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TrAVeller’S<br />
September 2023 - november 2023<br />
d 9,50 € / A 10,50 € / I 12,30 € / l 11,50 € / e 10,- € / ch 17,90 SFr<br />
travellersworld.de<br />
In good we TruST<br />
aufbruch von Ipanema<br />
Vom Gipfel des Corcovado<br />
in die Tiefe des Amazonas<br />
Heimat für götter<br />
Exklusiv: zwei neue<br />
griechische Hideaways<br />
Route de Rosé<br />
Die Provençe auf<br />
die flüssige Tour<br />
London Calling<br />
23 Seiten über die aufregendste Stadt der Welt
provence<br />
à la minuty<br />
das populäre Château Minuty wird gern besucht.<br />
auch von diesen zwei unbekannten Beauties<br />
30<br />
Traveller‘s World
miraBeau<br />
Que velitae occae vendi offictiatur aut ipsapid<br />
min et es es con posti volorpo ssitasint, officip<br />
La vie<br />
en Rosé<br />
das hinterland der côte<br />
d’Azur punktet mit Postkartenlandschaften<br />
und idyllischen<br />
bergdörfern. und mit dem<br />
schönsten flüssigen blassrosa<br />
der welt<br />
Text PATRICIA ENGELHORN<br />
Fotos MARVIN ZILM<br />
Traveller‘s World<br />
31
provence<br />
ein Schild kennzeichnet die Stelle, an der wir die<br />
kurvenreiche Landstraße verlassen und in einen<br />
schnurgeraden Schotterweg einbiegen: Domaine<br />
Mirabeau. Der Blick vom Einfahrtstor entspricht dem<br />
klassischen Provence-Klischee – hinter weizengelben<br />
Kornfeldern und leuchtend grünen Weingärten steht ein Natursteinhaus<br />
mit blassblauen Fensterläden und schlanken Zypressen vor der<br />
Tür. Später kommen blühende Lavendel- und dichte Rosmarinsträucher<br />
hinzu, dann stehen wir vor einer strohgedeckten Terrasse mit<br />
großzügiger Lounge-Ecke und einem Esstisch für zehn Gäste.<br />
Die Domaine Mirabeau ist eines von vielen zauberhaften Weingütern<br />
der Provence. Und gilt unter Kennern doch als etwas Besonderes:<br />
komplett biologisch, kleine Produktmengen, viele Auszeichnungen.<br />
Es gehört Jeany und Stephen Cronk, sie vom Tegernsee, er aus<br />
England, und ist das Resultat einer gelungenen Aussteigergeschichte.<br />
„Der Wunsch nach einem Weingut in Südfrankreich geisterte lange<br />
durch unsere Köpfe“, erzählt Jeany Cronk, während sie eine Flasche<br />
ihres Bestsellers „Pure“ entkorkt. „Mit drei kleinen Kindern und guten<br />
Jobs in London schien er allerdings eher unrealistisch.“<br />
Aber dann ging es doch. 2009 zog das Paar mit Kind und Kegel<br />
nach Südfrankreich und begann fast sofort, Wein zu produzieren<br />
– zunächst nur mit Assemblagen aus dem Traubensaft von Zulieferern,<br />
aber gleich auf hohem Niveau. Zehn Jahre später fand das Paar<br />
das verwunschene Weingut im Naturschutzgebiet Réserve naturelle<br />
de la Plaine des Maures. „Wir hatten gut 40 Objekte besichtigt, bevor<br />
wir uns für dieses entschieden haben“, erinnert sich Jeany Cronk. „Es<br />
sollte uns eigene Trauben liefern und unseren Weinen eine Art Heimat<br />
bieten, aber auch als Gästehaus, Veranstaltungsort und Location für<br />
Foto-Shoots dienen.“<br />
Heute ist Mirabeau ein komplett regenerativ arbeitender, biozertifizierter<br />
landwirtschaftlicher Betrieb mit 14 Hektar Reben, die<br />
zwischen Hafer, Klee und wilden Bohnen stehen oder sich über die<br />
Melonen, Zucchini, Kürbisse und Tomaten eines Gemüsebeets ranken.<br />
„Bloß keine Monokultur“, sagt Jeany Cronk. „Je vielseitiger die<br />
Bepflanzung, desto gesünder der Boden, desto kräftiger die Reben<br />
und desto besser der Wein.“<br />
Mit Wein ist in der Provence vor allem Rosé gemeint, rund 100<br />
Millionen Flaschen werden hier jedes Jahr produziert. Die Reben dazu<br />
– Grenache, Cinsault, Syrah, Tibouren, Rolle und andere – wachsen<br />
auf gut 20 000 Hektar sandigen Kreideböden, die sich von Saint-<br />
Raphaël über Saint-Tropez bis fast nach Toulon am Mittelmeer<br />
erstrecken und bis tief ins Hinterland der Küste reichen. Wer auf der<br />
Halbinsel von Saint-Tropez zum berühmten Pampelonne-Strand<br />
oder an die malerische Bucht von Gigaro fährt, kommt an endlosen<br />
Weingärten und an den prächtigen Gutshäusern unzähliger Weingüter<br />
vorbei.<br />
Direkt unterhalb des mittelalterlichen Bergdorfs Gassin steht das<br />
von Reben umgebene Herrenhaus von Régine Sumeire – ihr Rosé<br />
zählt zu den besten in Frankreich. Als sie 1977 Château Barbeyrolles<br />
erwarb und die Weinberge auf nachhaltige Landwirtschaft umstellte,<br />
stand die Appellation Côtes de Provençe noch für Massenweine und<br />
Belle vue<br />
die aussicht von Gassin auf die Bucht von<br />
saint-Tropez – selbst bei grauem Himmel schön<br />
32 Traveller‘s World
tiSchlein deckt Sie<br />
Jeany Cronk hat nicht nur ein Talent für feine<br />
rosé-Weine, sondern auch für zauberhafte Tischdekorationen<br />
– am liebsten deckt sie den Tisch<br />
im Garten ihres Weinguts (Bild links oben)<br />
Traveller‘s World<br />
33
provence<br />
Strand-Rosés – nichts, was Madame Sumeire auch nur ansatzweise<br />
interessierte. „Ich wollte einen Rosé vinifizieren, der deutlich besser<br />
und deutlich heller sein sollte als die anderen aus der Region“, erzählt<br />
sie. „Freunde aus der Champagne brachten mich auf die Idee, die bei<br />
ihnen üblichen hydraulischen Pressen einzusetzen.“ Damit werden<br />
die Früchte ganz sanft gepresst, und der Saft hat nur sehr kurz Kontakt<br />
mit den Farbpigmenten der Häute. Das Resultat: ein leuchtender,<br />
heller Wein mit einer frischen und feinen Aromatik. Nach ein paar<br />
Jahren Arbeit an der Methode und den Assemblagen kamen 1985 die<br />
ersten Flaschen „Pétale de Rose“ auf den Markt – der ikonische,<br />
lachsfarbene Rosé war geboren.<br />
Inzwischen benutzen fast alle Winzer der Provence die Champagner-Pressen,<br />
auch die direkten Nachbarn von Régine Sumeire auf<br />
dem renommierten Weingut Minuty. Die Geschwister François,<br />
Jean-Étienne und Marie-Aline Matton-Farnet leiten den Familienbetrieb<br />
in vierter Generation – der Hype um die blassen Rosés von<br />
nebenan ist ihnen nicht entgangen. Anfang der 1990er-Jahre wurden<br />
junge Reben gepflanzt, neue Weintanks gekauft, eine eigene Abfüllanlage<br />
installiert und ein modern gestalteter Verkostungsraum<br />
eingerichtet.<br />
besucher, die sich an der großen quadratischen Theke von<br />
gut geschulten Mitarbeitern die Minuty-Rosés einschenken<br />
und erklären lassen, bekommen vier ausgesprochen<br />
helle Weine zu probieren: vom fruchtig-leichten<br />
Bestseller „Minuty M“ über die gastronomischen Cuvées „Prestige“<br />
und „Château Minuty Or“ bis zum Top-Produkt „Château Minuty<br />
281“, der aus den ältesten Grenache-Trauben der Domaine entsteht.<br />
Durch Glaswände sind die Barrique-Fässer für die Rotweine des<br />
Weinguts zu sehen, im Keller glänzen 203 Hektoliter fassende Stahl -<br />
tanks, im Park steht zwischen 200-jährigen Platanen, mannshohen<br />
Hortensien- und Oleandersträuchern ein majestätisches, um 1860 von<br />
den italienischen Vorbesitzern errichtetes Herrenhaus, das von der<br />
Familie privat genutzt wird.<br />
Kein Wunder, dass der Besitz Begehrlichkeiten weckt. Seit dem<br />
März dieses Jahres gehört Minuty mehrheitlich zum LVMH-Konzern,<br />
wie auch schon das Weingut Château d’Esclans, dessen „Whispering<br />
Angel“ als weltweit meistverkaufter Rosé gilt. Damit hat sich Bernard<br />
Arnaults Luxus-Konglomerat die Nr. 1 (Château d’Esclans mit einer<br />
Jahresproduktion von 14 Millionen Flaschen) und Nr. 2 (Minuty mit<br />
ca. neun Millionen Flaschen) der Côtes-de-Provençe-Weingüter<br />
gesichert und zugleich die Wertigkeit und den Bekanntheitsgrad der<br />
ganzen Region in die Höhe katapultiert. Nr. 3 in der Rangliste ist<br />
übrigens Miraval mit sieben Millionen Flaschen im Jahr, doch dieses<br />
Weingut gehört – nach dem Rosenkrieg mit Angelina Jolie zumindest<br />
zur Hälfte – Brad Pitt, der ebenso wenig an Verkauf denkt wie seine<br />
Hollywood-Kollegen George Clooney (Domaine du Canadel) und<br />
George Lucas (Château Margüi), deren Reben allerdings keine<br />
nennenswerten Mengen produzieren.<br />
„So mancher Winzer in unserer Region glaubt jetzt, er könne für<br />
seine Weinparzellen und Trauben Preise wie im Burgund oder in der<br />
man gönnt Sich ja SonSt nichtS …<br />
rosé am strand – an der Plage de ramatuelle ist das nicht<br />
ungewöhnlich. In der „réserve à la Plage” sogar ziemlich alltäglich<br />
und ganz besonders gut<br />
34 Traveller‘s World
„Ich wollte einen Rosé vinifizieren, der<br />
deutlich besser und deutlich heller sein<br />
sollte als die anderen aus der Region“<br />
roSa an der Blauen küSte<br />
Wie fast überall an der Côte d’azur blüht auch vor dem<br />
Weingut Minuty rosafarbener oleander. der Farbton<br />
ist nur minimal dunkler als jener der berühmten Weine<br />
Traveller‘s World<br />
33
london travel<br />
london<br />
Cycling<br />
Text und Fotos MICHAEL HANNwACkER<br />
Mit einem Faltrad, das sich zusammenklappen und überallhin mitnehmen lässt, kreuz<br />
und quer durch die Hauptstadt fahren – wäre das nicht die ultimative Entdeckungstour?<br />
40 Traveller‘s World
Gestern Abend habe ich mein Klapprad in der Brompton Junction in Covent Garden<br />
abgeholt, die Nacht hat es mit mir im ROSEWOOD LONDON verbracht. Wir sind<br />
also schon ein Team, bevor wir unsere Tour ausgeruht starten<br />
Während weniger glückliche Gäste das fulminante Hotel (das gerade in München<br />
eine Dependance eröffnet) nach einem glamourösen Frühstück im Mirror Room mit<br />
Koffern verlassen, setze ich mich beschwingt auf mein Brompton Bike<br />
illustration: Eva Jakob<br />
Traveller‘s World<br />
33
london travel<br />
Kaum habe ich das erste Mal in die Pedale getreten, muss ich mein Rad schon<br />
wieder zusammenklappen. Am Südrand der Lincoln’s Inn Fields verspricht das frisch<br />
renovierte HuNTERIAN MuSEuM eine kuriose Sammlung anatomischer Präparate<br />
Solche Pubs verrät einem niemand, man muss sie selber finden, wenn es sein muss,<br />
per Zufall. Dabei nennen manche Quellen THE SEVEN STARS, das vielleicht auf das<br />
Jahr 1602 zurückgeht, Londons ältestes drinking hole. Keine Sorge, das Bier ist frisch<br />
Nach einem leisurely ride entlang des Embankments von St. Paul’s Cathedral stehe ich<br />
vor dem Elizabeth Tower. So heißt BIG BEN offiziell seit dem Diamond Jubilee 2<strong>01</strong>2. Die<br />
Farbe der frisch gestrichenen Zeiger und Ziffern? Preußischblau!<br />
42 Traveller‘s World
Der Hof des SOMERSET HOuSE muss einer der schönsten Londons sein. Das wissen<br />
auch die Studenten der umliegenden Top-unis. Ich bleibe ein paar Momente in der<br />
Courtauld Gallery. Mein Brompton Bike darf derweil bei den Rollstühlen unterschlüpfen<br />
Traveller‘s World<br />
43
asilien<br />
AMazon Prime<br />
ein grandioses Schiff vor großer Kulisse:<br />
unterwegs auf brasilianischen<br />
gewässern mit der Seabourn Venture<br />
Text REINHARd MOdRITZ Fotos JOHN SHEdwICk, REINHARd MOdRITZ<br />
48 Traveller‘s World
Adeus Rio, Meu AMoR Nach Tagen unter Zuckerhut<br />
und Corcovado legt die seabourn Venture ab in<br />
Richtung Amazonas. Zodiacs bringen die Passagiere an<br />
Land oder tiefer in den brasilianischen Regenwald<br />
Traveller‘s World<br />
49
asilien<br />
50 Traveller‘s World
TAuCHeN VeRBoTeN die beiden submarines des<br />
expeditionsschiffs kamen diesmal nicht zum einsatz.<br />
Zu gefährlich bei all dem Treibgut im Amazonas.<br />
den Bewohnern des kleinen Küstenstädtchens ist’s egal<br />
eben noch hat Cristo Redentor, der Erlöser, uns mit<br />
offenen Armen empfangen. Jetzt grüßt der Pão de<br />
Açúcar, der Zuckerhut, ein letztes Mal. Tage in Rio<br />
de Janeiro liegen hinter uns, vor uns das Abenteuer<br />
„Coast of Brazil & Amazon River“. So steht es jedenfalls<br />
in dem Willkommensbrief, der in der Veranda<br />
Suite der Seabourn Venture – neben einer gut gekühlten Flasche Roederer<br />
– auf die Passagiere wartet. Davor eine Karte mit süffigem Motto: „May<br />
the only pain be champagne“. Willkommen auf dem ultraluxuriösen Expeditionsschiff<br />
der Carnival Corporation.<br />
Expeditionsschiff? Es ist noch nicht allzu lange her, da waren das simple<br />
Kähne, die Kabinen hatten bestenfalls Bullaugen, und das Essen wurde<br />
gemeinsam mit der Crew in der Schiffs-Messe eingenommen.<br />
Tempi passati. Heute liest sich die Beschreibung<br />
der Venture so: „Vorne ein starker Bug der PC6<br />
Eisklasse, hinten das elegante Heck einer Super yacht,<br />
dazwischen über 2750 Quadratmeter offene Deckfläche,<br />
Duplex Suiten mit Panoramafenstern und eine<br />
Landing Zone mit 24 Zodiacs und zwei U-Booten“. Die<br />
nächsten zwölf Tage dürften also spannend werden.<br />
Erste Station: Búzios. Die schwarzen Zodiacs, jedes<br />
fasst bis zu zwölf Passagiere, werden zu Wasser gelassen,<br />
schippern die Gäste an Land oder bringen die<br />
sportlicheren zu den Kajaks, die am Ufer aufgereiht<br />
warten. Armação dos Búzios ist berühmt für seine zwei<br />
Dutzend Traumstrände. Und für Brigitte Bardot. Die<br />
war 1964 vor den Paparazzi aus Rio in das beschauliche<br />
Stranddorf geflüchtet – und hatte einen wahren Hype<br />
ausgelöst. Weitere Celebrities folgten, Mick Jagger,<br />
später auch Madonna. Seitdem gilt das einst verschlafene<br />
Fischerdorf als „hippie chic“. Es mit St. Tropez zu<br />
vergleichen, wie es die knapp 40000 Einwohner gerne<br />
tun, ist vielleicht etwas übertrieben. Doch als Wochenendziel<br />
für die Cariocas aus dem nur drei Stunden entfernten<br />
Rio taugt die „Perle der Costa do Sol“ allemal.<br />
Auf unserem Törn sind vier Tage auf See eingeplant,<br />
immerhin sind es über 2200 nautische Meilen<br />
von Rio bis an die Mündung des Amazonas. Zeit, das Schiff zu<br />
erkunden, in der bestens bestückten Bibliothek nach Schriften<br />
über die Entdeckungen Amerikas zu stöbern, sich im gläsernen<br />
Infinity-Pool auf Deck fünf abzukühlen oder einfach nur in den<br />
komfortablen Liegestühlen vor sich hin zu träumen. Wären da<br />
nicht die „Conversations“: Ein 26-köpfiges Expeditionsteam<br />
aus Naturwissenschaftlern und Historikern glänzt mit Vorträgen<br />
und Diskussionen zur Geschichte Brasiliens, des Amazonas,<br />
zur vielfältigen Fauna und exotischen Flora. Vor allem der<br />
britische Historiker Peter Damisch reißt sein Publikum mit, seine<br />
lectures sind spannender als jeder Krimi und unterhaltsamer<br />
als die Show am Abend. Die meisten der knapp 200 Passagiere<br />
an Bord lauschen denn auch gebannt seinen Geschichten und<br />
Traveller‘s World<br />
51
asilien<br />
52 Traveller‘s World
tauschen dafür gerne ihr Sonnendeck gegen das<br />
Discovery Center auf Deck vier. Eine gute Gelegenheit,<br />
sich umzuschauen, wer sich die teure Spritztour<br />
(von 20 000 US-Dollar bis zu 90 000 für eine Suite) so<br />
leis ten mag.<br />
erster äußerer Eindruck: Die bevorzugte<br />
Haarfarbe ist ein modisches<br />
Grau, bis zu leuchtendem Weiß, hin<br />
und wieder unterbrochen<br />
von einem hippen Blondschopf. Aber die<br />
Herrschaften sind erstaunlich gut zu Fuß,<br />
wie sie auf den Exkursionen der nächsten<br />
Tage beweisen. Das Gros der Passagiere<br />
kommt aus der Heimat der Venture, den<br />
USA, dazu etliche Briten, zwei Großfamilien<br />
aus Holland und einige versprengte<br />
deutsche Gäste. Stimmung und Attitüde<br />
an Bord sind leger bis lässig, Smoking und<br />
Captain’s Dinner passen schließlich nicht<br />
auf ein Expeditionsschiff.<br />
Jedoch: In Sachen Luxus steht die<br />
Venture ihren klassischen Schwestern in<br />
keiner Weise nach. Beim Gang über die<br />
zehn Decks notiert der erfahrene Kreuzfahrer<br />
keine Unterschiede zu schicken<br />
Fünf-Sterne-Hotels, direkte Folge des Auftrags<br />
an den renommierten Interior Designer<br />
Adam D. Tihany, für die Ausstattung<br />
WAHRe iLLusioNeN die drei Fischer an der Promenade von Buzios sind<br />
aus Bronze. die Hauskatze der Capela dourada in der Altstadt von<br />
Recife und der KaiserschnurrbartTamarin in Natal sind dagegen echt<br />
Traveller‘s World<br />
53
asilien<br />
Das atemberaubende Museu do amanhã hat<br />
der spanische Star-Architekt Santiago Calatrava<br />
für die Olympischen Spiele von 2<strong>01</strong>6 entworfen –<br />
als Kunstwerk, das das ewige „Morgen” repräsentiert.<br />
Praça Mauá, 1, museudoamanha.org.br/en<br />
Das Copacabana<br />
Palace, die Grand<br />
Old Lady unter Rios<br />
Luxushotels, gehört<br />
heute zum LVMH-<br />
Konzern. Der Pool<br />
ist seit den Golden<br />
Twenties der Hotspot<br />
der Jeunesse dorée.<br />
belmond.com<br />
Rom ist stolz auf seine sieben Hügel?<br />
Rio de Janeiro hat acht davon! Zusammen<br />
mit traumhaften Buchten, lagunen und<br />
Stränden geben sie einer der aufregendsten<br />
Städte der Welt ihre ikonische gestalt<br />
Copacabana und der durch Antônio Carlos Jobims „Girl<br />
from Ipanema” unsterblich gewordene Küstenabschnitt<br />
sind Rios bekannteste Strände. Aber für die Cariocas,<br />
die Einwohner von Rio, heißt der It-Beach leblon<br />
Neben dem Deutschen Hans<br />
Stern hat auch der Elsässer Jules<br />
Sauer sein Glück mit Brasiliens<br />
bunten Edelsteinen gemacht. Seine<br />
bekannteste Boutique liegt direkt<br />
unterm Zuckerhut.<br />
sauer1941.com<br />
Das Mee ist – mit asiatischer<br />
Fusion Cuisine vom<br />
Feinsten – eines von<br />
zwei Sternerestaurants<br />
im Copacabana<br />
Palace. Das zweite,<br />
Ristorante Hotel<br />
Cipriani, serviert italienische<br />
Klassiker.<br />
T. +55.21.25 48 70 70<br />
Natürlich wollen alle Rio-Rookies die Christus-Statue auf dem Corcovado,<br />
den Zuckerhut und das für Fußball-Fans unverzichtbare Maracaná-<br />
Stadion sehen. Aber Schlange stehen wie Tausende Besucher täglich?<br />
C2Rio Tours & Travel bietet eine komfortablere Alternative mit Limousine,<br />
privatem Guide und Helikopter. Der Besitzer ist übrigens ein Deutscher.<br />
T. +55.21.38 28 03 70, c2rio.travel<br />
Erst aus der Vogelperspektive<br />
zeigt sich die wahre<br />
Schönheit Rios. Helisight<br />
Helicopteros bietet Rundflüge<br />
um Corcovado, Zuckerhut<br />
und entlang der schönsten<br />
Strände. Ab 90 bis 550<br />
Euro, helisight.com.br<br />
Architekt Edgar Fonseca soll<br />
beim Bau der modernistischen<br />
Catedral nova von den Pyramiden<br />
der Maya inspiriert worden<br />
sein. Schon wegen der grandiosen<br />
Dachfenster einen Besuch<br />
wert. Avenida de Chile, 245<br />
58 Traveller‘s World
style<br />
als Peter Borer, Chef der noblen Peninsula Hotels,<br />
erste Pläne für die Gartengestaltung des im Frühjahr<br />
eröffneten Hauses der Gruppe an Istanbuls<br />
Bosporus-Ufer zu sehen bekam, fand er nichts, was<br />
ihm gefiel. Aber er wusste jemand, der ihm aus der<br />
Patsche helfen könnte. „Ich habe meine Mitarbeiter<br />
gebeten, nach Rapperswil zu fahren und mit Herrn<br />
Enea zu sprechen“, erzählt der Schweizer.<br />
Die Mitarbeiter kannten weder Herrn Enea noch<br />
Rapperswil, doch tatsächlich fanden sie am Ufer des<br />
Zürichsees die Lösung ihres Problems. Enzo Enea schuf nicht nur den größten<br />
Hotelgarten Istanbuls, sondern auch eine Grünlandschaft, die mit dem<br />
speziellen Geist des historischen Stadtviertels Karaköy und des direkt vor<br />
dem Hotel vorbeifließenden Bosporus verbunden ist. Er pflanzte Granatapfel-,<br />
Erdbeer- und Pistazienbäume, Grünen Wacholder, sich senkende Kreppmyrten,<br />
Libanon-Zedern und duftende Magnolienbäume. Die rosafarbenen<br />
Blüten des Judasbaums werden im Frühjahr hübsche Akzente setzen, im<br />
Sommer sorgen die Blätter der Robinie für ein schönes Lichtspiel. Um das<br />
Hotel stehen nun mehr als 250 teilweise ausgewachsene Bäume, die nicht<br />
nur ein angenehmes Mikroklima schaffen, sondern auch einen wichtigen<br />
Beitrag zur Sauerstoffproduktion sowie zur Reduzierung von Feinstaub<br />
und CO 2<br />
leisten. Hinzu kommt die sensorische Wahrnehmung des Gartens:<br />
Dank aromatischer Kräuter wie Thymian, Rosmarin und Lavendel sowie<br />
duftender Blumen wird der Aufenthalt im Freien zu einem sinnlichen Erlebnis.<br />
So entstand ein üppiger, grüner Park mit intimen Nischen, die entdeckt<br />
und wie Zimmer bewohnt werden wollen. „Ich versuche, einen Garten so zu<br />
planen, dass er als Erweiterung der Innenräume empfunden wird“, erklärt<br />
Enzo Enea sein Konzept.<br />
Das Talent, mehrschichtige Vorstellungen umzusetzen und unterschiedliche<br />
Wohnebenen zu einer völlig natürlich wirkenden Einheit zu<br />
verschmelzen, wird niemandem in die Wiege gelegt. Enzo Enea kommt 1964<br />
als Sohn italienischer Einwanderer im Kanton Zürich zur Welt. Nach einer<br />
Ausbildung zum Industriedesigner studiert er Landschaftsarchitektur in<br />
London und reist anschließend – eigentlich zum Surfen – nach Hawaii. Dort<br />
bekommt er seinen ersten Auftrag und entwirft den tropischen Garten eines<br />
Sheraton-Hotels. 1993 übernimmt er das von seinem Vater (so viel Wiege<br />
war schon) gegründete Geschäft für Gartenausstattung und Steinmetzarbeiten.<br />
Doch statt Tontöpfe und Steinbrunnen zu verkaufen, beginnt er, der<br />
wohlhabenden Zürichsee-Kundschaft das Thema Garten als Zusatzsalon<br />
näherzubringen.<br />
Heute zählt Enzo Enea zu den bedeutendsten Landschaftsarchitekten<br />
der Welt. In seinen Büros in Zürich, New York, Miami und Mailand sind<br />
rund 240 Mitarbeiter beschäftigt, er arbeitet mit Top-Architekten wie David<br />
Chipperfield, Tadao Ando oder Sir Norman Foster zusammen. Zu seinen<br />
Kunden zählen Prominente wie<br />
König Charles, Jeff Koons oder die<br />
kürzlich verstorbene Tina Turner,<br />
aber auch Hotels wie The Dolder<br />
Grand in Zürich, The Setai in Miami,<br />
die Mandarin Oriental Residences<br />
in Beverly Hills und Lanserhof<br />
am Tegernsee und auf Sylt.<br />
Sein Erfolgsrezept: Wie kaum<br />
ein anderer beherrscht er die Kunst,<br />
in wenigen Monaten aus dem<br />
Nichts einen scheinbar natürlich<br />
gealterten Garten zu schaffen. Darin<br />
richtet er „Räume“ ein, für die er<br />
Mobiliar, Licht, Accessoires und Böden<br />
nach eigenen Entwürfen produzieren<br />
lässt und in seinem Zürcher<br />
Shop, Enea Outside In, verkauft.<br />
Dank eines Teams aus Schreinern,<br />
Elektrikern, Bildhauern, Schlossern<br />
und Lichtingenieuren kann Enzo<br />
Enea ein komplettes Produkt liefern,<br />
maßgeschneidert und sozusagen<br />
bezugsfertig.<br />
dabei ist er flexibel und<br />
geht auf die Vorlieben<br />
und Bedürfnisse seiner<br />
Kunden ein: Einer<br />
Dame, die feine Seidenstoffe liebt,<br />
stellt er vier Maulbeerbäume vor die<br />
Tür. Den Innenhof des brandneuen<br />
Londoner Hotels The Peninsula legt<br />
er wie einen klassischen englischen<br />
Garten mit Efeukaskaden, Glyzinien<br />
und zwei 120 Jahre alten Japanischen<br />
Ahornbäumen an. Für Münchens<br />
Apple-Campus KARL gestal-<br />
„Ich versuche, Gärten so zu planen, dass sie<br />
als Erweiterung der Innenräume empfunden werden“<br />
68<br />
Traveller‘s World
Blühende fantaSie<br />
Für einen Klienten in rapperswil-Jona hat enzo enea<br />
einen Teppich aus bienenfreundlichem Thymian auf<br />
dem dach angepflanzt (Bild oben, weiter im Uhrzeigersinn).<br />
Für das Hotel Carré Belge in Köln entwickelte<br />
er schatten spendende Baumterrassen als<br />
stufenpyramide und einen begrünten Innenhof. einige<br />
der alten Bäume, die enzo enea gerettet hat, sind<br />
im Baummuseum vor seinem Büro in rapperswil-<br />
Jona zu sehen. die Marmorskulptur „spira” hat der<br />
Bildhauer richard erdmann geschaffen<br />
Traveller‘s World<br />
69
style<br />
graS drüBer<br />
Um die Mandarin oriental residences in Beverly<br />
Hills entfaltet sich eine üppig grüne Gartenlandschaft<br />
mit asiatischen und südkalifornischen einflüssen<br />
(Bild oben, weiter gegen den Uhrzeigersinn). etwas<br />
zurückhaltender: die Gräserfelder im Garten des<br />
lanserhofs am Tegernsee. auf der griechischen Insel<br />
Kea entwarf enea einen Garten, der mit dem steilen<br />
Gelände, dem Wassermangel und heftigen Winden<br />
zurechtkommen muss. Große Bäume und Mauern<br />
wirken schützend, dazwischen blüht es bunt<br />
70 Traveller‘s World
„Ich verstehe mich eigentlich nicht als Künstler. Ich<br />
versuche eher, einen Ort zu verstehen“<br />
tet er eine urbane Hoflandschaft mit<br />
fest installierten Sitzecken zwischen<br />
sanft geschwungenen Eibenhecken,<br />
im Frühjahr blühenden Magnolien<br />
und einem markanten Solitärbaum,<br />
der in der Region gewachsen ist.<br />
Jeder dieser Gärten präsentiert<br />
sich als ein grünes, wachsendes<br />
Kunstwerk: perfekt komponiert in<br />
Form und Farbe. „Ich verstehe mich<br />
eigentlich nicht als Künstler“, widerspricht<br />
Enzo Enea, „ich versuche<br />
eher, einen Ort zu verstehen: Nutzung,<br />
Windrichtungen, Sonnendauer,<br />
Temperaturen, Geologie. Einen<br />
echten Wert hat ein Garten nur,<br />
wenn er technisch gut angelegt ist.“<br />
wwie so etwas aussieht,<br />
darf man in<br />
Enzo Eneas großartigem<br />
Baummuseum<br />
am Zürichsee in Augenschein nehmen.<br />
Es befindet sich in Rapperswil-<br />
Jona auf einer 7,5 Hektar großen,<br />
einst sumpfigen und ungenutzten<br />
Fläche, die er von den katholischen<br />
Zisterzienser-Nonnen des benachbarten<br />
Klosters Mariazell gepachtet<br />
hat – primär, weil er einen Ort für<br />
seine Baumsammlung brauchte.<br />
Denn Enzo Enea gilt nicht nur als<br />
Picasso unter den Landschaftsarchitekten.<br />
Er ist auch ein Robin<br />
Hood für alte Bäume, die irgendwo<br />
im Weg stehen und gefällt werden<br />
sollen. Ein zwölf Meter hoher Fächerahorn<br />
etwa, der Umbauarbeiten<br />
vor dem Zürcher Kongresshaus<br />
behinderte. Eine über hundertjährige<br />
Rosskastanie, die für eine breitere<br />
Straße abgeholzt werden sollte.<br />
Oder ein Eisenholzbaum Jahrgang<br />
1895, ein Strauch-Wacholder von<br />
1943 und eine gut 120 Jahre alte Mädchenkiefer, die ihm irgendwer als gefährdet<br />
gemeldet hat und die er vorsichtig ausgraben und abtransportieren<br />
ließ. „Bäume stehen nie dort, wo man sie gerade braucht“, weiß Enea, der<br />
den speziellen Wurzelschnitt, der es ermöglicht, auch große und sehr alte<br />
Bäume auszugraben und umzupflanzen, von seinem ehemaligen japanischen<br />
Karatelehrer gelernt hat. „In meinem Baummuseum versammle ich,<br />
was andere gedankenlos entsorgen – Wildapfel, Wildbirne, Kirsche, Wacholder,<br />
alles Mutterpflanzen der Vitamine, die wir zum Leben brauchen.“<br />
sein Baummuseum ist über eine von 38 mächtigen Sumpfzypressen<br />
gesäumte Zufahrt zu erreichen und beherbergt neben<br />
rund 3300 Bäumen auch das Enea-Büro sowie Werkstätten<br />
und Designateliers, die sich um einen eleganten, glasverkleideten<br />
Ausstellungsraum mit einem zehn Meter langen<br />
Holztisch gruppieren. „Der Tisch ist aus mindestens 40 000<br />
Jahre altem neuseeländischem Kauri-Holz“, erzählt der Hausherr,<br />
„der Baum war in ein Moor gefallen und wurde so regelrecht<br />
mumifiziert. Und weil der Tisch zuerst da war, bauten wir den Rest<br />
um ihn herum.“<br />
Auf dem Gelände ist auch die Sammlung antiker Tontöpfe versammelt,<br />
die Enea senior in den 1960er- und 70er-Jahren gesammelt hatte. Hinzu<br />
kommt die Kunst, die der Junior zusammengetragen hat, ein Trio glänzender<br />
Pilze der Schweizer Künstlerin Sylvie Fleury beispielsweise, eine violette<br />
Nonnenskulptur des in New York lebenden Schweizers Ugo Rondinone<br />
oder die leuchtend bunten Bienenstöcke des deutschen Konzeptkünstlers<br />
Olaf Nicolai, die gleich neben echten Bienenstöcken platziert wurden. „Ich<br />
suche Kunst, die mir hilft, in einen Dialog mit der Natur zu treten“, erklärt<br />
Enzo Enea. Nice to have, könnte man sagen, aber nicht wirklich nötig. Denn<br />
die Kunst, mit der Natur in einen Dialog zu treten, beherrscht der Baum-<br />
Meister auch ganz alleine.<br />
TW<br />
Aus ENEAs ŒuvRE<br />
Enea Outside In Di.–Fr. 10–19 Uhr, Sa. 10–17 Uhr, Gessnerhof, Usteristrasse 14,<br />
Zürich, T. +41.43.299 99 66, enea.ch/outsidein/outsidein-thestore.html<br />
Enea Baummuseum Di.–Fr. 9–18 Uhr, Sa. 10–17 Uhr, Buechstrasse 12,<br />
Rapperswil-Jona, T. +41.55.225 55 55, enea.ch/baummuseum/<br />
peninsula Istanbul ab 1050 Euro, Karaköy, Kemankes Caddesi,<br />
T. +90.212.931 28 88, peninsula.com/istanbul/<br />
peninsula London ab 1300 Pfund, 1 Grosvenor Pl, London, T. +44.20.39 59 28 88,<br />
peninsula.com/en/london/<br />
the Dolder Grand ab 940 CHF, Kurhausstrasse 65, Zürich, T. +41.44.456 60 00,<br />
thedoldergrand.com<br />
Fotos: Joël Hunn (1), ingenhoven Architects/HGEsch Photography (1), Enea Landscape Architecture (4), DBOx SHVO (1)<br />
Traveller‘s World<br />
71
london style<br />
„MIR GEHT ES NICHT DARuM, JEMAND<br />
Zu ihren treuesten Kundinnen zählt eine gewisse Kate<br />
Middleton, besser bekannt als Princess of Wales. Sie trägt ihre<br />
Kleider quasi täglich. Zur Premiere von „James Bond: No<br />
Time To Die“, zum Staatsbesuch in Neuseeland, zur Krönung<br />
ihres Schwiegervaters oder bei einer Wohltätigkeitsgala,<br />
irgendwelche Gelegenheiten finden sich immer für die<br />
zukünftige Königin von England, die Roben ihrer Lieblingsdesignerin<br />
auszutragen. „Kate weiß, dass sie sich auf die<br />
eleganten Kleider und den Hauch von Glitzer von Jenny<br />
Packham verlassen kann, wenn die Kameras der Welt auf sie<br />
gerichtet sind“, schrieb der britische „Tatler“ kürzlich. „Diese<br />
Fotos beweisen, dass Kate und Jenny Packham stilistisch wie<br />
geschaffen füreinander sind.“<br />
Aber die Catherine ist beileibe nicht die<br />
einzige Kundin der englischen Designerin<br />
aus höheren Kreisen. Angelina<br />
Jolie bevorzugt ihre roten Roben, Ivana<br />
Trump trägt Jenny Packham zur Bat-<br />
Mizwa ihrer Tochter, Taylor Swift zu den Golden Globes. Sie<br />
alle scheinen versessen auf Packhams glitzernd-grandiose<br />
Gala-Kreationen, die bei Mittelklasse-Anlässen und durchschnittlichen<br />
Geburtstagen overdressed wären, aber auf<br />
roten Teppichen, bei Filmpremieren, Preisverleihungen oder<br />
Charity-Events glänzende Figur machen.<br />
Ihren Abschluss hat Jenny Packham an Londons<br />
berühmter Saint Martin’s School of Art gemacht, ihr Label<br />
zusammen mit ihrem späteren Mann Matthew Anderson, der<br />
damals in der Bildhauerklasse war, vor 35 Jahren gegründet.<br />
„Ich weiß nicht, wie wir das damals ohne Internet oder soziale<br />
Medien überhaupt geschafft haben“, erinnert sie sich. „Wir<br />
sind in London herumgefahren und haben kleine Prospekte<br />
unter die Türen von Redakteuren geschoben.“ Ihr Durchbruch<br />
kam, als Sandra Bullock in einem ihrer Tüllkleider mit<br />
Paillettenbesatz bei den Golden Globes 2<strong>01</strong>1 auftauchte. Seitdem<br />
dresst sie Hollywoods Größen – von Diane Kruger bis zu<br />
Kate Winslet – und entwirft Kostüme für Serien und Filme<br />
wie „Sex and the City“, „Der Teufel trägt Prada“ oder „Casino<br />
Royale“. Ihr Laden loziert am noblen Carlos Place im besten<br />
Mayfair, gegenüber dem legendären Connaught Hotel, aber<br />
ihre Kleider findet man auch bei Harrods, Saks Fifth Avenue<br />
und seit Kurzem bei Mytheresa.<br />
Doch obwohl zu ihren Kundinnen ein paar der reichsten,<br />
aufmerksamkeitsstärksten Frauen des 21. Jahrhunderts<br />
zählen, wird sie von den hochgestochenen Fashion-Magazinen<br />
weitgehend ignoriert. Anna Wintour etwa wurde noch<br />
bei keiner ihrer New Yorker Shows gesichtet. Selten wird der<br />
Unterschied zwischen Laufsteg und rotem Teppich offensichtlicher.<br />
„If women want to look quirky or experimental,<br />
they go elsewhere”, sagte Jenny Packham einmal zur „New<br />
York Times“. „Mir geht es nicht darum, irgendjemanden<br />
avantgardistisch erscheinen zu lassen. Ich möchte, dass<br />
mei ne Kundinnen sich schön fühlen.“<br />
80<br />
Traveller‘s World
AVANTGARDISTISCH ERSCHEINEN Zu LASSEN. ICH MöCHTE, DASS<br />
MEINE KuNDINNEN SICH SCHöN FÜHLEN“<br />
Packhams Erfolg spricht für sich. Aber „ich habe schon sehr früh in meiner Karriere<br />
gelernt, dass ich nie davon ausgehen darf, dass es so weitergehen wird, nur weil die Dinge gut<br />
laufen“, gestand sie Anfang des Jahres dem britischen „Harper’s Bazaar“. „Wenn man in der<br />
Modebranche lange bestehen will, muss man sich immer wieder neu erfinden, nach außen<br />
schauen, neugierig sein und darf nicht faul werden.“<br />
Das Risiko sind die byzantinischen Regeln des Entertainment Business. „Viele Stars<br />
haben Verträge mit den großen Modehäusern abgeschlossen und müssen daher etwas von<br />
dieser Marke tragen“, sagt Packham. Sie dagegen mag niemanden dafür bezahlen, ihre<br />
Kleider zu tragen, und setzt lieber auf gute Beziehungen. Und sie hat sich angewöhnt, nicht<br />
enttäuscht zu sein, wenn sich ein Star in letzter Minute gegen Packhams Angebot entscheidet.<br />
„Wenn sie es tragen, war es das richtige Kleid, wenn nicht, war es in diesem Moment das<br />
falsche.“ So oder so, Trägerinnen ihrer Dresses sind es gewohnt, Champagner in kristallenen<br />
heldin deS alltagS<br />
Wer a-list Celebrities<br />
wie Kate Winslet oder<br />
angelina Jolie – und sogar<br />
die Princess of Wales<br />
– blitzlichtumwitterte<br />
auftritte auf dem roten<br />
Teppich beschert, kann<br />
auch die Mitarbeiter des<br />
Peninsula london, das dieser<br />
Tage gegenüber dem<br />
Wellington arch eröffnet,<br />
glänzend aussehen lassen.<br />
doch vom auftrag bis zu<br />
den fertigen Garderoben<br />
vergingen drei Jahre<br />
Gläsern und kaviargekrönte Blinis gereicht zu bekommen. Und jetzt sollen Angestellte Jenny-<br />
Packham-Kreationen tragen? Es ist jedenfalls das erste Mal, dass sie Outfits für ein Hotel<br />
oder ein Unternehmen entworfen hat. Es ist auch ihr Debüt als Herrenausstatterin.<br />
„Die Herausforderung bestand natürlich darin“, sagt sie, „nicht ausschließlich auf<br />
Glamour und Stil zu setzen, sondern herauszufinden, welche Anforderungen jeder Job – vom<br />
Portier bis zum Housekeeping – mit sich bringt und wie sie sich darin bewegen müssen.“ Die<br />
Vorgabe von Sonja Vodusek, der GM des Peninsula London, war, dass sich die Mitarbeiter<br />
„selbstbewusst und selbstsicher fühlen, wenn sie ihre Uniform anziehen“. Dieses Wort wird<br />
sie ab sofort nicht mehr benutzen. Denn Packhams Konzept versteht sich als eine Kollektion<br />
farbenfroher, eleganter Optionen – von Lavallière-Blusen über Seidenkleider bis hin zu<br />
Brokatjacken – mit Accessoires, die beliebig kombiniert werden können, und Looks, die sich<br />
von tagsüber bis abends verändern lassen. In Jenny Packhams Worten eine „team wardrobe“.<br />
An jenem Freitagnachmittag im August (an dem übrigens außer Traveller’s<br />
World keine Presse zugelassen war) gerät die Modenschau zu einem<br />
veritablen team building event. Die Concierges, Chauffeure, Portiers, Bar -<br />
keeper, Rezeptionisten und Spa-Angestellte des Peninsula unter den<br />
Zuschauern jubeln ihren Kollegen auf dem runway zu. Ihre Looks, wird<br />
Jenny Packham später im zen-Garten-schönen Courtyard verraten, seien ebenso inspiriert<br />
von Peter Marinos Interior Design für die chinesische Luxushotelgruppe wie von 60s-Movies<br />
(„Charlotte Rampling! Julie Christie!, Michael Caine!“). Und sie kann es kaum erwarten, ihre<br />
Entwürfe etwa im spektakulären, nach einem racecourse in Surrey benannten Dachrestaurant<br />
„Brooklands“ oder im „Canton Blue“ im Einsatz zu sehen, das die Schätze eines chinesischen<br />
Handelsschiffs aus dem 19. Jahrhundert evoziert. Wir auch nicht!<br />
TW<br />
JENNy pACKhAm 3A Carlos Place, Mount Street, T. +44.20.74 93 62 95, jennypackham.com<br />
pENINsuLA ab 1300 Pfund, 1 Grosvenor Place, T. +44.20.39 59 28 88, peninsula.com/london<br />
Fotos: Alexandra Dragoi (4), Getty images (3)<br />
Traveller‘s World<br />
81
stay<br />
chineSiScher Sturm<br />
die Hotelgruppe aus Hongkong hat für das Interior design ihres<br />
aufschlags im Herzen der stadt, nur ein paar Gehminuten vom<br />
Münchner Marienplatz und der Nobelmeile Maximilianstraße,<br />
Tara Bernerd und ihr londoner Büro an die Isar beordert. Und<br />
siehe da: sie bringt Zeitgeist hinter die historischen Fassaden<br />
92 Traveller‘s World
ErStE<br />
Platzhirsche, aufgepasst! Mit<br />
dem Rosewood Munich betritt<br />
ein internationaler Player die<br />
Bühne, der weiß, was Gäste<br />
wollen. Die prächtige Kulisse<br />
bilden eine ehemalige Staatsbank<br />
und ein gräfliches Palais<br />
LAgE,<br />
LIgA<br />
Text REINHARd MOdRITZ<br />
Es war kein einfacher Spagat zwischen den<br />
historischen Fassaden, Denkmalschutz und<br />
Contemporary Style. Doch der Londoner Interior<br />
Designerin Tara Bernerd und dem Münchner Architekturbüro<br />
Hilmer Sattler ist er gelungen. Wo sich einst<br />
Hochfinanz und Hochadel versammelten, nämlich in der<br />
ehemaligen Bayerischen Staatsbank und im angrenzenden<br />
Palais Neuhaus-Preysing, logieren jetzt Gäste<br />
mit höchsten Ansprüchen in allerbester 1-a-Lage – und<br />
genießt Münchens besser betuchte Gesellschaft internationales<br />
Flair. Denn neben einer weltläufigen Klientel, die<br />
Rosewood Hotels in Hongkong, New York oder London<br />
schätzt, hat General Manager Roland Duerr auch den<br />
Gast vor Ort fest im Blick. „Rosewood nennt das ‚Sense of<br />
Place‘, eine starke Verbindung mit der Stadt, ihrer Kultur<br />
und dem bayerischen Lifestyle. Mehr noch: Wir wollen<br />
ein Teil Münchens werden.“ Clever geplant: Eigene<br />
Zu gänge für Bar, Restaurant und ein 1600-Quadratmeter-<br />
Spa sollen die Hemmschwelle für Locals senken.<br />
Einheimische wie Hotelgäste dürfen sich beispielsweise<br />
auf das Restaurant „Cuvilliés“ freuen, das als „alpine<br />
Brasserie“ Punkte sammeln möchte. Denn Herr über die<br />
Kochtöpfe ist Matthias Brenner, bislang Sous-Chef bei<br />
Edip Sigl, dem derzeit vielleicht kreativsten Sternekoch<br />
Deutschlands. Auf einem der sechs „Hot Seats“ direkt an<br />
der Showküche kommen Gäste ihm besonders nah. Eine<br />
Speisekarte gibt es an seinem Chef’s Table nicht; Matthias<br />
Brenner zaubert lieber täglich Neues. Noch intimer ist<br />
der private Dining Room für maximal 16 Gäste, in dem<br />
auch mal ein Sternekoch aus einem der Partner-Häuser<br />
ein Gastspiel geben soll. Und die Weinkarte? Die trägt mit<br />
Traveller‘s World<br />
93
stay<br />
nicht nur auS roSenholz geSchnitzt<br />
Hohe Gewölbedecken und prachtvoller stuck im eingangsbereich und in der lobby, Zimmer<br />
und suiten im Contemporary style und das elegante asaya spa über zwei etagen samt Indoor-<br />
Pool und Technogym-Fitness vom Feinsten: neuer luxus für die bayerische Metropole<br />
94 Traveller‘s World
über 400 Positionen die Handschrift des legendären<br />
Sommeliers Xavier Thuizat aus dem Rosewood Hôtel de<br />
Crillon in Paris.<br />
„Eine Münchner Bar, in der sich auch unsere Hotelgäste<br />
wohlfühlen, mit Life Acts und Jazz Sessions“, soll<br />
nach dem Willen von Roland Duerr die „Bar Montez“<br />
werden, eine augenzwinkernde Hommage an Lola<br />
Montez, die irische Tänzerin (und Mätresse König Lud -<br />
wigs I). Ganz versteckt, wie es sich gehört, gibt es auch<br />
noch eine Speakeasy Bar, aber wo, will der Herr über das<br />
Rosewood Munich noch nicht verraten.<br />
Von den insgesamt 132 Zimmern sind 40 Prozent<br />
Suiten, gut fürs Geschäft. Fünf noble „Houses“,<br />
wie bei Rosewood die Themen-Suiten mit bis<br />
zu 450 Quadratmetern genannt werden, stellen sich<br />
höchs ten Ansprüchen. Damit deren Bewohner wissen,<br />
dass sie in Bayern sind, tragen alle fünf Namen berühmter<br />
Wittelsbacher. Fürstlich residieren im „House“ von König<br />
Maximilian I.? Bei 16000 Euro pro Nacht nur eine Frage<br />
der Reisekasse. Daneben nimmt sich die Einstiegsrate von<br />
700 Euro für ein De-luxe-Zimmer vergleichsweise bescheiden<br />
aus. Allen Kategorien gemeinsam sind das zeitlose<br />
Design aus der Feder Tara Bernerds und der dezent bayerische<br />
Touch bei Bildern und Accessoires.<br />
Den zweigeschossigen Wellness-Tempel mit Mega-<br />
Pool und State-of-the-Art-Gym dürfen auch Tagesgäste<br />
genießen, Mitgliedschaften gibt es in verschiedenen<br />
Ausführungen; die Luxus-Variante ist mit rund 9000 Euro<br />
allerdings nicht gerade ein Schnäppchen. Aber das erwartet<br />
ja auch niemand von einem Rosewood.<br />
TW<br />
Ab 700 Euro, Kardinal-faulhaber-straße 1, münchen,<br />
t. 089.800<strong>01</strong>90, rosewoodhotels.com/de/munich<br />
shOp AROuND thE BLOCK<br />
Rund um das Rosewwod Munich<br />
lässt sich’s herrlich einkaufen,<br />
speisen und genießen<br />
Sois blessed<br />
Kreativer und durch die Inhaberin Ruth<br />
Gombert wunderbar beseelter Department<br />
Store mit Blumenshop, Daybar und<br />
lauschigem Innenhof.<br />
Prannerstraße 10, T. 089.20 94 18 00,<br />
soisblessed.com<br />
galerie Stephen hoffman<br />
mit Werken von Slim Aarons, Nomi<br />
Baumgartl, Peter Beard, Peter Lindbergh<br />
oder Terry O’Neill.<br />
Prannerstraße 5, T. <strong>01</strong>79.295 27 11,<br />
galeriehoffman.com<br />
Pageou<br />
Schickes Sternerestaurant von TV-Koch Ali<br />
Güngörmüs. Mediterran-orientalische Küche<br />
mit französischen Einflüssen. An warmen<br />
Sommerabenden unbedingt die<br />
schöne, geschützte Terrasse buchen.<br />
Kardinal-Faulhaber-Straße 10,<br />
T. 089.24 23 13 10, pageou.de<br />
bachmann & Scher<br />
world of Time<br />
Second hand, first choice: Sammler pilgern<br />
von weit her, um hier nach Vintage-Uhren und<br />
pre-owned Klassikern zu suchen. Hotelgäste<br />
haben beide Läden vor der Tür.<br />
Kardinal-Faulhaber-Straße 14a,<br />
T. 089.29 32 70, bachmann-scher.de;<br />
Prannerstraße 13, T. 089.12 71 39 42,<br />
worldoftime.de<br />
lodenfrey<br />
Von Brioni bis Zegna: alle großen<br />
Modemarken und viele spannende<br />
Newcomer unter einem Dach vereint. Wer<br />
hier nicht fündig wird, wird es nirgendwo.<br />
Maffeistraße 7, T. 089.21 03 90,<br />
lodenfrey.com<br />
Pressezentrum Fünf höfe<br />
Bestens sortierter Zeitschriften-Shop<br />
(u. a. Traveller’s World).<br />
Kardinal-Faulhaber-Straße 11,<br />
T. 089.29 90 23<br />
Fotos: Davide Lovatti (2), Hans-Rudolf Schulz (1), Rosewood Munich (3)<br />
Traveller‘s World<br />
91
stay<br />
Auf der stillenstillen Seite der<br />
Kykladeninsel Antiparos übersetzt<br />
Athanasia Comninos mit ihrem<br />
Hotel The Rooster das Konzept des<br />
„laidback luxury” für Menschen,<br />
die zwar alles gesehen, aber<br />
immer noch Träume haben<br />
Westcoast<br />
feeling<br />
Text kATHARINA HESEdENZ<br />
98 Traveller‘s World
angekommen<br />
Nach umtriebigen Jahren fand athanasia<br />
Comninos ihren ruhepol auf der griechischen<br />
Insel antiparos. Hier hat ihr Hotel The rooster<br />
ebenso tiefe Wurzeln geschlagen wie sie selbst<br />
Traveller‘s World<br />
99
stay<br />
die Temperamente der<br />
beiden Geschwister<br />
könnten kaum<br />
unterschiedlicher<br />
ausfallen. Während der Verkehr<br />
auf Paros im Sommer fast zum<br />
Erliegen kommt, sind die Straßen<br />
auf Antiparos jahrein, jahraus frei.<br />
Und so entsteht schon der erste<br />
Eindruck: Die nur knapp 35<br />
Quadratkilometer große kleine<br />
Schwester ist eindeutig „anti“ jede<br />
Hektik eingestellt. Sie ist eher<br />
mild gestimmt, ihr Alltag pro<br />
Entschleunigung, die Menschen<br />
herzensfreundlich. Zu erleben<br />
gibt es vor allem: Ruhe.<br />
Die Nachkommen der<br />
Hippies, die die Insel in den<br />
Seventies für sich entdeckten,<br />
bevölkern die Bars in der Altstadt,<br />
skandinavische Familien genießen<br />
jedes Jahr die flachen Sandbuchten<br />
und den fast endlosen,<br />
entspannten Sommer. Man trifft<br />
sie in den Hängematten im „Time<br />
Marine“, einer Bar am Psaraliki-<br />
Strand, beim Lunch in der Taverne<br />
„Peramataki“, die den Soros Beach<br />
überblickt, oder beim Anprobieren<br />
von Sandalen bei Zali, einer<br />
der vielen Boutiquen in der<br />
Alt stadt. Für Beach Hopping oder<br />
Ausflüge zu den 45 Millionen<br />
Jahre alten Tropfsteinhöhlen<br />
stehen zwei Taxis bereit. Auf<br />
Paros, so erzählt der Fahrer des<br />
einen kopfschüttelnd, gibt es<br />
mehr als 100.<br />
Die Aussicht auf eine „Auszeit<br />
wie früher“ lockte vor zwölf<br />
Jahren auch Athanasia Comninos<br />
hierher. Der Tochter eines griechischen<br />
Schiffsmagnaten war ihr<br />
„Warum sollte<br />
man sich für<br />
eine Aussicht<br />
auf Pa ros<br />
entscheiden,<br />
wenn man im<br />
Westen einen<br />
unverstellten<br />
Blick zum<br />
Horizont haben<br />
kann?“<br />
Lebenslauf eigentlich vorgezeichnet:<br />
„Ich bin ein Einzelkind, und<br />
mein Vater wollte, dass ich das<br />
Familienunternehmen übernehme“,<br />
erzählt sie bei einem<br />
Aperitif. „Doch ich hatte andere<br />
Pläne.“ Die führten sie fünf Jahre<br />
nach London, wo sie Fotografie<br />
und Interior Design studierte und<br />
eine Zeit lang bei Sotheby’s arbeitete,<br />
gefolgt von Jobs bei den<br />
Athener Zeitschriften „Life &<br />
Style“ und „Vogue Greece“. Die<br />
Heureka-Momente ihres Lebens<br />
lieferten dennoch immer Reisen.<br />
Und seit dem Besuch als Twentysomething<br />
in einer kleinen<br />
brasilianischen Pousada, in der<br />
VIPs wie Madonna ihr Silvesterdinner<br />
am Gemeinschaftstisch mit<br />
den übrigen Gästen einnahmen,<br />
träumte Athanasia davon, sich<br />
irgendwann einmal als Gastgeberin<br />
zu versuchen.<br />
Der Moment kam Jahre später.<br />
Nach ihrer Trennung von Mykonos<br />
(und ihrem Mann) fand sie in<br />
der südlicher gelegenen Kykladeninsel<br />
einen neuen Seelenort:<br />
„Antiparos“, stellte sie fest, „hat<br />
genau so viel Energie wie Mykonos,<br />
nur geerdeter. Sie ist sanft.<br />
Man fühlt sich vom ersten<br />
Mo ment an sicher und geborgen.“<br />
Bereits im ersten Monat kaufte sie<br />
ein Sommerhaus am Livadia<br />
Beach, zwei Jahre später das<br />
Nachbargrundstück, auf dem sie<br />
ihr Hotel bauen wollte. Doch bis<br />
zur Eröffnung vergingen acht<br />
lange Jahre. „Ich hatte viele<br />
Bedenken und wenig Vertrauen“,<br />
gesteht sie freimütig. „Aber<br />
schließlich habe ich alles hineingepackt,<br />
was mir wichtig ist, sodass<br />
das Hotel viel größer und vielschichtiger<br />
geworden ist, als ich<br />
ursprünglich geplant hatte.“<br />
Mittlerweile gibt es ein Spa,<br />
mehrere Restaurants und insgesamt<br />
17 Villen. Sie fügen sich sanft<br />
in die sonnenverbrannten Hügel<br />
ein, aus deren Stein sie gebaut<br />
sind. Locker gruppieren sie sich<br />
um das Haupthaus, das festungsgleich<br />
auf einem Hügel über der<br />
blauen Bucht thront. „Warum<br />
sollte man sich für eine Aussicht<br />
auf Paros entscheiden“, sagt die<br />
Hotelière fast verächtlich über die<br />
von vielen bevorzugte Ostküste,<br />
„wenn man im Westen freies Meer<br />
und einen unverstellten Blick zum<br />
Horizont haben kann?“<br />
Die sandfarbenen Trockenmauern<br />
der Anlage sind aus der<br />
Ferne kaum auszumachen, so<br />
geschickt sind sie in ihre Umgebung<br />
integriert, und selbst die<br />
Bougainvilleen sind nicht leuchtend<br />
pink, sondern mattorange.<br />
„Der Anspruch ist, die Landschaft<br />
nicht zu stören, sondern zu erhalten“,<br />
sagt Athanasia. Ihr geht es<br />
um Substanz, nicht um Oberfläche.<br />
Dazu gehört etwa, dass jede<br />
Villa über eine eigene Küche und<br />
100 Traveller‘s World
für SonnenanBeter<br />
In den Private Pools der unterhalb<br />
des Haupthauses gelegenen<br />
Zwei-schlafzimmer-villen direkt<br />
über dem livadia Beach spiegelt<br />
sich der abendhimmel (Bild oben,<br />
weiter im Uhrzeigersinn). die<br />
relaxte Farbpalette der Interieurs<br />
reicht von sand über Zimt bis zu<br />
ocker. Must-haves im rooster-stil:<br />
ohne sonnenhut und sommerbuch<br />
geht hier gar nichts. Im landscape<br />
Camo House gehen Wohn- und<br />
schlafbereich offen ineinander<br />
über. eine als Wandschmuck<br />
dienende riesenkette, die athanasia<br />
Comninos in der Türkei<br />
gefunden hat. Im restaurant „The<br />
Farm” wird frisches Brot in einem<br />
steinofen gebacken. Hier kommen<br />
salate und traditionelle Gerichte<br />
gartenfrisch auf den Tisch<br />
Traveller‘s World 1<strong>01</strong>
taste<br />
Some more<br />
Champagne<br />
for you?<br />
Mittags frisch geräucherter Lachs beim Fischer in<br />
Tallinn, abends Terrine de Foie Gras auf hoher See –<br />
eine Regent Seven Seas Cruise von Kopenhagen<br />
nach Stockholm schlägt auch kulinarisch hohe Wellen<br />
Text PATRICIA BRÖHM<br />
116 Traveller‘s World
AUF WELLENLÄNGE MIT DEN BESTEN Sterneverdächtige<br />
Küche im „Chartreuse” (links); Sushi und<br />
Thai-Curry im „Pacific Rim” (Mitte); High-End-<br />
Kochkurse in der „Culinary Arts Kitchen” (rechts)<br />
ir wollen unseren Gästen kulinarische Erinnerungen schenken“,<br />
wünscht sich John Stephano. Was er damit meint?<br />
„Wenn sie wieder zu Hause in Frankfurt oder Seattle sind<br />
und an diese Cruise denken, dann sollen sie den Geschmack<br />
der Pumpernickel-Croûtons am Gaumen spüren, die wir gemeinsam mit der<br />
norwegischen Fischsuppe zubereitet haben.“<br />
Stephanos Kochkurse an Bord der „Splendor“ sind Legende. Die meisten<br />
Gäste reservieren schon bei der Buchung ihre Plätze an einer der 18 Kochstationen<br />
in der State-of-the-Art-Küche am Bug. Auch weil Stephano nicht nur<br />
ein erfahrener Küchenchef ist, sondern zudem ein passionierter storyteller.<br />
Seine Rezepte würzt er mit Anekdoten aus seiner Kindheit: Aufgewachsen<br />
in einer irisch-italienischen Familie in Philadelphia, wurde er schon als Kind<br />
in der Küche seiner Mutter und Großmutter mit dem Gourmet-Virus infiziert.<br />
Und während die Kochschüler konzentriert Dill, Minze, Petersilie und<br />
Schnittlauch für die Kräuter-Scones hacken, unterhält er sie mit Geschichten<br />
aus seiner Zeit als Käseverkäufer. Chef Stephano hat eine Vita, die für viele Geschichten gut<br />
ist – er war Investmentbanker in Manhattan, bevor er seiner Leidenschaft fürs Kochen folgte<br />
und eine Ausbildung am namhaften Culinary Institute of America im Napa Valley absolvierte.<br />
John Stephano ist einer von zahlreichen Köchen, die weltweit auf den Schiffen von Regent<br />
Seven Seas Cruises unterwegs sind und ein Kochkursprogramm auf die Beine stellen, das vergleichbare<br />
Angebote an Land blass aussehen lässt. Auf der Zehn-Tage-Route von Kopenhagen<br />
nach Stockholm gibt es zum Panoramablick auf die Ostsee fast täglich die Gelegenheit, mit ihm<br />
zu kochen und sich nicht nur Rezepte, sondern auch viele<br />
Profi-Kniffe mitzunehmen. Heute stehen Zubereitungen<br />
der derzeit weltweit so gehypten nordischen Küche auf<br />
dem Programm – vom in Wodka gebeizten Gravlax bis<br />
zu Safrancrêpes mit frischen Blau-, Johannis- und Stachelbeeren<br />
aus Gotland. Die Zutaten dafür hat Stephano am<br />
Morgen beim Landgang in Lettland mit den Kochschülern<br />
selbst eingekauft – in der historischen Markthalle von<br />
Riga, die bei der Eröffnung<br />
1930 eine der modernsten in<br />
ganz Europa war und bis heute<br />
als „Bauch“ der Stadt gilt.<br />
Die „Culinary Arts Kitchen“<br />
auf jedem ihrer Schiffe<br />
sind nur ein Teil des ambitionierten<br />
Kulinarikprogramms,<br />
mit dem Regent Seven Seas<br />
Cruises im Markt gerade neue<br />
Zeichen setzt. Kopf dahinter<br />
ist der gebürtige Tiroler<br />
Bernhard Klotz, der als<br />
Vice President of Culinary<br />
Operations mit<br />
seinem Team dafür<br />
sorgt, dass die Gäste<br />
auf den fünf (und bald sechs) Luxusschiffen der<br />
cruise line nicht nur auf Gourmetniveau speisen,<br />
sondern auch viele kulinarische Erinnerungen mit<br />
nach Hause nehmen. Sein jüngstes Brainchild ist<br />
das Programm „Epicurean Perfection“, das speziell<br />
kuratierte Kreuzfahrten mit weltbekannten Köchen,<br />
Traveller‘s World 117
taste<br />
Winzern und Sommeliers bietet. So konnte er Drei-Sterne-Koch Alain Roux vom ikonischen The<br />
Waterside Inn bei London gewinnen, eine Reise von Rom nach Venedig zu bekochen und einige<br />
Gäste in die Geheimnisse seiner Signature-Dishes einzuweihen. Und mit Doug Frost köderte er<br />
einen von nur vier Sommeliers weltweit, die gleichzeitig die prestigereichen Titel Master of Wine<br />
wie auch Master Sommelier tragen. Auf einer Reise von Barcelona nach Venedig führt der Weinguru<br />
in die Welt der derzeit gefragtesten Gewächse entlang der Mittelmeerküsten ein und versorgt<br />
interessierte Passagiere mit Insider-Tipps.<br />
eim Landgang in Tallinn machen sich die Gäste der Baltikum-Kreuzfahrt derweil<br />
bereit, um Estlands Hauptstadt gemeinsam mit Chef Stephano zu erkunden. Zunächst<br />
geht es in ein traditionelles Fischerdorf auf der Halbinsel Viimsi, um einen<br />
à la minute vor den Augen der Passagiere geräucherten Lachs zu<br />
verkosten, anschließend in eine Bäckerei in der pittoresken Altstadt<br />
von Tallinn, um das typische, mit Melasse gesüßte Roggenbrot<br />
der Region kennenzulernen. Fürs Mittagessen hat das Kulinarik-Team<br />
von Regent Seven Seas Cruises das cool gestylte Restaurant<br />
„Rado“ im Herzen der Altstadt ausgewählt, wo man sich<br />
auf neoregionale Küche nach skandinavischem Vorbild versteht.<br />
Küchenchef Rado serviert zur Vorspeise frisch gehacktes Tatar<br />
von einem Kalb aus naher Zucht, dazu Pilze, hausgemachte<br />
Kräuter-Mayo und Topinambur-Chips. Am Tisch erzählt er, wie<br />
er mit seinem Team morgens früh in den Wäldern Pilze sammelt –<br />
insgesamt 400 verschiedene essbare Sorten kennt man in Estland.<br />
Genau darum geht es Stephano bei seien Ausflügen – den locals<br />
und ihren Spezialitäten so nahe wie möglich zu kommen: „Deshalb<br />
besuchen wir zum Beispiel in Barcelona nicht<br />
den von Touristen überlaufenen Boqueria-Markt,<br />
sondern den Mercat del Ninot im Eixample-Viertel,<br />
wo die Einheimischen einkaufen.“<br />
Dafür, dass an Bord nicht nur über gute Küche<br />
philosophiert wird, sondern dass die Gäste auch auf<br />
Gourmetniveau speisen, ist Michael Meyepa, gebürtig<br />
aus Kapstadt, zuständig. Sechs Restaurants bespielt er,<br />
dazu kommen Room-Service (selbstverständlich auf<br />
dem Silbertablett serviert) und Frühstück. 86 Köche<br />
hören auf sein Kommando, außerdem der bord eigene<br />
Metzger, der dafür sorgt, dass etwa im Steakhouse<br />
„Prime 7“ vom Filet Mignon über Porterhouse bis zum<br />
Rib-Eye nur beste Cuts serviert werden.<br />
Anders als auf vielen anderen Schiffen wird bei<br />
Regent Seven Seas fast alles an Bord frisch zubereitet<br />
– Meyepas Patissiers backen die Croissants selbst,<br />
Fotos: Regent Seven Seas Cruises (5), Patricia Bröhm (5), Eiliv Aceron/unsplash (1), unsplash (2)<br />
118 Traveller‘s World
KLEINE TISCHE, GRoSSE FISCHE Chef John Stephano<br />
räuchert den besten Lachs in Tallinn; auf dem Schiff<br />
wird Seezunge Grenobler Art serviert (rechte Seite):<br />
Die Reise endet im Designhotel „Nobis” in Stockholm<br />
seine Sauciers setzen jeden Tag die Béarnaise frisch an. So viel Akribie macht sich bezahlt:<br />
Im französischen Restaurant „Chartreuse“ speist man sterneverdächtig: Nach<br />
Salat von Alaskan-King-Crab, umhüllt von Daikon-Rettich im Melonen-Chartreuse-<br />
Sud, oder Artischocken-Tarte-Tatin mit Schwarzem Trüffel und Crème fraîche folgt<br />
der Schmelz einer Terrine de Foie Gras mit Sauternes-Gelee und karamellisierten<br />
Aprikosen. Der Höhepunkt: Seezunge Grenobler Art, in Butter knusprig gebraten,<br />
mit Zitrone und Kapern. Und zum Dessert? Natürlich eine Opéra-Schnitte!<br />
er sich mit den Sommeliers gut stellt, darf mit etwas Glück einen Blick<br />
in den Premium-Weinkeller tief im Bauch des Schiffes werfen. Hier lagern<br />
die Flaschen für die Connaisseurs unter den Gästen, die sich über<br />
das inkludierte Weinangebot (zu dem auch der Aperitif-Champagner zählt) hinaus<br />
einmal etwas Besonderes leisten möchten. Zur Wahl stehen viele große Namen der Weinwelt, vom<br />
2<strong>01</strong>4 Roederer „Cristal“ bis zum 2<strong>01</strong>9 „Ornellaia“, vom 2<strong>01</strong>1 „Cheval Blanc“ bis zum 2<strong>01</strong>7 „Château<br />
Margaux“ – eine von vielen Bouteillen, die Stockholm nur noch als Altglas erreichen wird. TW<br />
Eine vergleichbare Reise mit der „Seven Seas Navigator“ führt im Juli 2024 zehn Tage von Kopenhagen<br />
nach Stockholm über Danzig, Tallinn und Helsinki. Ab 6949 Euro inklusive aller Speisen, Getränke und<br />
Landausflüge. rssc.com<br />
„Nur bei uns” Drei Fragen an<br />
Bernhard Klotz, vice President of Culinary operations<br />
verraten Sie ein paar Highlights Ihres neuen Programms „Epicurean Perfection” für<br />
die Foodies unter Ihren Gästen? Gern! Unsere Küchenchefs begleiten Sie beispielsweise<br />
zu Wochenmärkten und bei Besuchen ausgewählter Produzenten. So gibt es nur bei<br />
uns an Bord maßgeschneiderte Champagner-, Cognac- und Macallan-Whisky-Tastings.<br />
Und unsere „Epicurean Spotlight Voyages” werden von namhaften Winzern,<br />
Sommeliers oder Spitzenköchen kuratiert.<br />
Sehen Sie neue Trends bei den kulinarischen Erwartungen Ihrer<br />
Gäste? Nicht nur bei uns an Bord steigt die Nachfrage nach<br />
pflanzenbasierter Küche und alkohol freien Drinks. Avocado-<br />
Toast ist das neue Must-have! Und wir arbeiten zunehmend<br />
an Menüs, die mehr Gemüse, Obst, Pilze, Getreide und<br />
Hülsenfrüchte enthalten.<br />
Welche Neuigkeiten für Gourmets wird die neue „Seven<br />
Seas Grandeur” bieten? Wir haben unsere Signature-Restaurants<br />
ganz neu konzipiert. Das Designstudio<br />
DADO aus Miami hat „Prime 7” nach dem Vorbild New<br />
Yorker Steakhäuser der 1920er-Jahre gestaltet; Klassiker<br />
wie unsere Jumbo-Crab-Cakes oder Black-Angus-Beef-<br />
Tatar mit Trüffel-Bier-Brot werden zeitgemäß interpretiert.<br />
Das Menü im italienischen „Sette Mari” wird ganz<br />
neu entworfen, nach dem Vorbild eines Sonntagsmahls in<br />
einer traditionellen apulischen Osteria – ein Besuch in der<br />
Region hat uns dazu inspiriert.<br />
Traveller‘s World 119
taste<br />
Benvenuti a Casa<br />
Text PATRICIA ENGELHORN<br />
Giuseppe Cipriani eröffnete 1931 die „Harry’s Bar“ in Venedig,<br />
seine Nachfahren haben daraus ein Imperium mit Restaurants,<br />
Cafés und exklusiven Private Members Clubs entwickelt<br />
120 Traveller‘s World
Sacra famiglia<br />
die sitzgruppe in einem der Mailänder de-luxe-Zimmer hat Michele Bonan<br />
entworfen, die Fotos sind von Marco Glaviano – beides gute Freunde der<br />
Ciprianis. Noch enger sind die Familienbande: arrigo Cipriani mit seinem<br />
sohn Giuseppe und den enkeln Maggio und Ignazio<br />
Traveller‘s World 121
taste<br />
eleganza milaneSe<br />
die großzügigen signature-suiten in der Casa<br />
Cipriani Milano punkten mit schimmernden<br />
Boiserien und Parkettböden, antiken Murano-<br />
Kronleuchtern und bequemen sofas und Betten<br />
122 Traveller‘s World
noch einen Bellini,<br />
Signora?“ Der Barman<br />
steht hinter einem<br />
dunkelgrünen Marmortresen<br />
vor einem mit Schnitzereien verzierten<br />
Holzaufsatz. Seine dunklen Haare glänzen, die<br />
weiße Fliege ist perfekt geknotet, die Stimme<br />
weich und angenehm. Zielsicher und in hohem<br />
Bogen lässt er eine Mischung aus pürierten<br />
weißen Pfirsichen und Prosecco von einem Shaker<br />
in den anderen gleiten. „Throwing“ heißt diese<br />
Methode, die dem Bellini seine luftige Konsistenz<br />
und seine Schaumkrone beschert. An der Wand<br />
über der Bar hängen alte Schwarz-Weiß-Fotos von<br />
Ernest Hemingway, Truman Capote und Peggy<br />
Guggenheim, im Raum davor stehen tannengrüne<br />
Samtsofas und karamellfarbene Ledersessel vor<br />
hell gedeckten Tischen, an denen Carpaccio,<br />
Risotto Primavera und gebratene Seezungenfilets<br />
serviert werden.<br />
Bellini? Carpaccio? Hemingway?<br />
Kling verdächtig nach Venedig und „Harry’s Bar“.<br />
Doch der Pickering Room befindet sich in<br />
Mailands imposantem Palazzo Bernasconi, weit<br />
weg von der Lagune. Eine Verbindung zur<br />
„Harry’s Bar“ gibt es trotzdem: Im Palazzo<br />
Bernasconi eröffnete vor knapp einem Jahr Casa<br />
Cipriani, ein Private Members Club mit 15<br />
Hotelzimmern und Suiten, Restaurant und Bar.<br />
Nach New York ist es die zweite „Casa“, erfunden<br />
und geführt von der vierten Generation<br />
der Ciprianis, deren Urgroßvater Giuseppe 1931<br />
die legendäre Bar in Venedig eröffnete. „Mein<br />
Urgroßvater hat schon damals unseren Stil<br />
definiert“, erzählt Giulia Pittini Cipriani, die die<br />
Mailänder „Casa“ betreut, „alles sollte schlicht,<br />
klassisch und elegant sein.“<br />
Die Geschichte in Kürze: Giuseppe<br />
Cipriani kommt 1900 in Verona als Sohn armer<br />
Eltern auf die Welt. Schon als Teenager arbeitet er<br />
in einer Konditorei, dann in diversen anderen<br />
Lokalen, bis er 1928 Barman im Hotel Europa in<br />
Venedig wird. Dort lernt er einen jungen Amerikaner<br />
kennen, der in finanziellen Schwierigkeiten<br />
steckt. Er leiht ihm 10 000 Lire, um seinen Heimflug<br />
in die USA zu bezahlen. Zwei Jahre später<br />
taucht der Amerikaner wieder in Venedig auf,<br />
begleicht seine Schulden und legt noch 30 000 Lire<br />
dazu, um mit seinem neuen Freund Giuseppe eine<br />
Bar zu eröffnen. Er hieß Harry Pickering und<br />
wurde zum Namensgeber für ein 40 Quadratmeter<br />
kleines Lokal, das in einem ehemaligen Seil -<br />
lager am Ende des schmalen Calle Vallaresso –<br />
damals noch eine Sackgasse – eröffnete.<br />
papa ante portaS<br />
In der „Harry’s Bar” am<br />
Calle vallaresso ließ sich<br />
schon ernest Hemingway<br />
von Gründer Giuseppe<br />
Cipriani und dem legendäre<br />
Barman ruggero<br />
Caumo mit besten drinks<br />
verwöhnen. das dekor<br />
ist bis heute unverändert,<br />
der Bellini auch<br />
„Harry’s Bar“ überlebte irgendwie die schwierigen<br />
Kriegsjahre und wurde danach mehr und mehr zum glamourösen<br />
Treffpunkt für Schriftsteller, Künstler, Aristokraten und Celebrities.<br />
Ernest Hemingway hatte einen festen Ecktisch und erklärte die Bar zu<br />
seinem Lieblingslokal. Der britische Autor Evelyn Waugh beschrieb<br />
sie in seinem mehrfach verfilmten Erfolgsroman „Wiedersehen mit<br />
Brideshead“. Charlie Chaplin, Marcel Proust und Maria Callas kamen<br />
regelmäßig vorbei. Orson Welles trank seinen Sundowner mit Blick auf<br />
die Lagune, und Truman Capote liebte die Krabbensandwiches. 1960<br />
kam eine zweite Etage für das Restaurant dazu, alles andere blieb<br />
unverändert und ist es eigentlich bis heute. Als Giuseppe Cipriani 1980<br />
starb, hatte er den Bellini und das Carpaccio erfunden sowie eine Bar<br />
geprägt, die schon damals eine „Casa“ war: persönlich, heiter, unprätentiös.<br />
giuseppes Sohn Arrigo – benannt nach der Bar<br />
(Arrigo ist italienisch für Harry) und nicht, wie oft<br />
angenommen, umgekehrt – übernimmt das Ruder. Er ist ohnehin längst<br />
Teil des Inventars und kommt bis heute, mit 91 Jahren, fast täglich<br />
vorbei. Wenn nicht, ist er vermutlich auf Reisen und inspiziert die<br />
neuen Lokale auf Ibiza, in Marbella oder Monte Carlo. Denn die Cip rianis<br />
sind längst zu Global Players mit Restaurants und Lounges auf der<br />
ganzen Welt geworden – von London und Los Angeles über Las Vegas<br />
und Mexiko City bis zu Riad und Abu Dhabi. Arrigo selbst hat 1985 mit<br />
der Bar „Harry Cipriani“ in New Yorks prächtigem Sherry-Netherland-<br />
Hotel den ersten Baustein gelegt. Auch dort strömten Prominente<br />
herbei: Madonna, John Travolta, Richard Gere und die drei James<br />
Bonds – Sean Connery, Roger Moore und Pierce Brosnan. Es folgt eine<br />
Geschichte mit italienischer Verve und ein paar Skandalen, darunter<br />
ein lang anhaltender Streit mit dem Restaurantkritiker der „New York<br />
Times“, eine öffentlichkeitswirksame Auseinandersetzung mit den<br />
Gewerkschaften und eine Verurteilung wegen Steuerhinterziehung.<br />
Arrigo Cipriani trägt es mit Fassung: „Alle machen Fehler, das Leben<br />
Traveller‘s World 123