong> meine Familie freilich waren die Anfänge sehr<br />

betrüblich. Ich wünsche mir, dass er das Amt, das er jetzt übernommen<br />

hat, glücklich verwaltet. Er verlangte einen Brief an den<br />

Fürsten, 1 den ich geschrieben habe, <strong>und</strong> ich verlange, dass du nicht<br />

nur deine Unterschrift, sondern auch dein Siegel hinzusetzt. 2 Vielleicht<br />

wirst du sagen, dass er matt gelobt wurde. Aber was kann<br />

ich in meiner so großen Trauer über irgendeine Angelegenheit in<br />

ansehnlicher Form schreiben? Wenn ich aber an ihn denke, „kehrt<br />

sich mir das Blut in den Eingeweiden um“ 3 . Und mein Schmerz<br />

wird dadurch vergrößert, dass ich mich <strong>und</strong> meine Familie nur angeklagt,<br />

ihn aber <strong>von</strong> der Schuld befreit sehe, ihn, der mich, meine<br />

unglückliche Frau Gemahlin <strong>und</strong> meine Tochter schon acht Jahre<br />

lang auf grausamste Weise gequält hat. Und es ist mir in meinem<br />

Leben nichts Betrüblicheres zugestoßen als diese Verschwägerung.<br />

Doch ich führe mir den Ausspruch des Propheten vor Augen: „Ich<br />

will des Herrn Zorn tragen – denn ich habe wider ihn gesündigt,“ 4<br />

<strong>und</strong> ich bete zu Gott, dass er mir diese Übel mildere. Es wäre<br />

die richtigste Handlungsweise gewesen, diese Verschwägerung zu<br />

beenden. Aber ich wollte nichts auf ungebührlichere Weise tun


54 MENSCH UND FAMILIE<br />

<strong>und</strong> sah, wie sehr du dich anstrengen würdest, es zu verhindern.<br />

Dich hat eine Art „Schattenbild des Guten“ 5 bewegt, mich dagegen<br />

bewegten große, aber ziemlich finstere Gründe. Doch man<br />

muss sich mit dem, was geschehen ist, anfre<strong>und</strong>en <strong>und</strong> die Hilfe<br />

Gottes erflehen. Ich schicke dir einen Brief Calvins: 6 Dich erfreut<br />

die Erinnerung an diesen Mann, wie ich glaube. Dass er den Brief<br />

Luthers erwähnt, der an die Zürcher geschickt worden ist, ist eine<br />

sehr gerechtfertigte Klage. Aber ich habe an Bullinger im März<br />

geschrieben <strong>und</strong> mich bemüht, die Beleidigung zu heilen. 7 Wenn<br />

Piger das Geld nicht an den Leipziger Rat geschickt hat, werden<br />

wir mit ihm prozessieren. 8 Daher wirst du eruieren, ob er es geschickt<br />

hat. Die jungen Männer Wertheim 9 <strong>und</strong> Limpurg 10 werden<br />

eine Zeit lang im Haus <strong>von</strong> Doktor Benedikt 11 bleiben. Wenn<br />

das geschieht, werde ich ihre Studien überwachen. Gib dem Boten<br />

nicht nur den Brief nach Preußen zurück, sondern schreibe auch<br />

selbst mir <strong>und</strong> vielmehr noch Sabinus. Lebe wohl! Am 13. Juni.<br />

<strong>Philipp</strong> <strong>Melanchthon</strong><br />

Ich hatte den Brief schon gesiegelt, als ein Brief vom Rat 12 kommt,<br />

über den ich Antwort geben werde, wenn ich ihn gelesen habe.<br />

Nun zur Magd: Wenn Sabinus sie verlangt oder möchte, dass sie<br />

geschickt wird, dann bin ich ausdrücklich dafür, dass sie ihm geschickt<br />

werden soll. Denn jetzt hat er keine, <strong>und</strong> meine Tochter ist<br />

alleine dieser Arbeit nicht gewachsen. Und ich will lieber, dass ihr<br />

eine Magd aus der Gegend um Meißen an die Seite gegeben wird<br />

als irgendeine aus dem brandenburgischen Barbarenland. 13<br />

1 2<br />

Herzog Albrecht <strong>von</strong> Preußen. Gemeint ist MBW 3583 vom 12. Juni 1544,<br />

ein Dankesbrief für die Anstellung des Sabinus <strong>von</strong> <strong>Melanchthon</strong> <strong>und</strong> Camerarius<br />

3<br />

an Herzog Albrecht <strong>von</strong> Preußen. Im Original Griechisch. Zitat aus Aischines:<br />

4 5<br />

Epistulae 5,6. Mi 7,9. Im Original umbra τοῦ καλοῦ, vgl. Cicero: Epistulae<br />

6 7 8<br />

ad Atticum 7,11. MBW 3531. MBW 3487. Vgl. zu dieser Angelegenheit<br />

vielleicht MBW 3578. Es geht um einen „verletzten Bürger“. <strong>Melanchthon</strong><br />

ließ dem Leipziger Rat dafür 30 Gulden schicken. Die Identität des genannten


60<br />

Sohn <strong>Philipp</strong><br />

12. Kollegiale Netzwerke <strong>und</strong> familiäre Sorgen:<br />

Brief an Joachim Camerarius, Juni 1545<br />

Der <strong>und</strong>atierte Brief <strong>Melanchthon</strong>s an Joachim Camerarius entstand<br />

offenbar Anfang Juni 1545. Dies geht aus dem Kontext der Bemühungen<br />

beider Professoren hervor, freie Stellen im universitären, schulischen<br />

<strong>und</strong> kirchlichen Bereich mit ihren Schülern zu besetzen. Der Brief zeugt<br />

da<strong>von</strong>, dass nicht alle Überlegungen <strong>und</strong> Vermittlungsanstrengungen<br />

<strong>Melanchthon</strong>s aus unterschiedlichen Gründen heraus zum gewünschten<br />

Ziel führten, dass Überlegungen lange Zeit vage sein konnten <strong>und</strong> neue<br />

Strategien mit neuen Zielen entwickelt werden mussten. Der Schlussteil<br />

des Briefes ermöglicht einen Blick in familiäre Spannungen, die <strong>Melanchthon</strong><br />

bedrückten. Obgleich sich <strong>Melanchthon</strong> gewünscht hätte, dass sein<br />

ältester Sohn bei ihm in Wittenberg bleibt, eine Familie gründet <strong>und</strong> sich<br />

an der Universität betätigt, beschloss er, ihn vor dem Hintergr<strong>und</strong> einer<br />

heimlichen Verlobung <strong>und</strong> verhinderten Eheschließung sowie einer nachhaltigen<br />

Verärgerung seiner Frau aus Wittenberg zur weiteren Ausbildung<br />

an die Universität Marburg zu schicken.<br />

Übersetzungsgr<strong>und</strong>lage: MBW 3909<br />

Dem berühmtesten Mann, dem an Bildung <strong>und</strong> Tugend hervorragenden<br />

Herrn Joachim Camerarius aus Bamberg 1 , seinem liebsten<br />

Fre<strong>und</strong>.<br />

Sei gegrüßt. Ich musste plötzlich rasch schreiben, weil sich Petrus<br />

2 schon aufmacht abzureisen. 3 Dein Rat hinsichtlich Sciurus 4<br />

gefiel mir <strong>und</strong> dem Pfarrer 5 sehr, denn ich pries ihm dessen Begabung<br />

<strong>und</strong> Fleiß an. Nun aber erfahre ich, dass Petrus zwar nach<br />

Pommern 6 aufbrechen will, jedoch die Reise bis in den September<br />

aufschieben möchte. Vielleicht kann diese Verzögerung, wenn sie<br />

auch nachteilig ist, dennoch zugestanden werden. Aber ich will<br />

nachdrücklich, dass es beschlossen wird. An Dasch 7 hast du zu


SOHN PHILIPP<br />

61<br />

Recht erinnert. Denn wenn wir die Hoffnung auf die Nachbarschaft<br />

8 aufgeben, werde ich eine andere Sache betreiben. Ich achte<br />

ihn wahrlich sehr <strong>und</strong> hoffe, dass ihm das Schicksal günstiger sein<br />

wird. Denn sein Charakter ist gut <strong>und</strong> Gott wird ihn nicht im<br />

Stich lassen. Mich plagen häusliche Sorgen. Ich habe beschlossen,<br />

den Sohn 9 nach Marburg zu schicken, wenngleich ich dies ungern<br />

mache <strong>und</strong> wünschte, ihn als Verheirateten bei mir zu unterhalten.<br />

Aber er hat eine sich widersetzende Mutter 10 , welche auch<br />

mich quält. 11<br />

Lebe wohl <strong>und</strong> glücklich.<br />

<strong>Philipp</strong> <strong>Melanchthon</strong><br />

1<br />

Joachim Camerarius wurde in Bamberg geboren. Seit 1541 lehrte er als Professor<br />

für Latein <strong>und</strong> Griechisch an der Philosophischen Fakultät der Universität Leipzig.<br />

2<br />

Petrus (Peter) Ketzmann studierte seit 1537 an den Universitäten Wittenberg,<br />

Tübingen <strong>und</strong> Leipzig. 1544 schloss er sein philosophisches Studium mit<br />

dem Erwerb des Magistergrades in Wittenberg ab.<br />

3<br />

<strong>Melanchthon</strong> gab seinen<br />

Brief sowie einen weiteren vom 12. Juni 1545 Ketzmann zur Übergabe an Camerarius<br />

mit.<br />

4<br />

Johannes Sciurus studierte seit 1537 an den Universitäten Wittenberg<br />

<strong>und</strong> Leipzig. 1545 schloss er sein philosophisches Studium mit dem Erwerb<br />

des Magistergrades in Wittenberg ab.<br />

5<br />

Stadtpfarrer in Wittenberg war seit 1523<br />

Johannes Bugenhagen, der auch als Theologieprofessor an der Universität Wittenberg<br />

lehrte.<br />

6<br />

An der Universität Greifswald waren im Jahr 1545 zwei Stellen<br />

zu besetzen, eine theologische <strong>und</strong> eine philosophische Professur. Sowohl Ketzmann<br />

als dann auch Sciurus sollten auf die Stelle an der Philosophischen Fakultät<br />

vermittelt werden; letztlich gingen aber beide nicht nach Pommern. Bereits am<br />

2. Juli 1545 verwies <strong>Melanchthon</strong> gegenüber Camerarius darauf, dass Ketzmann,<br />

der zuerst für die Stelle in Greifswald vorgesehen war, als Schulleiter nach Grimma<br />

gehen kann. Am 1. September 1546 schrieb <strong>Melanchthon</strong> an Camerarius,<br />

dass sich auf die Stelle, die lange für Sciurus freigehalten wurde, mit seiner Unterstützung<br />

Sigism<strong>und</strong> Schörckel bewirbt. Sciurus war bereits im Juli 1546 nach<br />

Königsberg gewechselt, wo er als Professor eine erfolgreiche universitäre Karriere<br />

verfolgte.<br />

7<br />

Georg Dasch studierte seit dem Wintersemester 1538/39 in Wittenberg.<br />

8<br />

<strong>Melanchthon</strong> <strong>und</strong> Camerarius bemühten sich seit Juni 1544 um eine<br />

Stelle für den Juristen Georg Dasch im benachbarten Merseburg. So empfahl ihn<br />

<strong>Melanchthon</strong> dem Fürsten Georg <strong>von</strong> Anhalt, Koadjutor des Bistums Merseburg,<br />

für eine Stelle im zu errichtenden Konsistorium. Obgleich der Fürst zunächst zustimmend<br />

reagierte <strong>und</strong> Dasch bei der Einrichtung des Kirchengerichts mit einer


62 MENSCH UND FAMILIE<br />

Stelle berücksichtigen wollte, konstatierte <strong>Melanchthon</strong> am 8. Mai 1545, dass sich<br />

9<br />

der Fürst nicht dafür einsetzte. <strong>Philipp</strong> <strong>Melanchthon</strong> d. J. studierte bis zu seinem<br />

Wechsel nach Marburg in Wittenberg. Katharina <strong>Melanchthon</strong>. 11 Ohne<br />

10<br />

das Wissen <strong>und</strong> die Zustimmung der Eltern hatte sich der damals 18-jährige <strong>Philipp</strong><br />

im Dezember 1543 mit der Leipzigerin Margaretha Kuffner in Wittenberg<br />

verlobt. Um den Jahreswechsel 1543/44 reiste <strong>Melanchthon</strong>, die Verlobung missbilligend,<br />

nach Leipzig, um die Sache zu klären. Am 8. Januar 1544 beklagte sich<br />

Margaretha Kuffner in einem Brief an <strong>Philipp</strong> d. J. bitter über das Anliegen seines<br />

Vaters bei ihrem Stiefvater Vincenz Stange, erinnerte ihn an sein Eheversprechen,<br />

verwies auf ihr Unglücklichsein <strong>und</strong> forderte ihn auf, seine Zusage einzuhalten.<br />

Am 14. Januar 1544 antwortete <strong>Philipp</strong> d. J. ihr ausweichend <strong>und</strong> verwies auf eine<br />

mit dem Vater noch abzustimmende endgültige Antwort. Vor allem seine Mutter<br />

sei sehr heftig dagegen <strong>und</strong> der Vater könne erst raten, wenn sie milder wird.<br />

Bald stand die Eheschließung nicht mehr zur Debatte; Margaretha heiratete 1545<br />

Wenzeslaus Sturm.


63<br />

Hausgemeinschaft<br />

13. Studententheater: Prolog zum Miles gloriosus des Plautus,<br />

ca. 1520er Jahre<br />

Neulateinische Dramenprologe sind eine an antiken Vorbildern (Terenz)<br />

geschulte Textsorte, die der Aufführung <strong>von</strong> antiken (<strong>und</strong> zeitgenössischen)<br />

Komödien <strong>und</strong> Tragödien vorangestellt wird. <strong>Melanchthon</strong>s<br />

Dramenprologe stellen aufgr<strong>und</strong> ihrer Entstehungssituation insofern eine<br />

Besonderheit dar, als sie im Kontext seiner humanistischen Bildungsbemühungen<br />

<strong>und</strong> pädagogischen Ideen stehen. Um den noch nicht ausreichenden<br />

Lateinkenntnissen der jungen Studenten zu begegnen, hatte<br />

er in den 1520er Jahren Schüler zum privaten Unterricht bei sich aufgenommen.<br />

Sie sollten in einer souveränen Beherrschung der lateinischen<br />

Sprache gefördert werden. Ein Mittel war die öffentliche Aufführung<br />

antiker Komödien vor einer interessierten Wittenberger Zuhörerschaft.<br />

Neben Elementen, die der spezifischen Kommunikationssituation geschuldet<br />

sind (er bittet etwa um Aufmerksamkeit <strong>und</strong> Wohlwollen oder<br />

er entschuldigt die Unerfahrenheit der jungen Schauspieler), sagt <strong>Melanchthon</strong><br />

auch Gr<strong>und</strong>sätzliches zur Aufführung antiker Stoffe <strong>und</strong> zu den<br />

<strong>von</strong> ihm in Wittenberg etablierten Bildungsvorstellungen.<br />

Der Prologus zum Miles gloriosus des römischen Dichters Plautus,<br />

höchstwahrscheinlich Mitte der 1520er Jahre in jambischen Senaren verfasst,<br />

hebt dabei in typisch humanistischer Licht-Finsternis-Metaphorik<br />

das neu entstandene Interesse an antiker Literatur hervor, wie es <strong>Melanchthon</strong><br />

z.B. in seiner „Wittenberger Antrittsrede“ 1518 darlegte. 1 Dieses<br />

sollen die gebildeten Zuschauer in Wittenberg unterstützen, ein Wunsch,<br />

der sich gegen Kritiker richtet, die – das zeigen andere Texte – die moralische<br />

Eignung der Dramen für die Bildung der Jugend in Frage stellten.<br />

Gerade der Miles gloriosus, ein neureicher Angeber, der <strong>von</strong> seinen vermeintlichen<br />

Heldentaten berichtet, biete den jungen Leuten ein exemplum,<br />

Bildung <strong>und</strong> Wissenschaften (litterae) nicht zu verachten.<br />

Übersetzungsgr<strong>und</strong>lage: CR 10, 497 f., Nr. 44 <strong>und</strong> CR 19, 785–787


64 MENSCH UND FAMILIE<br />

Eine Zeit lang lag die Bühne verlassen <strong>und</strong> stumm da,<br />

der feine Witz <strong>und</strong> die Scherze der Komödie waren in Vergessenheit<br />

geraten,<br />

weil die Barbaren Literatur <strong>und</strong> Wissenschaften 2 im Finstern verborgen<br />

hatten.<br />

Aber seitdem die Komödien wieder ihr Haupt erheben,<br />

bitte ich euch, eine solche Aufführung zu unterstützen.<br />

Es ist nur recht, dass ihr dafür eintretet, denen Literatur <strong>und</strong> Wissenschaften<br />

selbst<br />

einen außerordentlichen Ruhm verschafft haben, <strong>und</strong> dass ihr es<br />

nicht dahin kommen lasst,<br />

dass das kühne <strong>und</strong> neue Unterfangen uns schadet,<br />

uns, die die Liebe zur Literatur motiviert hat,<br />

den altehrwürdigen Brauch wiederherzustellen <strong>und</strong> in diesem<br />

Theater<br />

unterhaltsame Aufführungen zu veranstalten, wie es die Studien in<br />

unserer Zeit fordern.<br />

Denn es gehört sich, dass ihr jene mit Beifall begleitet.<br />

Hört jetzt, mit welchem Theaterstück wir<br />

hier eine Aufführung versuchen möchten.<br />

Eine echte Komödie des Plautus bieten wir jetzt dar.<br />

Die Musen hatten sich – so sagte man – gern<br />

seines so überaus redegewandten M<strong>und</strong>es bedient,<br />

als sie einst beschlossen hatten, Latein zu reden. 3<br />

Der Dichter gab dem Drama den Titel Miles gloriosus.<br />

Den Inhalt 4 werdet ihr vom jungen Sklaven<br />

erfahren. Jener nahm für sich in Anspruch,<br />

ihn selbst zu erzählen. Denn er ist nichts weiter als eine Klapper. 5<br />

Dass wir euch nicht zweimal langweilen, dafür schuldet ihr mir<br />

Dank,<br />

denn ich habe aus freien Stücken dem geschwätzigen jungen<br />

Sklaven<br />

Platz gemacht. Doch schaut, wir haben den Miles ausgewählt,<br />

damit unsere jungen Leute in diesem Mann aufmerksam<br />

ein Beispiel 6 betrachten <strong>und</strong> hier ein Bild ansehen,<br />

wie wenn es auf ein Täfelchen gezeichnet worden wäre.


HAUSGEMEINSCHAFT<br />

65<br />

Denn weder ist Milch der Milch 7 noch ein Ei einem anderen 8<br />

ähnlicher, als eben gerade diejenigen diesem törichten Soldaten<br />

gleichen,<br />

die, wenn sie die bessere Literatur <strong>und</strong> Wissenschaft verschmähen,<br />

sich dennoch ganz frech die Einsicht in alle Dinge<br />

anmaßen <strong>und</strong> bei Trinkgelagen<br />

<strong>und</strong> bei lebhaften Zusammenkünften 9 ihr „Bravo!“ anpreisen:<br />

die ungebildete <strong>und</strong> freche <strong>und</strong> wertlose Menge, 10<br />

die Prahler 11 <strong>und</strong> reinen Städtemauererstürmer 12 ,<br />

die es über alle Maßen verdient haben, dass ihnen die Haut zu<br />

Fetzen geschlagen wird. 13<br />

Doch da ist er, der Miles. Spendet den Schauspielern Beifall<br />

<strong>und</strong> gebt den jungen Leuten die Gelegenheit, Ruhm zu erwerben.<br />

14<br />

1 2<br />

De corrigendis adolescentiae studiis, in: MelDt 1, 42–61. „Literatur <strong>und</strong> Wissenschaften“:<br />

wörtlich litterae. <strong>Melanchthon</strong> spielt darauf an, dass Plautus zu<br />

3<br />

4<br />

den frühen, vorklassischen lateinischsprachigen Autoren in Rom zählt. Argumen<br />

tum. <strong>Melanchthon</strong> verfasste argumenta, kurze Inhaltsangaben, zu antiken<br />

5<br />

Werken. Klapper (crepitaculum) war ein Gerät, mit dem klappernde oder<br />

raschelnde Geräusche erzeugt wurden. 6<br />

exemplum steht für das humanistische<br />

Interesse, moralische Lehren aus der antiken Literatur zu ziehen. <strong>Melanchthon</strong><br />

deutet im Folgenden einen Zusammenhang zwischen der inhaltslosen Prahlerei des<br />

Miles gloriosus <strong>und</strong> zeitgenössischer Kritik an humanistischer antiker Bildung an.<br />

7 8 9<br />

Plautus: Amphitryo 601. Quintilian: Institutiones 5, 11, 30. compitum ist<br />

eigentlich die Kreuzung, an der viele Menschen zusammentrafen, so dass es lebhaft<br />

zuging. Horaz: Carmen 3,1. Thrasones: Angeber, Prahler. Der Soldat<br />

10 11<br />

Thraso ist eine Figur in Terenz’ Komödie Eunuchus, ein Maulheld, der mit seinen<br />

soldatischen Leistungen angibt.<br />

12<br />

Pyrgopolinices (griech.: Mauerbezwinger): bei Plautus der Name des Miles gloriosus,<br />

ein gebildet klingender Name für den Maulhelden. Plautus: Miles glorio-<br />

13<br />

14<br />

sus 157. Vgl. Terenz: Prolog zu Heautontimoroumenos 28.


66 MENSCH UND FAMILIE<br />

14. Rücksicht auf den alten Famulus Koch:<br />

Brief an die Hausgenossen, 13. Januar 1552<br />

Kurfürst Moritz <strong>von</strong> Sachsen befahl <strong>Melanchthon</strong> im Dezember 1551,<br />

zum Konzil zu reisen, das seit Mai 1551 wieder in Trient tagte; in Nürnberg<br />

sollte er auf weitere Weisung warten. Wegen der recht kurzen Vorbereitungszeit<br />

hatte <strong>Melanchthon</strong> offenbar versäumt, die Studenten, die<br />

als Kostgänger in seinem Haus verpflegt wurden <strong>und</strong> mit dem Professor<br />

gemeinsam zu Tisch saßen, an andere Tafeln zu vermitteln. Erst aus Leipzig<br />

wandte er sich mit einem Brief an seine Hausgenossen, auf seinen<br />

betagten Famulus Johannes Koch Rücksicht zu nehmen.<br />

Übersetzungsgr<strong>und</strong>lage: MBW 6306<br />

An die geehrten Herren <strong>und</strong> jungen Tischgenossen <strong>Philipp</strong><br />

<strong>Melanchthon</strong>s.<br />

Liebe Tischgenossen! In jeglicher Lebensgemeinschaft gehört<br />

es sich, keine unmöglichen Dienste zu verlangen. Ihr wisst aber<br />

selbst, dass meine Frau den Haushalt während meiner Abwesenheit<br />

nicht bewältigen kann. Und Johannes 1 , der sich bestens um<br />

mich, meine Familie <strong>und</strong> viele andere verdient gemacht hat, will<br />

ich in seinem Alter nicht noch mehr Arbeit <strong>und</strong> Besorgungen aufhalsen.<br />

Deswegen bitte ich euch alle, meiner Familie diese hauswirtschaftliche<br />

Last abzunehmen <strong>und</strong> euch innerhalb <strong>von</strong> zwei<br />

oder drei Wochen andere Essensmöglichkeiten zu suchen. Ich bin<br />

seit jeher der Meinung, dass zwischen mir <strong>und</strong> denjenigen, die<br />

eine Tischgemeinschaft mit mir hatten, eine dauerhafte Fre<strong>und</strong>schaft<br />

besteht. Genauso sollt auch ihr empfinden, <strong>und</strong> wir alle<br />

wollen uns an die alte Regel erinnern: „Du sollst den Tisch <strong>und</strong><br />

das Salz nicht vernachlässigen.“ 2 Wieviel jeder <strong>von</strong> euch bezahlt<br />

hat <strong>und</strong> was jeder noch zu bezahlen hat, wisst ihr selbst, <strong>und</strong> ihr<br />

könnt meine Aufzeichnungen einsehen. Sofern Gott mich zurückkehren<br />

lässt <strong>und</strong> in diesen Regionen Frieden herrscht, werde ich<br />

denjenigen, die wieder den geselligen Umgang mit mir suchen,


HAUSGEMEINSCHAFT<br />

67<br />

meine Dienste nicht versagen. Jetzt unternehme ich eine lange<br />

<strong>und</strong> gefährliche Reise <strong>und</strong> bete <strong>von</strong> ganzem Herzen, dass der Sohn<br />

Gottes sie leiten möge. Aber weil der Zeitpunkt meiner Rückkehr<br />

ungewiss ist, will ich meine Familie nicht mit größerem Aufwand<br />

belasten. Lebt wohl! Leipzig, den 13. Januar 1552.<br />

<strong>Philipp</strong> <strong>Melanchthon</strong><br />

1<br />

Johannes Koch.<br />

2<br />

Erasmus: Adagia 1, 6, 10 (510); der Satz bedeutet, dass man<br />

Fre<strong>und</strong>schaften pflegen <strong>und</strong> wertschätzen soll.<br />

15. Trauer um den Tod <strong>von</strong> Famulus Koch:<br />

Brief an Christoph Leib, 3. April 1553<br />

Als <strong>Melanchthon</strong> im Sommer 1518 nach Wittenberg kam, war Johannes<br />

Koch schon dort. Aus Ilsfeld bei Heilbronn stammend studierte er seit<br />

1516 in Wittenberg <strong>und</strong> erwarb im Frühjahr 1518 den Grad eines baccalaureus<br />

artium. Bereits 1519 ging er <strong>Melanchthon</strong> als Famulus zur Hand,<br />

später, nach <strong>Melanchthon</strong>s Heirat <strong>und</strong> der Gründung des eigenen Hausstandes,<br />

arbeitete er im Haushalt mit <strong>und</strong> wohnte auch im Haus, obwohl<br />

er eigene Söhne hatte (über seine Frau ist nichts bekannt; vielleicht war<br />

sie früh verstorben). Seine Tätigkeiten <strong>und</strong> Befugnisse gingen weit über<br />

die eines Dieners hinaus: Er tätigte Einkäufe <strong>und</strong> verwaltete die Ökonomie<br />

des Professorenhaushaltes, in dem immer auch Studenten wohnten<br />

<strong>und</strong> als Kostgänger mit am Tisch saßen; er pflegte <strong>und</strong> unterrichtete<br />

die Kinder <strong>Melanchthon</strong>s <strong>und</strong> war ein geschätzter Gesprächspartner des<br />

Hausherrn, sogar wenn es um theologische Themen ging. Koch genoss<br />

<strong>Melanchthon</strong>s uneingeschränktes Vertrauen <strong>und</strong> verfügte über Vollmachten<br />

in allen Bereichen. Musste <strong>Melanchthon</strong> sich auf eine längere Reise<br />

begeben, wusste er, dass seine Familie bei Johannes Koch gut aufgehoben<br />

war. Als <strong>Melanchthon</strong> im Januar 1552 nach Nürnberg aufbrach, bat er<br />

seine Hausgenossen aus Rücksicht auf die schwindenden Kräfte seines<br />

Faktotums, sich anderswo Verpflegungsmöglichkeiten zu suchen (siehe<br />

Nr. 14). Am 3. April 1553 starb Johannes Koch. Welchen Stellenwert er


72<br />

Träume<br />

<strong>Melanchthon</strong> war ein ungemein lebhafter Träumer, wie nicht zuletzt die<br />

über h<strong>und</strong>ert Briefe an Fre<strong>und</strong>e <strong>und</strong> Vertraute belegen, in denen er sich –<br />

neben anderen Themen – auch über seine oder ihre Träume austauschte.<br />

Im Fre<strong>und</strong>eskreis galt <strong>Melanchthon</strong> als ein regelrechter Experte für<br />

Träume in Theorie <strong>und</strong> Praxis. Die Vorliebe für prophetisch ausdeutbare<br />

Traumbilder ging bei ihm mit einem ausgeprägten Interesse für Astrologie<br />

<strong>und</strong> Weissagungen aller Art einher, einer Neigung, die nicht nur Luther<br />

suspekt war. Der vorliegende Brief an seinen engen Fre<strong>und</strong> Joachim<br />

Camerarius (Nr. 18, vgl. auch die Briefe an Camerarius unter Nr. 66–73)<br />

ermöglicht mitunter überraschende Einblicke in diese Thematik <strong>und</strong><br />

zeugt <strong>von</strong> der zeitgenössischen Kontroverse über derlei Praktiken. Besonders<br />

lebhaft gestaltete sich <strong>Melanchthon</strong>s Traumleben vor allem in Krisenzeiten,<br />

wie ein Brief an Paul Eber verdeutlicht (Nr. 19), der 1547 in<br />

den Wirren des Schmalkaldischen Krieges entstand.<br />

18. Spott über <strong>Melanchthon</strong>s Träume:<br />

Brief an Joachim Camerarius, 9. März 1536<br />

Übersetzungsgr<strong>und</strong>lage: MBW 1706<br />

An Joachim Camerarius, seinen besten Fre<strong>und</strong>, in Tübingen.<br />

Deine Erörterung über den Planeten Mars im zwölften Ort oder<br />

Haus 1 , <strong>von</strong> der du schreibst, sie sei eine Erwiderung auf meine<br />

Erwähnung der Sonne im sechsten Haus 2 , hat mir wirklich sehr<br />

gefallen. Während viele oder sogar die meisten Dinge mir der-


TRÄUME<br />

73<br />

zeit keineswegs nur leichte Schmerzen bereiteten, hat mich deine<br />

nicht nur geheuchelt fre<strong>und</strong>schaftliche Belehrung zum Lachen<br />

gebracht, obwohl „ich doch nicht im Mindesten lachlustig bin“ 3 ,<br />

wie es jener Philosoph bei Platon formuliert. Noch mehr habe ich<br />

aber über deinen Unmut gelacht, weil du dich so sehr darüber<br />

ärgerst, dass meine gutachterliche Empfehlung <strong>und</strong> positive Stellungnahme<br />

zur Astrologie auf Tadel <strong>und</strong> Missbilligung stoßen. Ich<br />

dagegen w<strong>und</strong>ere mich eher, dass deren Tadler nicht auch noch<br />

den Gesetzes-Passus „Von Astrologen <strong>und</strong> Zauberern“ 4 gegen<br />

diese Wissenschaft geschleudert haben. Mir jedenfalls sind diesbezüglich<br />

die anklägerischen Anschuldigungen durch Frömmigkeit<br />

<strong>und</strong> Bildung ausgezeichneter Männer auch aus der Antike gut<br />

bekannt; einige dieser Anschuldigungen waren geradezu maßlos,<br />

indem sie angesichts des damals zunehmenden Missbrauchs hetzerisch<br />

jegliche Anwendung der Astrologie bekrittelten. Was haben<br />

wir dagegen anderes im Blick gehabt oder getan, als deren richtigen<br />

Gebrauch wieder in den Hochschulen zu etablieren <strong>und</strong> die<br />

Jugend zu solchen Studien hinzuführen? Eben dies liegt mir jetzt<br />

am Herzen <strong>und</strong> wird auch in der Zukunft mein Anliegen sein, solange<br />

die Pflege der Wissenschaften noch möglich ist. Denn hinsichtlich<br />

des <strong>von</strong> dir angeführten spöttischen Verächters der Weissagungen,<br />

der die Frage formuliert habe, warum ich mir nicht<br />

selbst jene Schwierigkeiten vorausgesagt habe, über die ich mich<br />

so häufig zu beklagen pflege, ist eine Antwort leicht: Ein Handwerker<br />

stellt seine Erzeugnisse doch auch nicht in erster Linie für<br />

sich selbst her, sondern für andere Nutzer. Und keiner Kunst oder<br />

Wissenschaft, die diesen Namen verdient, geht es vorrangig um<br />

den eigenen Vorteil <strong>und</strong> Nutzen; dir sind ja Sokrates’ Ausführungen<br />

im ersten Buch der „Politik“ 5 nicht unbekannt. Mich kann<br />

man aber <strong>von</strong> Berufs wegen nicht einmal als Astrologen bezeichnen.<br />

Was werden die Spötter erst sagen, wenn sie erfahren, dass<br />

ich manchmal auch aus den Linien der Hände zu lesen <strong>und</strong> dabei<br />

angenehme <strong>und</strong> gut klingende Entwicklungen zu prophezeien<br />

pflege? 6 Ich weiß durchaus, wie sehr bereits meine Träume teils<br />

missbilligt, teils verspottet werden, obwohl andere Leute sogar im<br />

Wachzustand viel ungereimtere <strong>und</strong> nichtigere Träumereien <strong>von</strong>


74 MENSCH UND FAMILIE<br />

sich geben. Ich bitte dich, lass dich <strong>von</strong> diesen Geschichten nicht<br />

beeindrucken. Vielleicht ist es sogar besser, dass diese Gelegenheit,<br />

mich zu schmähen, gegeben <strong>und</strong> ergriffen wird, als dass man sich<br />

auf andere Dinge kapriziert, aus welchen noch mehr Schlechtes<br />

hervorgehen könnte. Du kennst die Geschichte <strong>von</strong> Alkibiades,<br />

der befohlen hatte, den Schwanz eines rassigen, kräftigen H<strong>und</strong>es<br />

abzuschneiden, damit die Leute darüber schwatzen sollten, anderes<br />

dagegen unkommentiert bliebe. 7 Da allenthalben nicht nur<br />

gemeine <strong>und</strong> hässliche, sondern auch schädliche Spiele gespielt<br />

werden, warum sollte mir da eine Erholung <strong>von</strong> diesen Spielen<br />

verwehrt sein, die niemanden verletzt, sondern manchmal vielleicht<br />

sogar Nutzen bringt? Du weißt schon, worauf ich damit anspielen<br />

möchte; jener ausnehmend hübsche Teil der Naturk<strong>und</strong>e<br />

ist nämlich abgeschnitten. 8 Doch ich bin ein Narr, dir gegenüber<br />

da<strong>von</strong> so viel Aufhebens zu machen. Gleichwohl hat mich vor allem<br />

deine Aufgeregtheit über dieses Gerede dazu bewogen; aus ihr<br />

ist dieser wortreiche Brief geboren. Glaube mir: Derartige Vorhaltungen<br />

<strong>und</strong> Anschuldigungen ergötzen mich mehr, als dass sie<br />

mich beleidigen. Sie sind nämlich gr<strong>und</strong>los <strong>und</strong> stammen <strong>von</strong> ungebildeten,<br />

unwissenden <strong>und</strong> wissenschaftsfeindlichen Menschen.<br />

Dass sie schlecht über mich reden, ist nicht verw<strong>und</strong>erlich, <strong>und</strong><br />

es gibt auch keinen Gr<strong>und</strong>, ihnen das übel zu nehmen, denn gut<br />

zu reden haben sie nie gelernt. Dass jene Wissenschaft selbst nicht<br />

ganz erfolglos ist, beweisen die Horoskope sehr vieler Menschen<br />

schon dadurch, dass sie deren angeborene Schlechtigkeit offenlegen.<br />

Von den Schriften, dem Brief <strong>und</strong> der Angelegenheit unseres<br />

Fre<strong>und</strong>es, die in deiner Nachricht erwähnt werden, 9 kann ich jetzt<br />

nicht schreiben. Ich will es auch gar nicht, denn ich hoffe, wir treffen<br />

uns in kurzer Zeit. Es ist sicherer, meine Meinung mündlich<br />

darzulegen. Leb wohl!<br />

<strong>Philipp</strong><br />

1<br />

Im Original: in duodecimo loco.<br />

2<br />

<strong>Melanchthon</strong> hatte in seinem Brief vom 6. Februar<br />

geschrieben, seinem Horoskop nach sei er zur Knechtschaft geboren (MBW<br />

1694.2). Vgl. hierzu unten Nr. 62. 3 Platon: Phaidon 64b1 (Äußerung des Kebes


TRÄUME<br />

75<br />

4<br />

gegenüber Sokrates). Gemeint ist Kaiser Diokletians Edikt De mathematicis,<br />

maleficis et Manichaeis <strong>von</strong> 297 (oder 302): Lex Dei sive Mosaicarum et Romanorum<br />

5 6<br />

legum collatio, titulus XV. Vgl. Platon: Politeia 1, bes. 338a–347a. Seine<br />

chiromantischen Fähigkeiten wendete <strong>Melanchthon</strong> übrigens einmal bei der Frau<br />

7<br />

des Camerarius, Anna, an (MBW 2846). Vgl. Plutarch: Alkibiades 9. 8 Offenbar<br />

Anspielung auf die verdächtigte Astronomie/Astrologie (oder die kirchlicherseits<br />

verurteilte Chiromantie). Camerarius’ Brief ist nicht überliefert; der er-<br />

9<br />

wähnte gemeinsame Fre<strong>und</strong> bleibt unbekannt.<br />

19. Angenehme Träume in Krisenzeiten:<br />

Brief an Paul Eber, 13./14. März 1547<br />

Übersetzungsgr<strong>und</strong>lage: MBW 4649; frühere Übersetzung: M<strong>und</strong>henk<br />

2017, 113 f., Nr. 60<br />

Obwohl ich mir die Trostgründe, die zur Linderung der Trauer<br />

überliefert werden, vor Augen halte, quält es mich unglaublich,<br />

wenn ich an die Tränen meiner Tochter 1 denke, als sie nach uns<br />

gefragt wurde. Dieses Schweigen <strong>und</strong> ihre Tränen haben meine<br />

Seele unheilbar verw<strong>und</strong>et. Aber schlimmer als dieser private<br />

Schmerz ist der öffentliche. Bucer schrieb einen reichlich kühlen<br />

Brief. Er hofft auf Frieden <strong>und</strong> eine unversehrte Stadt. 2 Uns erschüttert<br />

die Sorge um „das ganze Staatsschiff“ 3 , wie es einst hieß.<br />

Wir wollen zu Gott beten, dass er „im Zorn seiner Barmherzigkeit<br />

gedenkt“ 4 <strong>und</strong> das private wie das öffentliche Unglück mildert.<br />

Ich schicke dir ein Blatt mit Trostgründen, das ich verfasst habe. 5<br />

Es wäre schön, wenn mein Diener Johannes 6 an deinen Tisch geladen<br />

würde, nicht nur wegen des Essens, sondern auch der Gespräche<br />

wegen. Meine Frau gibt ihm Anweisungen für Schuhe,<br />

die angefertigt werden sollen. Zwar habe ich gestern viele Tränen<br />

vergossen <strong>und</strong> meinen Kummer mit ins Bett genommen, aber ich<br />

habe angenehm geträumt: Reuchlin hatte mir geschrieben, Pico<br />

della Mirandola habe gesagt, dass unsere Universität der Ursprung


76 MENSCH UND FAMILIE<br />

anderer Schulen sein werde! 7 Wenn das nicht die derzeitige Auflösung<br />

meint – durch unsere Vertreibung entstehen nämlich viele<br />

Schulen –, dann gefällt mir der Traum. Leb wohl!<br />

<strong>Philipp</strong> <strong>Melanchthon</strong><br />

1<br />

Anna Sabinus (s. oben Nr. 8–11); <strong>Melanchthon</strong> hatte Nachricht bekommen,<br />

2<br />

dass sie schwer krank sei. Straßburg. Martin Bucer gilt als der Reformator<br />

Straßburgs, wo er mit zahlreichen mehrjährigen Unterbrechungen <strong>von</strong> 1524 bis<br />

3 4 5<br />

1549 lebte. Aristophanes: Wespen 29. Hab 3,2. <strong>Melanchthon</strong>: Über die<br />

6 7<br />

Anfechtung: MBW 4648. Johannes Koch (s. oben Nr. 14–17). Johannes<br />

Reuchlin begegnete Giovanni Pico della Mirandola auf seiner zweiten Italienreise<br />

1490 in Florenz <strong>und</strong> empfing <strong>von</strong> ihm zahlreiche Anregungen, z.B. bei der Ausformulierung<br />

seines Konzepts der prisca sapientia <strong>und</strong> bei seinen Kabbala-Studien.


77<br />

Sterben <strong>und</strong> Tod<br />

20. Sehnsucht nach der Heimat:<br />

Brief an Nikolaus Cisner, 1. Januar 1560<br />

Nikolaus Cisner, Professor der Rechte <strong>und</strong> kurfürstlicher Rat in Heidelberg,<br />

war für <strong>Melanchthon</strong> ein wichtiger Vertrauensmann in seiner kurpfälzischen<br />

Heimat. Der Brief am letzten Neujahrstag, den <strong>Melanchthon</strong><br />

erleben sollte, thematisiert die Sehnsucht nach der Heimat, sowohl nach<br />

der irdischen, insbesondere nach seinem Bruder 1 <strong>und</strong> nach friedvollen<br />

gelehrten Gesprächen als auch nach der himmlischen, die ihm Ruhe vor<br />

den Anfeindungen seiner theologischen Gegner verschaffen wird. Außerdem<br />

empfiehlt <strong>Melanchthon</strong> seinen Neffen 2 , dessen Berufung an die Universität<br />

Heidelberg bevorsteht.<br />

Übersetzungsgr<strong>und</strong>lage: CR 9, 1021, Nr. 6900 (MBW 9181)<br />

An den hochangesehenen, an Bildung <strong>und</strong> Tugend herausragenden<br />

Herrn Nikolaus Cisner, Doktor des Rechts, seinen vielgeliebten<br />

Bruder.<br />

Sei gegrüßt, du hochangesehener Mann <strong>und</strong> vielgeliebter Bruder!<br />

Als Greise werden wir wohl <strong>von</strong> immer größerer Sehnsucht nach<br />

dem Vaterland erfüllt, weil die Gedanken wie in einer Vorahnung<br />

zum himmlischen Vaterland eilen <strong>und</strong> auch weil in dieser Altersschwäche<br />

die Liebe zu den Unsrigen stärker nach dem Umgang<br />

mit den Verwandten verlangt. Ich jedenfalls gebe zu, dass ich heftig<br />

<strong>von</strong> dem Verlangen sowohl nach meinem Vaterland als auch<br />

nach meinem Bruder erfüllt bin. Oft schaue ich daher seufzend<br />

aus nach euren Bergen <strong>und</strong> nach jenen Burgen, die, wie ich meine,<br />

zuerst <strong>von</strong> Kaiser Valentinian 3 auf euren Bergen über dem Neckar<br />

errichtet worden sind. Ich wünsche mir auch, mich mit dir<br />

<strong>und</strong> anderen Gelehrten zu unterreden, deren Bildung <strong>und</strong> deren<br />

Aufrichtigkeit ich schätze. Die Heftigkeit meiner Feinde verstärkt


78 MENSCH UND FAMILIE<br />

mein Verlangen, vor ihnen weit weg zu fliehen ‒ wenn ich könnte,<br />

wie Hieronymus 4 , der sich in Höhlen nahe Jerusalem zurückzog.<br />

Aber nicht mehr lange, dann wird der Sohn Gottes mich <strong>von</strong> hier<br />

zu seiner himmlischen Kirche rufen. Nun empfehle ich dir Sigism<strong>und</strong>,<br />

den Sohn meines Bruders, <strong>und</strong> ich bitte dich, ihn mit deinen<br />

Ratschlägen anzuleiten. Ich hoffe, seine Bildung <strong>und</strong> seine<br />

Besonnenheit werden deine Anerkennung finden. Lebe wohl <strong>und</strong><br />

antworte mir! Wittenberg, am 1. Januar 1560.<br />

<strong>Philipp</strong> <strong>Melanchthon</strong><br />

1<br />

<strong>Melanchthon</strong>s jüngerer Bruder, Georg Schwartzerdt, war Kaufmann <strong>und</strong> Schultheiß<br />

in Bretten. Sigism<strong>und</strong> <strong>Melanchthon</strong>, Sohn <strong>von</strong> Georg Schwartzerdt, be-<br />

2<br />

gann 1560 als Physikdozent an der Universität Heidelberg <strong>und</strong> lehrte ab 1562 dort<br />

3<br />

als Medizinprofessor. Valentinian I., 364‒375 weströmischer Kaiser, sicher te<br />

4<br />

die Grenzen des römischen Reiches zu den Germanen. Der Kirchenvater<br />

Hieronymus, Theologe der Alten Kirche, Übersetzer der Bibel in das Lateinische<br />

(Vulgata), lebte zeitweise als Eremit.<br />

21. Gründe, warum man den Tod nicht fürchten muss,<br />

ca. 15. April 1560<br />

Etwa am 15. April 1560, wenige Tage vor seinem Tod, verfasste <strong>Melanchthon</strong><br />

diesen Text, der angeblich nach seinem Ableben auf seinem<br />

Tisch gef<strong>und</strong>en wurde. Das Original ist verloren. Ursprünglich könnte<br />

er in zwei Kolumnen geschrieben worden sein, da er untergliedert ist<br />

in Gründe „zur rechten“ <strong>und</strong> „zur linken“. Die letzten Gründe belegen<br />

<strong>Melanchthon</strong>s Vorstellung vom Paradies als eines himmlischen Theologie-<br />

Seminars.<br />

Übersetzungsgr<strong>und</strong>lage: CR 9, 1098, Nr. 6977 (MBW 9299) <strong>und</strong> SPP 5<br />

(1564), C3a–C4a; frühere Übersetzung: M<strong>und</strong>henk 2017, 165 f., Nr. 100


STERBEN UND TOD<br />

79<br />

Zur linken:<br />

Du wirst <strong>von</strong> den Sünden loskommen.<br />

Du wirst <strong>von</strong> Trübsal erlöst werden <strong>und</strong><br />

<strong>von</strong> der Wut der Theologen.<br />

Zur rechten:<br />

Du wirst ins Licht kommen.<br />

Du wirst Gott sehen.<br />

Du wirst Gottes Sohn schauen.<br />

Du wirst jene w<strong>und</strong>erbaren Geheimnisse lernen, die du in diesem<br />

Leben nicht verstehen konntest. Warum wir so geschaffen sind. 1<br />

Wie beschaffen die Verbindung der zwei Naturen in Christus ist.<br />

1<br />

Zu ergänzen wäre hier: „wie wir es sind“.<br />

22. Testament, 18. April 1560<br />

Seit Karsamstag, dem 13. April 1560, lag <strong>Melanchthon</strong> mit einer fiebrigen<br />

Erkrankung darnieder. Am 18. April, dem Vortag seines Todes,<br />

begann er mit der zuvor schon zweimal in Angriff genommenen Niederschrift<br />

seines Testaments. <strong>Melanchthon</strong>s Frau Katharina war bereits 1557<br />

gestorben. So bedenkt er hier seinen Sohn <strong>Philipp</strong> <strong>und</strong> die Ehemänner<br />

seiner Töchter Anna <strong>und</strong> Magdalena, Georg Sabinus <strong>und</strong> Caspar Peucer.<br />

Das Vermächtnis besteht aus dem Haus in der Collegienstraße, das 1536<br />

auf Kosten des Kurfürsten <strong>und</strong> der Universität für <strong>Melanchthon</strong> errichtet<br />

worden war <strong>und</strong> das an Peucer gehen soll, sowie mehreren jährlichen<br />

Renten. Das Testament scheint nicht fertig geworden zu sein, da Georg<br />

Sabinus als Erbe erwähnt, ihm aber kein Erbteil zugewiesen wird.<br />

Übersetzungsgr<strong>und</strong>lage: CR 9, 1098–1100, Nr. 6978 (MBW 9300)


80 MENSCH UND FAMILIE<br />

Im Jahr 1560 am 18. April habe ich in Krankheit dieses Testament<br />

in kurzer Form verfasst über den Rest des Vermögens, das mir<br />

Gott gegeben hat.<br />

Ich hatte zuvor schon zweimal ein Glaubensbekenntnis <strong>und</strong> eine<br />

Danksagung an Gott <strong>und</strong> unseren Herrn Jesus Christus niedergeschrieben,<br />

aber die Blätter sind weggekommen. 1 Ich will aber, dass<br />

die „Antwort auf die Artikel der bayrischen Inquisition“ 2 gegen<br />

die Papisten, die Wiedertäufer, die Flacianer <strong>und</strong> ähnliche Leute<br />

mein Glaubensbekenntnis sein sollen.<br />

Als Erben benenne ich meinen Sohn <strong>Philipp</strong> <strong>und</strong> meinen<br />

Schwiegersohn, den hochberühmten Herrn Georg Sabinus, namens<br />

seiner Töchter 3 , <strong>und</strong> meinen Schwiegersohn, den hochberühmten<br />

Herrn Caspar Peucer, Doktor der Heilkunst, namens<br />

seiner Gattin, meiner geliebten Tochter Magdalena 4 .<br />

Mein Vermögen besteht gegenwärtig aus Folgendem:<br />

Die Dessauer Rente, jährlich 45 gewöhnliche Gulden Geldes, gemäß<br />

der Urk<strong>und</strong>e. Ebenso mein Vorderhaus, das ich auf sechsh<strong>und</strong>ert<br />

Gulden schätze. Das Hinterhaus wurde auf Wunsch der<br />

Mutter 5 <strong>und</strong> mit meiner Zustimmung auf Kosten <strong>von</strong> Caspar<br />

Peucer erbaut <strong>und</strong> eingerichtet. Dieses Hinterhaus erachte ich<br />

als das Eigentum Caspars <strong>und</strong> schließe es nicht in die Erbschaft<br />

ein. Und falls die Erben über das Gr<strong>und</strong>stück oder das Bauholz<br />

streiten wollten, versichere ich, dass ich ihm das alles wissentlich<br />

<strong>und</strong> willentlich schenke, <strong>und</strong> ich will, dass er es nach Schenkungsrecht<br />

als Eigentum behält, <strong>und</strong> ich verbiete Streitigkeiten<br />

über irgendeine Sache unter meinen Angehörigen, denn niemand<br />

kann sich in Hinsicht auf meinen letzten Willen oder meine Freigebigkeit<br />

beklagen, wie sie in dieser meiner Armut etwa dreißig<br />

Jahre lang 6 eben sein konnte. Feldkirch 7 <strong>und</strong> ich haben jährlich<br />

fünfzehn Gulden aus dem Dorf Merschwitz, das dem Edelmann<br />

Marschall Löser 8 gehört. Jährlich zahlt auch Hieronymus Krapp 9<br />

14 alte Schock. 10 Etwas ist auch bei meinem Bruder Georg 11 in<br />

der Heimat, <strong>von</strong> dem ich weiß, dass er in seiner Treue meinen<br />

Erben alles anzeigen <strong>und</strong> geben wird, was mir gehört. Ich teile<br />

also mit Gottes Hilfe meinem Sohn <strong>Philipp</strong> die ganze Dessauer


STERBEN UND TOD<br />

81<br />

Rente, fünf<strong>und</strong>vierzig Gulden, zu. 12 Meinem Schwiegersohn Caspar<br />

Peucer, Doktor der Heilkunst, teile ich mein auf sechsh<strong>und</strong>ert<br />

Gulden geschätztes Haus zu.<br />

1<br />

Von <strong>Melanchthon</strong> ist ein früheres Testament aus dem Jahr 1539 erhalten, vgl.<br />

2<br />

MelDt 3, 27–37. Verfasst 1559: MSA 6, 278–364. Übersetzung in: MelDt 4,<br />

3<br />

185–287. <strong>Melanchthon</strong>s Tochter Anna war bereits 1547 gestorben. Zu den Enkelinnen<br />

s. oben Nr. 11. Magdalena Peucer, geb. <strong>Melanchthon</strong>, seit 1550 mit<br />

4<br />

5<br />

dem Mathematiker <strong>und</strong> Mediziner Caspar Peucer verheiratet. <strong>Melanchthon</strong>s<br />

6<br />

Ehefrau Katharina. Die „etwa dreißig Jahre“ könnten sich auf die Lebenszeit<br />

7<br />

des Sohnes <strong>Philipp</strong> oder die Zeit der Bekanntschaft mit Sabinus beziehen. Johannes<br />

Bernhardi aus Feldkirch, Rhetorik- <strong>und</strong> Physikprofessor an der Universität<br />

Wittenberg; Quittungen für die jährlich zu entrichtenden 15 Gulden der<br />

Dorfschaft Merschwitz, an <strong>Melanchthon</strong> <strong>und</strong> an die Erben des 1534 verstorbenen<br />

Bernhardi: MBW 3750 (4.12.1544) <strong>und</strong> MBW 9154 (1.12.1559). Hans<br />

8<br />

9<br />

<strong>von</strong> Löser, Hofmeister in Wittenberg. <strong>Melanchthon</strong>s Schwager, Wittenberger<br />

10<br />

Textilhändler <strong>und</strong> Bürgermeister. Ein altes Schock besteht aus 60 kleinen<br />

11<br />

Schockgroschen (entsprechend 20 guten Groschen). Georg Schwartzerdt in<br />

12<br />

Bretten. Quittungen für diese jährliche Rente: MBW 3745 (30.11.1544) <strong>und</strong><br />

MBW 9143 (25.11.1559).


Die Drucklegung dieses Bandes wurde gefördert durch die Stiftung<br />

LEUCOREA <strong>und</strong> die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD).<br />

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek<br />

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der<br />

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Das Buch wurde auf alterungsbeständigem Papier gedruckt.<br />

Gesamtgestaltung: Kai-<strong>Michael</strong> Gustmann, Leipzig<br />

Druck <strong>und</strong> Binden: Hubert & Co., Göttingen<br />

ISBN 978-3-374-07342-9 // eISBN (PDF) 978-3-374-07343-6<br />

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