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Tag des Handwerks | September 2023

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TAG DES HANDWERKS <strong>2023</strong> 5<br />

Der Präsident<br />

der <strong>Handwerks</strong>kammer<br />

Allenthalben hört man, dass Fachkräfte<br />

fehlen und dass Lehrstellen noch unbesetzt<br />

sind. Hat denn die <strong>Handwerks</strong>kammer<br />

irgendwelche Möglichkeiten, hier<br />

gegenzusteuern? „Die <strong>Handwerks</strong>kammer<br />

nutzt verschiedene Kanäle, um über die<br />

berufliche Vielfalt im Handwerk und die<br />

Karrierechancen mit einer Lehre zu informieren.<br />

Neben dem persönlichen Kontakt<br />

mit Jugendlichen auf Ausbildungsmessen<br />

und bei Schulbesuchen gehören dazu auch<br />

Aktivitäten auf Social Media. Um junge<br />

Leute noch besser zu erreichen, haben wir<br />

zum Beispiel kürzlich ein Influencer-Netzwerk<br />

gegründet: Zehn Handwerkerinnen<br />

und Handwerker aus verschiedenen Berufen<br />

geben auf dem Instagram-Account<br />

unserer Nachwuchskampagne ‚Macher<br />

gesucht!‘ authentische Einblicke in ihren<br />

beruflichen Alltag.“<br />

„In Brüssel klar<br />

zu Wort melden.“<br />

In der öffentlichen Diskussion hat man immer<br />

wieder den Eindruck, dass die Politik<br />

Konzerne und Großunternehmen präferiert.<br />

Auch EU-weit werden scheinbar so manche<br />

Regelungen und Vorschriften in Kraft<br />

gesetzt, die von <strong>Handwerks</strong>- und Kleinbetrieben<br />

nur schwer umsetzbar sind. Wie<br />

könnten das Handwerk und seine Probleme<br />

in diesen Kreisen besser berücksichtigt<br />

werden? „Es ist wichtig, dass sich das<br />

Handwerk in Brüssel klar zu Wort meldet<br />

und deutlich auf Probleme hinweist, die so<br />

manch politische Entscheidung für unsere<br />

Betriebe nach sich zieht. ‚Think small first‘<br />

– also die stärkere Berücksichtigung von<br />

KMU-Interessen – muss Grundlage der dortigen<br />

Politik werden. Ob Eurovignette, Lieferketten-Richtlinie<br />

oder ‚Green Deal‘: Alle<br />

diese Punkte betreffen direkt oder indirekt<br />

auch die kleinen und mittleren Betriebe<br />

<strong>des</strong> <strong>Handwerks</strong>.“<br />

Eine zugegeben etwas polemische Frage:<br />

Könnte es daran liegen, dass im Handwerk<br />

keine Aufsichtsratsposten winken?<br />

„Das glaube ich nicht. Klar ist aber auch:<br />

Die EU hat den Stellenwert <strong>des</strong> Mittelstands<br />

lange unterschätzt. Es hat Jahre zäher<br />

Überzeugungsarbeit gebraucht, bis man<br />

das auch in Brüssel erkannt hat. Davor war<br />

Wirtschaftspolitik lange Zeit in erster Linie<br />

Industriepolitik. Dabei stellen kleine und<br />

mittlere Unternehmen (KMU) den Großteil<br />

der Betriebe im europäischen Binnenmarkt.<br />

Das muss die Kommission bei ihren Entscheidungen<br />

noch viel stärker berücksichtigen.<br />

Die Grundsätze ‚One-in-one-out‘ und<br />

‚Vorfahrt für KMU‘ müssen aktiv gelebt und<br />

dem Subsidiaritätsprinzip mehr Raum gegeben<br />

werden.“<br />

Inwiefern haben Sie den Eindruck, dass<br />

die Corona-Pandemie heute noch Auswirkungen<br />

auf das Handwerk hat, oder<br />

scheint alles überstanden zu sein? „Die<br />

Corona-Pandemie ist in wirtschaftlicher Hinsicht<br />

weitgehend überstanden. Allerdings<br />

hat der Angriffskrieg Russlands auf die<br />

Ukraine neben dem großen menschlichen<br />

Leid auch viele wirtschaftliche Probleme<br />

mit sich gebracht. Lieferketten wurden aufs<br />

Neue belastet, Energie hat sich verteuert<br />

und so die Inflation in die Höhe getrieben.<br />

Das hat sich negativ auf den privaten Konsum<br />

ausgewirkt. Auch viele Unternehmen<br />

stellen Investitionen erst einmal zurück. All<br />

dies bekommen unsere Betriebe zu spüren.“<br />

„Schnell Karriere<br />

machen, ein<br />

Unternehmen<br />

aufbauen oder<br />

einen bestehenden<br />

Betrieb<br />

übernehmen.“<br />

Wie könnte das Interesse von jungen<br />

Leuten für eine Tätigkeit im Handwerk<br />

geweckt werden? „Wir können junge Leute<br />

für das Handwerk gewinnen, indem wir<br />

zeigen, wie erfüllend die Arbeit sein kann:<br />

Bei uns entstehen dauerhaft nachhaltige<br />

Produkte, die man anfassen kann. Das ist<br />

im Studium und bei den meisten Bürojobs<br />

anders. Außerdem müssen wir den Jugendlichen<br />

und ihren Eltern aufzeigen, dass man<br />

im Handwerk mit einer Aus- und entsprechender<br />

Weiterbildung schnell Karriere<br />

machen, ein Unternehmen aufbauen oder<br />

einen bestehenden Betrieb übernehmen<br />

kann.“<br />

Was sollten die <strong>Handwerks</strong>betriebe tun,<br />

um erfolgreich in die Zukunft zu gehen?<br />

„Wie je<strong>des</strong> Unternehmen, dass sich im<br />

Wettbewerb befindet, sollten <strong>Handwerks</strong>betriebe<br />

regelmäßig ihre Prozesse überprüfen<br />

und dann unter Umständen ihre<br />

Produkt- und Dienstleistungspalette anpassen.<br />

Außerdem sollten sie ihre Mitarbeiter<br />

weiterbilden und auch sonst auf dem<br />

Laufenden sein, um sich an neue Technologien<br />

und Verfahren sowie veränderte<br />

Verhaltensweisen und Gewohnheiten ihrer<br />

Kundinnen und Kunden anzupassen.“<br />

„Handwerk kann<br />

nicht einfach<br />

von künstlicher<br />

Intelligenz<br />

erledigt werden.“<br />

Und wie sehen Sie die Zukunft <strong>des</strong> <strong>Handwerks</strong><br />

generell? „Ich bin für die Zukunft<br />

<strong>des</strong> <strong>Handwerks</strong> optimistisch: Unser Land<br />

steht vor vielen Herausforderungen – und<br />

damit meine ich nicht nur die Umsetzung<br />

der Energiewende. Um all dies zu schaffen,<br />

brauchen wir gut ausgebildete Handwerkerinnen<br />

und Handwerker. Diese besitzen<br />

quasi eine Jobgarantie. Was unsere Betriebe<br />

mit ihren Mitarbeitern täglich leisten,<br />

kann nicht einfach ins Ausland verlagert<br />

oder von einer künstlichen Intelligenz erledigt<br />

werden.“<br />

FRANZ XAVER<br />

PETERANDERL<br />

Präsident der <strong>Handwerks</strong>kammer<br />

für München und Oberbayern und<br />

<strong>des</strong> Bayerischen <strong>Handwerks</strong>tages (BHT)

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