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Gesundheit<br />
Zeitung Oktober <strong>2023</strong><br />
9<br />
Nur ein Viertelstündchen<br />
Ob ein Mittagsschlaf gesund ist, hängt von dessen Dauer ab<br />
Beim Aufstehen Schwindel<br />
Orthostatische Hypotonie tritt häufig im Alter auf<br />
Die einen schwören auf einen erholsamen<br />
Mittagsschlaf, die anderen<br />
sagen, er sei ungesund. Was<br />
stimmt? Wir haben Markus B.<br />
Specht von der Deutschen Gesellschaft<br />
für Schlafforschung und<br />
Schlafmedizin gefragt.<br />
Specht ist Somnologe und Leiter<br />
des Zentrums für interdisziplinäre<br />
Schlafmedizin an der DKD Helios<br />
Klinik Wiesbaden. Der Mittagsschlaf<br />
sei eigentlich eine gute Sache,<br />
meint er. Allerdings hängt die<br />
Wirksamkeit mit der Dauer des<br />
Nickerchens zusammen: „Zwischen<br />
einer Viertelstunde und einer<br />
halben Stunde ist für Menschen<br />
bis etwa Mitte 60 ideal“, sagt<br />
er. Alles, was darüber hinausgeht,<br />
sei nicht förderlich.<br />
Dafür gibt es Gründe: Jüngere<br />
Menschen finden die Erholung, die<br />
sie brauchen, in der Nacht. Sie<br />
Nach einem Powernap von 15 bis 30 Minuten kann man sich genauso<br />
erholt fühlen wie nach einem Acht-Stunden-Schlaf. Foto: imago/Westend61<br />
schlafen in der Regel tiefer und<br />
länger als Ältere. Gönnen sie sich<br />
zusätzlich tagsüber eine längere<br />
Ruhepause, kann das zu einem<br />
schlechteren Schlaf in der darauffolgenden<br />
Nacht führen. Außerdem<br />
ist man nach einem langen<br />
Nickerchen am Nachmittag meist<br />
müder als zuvor.<br />
Das hängt auch mit den Schlafphasen<br />
zusammen: „Ein Schlafzyklus<br />
dauert zwischen 60 und 90<br />
Minuten“, erklärt Specht. Um fit zu<br />
sein, benötigen Menschen bis Mitte<br />
60 vier bis sechs solcher Zyklen<br />
hintereinander. Hat man mittags<br />
nun 60 bis 90 Minuten geschlafen,<br />
hat der Körper seine Funktionen<br />
heruntergefahren und auf Schlaf<br />
umgestellt. Deshalb kommt man<br />
dann meist nicht mehr in Schwung.<br />
Besser wäre es, tagsüber nur einen<br />
kleinen sogenannten Powernap von<br />
15 bis maximal 30 Minuten zu machen,<br />
rät der Experte. Dieser diene<br />
weniger der Regeneration und dafür<br />
mehr der Entspannung. „Danach<br />
ist man meist wieder genauso<br />
leistungsfähig wie nach einem<br />
Acht-Stunden-Schlaf“, so Specht.<br />
Für Senioren hingegen kann ein<br />
längerer Mittagsschlaf durchaus<br />
sinnvoll sein. „Ältere Menschen<br />
schlafen oft biphasisch“, erklärt<br />
Specht. Das heißt, ihr Schlafbedürfnis<br />
verteilt sich auf zwei Phasen.<br />
Der Nachtschlaf wird leichter<br />
und kürzer. Deshalb ist eine Ruhepause<br />
am Nachmittag gut geeignet,<br />
um das entstandene Schlafdefizit<br />
wieder auszugleichen.<br />
Annette Liebmann<br />
Ältere Menschen leiden oft unter<br />
einer orthostatischen Hypotonie.<br />
Darunter versteht man den plötzlichen<br />
Abfall des Blutdrucks beim<br />
Aufstehen. Das kann zu Schwindelanfällen,<br />
Schwächegefühlen, Stürzen<br />
und Ohnmacht führen.<br />
Eine orthostatische Hypotonie<br />
kann in Zusammenhang mit einer<br />
chronischen Erkrankung wie Parkinson,<br />
Diabetes oder Herz-Kreislauf-Erkrankung<br />
auftreten. Häufig<br />
spielt auch die gleichzeitige Einnahme<br />
verschiedener Medikamente<br />
eine Rolle. Hinzu kommt, dass<br />
bei Älteren oft bis zu 90 Minuten<br />
nach einer Mahlzeit der Blutdruck<br />
absacken kann. Wenn die Betroffenen<br />
aus dem Liegen oder Sitzen<br />
aufstehen, wird ihnen schwindlig.<br />
Setzen oder legen sie sich wieder<br />
hin, geht es ihnen besser. Wer häufig<br />
einen Blutdruckabfall hat, sollte<br />
die Hausärztin oder den Hausarzt<br />
aufsuchen. Um festzustellen,<br />
ob es sich um eine orthostatische<br />
Hypotonie handelt, werden Blutdruck<br />
und Puls in verschiedenen<br />
Positionen gemessen.<br />
Gegen niedrigen Blutdruck helfen<br />
Maßnahmen wie langsames<br />
Aufstehen, spezielle Körperübungen<br />
und das Meiden von körperlicher<br />
Anstrengung bei Hitze. Betroffene<br />
sollten viel trinken und<br />
unter Umständen auf kohlenhydratreiche<br />
Lebensmittel verzichten,<br />
da die Insulinantwort den<br />
Blutdruck häufig sinken lässt.<br />
Auch das Tragen von Stützstrümpfen<br />
stabilisiert den Blutdruck. Bei<br />
starken Symptomen hilft auch eine<br />
medikamentöse Behandlung. ali<br />
Hörgesundheit im Alter<br />
Schwerhörigkeit sollte früh erkannt und behandelt werden<br />
Wer schlecht hört, verliert Lebensqualität.<br />
In Deutschland leiden<br />
rund 16 Millionen Menschen unter<br />
Schwerhörigkeit. Eine enorme Zahl.<br />
Im Laufe des Lebens wird das Hörvermögen<br />
immer schlechter. Interessant:<br />
Nur ein Bruchteil der Menschen<br />
mit Hörproblemen nutzt ein<br />
Hörgerät.<br />
Das Gehör ist ein sehr komplexes<br />
Sinnesorgan, das es nicht nur ermöglicht,<br />
Klänge und Geräusche<br />
aufzunehmen und zu erkennen,<br />
sondern auch, das Gleichgewicht<br />
zu halten. Schwerhörigkeit kann<br />
laut Prof. Dr. Birgit Mazurek, Direktorin<br />
des Tinnituszentrums an<br />
der Charité – Universitätsmedizin<br />
Berlin und Vorstandsvorsitzende<br />
der Deutschen Stiftung Tinnitus<br />
und Hören Charité, durch verschiedene<br />
Faktoren verursacht werden:<br />
eine genetische Veranlagung,<br />
Lärmbelastung, bestimmte Medikamente,<br />
Infektionen und natürliche<br />
Alterungsprozesse. „Hörsinneszellen<br />
und neuronale Strukturen<br />
im Innenohr können sich im<br />
Laufe eines Lebens so verändern,<br />
dass bei manchen Menschen die<br />
aktuelle, zentrale Verarbeitung von<br />
Informationen im Gehirn langsamer<br />
wird. Auch Stress kann sich<br />
negativ auf die Hörgesundheit auswirken“,<br />
so Mazurek.<br />
Die Symptome von Schwerhörigkeit<br />
variieren von Person zu Person.<br />
Einige Menschen erleben<br />
möglicherweise nur eine leichte<br />
Beeinträchtigung des Hörvermögens,<br />
während andere einen<br />
schweren Hörverlust beklagen.<br />
Häufig berichten Betroffene, dass<br />
sie höhere Frequenzen und Stimmen<br />
nicht mehr so gut erkennen<br />
beziehungsweise unterscheiden<br />
können. Oder dass sie bestimmte<br />
Geräusche wie Klingeltöne eines<br />
Mobiltelefons oder Vogelgesang<br />
schlechter wahrnehmen. Oft müssen<br />
sie den Fernseher oder das<br />
Radio lauter stellen, um alles gut<br />
zu verstehen. Es fällt immer schwerer,<br />
Gesprächen zu folgen, mitzureden.<br />
In der Folge ziehen sich<br />
viele Menschen immer mehr zurück,<br />
leben isoliert.<br />
Nicht verdrängen<br />
HNO-Ärzte sind erste Ansprechpartner<br />
bei Schwerhörigkeit.<br />
Foto: picture alliance/Westend61/Knut Schulz<br />
Mazurek rät, Hörprobleme nicht<br />
zu verdrängen, sondern frühzeitig<br />
und aktiv anzugehen, um psychischen<br />
Belastungen vorzubeugen.<br />
Forschungen hätten zudem ergeben,<br />
dass auch die körperliche<br />
Fitness schlechter wurde, je größer<br />
der Hörverlust war.<br />
Zur Diagnose von Schwerhörigkeit<br />
sollten Hörtests und gegebenenfalls<br />
bildgebende Verfahren,<br />
etwa Computertomografie (CT)<br />
oder Magnetresonanztomografie<br />
(MRT), erfolgen. Ansprechpartner<br />
sind HNO-Ärzte oder Audiologen.<br />
Häufig helfen Hörgeräte, das Hörvermögen<br />
zu verbessern und das<br />
Leben für Betroffene einfacher zu<br />
machen.<br />
Für hochgradig schwerhörige<br />
und ertaubte, auch einseitig ertaubte<br />
Menschen, kann die Behandlung<br />
mit Cochlea- Implantaten<br />
Verbesserung bringen. Cochlea-<br />
Implantate sind elektronische<br />
Geräte, die den Hörnerv direkt<br />
stimulieren und so das Hörvermögen<br />
wiederherstellen können.<br />
„In jedem Fall ist es wichtig, sich<br />
ärztlich beraten zu lassen, um die<br />
besten individuellen Behandlungsoptionen<br />
zu finden“, sagt die<br />
HNO-Expertin und gibt noch einen<br />
weiteren Tipp: „Entspannungsübungen<br />
und regelmäßige<br />
Bewegung – möglichst an der frischen<br />
Luft –, genügend trinken,<br />
eine regelmäßige, gesunde Ernährung<br />
und ausreichend Schlaf sind<br />
wichtig für die körperliche Fitness<br />
und das seelische Gleichgewicht:<br />
Dies gilt genauso für die Gesundheit<br />
unseres empfindlichen Gehörs.“<br />
Petra J. Huschke