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TAG DES HANDWERKS <strong>2023</strong> 5<br />
Der Präsident<br />
der <strong>Handwerks</strong>kammer<br />
Allenthalben hört man, dass Fachkräfte<br />
fehlen und dass Lehrstellen noch unbesetzt<br />
sind. Hat denn die <strong>Handwerks</strong>kammer<br />
irgendwelche Möglichkeiten, hier<br />
gegenzusteuern? „Die <strong>Handwerks</strong>kammer<br />
nutzt verschiedene Kanäle, um über die<br />
berufliche Vielfalt im Handwerk und die<br />
Karrierechancen mit einer Lehre zu informieren.<br />
Neben dem persönlichen Kontakt<br />
mit Jugendlichen auf Ausbildungsmessen<br />
und bei Schulbesuchen gehören dazu auch<br />
Aktivitäten auf Social Media. Um junge<br />
Leute noch besser zu erreichen, haben wir<br />
zum Beispiel kürzlich ein Influencer-Netzwerk<br />
gegründet: Zehn Handwerkerinnen<br />
und Handwerker aus verschiedenen Berufen<br />
geben auf dem Instagram-Account<br />
unserer Nachwuchskampagne ‚Macher<br />
gesucht!‘ authentische Einblicke in ihren<br />
beruflichen Alltag.“<br />
„In Brüssel klar<br />
zu Wort melden.“<br />
In der öffentlichen Diskussion hat man immer<br />
wieder den Eindruck, dass die Politik<br />
Konzerne und Großunternehmen präferiert.<br />
Auch EU-weit werden scheinbar so manche<br />
Regelungen und Vorschriften in Kraft<br />
gesetzt, die von <strong>Handwerks</strong>- und Kleinbetrieben<br />
nur schwer umsetzbar sind. Wie<br />
könnten das Handwerk und seine Probleme<br />
in diesen Kreisen besser berücksichtigt<br />
werden? „Es ist wichtig, dass sich das<br />
Handwerk in Brüssel klar zu Wort meldet<br />
und deutlich auf Probleme hinweist, die so<br />
manch politische Entscheidung für unsere<br />
Betriebe nach sich zieht. ‚Think small first‘<br />
– also die stärkere Berücksichtigung von<br />
KMU-Interessen – muss Grundlage der dortigen<br />
Politik werden. Ob Eurovignette, Lieferketten-Richtlinie<br />
oder ‚Green Deal‘: Alle<br />
diese Punkte betreffen direkt oder indirekt<br />
auch die kleinen und mittleren Betriebe<br />
<strong>des</strong> <strong>Handwerks</strong>.“<br />
Eine zugegeben etwas polemische Frage:<br />
Könnte es daran liegen, dass im Handwerk<br />
keine Aufsichtsratsposten winken?<br />
„Das glaube ich nicht. Klar ist aber auch:<br />
Die EU hat den Stellenwert <strong>des</strong> Mittelstands<br />
lange unterschätzt. Es hat Jahre zäher<br />
Überzeugungsarbeit gebraucht, bis man<br />
das auch in Brüssel erkannt hat. Davor war<br />
Wirtschaftspolitik lange Zeit in erster Linie<br />
Industriepolitik. Dabei stellen kleine und<br />
mittlere Unternehmen (KMU) den Großteil<br />
der Betriebe im europäischen Binnenmarkt.<br />
Das muss die Kommission bei ihren Entscheidungen<br />
noch viel stärker berücksichtigen.<br />
Die Grundsätze ‚One-in-one-out‘ und<br />
‚Vorfahrt für KMU‘ müssen aktiv gelebt und<br />
dem Subsidiaritätsprinzip mehr Raum gegeben<br />
werden.“<br />
Inwiefern haben Sie den Eindruck, dass<br />
die Corona-Pandemie heute noch Auswirkungen<br />
auf das Handwerk hat, oder<br />
scheint alles überstanden zu sein? „Die<br />
Corona-Pandemie ist in wirtschaftlicher Hinsicht<br />
weitgehend überstanden. Allerdings<br />
hat der Angriffskrieg Russlands auf die<br />
Ukraine neben dem großen menschlichen<br />
Leid auch viele wirtschaftliche Probleme<br />
mit sich gebracht. Lieferketten wurden aufs<br />
Neue belastet, Energie hat sich verteuert<br />
und so die Inflation in die Höhe getrieben.<br />
Das hat sich negativ auf den privaten Konsum<br />
ausgewirkt. Auch viele Unternehmen<br />
stellen Investitionen erst einmal zurück. All<br />
dies bekommen unsere Betriebe zu spüren.“<br />
„Schnell Karriere<br />
machen, ein<br />
Unternehmen<br />
aufbauen oder<br />
einen bestehenden<br />
Betrieb<br />
übernehmen.“<br />
Wie könnte das Interesse von jungen<br />
Leuten für eine Tätigkeit im Handwerk<br />
geweckt werden? „Wir können junge Leute<br />
für das Handwerk gewinnen, indem wir<br />
zeigen, wie erfüllend die Arbeit sein kann:<br />
Bei uns entstehen dauerhaft nachhaltige<br />
Produkte, die man anfassen kann. Das ist<br />
im Studium und bei den meisten Bürojobs<br />
anders. Außerdem müssen wir den Jugendlichen<br />
und ihren Eltern aufzeigen, dass man<br />
im Handwerk mit einer Aus- und entsprechender<br />
Weiterbildung schnell Karriere<br />
machen, ein Unternehmen aufbauen oder<br />
einen bestehenden Betrieb übernehmen<br />
kann.“<br />
Was sollten die <strong>Handwerks</strong>betriebe tun,<br />
um erfolgreich in die Zukunft zu gehen?<br />
„Wie je<strong>des</strong> Unternehmen, dass sich im<br />
Wettbewerb befindet, sollten <strong>Handwerks</strong>betriebe<br />
regelmäßig ihre Prozesse überprüfen<br />
und dann unter Umständen ihre<br />
Produkt- und Dienstleistungspalette anpassen.<br />
Außerdem sollten sie ihre Mitarbeiter<br />
weiterbilden und auch sonst auf dem<br />
Laufenden sein, um sich an neue Technologien<br />
und Verfahren sowie veränderte<br />
Verhaltensweisen und Gewohnheiten ihrer<br />
Kundinnen und Kunden anzupassen.“<br />
„Handwerk kann<br />
nicht einfach<br />
von künstlicher<br />
Intelligenz<br />
erledigt werden.“<br />
Und wie sehen Sie die Zukunft <strong>des</strong> <strong>Handwerks</strong><br />
generell? „Ich bin für die Zukunft<br />
<strong>des</strong> <strong>Handwerks</strong> optimistisch: Unser Land<br />
steht vor vielen Herausforderungen – und<br />
damit meine ich nicht nur die Umsetzung<br />
der Energiewende. Um all dies zu schaffen,<br />
brauchen wir gut ausgebildete Handwerkerinnen<br />
und Handwerker. Diese besitzen<br />
quasi eine Jobgarantie. Was unsere Betriebe<br />
mit ihren Mitarbeitern täglich leisten,<br />
kann nicht einfach ins Ausland verlagert<br />
oder von einer künstlichen Intelligenz erledigt<br />
werden.“<br />
FRANZ XAVER<br />
PETERANDERL<br />
Präsident der <strong>Handwerks</strong>kammer<br />
für München und Oberbayern und<br />
<strong>des</strong> Bayerischen <strong>Handwerks</strong>tages (BHT)